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Ich bin zurück.
Das ist alles, woran ich denken kann, in großen Lettern steht es in meinen Hirnwindungen, Neonbuchstaben, deren giftiges Leuchten zu Pfützen verläüft.
Mein Trampolin hat mich nicht gehalten.
Blind bin ich wohl immer noch.
Ich bin zurück.
Trotzdem bin ich noch nicht angekommen, Statist bin ich, der sein eigenes Leben aus einer Grauzone beobachtet. Kann ich doch immer noch nicht ich selbst sein. Habe soviel bezahlt, daß das gekaufte Gut nichts mehr wert ist, mein umnebeltes Hirn auf Du und Du mit diesem tristen Grau , dessen Pinsel meine Wangen zeichnet.
Ich bin zurück.
Aber wer um Himmels Willen ist da zurückgekommen?
Nur ein paar Wochen.
Hoffnungsvoll bin ich ausgezogen, hoffnungslos kam ich zurück.
Sitze hier und starre meine Diagnose an, im Mondlicht, trinke Rorwein dazu und weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll.
Ich bin zurück.
Bullshit. Verdammte Scheiße.
Aber ich fange schon wieder am Ende an, nicht am Anfang.
Vor einigen Wochen zog das kleine Schäfchen aus, um einen Medikamentenentzug zu machen, und dieses Schäfchen erzählt jetzt gehorsam seine Gute-Nacht-Geschichte.
Der Worte mächtig bin ich immer noch, trotzdem mein zugedröhntes Hirn nur noch in grau denken kann.
Innerlich bin ich leer, das Grau hat keine Tiefe.
Bin gefallen in einen Strudel, der ins Nirgendwo führt.
Ich bin zurück.
Die Klinik hat mich verändert.
Kunststück.
Habe meine Kraft unterwegs verloren, und der Schrei hat sich geduckt.
Dreieinhalb Wochen ist es her, und ich zog aus, der Medikamentensucht Herr zu werden.
Ängstlich zog ich einen Trolli hinter mir her, und die Reisetasche schnürte in meine Schulter ein.
So klein und schäbig sah die Klinik aus, ganz anders als im Internet.
Gestalten umrundeten das Gebäude, wieder und wieder, die Kaffeetasse in der Hand. Schritt um Schritt, Runde um Runde. Lehrten mich das Fürchten, als ahnte ich, in einigen Tagen, vielleicht Stunden wäre ich eine davon, genau so verwirrt und desorientiert.
Und ich behielt recht.
Die nette Dame am Empfang verfrachtete mich in ein Vierbettzimmer, obwohl im Internet mit Zweibettzimmern geworben wurde. Es tangierte mich nicht wirklich, zu groß war meine Angst, zu sehr vermisste ich meinen Mann.
Schon bald lernte ich den Klinikalltag kennen.
Das Abgeben jeglicher Privatsphäre war ein absolutes Muss. Jeden Montag wurde das Gewicht ermittelt und akribisch von den Schwestern notiert, ich nahm unaufhörlich durch die Medikamentencocktails zu, mit denen mich die Ärzte vollstopften, die aber natürlich alle total harmlos und ungefährlich sind.
Eines schönen Morgens stand ich auf, nur um gleich darauf zu Boden zu stürzen, Kreislaufkollaps, Blutdruck 70 zu 50, verursacht durch ein ganz harmloses Schlafmittel.
Trotzdem mussten die Medikamente weiterhin unter strenger Aufsicht der Schwestern genommen werden.
Wenn es an der Zeit war, bildete sich die obligatorische Warteschlange vor dem Schwesternzimmer, um sich die volle Dröhnung abzuholen, die einen nach Utopia befördert, direkt und ohne über Los zu gehen. Es wurde ermittelt, ob man brav Stuhlgang hatte, wer nicht mit Ja antworten konnte oder wollte, bekam ein Abfuhrmittel verabreicht.
Die ersten Tage lief ich wie ein HB-Männchen herum, total überdreht, ein irrer Kreisel, in dessen Kreisen ich immer mehr versandete. Bekam von allem die Höchstdosis, und auch wenn es niemand sagte, konnte ich das Mißtrauen und den Unwillen der Ärzte darüber spüren, daß ich immer noch auf eigenen Beinen stand.
Weinen und Lachen, alles blieb sich gleich, alles blieb grau, stand total nehmen mir, worüber ich den Mund hielt.
Schweißausbrüche, als das Tilidin allmählich heruntergesetzt wurde, ich lächelte immer dumpf, obwohl ich innerlich weinte. Die Entzugsmedikamente fingen einen Teil der Entzugserscheinungen auf, wenn es auch nicht genug war. Ich trank Kaffee in Unmengen, das half mir gegen die fortdauernde Müdigkeit. Ein Paradoxon eigentlich, zugleich todmüde und überdreht zu sein, mit Kaffee ging es.
Das Kaffeeverbot ab 17 Uhr abends überging ich, indem ich den Schwestern vorlog, meine Kaffeepads wären koffeinfrei. Natürlich wußten sie, daß es nicht die Wahrheit war, konnten mir nur nichts beweisen, wollten es auch nicht.
Natürlich gab es auch die wöchentliche Sitzung beim Psycho-Doc, die immer gleich ablief. Der Herr Doktor starrte einen endlos lange an, als erwartete er, daß man das Wort ergriff. Tat ich natürlich nie, sagte im Gegenteil so wenig wie möglich, was trotzdem zuviel war. Sonderbare Gesprächsthemen wechselten sich mit der Beschuldigung ab, ich würde etwas verbergen. Natürlich tue ich das, du Schlaumeier, will ich doch nicht ewig in der Psychatrie einsitzen, denn um nichts anderes handelt sich hier.
Nach einigen Wochen, als ich mich bei einer Tilidin Dosierung von zweimal täglich fünf Tropfen befand, bekam ich heftige Kreuzschmerzen. Ich kannte ein ganz gutes, nichtopioides Schmerzmittel, das ich dann auch bekam. Bis der Herr Chefarzt ein Machtwort sprach und behauptete, das Medikament enthielte Opium.
Ich führte diese These ad absurdum durch Aussagen eines Schmerztherapeuten, eines Apothekers und eines schriftlichen Internetausdrucks, was dem Herrn egal war. Das das Medikament opiumhaltig wäre, dürfe ich es nicht bekommen. Stattdessen solle ich doch bitteschön mehr Tilidin nehmen, zu dessen Entzug ich doch hier als Gast verweilte. Als ob Tilidin kein Opiat wäre. Das nichtopioide Mittel wurde verweigert, das Opiat sollte ich nehmen, statt es zu entziehen.
Der Sinn des Ganzen entschloss sich mir nicht.
Spontan und extrem verärgert setzte ich das Tilidin komplett ab, um mir sodann anhören zu müssen, ich wäre geistig verwirrt.
Ich empfinde immer noch Wut darüber. Diese Wut half mir, durchzuhalten, die jetzt doch heftigen Entzugserscheinungen zu überstehen, lächelnden Gesichts zog ich meine Zirkelkreise im Garten, die Kaffeetasse in der Hand.
Bei meinem Wochenendurlaub soff ich wie ein Loch, was die Entzugssymptome milderte (den Tipp gab mir übrigens eine fast fertig studierte Medizinstudentin, die diesen ganzen Klinikunsinn auch nicht verstand). Wäre ein Alkoholtest gemacht worden, hätte ich ein Problem bekommen.
Die Ärzte haben extrem verärgert auf mein eigenmächtiges Absetzen reagiert, wollten mich hinauswerfen, ging ihnen doch einiges Geld durch die Lappen. Hatte ich mich doch resistent gegenüber sämtlichen Versuchen erwiesen, mir den Verstand abzusprechen. Die Wogen glätteten sich, als ich erwähnte, die Schwestern hätten Bescheid gewußt.
So wurde ich einige Tage später ordnungsgemäss entlassen.
Ich bin zurück.
Ich habe es überstanden.
Mit einer heftigen Entlassungdiagnose, die meine Eigenmächtigkeit sehr wohl ahndet. Explizit wird die Verwunderung darüber geäußert, wie leicht ich das eigenmächtige Absetzen überstanden habe, und die Vermutung geäußert, ich hätte mir das Opiat heimlich beschafft.
Habe ich natürlich nicht.
Interessiert natürlich keinen.
Außerdem hätte ich eine "akzentuierte Persönlichkeit, dependente Struktur".
Wem dies jetzt nichts sagt, macht gar nichts aus.
Weil es nicht stimmt.
Muss mit dieser Diagnose leben, auch wenn sie nicht der Wahrheit entspricht. Setze mir einfach ein neues Gesicht auf und ziehe davon.
Trotzdem bin ich immer noch ich.
Muß die Medikamente noch eine lange Zeit nehmen, sagen die Ärzte.
Überlege ich mir noch, sage ich mir.
Im Stillen, nur für mich.
Ich bin zurück, verflucht nochmal.
Ich bin am Leben.
Juhuu.
Ich lebe noch.
Standardsatz sämtlicher meiner Schilderungen, trifft er doch immer noch zu.
Ich lebe noch.


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Tag der Veröffentlichung: 23.09.2011

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