Wie unglaublich toll es ist, einen Tag, eine Stunde, eine Sekunde schmerzfrei zu sein, weiß man erst, wenn man diese eigentlich völlig selbstverständlichen Momente lange nicht mehr erlebt hat. Diese Momente sind es, die das Leben lebenswert machen.
Ohne sie fällt es schwer, am Morgen aufzustehen, es fällt schwer, so normal wie möglich sein Tagwerk zu erledigen, wenn innendrin alles vor Schmerzen schreit...
Aber warum nicht am Anfang beginnen.
Manch geneigter Leser mag schon einiges von mir gelesen haben, wenn nicht, auch nicht schlimm.
Ich habe niemals ein "normales" Bilderbuchleben geführt, war schon immer von einem unbändigen Lebensdrang besessen, was mir einige wenige unglaublich schöne und viele furchtbare Erfahrungen eingebracht hat.
Trotzdem würde ich, von ein oder zwei Erfahrungen abgesehen, die selben Entscheidungen nochmal treffen.
Schmerz ist in jedem Leben ein Begleiter, mal mehr und mal weniger ständig.
So habe auch ich einige Krankheiten durchgemacht, als eine der schlimmsten ich Hepatitis B nennen würde. Nachdem ich ein halbes Jahr die Symptome beschrieben habe, hat mein damaliger Arzt bei meinem fünfzigsten Besuch ungefähr festgestellt, daß ich daran litt. Ich sah aus wie eine Zitrone mit schwefelgelben Augen, aber es war wohl nicht möglich, die Krankheit früher festzustellen bzw. war es wohl angenehmer, mich als Hypochonder abzutun...
(Oh, nun werde ich doch böse, dabei wollte ich das gerade bei diesem Text nicht).
Egal, ich habe schließlich trotz aller Ärzte überlebt, hatte das meiste auch schon selber überstanden. Allerdings waren diese Schmerzen auch nicht ohne...
Mit Erreichen des dreißigsten Lebensjahres jedoch stellte ich fest, daß sich die Schmerzzustände häuften und immer weniger schmerzfreie Intervalle auftraten.
Ich zog mir zwei Bandscheibenvorfälle zu und begann, an ständigen Endometrioseschmerzen zu leiden. Einige lustige Migräneanfälle gesellten sich als kleine Tüpfelchen auf den I´s hinzu. Dazu einige chronische Darmentzündungen, die nie ganz weggehen.
Anfänglich genügten normale Schmerztabletten.
Auf vorsichtige Anfragen meinerseits, ob denn nicht ein MRT oder ein CT klarheit bringen könnte, wurde ich stets abschlägig beschieden, das seien sehr teure Untersuchungen. Ich solle lieber brav meine Medikamente schlucken, schließlich könne ich damit doch leben.
Als meine Schmerzen schlimmer wurden, bekam ich Novalgin verschrieben. Nach einigen Monaten bekam ich dadurch eine lebensgefährliche allergische Reaktion. Trotz herbeigerufenen Notarzt bestand mein Arzt darauf, ich solle es "doch noch einmal probieren". Ich tat es, und das Ergebnis... siehe oben.
Als nächsten Schritt bekam ich Tramal verschrieben. Davon bekam ich zwei Kreislaufkollapse und etliche epilleptische Anfälle, leider half kein anderes Medikament, und so bekam ich mehr davo verschrieben...und mehr...und mehr.
Opioide lassen nach einiger Zeit in der Wirkung nach, dazu machen sie wunderbar schleichend abhängig.
Wobei ich sagen muß, im Beipackzettel steht darin, daß in einigen ganz wenigen Fällen eine psychische Abhängigkeit auftreten kann... nur ganz selten, natürlich.
Körperlich?
I wo, Blödsinn.
Nach zwei Jahren Medikamenteneinnahme traten bei mir Nierensteine auf, um genau zu sein, vor drei Wochen etwa. Ich ertrug Höllenschmerzen, ständige Schmerzen bin ich nun schon gewohnt, in meinem Leben gibt es nur noch erträgliche, schlimme und unglaublich schlimme Tage, aber diese Schmerzen...
ich lag wimmernd auf dem Bett.
Montags schleppte ich mich zum Arzt, der mich ins Krankenhaus überwies, wo eine Notoperation durchgeführt wurde. Aufgrund Nierensteinen hatte sich die linke Niere gestaut, mir wurde eine Schiene gelegt, damit der Urin abfließen könnte, anschließend bekam ich das Schmerzmittel Dipidolor, da andere aufgrund Allergien und erworbener Wirkungslosigkeit nicht in Frage kamen.
Zwecks dieser Op war dann ein CT nicht zu teuer, mit dem die Steine festgestellt wurden... müßig, sich zu fragen, ob die Steine nicht vielleicht doch schon länger vorhanden waren und...
Vor zwei Tagen bekam ich die Schiene entfernt, die Steine gingen wohl dadurch ab.
Donnerstag nächste Woche werde ich in eine Entzugsklinik gehen, um die Medikamentenabhängigkeit loszuwerden.
Ein Selbstversuch ist gescheitert.
Ich bin davon ausgegangen, daß ich dieses schaffen müsste, vor Jahren habe ich einen kalten Heroinentzug durchgestanden, was die Hölle war.
Aber den Tramalentzug habe ich nicht geschafft.
Wie gemein dieses Zeug ist, konnte ich mir nicht vorstellen. Am vierten Tag habe ich aufgegeben.
Unglaubliche Angstzustände, Krampfanfälle, Schlaflosigkeit, Arme und Beine ein zuckender Ameisenhaufen... nein.
Ich werde also einen Monat auf Entzug gehen, meinen Mann, meine Familie, meine Freunde... alles werde ich solange verlassen.
Bis dahin muss ich Tilidin nehmen, ein stärkeres Opioid, weil Tramal doch nicht mehr wirkt und mein Arzt sich weigert, mir noch welches zu verschreiben... lieber das stärkere.
Ich bin kein Arzt, ich muß das nicht verstehen.
Ich habe fürchterliche Angst, mir geht es ziemlich schlecht, aber ich hoffe, daß es besser wird.
Ab und an schleicht sich der Gedanke ein, was ich nach dem Entzug gegen die Schmerzen nehmen soll, sie werden sich wohl kaum auf wundersame Weise in Luft auflösen, die Endometriose, Bandscheibenvofälle, etc.
Mein Arzt meint, abwarten.
Gut. Ich werde abwarten.
Warum mir allerdings so viel verschrieben wurde, daß ich abhängig wurde, verstehe ich immer noch nicht.
Alle Anfragen, ob ein Schmerztherapeut helfen könne, wurden verneint.
Der verschriebe doch auch nur Medikamente...
Tag der Veröffentlichung: 19.08.2011
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
All denen, denen es ähnlich geht. Das Wichtigste ist, das Schweigen zu brechen und sich Hilfe zu holen, bevor es zu spät ist.