Oma Knackbusch
und der Weihnachtsmann
Hübsch leise rieselt schon der Schnee,
die Flocken ziehen von Luv nach Lee,
ganz still und dunkel ist das Haus,
sieht einsam und verlassen aus.
Weil Vater, Mutter und das Kind
zur Kirche schon gegangen sind,
das Fest wohl vorbereitet haben,
denn heute ist Weihnachtsabend.
Ein Schatten schleicht im Garten hin,
die Scheibe klirrt, schon ist er drin,
ein Stuhl verrutscht, ein Glöckchen klingt,
der Strahl der Taschenlampe blinkt.
Und die gehört Carl-Gustav Clausen,
entlassen jüngst aus Oslebshausen,
der dieserart ins fremde Haus
sucht seine Weihnachtsgaben aus.
Der Weihnachtsbaum ist ihm egal;
am Gabentisch trifft er die Wahl.
Er packt nun ein,
das Perlencollier sollt für die Mutter sein.
Als zweites dann – hoch schlägt sein Herz,
greift er die Stola sich von Nerz.
Zum Dritten steckt er in den Sack hinein,
die goldne Uhr, sie sollt für den Vater sein.
Zwei Flaschen greift er sich auch schnell,
voll Whisky, teils von Chanel.
Am Tisch der Tochter findet er,
zwölf Silberlöffel fürs Dessert.
Auch noch zwei Schuhe für die Hand
aus Saffianleder dort er fand.
Dann aber schaut erstaunend an,
klein Bubis neue Eisenbahn.
Die Wagen, die Elektrolok,
den Tunnel und den Prellebock
die Schranken auch und die Gleise
das rührt ihn in besond’re Weise.
Er läßt den Sack zu Boden gleiten
und hockt sich, wie in alten Zeiten,
hin auf den Teppich, ganz bequem
und drückt auch schon auf’s Schaltsystem.
Und hei, der Zug beginnt zu sausen,
Signale leuchten seinem Brausen,
und sieh! Der Dieb Carl Gustav Clausen,
entlassen jüngst aus Oslebshausen,
ist plötzlich und von ungefähr,
jetzt wieder Stationsvorsteher,
wie er’s vor manchem Schicksalsjahr
erstmals als kleiner Junge war.
(In allen seinen Phantasie’n
schmückte die rote Mütze ihn,
und doch hat er mit Müh und Plagen
so manche Mütze sonst getragen:
Feldmütze erst, dann die für Schieber,
die blaue Seemannsmütz noch lieber,
zuletzt –er denkt daran mit Grausen –
das Krätzchen noch von Oslebshausen!)
Es rattern Schienen, es schnurrt die Bahn –
da hat die Tür sich aufgetan:
Plötzlich ins Zimmer ungebeten
ist Oma Knackbusch eingetreten,
die – da Sie zählt so viele Jahr’ –
nicht mit zum Kirchgang draußen war.
„OH“, sprach die Oma: „Kiek mol an,
dor is scha woll de Wiehnachtsmann!“
„Och, Wiehnachtsmann, lot di nich störn,
ick kann schlecht kieken und schlecht hören.
Ick töw all an die hundert Johr,
dat ick di ok mol wer gewohr!“
Carl Gustav Clausen guckt verdattert,
er kommt nicht klar, sein Herz das flattert.
Schon greift er nach dem Sack verstohlen,
um die Pistole rauszuholen.
Doch Oma fängt zu lächeln an:
„Ob ick dem lieben Wiehnachtsmann
auch min Gedicht aufsagen kann?“
„Lieber guter Wiehnachtsmann,
kiek Gesche Knackbusch freundlich an,
und steck auch Deine Rute ein –
lütt Gesche will auch artig sein.“
„So – war dat nich en scheun Gedicht?
Hesst Du mi ök Peppernööts mitbrächt?
Carl Gustav schwanken schon die Füße,
er sucht verzweifelt Pfeffernüsse.
Und wie er endlich welche findet,
nachdem er erst ein Licht anzündet,
da holt die Oma aus dem Schapp
schon eine Flasche Korn herab
und schenkt dem Gast ein Gläschen ein:
„Prost, das soll för Wiehnachten sein!“
„Prost“ stammelt auch Carl Gustav Clausen
und wünscht sich fast nach Oslebshausen
„Och Wiehnachtsmann, nu kiek mol her,
Du hast ja noch den Sack nicht leer.
Laß man, ick helf Dir – oh, wie fein –
die Kette wird für Trina sein.
Der Pelz, die Klock – und alles zum Feste,
och Wiehnachtsmann, du büst der Beste!“
Und Oma holt das alles raus,
packt ihm sein ganzes Säcklein aus.
Mit „Oh“ und „Aah“ legt jedes Stück
sie fein auf seinen Platz zurück,
bis Sie, nachdem der Rest verschwand,
im Sack noch die Pistole fand.
Da lacht und jubelt Sie: „Hihi,
die Sahnespritze is för mi!“
Carl Gustav fährt das in die Waden,
denn schließlich ist das Ding geladen.
Doch Oma meint: „ Ick muß probieren
wie wohl die Spritze deith funktionieren.“
Sie fummelt hin, sie fummelt her,
Carl Gustav stöhnt und kann nicht mehr.
„Pass up, min leeve Wiehnachtsmann,
-nu spritz ick die mit Sohne an!“
„Nu kiek doch nich so basch un wild,
de Spritze is ja nich gefüllt.
Ick tu nur so und drück mal zu,
als ob ick Sohne spritzen tu.“
Carl Gustav springt mit einem Satz
aufs Fensterbrett, wie eine Katz –
die Scheibe klirrt – Carl Gustav Clausen
ist – knapp gerettet – wieder draußen.
Doch Oma Knackbusch, fleißig wie immer,
macht Ordnung schon im Weihnachtszimmer,
schon klingen Kirchenglocken, -ja
und bald ist die Familie da.
Und dann, im Licht der Weihnachtskerzen
umarmt man Oma recht von Herzen,
und freudevoll und gut gelaunt
wird jeder Gabentisch bestaunt.
Da liegt –da liegt.- man träumt ja wohl,
auf Omas Tisch `ne Mordspistol.
„Tscha,“ strahlt Oma, „kiek mol an,
dat Ding heb ick vom Wiehnachtsmann.“
Tag der Veröffentlichung: 02.12.2009
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Allen denen, die Humor haben.