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Das Leben war furchtbar ungerecht. Ich hätte an ihrer Stelle sein sollen, Glückwünsche erhalten sollen und mit dieser grazilen Lady, die trotz des Anlasses dieser kleinen Party im Mittelpunkt stand, anstoßen sollen.
Darf ich fluchen?
Scheiße!
Danke.
Mein Name ist Elisabeth Forthman und gerade hat eine blonde Schönheit mit blassem Teint, übermäßig getuschten Wimpern und Kleidergröße 0, den von mir so heiß begehrten Posten der Chefredakteurin bei einem des zur Zeit renommiertesten Fashion Magazins der Stadt bekommen.
Es war zum heulen. Mein Job ging an eine andere, meine beste Freundin Charlotte vergnügte sich nur noch mit ihrem neuen Freund und zu allem Überfluss lief meine Suche nach dem perfekten Mann auch nicht gerade gut. Mein letztes Date war ein Desaster. Kevin, Börsenspekulant an der Wall Street, fand sich selbst unheimlich interessant. Neben seinen von sich selbst beim Abendessen sehr stark aufgeführten Stärken, klingelte auch noch verdammt oft sein Telefon. Statt sich zu entschuldigen, telefonierte er wirklich sehr energisch – und laut – mit seinen sehr sehr wichtigen Geschäftspartnern. Der teure Bentley, in dem er mich abholte, das noble Restaurant und sein viel zu großes Ego, brachten mich letztendlich zu der Überzeugung, dass ein so oberflächlicher Mann vielleicht nicht das richtige für mich war, um eine Familie zu gründen. Ich muss schließlich sehen wo ich bleibe, denn mit Fünfundreißig tickt die Uhr, wenn man in Dreißig Jahren nicht hören will, „Mann, deine Oma hat sich aber gut gehalten.“. Ja, ich war auf der Suche nach einem Mann, der mir ein Kind schenkte. Und nein, meinetwegen brauchte er danach nicht bei mir zu bleiben. Ich hatte schon mehrmals über künstliche Befruchtung nachgedacht. Nur irgendwas hielt mich davon ab. Vielleicht war es die Tatsache, dass ich meinem Kind in ein paar Jahren nicht erklären wollte, dass sein Vater aus einer Kühlbox stammte. Dieser Gedanke war mir wirklich mehr als fern.

„Elisabeth, Ms Denworth möchte Sie in Ihrem Büro sprechen.“
„Danke, Nathalie.“
Nathalie war bei Fashion Starlet das Mädchen für alles. Sie war eine kluge, ruhige Frau, vielleicht Mitte Zwanzig, die leider viel zu wenig aus sich machte. Ihre grauen weiten Hosen mit den schlichten schwarzen Pullovern unterstrichen ganz und gar nicht ihr markantes Gesicht mit der schier nicht enden wollenden roten Mähne.
„Stimmt etwas nicht?“, fragte Nathalie, immer noch in meinem Büro stehend, mich besorgt.
Ich musste ja furchtbar aussehen, wenn mich schon jemand fragt, ob alles okay ist. Mich, diejenige, deren zweiter Vorname Undurchschaubarkeit war. „Ja, alles klar.“, antwortete ich in Gedanken und stand auf. Ich verließ mein Büro und durchquerte den langen Flur zu Ms. Denworth’s Kathedrale, wie ich es immer so schön nannte. Dieses Büro war kein normales, wie man es in jeder Chef-Etage findet. Es war ein Palast. Jeden Morgen ließ sie sich frische weiße Lilien bringen. Nicht einen Strauß, nein, genau zehn. Ms Denworth legte viel Wert auf äußerst korrekte Abläufe des Tages. So war es auch nicht unüblich, dass sie mich, wie jeden Freitag gegen elf Uhr, zu sich ins Büro zitierte. Ich erwartete, wie immer kurz vor dem Wochenende, nichts Gutes von ihr.
„Elisabeth, schön, dass du da bist. Ich hoffe du nimmst mir das heute nicht allzu übel, aber Marybeth schien mir einfach geeigneter für den Posten.“
Geeigneter? Habe ich mich verhört? „Nein, Ms Denworth, ganz und gar nicht. Ich sehe es als Chance mich weiterhin zu etablieren.“ Etablieren? War ich denn von allen guten Geistern verlassen? Wie viele Beine sollte ich mir denn noch ausreißen? Dieser Drache raubte mir den letzten Nerv.
„Gut, denn ich habe einen neuen Auftrag für dich. Morgen ist Tony Shields in der Stadt, der berühmte Footballspieler, du hast sicher schon von ihm gehört.“ Es war mehr eine Feststellung, als eine Frage. „Er wird eine Woche in New York bleiben und du, Elisabeth, wirst ihn interviewen. Das ist, auf was unsere weiblichen Leserinnern warten. Ein Footballspieler, der aus dem Nähkästchen plaudert.“
Na wunderbar. Ich versuchte mir nicht anmerken zu lassen, wie absolut nicht begeister ich von der Auftragslage war. Tony Shields war dafür bekannt, sein Privatleben energisch unter Verschluss zu halten. Zudem war er auch eher ein Mann der meistens ziemlich übelgelaunten Partei gegenüber der Presse.
„Danke, Ms Denworth, ich werde mein Bestes geben.“, presste ich hervor.
Der Drache verzog seine schmalen Lippen zu einem angedeuteten, aber dennoch sehr grausamen Lächeln: „Das will ich hoffen. Ich will, dass diese Story gut wird, Elisabeth. Sie wird das Aushängeschild der nächsten Ausgabe sein. Du kannst mit einer kleinen Gegenleistung rechnen, wenn du dich hier richtig ins Zeug legst. Und nun, entschuldige mich bitte. Wichtige Termine, du weißt schon. Herrin zu sein ist nicht immer so einfach, wie es scheint.“ Sie lächelte eines ihrer Und-nun-mach-dass-du-rauskommst-Lächeln.
Ich nickte und drehte mich zur Tür.
„Ach und, Elisabeth?“
„Ja, Ms?“
„Enttäusch mich nicht!“, warnte der Drache.
Es schauderte mich, aber ich zwang mich dazu ihr ein Lächeln zuzuwerfen und verließ schleunigst den Raum. Diese Frau konnte sehr unangenehm werden, wenn man sich nicht in Acht nahm.
In meinem Kopf schwirrten tausend Gedanken. Aus Tony Shields private Details herauszulocken war ungefähr so schwierig, wie eine Erdnuss senkrecht auf die nächste zu stapeln. Als ich meine E-Mails checkte, fiel mir auf, dass Nathalie mir bereits alle wissenswerten Daten über Ankunft, Zeitplan und bekannte Termine von Tony Shields geschickt hatte. Und es war, weiß Gott, nicht wenig. Das würde eine sehr lange Nacht werden.

„Mr. Shields, Mr. Shields! Ein Autogramm bitte!“
“Mr. Shields, nur eine Frage. Wer war die blonde Begleitung letzte Woche mit der Sie auf Ihrer Finca in Spanien gesehen wurden?“
Herrje, diese Menschen waren wirklich alle furchtbar penetrant.
Moment, ich war nicht anders. Auch ich versuchte mich durch die Menschenmassen, die sich vor den Türen des City Palace Hotels drängten, hindurch zu quetschen, um einen Blick auf Tony Shields zu erhaschen.
Kurz bevor ich mich ganz nach vorne durchgedrängelt hatte, stieß mich etwas von hinten und ich fiel der Nase nach vornüber auf den Asphalt. Irgendetwas hielt mich in letzter Sekunde vor dem Aufprall fest. Wie peinlich!
„Alles in Ordnung?“, dröhnte eine dunkel Stimme.
Musste mich das denn jetzt jeder andauernd fragen?
„Sehe ich so aus, als wäre alles…“, verstummte ich, als ich in ein paar goldbraune Augen starrte. Diese Augen gehörten zu einem für einen Mann verhältnismäßig weichen Gesicht. Die Wimpern waren lang und umrahmten die Augen mit einer ungewöhnlichen Dichte. Die ebenmäßigen Züge hatten sich leicht verzogen. Auf seiner Stirn runzelten sich kleine Fältchen des Fragens. Der starke Arm umfing mich immer noch, auch als ich schon wieder auf den Beinen war.
Ein wahres Blitzlichtgewitter stürmte auf uns los.
„Mr. Shields, wer ist Ihre neue Freundin?“
„Hat Sie einen Namen?“
„Wie lange kennen Sie sich schon?“
Einen kurzen Augenblick wusste ich nicht, wie mir geschah. Dann bemerkte ich, dass der starke Arm nun an mir zog.
„Komm!“, sagte die dröhnende Tenorstimmte herrisch zu mir.
Ich folgte Tony Shields durch die Menge zu seiner Limousine. Barsch drückte er mich hinein auf den hinteren Sitz und setzte sich schnell dazu, nur, um wie in Panik, die Tür hinter sich zu schließen.
„Lady, das war sehr unüberlegt von Ihnen.“, sagte er mit einem immer noch ein wenig herrischem Unterton.
Ich riss die Augen auf: „Bitte? Um was geht es?“
„Sie haben gerade ganz schön Aufruhr veranstaltet.“
„Ich wurde geschubst!“
„Sie haben sich mir in die Arm e geworfen.“
„Sie haben mich aufgefangen!“
„Ich hatte keine Wahl.“
„Das ist ja unerhört!“, empörte ich mich, „Lassen Sie mich an der nächsten Ecke raus!“
Er verzog seine nicht zu vollen, aber auch nicht zu schmalen Lippen zu einem spöttischen Grinsen: „Den Teufel werde ich tun.“
Wieder fiel mir fast die Kinnlade herunter: „Aber…“
„Nichts aber! Wir werden nun eine Spazierfahrt machen, bis wir die Paparazzi, die uns schon seit drei Blocks folgen, abgehängt haben.“
„Das ist Entführung!“, schrie ich fast.
„Das ist Selbstschutz!“
„Sie eingebildeter Rowdy!“, sagte ich wütend und trommelte auf seine Brust, „Sie werden mich unverzüglich aussteigen lassen, sonst…“
Er hob fragend eine Augenbraue und lächelte mich mit einem unwiderstehlichen Blick an.
„Ach vergessen sie’s! Fahren Sie mit mir doch, wohin Sie wollen.“ Ich setzte mich, wirklich ein wenig beleidigt, in die andere Ecke der Limousine und sah aus den verdunkelten Fenstern. Ich fühlte mich, trotz der Tatsache, dass ich diesen Wagen, natürlich nur zum Selbstschutz von Mr. Shields, nicht verlassen durfte, ziemlich wohl. Auch wenn ich es mir nicht eingestehen wollte!

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Tag der Veröffentlichung: 05.11.2010

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