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Die Nachricht machte ihre Runde durch die Schule in Sekundenschnelle. Die veilleurs de nuit

, die Nachtwächter, waren in Deutschland – und sie verlangten ihren Blutzoll. Sie kamen nur alle paar Jahrzehnte nach Europa, noch seltener in die Bundesrepublik, doch nun waren sie da, voller grausamer Vorhaben und vor allem durstig. Die Nachtwächter waren eine Fraktion bestimmter Vampire, untote Gestalten die seit Hunderten von Jahren durch die Welt zogen und die Menschen in Angst und Schrecken versetzten, denn dort wo sie auftauchten wurden die Straßen leer, der Himmel schwarz und die Flüsse rot von Blut. Ihr Führer war das enfant d’oubli

, hier auch Kind der Vergessenheit genannt, das nie jemand zu Gesicht bekommen hatte. Die veilleurs de nuit lebten, sofern sie nicht durch die Weltgeschichte wanderten, mitten unter den Menschen, doch erkennen konnte man sie mitnichten. Solange sie nicht kämpften glichen ihre Körper denen der Menschen, abgesehen von der nahezu abartigen Schönheit und ihrer makellosen Vollkommenheit waren sie völlig unauffällig, es sei denn, man hatte einen von ihnen jemals im Kampf beobachtet. Ihre Gestalt, ihre Bewegungen ließen sich mit der einfachen Fantasie eines gewöhnlichen Menschen kaum beschreiben; zudem sah man einen Nachtwächter grundsätzlich nur ein einziges Mal in diesem Körper – nämlich kurz bevor man von ihnen ermordet wurde.
Die Situation wäre wohl aussichtslos, denn es war keine Methode bekannt, einen von ihnen zu töten. Wäre da nicht noch eine zweite Vereinigung von Vampiren, die Kinder der Nacht. Sie waren diejenigen, die die Nachtwächter unter Kontrolle hielten und sie in jede Stadt, wo sie auftauchten, verfolgten. Es herrschte ein Krieg von dem die meisten nicht einmal etwas mitbekamen, doch er war grausamer als jeder andere und schien aussichtslos, denn die Nachtwächter vermehrten sich wie Parasiten über den gesamten Globus, rotteten die Menschheit aus wie eine Seuche und trotz allem waren sie unauffällig und längst wieder verschwunden, sobald man ihr Eindringen bemerkt hatte.
Die Kinder der Nacht waren ähnlich aufgestellt wie die Nachtwächter, doch ihre Anhänger blieben kontinuierlich bestehen und waren nach ihrer Stärke in unterschiedliche Ränge aufgeteilt. Es gab die Kinder der neunten Nacht, welche noch die harmlosesten waren, danach wurde immer weiter runter gezählt, bis zu den Kindern der zweiten Nacht, welche zwar die stärksten waren, doch noch weit unter ihrer Gründerin, der Tochter der ersten Nacht, standen. Auch sie war noch nie vor die Menschen getreten, wenngleich die Kinder der Nacht sich den Menschen des Öfteren zeigten. Schon oft hatten sie ganze Städte vor den Nachtwächtern bewahrt – nur schienen sie diesmal zu spät zu kommen.

Eine Lautsprecherdurchsage, zwei Minuten bevor es zur großen Pause schellte. „Die Schülerinnen und Schüler werden gebeten, die Klassenräume keinesfalls zu verlassen.“ Mehr musste man nicht mehr sagen. Jedem war klar, was passiert war. Die Nachtwächter waren hier und ihr Durst auf den roten Lebenssaft der jungen wie alten Menschen war riesig, ihr Verlangen nach dem Geruch von Tod und dem verzweifelten Weinen der zum Tode verurteilten war ungestillt. Mal suchten sie ihre Opfer gezielt aus, je nachdem, wonach ihnen gerade war, mal schlachteten sie ganze Vororte ab, ohne auch nur einen einzigen Tropfen zu trinken und arbeiteten sich emsig auf die Stadtmitte zu, erregten ihren Blutdurst noch mehr als nötig, um schließlich eine Großstadt in einen Friedhof zu verwandeln. Und das Alles lediglich zu ihrem perversen Vergnügen.


To be continued.

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Tag der Veröffentlichung: 03.12.2009

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