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Es war einmal vor langer Zeit ein uralter Baum, der Baum des Lebens

. In ihm lebte einsam und allein eine, von den Tieren des Waldes ausgeschlossene und von den Menschen für nicht existierend erklärte Fee, welche nicht größer war als ein Kind, doch älter als jedes andere Lebewesen auf diesem Planeten.
Oftmals saß sie zwischen den Wurzeln des Baumes und spielte mit den Ratten, denn diese waren die einzigen, die sie akzeptierten, die einzigen, die sie zu lieben lernte. Jedes andere Lebewesen, welches auch nur im Entferntesten Furcht zu empfinden vermochte, fürchtete die Fee mehr als alles andere, und so verließ sie ihren Baum lediglich, um mit ihren einzigen Freunden zu spielen. Doch die Ratten starben, eine nach der anderen schied aus ihrem Leben und auch die Fee wurde älter, bis sie es irgendwann schließlich nicht mehr aushielt, allein zu sein. Sie begab sich zum See und noch bevor sie das Ufer erreicht hatte, verschwand jede Libelle zwischen den Gräsern und die Fische verzogen sich in die scheinbar bodenlosen Tiefen des Sees. Die Fee setzte sich auf einen Stein und weinte, während um sie herum in dunkelvioletten Nuancen die Abenddämmerung über den Wald hereinbrach. Wolken schoben sich vor den Mond, als wollte er sich aus Furcht vor ihr hinter ihnen verstecken und schließlich fielen erste Tropfen vom Himmel, die schwache Wellen auf das ruhige Wasser zauberten. Die Fee, deren Flügel das Wasser nicht vertrugen, lief davon und versteckte sich in einer Holzhütte am Rande des Waldes. Die Hütte schien einem Jäger zu gehören, denn an der Wand fand sie ein Jagdmesser neben dem anderen. Sie nahm eines in die Hand, betrachtete lange Zeit die silberne Klinge und spielte mit dem Gedanken, sich endlich von ihrer Unsterblichkeit zu erlösen...
Sie bemerkte zu spät, dass jemand hinter ihr stand, und so blieb ihr keine Zeit mehr, zu fliehen. Der Mann schien ob der Existenz der Feen Bescheid zu wissen und erschrak nicht vor ihrem Anblick, sondern fragte, was sie mit seinem Messer vorhabe. Sie antwortete ihm, dass sie ihre Flügel abschneiden wollte, um ein Mensch zu werden und er schlug ihr vor, ihr bei ihrem Vorhaben zu helfen...
Doch hatte der Jäger andere Vorstellungen gehabt als sie, denn anstelle von einem sauberen Schnitt, wie die Fee es so gerne gehabt hätte, wollte er statt ihrer Flügel nur noch Knochen sehen. Er riss ihr die Flügel aus dem Leib und zum ersten Mal in ihrem langen Leben spürte sie Schmerzen, ihr silbernes Blut färbte sich rot und ihr altes Herz begann endlich zu schlagen. Sie weinte und schloss die Augen und als sie sie später wieder öffnete, war sie wieder allein. Einen Moment lang glaubte –nein, hoffte

sie- es wäre nur ein Traum gewesen, ein schrecklicher Alptraum, doch als sie ihren Blick durch den Raum schweifen ließ erblickte sie das silberne Blut einer Fee und mitten in diesem See aus Blut und Tränen fand sie ihre zerbrochenen Flügel, die man ihr so gewaltsam entrissen hatte...
Wenige Tage später fand man sie mitten auf der Straße, zwischen Dreck und Ratten, und brachte sie in das Irrenhaus. Dort lebte sie Jahre lang, eingesperrt hinter Gitterstäben und undurchdringbaren Mauern, und sie hatte niemanden, nicht einmal mehr die Ratten von der Straße, was ihr so schmerzhaft bewusst wurde, als sie sich an jene Zeit erinnerte, in der sie im Wald gelebt hatte, wild und frei, bevor man ihr die Flügel genommen hatte...
Die einzigen Flügel, auf die sie nun noch hoffen konnte, waren die eines Engels nach ihrem Tod...

Impressum

Texte: Cover-Fotos(c) www.Dark-Yarrow.deviantart.com www.mjranum-stock.deviantart.com edited by me. edited by me.
Tag der Veröffentlichung: 14.09.2009

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