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Prolog

Manchmal ist es nicht leicht, zwischen Traum und Wirklichkeit
zu unterscheiden. Manch ein Traum wirkt so real,
dass man für einen langen Augenblick an das glaubt, was
man sieht und dann ist die Wirklichkeit so erschreckend,
dass man hofft, sie sei nur ein Traum.
Wie angewurzelt stehe ich im Regen, die Tropfen peitschen
mir ins Gesicht, ich atme nicht – ob vor Angst oder
vor Schreck, kann ich nicht sagen – das Einzige, was ich
sehe, sind diese wunderschönen grau-blauen Augen. Sie starren
mich an. Ich will wegrennen aber es geht nicht, ich bin
nicht imstande, mich auch nur einen Millimeter zu bewegen.
In diesen Moment stehe ich in diesem Zwiespalt, zu
entscheiden, was Traum und was Wirklichkeit ist. Woran
will ich glauben?


Die Geburt

Die Geburt ist für die meisten Menschen etwas Wundervolles,
ein neues Leben hat das Licht der Welt erblickt. Man
hat etwas Großartiges bekommen. Wenn aber jemand dafür
im selben Augenblick sein Leben geben muss, ist das dann
dieselbe Freude? Als ich auf die Welt kam, wurde meine
Geburt von einer tiefen Trauer begleitet, denn jemand hat
dafür sein Leben gegeben. Das Einzige, was mich daran erinnert,
ist mein Name, mein eigentlicher Name: Shyloh.
Doch niemand nannte mich je so.
Dass er mir gegeben wurde, war der letzte Wille meiner
Mutter, bevor sie für immer ihre Augen schloss.
Ich weiß nicht, was sie sich dabei gedacht hat. Der Name
bedeutet »Geschenk«. War das ihre Art mir zu sagen, dass
sie mir das Leben geschenkt hat, und dass der Preis dafür
ihr Leben war. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass es mich
mein ganzes Leben lang daran erinnern wird. Ich habe nicht
sehr viel von ihr geerbt, abgesehen von den grünen Augen
und den dunkelblonden, gelockten Haaren. Das bestätigt
mir immer wieder mein Dad, Matt Blair. Er ist der
Chiropraktiker in dieser Kleinstadt. Er spricht immer noch
sehr viel von ihr und manchmal glaube ich, dass er mir die
Schuld an ihrem Tod gibt.
Ich kann es ihm nicht einmal verübeln, es ist ja eine Tatsache!
Sie war voller Lebensfreude und nicht zu bremsen, wenn
sie sich über etwas gefreut hat, das sagt auch immer Tante
Sue, die Schwester meiner Mutter. Ich hingegen bin still und
lebe eher in einer Traumwelt, was die meisten Leute irritiert
und abschreckt. Ich isoliere mich zu sehr, wie Sue sagt. Vielleicht liegt das auch daran, dass ich das Leben in einem
Buch viel schöner finde als die Realität.
»Rose, hörst du mir überhaupt zu?«
Erst jetzt erwachte ich aus meinen Gedanken und sah,
dass mich Amie ganz verdutzt anblickte.
»Oh, entschuldige ich ... was hast du gesagt?«
»Mann, das ist echt schlimm mit dir. Ich sagte gerade,
dass sie wieder zurück sind und dass sie dir mal wieder Löcher
in den Rücken starrt!«
»Amie, von wem redest du?«
Ich war noch immer irritiert. Das hatte ich jetzt davon,
dass ich mit meinen Gedanken immer irgendwo, aber nicht
im Hier und Jetzt war.
»Die Collister-Geschwister. Elana starrt dich wieder so an,
als hättest du sie ausgeraubt!«
»Ich wusste nicht, dass sie weg waren«, log ich und versuchte
es so beiläufig wie nur möglich zu sagen.
»Ach tu nicht so, seit sie vor zwei Monaten hergezogen
sind, ist doch alle Aufmerksamkeit auf sie gerichtet, inklusive
deiner!«
Das mochte ich an Amie, sie war das komplette Gegenteil
von mir, aufgeweckt lustig und direkt, man konnte ihr so
gut wie nichts verheimlichen.
»Na, hör mal, ich sitze seit zwei Monaten in Englisch neben
ihm, und er interessiert mich nicht im Geringsten, und
wenn ich wüsste, warum mich Elana so wütend anstarrt,
würde ich mich ja auch entschuldigen. Wenn es nur einen
Grund gäbe, ich weiß ja nicht, was für ein Verbrechen ich
begonnen habe!«
Dass er mich nicht interessiert, war eine glatte Lüge. Er
interessierte mich sehr wohl aber ich ihn scheinbar nicht.
Viel mehr als meine grünen Augen war an mir ja auch nicht
dran.
»Ach so, ich habe in der Mehrzahl gesprochen, du hingegen
erwähnst nur Aaron! Sehr aufschlussreich.«
Siegessicher grinste sie mich an. Verdammt, sie anzulügen
war nicht leicht. Ich fühlte, wie meine Wangen ganz heiß
wurden und da meine Haut so blass wie die einer Porzellanpuppe
war, sah Amie das bestimmt auch.
»Wusste ich es doch!« Ihr Grinsen wurde noch breiter.
»Er interessiert sich doch eh nicht für mich, also was soll’s.
Können wir das Thema wechseln?« Ich war froh, dass die
Cafeteria so voll war und niemand unser Gespräch hören
konnte.
»Tja da muss ich dich enttäuschen, denn jetzt schaut er
auch her.«
Amie gab es einfach nicht auf.
»Wir sollten gehen. Englisch fängt gleich an und wir schreiben
einen Aufsatz, ich will nicht wieder zu spät kommen.«
Ich stand schon auf und wollte mein Tablett nehmen, als
mich Ben, der mit Claire Conner neben uns saß, ganz verdutzt
ansah. »Du hast ja nichts von deinem Essen angerührt!«
»Ich hatte keinen Hunger, muss an der Nervosität liegen,
wegen des Aufsatzes.«
»Bist du nervös wegen des Aufsatzes oder doch eher wegen
der Gesellschaft in Englisch?«, grinste Amie. Wie konnte
so ein kleines süßes Mädchen so fies sein?
»Mir egal, weswegen du nicht isst. Ich habe nur keine
Lust, dich nach Hause zu tragen, weil du wieder einen
Schwächeanfall kriegst. Dein Dad war nicht gerade begeistert
das letzte Mal.«
»Keine Sorge, mir geht es gut, ich habe gut gefrühstückt.«
Ich versuchte so fröhlich wie möglich zu klingen, um den
Schein zu wahren. Auf dem Weg zum Englischunterricht
plapperte Amie wieder drauf los, was sie am Wochenende vorhatte und dass sie unbedingt shoppen mit mir gehen
wolle. Am Ende konnte ich mir ihr Gebettel nicht mehr mit
anhören und willigte ein.
»Also Rose, ich warte nach der Schule bei deinem Wagen
auf dich. Bis später.«
Schwungvoll drehte sie sich um und lief ins Klassenzimmer.
Sie hatte so etwas Elfenhaftes an sich ... vorausgesetzt,
Elfen töten einem manchmal nicht den letzten Nerv.
Ich atmete noch einmal tief durch, bevor ich das Zimmer
betrat und da sah ich diese unglaublichen Augen. Sie waren
so beeindruckend, dass es mir den Atem verschlug.
Sie waren mehr grau als blau, wie dichter Nebel vor strahlend
blauem Himmel. Eine dunkelblaue Linie umrandete
die Iris und machte diese Augen unwahrscheinlich ausdrucksvoll.
Er schaute mich heute zum ersten Mal an. Sein
Blick war so fesselnd, dass ich mich keinen Millimeter bewegen
konnte. Mir war, als ob er mir tief in die Seele schaute.
Mr. Stevens, unser Englischlehrer, erlöste mich.
»Miss Blair, wollen Sie sich nicht setzen? Ich würde gerne
anfangen.«
»Ja«, war das Einzige, was ich rausbekam. Ich setzte mich
an meinen üblichen Platz, neben ihn, neben Aaron Collister.
Im Augenwinkel sah ich, dass er mich immer noch anstarrte
und dass sich ein Grinsen über sein Gesicht ausbreitete.
Na, super, jetzt lachte er mich aus - da war es mir doch
lieber, wenn er mich einfach ignorierte.
Der Aufsatz verlief reibungslos und ich war froh, dass er
vor mir fertig war und den Raum verließ.
Die letzten beiden Unterrichtsstunden verbrachte ich neben
Nataly Franklin und Allen Baker, die die ganze Zeit
vom Abschlussball redeten, der uns bevorstand. Sie waren
für das Thema und damit auch für das Dekor verantwort10
lich. Als der Unterricht endlich aus war und ich auf dem
Weg zum Auto darüber nachdachte, warum Aaron mich
heute so angestarrt hatte - er hatte mich die zwei Monate,
seit er in Wilbur war, nicht eines Blickes gewürdigt - und
jetzt ... seine plötzliche Aufmerksamkeit war mir irgendwie
unangenehm. Amie stand schon an mein Auto gelehnt und
wartete auf mich.
»Da bist du ja endlich, ich dachte schon ich müsste eine
Vermisstenanzeige aufgeben.«
Wir hatten zwar schon Frühling, aber es war noch kalt
und ich verstand ihre Ungeduld. »Jetzt bin ich ja da, also
lass uns fahren.«
»Rose, ich danke dir, dass du einen Umweg in Kauf nimmst
und mich fährst. Mein Dad hat gesagt, dass meine kleine
Schrottkiste die Woche fertig sein müsste, nächste Woche
kann ich also wieder selbst fahren.« Sie lächelte entschuldigend.
»Es macht mir nichts aus, dich zu fahren, zu Hause erwartet
mich ja doch nichts.«
»Hey, kannst du vielleicht auf dem Weg kurz bei deiner
Tante halten? Ich brauche neue Hefte.«
»Klar, mach ich.«
Meine Tante Sue hatte ein kleines Schreibwarengeschäft.
Das einzige, in dem man Schulsachen kaufen konnte. Ich
parkte direkt neben dem großen Schild, auf dem ›Edwards
Schreibwaren‹ stand. Edwards ist der Mädchenname meiner
Mutter und meine Tante hatte nie geheiratet. Sie sagte,
ich genüge ihr als Familie, aber ich glaube, sie hat Angst,
dass es bei ihr so enden würde wie bei meiner Mum.
»Hallo, mein Liebes, du siehst schon wieder so blass aus.«
Viele sagen, dass Tante Sue zwar meiner Mutter äußerlich
nicht ähnelte, aber dafür in vielerlei Hinsicht vom Charakter
her.
»Ja, Miss Edwards, das sage ich ihr auch immer, aber sie
will ja nie auf ihre beste Freundin hören!« Amie war einfach
unverbesserlich.
»Amie, Schatz, was darf ich für dich tun?«
»Ich brauche nur ein Heft. Ich weiß, ich muss aufhören,
meine Hefte immer so vollzukritzeln, dann hielten sie auch
länger.«
»Bloß nicht, dann hätte ich ja meine beste Kundin verloren.
Ist dein Auto noch nicht aus der Werkstatt?«
»Nein, Sue, sie fährt nur nicht gerne allein.« Ich lachte,
weil das wirklich zutraf. Amie war gerne in Gesellschaft,
ich hingegen genoss auch manchmal die Stille.
»Miss Edwards, kommen Sie auch zur Schulabschlusszeremonie?«, fragte Amie gut gelaunt.
»Als ob ich mir das entgehen lassen würde. Meine Kleine
mit ihrem Schulabschluss in der Hand.«
»Na, so klein auch nun wieder nicht. Ich werde in drei
Monaten neunzehn. Kommst du nachher zum Essen vorbei?
Dad wird sich wahrscheinlich ein Spiel anschauen.«
»Ja, du bist fast neunzehn und du siehst deiner Mum von
Tag zu Tag ähnlicher. Wenn sie dich doch nur so sehen könnte.
Sie wäre stolz auf dich.«
Ich hasste es, wenn sie oder irgendjemand so über sie
sprach und meinte, dass ich an sie erinnerte. Dann fühlte
ich mich sofort schuldig, dass sie und nicht ich bei meiner
Geburt gestorben war.
»Klar komme ich vorbei, ich lass dich doch nicht allein,
während dein Dad sich das Spiel anschaut und dich völlig
vergisst!«
»Dann bis später, Sue.«
Es war nicht mehr weit zu Amies Haus. Auf dem Weg
dorthin schwiegen wir. Sie wusste, dass ich es nicht mochte,
wenn man über meine Mutter redete. Es gab nicht viele Dinge, die Amie zum Schweigen brachten, aber sie wusste
ganz genau, dass dies so ein Moment war, das schätze ich
an ihr.
Sie bewahrte immer das Gleichgewicht zwischen meiner
Schweigsamkeit und ihrer Euphorie.
Mein Dad war noch nicht, da als ich nach Hause kam,
also zog ich mich zurück und schmökerte in dem Buch. Ich
tauchte gerne in eine nicht existierende Welt ein und vergaß
dabei Zeit und Raum, wahrscheinlich um meiner langweiligen
realen Welt zu entfliehen.
»Hast du schon wieder deine Nase in ein Buch gesteckt?«
Die Worte meines Dads klangen immer sehr bestimmend,
und eigentlich meinte er mit seiner Frage: Hör auf zu träumen,
werd endlich erwachsen und nimm an dem Geschehen
um dich herum teil.
»Hi, Dad, ich habe dich nicht kommen hören, wie war
die Arbeit?«
»War ein anstrengender Tag.«
»Tante Sue kommt zum Essen. Ich habe sie eingeladen.«
Im Normalfall würde ihn das stören, denn sie erinnerte
ihn zu sehr an Mum. Ihre herzliche Art, ihre Stimme,
manchmal lachte sie sogar wie Mum. Deswegen ist er so
widerwillig von Chicago hierher zurückgezogen. Er tat es
meinetwegen, wegen des weiblichen Einflusses, der mir fehlte.
Aber heute lief das Spiel, also kümmert es ihn kaum,
dass sie kam.
Hier, in der Kleinstadt, lief seine Praxis viel besser als in
Chicago, was wohl an der fehlenden Konkurrenz lag. So
hatte ich wenigstens nicht das Gefühl, dass der Umzug vor
zwölf Jahren nicht auch für ihn von Vorteil war.
»Klar, alles, was du willst, Engelchen.« Es klingelte an der
Tür und ich sprang auf, um zu öffnen. Sue strahlte mich an,
sie hatte so ein warmherziges Lächeln.
»Hey, Kleines, ich habe uns Nachtisch mitgebracht.«
»Super, komm rein, ich deck gleich den Tisch, bevor das
Spiel anfängt.«
Das Essen verlief schweigsam, Dad verzog sich ins Wohnzimmer,
um nichts von dem Spiel zu verpassen.
»Also, erzähl mal, mit wem gehst du auf dem Abschlussball?«
Sue sah mich neugierig an.
»Ben Johnson hat mich gefragt und ich habe zugesagt.«
Verlegen stocherte ich in dem Kuchen herum, solche Gespräche
liegen mir nicht.
»Du meinst den Johnson-Jungen von nebenan?«
»Ja genau, er ist nett, und da er noch keine Begleiterin
hatte, habe ich zugesagt.«
»Ja Ben ist wirklich ein reizender Junge, ich weiß noch,
als er dich ins Haus getragen hat, als du in der Schule ohnmächtig
geworden bist«
»Oh, bitte erinnere mich nicht daran, das ist mir peinlich.
« Wieder mal spürte ich wir mein Gesicht heiß wurde
vor Scham. Warum mussten mich alle immer wieder daran
erinnern, wie unbeholfen ich sein konnte.
»Und was ist mit einem Kleid? Hast du schon eins?«
»Nein, noch nicht, aber ich gehe am Wochenende mit Amie
in die Stadt, sie wollte shoppen gehen, dann kaufe ich mir
eins.«
Sie fragte mich noch weiter aus über die Schule und die
Abschlussprüfungen, die mir noch bevorstanden.
Als sie weg war, ging ich in mein Zimmer und las noch
eine Weile, bis ich müde genug war, um einzuschlafen.
Am nächsten Morgen schien die Sonne, doch es war trotzdem
kühl. Sehr sogar, aber ich freute mich über die Sonnenstrahlen,
und plötzlich kam mir der bevorstehende Tag nicht mehr so schlimm vor. Als ich Amie von zu Hause abholte,
strahlte sie wie die Sonne.
»Hi, Rose, ein wundervoller Tag, oder?«
»Ja, kann man so sagen«
»Hey, ist es in Ordnung, wenn wir schon am Freitag in
die Stadt gehen? Ich kann nicht am Samstag.«
»Ja es passt mir auch besser, ich wollte am Samstag in die
Bibliothek. Ich muss noch für die Abschlussprüfungen lernen.«
Wir stiegen aus dem Auto, und da stand sie. Ihre kühle
Anmut ihre animalische Eleganz, wie eine Raubkatze starrte
sie mich an. Ihr Blick war voller Hass und Verachtung,
aber sie war wunderschön, beide waren wunderschön, vielleicht
zu schön für diese Kleinstadt, zu schön für diese Welt.
»Oh, Elana scheint dich ja heute wieder zu mögen, pass
auf, dass sie dich nicht auffrisst, so wie die guckt.«
Wie gesagt, Amie entging nichts.
»Ja, ich wüsste gerne, was für ein Problem sie mit mir
hat!«
»Die beiden sehen sich ganz schön ähnlich. Wäre die Ähnlichkeit
nicht, ich hielte sie glatt für ein Paar. Das ist doch
nicht normal, dass sie mit sonst niemanden abhängen und
ständig zusammen sind. Irgendwie gruselig.«
Amie hatte recht, Elana und Aaron sie sahen sich wirklich
sehr ähnlich. Sie hatten dieselben unbeschreiblich schönen
Augen, deren Blick einen erstarren ließ und sie hatten
dieselben dunklen, fast schwarzen Haare. Selbst ihr Gesichtsausdruck
war identisch. Man könnte fast denken, sie schweben
über den Schulhof, so unbeschreiblich kühl und elegant
war ihr Gang, ohne jede Anstrengung. Sie waren einfach
makellos.
»Ja, aber es kann doch auch sein, dass es nur so ist, weil
sie neu auf der Schule sind.«
»Machst du Witze? Rose, jeder der Jungs hat sich um Elana
gerissen, und jedes Mädchen um Aaron, aber sie haben
schlichtweg jeden ignoriert. Sie sprechen nicht mal mit anderen.
Ich weiß nicht einmal, wie ihre Stimmen klingen.
Mal im Ernst, wer will sich so was Eingebildetes jetzt noch
antun?«
»Ja, du hast vermutlich recht, sie sind wohl dann doch
nicht so perfekt, wie es scheint.«
Der Schultag verging schleppend, doch er verging und da
Freitag war, stand Shoppen mit Amie an.
Auf dem Weg in die Stadt plapperte Amie drauf los, wie
sehr sie sich auf das Wochenende freue, da sie am Samstag
ein Date mit George Coleman hatte. Er hat sie auch zum
Abschlussball eingeladen. Sie hörte nicht mehr auf, von ihm
zu schwärmen.
Ben ging mit mir aus reiner Freundschaft dort hin. Er
wusste, wenn er mich nicht fragte, dann ginge ich nicht. Ich
mochte solche Veranstaltungen nicht, Menschenmassen
waren mir von jeher unangenehm. Alle starren einen an und
begutachten, wie eine Jury, die entscheidet, ob du durchkommst
oder nicht, ob du gut genug bist für sie, für das
Leben.
»Rose schau dir das mal an, das würde so toll zu deinen
grünen Augen passen.« Für eine Kleinstadt war der Laden
für Abendkleider sehr groß. Die Auswahl war überwältigend
und ich völlig überfordert.
»Meinst du, dass ich die richtigen Maße für so ein Kleid
habe?«
Ich war schmal und für so ein Dekolleté braucht man eindeutig
mehr ... Fülle!
»Nein, das wird dir ausgezeichnet stehen, ich ... oh, mein
Gott, schau mal, wer sich da ein Kleid für den Abschlussball
sucht! Ich hätte nicht gedacht, dass sie kommen. Ich meine,er hat niemanden gefragt und keiner hat sich getraut, Elana
zu fragen ... Oh, das heißt ja, dass sie zusammen hingehen.
Echt unheimlich.«
»Das muss doch nichts bedeuten, vielleicht braucht sie ja
einfach nur so ein Kleid.«
»Ja klar und er ein Smoking, einfach so?«
Ich musste eingestehen, dass da was dran war.
Dann hatte er uns auch entdeckt. Manchmal hatte ich das
Gefühl, sie könnten alles hören, wenn wir über sie sprachen.
Zu meiner Überraschung lächelte Elana, hob ihre
Hand und winkte zu uns herüber. Amie schaute ungläubig
und lächelte zurück. Als wir aus dem Laden raus waren,
war sie immer noch sprachlos, und das wollte was heißen.
»Hast du das gesehen?« Amie konnte es immer noch nicht
glauben. Und ich eigentlich auch nicht, aber ich ließ es mir
nicht anmerken.
Als ich mich noch einmal zum Geschäft umdrehte, sah
ich, dass er uns beobachtete. Als er bemerkte, dass ich ihn
dabei ertappte, störte es ihn offenbar nicht. Im Gegenteil,
er lächelte, ein so anziehendes Lächeln, dass es mir augenblicklich
den Kopf vernebelte.

Augenblick

Es war schon dunkel, als ich mich auf dem Weg zur Sue
machte, um ihr das neue Kleid für den Abschlussball zu
zeigen und die dazu passenden Schuhe.
Ich hatte mich zu dem grünen Kleid überreden lassen, was
angeblich meine Augen so betonte. Und da meine Augen
das Einzige waren, was man als hübsch an mir bezeichnen
konnte, war die Überredung durch Amie ein Kinderspiel
gewesen.
»Rose, meine Kleine das ist aber eine Überraschung, komm
doch rein.«
Sue strahlte über beide Ohren, als sie mich sah. Sie erkannte
gleich das Logo auf der Tüte und wusste, dass ich
gekommen war, um ihr das Kleid für den Abschlussball zu
zeigen.
»Hi Sue, ich dachte, ich zeige dir mal, was ich gekauft
habe.«
Der Satz war eigentlich überflüssig, denn sie wusste
ohnehin, warum ich gekommen war, aber ich versuchte, zu
zeigen, dass ich mich freute, Modenschau zu spielen, obwohl
das nicht zutraf. Aber sie wäre spätestens morgen zu
mir nach Hause gekommen, um ihr »Recht als Tante« einzufordern.
»Weißt du, Kleines, als deine Mum und dein Dad aus
Wilbur nach Chicago gezogen sind, habe ich befürchtet,
deine Mum nie wiederzusehen, sie war aus meinen Leben
verschwunden und ich hatte niemanden außer ihr. Und ich
bin so froh, dass dein Dad bereit war, nach so vielen Jahren
wieder hierher zurückzukommen. Ich habe vielleicht sie verloren aber dich bekommen. Durch dich habe ich auch
ein großes Stück von Abigail wieder.«
»Aber ich bin doch nicht wie sie. Wenn Dad von ihr erzählt,
hört sich das ganz und gar nicht nach mir an.« Und
Dad sprach sehr oft von ihr. Sie fehlte ihm sogar nach neunzehn
Jahren noch immer sehr und auch nach Jahren hatte
er niemand anderes gefunden, der diese Lücke füllte.
»Ja, du hast mehr von deinem Vater als von deiner Mutter,
was deine Eigenschaft durchs Leben zu kommen anbelangt,
aber du siehst ihr so ähnlich ... das absolute Ebenbild.«
Davon sah ich allerdings nicht so viel.
»Ich zeige dir mal ein Foto von ihr, als sie ihren Abschluss
gemacht hat.« Übereifrig sprang sie auf und verschwand im
Schlafzimmer. Als sie zurückkam, hielt sie ein Jahrbuch in
der Hand. Sie klappte es auf und zeigte mit ihren zierlichen
Fingern auf eine wunderschöne junge Frau. Sie war wirklich
schön, sie strahlte, man sah ihr praktisch die Lebensenergie
an, das Feuer, das sie so wundervoll machte. Das war nicht ich, so viel stand fest. Ich verstand einfach nicht,
warum alle sie in mir zu erkennen glaubten.
Sue sah, dass mich das Thema nicht auf eine positive Art
beschäftigte, also gingen wir zum Anprobieren über und
der Abend verging wie im Flug.
Zu Hause wollte ich nur noch ins Bett, der Tag war anstrengend
gewesen. Mein Dad war schon zu Hause, mittlerweile
kümmerte es ihn nicht, dass ich so früh an einem
Freitag ins Bett ging, anstatt eine Verabredung zu haben,
wie andere Mädchen in meinem Alter.
»Du hast wieder eine Zusage von einem College bekommen,
hast du dich schon entschieden, auf welches du gehen
wirst?«
»Nein, ich schwanke noch zwischen zwei, ich teile es dir
mit, sobald ich mir sicher bin.«
»Lass dir nicht zu viel Zeit, sonst stehst du noch am Ende
ohne da und verpasst ein Semester.« Er sah besorgt aus, das
Gesicht in Falten gelegt. Aber er hatte recht, doch wie sollte
ich ihm klarmachen, das ich eigentlich nicht bereit war, aufs
College zu gehen, zumindest jetzt noch nicht. Ich wollte
was von der Welt sehen und nicht in dieser Stadt versauern.
Aber ich wollte dafür nicht in irgendeiner Schule verschwinden.
Was genau ich wollte, wusste ich allerdings nicht.
»Dad, was hältst du eigentlich davon, wenn ich erst ein
oder zwei Semester später anfange? Ich würde gerne ein
Praktikum machen. Vielleicht in Europa oder so, um, na ja,
um ein bisschen herumzukommen.«
Ich hätte nicht gedacht, dass ich ihm je so einen Brocken
vor die Füße werfen könnte. Meine Handflächen wurden
ganz feucht vor Angst. Er schaute mich wütend an, runzelte
die Stirn, so als ob er jetzt ganz genau abwog, was er sagen
sollte. Sein Mund war zu einer harten Linie zusammengepresst.
»Weißt du, Rose, so etwas in der Art habe ich schon befürchtet,
lange bevor du den Abschluss vor dir hattest. Aus
diesen Grund wollte ich nicht aus Chicago raus, damit du
mir als junge Frau keinen Vorwurf machen kannst, dich in
dieses Kaff geschleppt zu haben ...«
Er atmete tief durch, bevor er weitersprach, das Gesicht
noch immer mit Kummer überzogen.
»Aber Sue war der Meinung, dass du eine Frau für deine
Erziehung brauchst und ich glaubte, und glaube immer noch,
dass sie recht hat. Also brachte ich dich hierher in der Hoffnung,
dass es das Richtige ist.«
»Dad mir geht es auch gut hier, ich will nur ein wenig
raus, bevor es ernst wird. Ich will dich nicht allein lassen,
ehrlich nicht, aber ich bin noch jung und das College ein
Jahr später anzufangen, ist nicht so schlimm. Aber wenn es dir besser geht mit dem Gedanken, dass ich in deiner Nähe
bin, ist das okay für mich, dann bleibe ich natürlich.«
Er stand vom Sofa auf und schaute mich besorgt an. Er
gab mir einen flüchtigen Kuss auf die Haare.
»Wir reden morgen weiter. Lass mich eine Nacht darüber
schlafen, okay, Engelchen?« Mit den Worten verschwand
er in die Küche.
»Okay, Dad«, sagte ich leise und ging in mein Zimmer.
Die Nacht verlief traumlos. Mein Vater war am nächsten
Morgen schon aus dem Haus. Es war Samstag und das Einzige,
was ich vorhatte, war in die Bibliothek zu gehen, um
zu lernen. Man könnte denken, mir läge viel daran, in der
Schule gut zu sein, aber so war es nicht, ich hatte bloß nichts
Besseres vor.
Auf dem Weg in die Bibliothek gingen mir einige Dinge
durch den Kopf. War es richtig, meinem Vater von meinen
Plänen zu erzählen, habe ich ihn womöglich damit verletzt?
Verdammt, ich war fast volljährig, warum konnte ich keine
Entscheidung treffen, ohne gleich das Gefühl zu haben, etwas
falsch zu machen oder jemanden zu verletzen. Ich muss
anfangen, auf mich zu achten, nicht nur auf die anderen.
Ich merkte, dass ich das Lenkrad so fest gepackt hielt, dass
die Knöchel weiß hervortraten, und lockerte den Griff.
Ich war wütend, sehr sogar, mehr auf mich als auf die
Entscheidung, meinem Vater die Wahrheit zu sagen. Lautstark
knallte ich die Autotür zu und lief in die Bücherei
hinein, als ob ich so die Wut, die mir im Magen brannte,
abschütteln konnte.
In meiner Lieblingsecke, wohin ich mich gern verzog, legte
ich meine Tasche und Jacke auf den Tisch. Dieser Teil der
Bibliothek hatte eine besondere Aura, so friedlich, ich fühlte
mich hier beschützt.
Ich ging zu dem Regal, in dem die Bücher standen, die ich
für die Abschlussprüfungen brauchte, und war völlig vertieft
darin, die Titel auf den Buchrücken zu studieren. Ich
war so konzentriert, dass ich nichts mehr um mich wahrnahm,
keine Geräusche keine Stimmen keine Gesichter ...
»Hallo, Rose.« Ich blieb wie betäubt stehen, traute mich
nicht mich umzudrehen, um nachzusehen, wer meinen Namen
mit so einer Samtstimme, die wie die schönste Melodie,
die ich je gehört hatte, sagte. Es ging nicht, es war, als
ob ich die Gewalt über meinen Körper verloren hatte. Ich
konnte mich nicht bewegen, ich spürte nur, wie mir ein
warmer Schauer durch den Bauch kroch.
»Es tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken, ich
habe dich nur gesehen und ...« Es war seine Stimme, daran
bestand kein Zweifel. Obwohl ich sie zum ersten Mal und
in so unmittelbarer Nähe hörte, erkannte ich sie.
Er stand direkt hinter mir.
Reiß dich zusammen, Rose, reiß dich zusammen!, befahl
ich mir. Ich schaffte es, mich aus der betäubten Starre zu
lösen und drehte mich langsam um.
»Hallo Aaron, ich ... was machst du denn hier?«
Er sah mich mit seinen unglaublichen Augen an, als liebkoste
sein Blick meine Wangen, ein leichtes beschämtes Lächeln
spielte an seinen Mundwinkeln.
»Ah, ich will für die Prüfungen lernen, hier habe ich Ruhe
dafür.« Er wirkte verlegen, aber das war absolut undenkbar.
»Darf ich dich was fragen?« Er nickte.
»Also gut: Wie kommt es, dass du nach zwei Monaten,
die ich bereits neben dir in Englisch sitze, plötzlich mit mir
sprichst? Ich dachte, du kannst mich nicht ausstehen ... Also,
wieso redest du auf einmal mit mir. Was willst du?« Ich war
total irritiert, was sollte das jetzt auf einmal?
»Nichts. Ich sah nur keine Notwendigkeit, zu reden«, sagte
Aaron entschuldigend.
»Und jetzt siehst du eine ... Notwendigkeit?« Was für ein
seltendämliches Wort. So sachlich, so kalt.
»Nein, ich hatte einfach das Bedürfnis mit dir zu reden,
wenn es dich stört, kann ich gehen und dich in Ruhe lassen
... wenn du das möchtest?«
»So meinte ich das nicht, ich war nur überrascht.«
»Das habe ich gemerkt.«
Ich traute meinen Augen, meinen Ohren, meinen Verstand
nicht. Er grinste frech, als er mich daran erinnerte, wie ich
auf seine Stimme reagiert habe. Er amüsierte sich sichtlich.
»Wie passend«, flüsterte er, mehr zu sich selbst als zu mir.
»Wie bitte? Was meinst du?« Ich schaute ihn verwirrt an
und suchte jemanden neben mir, in der Annahme er spräche
nicht mit mir.
»Ich meine deinen Namen, er passt zu dir.«
Ich spürte, wie mir das Blut in die Wangen schoss und
mein Gesicht förmlich in Brand setzte. Ich versuchte meinen
Kopf zu senken, damit er es nicht sehen konnte.
Ich wurde aus ihm nicht schlau, erst ignorierte er mich
zwei Monate lang und jetzt machte er mir Komplimente?
Vielleicht war es kein Kompliment, vielleicht bildete ich mir
nur etwas ein.
»Ist es in Ordnung für dich, wenn wir zusammen für die
Prüfungen lernen?« Er nickte zu dem Tisch hinüber, wo
bereits ein Stapel Bücher lag.
»Ja klar, aber hoffe nur nicht, dass ich von dem Kram
mehr Ahnung habe, als du.« Ich schaute auf den Boden,
wie ein kleines Mädchen, ich fühlte mich in seiner Gegenwart
so unterlegen. Er schenkte mir ein sanftes Lächeln und
ließ mich nicht aus den Augen.
»Das ist genau der Stand, den ich brauche.«
Wir redeten über den Stoff des Englischkurses und von
Biologie, er war mir eine große Hilfe bei Mathe und Geschichte.
Ich merkte nicht, wie schnell die Zeit verging und dass es
schon dunkel geworden war.
»Ach du meine Güte«, sagte ich, als ich auf die Uhr sah,
»so spät ist es schon. Ich muss nach Hause.«
Ich sagte zwar die Worte, aber mir war nicht danach zu
gehen, ich hätte noch die ganze Nacht hindurchlernen können
... mit ihm.
»Hättest du was dagegen, wenn wir morgen, weitermachen?
Ich bin beeindruckt, wie viel ich von dir mitnehmen
konnte.«
Er sagte das mit so einer ernsten Miene und seiner wundervollen
Samtstimme, dass ich ihm sogar glaubte.
»Rose?« Ich zögerte doch wohl zu lang mit meiner Antwort.
»Ja, klar. Warum nicht, wieder hier um dieselbe Zeit?«
»Gerne.« Seine Stimme war wie eine Melodie, als ob er
die Worte sang, anstatt zu sprechen.
Als wir die Bücher einsammelten, die auf dem Tisch verstreut
lagen, berührten sich unsere Finger für den Hauch
eines Augenblicks, aber es war wie ein starker Stromschlag,
schmerzlos und eher eine Art Energie, die durch mich hindurchfuhr.
Eine seltsame Wärme breitete sich in mir aus
und für den Bruchteil einer Sekunde sah ich Erinnerungen,
die nicht meine waren. So schnell es kam, so schnell verschwand
es auch. Ich fühlte mich schwindelig und alles um
mich herum wurde mit einem Mal dunkel und dumpf.
Als ich die Augen wieder öffnete, fand ich mich in Aarons
Armen wieder.
»Rose geht es dir gut, hörst du mich?«
»Ja, mir geht es gut.« Ich fühlte mich immer noch benommen. »Ich habe das Gleichgewicht verloren, glaube ich. Da
war was wie ein Stromschlag ...«, sagte ich und versuchte
mich hinzusetzen.
Besorgt schaute er mich an.
»Das Gleichgewicht verloren? Ich glaube eher, dein Kreislauf
hat schlappgemacht. Wir haben hier gute fünf Stunden
gesessen. Du bist zu hastig aufgestanden und dann umgefallen.
Wann hast du das letzte Mal was gegessen?«
»Oh, ich glaube heute Morgen«, sagte ich etwas beschämt
über die peinliche Situation.
»Und da musst du erst noch überlegen! Komm, wir schauen,
dass du was zu essen bekommst.«
Gott sei Dank hatte keiner diesen kleinen Zwischenfall
außer uns mitbekommen. Diese Stadt ist so klein, dass jeder
jeden kennt, und dann hätte irgendwer meinen Dad
angerufen und er hätte wahrscheinlich drauf bestanden, mich
ins Krankenhaus zu fahren, nur aus Sicherheit.
»Kannst du laufen oder ist dir noch schwindelig?« Was
wollte er machen, wenn es so wäre, mich zum Auto tragen?
»Nein, es geht schon, ich kann laufen.«
Auf dem Weg zum Parkplatz merkte ich, dass er die falsche
Richtung einschlug.
»Aaron, mein Auto steht da vorn.«
»Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich dich jetzt fahren
lasse?« Er schaute mich an, als hätte ich den Verstand
verloren.
»Aber ich kann mein Auto doch nicht hier stehen lassen.
Wie soll ich morgen noch hier herkommen ohne Auto?«
Mein Protest kümmerte ihn nicht.
»Rose, wir fahren jetzt mit meinen Wagen. Wir gehen was
essen und hinterher fahre ich dich nach Hause. Keine Widerrede!«
Es lag echte Sorge in seinen Augen.
»Und wie soll ich morgen herkommen, um zu lernen?«
Ich weigerte mich in seinen Wagen zu steigen, ehe das nicht
geklärt war.
Er grinste. »Ganz einfach: Ich hole dich ab.«
»Also gut, einverstanden.« Ich stieg in sein Auto und nahm
einen vertrauten süßlichen Duft wahr. Es war sein Duft,
den ich gerochen hatte, als ich in seinen Arm lag.
Wir fuhren Richtung Innenstadt, wo er vor dem kleinen
Restaurant parkte, das George Colemans Vater gehörte, was
wiederum bedeutete, dass ich Amie am Montag einen vollständigen
Bericht würde abliefern müssen.
Wir wählten einen Tisch in einer Nische, etwas abseits
der anderen Gäste. Aaron bestellte sich nur ein Wasser.
Ich wartete, bis die Kellnerin weg war, ehe ich verwundert
fragte: »Hast du keinen Hunger?«
»Meine Mutter macht heute mein Lieblingsessen. Sie wäre
sehr gekränkt, wenn ich satt nach Hause komme. Außerdem
bin nicht ich umgefallen, sondern du.« Er neckte mich
mit einem frechen Grinsen auf dem Gesicht.
»Oh, bitte erinner mich nicht daran. Es ist mir schon peinlich
genug, dass du dabei warst! Aaron, bevor ich umgekippt
bin, habe ich einen Stromschlag gespürt, als sich unsere
Finger berührten. Hast du das auch gemerkt?« Ich
schaute ihn fragend an, als ob ich eine Antwort in seinen
Augen ablesen könnte. Sein Blick verfinsterte sich, als überlege
er, was er sagen soll oder was ich hören wollte.
»Ja, so was kommt vor. Der Teppich dort ist wahrscheinlich
elektrisch geladen«, sagte er rasch.
»Aber wie konntest du mich so schnell auffangen ...« Er
sah mein irritiertes Gesicht. »Du standest mir gegenüber
und zwischen uns war der Tisch?«
»Ich habe dich nicht aufgefangen, sondern erst aufgeho26
ben, als du schon auf dem Boden lagst. Tut mir leid. Kann
sein, dass dir heute Abend dein Kopf ein wenig weh tut.«
Mit entschuldigendem Blick schaute er mich an.
Ich fasste mir an den Hinterkopf, um zu überprüfen, ob
es sich schmerzlich anfühlt, aber da war absolut nichts.
»Du musst dich nicht dafür entschuldigen, es war ja
schließlich meine Schuld.« Demonstrative hob ich die Gabel
mit dem Essen drauf hoch.
Als ich aufgegessen hatte, bestand er darauf, für mich zu
bezahlen. Ich verzichtete auf eine Diskussion, um unnötiges
Aufsehen zu vermeiden.
Als wir bei mir zu Hause ankamen, verabschiedete er mich
mit den Worten: »Also, Morgen hole ich dich um 12 Uhr
ab, ist das in Ordnung für dich?«
»Ja, das ist wunderbar und danke dir noch mal«, sagte
ich und war gerade dabei, aus dem Auto zu steigen.
»Gerne, Rose.« Seine Stimme und die Art, wie er meinen
Namen aussprach, überwältigte mich.


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Tag der Veröffentlichung: 29.06.2010

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