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Gott existiert. Ich weiß, dass haben Sie wohl schon oft gehört. Ebenso oft die Aussage, dass es ihn nicht gibt. Und weil sich Gottes Existenz weder beweisen, noch wiederlegen lässt, schwankte ich in regelmäßigen Abständen zwischen einem De facto Agnostizismus (Tendenz zur Nichtexistenz) und einem De facto Atheismus (ich bin mir seinem Nicht-vorhandensein fast sicher).
Doch ich habe Ihn gesehen. Oder: es. Ich habe "Es" gesehen. Vielleicht auch: sie, schwer zu sagen. Nicht im Traum bin ich ihm begegnet. Auch nicht unter dem weiten Blätterdach kolumbianischer Landschaftsarchitektur. Oder durch neuronale Verschaltungen zwischen den sensorischen Arealen im Temporallappen und dem limbischen System (Soviel zur Neurotheologie).

Ich hatte immer schon einen gesunden Hang zum Atheismus. Diesem New Age-Scheiß zwischen Hippie und Avatar konnte ich mich immer gerade so entziehen. Ich glaubte nicht an einen Sinn, für unsere und unserer Erde Existenz. Ich glaubte an physikalische und mathematische Formeln, die uns das Universum sauber erklären, ganz nach Galilei oder Einstein oder Hawkin. 
 
Vor einer gefühlten Ewigkeit hatte ich meinen letzten Atemzug in einer Straßenrangelei zwischen Kölner White Power-Westen - die mich in ihrem Suff für einen Ossi hielten - ausgeröchelt.

Nachdem ich meinen Körper unter mir bis dahin unvorstellbaren Schmerzen abgestoßen hatte und wie durch einen Geburtskanal durch den „Tunnel“ gepresst wurde, sah ich mein Leben an mir vorbeiziehen.

Und ich sah sehr viele Leben an mir vorbeiziehen. Türen öffneten sich, an denen ich mir die Zähne hätte ausbeißen müssen um deren goldene Pforten zu durchschreiten. Oder auch solche, die ich nur im Delirium betreten hätte. Es war eine denkbar lange Zeit die ich allein damit verbrachte, Entscheidungen zu differenzieren und das mit einem, durch mehr und mehr Lebensabläufe, wachsenden Erfahrungsschatzes.
Zwischen Wickeltisch und Atommeiler hätte ich zahllose widernatürliche und kuriose Tode sterben können.
Ich hätte bedeutender Philosoph oder Vorstandsvorsitzender bei Goldman Sachs werden können, mit Barbara Schöneberger an meiner Seite. Ich hätte aber auch an einer Überdosis auf einem Leipziger Bahnhofsklo verrecken können, weil ich, statt meine Mathehausaufgaben zu machen, meine Unschuld auf dem Nürburgring zu verlieren hoffte. Dann war es vorbei. Etwas füllte mein Bewusstsein.

 Ich schmeckte Salzwasser. Der plötzlich auftretende Druck der Wassermassen wurde unerträglich. Und mit ihm wuchs die bestürzende Erkenntnis, dass ich mich tief unter der Meeresoberfläche befinden musste.
Dann ließ der Druck nach.
Das Meer war schwarz und kalt.
Ich kann nicht sagen wie lange ich dahinschwebte. Weder Brockhaus-Lexika noch das Internet konnten mich auf diesen Tod vorbereiten. So lange hörte und sah ich nichts, dass ich das aufglimmende Licht über mir, nur langsam und stoisch zur Kenntnis nahm. Das Licht malte neonweiße Silhouetten ins BP-Aquarell meiner Umgebung.

„Hola, Seniore!“
Ein kleiner, schwarzer Junge schälte sich wie aus dem Nichts und dem Weiß. Auf seinem übergroßen Cap, erkannte ich den zornigen Widder der „Los Angeles Rams“ aus der National Football League, made in Florida. Gut ein fünftel der Einwohner Floridas sind hispanoamerikanischer oder spanischer Herkunft. Nicht wenige dort leben illegal und mit mangelnden oder gar keinen Englischkenntnissen. Möglicherweise wurde der Junge am Grenzzaun erschossen oder dehydrierte in der Sonora-Wüste zwischen Mexiko und New Mexico oder Arizona.

Der Junge hielt etwas in seiner kleinen, schwarzen Hand. Einen Handschuh vielleicht. Es war sehr schwer zu erkennen, in Frank Miller’s Sin City-konturiertem Farbspektrum.
Eines war jedoch deutlich zu sehen. Der Kleine war im Adamskleid.
„Ola – He, warte - WAIT!“ Zu spät. Er schlüpfte aus dem Radius dieser helllichten Spähre und verschwand darauf.
„POR FAVOR! KOMM ZURÜCK!!“
Ich überlegte nicht lange und schwamm ihm im Bruststiel hinterher.
Einen kurzen Moment fürchtete ich tatsächlich, auf Widerstand zu stoßen, gegen eine Wand zu klatschen, doch schon im nächsten Augenblick tauchte ich aus dem Licht und hinein in den interstellaren Raum, der sich das Jenseits ruft.

Sie waren überall.
Wo ich auch hinblickte, sah ich sie. Und sie sahen aus, wie meines. Lichter. Ohne erkennbahre Quelle, leuchteten sie als wären es Sterne. Manche etwas größer, andere kleiner, das mag vielleicht an der Entfernung liegen, das Meer ist ja so groß.
Doch der Junge blieb verschwunden. Nur die Lichter sah ich. Und dann fingen die an, sich zu bewegen. Erst langsam, dann immer schneller. Wie Glühwürmchen schwirrten sie nun umher - und meines einfach davon.
"He, du! Scheiße, bist du wahnsinnig?!"
Erschrocken wirbelte ich umher.


Fortsetzung Folgt ...

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Tag der Veröffentlichung: 15.08.2010

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