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Es war einmal vor langer, langer Zeit. Die Welt war damals anders als heute, es geschahen viele wunderbare Dinge. In den Wäldern und Bergen lebte das Zaubervolk, die Zwerge, Trolle und viele Hexen. In dieser wunderbaren Zeit wohnte in einem Dorf ein Bauernmädchen namens Marja. Sie war reinen Herzens, schön und alle mochten sie. Marja hauste in einem kleinen Haus mit ihrer Mutter und ihrem Bruder.
Nicht weit von diesem Dorf, im Wald, lebte auch ein Troll, der in Marja schon seit Langem verliebt war. Der Troll bewohnte eine kleine Hütte und suchte in den verborgenen Mienen des Waldes nach Edelsteinen. Der Troll war hässlich: Er war doppelt so groß wie ein Mensch, hatte riesige Ohren und eine Kartoffelnase. Wie konnte so ein hässliches Wesen der schönen Marja sich zeigen? Darum liebte er sie heimlich, er vermied jede Begegnung mit ihr…bis Marja sechzehn Jahre alt wurde.

Es gab einen alten Brauch in diesem Dorf: Wenn der Frühling kam, flocht jedes Dorfmädchen zwei gleiche Blumenkränze. Einen Kranz brachte es zum Fluss und ließ ihn von der Strömung abwärts treiben. Mit dem anderen Blumenkranz schmückte es ihren Kopf. Auf der Brücke warteten die Dorfjungen und fischten die Kränze aus dem Wasser. Gegen Abend trafen sich die jungen Leute des Dorfes am Hügel zum Tanzen. Jedes Mädchen musste mit demjenigen Jungen tanzen, der ihren Kranz auf dem Kopf trug.
Als Marja sechzehn Jahren alt wurde, wollte sie auch am Hügel tanzen. Im Wald pflückte sie himmelblaue Blümchen und flocht die Kränze. Sie merkte nicht, dass der Troll sie dabei beobachtete. Nachdem Marja zwei Kränze fertig geflochten hatte, schmückte sie mit einem ihr Haar, mit dem anderen ging sie zum Fluss und ließ ihn ins Wasser. Dann rannte sie zum Hügel, wo ihre Freundinnen tanzten und auf die Jungen warteten.
Der Troll aber sprang sofort ins Wasser rein und fischte Marjas Kranz heraus. Als die Jungen des Dorfes mit den Kränzen zum Hügel kamen, kam der Troll auch. Auf seinem Kopf trug er Marjas Kranz aus den blauen Waldblümchen! Die Mädchen schrien vor Angst, die Jungen wollten den Troll davonjagen. Aber Marja nahm ihren ganzen Mut zusammen und sagte:
„Tut ihm nichts! Er hat meinen Kranz, und ich werde mit ihm tanzen!“
Sie hielt seine riesigen Hände und sie tanzten miteinander. So tanzten sie die ganze Nacht. Als die Sonne aufging, rannte der Troll zurück in den Wald und versteckte sich vor den Leuten.

Nach dieser Nacht beobachtete er Marja nur heimlich, als sie zum Fluss um Wasser ging, oder im Wald, wenn sie mit anderen Mädchen Pilze sammelte oder Beeren pflückte. Eines Tages sah der Troll die schöne Marja im Wald allein. Sie saß am Baumstumpf und weinte. Er kam aus seinem Versteck und fragte das schöne Mädchen, warum es so bitter weinte.
Marja klagte: „Mein Bruder ist schwer erkrankt, er wird sterben und ich kenne keinen, der ihm helfen kann!“
„Ich kenne jemanden, der ihm helfen kann! Hinter drei Wäldern und drei Bergen lebt die Zauberin Makosch. Vor 10 Jahren habe ich drei Rätsel gelöst, die sie mir gestellt hatte. Darum habe ich drei Wünsche bei ihr frei! Sie kann deinem Bruder helfen!“
„Makosch ist eine mächtige Zauberin, ihre Rätsel sind sehr schwer. Du musst aber sehr schlau sein!“, rief Marja bewundernd. Auf einmal sah sie einen klugen Mann vor sich und nicht nur einen hässlichen Troll.

Vor zehn Jahren wusste der Troll nicht, um was er die Zauberin bitten sollte, aber jetzt wollte er, dass Makosch ihn in einen Mensch verwandelte. Sein größter Wunsch war, Marja zu heiraten, aber als ein Troll war er zu hässlich dafür.
Noch am selben Tag machten der Troll und Marja sich auf den Weg zur Zauberin. Der Weg war zu weit, der Wald war zu dicht und düster. Der Troll half Marja im dichten Wald zu laufen, er jagte unterwegs und sie hatten genug zu essen. Es vergingen sieben Tage bis sie zwei große Wälder überquert hatten. Am achten Tag kamen sie zu einem Dorf. Eine kleine Hütte stand am Rand des Dorfes. Sie klopften an der Tür und eine arme Witwe ließ die beiden eintreten. Die Hütte war armselig, und die Frau trug Lumpen am Leib. Die Witwe hatte einen Sohn. Dem Jungen konnte man ansehen, dass er blind war, da seine Augen glasig waren und nirgendwohin starrten. Die Frau gab Marja und dem Troll essen und ließ sie in ihrer Hütte schlafen. Am nächsten Tag bedankten sich die beiden bei der Witwe für ihre Gastfreundschaft, der Troll gab ihr einen Edelstein und sagte: „Verkauf den Stein, da wirst du genug Geld haben für eine neue Hütte, Kleidung und Essen.“
„Danke, lieber Bursche, für deine Großzügigkeit. Wenn ich für das Geld auch noch die Augen für meinen Sohn kaufen könnte.“, sagte die Frau traurig und nahm den Stein.
Marja und der Troll verabschiedeten sich und gingen ihren Weg weiter.
Sie überquerten noch einen Wald und kamen auf die Straße, die zu den Bergen führte. Da sahen sie, dass auf der Straße sechs Räuber den Wagen eines Kaufmanns überfielen. Im Wagen waren nur ein Kaufmann und sein Diener. Die beiden riefen um Hilfe und jammerten, sie konnten sich gegen die Räuber nicht wehren: Der Diener war zu alt, und der Kaufmann war ein einbeiniger Krüppel. Die Räuber hatten Keulen und Äxte, der Troll hatte keinen Waffen, mit bloßen Händen eilte er zu Hilfe. Er war stark und furchtlos, nach langem Kampf bewältigte er das Gesindel. Die Räuber rannten um ihr Leben.
„Du bist sehr mutig!“, sagte Marja.
Auf einmal sah sie einen tapferen Krieger vor sich und nicht nur einen hässlichen Troll.

Als die Gefahr vorüber war, bedankte sich der Kaufmann. Er wollte den Troll für seine Rettung belohnen, aber der Troll nahm kein Geld. Er sagte, dass er für das Geld kein schönes Gesicht kaufen könnte. Der Einbeinige erwiderte:
„Du bist gesund, das ist besser als ein schönes Gesicht. Sieh mich an, ich habe nur einen Bein.“
„Und ich bin hässlich. Wir gehen zur Zauberin Makosch, ich habe bei ihr drei Wünsche frei. Mein erster Wunsch ist: Marjas Bruder soll gesund sein. Mein zweiter Wunsch ist: Die Zauberin soll mich in einen hübschen Mann verwandeln. Ich habe noch einen dritten Wunsch frei. Ich bitte die Zauberin dir ein neues Bein zu geben.“, versprach der Troll, da ihm der Einbeinige leid tat. Der Kaufmann freute sich, er schickte seinen Diener mit dem Wagen nach Hause und gesellte sich zu dem Troll und Marja. Und so gingen sie zu dritt über die Berge in das Reich der Zauberin Makosch. Den ganzen Weg musste der Troll den Kaufmann auf seinem Rücken tragen.
Nach langen und beschwerlichen Weg kamen sie zu einen Tal. Dort auf einer grünen Wiese mit vielen Blumen stand ein reinliches Haus. Das Haus der Zauberin. Die Zauberin kam ihnen entgegen und begrüßte sie herzlich. Die Zauberin Makosch war alt, sie hatte weiße Haare und ein freundliches Lächeln. Sie hieß alle willkommen, gab ihnen Trank und Speis, und fragte den Troll, welche drei Wünsche er hatte. Der Troll bat zuerst, den Bruder von Marja gesund zu machen. Die Zauberin tat das. Dann bat er, dem Kaufmann ein gesundes Bein zu geben. Auch diesen Wunsch erfüllte Makosch. Da wollte der Troll schon seinen Wunsch aussprechen, aber dann erinnerte er sich an die Worte der armen Witwe: „Wenn ich nur für das Geld auch noch die Augen für meinen Sohn kaufen könnte.“, und dachte, „Als ein Hässlicher kann man doch leben, aber der arme Junge ist blind, er kann die schöne Welt nicht sehen.“
Entschlossen sagte er seinen dritten Wunsch: Die Zauberin sollte dem Sohn der Witwe das Augenlicht geben.
Marja erblickte den Troll, und auf einmal sah sie einen Mann mit dem goldenen Herz, und nicht nur einen hässlicher Troll.

Doch Marja war traurig, da der Troll, der so gutherzig, klug und tapfer war, seinen Wunsch „Ein schöner Mann zu sein“ nicht erfüllt bekam. Sie fragte Makosch, ob die Zauberin dem Troll seinen Wunsch erfüllen konnte? Sie wollte Makosch gerade sagen, was für einen Wunsch der Troll hatte, aber die Zauberin hob ihren Arm, lächelte und sprach:
„Seinen Wunsch kannst du ihm erfüllen!“
Marja grübelte über die Worte der Zauberin: Was meinte sie, wie kann ich den Troll in ein Mann verwandeln?
So wanderten sie zurück. Der Genesene konnte die Berge ohne die Hilfe des Trolls hoch klettern und war überglücklich. Als sie zur Stelle kamen, wo der alte Diener wartete auf seinen Herrn mit dem, verabschiedete sich der Kaufmann von den beiden und ging seines Weges.
Marja und der Troll gingen weiter. Der Troll war traurig, er seufzte den ganzen Weg in sich hinein: „Jetzt kann ich Marja nie heiraten!“
Als sie zu dem Dorf, wo die Witwe mit dem blinden Sohn wohnte, kamen, rannte ihnen der Jungen entgegen. Er konnte sehen, und seine Augen leuchteten vor Freude. Der Troll wurde sofort glücklich, da er sich für den Jungen freute.
Marja und der Troll rasteten im Haus der Witwe, am nächsten Tag gingen sie weiter, überquerten zwei Wälder und eilten sich zu Marjas Dorf. Als sie schon das Haus sahen, machte der Troll stopp, er wollte zu seiner Waldhütte gehen. Marja bat ihn mit zu kommen und ihren Bruder und ihre Mutter zu begrüßen. Der Troll ging nicht gern den Menschen unter die Augen, aber er konnte der schönen Marja ihre Bitte nicht abschlagen.
So kamen sie zu Marjas Haus. Der Bruder hackte Holz, er war völlig gesund. Die Mutter und der Bruder waren sehr froh Marja zu sehen. Sie umarmten sich, und Marja erzählte alles, wo sie waren, und was mit ihnen geschehen war. Der Bruder und die Mutter bedankten sich beim Troll, sie hießen ihn in ihrem Haus immer willkommen. Der Troll aber wollte zurück in den Wald gehen, sogleich wurde Marja traurig: Sie wollte sich nicht von ihm trennen.
Auf einmal verstand Marja, was die Zauberin ihr sagen wollte!
„Der Troll ist mein Bräutigam!“, sprach die schöne Marja, „Er ist ein sehr schlauer Mann, ein tapferer Krieger, und sein Herz ist aus purem Gold!“

So heirateten Marja und der Troll. Sie lebten glücklich zusammen in dem Wald, suchten Edelsteine und mussten keine Not leiden.
Und wenn der Frühling kam, machten die beiden zwei gleiche Blumenkränze und gingen zum Hügel um zu tanzen.
Für Marja war ihr Troll der schönste Mann auf der ganzen Welt!



Impressum

Texte: Cover Illustration von Autorin
Tag der Veröffentlichung: 01.05.2009

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