Sämtliche Begriffe der Drachensprache sind erfunden. Sollten diese in anderen Sprachen vorkommen, ist dies ein Zufall und es nicht meine Absicht sie zu missbrauchen oder anderweitig umzuwandeln!
Drachara (gesprochen Drackara) ist die Sprache und Schrift der Drachen
Anbei finden sich einige russische Worte in den Kapiteln, ich liste diese vorab auf, um das Verstehen zu erleichtern.
medved` - Bär
lozhnyy – falsch
net - nein
morda – Schnauze
nikogda ne – niemals
mudak – Arschloch
der'mo – Scheiße
Sspaßiba – danke
da – ja
Ja tjábju ljublju – Ich liebe dich
chelovek – Mensch
Slaboumiye – schwachsinn
Ya ub'yu tebya – ich bringe dich um
Sanft spielte der Wind mit ihren feuerroten Strähnen, doch sie nahm es nicht wahr.
Stechender Schmerz zog sich durch ihre Brust, auch, wenn der intensive Geruch von Sonne, Stein und Sand sie kurz abzulenken vermochte.
Ein Knurren kam über ihre Lippen. Die Mittagssonne brannte heiß und erbarmungslos vom Himmel über Nevada, doch auch wenn die junge Frau schwitzen sollte, wurde ihr Körper von Sekunde zu Sekunde kälter.
Der Blutverlust hatte sich nur allzu schnell bemerkbar gemacht. In ihrem Bauch klaffte ein riesiges Loch, welches bei jeder ihrer Bewegungen noch weiter auseinanderriss.
Die Banditen waren wie aus dem Nichts aufgetaucht und hatten versucht, ihr all ihre Vorräte wegzunehmen. Sie hatte sich erfolgreich dagegen wehren können und hatte sie in die Flucht geschlagen, allerdings nicht, ohne etwas dabei einzustecken. Sie verfluchte sich noch immer für ihre Dummheit. Wie hatte sie die beiden hageren Männer, mitten in der Wüste, auch nicht bemerken können? Ein Stöhnen.
Vermutlich hatten der Hunger und der Durst dafür gesorgt, dass ihr Verstand nicht mehr richtig funktionierte. Tja, hier lag sie nun. Auf dem kochenden, staubigen Wüstenboden, der sich schon vor Stunden tiefrot verfärbt hatte. Naiv wie sie war, hatte sie sämtliches Verbandszeug im Quartier gelassen. Vielleicht sollte sie jetzt einfach die Augen schließen und auf den Tod warten?
Eine andere Option gab es ohnehin nicht. Wenn sie könnte, hätte sie nun geschnaubt. Gewiefte Kopfgeldjägerin von Banditen ausgeraubt und getötet. Ihr guter Ruf war endgültig ruiniert. Gerade als sie beschloss, endlich aufzugeben und in Ruhe zu sterben, wurde ihr verblutender Körper in einen dunklen Schatten getaucht. Auf dem Rücken liegend schlug sie die Augen auf und blickte gen Himmel. Ihre Sicht war verschwommen und die Ohnmacht rückte immer näher, doch der große Schatten am Himmel und die riesigen Flügel erkannte sie dennoch sofort. Es war ein majestätischer Drache, dort oben am Himmel. Die Frau bildete sich ein, die stechend goldenen Augen selbst auf diese Entfernung zu erkennen, doch das konnte nicht sein. Vermutlich war es das, was ihr Unterbewusstsein sehen wollte.
Bitte nicht!, dachte sie, als sie gerade so wahrnahm, wie das riesige und anmutige Geschöpf zu einer Landung ansetzte und sich in einen Menschen verwandelte. Er wollte doch nicht etwa...?
Drachen waren arrogant und herrschsüchtig und bekannt dafür, jeden unter Vertrag zu nehmen, dem sie einen Gefallen taten. Wenn er sie rettete, war das ihr Untergang!
Als Dragan sein Revier – Nevada – nun zum dritten Mal überflog, glaubte er noch immer, dass alles beim Alten war. Hier geschah nie etwas. Weder in der Stadt, noch in der Wüste. Doch je weiter hinaus er flog, desto beklemmender wurde das Gefühl. Er witterte Blut und das nicht gerade wenig. Sollte etwas geschehen sein, war das für diese Gegend wirklich ungewöhnlich. Die Menschen wussten, dass dies hier sein Territorium war, sie vermieden es also in Schwierigkeiten zu geraten. Als nun auch noch karmesinrotes Gestein in sein Blickfeld fiel, hielt er augenblicklich inne.
Inmitten der staubigen Steppe lag der kurvige und zarte Körper einer Frau. In deren Bauch klaffte ein riesiges Loch, doch scheinbar hatte sie den Kampfgeist noch nicht verloren.
Mit zusammengekniffenen Augen sah sie ihm entgegen, die Lippen anscheinend zu einem Seufzen geöffnet.
Schmunzelnd setzte Dragan zur Landung an. Trotz all des Blutes wirkte sie sehr hübsch. Feuerrote, üppige Locken, mandelförmige und bestechend grüne Augen und hohe Wangenknochen. Und trotz des ganzen Blutverlustes war ihre Haut so schneeweiß, als wäre es ihre normale Hautfarbe.
Sehr selten in dieser Gegend. Generell sehr verwunderlich, dass sie noch keinen Sonnenbrand zu haben schien. Als Dragan mit leichten und anmutigen Schritten vor sie trat, drehte sie ihren Kopf langsam zur Seite.
„Hau ab“, flüsterte sie, was erstaunlicherweise immer noch sehr nach einem Knurren klang.
Verblüfft hielt Dragan erneut inne. Unentschlossen schob er seine großen Hände in die Taschen seiner ausgeblichenen Jeans, die ihm tief auf den Hüften saß.
„Für einen Suizidversuch sieht mir das ziemlich brutal aus“, kommentierte er so kalt, dass es der Frau eiskalt über den Rücken gelaufen wäre, wäre ihr Körper nicht mit Ausbluten beschäftigt gewesen.
„Ich habe es nicht nötig, mich selbst umzubringen“, fauchte sie und schloss die Augen. „Und nun hau ab, ich will keine Hilfe von einem Drachen.“
Dragans Blut geriet in Wallung als er hörte, wie sie diese Worte förmlich ausspuckte. Ja, mit seiner Abstammung geriet er schnell außer Kontrolle, allerdings wusste er, wann er sich zu beherrschen hatte. Nun jedoch hatte er keine Lust auf Selbstbeherrschung.
„Ich hätte erwartet, dass du mit deinem hübschen Köpfchen nicht so dumm und naiv bist. Aber gut, wenn du sterben willst...“
Er wandte sich halb ab, sah aber wie sich ihre Augen wieder öffneten. Zugegeben, ihre Reaktion war ungewöhnlich. Auch wenn die Menschen es vermieden Hilfe von einem Drachen zu bekommen, so bettelten sie am Ende doch immer darum, wenn es um ihr Leben ging. Nicht so diese Frau. Ein eiserner Wille war in ihren Augen zu erkennen.
„Nein. Ich würde in der Hölle landen und darauf kann ich im Augenblick noch verzichten. Aber wenn du mein Retter sein sollst, schmore ich lieber freiwillig in der Hölle!“
Erneut zog Dragan die Brauen in die Höhe. Ein sehr stures Ding und sehr selbstbewusst. Sie hatte definitiv ihren Reiz. Aber bei Gott, er hätte sie für diese Dreistigkeit gefoltert, wäre sie nicht in diesem Zustand.
„Gut, dann erleide eben einen qualvollen Tod. Aber nimm mir nicht den ganzen Spaß an der Sache“, erwiderte er leichthin und ging nun in die Hocke. Die Empörung stand der Frau ins Gesicht geschrieben, als er mit flinken Fingern begann sie abzutasten. Offenbar verließen sie nun endgültig ihre Kräfte, denn sie brachte keinen Ton über die Lippen. Mittendrin hielt Dragan plötzlich inne.
Unerwartete Sorge keimte in ihm auf, als er Waffen an ihrem Körper ertastete. Was hatte eine schwer bewaffnete Frau bitte in Nevadas Wüsten zu suchen? Noch dazu dem Tode so nahe?
Seine Hand glitt in die Hüfttasche an ihrem Gürtel, aus der er eine kleine Karte zog. Einen Ausweis. Dragan stieß einen Pfiff zwischen den Zähnen aus.
„Eine Kopfgeldjägerin? Das erklärt die Waffen, aber nicht die Verletzung.“
Nachdenklich las er die Zeilen auf dem Ausweis.
Jael Nova.
Kopfgeldjägerin der Stufe 5,
im System gemeldet.
Spezialisiert auf den Nahkampf mit Waffen aller Art.
Fünfundzwanzig Jahre, Stand- und Wohnort unbekannt.
Zusätzlich war ein Foto von ihr abgebildet. Auf Dragans Stirn bildeten sich tiefe Furchen. Das Foto kam ihrer Schönheit in Natura nicht annähernd nahe.
„Jael“, sagte er plötzlich leise.
Grüne Augen richteten sich auf ihn und musterten für Sekundenbruchteile seine nackte Brust. Er trug kein Hemd. Nicht, wenn er flog.
„Ich weiß du wirst mich dafür hassen, Kopfgeldjägerin, aber glaub nicht, dass ich dich hier so sterben lasse. Der Tod einer so hochrangigen Jägerin wäre eine wahre Verschwendung.“
Mit weit aufgerissenen Augen beobachtete Jael, wie der Mann sich über sie beugte. Selbst im Angesicht des Todes sah sie, wie atemberaubend schön dieser Mann war.
Sein rabenschwarzes Haar fiel ihm in sanften Wellen bis zum Kinn, einige Strähnen fielen ihm gerade mitten ins Gesicht. Seine strahlend goldenen Augen mit den schlitzförmigen Pupillen schmälerten sich, als er mit seinem Gesicht ihrem immer näherkam. Jede Kleinigkeit, jedes Detail nahm Jael an ihm wahr. Dichte dunkle Brauen verliehen seinem Gesicht etwas Strenges, ebenso wie seine scharfen Wangenknochen über die sich bronzefarbene Haut spannte.
Von der Sonne geküsst, schoss es Jael durch den Kopf.
Die Lippen des Drachen waren schmal, aber unglaublich sinnlich, mit einem faszinierenden Schwung. Keine Falte war in seinem markanten Gesicht auszumachen, dafür war da dieser undefinierbare Ausdruck in seinen Augen. Jaels Herzschlag beschleunigte sich, wodurch immer mehr Blut durch ihre Adern gepumpt wurde. Dadurch trat der Tod immer näher. Kurz bevor des Mannes Lippen auf ihre trafen, spürte sie seinen heißen Atem im Gesicht. Dann drang ihr sein Duft in die Nase. Herb, feurig, irgendwie erdig und auf verstörende Weise berauschend.
Küss mich endlich!, schrie ein kleiner Teil in ihrem Herzen.
Nein, nein, zum Teufel, nein!, schrie ihr Verstand.
Ihr Tod war besiegelt, als sein Mund auf ihren traf. Nicht ihre Verletzung brachte ihr den Tod, sondern dieser Mann.
Vergnügt vor sich hin pfeifend schlenderte Dragan durch sein Anwesen, in den Händen einen Stapel Papiere. Oh, diese kleine Kopfgeldjägerin hätte noch einen großen Nutzen für ihn!
Just in diesem Moment lag die durchaus eigensinnige Frau in seinem Bett und erholte sich von ihrer schwerwiegenden Verletzung.
Mit seinem Kuss hatte er ihr die Kraft eines Drachen eingeflößt, pulsierend und vor Kraft strotzend. Es würde nur wenige Stunden dauern, bis die äußerliche Wunde verheilt war.
Für einen kurzen Moment schweifte Dragan mit den Gedanken ab. Unerwarteterweise hatte die Frau all ihre letzte Kraft in den Kuss gelegt, den sie eigentlich hatte abwehren wollen. Trotzig hatte sie ihm mit voller Wucht auf die Lippe gebissen, dann als Wiedergutmachung mit der Zunge darüber geleckt. Daraufhin war in Dragan etwas zum Leben erwacht. Knurrend hatte er sie gepackt um den Kuss zu vertiefen, doch das daraufhin ausgeschüttete Adrenalin in ihren Adern war wohl zu viel des Guten gewesen. Ihr Körper war erschlafft und sie war bewusstlos geworden.
Schmunzelnd kehrte der Mann ins Hier und Jetzt zurück. Das versprach auf jeden Fall interessant zu werden.
Er hatte auf jeden Fall schon Pläne mit der Frau. Er war gerade auf dem Weg zu ihr, deshalb die Papiere. Ihm verdankte sie sein Leben und dafür hatte sie sich erkenntlich zu zeigen! Doch es kam anders als gedacht. Als Dragan – ohne zu klopfen – die Tür zu seinem Schlafzimmer öffnete, blieb er erst einmal wie vom Blitz getroffen stehen. Dann duckte er sich, um einer steinernen Buchstütze auszuweichen. Mit einem dumpfen Knall schlug sie ein Loch in die dahinter liegende, braun gestrichene Wand. Putz bröselte zu Boden.
Als ob nichts gewesen wäre, saß die rothaarige Frau mit verschränkten Armen auf seinem Bett. Nur das Chaos um sie herum zeugte von ihrer Wut.
Sein großer Spiegel, der in der Ecke des Zimmers gestanden hatte, war zertrümmert worden, ebenso wie seine massiven Holzschränke und Kommoden, deren Trümmer überall auf dem Boden verteilt lagen. Seine Vorhänge und Klamotten waren zerrissen worden und die Matratze seines riesigen Himmelbettes aufgeschlitzt. Verdammt, er hätte ihr besser die Waffen abgenommen!
Die Situation und der Anblick waren schon verstörend genug, das Grausamste an alldem war und blieb jedoch der ausdruckslose Gesichtsausdruck der Frau.
„Es wird keinen Vertrag geben“, verkündete Jael so kalt, dass sich Dragans Nackenhärchen aufrichteten. Dragan trat näher, auch wenn er die zuckenden Finger der Frau bemerkte.
„Der Vertrag ist gültig und das weißt du“, erwiderte er nun, ebenfalls darum bemüht ausdruckslos zu klingen. Doch er hatte bereits jetzt schon Probleme damit, sein Temperament zu zügeln. Die Ruhe vor dem Sturm war schlussendlich vorbei als Jael plötzlich fauchend aufsprang und mit der Faust ausholte.
„Ich habe deine gottverdammte Hilfe nie gewollt! Zum Teufel mit dir, Drache, hör auf über mich bestimmen zu wollen. Ich würde mich dir schon erkenntlich zeigen, wärst du nicht so ein arrogantes und hochmütiges Arschloch!“, schrie sie.
Bumm, ihre knochenharte Faust traf ihn in der Magengrube.
„Jetzt halt mal die Luft an, du Rotzgöre“, donnerte Dragan und krümmte sich.
Himmel, was hatte diese Frau vielleicht für eine Kraft. Sie holte bereits erneut aus, doch dieses Mal sah er den Schlag kommen.
Blitzschnell richtete er sich auf, dann fing er ihren Arm ab und verdrehte diesen mit einem Ruck. Zischend gab Jael nach, doch noch war Dragan nicht zufrieden. Er zog sein Knie an und drückte zu, wodurch Jael sich nicht mehr halten konnte und mit einem Rumpeln auf dem Boden landete.
„Wärst du wirklich so dumm gewesen und hättest dein Leben einfach so weggeworfen?“, brüllte der Mann. Jael hielt zwar kurz inne, doch dann begann der Sturm erst recht zu toben. Keine Ahnung wie, doch sie schaffte es tatsächlich, eines ihrer Taschenmesser zu zücken und damit nach ihm zu schlagen. Sie erwischte ihn an der Wange, wenn auch nur leicht. Als Blut aus dem hauchfeinen Schnitt quoll, ließ Dragan erschrocken von der Frau ab. Kein einfacher Mensch hatte es je geschafft, ihm so nahe zu kommen. Geschweige denn mit einer Klinge!
„Nein, verdammt!“, zischte Jael und atmete tief durch, um sich aufrichten zu können. „Aber lieber wäre ich durch diese Verletzung gestorben, als durch einen eingebildeten Drachen“, fügte sie flüsternd an. Dragan zog die Brauen hoch, als ein Gedanke in ihm aufkam.
So stolz!
Plötzlich wurde es still. Als Jael ihn mit großen Augen ansah, wurde ihm klar, dass er das laut ausgesprochen haben musste.
„Warum hast du mich gerettet, Drache?“, fragte sie und erhob sich langsam. Lange Zeit lang antwortete der Mann nicht. Er sah sie einfach nur an, auch, als Jael sich dazu durchrang das Blut von seiner Wange zu wischen. Irgendwann gelang es Dragan, mit den Schultern zu zucken.
„Zum Teil, aus Eigennutz. Und weil du mich beeindruckst“, murmelte er und kehrte ihr, irgendwie peinlich berührt, den Rücken.
Seufzend trat die Frau zurück. Sie wusste, dass sie diesem Mann schon viel zu nahe gekommen war.
„Ich bin dir wirklich dankbar dafür, dass du Erbarmen mit mir hattest. Aber gefangen zu sein durch einen Vertrag, kann ich nicht ertragen. Sag mir, was du dir von diesem Vertrag erhoffst, dann lasse ich es mir vielleicht durch den Kopf gehen“, erklärte sie leise.
Jael wurde völlig überrumpelt als Dragan plötzlich herumwirbelte und sie mit seinen Armen an der Wand festnagelte. Sein steinerner Griff machte ihr unmissverständlich klar, wie stark er eigentlich war. Sie zappelte unter seinem Griff, doch es war zwecklos.
Kein Millimeter trennte sie von der Wand.
„Ich will dich Jägerin“, knurrte er düster, worauf Jael erschauerte. „Eine so hochrangige Kopfgeldjägerin wie du, ist mehr wert als ein Sack voller Gold. Ich habe einiges mit dir vor. Und deine Sorge ist unbegründet.“
Als er seine Lippen an ihr Ohr legte, verkniff sie es sich, ihm erneut die Faust in den Magen rammen zu wollen.
„Ich werde höchstpersönlich dafür sorgen, dass dir nichts geschieht.“
Die letzten Worte hallten noch lange in ihren Ohren nach, weshalb es ihr nun wirklich reichte. Mit roher Gewalt stieß Jael den Drachen zurück.
„Ich will weder beschützt werden, noch in deinem Dienst stehen!“, brüllte sie. „Und wer bist du überhaupt? Ich kenne nicht einmal deinen Namen.“
Plötzlich kippte die Stimmung, allerdings in eine unerwartete Richtung. Der Drache schien sich zu amüsieren, der Schalk blitzte in seinen Augen und seine Mundwinkel zuckten. Gelassen trat er einen Schritt zurück, um sich dann elegant vor ihr zu verbeugen.
„Mein Name ist Dragan van Less“, hauchte er mit seiner tiefen, bassreichen Stimme.
Erneut erschauerte Jael. So ein verdammter Mist, was hatte er nur mit ihr angestellt? Sie fühlte sich wie hypnotisiert.
Ein Drachenfürst?, dachte sie dann verblüfft. Drachen an sich waren schon seltene Geschöpfe. Auf der ganzen Welt lebten vielleicht nur an die fünfhundert, dann auch noch einem Fürsten von ihnen zu begegnen, konnte nun als gutes oder schlechtes Omen gedeutet werden.
„Dragan“, wiederholte Jael nun mit Spott in den Augen. „Ein wahrlich passender Name, wenn auch ein wenig einfallslos von deinen Eltern, nicht wahr?“
Als der Mann plötzlich seine Hand hob und diese in rasender Geschwindigkeit auf ihr Gesicht zu raste, schaffte Jael es gerade noch rechtzeitig, diese mit bloßer Hand abzufangen. Mit aller Kraft hielt sie nun sein Handgelenk umklammert. Sie sah den Sturm in seinen goldenen Augen toben und bereute es augenblicklich, diesen unbedachten Kommentar ausgesprochen zu haben. Immerhin wusste sie nicht auch nur eine Kleinigkeit über diesen Mann. Doch nach einigen Augenblicken bemerkte auch Dragan, dass er falsch reagiert hatte. Jaels klammernder Griff machte ihm schlagartig klar, dass er tatsächlich die Beherrschung verloren hatte.
„Ich hätte nicht erwartet, dass du Frauen schlägst“, murmelte die Frau.
Und sie meinte es auch genau so. Dieser Mann wirkte wie ein Verführer, der einer Frau – hatte sie ihn erst einmal in der Hand – zu Füßen lag. Benommen und mit glasigem Blick ließ Dragan seine Hand sinken.
„Verzeih mir. Ich habe mein Blut und Temperament nicht immer unter Kontrolle“, nuschelte er.
Diese plötzlich sanfte und verletzliche Seite zu sehen, warf die Frau völlig aus der Bahn und berührte einen Teil ihres Herzens, den sie verloren geglaubt hatte. Vielleicht, aber nur vielleicht, würde sie der Tod doch nicht zu fassen kriegen.
„Ich werde es dir beibringen“, entschied sie kurzerhand, auch wenn sie selbst nicht so genau wusste, ob das auch der Wahrheit entsprach. Sie sah den schockierten Ausdruck in seinen Augen und beschloss, das Thema zu wechseln. Sie räusperte sich und deutete auf das verteilte Papier auf dem Boden, das sich über die Trümmer ausgebreitet hatte.
„Was für Vereinbarungen hast du geplant, mit mir zu treffen?“
Diese Worte retteten die Situation. Dragan riss sich zusammen und machte sich schleunigst daran, die Papiere aufzulesen.
„Wie fühlst du dich? Kannst du dich wieder ausreichend bewegen?“, fragte er währenddessen.
Jael zog die Brauen hoch. Die Kraft, die der Mann ihr eingeflößt hatte als sie im Sterben lag, hatte ihre Wunde so unglaublich schnell heilen lassen, dass nur noch eine sternenförmige, explosionsartige Narbe übergeblieben war. Und wäre sie noch immer nicht fit genug, hätte sie auch jetzt noch in seinem monströsen Bett gelegen und geschlafen.
„Könnte ich mich sonst verteidigen?“, stellte sie leise die Gegenfrage.
Kopfschüttelnd richtete Dragan sich auf. Hastig stürmte er aus dem Raum.
„Lass uns ins Arbeitszimmer gehen“, murmelte er. „Dort herrscht kein Chaos...“
Mit zittrigen Fingern breitete Dragan die Papiere vor der Kopfgeldjägerin aus. Er war völlig durcheinander, diese Frau brachte ihn wirklich mit allem aus dem Konzept.
Nie wagte es jemand, sich gegen ihn aufzulehnen. Er duldete keine Widerworte und auch keinen Protest. Diese Frau hatte viele Facetten, das verwirrte Dragan nur noch mehr. Dass sie es dann auch noch wagte seine Eltern in den Mund zu nehmen, hatte das Fass zum Überlaufen gebracht. Die Vorsicht und der Argwohn in ihren Augen waren nachvollziehbar für ihn, dennoch verunsicherte ihn ihre Gestalt. Er fühlte sich schwach und angreifbar, dies zusammen mit seinem Temperament war eine explosive Mischung. Ein plötzlicher Schlag im Schreibtisch, riss ihn aus den Gedanken. Zwischen seinen gespreizten Fingern steckte eine Klinge, die wackelte und noch immer leise surrte.
Doch erneut saß Jael ihm regungslos gegenüber.
„Würdest du dich mal zusammenreißen? Mit einem Weichei will ich nichts zu tun haben. Es tut mir leid, wenn ich etwas Falsches gesagt habe, okay? Aber sei jetzt bitte wieder dieser arrogante Mann, den ich so hasse“, sagte sie kalt. Mit Rücksicht hatte Jael diese Worte ausgesprochen, was bei Dragan – Gott sei Dank – für zuckende Mundwinkel sorgte.
„Verzeih. Da war etwas, das mich wieder eingeholt hat“, sagte er mit einem falschen Lächeln auf den Lippen. Dann wurde er ernst.
„Nun gut, mit dem Kuss wurde der Vertrag schon längst besiegelt. Dann lass uns jetzt über die Einzelheiten sprechen.“
Jael setzte ein Gesicht auf welches klar machte, welch knallharte Verhandlungspartnerin sie war.
„Also, was verlangst du?“, wollte sie wissen. Dragan lehnte sich zurück.
„Deine Arbeit. Arbeite eine Zeit lang für mich und wir sind quitt“, erklärte er.
Jael zog eine einzelne Braue hoch.
„Ich jage und töte die, deren Namen du mir nennst?“
Ein Nicken.
„Wie lange?“, fragte sie dann.
„Solange, bis ich zufrieden bin.“
Ein Befehl, keine Bitte. Eine Kampfansage in den Augen der Frau.
„Und wenn das niemals der Fall ist?“, grummelte sie. Ein arrogantes und mehr als männliches Lächeln stahl sich auf seine Lippen.
„Dann ist das ganz allein dein Problem.“
Damit gab die Frau sich in der Tat zufrieden. Dennoch...
„Mein Lohn?“, verlangte sie zu wissen.
„Du lebst noch. Das allein ist dein Lohn“, knurrte Dragan düster.
„Für all meine Mühen die folgen werden, sehr wenig“, widersprach Jael. Dragans Mundwinkel zuckten erneut.
„Du wirst hier leben, hast freien Zugang zu Speisen und Getränken und unterstehst meinem Schutz. Ist dir all das nicht genug?“
Jael lehnte sich ebenfalls zurück.
„Ich bin nur schwer zufrieden zu stellen und noch schwerer zu bändigen. Ich hoffe du weißt, worauf du dich da einlässt!“
Wäre es keine so ernsthafte Situation gewesen, hätte Dragan nun angefangen schallend zu lachen.
„Oh, ich weiß ganz genau was ich tue. Die Frage ist eher, ob du es weißt. Ich frage mich noch immer, warum du mit einem Loch im Bauch mitten in der Wüste gelegen hast. Erklärst du es mir?“
Ein neugieriger Ausdruck war in seine goldenen Augen getreten, weshalb Jael ganz genau überlegte, ob und was sie darauf antworten sollte.
„Es war ein Hinterhalt“, antwortete sie schließlich. Es blieb das Einzige, was sie dazu sagte. Mehr musste Dragan nicht wissen. Es war ihr ohnehin schon unangenehm genug. Der Mann zog zurecht seine Augenbrauen hoch, doch die Frau schwieg auch weiterhin. Er dachte sich seinen Teil. Wenn es ein Hinterhalt gewesen war – wenn sie denn die Wahrheit sagte – mussten es mehrere gewesen sein.
Dragan war sich ziemlich sicher, dass Jael sich gut verteidigen hätte können, wäre es eine einfache Situation gewesen.
„Dragan.“
Als die Frau ihn aus den Gedanken riss, sah er, dass sie ihn bekümmert anblickte.
„Kann ich nicht einfach so in deinem Dienst stehen? Muss der Vertrag wirklich sein?“, fragte sie leise.
„Bist wohl nicht gerne gebunden, was?“, murmelte Dragan und schob ihr einen Stift zu. „Du wirst es nicht merken, keine Sorge. Und ich lasse dich erst einmal ein paar Tage in Ruhe, damit du dich hier einleben kannst.“
Schluckend nahm Jael den schmalen Füllfederhalter. Durch den Kuss war der Vertrag schon längst gültig, das wusste sie, mit ihrer Unterschrift wurde er jedoch für alle sichtbar. Das würde auf jeden Fall Ärger geben.
„Ich habe nur eine Bedingung“, meinte sie, als sie die Feder ansetzte. Dragans Augen schmälerten sich, er war ganz Ohr, blieb aber misstrauisch.
„Wenn ich jetzt unterschreibe“, begann sie gedehnt, wodurch sie es spannend machte. Zwischen ihren tiefschwarzen Wimpern hindurch sah sie ihn an und etwas in ihrem Blick hätte beinahe dafür gesorgt, dass Dragan sie gepackt und an sich gezogen hätte. Dieser Ausdruck in ihren Augen erinnerte ihn an... Verlangen. Immer schneller raste sein Herz, bis sie endlich fortfuhr.
„Stellst du dich mit mir zusammen all dem Ärger, den du mir verursachst.“
Dragan blinzelte.
„Abgemacht“, sagte er, damit sie endlich die endgültige Unterschrift setzte. Doch augenblicklich bereute er es.
„Aber was meinst du damit?“, fragte er, fast schon ein wenig unsicher, als Jael in einer sauberen und geschwungenen Handschrift ihren Namen auf das Papier setzte. Ein grimmiges Lächeln umspielte dabei ihre Mundwinkel.
„Du weißt doch, dass ich im System gemeldet bin. Ich habe Chefs und Anweisungen. Da ich nun in deiner... Schuld stehe, bist du derjenige, der der Chefetage diesen Vertrag erklären darf. Du hast meine Bedingung akzeptiert, also mach dich fertig und begleite mich zum Hauptsitz der Organisation.“
Langsam wurde Dragan klar, worauf er sich da wirklich eingelassen hatte. Schon viele Frauen und Männer hatte er unter Vertrag genommen, doch nicht ein einziger dieser Menschen war ein Kopfgeldjäger gewesen. Erst recht keine Jägerin wie Jael. Die Frau erkannte den unschlüssigen Ausdruck in seinen Augen und zeigte nun ein freundlicheres Gesicht. Ein siegessicheres Lächeln hatte sich auf ihre Lippen gestohlen.
„Sag bloß, du bereust es jetzt doch?“, hauchte sie verheißungsvoll, worauf sich Dragans Augen verdunkelten.
„Niemals“, knurrte Dragan und erhob sich entschieden. „Also gut, ich werde dich begleiten. Aber auf deine eigene Verantwortung.“
Etliche Kilometer von Nevadas Wüsten entfernt, stiegen Dragan und Jael aus dem Flieger.
„Ich wusste nicht, dass eure „Verwaltung“ in Seattle liegt“, murmelte der Mann und rieb sich die Schläfen. Nur einige wenige Male hatte er in einem Flugzeug gesessen. Dies war das erste Mal, dass es nicht freiwillig geschehen war. Er hatte eigentlich selbst herfliegen wollen, mitsamt Jael, doch die hatte sich geweigert und ihm klar gemacht, dass wenn sie schon flog, dies nur in einem Flugzeug tun würde. Eine hitzige Diskussion war zwischen ihnen entbrannt, doch am Ende hatte die Frau gewonnen.
„Der Standort der Zentrale ist geheim. Früher oder später hättest du es aber ohnehin erfahren. Du bist ja jetzt mein...“
Sie unterbrach sich, denn das Wort „Meister“ wollte ihr partout nicht über die Lippen kommen. Zu gruselig war dieser Gedanke.
Nein, diese Tatsache!
Die beiden machten sich mittels öffentlicher Verkehrsmittel auf den Weg in die Stadt, wobei die Menschen deutlichen Abstand zu Dragan hielten. Keine Frage, als Drache war er bekannt, doch er selbst nahm die Reaktion der Menschen kaum noch wahr. Dass Jael in Begleitung dieses Mannes war, sorgte für Gesprächsstoff. Offenbar war den Menschen sofort klar, dass sie sein neues kleines Spielzeug war. Seine Sklavin, mit der er wohl noch öfter seinen Spaß haben würde.
Eine unbändige Wut keimte in Jael auf, die sie vergeblich versuchte wieder zu schlucken. Um den Zorn nicht nach außen dringen zu lassen, setzte sie ihre ausdruckslose Maske auf, auf die sie auch in ihren Kämpfen zurückgriff. Oder in ihrem Privatleben. Auf dem Weg durch die Stadt bemerkte sie nicht, wie Dragan sie immer wieder musterte und versuchte, sie zu durchschauen. Hier, mitten in der Stadt, wirkte ihre Erscheinung gänzlich anders als in seinem Reich. Ihre Ausstrahlung wirkte mächtig, doch alles an ihr war so kalt, als wäre sie aus Eis. Keine Gefühlsregung war in ihrem Gesicht auszumachen, lediglich etwas Unberechenbares blitzte hin und wieder in ihren grünen Augen auf.
In diesem Augenblick wurde ihm klar, dass er absolut nichts über Kopfgeldjäger oder deren System wusste. Er wusste, dass Kopfgeldjäger aufgrund ihrer grausamen Vorgehensweise gefürchtet waren und sie, je nach Talent und Stärke, höhergestuft wurden, aber alles andere war geheim.
„Erzähl mir etwas über euch“, verlangte er also, wie aus dem Nichts heraus. Jael würdigte ihn keines Blickes, sah lediglich kurz gen Himmel, der immer dunkler wurde und ein Unwetter ankündigte.
„Nein. Es gibt nichts, was du wissen musst. Wir Kopfgeldjäger sind aufs Beobachten, Jagen und Töten spezialisiert, mehr gibt es da nicht zu sagen“, erwiderte sie düster.
Dragan erkannte Schmerz in ihren Augen, bohrte aber nicht nach. Sie kannten sich nicht. Vertrauen gab es nicht zwischen ihnen.
Dragan bekam keine Gelegenheit mehr etwas darauf zu erwidern, denn die Frau betrat plötzlich ein riesiges Bürogebäude, das komplett aus Stahl und Glas bestand. Hier sollten die mächtigen Köpfe sitzen? Unmöglich, dafür war hier alles zu unauffällig!
Dragan folgte ihr und entdeckte einen riesigen gläsernen Empfangstisch, hinter dem eine kleine und zierliche Brünette saß, die beim Klang Jaels energischer Schritte aufsah. Als die gebräunte Frau den Mann an ihrer Seite sah, wurde sie leichenblass.
Sie versuchte dennoch ihr Gesicht zu wahren und setzte eine professionelle Miene auf.
„Miss Nova, Sie wissen, dass es nicht erlaubt ist, Außenstehende mit hierher zu bringen“, sagte sie überraschend streng. In Jaels Gesicht zeigte sich noch immer keinerlei Regung.
„Es handelt sich um einen Notfall. Ich muss jemanden aus der Chefetage sprechen“, erwiderte sie kalt.
„Eigentlich ist das nicht möglich, aber ich werde sehen, was sich tun lässt“, murmelte die Brünette und begann sofort, die Tastatur ihres PCs zu bearbeiten. Nach wenigen Augenblicken sah sie auf. Dragan erkannte einen Hauch von Angst und Unsicherheit in ihren Augen.
„Mister Dubois ist im Augenblick frei. Aber auch nur für ein paar Minuten“, verkündete sie. „Gehen Sie hoch, ich werde ihm Bescheid geben.“
Nun endlich tat sich etwas in Jaels Gesicht. Aufgebracht und mit einem genervten Raunen strich sie sich die Haare nach hinten.
„Ausgerechnet Dubois“, maulte sie und stapfte auf einen von zwei Aufzügen zu. „Bringen wir's hinter uns“, rief sie Dragan über die Schulter zu. Zwei Minuten später, im Aufzug und auf dem Weg in den sechsundachtzigsten Stock, wandte Dragan sich an die Frau.
„Was stimmt nicht mit diesem Dubois?“, wollte er neugierig wissen.
Jael warf ihm einen Seitenblick zu und legte sich dabei einen Finger auf die Lippen. Dragan verstand den Wink. Offenbar gab es Wanzen und Kameras. Für eine Organisation wie diese nicht verwunderlich. Erstaunlich, dass ihm bis jetzt noch keine weiteren Sicherheitsvorkehrungen ins Auge gefallen waren.
Du wirst es noch früh genug erfahren, dachte Jael insgeheim.
Sie mochte es nicht zugeben, doch langsam kroch ihr die Angst kalt das Rückgrat hinauf. In der gesamten Geschichte dieses Systems, war ihr nicht ein Fall bekannt, bei dem ein Kopfgeldjäger einem Drachen unterstand. Sie konnte nicht abschätzen, wie die Reaktion einer der obersten Köpfe ausfallen würde. Dubois war für seine Grausamkeiten bekannt, ein tobender Wutanfall war also gar nicht so unwahrscheinlich. Als die Türen des Fahrstuhls nahezu geräuschlos aufglitten, trat Jael mit erhobenem Kinn hinaus. Dragan war noch immer beeindruckt. Die Ausstrahlung der Frau konnte sich innerhalb von Sekundenbruchteilen gänzlich ändern. Ab und zu mochte das bei ihm genauso sein, doch niemals konnte er ein so ausdrucksloses Gesicht aufsetzen, wie diese Jägerin.
Für den Bruchteil einer Sekunde fragte er sich, ob diese Fähigkeit einer der Gründe dafür war, dass sie zu einer Kopfgeldjägerin geworden war. Generell war das eher eine Männerdomäne.
Vielleicht hatte sie sich in ihrem Leben schon oft behaupten müssen? Dragan stellte fest, dass er mehr Interesse an dieser Frau hatte, als er haben dürfte. Vielleicht ein Fehler?
Es dauerte nur wenige Augenblicke, da standen die beiden vor einer massiven Stahltür. Am Türrahmen war ein kleiner Bildschirm mit einem Tastenfeld und einem Lautsprecher befestigt. Offenbar war auch eine Kamera eingebaut, denn noch bevor Jael klopfen konnte, blinkte ein grünes Licht und die Tür öffnete sich wie von Geisterhand. Schnellen Schrittes betraten die beiden den Raum, welcher sich als Büro entpuppte. Dragans Pupillen schmälerten sich, als er den korpulenten Mann mittleren Alters hinter dem massiven Mahagonitisch erfasste. Mit seiner Glatze, dem dunkelgrauen Anzug und den glanzlosen braunen Augen wirkte er so langweilig, wie ein Kleinstadtpsychopath. Doch der Eindruck täuschte, wie er sogleich feststellen musste.
Seine Augen schienen dunkler zu werden vor Zorn und sein Gesicht färbte sich langsam aber sicher rot.
„Meine liebe Miss Nova“, begann er verdächtig ruhig, mit einer unglaublich melodischen Stimme, die Kinder in den Schlaf hätte singen können. „So sehr ich auch auf Ihre rebellische Art stehe, aber ich dachte in Ihrem hübschen Köpfchen wäre klar, dass Außenstehende hier keinen Zutritt haben?“
Die Anspielung auf ihr hübsches Äußeres ließ Dragan eine Braue hochziehen. Damit hatte er gewiss nicht gerechnet. Jael hingegen schon, denn sie ignorierte es. Tief einatmend senkte die Frau die Stimme.
„Ich hätte Fürst van Less nicht hergebracht, wäre es keine dringende Angelegenheit.“
Dragans Miene verhärtete sich. Mit seinem offiziellen Titel war eigentlich alles gesagt. Schon brach der Sturm über sie herein. Mit dem Arm fegte Dubois all seine Unterlagen vom Tisch, dann sprang er auf und griff über den Tisch hinweg, um Jael am Kragen zu packen und an sich zu ziehen.
„Ich hoffe für Sie, dass der Fürstentitel keine weitere Bedeutung hat!“
Sein heißer Atem schlug Jael ins Gesicht und ließ sie erschauern. Seine Hand in ihrem Nacken machte es auch nicht besser. Besitzgier stieg in Dragan auf, weshalb er einschritt. Er nahm Jaels Hand und zog sie mit einem Ruck zurück. Knurrend umschlang er mit einem Arm ihren Leib.
„Bei allem Respekt Ihnen gegenüber, Sir, aber ich verbitte mir diesen Umgang mit meiner Untergebenen.“
Totenstille.
„Dragan!“, fauchte Jael dann leise und versuchte vergeblich, sich von seinem Arm zu befreien. Stattdessen legte er seine Hand seitlich an ihren Hals, spreizte seine Finger und strich mit dem Daumen über ihr Kinn. Der Druck, den er dabei ausübte, zwang sie, den Kopf in den Nacken zu legen. Leicht beugte der Mann sich über sie.
„Ich habe dir mein Wort gegeben, Jael“, raunte er so leise, dass nur sie es verstand. „Dir wird nichts geschehen. Niemand kommt dir ab sofort mehr zu nahe.“
Außer sich vor Wut beobachtete Dubois die groteske Szene, die sich ihm bot. Auch Jael wurde das Ganze zu viel, endgültig stieß sie Dragan von sich.
„Lass den Unsinn“, keifte sie leise und räusperte sich, um sich dann wieder an den Mann hinter dem Schreibtisch zu wenden.
„Es gab einen Vorfall, als ich unterwegs war“, begann sie sachlich. „Ich wurde aus dem Hinterhalt angegriffen und schwer verwundet. Hätte er mich nicht gefunden, dann...“
Wieder wurde es ruhig und um Dubois klar zu machen, dass Jael kein Objekt für seine Gier und Lust war, hob Dragan wieder die Hand, um sie an Jaels Wange zu legen. Ansehen tat er sie dabei aber nicht.
„Die Wunde war tödlich. Hätte ich sie nicht gefunden wäre sie einen qualvollen Tod gestorben“, beendete er für Jael die Tatsachen.
Die Frau verdrehte die Augen. Qualvoll? Nun ja, verbluten war vielleicht nicht angenehm, aber qualvoll fand sie gänzlich andere Dinge. Nämlich Dragans atemberaubende Schönheit. Sie wollte ihn küssen und das, obwohl sie ihn hasste.
„Und das ist Grund genug für Sie, eine unserer besten Jägerinnen, nur für Ihr Amüsement, unter Vertrag zu nehmen?“, polterte Dubois und kam auch schon um den Schreibtisch herum. Ehe etwas geschehen konnte, drängte Jael sich zwischen die beiden Männer.
„Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll. Wir müssen Regeln aufstellen“, bat Jael ruhig und sah erst Dubois an, dann Dragan.
Nachdenklich spielte der Drache mit dem Haar der Frau.
„In meinem Dienst wirst du viel zu tun haben. Ich an deiner Stelle, würde mich freistellen lassen“, schlug er vor. Schnaubend schüttelte Dubois den Kopf.
„Kein Jäger wird einfach so freigestellt. Dafür ist ihre Arbeit viel zu wichtig!“
Ein böses und listiges Funkeln trat in Dragans Augen.
„Sind Sie sicher, dass Sie sich mit einem Drachen anlegen wollen, Sir?“, grummelte er.
Der Mann vor ihm wurde blass, weshalb Jael erneut einschritt.
„Ich mache Ihnen einen Vorschlag“, begann sie. „Wann immer ich Zeit habe, werde ich mir meine Aufträge abholen. Ansonsten ist der Kontakt zu mir unterbrochen, einverstanden?“
Erneut wurde es still.
Jäger und Jägerinnen erteilten weder Befehle, noch stellten sie Regeln auf. Dies war einzig und allein den obersten Köpfen genehmigt. Doch dies war eine Ausnahmesituation, in der Dubois bedacht zu reagieren hatte. Einiges an Stress kam auf ihn zu.
Niemals durfte nach außen gelangen, was mit und zwischen den beiden geschehen war. Möglich war dies nicht, dessen war sich der Mann bewusst. Doch darüber würde er sich in Ruhe Gedanken machen müssen. Nun galt es erst einmal, alle Regeln zu vereinbaren.
„Setzen Sie sich“, wies er die beiden an und deutete auf die beiden freien Stühle, die vor dem Schreibtisch standen. Auch Dubois ließ sich wieder in seinen Sessel sinken. Die hervorgetretene Ader an seinem Hals zeugte aber davon, wie sauer er in Wirklichkeit war.
„Sie werden bei Fürst van Less unterkommen, nehme ich an?“, fragte er wieder verdächtig ruhig und wies auf den Mann an ihrer Seite. Auch Jael warf diesem einen kurzen Blick zu.
„Ich befürchte ja“, murmelte sie, worauf sie einen durchaus zufriedenen Ausdruck auf Dragans Gesicht ausmachen konnte.
„Ich werde noch heute meine Sachen packen und sie zu ihm bringen“, sagte sie dann leise.
Dubois schnappte sich ein paar Unterlagen, in Dragans Augen offenbar mehrere Formulare, und einen Stift, den er dann ansetzte.
„Ich muss wissen, wo sich ihr Hauptsitz befindet“, meinte er an den Drachen gewandt und sah diesen streng an. Verblüffenderweise verzog er nun das Gesicht.
„Ihnen ist schon klar, dass der Hort eines Drachen geheim ist, oder?“, brummte er düster.
In Dubois Augen funkelte es und Jael wäre glatt auf den Gedanken gekommen, dass er seinen Spaß an der Situation gefunden hatte. Seltsamerweise.
„Der Sitz dieses Gebäudes ist streng genommen auch geheim und dennoch sitzen Sie nun hier. Wenn Sie diese Frau wirklich wollen, werden Sie wohl mehrere Risiken eingehen müssen“, kam es aalglatt zurück. Das hatte gesessen. Auch bei Jael. Empört über diese Äußerung sprang sie auf, doch keiner der beiden Männer beachtete sie. Stattdessen begann ein Schlagabtausch zwischen den beiden, der bei der Frau für Irritation sorgte.
„Was, wenn mir diese Frau schon längst gehört? Ich frage mich, wer hier wirklich die Fäden in der Hand hält. Das System der Kopfgeldjäger oder ich, ein Drachenfürst?“, fragte Dragan herausfordernd. Dubois wusste, dass die richtige Antwort die Letztere war.
Drachen waren nicht umsonst so gefürchtet. Es war ein richtiges Wunder, dass diese Wesen die Herrschaft über die Menschen noch nicht an sich gerissen hatten. Doch vielleicht hielt sie ja etwas davon ab?
Jael verlor so langsam die Geduld, weshalb sie mit der Faust auf den Tisch schlug und Dragan anfauchte.
„Nur damit das klar ist, ich gehöre niemandem, auch nicht dir! Und wir wissen alle ganz genau, wer und was du bist, also lass diesen Unsinn und beantworte ihm seine Fragen, damit wir endlich von hier verschwinden können!“
Auf ihren Ausbruch hin wurde es mucksmäuschen still in dem kleinen Raum. Empört sah Dubois sie an, doch Jael hatte die Delle und die hauchfeinen Risse im Holz des edlen Schreibtisches noch immer nicht bemerkt. Und selbst wenn, es wäre ihr egal gewesen.
Was ließ dieser Mann sich auch auf die Spielchen des Drachen ein? Dragan fing plötzlich an zu lachen und lehnte sich zurück.
„Du bist eine richtige Spaßbremse, nicht wahr?“, stichelte er und wandte sich mit herablassendem Blick wieder an den fülligen Mann ihm gegenüber.
„Meinetwegen, machen wir weiter. Was wollen sie noch wissen?“
Schnaubend nahm Jael ein bisschen Abstand von der Situation. Sie wich zurück und ging in lauernden Schritten auf und ab, im Rücken von Dragan immer hin und her. Dadurch fühlte er sich beobachtet und ja, auch ein bisschen wie die Beute. Doch er und auch Jael wusste, dass sie ihm nicht wirklich gefährlich werden konnte.
„Ich bräuchte Ihr Alter, Ihr Regentschaftsgebiet und die Absichten hinter Ihrem Vertrag. Zudem brauchen wir eine Versicherung Ihrerseits, damit wir sicher sein können das unserer Jägerin nichts passiert. Außerdem rate ich Ihnen, nichts an die Öffentlichkeit dringen zu lassen. Wenn herauskommt, dass diese Frau in Ihrem Dienst steht, ist das Ansehen unserer Organisation völlig ruiniert und sollte das je der Fall sein, schwöre ich Ihnen, werden Sie sich wünschen, kein Drache zu sein!“
Dragan konnte über diese Drohung nur lachen. Jedoch hatte er Verständnis für diese Reaktion. All diese Menschen, die Jäger und Jägerinnen und auch die Köpfe dieses Systems verdienten ihr Geld mit dieser Arbeit und mit diesem aufgebauten Imperium. Sollte Dragan nachlässig sein oder gar die Absicht hegen, ihren Ruf zu schädigen, würden viele Leben aufgrund ihrer Existenz her gefährdet sein. Doch er war neugierig. Er hatte keine Ahnung, wie viel ein durchschnittlicher Jäger eigentlich verdiente. Darüber würde er sich später Gedanken machen müssen, nun erst mal galt es alles zu klären.
„Mein Alter tut nichts zur Sache. Selbst wenn ich noch ein junger Drache wäre, wäre meine Macht weitaus größer als Ihre. Mein Regentschaftsgebiet umfasst ganz Nevada, doch ich bin dabei es auszuweiten. Was meine Absichten angeht... Ich glaube Miss Nova ist eine ausgezeichnete Jägerin, deshalb soll sie ein wenig für mich arbeiten. Dafür, dass ich ihr Leben gerettet habe, wohl nur fair.
Was diese Versicherung angeht, bin ich gerne bereit, einige Ihrer Dokumente zu unterschreiben, denn es ist nicht meine Absicht diese Frau in Gefahr zu bringen. Und ich biete Ihnen an, ein kleines Spielchen zu spielen. Innerhalb der Öffentlichkeit werde ich es so aussehen lassen, als hätte ich Miss Nova engagiert.“
Dubois atmete tief durch und mit Adleraugen beobachtete Jael, wie er tatsächlich ruhiger zu werden schien.
„Hmpf, ich schätze ich habe keinen Einfluss auf Ihr Vorgehen. Also meinetwegen, nehmen Sie diese Frau mit. Sie ist freigestellt“, knurrte Dubois und reichte Dragan dann einige Unterlagen.
Der Mann überflog sie und füllte diese nicht sehr gewissenhaft aus, währenddessen wandte Dubois sich an Jael.
„Und Sie“, begann er, fast schon drohend. „Nur weil Sie freigestellt sind, heißt es nicht, dass Sie sich ausruhen können. Wenn Sie unterwegs sind und Ihnen etwas mit Ihren geschulten Augen auffällt, melden Sie es bitte umgehend. Und sollten Sie Zeit übrig haben, können Sie sich ebenfalls gerne an die Arbeit machen und für uns ein paar Akten durchgehen. Papierkram war zwar noch nie Ihre Stärke, aber wir brauchen jeden geschulten Jäger und das wissen Sie.“
Treu ergeben nickte Jael.
„Meinetwegen“, murmelte sie und sah aus dem Fenster, hinaus auf die Dächer der Stadt.
Sie spürte Dubois stechenden Blick auf sich ruhen und konnte seine Gedanken förmlich hören. Vermutlich hielt er sie für dumm, weil sie auf einen Drachen hereingefallen war. Aber er wusste nicht, dass Dragan ihr alles aufgezwungen hatte. Wenn sie gekonnt hätte wäre sie, als sie dort auf dem Gestein gelegen hatte, aufgesprungen und davongerannt. Dabei war wegrennen nie ihr Ding gewesen.
Außer damals...
Es dauerte nur fünf weitere Minuten, da hatten Dragan und Dubois alles geklärt und sich erhoben. Die beiden Männer schüttelten sich nicht die Hände, stattdessen richteten sie ihre Blicke auf Jael, bei dem es den Eindruck machte, als würden sie beide um diese Frau kämpfen wollen. Wollten sie etwa, dass sie sich für eine der beiden Seiten entschied?
„Ich...“, begann sie zögernd und wandte sich dabei an Dubois, „werde mich wohl eine Weile nicht melden. Ist das in Ordnung?“
Jäger und Jägerinnen wurden regelmäßig kontrolliert, um sicher zu gehen, dass sie keinem Rächer zum Opfer gefallen waren oder ihnen nichts anderes passiert war. Doch offenbar hatte Dubois nicht vor, dies in irgendeiner Weise zu ändern. Er öffnete eine kleine Schublade seines Tisches und zog ein kleines Handy heraus, das er ihr hinhielt.
„Wir werden uns ab und zu nach Ihrem Wohlergehen erkundigen. Bitte halten Sie es immer bei sich.“
Dass der Mann bat und keinen Befehl erteilte irritierte Jael, doch sie nahm es ohne zu zögern mit einem Nicken an.
„Selbstverständlich.“
Dann wandte die Frau sich an Dragan.
„Ich gehe schnell und kümmere mich um meine Sachen. Du wartest bitte unten in der Halle auf mich.“
Ohne auf eine Antwort zu warten wandte Jael sich ab und stürmte beinahe aus dem kleinen Zimmer. Die Tür fiel mit einem kleinen Klicken ins Schloss, dann waren Duboi und Dragan alleine und ihre wahren Gesichter kamen zum Vorschein.
Drohend baute Dubois sich vor Dragan auf, dass der einen Meter achtzig große Kopf der Organisation dabei immer noch fast einen Kopf kleiner war als der Drache, war ihm dabei völlig egal.
„Jetzt hören Sie mir mal gut zu! Jael ist keine Frau, die sich einfach so etwas sagen lässt. Was, zur Hölle, haben Sie mit ihr angestellt, dass sie sich ruhig ihrem Schicksal fügt?“, zischte er wie eine Schlange, wobei seine braunen Augen blitzten.
Ein zufriedener Ausdruck huschte über Dragans Gesicht.
„Dass Jael eine starke und sture Frau ist, habe ich durchaus schon gemerkt. Aber im Gegensatz zu Ihnen weiß sie, wann man besser die Füße stillhält. Sie ist nicht dumm, sie weiß, in welcher Situation sie sich befindet. Aber sie wird schon noch versuchen, etwas daran zu ändern. Sie wird mir Schwierigkeiten bereiten, aber das nehme ich in Kauf. Seien Sie lieber froh, dass ich nicht ihr Feind bin. Noch nicht!“
Er wandte sich zum Gehen, doch hinter ihm stieß der Mann ein Brummen aus.
„Jael ist gefährlich. Sie hat ihre Freunde in Gefahr gebracht und verletzt und sie wird sich nicht scheuen, auch auf sie loszugehen.
Ich rate Ihnen, sie nicht zu sehr einzuengen, ansonsten müssen Sie mit größeren Verletzungen rechnen, als Ihnen lieb ist.“
Die Tür klickte erneut. Ein ungutes Gefühl machte sich in Dragan breit. Dieser Typ war ihm nicht geheuer. Er sprach von Jael, als würde er sie ganz genau kennen. Fast so, als wären sie Freunde. Oder gar mehr. Ihm war der Blick aufgefallen, mit dem Dubois die Frau hin und wieder gemustert hatte, doch er hatte geglaubt, es läge einfach nur an einer Art Begehren. Offenbar sehnte er sich nach dieser Frau und gut konnte dies gewiss nicht sein. In welcher Verbindung standen die beiden zueinander?
Hätte Dragan eine Liste mit Fragen erstellt, die er Jael stellen wollte, so hätte er nun schon eine ganze Seite voll. Die Situation würde dafür sorgen, dass er viele dieser Fragen wieder vergaß, doch er würde sich bemühen all dies im Hinterkopf zu bewahren!
Als der Drache zurück in der Empfangshalle war, stand Jael mit einer einzigen gepackten Reisetasche am gläsernen Empfang. Um sie herum mehrere Jäger, allesamt männlich und muskulös wie Bären. Ihre Freunde? Verehrer? Möglicherweise Familie?
Dann schoss ihm ein anderer Gedanke durch den Kopf. Sie musste verdammt schnell gewesen sein, wenn sie schon aufbruchsbereit hier stand. War ihr Zuhause, Unterschlupf oder wie auch immer sie es nannte, womöglich ganz in der Nähe? Vielleicht sogar hier im Gebäude?
Oder hatte die schlau aussehende Brünette, hinter dem Empfang, möglicherweise alles geahnt und schon alles vorbereitet? Er schüttelte schwach den Kopf um all diese Gedanken zu vertreiben und trat an die kleine Gruppe Jäger heran.
„Ein Abschiedskommitee?“, knurrte er düster und leise, worauf die Männer allesamt zu ihm herumwirbelten. Jael sah lediglich mit ausdruckslosen Augen über ihre Schulter.
„Etwas, was du wohl nie hattest oder haben wirst.“
Stille. Dann räusperte sich einer der billigen Männer.
„Das hat gesessen“, murmelte er.
Dragan verzog das Gesicht, zeigte dann aber ein kleines Lächeln. Er musterte die vier Männer, die sich alle sehr ähnlich sahen. Sie alle hatten dunkelbraune Haare, die kurz geschoren waren und ebenso dunkle Augen, die so schwarz waren, dass man sich darin hätte verlieren können. Sie waren für solch muskulöse Bären recht klein, vielleicht einen Meter fünfundsiebzig, doch das tat ihrer grausamen Ausstrahlung keinen Abbruch. Keine Frage, sie waren offenbar Meister auf ihrem Gebiet. Noch eine Auffälligkeit war Dragan ins Auge gefallen.
Alle vier trugen sie Narben, die ihre Blicke auf sich zogen. Der, der seinen Kommentar abgegeben hatte, trug eine lange Narbe im Gesicht, die sich von seinem rechten Auge über seine Nase, bis hin zur Wange zog. Rechts von ihm, er hatte ein etwas markanteres Kinn, trug ein weißes Muskelshirt, welches vernarbtes Gewebe auf seinem kompletten linken Arm offenbarte. Der Dritte machte mit seinen Augen auf sich aufmerksam. Grau und milchig waren sie, doch ihre ursprüngliche tiefbraune Farbe schimmerte noch immer durch. Der Vierte machte ein beunruhigend leeres Gesicht, doch Dragan wollte ihn gar nicht weiter beachten.
„Können wir los?“, meldete Dragan sich zu Wort und trat noch näher an Jael heran.
Als Jaels Blick ihn traf, hielt er den Atem an. Unentschlossenheit blitzte in ihren Augen auf, doch sie schien es zu wissen und verbannte jegliche Gefühlsregungen aus ihrem Gesicht.
„Nein. Aber gehen wir“, erwiderte sie ausdruckslos.
Der Mann mit den milchigen Augen mischte sich ein.
„Ich kann nicht glauben, dass du uns unsere beste Frau einfach so wegnimmst. Kannst du mir mal sagen, mit wem wir dann trainieren sollen?“
Er sah Dragan an, doch der war sich nicht einmal sicher, ob er ihn auch wirklich sehen konnte. Nun schmunzelte Jael plötzlich.
„Ihr habt schon lange kein Training mehr nötig, Jungs. Und es gibt tausend andere Jäger, mit denen ihr euch vergnügen könnt.“
Leises Gelächter ging durch die kleine Gruppe, doch der mit dem vernarbten Arm blieb ernst und gab der Frau einen Stupser, der jede andere Frau zu Boden geworfen hätte. Jael hielt stand.
„Aber keine Frau!“
Lachend zwinkerte Jael ihm zu und es war das erste Mal, dass Dragan sie lachen sah. Es war ein dunkles Lachen, klang aber dennoch fröhlich.
„Du vergisst, dass es auch Männer mit Brüsten gibt.“
Das brachte nun schließlich alle zum lachen, selbst die Brünette hinter dem Tresen musste schmunzeln. Die Männer trieben noch ein paar Späße mit Jael, umgekehrt jedoch auch, doch schließlich zogen die Männer sie nacheinander in eine Umarmung. Alle drückten sie ihr einen Kuss auf die Wange, die Stirn oder sogar auf die Mundwinkel. Jael ließ es geschehen und erneut fragte Dragan sich, wer diese Männer für sie waren. Und wer sie für sie war.
Sie flüsterten ihr etwas ins Ohr was ihr ein Lächeln auf die Lippen zauberte, doch der Moment in dem sie lächelte war viel zu schnell vorbei. Nur wenige Minuten später schnappte sie sich ihre Tasche und stapfte nach draußen. Dragan blieb mit den Männern zurück.
Absichtlich. Vollkommen ernst sahen die vier ihn an und absolut nichts erinnerte an die gelöste Stimmung von gerade eben.
„Mit dir hat sie einen würdigen Gegner gefunden“, sagte der, mit der Narbe im Gesicht.
„Seid ihr ihre Freunde?“, wollte Dragan wissen, ohne auf die vorherigen Worte einzugehen. Narbengesicht – gemein, aber wahr – verschränkte die Arme.
„Ja. Wobei einige von uns es eher als Familienbande betrachten. Wir kennen sie jetzt seit vielen Jahren und es war nicht immer einfach mit ihr. Unsere Verletzungen“, er deutete nacheinander auf sich und die anderen Zeichnungen der Männer, „stammen alle von ihr. Du solltest also vorsichtig sein.“
Beeindruckt über diese Tatsache zog Dragan die Brauen hoch. Sie kannten sich also viele Jahre und sind durch die Frau gezeichnet worden. Dass sie dennoch so vertraut mit ihr waren war der Beweis, wie eng sie miteinander befreundet zu sein schienen.
„Keine Sorge, ich werde gut auf sie Acht geben“, versicherte er lächelnd und sah nach draußen, wo Jael ihm mit einer ungeduldigen Geste klar machte, dass er sich beeilen sollte.
„Noch etwas, das ich über sie wissen müsste?“, fragte er in neutralem Tonfall.
Die vier Männer grinsten ihn an, doch am Ende war es der offenbar Blinde, der ihm darauf antwortete.
„Nein. Du wirst es schon merken.“
Irritiert und darüber nachdenkend was diese Worte wohl bedeuten konnten, trat Dragan nach draußen, in den plötzlich heftigen Regen.
Mit wachsamen Augen und tropfend nassen Locken in ihrem Gesicht, sah Jael zu ihm auf.
Beeindruckt ließ Jael den Blick schweifen. Sie konnte nicht glauben, in welch luxuriösem Zimmer sie unterkommen würde. Dragan hatte nicht zu viel versprochen, er würde für sie sorgen, so viel war sicher. In ihrem Zimmer war unglaublich viel Platz, trotz des Doppelbettes, dem riesigen Kleiderschrank, einer Kommode und sogar einer barocken Sitzgruppe, in deren Mitte ein marmorner Tisch stand.
Jael wollte schon einen Kommentar dazu abgeben, als sie plötzlich das leise Klicken der Tür vernahm. Sie nahm an, dass Dragan sie allein gelassen hatte und drehte sich deshalb um, nur um dann einen Schritt zurück zu stolpern. Dragan hatte sich direkt und unbemerkt hinter ihr aufgebaut und starrte sie nun auf eine Weise an, die ihr die Haare im Nacken zu Berge stehen ließ.
„Wer ist dieser Dubois?“, verlangte er knurrend zu wissen.
Jael zog die Brauen hoch. War das etwa Eifersucht? Nein, unmöglich. Dragan und sie waren Fremde füreinander, kannten sich nicht und wussten absolut nichts über den anderen. Aus welchem Grund sollte ein Mann wie er – nämlich ein Drache, der alles haben konnte was er wollte – eifersüchtig sein? Und dann auch noch auf Dubois?
„Einer der fünf Köpfe des Jägersystems“, erwiderte sie gelassen.
Sie zeigte erst einmal keine besondere Reaktion, denn sie war neugierig. Dieser Drache stand ständig davor sie herauszufordern und sie würde sich nur allzu gerne darauf einlassen. Und vielleicht war sie sogar dazu bereit, ein Stück ihrer Maske dafür fallen zu lassen.
Wild schüttelte Dragan nun den Kopf.
„Wer ist Dubois für dich?“, meinte er etwas lauter und kam ihr näher. Jael war so überrascht, dass sie sich ein lautes und spöttisches Lachen nicht mehr verkneifen konnte. Prustend hielt sie sich den Bauch.
„Für mich?“, gluckste sie und wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln, nachdem sie sich wieder ein bisschen beruhigt hatte.
„Oh man, du kannst sogar noch witziger sein, als die Jungs. Dubois ist ein Halsabschneider, der eine perverse Schwäche für starke Frauen hat und glaubt, Besitzansprüche zu haben. Ich kenne ihn nun schon viele Jahre und...“
Als sie bemerkte was sie zum Schluss gesagt hatte, hielt sie inne. Verdammt, jetzt hatte sie doch zu viel verraten.
„Viele Jahre?“, hakte Dragan sofort nach und trat noch näher.
Damit war er ihr nun so nahe, dass sie Brust an Brust standen und Jael den Kopf in den Nacken legen musste, um ihm vernünftig in die Augen sehen zu können. Sie schluckte, gab aber nicht nach und würde mit Sicherheit nicht den Schwanz einziehen.
„Ja. Wir sind sozusagen... alte Bekannte. Mehr will ich dazu nicht sagen.“
Sie machte kehrt und für einen Augenblick hatte Dragan wieder dieses Etwas in ihren Augen gesehen, was auf Verletzlichkeit hindeutete.
„Hat er dir etwas angetan? Dich bedroht, angefasst, dir zu nahe gekommen oder...“
Jael wirbelte herum und funkelte ihn wütend an.
„Genug!“, zischte sie. Als Dragan irritiert die Brauen über diese Reaktion hochzog, atmete Jael tief durch. „Er hat nichts dergleichen getan. Es sind nur die Erinnerungen an diese Zeit. Ich habe sie begraben. Also grab sie nicht wieder aus, verstanden?“
Dragan nickte, wenn auch nur zögerlich. Diese Frau hatte viele Geheimnisse und war nicht bereit, diese auch preiszugeben. Doch wenn diese Frau hier leben wollte, musste sie dazu bereit sein, sich ein bisschen zu öffnen. Dragan würde nicht zulassen, dass Jael sich in seinem Reich einigelte.
„Dann erzähl mir etwas über die Jungs“, verlangte er dann. „Ihre Zeichnungen stammen von dir.“
Überraschung flackerte kurz in Jaels Augen auf. Woher wusste er, dass sie diejenige war, von der diese schweren Narben stammten? Kyra – die Brünette hinter dem Empfang – hatte ihm mit Sicherheit nichts davon erzählt. Dann vielleicht Dubois?
Unwahrscheinlich, so persönlich wurde er nicht. Dann die vier Jungs vielleicht selber? Das erschien ihr am logischsten. Vielleicht war es in ihren Augen eine Warnung an Dragan? Wenn ja, würde sie sich noch bei ihnen bedanken müssen. Sie wollte Dragan nicht zu nahekommen und damit bezog sie sich nicht nur auf das physische.
„Ich kenne sie ebenfalls nun schon einige Jahre. Wir trainieren miteinander und sind deshalb irgendwie miteinander befreundet“, antwortete sie nun und widmete sich ihrer Tasche, um ihre Sachen auszupacken.
„Irgendwie?“, hakte Dragan verwirrt nach und ließ sich auf ihrem Bett nieder.
Vollkommen entspannt beobachtete er, wie Jaels Schultern sich verkrampften, während sie zuerst einmal ihre Waffen auspackte.
Dass die Situation dadurch ein wenig gefährlicher wurde, störte Dragan keinesfalls.
„Ich hatte außer dem Training nicht vorgehabt, den Kontakt auch weiterhin mit diesen Männern aufrecht zu erhalten, aber sie haben nicht lockergelassen. Ich war... früher nicht gerade sehr umgänglich. Ich habe ihnen all diese Wunden im Training zugefügt, um ihnen klarzumachen, dass ich keineswegs eine Freundin bin. Aber sie haben immer nur Späße gemacht. Nie haben sie aufgehört. Ich hatte keine Chance mich gegen sie durchzusetzen. Zugegeben, wir wissen nicht viel übereinander, aber wir haben uns immer gegenseitig aufeinander verlassen.“
Nüchtern hatte Jael es dem Mann erklärt, doch sie behielt für sich, dass diese vier Männer schon fast ihre Ersatzfamilie waren. Sie nahmen sie einfach so hin wie sie war, trotz ihrer Grausamkeiten. Dragan verstand ihre Ansicht sehr gut, dennoch gab es da etwas.
Fragend neigte er den Kopf.
„Es ist nicht zu übersehen, dass du es als lästig empfindest menschliche Kontakte zu pflegen. Aber warum bist du dann erst diesem ganzen System beigetreten?“
Lange Zeit über ruhte Jaels Blick unentwegt auf ihm. Nie, niemals hatte sie jemandem ihre Beweggründe genannt und sie hatte nicht vor, jetzt damit anzufangen.
„Das wirst du wohl niemals erfahren“, sagte sie so kalt, dass es Dragan einen Schauer über den Rücken jagte. Ihr Blick war so intensiv gewesen, dass er sich in seinem Gedächtnis eingebrannt hatte. Für einen kurzen Augenblick hatte Jael wirklich mit dem Gedanken gespielt, es ihm zu erzählen. Doch er hätte sie mit Sicherheit ausgelacht und dumm genannt, so wie sie damals auch...
Sie wandte den Blick nun endgültig von Dragan ab, auch wenn sie träumerisch in seinen Augen hätte versinken können, und packte weiter aus.
Von nun an blockte sie jeden weiteren Versuch ab, bei dem der Mann versuchte, sie in ein Gespräch zu verwickeln.
„Also gut“, hauchte er schließlich und erhob sich in einer geschmeidigen Bewegung. „Ich werde dich in Ruhe lassen. Lebe dich erst einmal ein und sieh dich ruhig ausgiebig um.“
Jael schwieg, als sie dann doch das schlechte Gewissen überkam und sie herumwirbelte.
„Danke“, sagte sie, ließ die Schultern aber hängen als sie sah, dass Dragan schon längst verschwunden war.
„Hast du versucht, Kontakt aufzunehmen?“
Amir, der Mann mit den blinden Augen, kam neben seinem Bruder mit dem vernarbten Arm zum stehen.
„Ja“, antwortete Enver und beobachtete, wie auch Gero – mit der Narbe im Gesicht – und Ivan – der etwas Emotionslose – den Raum betraten. Sie alle drei ließen sich am Tisch nieder, an dem Enver schon seit einer halben Stunde mit seinem Laptop und seinem Handy saß.
„Hat sie sich nach zwei Wochen immer noch nicht gemeldet?“, fragte Gero überrascht. Enver schüttelte den Kopf.
„Nein. Ich habe versucht den Kontakt aufzunehmen, aber mein Gefühl sagt mir, dass dieser Drache alle Verbindungen gekappt hat.“
Ivan räusperte sich leise.
„Ich glaube nicht, dass wir uns Sorgen um Jael machen müssen. Und es war davon auszugehen, dass sie sich nicht meldet. Also warum kriegt ihr so Panik?“
Die übrigen drei Männer starrten ihren Bruder völlig entgeistert an.
„Verdammt, Ivan. Jael ist wie unsere kleine Schwester. Du weißt doch, was sie uns bedeutet“, knurrte Amir. Ivan richtete seinen Blick auf ihn.
„Amir, du bist blind. Ihretwegen. Wie also kannst du diese Frau als deine Schwester betrachten?“
Enver mischte sich wieder ein.
„Das Ganze ist nun fast zehn Jahre her. Und sie hatte sich nicht im Griff. Wie kannst du nur immer noch so nachtragend sein?“
Ivan sprang auf und schlug mit der Faust auf den Tisch.
„Natürlich hatte sie sich im Griff. Sie hat uns mit Absicht so schwer verletzt, damit wir ihr nicht zu nahekommen und ihr lasst euch auch noch darauf ein!“
Vollkommen ernst sah Amir zu ihm auf, auch wenn er ihn genau genommen nicht sehen konnte.
„Jael ist uns seit diesem Vorfall nie wieder zu nahe gekommen und man merkt mittlerweile, dass sie es bereut. Sämtliche Nähe kommt von uns aus, wir haben es ihr nie übelgenommen und waren auch nie sauer auf sie. Dass du es in ihrer Nähe aushältst beweist, dass du sie auch gut leiden kannst.“
Ohne darauf zu antworten und mit einem wutentbrannten Schnauben stürmte Ivan aus dem Raum.
Die Männer sahen ihm nach.
„Was, zur Hölle, ist denn los mit ihm?“, murmelte Gero.
Amir schmunzelte.
„Vermutlich fehlt sie ihm und er will es sich nicht anmerken lassen.“
Sauer sah Jael von links nach rechts und wieder zurück. Dies war nun schon die dritte Gabelung, an der sie sich entscheiden musste, in welche Richtung sie ging. Fluchend fragte die Frau sich, wie groß dieses gottverdammte Anwesen wohl sein mochte, doch nun da sie sich verlaufen hatte, zweifelte sie keine Sekunde lang, dass der Aufbau dieses Anwesens weitaus komplexer war, als der des Hauptsitzes des Systems der Kopfgeldjäger. Was die Geheimgänge anging, lag das Gebäude in Seattle aber weiter vorne. Jael schüttelte den Kopf und vertrieb sämtliche dieser Gedanken.
Es konnte ihr völlig egal sein wie dieses Gebäude – wenn auch verdammt atemberaubendes Gebäude – aufgebaut war. Viel mehr ärgerte sie es, dass sie ihr Zimmer nicht mehr fand.
Und Dragan im Übrigen auch nicht. Sie hatte die Chance des Alleinseins genutzt und sich erst einmal gestärkt, indem sie die Küche – in der es vor Köchen nur so wimmelte – geplündert hatte.
Satt und zufrieden hatte sie dann einige Räume erkundet. Sie war auf eine Art Bibliothek gestoßen, auf Dragans altbekanntes Arbeitszimmer und auf einige Badezimmer, die allesamt riesig waren.
Gerade war sie aus einem Wohnzimmer gestolpert, da stand sie nun wieder an der nächsten Kreuzung.
Nachdenklich, aber zum Teil spontan entschied sie sich nun, nach links zu gehen. Sie folgte dem langen, fensterlosen dunklen Gang, der eine – wie sie fand – beunruhigende Wirkung hatte und stieß am Ende auf eine einzelne, unscheinbare Tür. Umgeben von den bordeauxfarbenen Wänden, mit den schwarzen Akzenten am Stuck und den goldenen Verzierungen der Kerzenhalter an den Wänden, war die dunkle Tür aus Walnussholz kaum zu sehen.
Neugierig, wie sie schon als Kind gewesen war, trat sie vor die Tür. Das gute Benehmen der Erwachsenen, zu der sie herangewachsen war, hinderte sie aber daran einfach den Raum zu betreten. Ihr Verstand arbeitete auf Hochtouren, denn diese Tür lag mit Sicherheit nicht ohne Grund so gut getarnt, in einem der hintersten Winkel dieses Anwesens.
Jael blickte hinter sich. Gähnende Leere und unheilvolle Stille schlugen ihr entgegen, weshalb sie mit den Schultern zuckte und die Hand auf die Klinke legte.
Dragan hatte sie nirgends entdecken können, höchst unwahrscheinlich, dass er sich deshalb genau in diesem Raum befand. Bei ihrem Glück allerdings war er tatsächlich hier.
Dieses Risiko gehe ich ein, dachte sie, dann öffnete sie auch schon die Tür. Beinahe hätte sie sie sofort wieder zugeschlagen. Was bitte war das?
Den Atem anhaltend betrat Jael den Raum nun ganz. Sie erinnerte sich an das Schlafzimmer in dem sie aufgewacht war, nachdem Dragan sie hergebracht hatte, doch das hier übertraf es bei weitem! Der Mittelpunkt dieses Zimmers war zweifelsohne das zwei Meter breite Bett, über deren hölzerne Balken sich dutzende schwarze Tücher erstreckten und einen faszinierenden Himmel erschufen. Die schwarze Satin-Bettwäsche dazu, ließ das gesamte Himmelbett wie eine verbotene und sündig verdorbene Spielwiese aussehen. Der Sex darauf konnte einfach nur atemberaubend sein.
Schluckend zwang sie sich, den Blick davon abzuwenden. Mitten im Raum lag ein dunkles Fell. Oh Gott, doch nicht etwa ein Bärenfell? Direkt hinter dem Fell befand sich ein großer, steinerner Kamin, in dem ein Feuer brannte und herrlich entspannend knackte und rauschte. Der Raum war in so dunklen Tönen gehalten, dass das Feuer die einzige Lichtquelle war und eine beinahe romantische Atmosphäre schuf. Deckenhohe Bücherregale säumten den Rand des Raumes und riesige, im Feuerschein funkelnde Lüsterkronen hingen von der Decke. Vor den Bücherregalen befand sich eine Sitzecke, in deren Mitte nur ein kleines Tischchen stand.
Jael erkannte sofort, dass dieser Raum nicht auf Gesellschaft ausgelegt war.
Die Frau entdeckte einen riesigen Kleiderschrank in der Ecke, ebenfalls aus dunklem und massivem Holz. Der Schrank, zusammen mit dem Kamin und dem Feuer, ließen es in Jaels Gedanken klicken.
Dies war sein richtiges Schlafzimmer!
Der Raum, in den sonst vermutlich niemand Zutritt hatte. Das wärmende Feuer machte ihr klar, dass er gerade erst hier gewesen sein musste. Mit Schuldgefühlen machte sie kehrt. Sie sollte nicht hier sein, so anständig war sie noch. Doch als sie sich umgedreht hatte, taumelte sie zurück. Sie hätte das Gleichgewicht verloren, hätte Dragan nicht blitzschnell reagiert und den Arm um ihre Taille geschlungen. Als sie dann an seine Brust gedrückt wurde, musste sie erneut schlucken.
Sein Körper war so hart wie Granit, doch sie spürte keinerlei Anspannung. Es waren seine Muskeln, die sie unter seiner Kleidung spürte. Ausdruckslos, aber mit einem dennoch stechenden Blick sah Dragan auf die einen Meter sechsundsechzig kleine Frau herab.
Schweigen. Leicht zitternd versuchte Jael, Abstand zu gewinnen.
„Verzeih“, hauchte sie. „Ich wusste nicht, dass dies hier dein... Rückzugsort ist.“
Der Begriff Schlafzimmer erschien ihr einfach falsch. Dragan ließ sie nicht gewähren und drückte sie auch weiterhin an sich.
„Du hast dein Handy in der Küche verloren“, raunte er plötzlich und schob ihr den besagten Gegenstand in die Hosentasche an ihrem Po. Als seine Finger dabei ihre Rundungen streiften, schaffte Jael es endlich zurückzuweichen.
„Aber nicht heute“, erwiderte sie und nahm das Handy zur Hand. Letzte Woche schon hatte sie es vermisst. Als sie einen Blick darauf warf sah sie, dass sie dutzende Nachrichten und verpasste Anrufe hatte.
„Um Gottes willen, ist etwas passiert?“, murmelte sie und ging zuerst die Nummern durch. Es waren immer die Gleichen. Als sie dann die Nachrichten durchlas wurde ihr klar, dass es die vier Brüder waren, die versucht hatten Kontakt zu ihr aufzunehmen.
„Machen sie sich Sorgen?“, murmelte sie, sprach dabei aber bloß mit sich selbst.
Dass sie immer noch mitten in Dragans Schlafzimmer stand war völlig vergessen, als sie das Handy ans Ohr hob und bereits das Klingeln ertönte. Bereits nach dem zweiten Klingeln wurde abgehoben.
„Jael?“
Es war Gero, der so alarmiert klang, dass es der Frau zuckende Mundwinkel entlockte.
„Machst du dir etwa Sorgen, Medved`?“, hauchte sie.
„Natürlich!“, ertönte es aufgebracht am anderen Ende der Leitung. Dragan verstand jedes Wort. „Du hast dich zwei Wochen lang nicht gemeldet, was, zur Hölle, treibst du denn?“
Noch bevor Jael darauf antworten konnte, nahm Dragan ihr das Handy aus der Hand und hielt es sich ans Ohr. Die ganze Zeit über hatte er gelauert, nun schritt er ein.
„Jael liegt gerade neben mir und hat keine Zeit, sich um dich zu kümmern“, knurrte er und kappte dann die Verbindung. Mit offenem Mund starrte die Frau ihn an.
„Was hast du getan?“, flüsterte sie und versuchte ihm das Handy zu entreißen, doch Dragan hielt es in die Höhe, wodurch Jael keine Chance mehr hatte, es zu erreichen.
Er wusste selbst nicht was ihn da gerade überkommen hatte, doch die lebhaften Reaktionen im Gesicht der Frau, als sie Geros Stimme gehört hatte, hatten ihn aus einem unbekannten Grund eifersüchtig werden lassen. Und er wollte sich einen Spaß mit dem Mann erlauben. Er schnaubte.
„Betrachte es als Strafe dafür, dass du unbefugt hier eingedrungen bist.“
Jael verzog das Gesicht.
„Ich konnte nicht wissen, was sich hinter der Tür verbirgt.“
Dann kam plötzlich ihre wahre Natur zum Vorschein. Sie zückte eine Klinge, aus einem versteckten Futteral, an ihrem Schenkel und hinterließ damit einen Schnitt in seiner Brust. Vor Schreck ließ er das Handy fallen, welches direkt in Jaels Hand fiel.
„Wenn du nicht so ein Arsch wärst, würde ich vielleicht wirklich neben dir liegen“, provozierte sie.
Keine Frage, Dragan war so attraktiv, dass sie sofort mit ihm ins Bett gegangen wäre, wenn er kein Drache gewesen wäre. Offenbar standen ihr diese Gedanken ins Gesicht geschrieben, denn Dragan sah sie überrascht an. Dann legte er sich die Hand auf die Wunde.
Ein Sturm braute sich in seinen Augen zusammen und aus diesem Grund suchte Jael schleunigst das Weite. Sie wusste, wann sie sich geschlagen geben musste und nun war es soweit. So schnell sie konnte, rannte sie los.
Fassungslos inspizierte Dragan die Wunde in seiner Brust. Jael war gnädig gewesen, hatte nur die obersten Hautschichten verletzt, doch der Schnitt war lang, reichte von links nach rechts, direkt über seine Brust. Sie hatte ihn verletzt, nur um an ihr Handy zu kommen. Was hatten denn dann diese vier Männer angestellt?
Dennoch zuckten seine Mundwinkel. Genau genommen fand er es nicht schlimm, dass Jael sein Schlafzimmer gefunden und betreten hatte, ganz im Gegenteil, hier wollte er sie haben! Niemand passte besser in diese sinnliche Atmosphäre, als diese Frau!
Lächelnd ließ er sich vor dem Kamin, auf dem Bärenfell nieder. Im Normalfall hätte er die Nerven verloren und wäre hinter der Frau her, doch nicht dieses Mal. Sie würde schon wiederkommen, dessen war er sich sicher.
Am anderen Ende der Leitung wurde zwar abgenommen, jedoch meldete sich niemand.
„Gero“, knurrte Jael also und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Am anderen Ende der Leitung wurde geräuschvoll ausgeatmet.
„Was ist? Ich dachte, du vergnügst dich mit diesem Drachen?“, schnaubte der Mann.
„Net!“, brüllte Jael aufgebracht. „Scheiße, dieser Typ sieht verdammt geil aus, aber nikogda ne, er ist ein Drache. Herr Gott nochmal. Er wollte dich doch nur verarschen.“
Für einen langen Moment schwieg Gero. Jael war eine sehr ernste Frau, solche Witze riss sie nicht. Niemals! Logisch also, dass Gero das ernst genommen hatte. Jael fuhr fort.
„Es tut mir leid, dass ihr euch Sorgen gemacht habt, Gero. Aber ich hatte mein Handy verbummelt, Dragan hat es mir gerade erst in die Hand gedrückt.“
Die beiden plauderten gut zehn Minuten miteinander, dann kappte sie die Verbindung.
Nun fühlte sie sich besser. Gero offenbar auch, denn am Ende hatte er sogar schon wieder Witze gerissen. Unentschlossen überlegte sie nun jedoch, was sie tun sollte. Es wäre angebracht gewesen. zu Dragan zu gehen und sich für ihr Verhalten zu entschuldigen, allerdings hatte er sich auch nicht korrekt verhalten. Zugegeben, es war kindisch zu schmollen. Aber es blieb nur diese Option. Oder vielleicht...
Seufzend machte Jael sich auf den Weg zurück in Dragans Zimmer.
„Mudak“, fauchte sie, als sie sein Schlafzimmer betrat, doch als sie seine ruhige Gestalt auf dem Bärenfell sah, hielt sie inne.
Lächelnd und mit einem Funkeln in den Augen sah Dragan über seine Schulter.
„Hast du mich gerade auf Russisch beschimpft?“, fragte er verdächtig ruhig. Der Unglaube in seiner Stimme verursachte bei Jael zuckende Mundwinkel.
„Und wenn?“, murmelte sie und ging zu ihm. Die Situation war ihr nicht geheuer, dennoch ließ sie sich neben dem Mann vor dem Feuer nieder.
„Dann wüsste ich gerne, warum du russisch sprichst“, erwiderte Dragan, nachdem lange Zeit lang nur das Knistern und Knacken des Feuers zu hören gewesen war. Lässig zuckte Jael mit den Schultern.
„Ein Teil meiner Vorfahren stammt aus Russland“, murmelte sie. Verstohlen warf sie ihm dann einen Blick zu. „Was macht deine Verletzung?“, erkundigte sie sich.
Er hatte sich sein zerfetztes Hemd ausgezogen, was ihn im Feuerschein nur noch unwiderstehlicher aussehen ließ. Mit einem herausfordernden Grinsen warf Dragan ihr einen Blick zu.
„Ist schon längst verheilt.“
Als er sich mit seiner nackten Brust der Frau zuwandte, hielt diese die Luft an. Fast hätte sie die Hand ausgestreckt. Nur eine Narbe war zurückgeblieben und das in der kurzen Zeit!
„Ich wusste nicht, dass Drachen solche Heilkräfte besitzen“, flüsterte sie.
Am Ende konnte sie sich doch nicht zurückhalten und streckte die Hand aus, um mit den Fingerkuppen über die verheilte Haut zu gleiten. Als Dragan schmunzelte, zog Jael die Hand wieder zurück.
„Ich glaube, es gibt eine Menge was du nicht über Drachen weißt“, raunte er. Die Frau lehnte sich so selbstverständlich zu Dragan hinüber, dass es ihr gar nicht auffiel.
„Zum Beispiel?“, hauchte sie. Erst als Dragan hinterhältig grinste und ihr Kinn ergriff bemerkte sie, dass er mit seinen Lippen direkt vor ihren verharrte.
„Zum Beispiel sind wir sehr besitzergreifend. Wenn wir erst einmal ein Auge auf etwas geworfen haben, dann nehmen wir es uns. Ohne Rücksicht auf Verluste.“
Als er dann – ganz leicht nur – mit seinen Lippen ihre berührte, sprang sie zischend auf. Himmel, diese elektrische Ladung zwischen ihnen, hatte sie beinahe nach mehr schreien lassen. Doch sie entschied sich anders.
„Hör gefälligst auf, meine Neugier auszunutzen“, fauchte sie und zeigte mit dem Finger auf ihn.
Schallend lachend kam Dragan anmutig auf die Füße.
„Ach, komm schon. Gib es zu, du hättest dich gerne dazu hinreißen lassen, wenn du nicht ständig daran denken würdest, dass ich ein Drache bin.“
Lebhaftes rot breitete sich über Jaels Wangen aus. Verdammt, genau ins Schwarze!
„Das ist es nicht“, log sie, weshalb Dragan die Brauen hochzog. „Du bist arrogant! Viel zu hochnäsig und aufmüpfig. Und du machst dir aus allem unmöglichen einen Spaß. Du bist einfach frech!“
Aufgebracht schnappte sie nach Luft, doch Dragan lachte nur noch lauter.
„Bei deinem Temperament hätte ich erwartet, dass du auf genau diese Eigenschaften bei einem Mann stehst“, lachte er. Jael verzog das Gesicht und verschränkte die Arme.
„Es geht nicht um das, was ich möchte, sondern eher um das, was ich brauche“, murmelte sie so leise, dass Dragan es fast überhört hätte. Dieses Mal wich Jael nicht zurück, als der Mann an sie herantrat.
„Und was brauchst du, Jael?“, fragte er leise und spielte mit ihrem Haar.
Ich brauche jemanden wie dich!, dachte sie insgeheim. Sich das selbst einzugestehen schaffte sie gerade so. Das auszusprechen? Niemals! Nicht in diesem Leben.
„Ich brauche niemanden“, antwortete sie kalt und versuchte, sich abzuwenden. Versuchte wohlgemerkt, denn Dragan umschlang sie plötzlich mit den Armen und hielt sie somit an seiner Brust.
„Lügnerin“, hauchte er ihr von oben in den Haarschopf. Dragans herber Geruch drang Jael in die Nase. Sie inhalierte tief. Er roch ein wenig salzig, dennoch war da etwas Holziges. Zedernholz? Außerdem lag ihr etwas Würziges auf der Zunge. Scharf und gefährlich.
Sanft zog er an ihrem Haar, weshalb sie den Kopf in den Nacken legte.
„Bitte“, hauchte er plötzlich. „Nur ein Kuss. Etwas völlig unverbindliches.“
Vollkommen überrascht legte Jael den Kopf schief. Bettelte er sie etwa gerade an? Ein absurder Gedanke, er war schließlich ein Drache.
„Warum?“, brachte sie skeptisch über die Lippen. Dragans Blick wurde dringlicher, sein Griff fester.
„Ich weiß es nicht“, antwortete er ehrlich. „Ich will wissen, wie du schmeckst. Will wissen, wie du dich anfühlst.“
Jael verzog das Gesicht. Sie konnte ihren plötzlichen Gedanken gar nicht allen folgen.
„Warum fragst du mich das überhaupt?“, murmelte sie. „Sollte ein Mann wie du seinen Instinkten nicht einfach folgen?“
Offenbar sah Dragan diese Worte als Erlaubnis, den nun kam er ihr mit den Lippen immer näher. Es ist nur ein Kuss, dachte Jael, nicht wissend, warum sie sich eigentlich solche Gedanken machte.
Doch kurz bevor seine Lippen auf ihre trafen, sprang die Frau wie von der Tarantel gestochen zurück. Haareraufend und knurrend lief sie auf und ab. Sie hatte eine Scheißangst, denn sie wusste ganz genau, dass es durch den Kuss nur noch komplizierter werden würde. In rasender Geschwindigkeit versuchte sie, sich selbst zu beruhigen.
Verdammt, du dumme kleine Kuh wirst schon keine Gefühle für diesen Mann entwickeln, nur weil du ihn einmal küsst, dachte sie.
Ich werde dir schon beweisen, wie sehr ich dich hasse, dachte sie dann und wirbelte wieder zu Dragan herum. Überrascht beobachtete dieser, wie Jael wieder vor ihn trat und sich auf Zehenspitzen stellte. Fordernd legte sie ihm die Hand in den Nacken und zog ihn zu sich hinunter. Eigentlich hätte sie ihre Lippen nun forsch auf seine gedrückt, doch sie entschied sich anders. Sanft strich sie erst nur über seinen Mund, hauchte ihm ihren Atem auf die Lippen, sah ihm dabei provokant in die Augen. Dragan hielt den Atem an, zu surreal erschien ihm das alles.
Verlangen wuchs in ihm heran, bis es sich in einem Knurren, tief aus seiner Brust, äußerte. Schmunzelnd beendete Jael dieses Spielchen und küsste ihn richtig. Und Himmel, dieser Mann schmeckte genauso, wie er roch! Scharf und würzig, so berauschend, dass sie mehr wollte.
Aus dem sanften Hauch ihrer Lippen wurde ein verlangender und gieriger Kuss, bei dem sie ihm auf die Lippe biss und daran knabberte und ihn mit ihrer Zunge neckte. Mit den Händen griff sie ihm ins Haar, um ihn bei sich zu halten. Sie hatte es gewusst.
Sie hatte gewusst, dass ein Kuss mit diesem Mann berauschend sein würde und befürchtete nun, nicht mehr von ihm los zu kommen. Doch offenbar ging es Dragan genauso, denn seine Hände waren überall auf ihrem Körper. An ihrer Taille, ihren Hüften, ihrem Po und zuletzt auch an ihrem Hals.
Und obwohl ihr Hals die empfindlichste Stelle war und er sie mit einem schnellen Handgriff hätte töten können, fühlte sie sich in diesem Moment einfach nur gestärkt. Seine Zunge stieß überraschend plötzlich in ihren Mund und kämpfte mit ihrer, dabei schob er seine große Hand unter ihr Shirt.
Dragan knurrte noch immer, denn ihr Geschmack war einfach berauschend. Sie schmeckte nach Zimt und Honig, süß und wärmend, und nach flüssiger Schokolade, was ihn leise seufzen ließ. Als seine rauen Finger über Jaels Haut am Bauch glitten, begriff sie endlich, was sie da eigentlich taten. Worauf hatte sie sich da nur eingelassen? Keuchend riss sie sich von ihm los. Noch bevor er etwas sagen konnte, huschte sie zur Tür.
„Und, wonach schmecke ich?“, hauchte sie, allerdings mehr zu sich selbst. Bestimmt hatte sie nicht damit gerechnet, dass Dragan so schnell bei ihr war und ihr die Hand in den Nacken legte.
„Nach purer Versuchung“, flüsterte er ihr ins Ohr. „Nach Verführung, süß, schwer und sinnlich.“
Jael schluckte als der Mann sie anstieß.
„Geh! Sonst wird es nicht bei einem Kuss bleiben.“
Und sie lief.
Als er keinen Menschen mehr in seiner Nähe spüren konnte, stieß er ein ohrenbetäubendes Brüllen aus.
„Verdammt, verdammt, verdammt!“
Dragan verfluchte sich selbst. Er hätte es wissen müssen. Aus flüchtigem Interesse war ernsthaftes Verlangen geworden. Sein Instinkt wollte diese Frau in seinen Besitz kriegen, sein Verstand wehrte sich aber noch. Eigentlich hätte er jetzt hinter ihr hergemusst.
Er hätte sie aufhalten sollen und ihr sagen, dass er wirklich mehr wollte. Oder aber er machte ihr klar, dass sie sich von ihm fernhalten sollte, damit so etwas nicht noch einmal geschah und sie beide ihrer Arbeit nachgehen konnten. Doch würde man Dragan danach fragen was er wirklich tun wollte, würde er wie folgt darauf antworten; Er wollte sich Jael schnappen und den ganzen Tag mit ihr im Bett verbringen. Einfach nur neben ihr liegen. Oder aber...
Kopfschüttelnd wandte Dragan sich endlich von der Tür ab. Vielleicht würde die Situation sich von alleine beruhigen? Er hatte sich ohnehin um einiges zu kümmern, das würde ihn schon ablenken. Trotz abschweifender Gedanken machte er sich auf den Weg in sein Arbeitszimmer, wo er sich an den Schreibtisch setzte und zum Telefon griff.
„Sire?“
Cemal meldete sich bereits nach dem ersten Klingeln, ein deutliches Zeichen seiner Loyalität.
„Gibt es etwas Neues in Bezug auf den Dieb?“, wollte Dragan düster wissen.
Eine Woche war es nun her, seit ihn ein Dieb bestohlen hatte. In seinem geheimen Anwesen in Tunesien wimmelte es nur so vor Schätzen, die er in all den Jahrzehnten und Jahrhunderten angesammelt hatte. Es war ihm ein Rätsel, doch irgendjemand hatte es geschafft, in diesen hochgesicherten Komplex einzudringen und ihn zu bestehlen. Er hatte Cemal damit beauftragt, diesen Langfinger zur Strecke zu bringen, doch die Antwort die er dem Drachen nun gab, war niederschmetternd.
„Nichts ausschlaggebendes, Sire. Lediglich einen abgerissenen Stofffetzen, mit dem ich leider nichts anzufangen weiß.“
Dragans Wut verwandelte sich in Neugier, er hielt inne.
„Ein Stofffetzen? Bring ihn her, vielleicht weiß ich etwas damit anzufangen“, befahl er, dann legte er auf. Es war auf jeden Fall ein Anfang! Ein unerfahrener Mensch wie Cemal mochte mit dem Stoff vielleicht nicht viel anfangen können, doch Dragan war ein Drache und konnte vielleicht Witterung aufnehmen. Und da war immer noch Jael. Sich weiterhin den Kopf über die Frau zerbrechend, wartete Dragan auf seinen Untergebenen Cemal.
Vor knapp zwölf Jahren schon war Cemal einen Vertrag mit ihm eingegangen, aufgrund der Hilfe, die Dragan dem Menschen einmal geschenkt hat. Nach fünf Jahren war der Vertrag dann endlich ausgelaufen, doch irgendwie waren die beiden Männer zu Freunden geworden. Cemal stand zu ihm und war bisher in seinem Dienst. Dragan konnte es selbst kaum fassen, doch er war ganz froh über Cemals Unterstützung. Er leistete schließlich immer gute Arbeit und widersetzte sich so gut wie nie.
Gut zehn Minuten später stand Cemal auch schon vor ihm und deutete eine leichte Verbeugung an.
„Sire“, sagte er neutral und überreichte dem Drachen den Stoff. Mit hochgezogenen Brauen musterte Dragan ihn dabei. Cemal war mit seinen einen Meter achtzig und der südländischen Abstammung ein echter Leckerbissen in der Frauenwelt, doch heute war es anders.
Sein schwarzes, sonst gestyltes Haar war zerzaust und seine dunkelbraunen Augen glanzlos.
Er hatte einen drei-Tage-Bart, was Dragan bisher nur selten bei ihm gesehen hatte. Noch dazu war sein Hemd zerknittert und seine dunkle Jeans wies den ein oder anderen Fleck auf.
„Was ist los mit dir?“, rutschte es auch schon aus Dragan heraus. „Du siehst beschissen aus, wenn ich das mal so sagen darf.“
Cemal war anzusehen, dass er sich nicht wohlfühlte. Dragan blinzelte. Hatte er Cemal je auf sein Privatleben angesprochen? Er wusste es nicht.
„Ich habe in letzter Zeit nicht viel geschlafen, weil ich versucht habe, den Diebstahl aufzuklären“, antwortete er schließlich mit seiner rauchigen Stimme. Über so viel Loyalität und Engagement konnte Dragan nur lächeln.
„Was das angeht, kannst du dir erst einmal frei nehmen. Ich habe jemanden, der für so etwas einen guten Riecher haben muss“, erwiderte der Drache und griff zum Telefon.
„Bringt sie her“, befahl er.
Cemal neigte den Kopf.
„Verzeihung, aber ich verstehe nicht“, murmelte er.
Dragan zog die Brauen hoch.
„Sag bloß, du hast es noch nicht mitbekommen?“, sagte er überrascht. Cemal schien wirklich erschöpft zu sein, wenn er noch nichts davon mitbekommen hatte. Fragend sah der Mann ihn an.
„Es ist ein neuer Vertrag zustande gekommen“, erklärte er.
Doch noch bevor er näheres dazu sagen, oder Cemal ihn danach fragen konnte, ging die Tür des Raumes auf. Jael betrat den Raum und das mit einem so nachdenklichen Gesichtsausdruck, dass Dragan blinzelte. Der Ausdruck in ihren Augen war unglaublich verträumt, doch als sie sah, dass Dragan nicht alleine war, setzte sie eine ausdruckslose Maske auf.
„Rufst du schon nach mir, wie nach einem Hündchen?“, fauchte sie Dragan an und verschränkte dann die Arme. Er zog die Brauen hoch, doch Cemal kam ihm mit einer Antwort zuvor.
„Jael Nova?“
Ungläubig starrte der Mann erst die Frau, dann Dragan an.
„Wie zum Teufel ist es dir gelungen, eine Kopfgeldjägerin unter Vertrag zu nehmen?“
Jael fauchte, Dragan sah noch immer verblüfft aus.
„Du kennst sie?“
Der Drache verspürte einen seltsamen Stich in der Brust.
„Sie ist nicht gerade eine Unbekannte. Weibliche Jäger sind eher selten. So gutaussehende fast ausgestorben“, bemerkte er mit einem Seitenblick auf Jael. Diese zog erst einmal perplex die Brauen hoch.
„Wenn das ein Kompliment sein sollte, dann war das kein besonders gutes“, murmelte sie und wandte sich dann an Dragan. „Wie dem auch sei, was ist los? Warum hast du mich herbestellt?“
Ihr kalter Tonfall traf ihn, doch er führte ihn auf Cemals Anwesenheit zurück. Sie hätte sich nach ihrem Kuss niemals so verhalten. Zumindest hoffte er das!
Mit gekrümmtem Finger bedeutete Dragan der Frau näher zu kommen, was sie auch ohne zu zögern tat. Cemal beobachtete irritiert, wie der Mann Jael überraschend sanft den Stoffstreifen überreichte.
Das Aufblitzen welches dabei in seinen goldenen Augen zu erkennen war, verwirrte seinen Freund umso mehr. In der Nähe dieser Frau bewegte er sich gänzlich anders als sonst. Viel geschmeidiger und so als läge er auf der... Lauer. Cemal legte den Kopf schief. Täuschte er sich oder war der Mann fasziniert von der Jägerin? Wenn ja, konnte das nicht gut für Jael ausgehen. Dragans Vergangenheit was Frauen anging war tief verwoben. Und blutig. Vielleicht sollte er sie warnen. Andererseits war sie eine Kopfgeldjägerin. Ein wenig Biss würde sie also haben.
„Was soll ich damit?“, murmelte die Frau nun mit hochgezogenen Brauen. Auf Dragans Lippen zeigte sich der Ansatz eines Lächelns, was Cemal ebenfalls verblüffte. Was den Dieb betraf, war Dragan immer außer sich gewesen. Und nun stand Jael hier und er lächelte fast!
„Was kannst du mir dazu sagen?“, fragte er, fast grausam klingend. Jael kniff die Augen zusammen und betrachtete den Stofffetzen eingehend. Sie ließ ihn zwischen den Fingern durchgleiten und roch daran.
„Das ist Organza, ein Stoff, der gerne für Blusen genutzt wird. Stammt von einer jungen Frau. Es riecht nach einem schweren Parfüm, scheint also eine selbstbewusste Frau zu sein, die viel Wert auf ihr Äußeres legt. Außerdem ist da noch etwas anderes. Alt und metallisch, vermutlich der Geruch von Blut. Gut möglich, dass sie verletzt gewesen ist.“
Mit geweiteten Augen tauschte Cemal einen Blick mit Dragan aus.
„Das ist erstaunlich. So gute Sinne für einen Menschen sind ungewöhnlich“, bemerkte Dragan und erhob sich in einer geschmeidigen Bewegung. Als ob Jael geahnt hätte, was er vorhatte, trat sie rasch einen Schritt zurück.
„Ohne meine Sinne, wäre ich als Jägerin aufgeschmissen“, stellte Jael klar und legte Dragan die Hand auf die Brust. Er wollte an sie herantreten, doch die Frau schob ihn hartnäckig zurück.
„Wohl wahr“, murmelte der Mann und sah dann Cemal an. „Bring sie zum Tatort. Mit ihren Fähigkeiten wird sie vielleicht noch mehr herausfinden“, befahl er.
Vollkommen perplex starrte Cemal Dragan an.
„Sire? Ihr wollt sie wirklich nach Zaafrane einfliegen lassen? Vertraut Ihr dieser Frau?“
Einen langen Augenblick ruhten die Blicke der Männer auf Jael, die die Situation noch immer nicht ganz verstand.
„Nein“, sagte Dragan grinsend. „Aber sie ist perfekt für diesen Job. Und dank des Vertrags, spielt Vertrauen erst mal keine Rolle. Also sorg dafür, dass ihre Sachen sofort ins Anwesen verfrachtet werden und mach dich sofort mit ihr auf den Weg.“
Cemal verneigte sich.
„Wie Ihr wünscht“, erwiderte er und verließ schnellen Schrittes den Raum. Ein wenig überfordert sah Jael Dragan an.
„Du kommst nicht mit?“, fragte sie leise. Sobald die Tür des Raumes ins Schloss gefallen war, spiegelten sich die Gefühle in Jaels Gesicht wider. Wut und Ärger, Neugier und Misstrauen und eine Spur Angst. Dragans Lächeln wurde breiter.
„Willst du etwa, dass ich mitkomme?“, stichelte er.
Jael verzog das Gesicht.
„Nein, aber es ist nachlässig. Was, wenn ich dir schaden will? Ich könnte deinen Bediensteten töten und mir dann dort alles unter den Nagel reißen. Und noch bevor du es merkst, bin ich über alle Berge“, erklärte sie mit dunkler Stimme.
Als Dragan ihr erneut näherkam, hielt Jael ihn nicht davon ab. Sie sah den wilden Ausdruck in seinen Augen und wusste, dass sie ihm unterlegen wäre, ließe sie es darauf ankommen. Ganz dicht vor ihr stehend ergriff er ihr Kinn und legte ihren Kopf in den Nacken.
„Dass du Cemal tötest, traue ich dir zu. Ebenso traue ich dir zu, dass du dir meine Habseligkeiten unter den Nagel reißt. Aber das du schneller als ich bist...“
Leise lachend beugte Dragan sich vor, dabei verharrte er mit seinen Lippen an ihrem Ohr.
„Du kannst so schnell rennen wie du willst, aber ich bin schneller! Und wenn ich dich erst einmal in die Finger kriege, reiße ich dir zur Strafe alle Gliedmaßen aus und lasse dich verblutend mitten in der Wüste liegen. Das dürfte dir dann eine Lehre sein.“
Geheimnisvoll lächelnd und eine Spur provokant blickte Jael ihm in die Augen.
„Keine Sorge, Dragan. Ich habe es nicht nötig, dich zu bestehlen und deine Leute zu töten. Ich kann alles haben, was ich will! Und deine Drohung lässt mich kalt, mein Lieber. Du könntest mir jederzeit das Genick brechen und bräuchtest dazu nicht einmal einen Grund.“
Entschieden trat die Frau einen Schritt zurück, dabei berührten Dragans Finger kurz ihr Schlüsselbein. Erst auf diese Berührung hin erschauerte Jael.
„Schlaues Mädchen“, murmelte Dragan.
Dennoch war er verwirrt. Was meinte sie damit, wenn sie sagte, sie könne alles haben was sie wollte? Bezog sie sich auf ihren Job als Kopfgeldjägerin? Dann wurde er plötzlich ernst und trat wieder hinter seinen Schreibtisch.
„Ich habe hier noch einiges zu erledigen, komme aber in ein paar Tagen nach. Solange wirst du Vorlieb mit Cemal nehmen müssen. Und tu' mir bitte einen Gefallen. Ärgere diesen Mann nicht zu sehr, sonst ist er noch nachtragend und ich darf den Mist dann ausbaden.“
Jael schwieg und dachte in Ruhe über alles nach. Dann fiel ihr Blick wieder auf das Stück Stoff, welches sie noch immer in den Händen hielt.
„Worum genau geht es hier eigentlich?“, wollte sie wissen. Zusehends verfinsterte sich Dragans Gesichtsausdruck.
„Man hat mich bestohlen und bisher gibt es keinen Hinweis auf den Täter. Bis auf dieses Stückchen Stoff. Und da kommst du ins Spiel. Cemal konnte nichts herausfinden, hoffen wir mal, dass du mehr Erfolg hast“, erklärte Dragan.
Jaels Mundwinkel zuckten.
„Verstehe. Und so wie ich das sehe, habe ich in zwei Minuten mehr herausgefunden als ihr in... Wie viele Tage liegt der Diebstahl zurück?“
Dragan verzog das Gesicht.
„Sieben Tage“, murrte er.
Überrascht zog Jael die Brauen hoch.
„Eine Woche? Und du glaubst wirklich, dass ich dann noch etwas herausfinde?“
Sie setzte sich leichtfüßig auf die Kante seines Schreibtisches. Sie war ernsthaft interessiert an diesem „Fall“, deshalb ihre Neugier.
Dragan überraschte ihr Verhalten scheinbar, denn er beobachtete sie aus schmalen Augen heraus.
„Der Stofffetzen ist ebenfalls eine Woche alt und du kannst sogar noch Geruchsspuren daran ausmachen“, erwiderte er streng. Jael senkte den Blick. Auch wieder wahr. Allerdings war dies kein Zufall. Sie hatte sich einem jahrelangen Training unterziehen müssen, um so gut zu werden. Doch darum ging es nun nicht.
„Also meinetwegen. Ich geh dann mal.“
Ohne einen weiteren Blick auf Dragan zu werfen, ging Jael zurück zur Tür.
„Jael“, hielt Dragan sie jedoch noch einmal auf. Sie hielt zwar inne, sah jedoch nicht zurück. „Willst du dich nicht vernünftig von mir verabschieden?“
Herausforderung lag in seiner dunklen Stimme, jedoch auch etwas wie Enttäuschung. Die Frau konnte es sich nicht verkneifen, mit zuckenden Mundwinkeln sah sie über ihre Schulter zurück.
„Wieso sollte ich?“, hauchte sie.
Lächelnd wandte Dragan sich ab.
„Du enttäuschst mich, Kopfgeldjägerin!“
Während des gesamten Fluges über, ließen Cemal und Jael sich gegenseitig nicht aus den Augen.
Seit drei Stunden saßen die beiden bereits im Flieger, doch keiner der beiden schien Langeweile zu empfinden. Nach ein paar weiteren Sekunden des gegenseitigen Musterns und Anstarrens, zuckten Jaels Mundwinkel.
„Ich mag Sie, Cemal. Sie scheinen direkt zu sein“, bemerkte sie. Der Mann wandte den Blick ab, nicht wissend was er denken sollte.
„Nun ja, das kommt ganz auf die Situation an, in der ich mich befinde. Was ist mit Ihnen? Sie scheinen keine Angst zu kennen, wenn Sie ohne darüber nachzudenken, dem Sire so nahekommen.“
Jael blinzelte. Oh Gott, wusste er von dem Kuss? Ruhe bewahren, das konnte nicht sein. Mit hochgezogenen Brauen sah die Frau ihn auch weiterhin an.
„Kennen Sie etwa eine ängstliche Jägerin?“
Streng schüttelte Cemal den Kopf. Natürlich. Angst war eine tödliche Schwäche, die jeder Kopfgeldjäger auslöschen musste.
Zwischen den beiden entstand eine Stille, die Cemal nicht lange aushielt. Sich einen Flieger mit einem Kopfgeldjäger zu teilen war ihm genauso unbehaglich, wie Dragan zu nahe zu kommen.
„Darf ich mir die Frage erlauben, wie es zu Ihrem Vertrag zwischen Ihnen und dem Sire gekommen ist?“, fragte er leise.
Jael schmunzelte. Dieser Mann konnte offenbar auch ein wenig schüchtern sein. Und obwohl es ihr unangenehm war, sah sie Cemal direkt in die Augen.
„Ich lag im Sterben. Und obwohl ich es nicht wollte, hat er mir das Leben gerettet. Nun fordert er die Gegenleistung dafür ein.“
Überrascht von der Wahrheit, zog der Mann die Augenbrauen hoch.
„Sie wären lieber gestorben, anstatt seine Hilfe anzunehmen?“
Jael zog eine einzelne Braue hoch. Warum überraschte ihn das so?
„Natürlich. Jeder Mensch kennt die Legenden über Drachen, es stand also völlig außer Frage, dass Dragan mir meinetwillen das Leben gerettet hat. Er hat es für sich selbst getan. Und nur, weil er so gierig ist, sitze ich jetzt hier.“
Cemal schluckte. Er war sich ziemlich sicher, dass sein Sire das Gespräch neugierig verfolgte. Sämtliche Flieger von Dragan, die er selbst nicht einmal nutzte, waren verwanzt. Aus gutem Grund, wie auch Cemal fand. Jael schien dies aber nicht zu ahnen, ansonsten hätte sie diese Gedanken mit Sicherheit nicht laut ausgesprochen.
„Sie scheinen sehr stur zu sein“, bemerkte er. Jaels Mundwinkel zuckten erneut.
„Ziemlich. Hat mir dieses Mal allerdings nicht geholfen. Und nun genug von mir. Was ist mit Ihnen? Warum stehen Sie unter Vertrag?“
Neugierig beobachtete die Frau, wie Cemal nachdenklich aus dem Fenster sah, hinaus auf die Landschaft, die unter ihnen vorbeizog.
„Genau genommen, ist der Vertrag schon vor mehreren Jahren ausgelaufen“, sagte er leise. Schon wieder musste Jael die Brauen hochziehen.
„Und Sie sind dennoch geblieben? Sind Sie Freunde?“
Cemal zuckte mit den Schultern.
„Irgendwie schon. Irgendwie aber auch nicht. Wissen Sie, ich habe so viele Jahre bei ihm gelebt und für ihn gearbeitet und immer ging es mir gut dabei. Also warum sollte ich etwas daran ändern wollen?“
„Ich verstehe“, murmelte Jael und schwieg von nun an. Sie hatte nicht den Eindruck gehabt, als seien die beiden Männer Freunde, doch vielleicht täuschte dies. Die Freundschaft zwischen den vier Männern in Seattle und ihr war ebenfalls alles andere als gewöhnlich.
Genau genommen konnte sie noch immer nicht glauben, dass die Männer sie damals nicht in Ruhe
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Tag der Veröffentlichung: 02.01.2016
ISBN: 978-3-7396-3008-3
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