Prolog
Nachdenklich starrte sie das Buch an. Sie hätte die Zeilen die dort standen eigentlich lesen und lernen müssen, doch sie konnte sich einfach nicht konzentrieren. Immer wieder berührten ihre Finger ihre Lippen. Sie hatte Kieran, seitdem sie wieder in Pragaras war, nicht mehr gesehen. Doch obwohl er nicht da war, hatte sie das Gefühl das er immer bei ihr war. Sie mochte ihn. Sehr!
Doch das er sie geküsst hatte war dennoch ein Schock gewesen. Am Anfang gingen sie sich ziemlich auf die Nerven, doch ständig kamen sie sich nahe. Das Mädchen seufzte.
„Er wird schon auftauchen.“
Nyima´s Stimme riss sie aus den Gedanken. Sie sah auf und blickte in ihre trüben aber dennoch weisen Augen.
„Das ist es nicht.“, sagte sie und schloss die Augen. „Ich hab noch immer nicht so ganz begriffen was passiert ist.“
Nun seufzte auch ihre Meisterin.
„Du solltest aufhören dir darüber Gedanken zu machen und stattdessen lieber lernen.“
Sie sah wieder ins Buch, doch lesen tat sie es trotzdem nicht.
„Wie geht es Faith?“, erkundigte sie sich nebenbei.
Seit ihrer Rückkehr hatte sie auch den Teufel nicht mehr gesehen. Ariel ließ sie nicht aus den Augen.
„Es gibt nichts Neues vom Erzengel, also geht es ihr wohl unverändert.“
Sie schwieg. Obwohl sie diejenige war die gegen Gabriel gekämpft hatte, war Faith diejenige die alles einstecken musste. Sie war ihr dankbar, dafür das sie sie ihn alleine töten ließ. Nie hätte sie gedacht, dass sie es alleine schaffen würde. Müde erhob sie sich.
„Ich hau mich aufs Ohr.“, murmelte sie und ließ Nyima stehen.
Füße, die über die saftige, grüne Wiese hüpften.
Lange schwarze Haare, mit denen der Wind spielte.
Kleine Hände, die Blumen pflückten.
Eine Stimme, die Lieder sang.
Sie war auf dem Weg nach Hause. Mit Blumen in der Hand, als Geschenk, für ihre Eltern.
Sie lachte. Sie liebte das Leben. Und sie liebte ihre Eltern. Mehr als alles andere. Sie lief in den Wald hinein, auf dem Weg zum Haus ihrer Eltern.
Sie kam an den Fluss, an dem sie immer mit ihrer Mutter spielte. Und blieb stehen.
Ein Schrei.
Blumen die in tiefrotes Wasser fielen.
Drei Augenpaare die sich auf sie richteten.
Ein braunes, ein blaues und ein graues.
Was hatte der Mann mit den Flügeln hier zu suchen?
„Mama! Papa!“, schrie sie.
Sie rannte los. Stolperte. Und ging zu Boden.
Sofort rappelte sie sich wieder auf.
Sie blickte ins Gesicht ihrer Mutter, die blutüberströmt auf dem Boden lag.
Ihre Lippen verformten sich zu einem „Lauf!“
Sie schüttelte den Kopf. Sie konnte doch ihre Eltern nicht im Stich lassen!
„Wieso tust du das?“, flüsterte sie und sah mit großen Augen zu dem Engel auf.
Er grinste. Die blauen Flammen in seiner Hand gingen in die Höhe.
„Nein!“, schrie sie.
Doch es war zu spät.
Mit einem furchterregenden Schrei und einem Knirschen enthauptete er die Frau mit den blauen Augen. Sie weinte. Und rannte los. Sie wusste nicht ob er ihr folgte. Sie rannte einfach weiter, ohne auch nur einmal zurückzublicken. Sie hatte Angst! Immer wieder stolperte sie, doch jedes Mal stand sie wieder auf und rannte weiter...
Schreiend wachte sie auf. Sie berührte ihre Wangen. Sie waren feucht. Schweißgebadet setzte sie sich auf. Seit sie wieder hier war ging das schon so. Wann hörte das bloß auf? Sie schlang die Arme um ihren Oberkörper, als plötzlich die Tür aufging.
„Amaya?“
„Faith!“, stieß sie überrascht aus und sprang aus dem Bett. „Seit wann bist du...“
„Seit einigen Stunden.“, antwortete sie noch bevor das Mädchen ihre Frage zu Ende gestellt hatte.
„Was ist los?“, wollte sie nun wissen und kam zu ihr.
„Nur ein Traum...“, antwortete sie leise und wandte sich ab.
„Was war es für ein Traum?“
„Eine Erinnerung.“
Eine Hand legte sich auf ihre Schulter. Sie sagte nichts. Vielleicht, weil sie nicht wusste was sie sagen sollte, vielleicht, weil sie nichts sagen wollte.
„Ich nehme an du weißt nicht wo Kieran ist, oder?“, fragte das Mädchen leise und sah zur Herrscherin auf. Dessen grauen Augen trübten sich und ihr wurde klar, dass auch sie keine Antwort darauf hatte. Sie schüttelte den Kopf.
„Keiner hat etwas von ihm gehört. Auch Ariel nicht.“
Sie hatte keine Ahnung wie sie in diesem Moment ausgesehen hat, denn Faith lächelte schwach und legte ihr die Hand auf den Kopf.
„Ich bin mir sicher es geht ihm gut. Und nun ruhe dich aus, du siehst müde aus.“
Sie schüttelte den Kopf.
„Wie fühlst du dich? Und was machen deine Verletzungen?“
„Ein bisschen schwach. Es wird dauern bis die Verletzungen vollständig verheilt sind, aber die Wunden, die nicht durch Engelsfeuer verursacht wurden sind schon verheilt.“
Erleichtert stieß sie die Luft aus.
„Die einzige Wunde die mir jetzt noch zu schaffen macht ist die, an meinem Schlüsselbein.“, sagte die rothaarige nun und wandte sich ab.
„Wenn du mich suchst, ich bin bei Nyima.“
Dann hatte sie ihr Zimmer auch schon verlassen. Sie hatte sich mehr von diesem Gespräch erhofft.
Kieran...
, dachte sie verzweifelt und hoffte auf eine Antwort.
Vergeblich.
_____1_____
Mehrere Monate, menschlicher Zeit, waren vergangen. Ich hatte nichts mehr von Kieran gehört und allmählich glaubte ich, dass ich ihn nie wieder zu Gesicht bekommen würde. Seit ich wieder hier in Pragaras war hatte ich Albträume gehabt, doch inzwischen hatte es aufgehört. Auch dachte ich kaum noch an den Hundedämon. Ab und zu kamen die Erinnerungen an damals wieder hoch, doch ich schaffte es sie zu verdrängen. Ich hatte mit meiner Vergangenheit abgeschlossen. Und ich hatte gelernt mit dem Tod meiner Eltern klarzukommen.
Ich war gerade dabei einige Taktiken zu verbessern, als ein Schreien und ein Rumpeln mich erstarren ließen. Mir schwante Böses. Ich rannte aus der Halle, der Flur entlang, bis zu Faith´s Zimmer, aus dem das Schreien kam. Die Tür stand offen. Ich erblickte Ariel und Faith, die mit verzweifeltem Gesichtsausdruck auf dem Boden saß. Ariel starrte sie perplex an.
„Was ist passiert?“, fragte ich panisch.
Ariel´s Augen weiteten sich. Das Faith schwieg ließ mich ahnen, dass sie per Gedanken mit ihm sprach.
„Raus!“, hauchte Ariel.
Das Gefühl Ärger zu bekommen, falls ich nicht das tat was er sagte, ließ mich rückwärts wieder rausgehen. Ich zog die Tür zu. Nachdenklich lauschte ich.
„Bist du sicher?“, hörte ich Ariel sagen.
„Ja. Kein Zweifel.“, kam es von Faith zurück.
Sie klang genauso verzweifelt wie sie aussah. Für eine Weile herrschte Ruhe, bis wieder Faith´s Stimme ertönte.
„Verdammt, was soll ich denn jetzt machen? Ich bin nicht in der Lage...“
Ihre Stimme brach weg. Ich atmete tief durch und trat einige Schritte von der Tür zurück. So neugierig ich auch war, das ging mich nichts an. Alles, was zwischen den beiden passierte war für mich und alle anderen ein Tabuthema. Sie hassten es, wenn sich jemand in ihre Angelegenheiten einmischte. Selbst untereinander hatten sie noch Geheimnisse...
Wieder vergingen Monate. Acht, um genau zu sein. Für uns alle war es nur ein Wimpernschlag, doch unser Aller Gefühl ließ und nichts gutes erahnen. Faith ließ sich nicht blicken. Genauso wenig wie Kieran. Was war vor acht Monaten bloß geschehen das Faith dazu veranlasste sich so sehr zurückzuziehen, dass nur Ariel sie sehen durfte? Ich machte mir Sorgen, doch Ariel beteuerte immer wieder, dass alles in Ordnung sei.
„Wenn alles in Ordnung ist, warum lässt du uns dann nicht zu ihr!“, hatte ich ihm irgendwann hinterher geschrien, worauf wir begannen miteinander zu streiten. Ich hatte den Streit verloren...
„Erst Kieran, jetzt Faith. Deine Gefühle werden dir irgendwann noch einmal zum Verhängnis, Kleine.“, sagte Nyima und ließ sich gegenüber von mir nieder.
Ich stieß ein Knurren aus.
„Es gibt Leute die mir etwas bedeuten. Und Leute denen ich etwas bedeute. Ist das so schwer zu verstehen?“
„Du bedeutest mir auch etwas.“, erwiderte die Magierin, womit sie mich völlig aus der Bahn warf. Ich wollte etwas erwidern, doch ein roter Haarschopf betrat den Raum.
„Faith!“, stieß ich perplex aus und sprang auf.
Sie kam in unsere Richtung und ließ sich ebenfalls auf dem Sofa nieder. Dunkle Schatten waren unter ihren Augen zu erkennen. Überhaupt sah sie schlecht aus. Ihre Haare hatte sie zu einem Knoten im Nacken zusammengebunden und statt üblichem engen Top und Röhrenjeans, trug sie nun ein einfaches Top und eine Jogginghose. Sie war barfuß.
„Verdammt, was ist denn los?“, fragte ich, irgendwie nervös. Auch Nyima´s Blick verriet, wie angespannt und nervös sie war.
„Ich bin müde, dass ist alles.“, sagte sie leise und rieb sich die Augen.
„Wir haben dich neun Monate lang nicht zu Gesicht bekommen, du kannst unmöglich nur müde sein!“, fauchte ich.
Ich war wütend, wusste aber nicht so recht warum. Ich bemerkte, dass sich Nyima´s Blick veränderte. Ihre Augen verengten sich.
„Was hast du die ganze Zeit über gemacht?“, wollte sie wissen. Ihre Stimme verriet nichts. Faith´s Stimme ebenfalls nichts.
„Ich musste mich um einiges kümmern. Ich hatte viel zu tun.“
Dann verzogen sich ihre Lippen zu einem Lächeln.
„Macht euch keine Sorgen, es geht mir gut!“, versicherte sie uns und erhob sich.
„Entschuldigt mich aber ich muss noch etwas erledigen.“, sagte sie nun und verschwand.
„Das glaube ich jetzt nicht!“, keifte ich und sprang auf.
„Bleib hier!“, reif Nyima mir hinterher, doch ich hörte natürlich nicht.
„Vergiss es! Ich will endlich wissen was Sache ist!“, rief ich noch, ehe ich in den Flur einbog. Ich vermutete das sie sich wieder in ihr Zimmer begeben hatte, weshalb ich dort gleich als erstes hinging. Wütend stieß ich die Tür zu ihrem Zimmer auf und was ich sah, ließ mich angewurzelt stehen bleiben. Ich blinzelte perplex als ich das Kind in Faith´s Armen sah.
„Das glaube ich jetzt nicht.“, hauchte ich.
Der Teufel seufzte.
„Komm rein und mach die Tür zu.“, sagte sie leise.
Ich tat wie mir geheißen und schloss die Tür hinter mir. Ich ließ den Blick kurz schweifen und entdeckte Ariel, der mit geschlossenen Augen in einem Sessel saß. Er schlief. Dann richtete sich mein Blick wieder auf Faith.
„Wie heißt es?“, fragte ich leise und trat näher an die beiden heran.
Mit gemischten Gefühlen sah ich das Baby an.
„Ihr Name ist Milana.“, antwortete Faith.
„Sie sieht aus wie du.“, sagte ich nun.
„Bis auf die Haare.“, kam es von Faith zurück.
Sie hatte Recht. Die Augen waren genauso grau wie die von Faith und auch ihre Gesichtszüge waren gleich, bloß die pechschwarzen Haare deuteten auf den Vater hin.
„Warum hast du uns nichts gesagt?“, fragte ich und setzte mich neben sie.
Sie zuckte mit den Schultern.
„Ich weiß nicht.“, murmelte sie. „Ich hatte Angst.“
Sie schwieg einen Augenblick, dann schüttelte sie schwach den Kopf.
„Ich habe keine Ahnung wie ich hier ein Kind großziehen soll.“
Traurig sah ich die beiden an. Ich konnte ihre Sorge verstehen. Aber...wusste sie das uns noch einiges bevorstand? Ich war mir ziemlich sicher, dass Ariel es ihr verschwiegen hatte. Noch waren die anderen Erzengel nicht in der Lage zu handeln, doch waren ihre Verletzungen erst einmal alle verheilt, würden sie wieder hier auftauchen. Raphael hatte noch einiges mit Ariel zu klären und ich wäre auch in Gefahr. Schließlich war ich diejenige die Gabriel getötet hatte. Ariel´s Brüder würden mich auf keinen Fall laufen lassen.
„Ich weiß nicht was ich mit Milana machen soll, wenn wieder Gefahr droht!“, sagte Faith nun.
„Du und Ariel werdet das schon schaffen, da bin ich sicher.“, sagte ich und stieß sie dabei leicht an. Mein Blick fiel wieder auf das Mädchen in ihren Arm.
„Du stimmst mir doch zu, oder?“, sagte ich und nahm ihre winzige Hand, worauf sie anfing zu glucksen.
„Sie werden auch hinter ihr her sein.“, sagte sie plötzlich.
Ich starrte Faith an.
„Wir werden alle dafür sorgen, dass ihr nichts geschieht!“, sagte ich streng. Dann schluckte ich.
„Hast du...am Anfang nicht über Abtreibung nachgedacht?“
Sie zögerte mit der Antwort.
„Doch.“, gab sie leise zu. „Aber er war dagegen.“
Unsere Blicke richteten sich auf Ariel.
„Er war zwar geschockt aber...hat sich dennoch gefreut.“, murmelte sie. Wieder herrschte Schweigen, bis Faith leise seufzte. Ihr Blick galt der Kleinen.
„Ich hatte nie eine richtige Mutter...“, murmelte sie.
„Und deswegen wirst du eine perfekte sein.“
Wir sahen auf. Ariel stand vor Faith, nahm ihre Hand und zog sie auf die Beine. Ich musterte den Erzengel. Er hatte sich verändert. Aus einem kalten, arroganten und unberechenbaren Mann war ein liebevoller und fürsorglicher...Vater geworden. Allein sein Blick verriet, wie sehr er den Teufel liebte. Er zog sie in seine Arme, sein Blick streifte das kleine Mädchen, seine Hand berührte ihre Wange.
„Hör auf dir Gedanken zu machen. Du solltest die Dinge einfach so nehmen wie sie kommen!“, sagte er leise. Milana griff nach seinem Finger. Faith´s Blick veränderte sich. Ein kühler Hauch schien durch das Zimmer zu wehen.
„Auch wenn ich sie nicht wollte liebe ich sie dennoch! Ich kann sie nicht einfach so der Gefahr aussetzen!“, sagte sie mit kalter Stimme, die die Sorge jedoch nicht verbergen konnte. Ariel atmete tief durch.
„Niemand außer uns weiß von Milana. Erst Recht nicht meine Brüder! Und solange wir aufpassen werden sie es auch nie herausfinden!“, erwiderte er. Mit einem mal sah die Herrscherin der Unterwelt schlecht gelaunt hast.
„Sollte ich gehen?“, murmelte ich und wies auf die Tür.
„Du wirst niemandem etwas sagen, klar?“, hauchte Faith, ohne mich anzusehen.
„War klar das du das sagst.“, murmelte ich nun und sah das Kind ihren Armen an.
„Kleiner Tipp von mir: Der Kleinen zu Liebe solltet ihr euch nicht mehr so oft streiten.“, meinte ich.
„Raus.“, sagten beide laut und zugleich.
„Jaja.“, nuschelte ich und verließ das Zimmer.
„Sie hat Recht.“, hörte ich Faith noch sagen.
Ich grinste leicht und schlenderte durch den Flur. Zugegeben die Kleine war wirklich unglaublich süß. Und die Ähnlichkeit zwischen ihr und ihrer Mutter war ebenfalls verblüffend.
Während ich weiter darüber nachdachte und einige Schritte ging, lief ich plötzlich in jemanden hinein. Ich verlor das Gleichgewicht und fiel auf meinen Hintern.
„Verdammt noch mal, pass doch . . .“
Als ich aufsah blieben mir die Worte im Hals stecken.
„K-Kieran!“, stieß ich stotternd aus. Sofort war ich wieder auf den Beinen.
„Kieran, wo warst du?“
Ich war lauter geworden weshalb ich befürchtete, jemand würde auftauchen und fragen was hier los sei, doch so war es nicht.
„Das spielt keine Rolle. Und nun geh zur Seite.“
Die Kälte in seiner Stimme traf mich wie ein Schlag. Da ich regungslos auf der Stelle verharrte, wollte er mich zur Seite schieben.
„Ich muss zu Faith.“
Erneut traf mich ein Schlag. So schnell ich konnte hatte ich mich vor der Zimmertür des Teufels positioniert.
„Du kannst da nicht rein!“, hauchte ich leise.
„Und warum?“, knurrte er und zog eine Braue hoch.
„Weil sie nicht gestört werden will.“, erwiderte ich.
Mit einem Mal sah er wütend aus.
„Geh aus dem Weg, verdammt.“, grollte er.
Noch bevor ich protestieren konnte ging die Tür hinter mir auf. Wieder geriet ich ins Taumeln.
„Darf ich fragen was hier los ist?“
Im Gegensatz zu mir blieb Ariel gelassen als er Kieran erblickte.
„Ich muss mit Faith sprechen.“, sagte Kieran monoton, wobei sein Blick sich kurz auf mich richtete.
„Kommt nicht in Frage.“, knurrte Ariel, schob mich ein Stück vor und zog die Tür hinter sich zu. Die Augen des Hundedämons verengten sich, doch er schwieg.
„Erkläre mir erst einmal wo du die ganze Zeit über warst.“, verlangte der, noch, Erzengel.
„Du bist nicht mein Vater.“, knurrte Kieran und wollte sich bereits wieder abwenden, doch wieder stelle ich mich ihm in den Weg.
„Was soll dieser Mist?“, hauchte ich und legte ihm die Hände auf die Brust. Mit einem weiteren Knurren stieß er mich zurück und ging einfach an mir vorbei. Sprachlos sah ich ihm nach.
„Alles in Ordnung?“
Verwirrt richtete sich mein Blick auf den Teufel neben mir.
„Faith...“, murmelte ich.
„Komm.“, knurrte sie, packte meine Hand und zog mich mit.
_____2_____
Kieran war schon dabei das Anwesen zu verlassen, doch Faith bekam ihn noch am Arm zu packen.
„Kieran!“, fauchte sie und drehte ihn mit einem kraftvollen Griff um. Ehe er hätte reagieren können hatte sie ausgeholt und ihm eine verpasst. Ich staunte nicht schlecht als ich sah wie schnell sich seine Wange rot färbte. Erst färbten sich seine Augen rot, dann stieß er sie zurück und wirbelte herum. Er rannte fast schon aus dem Anwesen. Faith zog die Brauen hoch.
„Hat er das gerade wirklich getan?“, fragte sie mit einer Stimme die mich ahnen ließ, dass sie sofort zur Sache kommen würde. Ich blinzelte perplex als sie ein Messer in ihre Hand gleiten ließ und dem Dämon hinterher rannte.
„Ist das nicht etwas übertrieben?“, murmelte ich und lief hinterher.
Sie warf das Messer mit solcher Präzision und Zielsicherheit, dass mir klar wurde das ich nie so gut sein würde. Sie traf ihn ins Bein. Ich seufzte. Leise knurrend ging die Herrscherin zu ihm, packte ihn am Kragen und zog ihn auf die Beine.
„Du bist sowohl Amaya als auch mir eine Erklärung schuldig, also mach, dass du rein kommst!“, hörte ich sie sagen. Einige Meter Abseits von ihnen verschränkte ich die Arme. Irgendwann war es mir egal geworden, dass Kieran scheinbar nichts mehr mit mir zutun haben wollte, doch jetzt, wo er wieder da war fiel es mir schwer nicht in Tränen auszubrechen und auf ihn loszugehen.
Ein Grollen war zu hören als er an mir vorbei humpelte. Faith tauchte neben mir auf.
„Was ist bloß in ihn gefahren?“, fragte sie leise.
„Wenn ich das nur wüsste.“, erwiderte ich.
Im Schneidersitz saß ich auf dem Sofa. Ich hatte die Arme verschränkt und starrte unentwegt auf den Boden. Mir gegenüber saß Kieran, Faith stand neben ihm und verpasste ihm einen Schlag am Hinterkopf.
„Na los, raus mit der Sprache.“, keifte sie.
„Ich hab bloß schlecht Laune, verdammt.“, knurrte er und drehte den Kopf zur Seite.
Vorsichtig, aber nicht zu offensichtlich, hob ich den Blick um ihn mustern zu können.
Breitbeinig saß er da, hatte ebenfalls die Arme verschränkt. Ich glaubte ihm nicht, Faith ebenfalls nicht. Sie machte einen Schritt und beugte sich zu ihm hinunter, bis ihr Gesicht nur noch wenige Zentimeter von seinem entfernt war. Da Kieran auch Faith mal geliebt hatte befürchtete ich, er könnte dem Drang sie zu küssen nicht widerstehen, doch ich wusste das mir mein Verstand jegliche Art von Streichen spielte. Es würde nie passieren. Hoffte ich zumindest. Unbewusst stieß ich ein leises Fauchen aus. Faith warf mir einen Blick zu. Ihr Blick veränderte sich, dann wich sie von Kieran zurück.
„Du darfst dir aussuchen wem du zuerst eine Erklärung lieferst.“, sagte sie nun.
„Ich war die meiste Zeit mit Tristan unterwegs.“, murmelte Kieran und schloss die Augen.
Faith schwieg, ich entspannte mich ein wenig.
„Und ich musste nachdenken.“, sagte er dann.
„Warum wolltest du mich sprechen?“, erkundigte sich Faith, nun nicht mehr ganz so wütend. Nun veränderte sich der Ausdruck in Kieran´s Augen. Er wurde ernster.
„Raphael lässt sich öfters in der Menschenwelt blicken.“, sagte er leise, worauf sich die Augen des Teufels weiteten.
„Wie bitte?“, hauchte sie. Kieran antwortete nicht, weshalb Faith anfing zu knurren.
„Wieso bist du damit nicht schon viel eher zu mir gekommen?“
„Weil ich kein Bock auf Stress hatte!“, brüllte Kieran und sprang auf. „Und das habe ich auch jetzt nicht!“, fügte er hinzu.
Er wollte einen Schritt machen, doch Faith packte ihn an der Kehle und drückte zu. Mein Körper zitterte und ich hatte mich in das Polster des Sofas gedrückt. Am liebsten hätte ich ihn verteidigt...
„Was ist los mit dir?“, murmelte Faith und sah den Dämon forschend an. Es war, als suche sie nach einer Antwort. Als er wieder nicht antwortete verdunkelten sich des Teufels graue Augen.
„Es reicht schon, dass du dich monatelang nicht blicken lassen hast! Deine Frechheit und Respektlosigkeit lasse ich mir nicht bieten! Entweder du legst dir einen anderen Ton zu oder ich schmeiße dich `raus!“, brüllte sie und stieß ihn so kraftvoll zurück, dass er zu Boden ging. Ich sprang auf. Zögerlich kniete ich mich neben Kieran, der Faith fassungslos anstarrte.
„Mach keine Dummheiten, hörst du?“, flüsterte ich und legte ihm meine Hand an den Arm.
„Was soll das heißen du willst mich rausschmeißen?“, fauchte er.
Betrübt sah ich zwischen den beiden hin und her. Er wusste sehr wohl was das bedeutete...
Wäre der Teufel nicht mehr dazu bereit einen Dämon unter seine Fittiche zu nehmen, weil er etwas angestellt hatte oder sonstiges, konnte sie ihn verbannen. Engel die verbannt wurden fanden sich entweder in der Welt der Menschen oder hier in Pragaras wieder. Dämonen die verbannt wurden kamen an einen Ort, der so grausam war, dass man es nicht mal mehr beschreiben konnte. Die Unterwelt war schon ein schlimmer Ort, erst Recht wenn sie durch Faith regiert wurde, doch die Hölle der Unterwelt lag Jenseits unserer Vorstellung. Es gab das Fegefeuer tatsächlich! Es trug den lateinischen Namen Purgatorium...
Schon viele Dämonen waren dort gelandet, doch kaum einer von ihnen hatte es überlebt.
Die Augen des ehemaligen Engels verengten sich.
„Du hast dich verändert, Faith.“, murmelte er und erhob sich. Der Teufel schwieg.
„Du würdest mir nie mit dem Purgatorium drohen!“, fügte er hinzu.
„Das habe ich aber gerade getan.“, erwiderte Faith und verschränkte die Arme. Meine Hand löste sich von Kieran´s Arm. Plötzlich ging er einen Schritt auf sie zu.
„Außerdem riechst du anders.“, stellte er fest.
Faith zog die Brauen hoch und trat einen Schritt zurück. Ich starrte Kieran verblüfft an. Er schien meinen Blick zu spüren.
„Ich bin ein Hundedämon. So etwas fällt mir sofort auf.“
Er blinzelte.
„Eine chemische Veränderung.“, murmelte er dann. Schlagartig verengten sich seine Augen zu Schlitzen.
„Du bist doch nicht etwa schwanger?“, platzte es aus ihm heraus. Faith und ich wechselten einen Blick miteinander. Dann schlossen sich die Augen der Herrscherin.
„Ich bin bereits Mutter.“, sagte sie so leise, dass sowohl Kieran als auch ich fast nichts hörten.
„Wie bitte?“, stieß der Mann neben mir knurrend aus.
„Du hast mich schon verstanden.“, erwiderte sie nun lauter.
„Das kann nicht dein Ernst sein.“, fauchte Kieran.
Warum regte ihn das so auf? Ich wusste nicht wie ich in diesem Moment aussah, denn Faith sah mich mitleidsvoll an.
„Müsstest du dann nicht...verändert aussehen?“, sagte Kieran vorsichtig. Faith´s linker Mundwinkel ging in die Höhe.
„Erstaunlicherweise hat sich nichts an mir getan. Bis auf, dass mein Arsch und meine Brüste größer geworden sind aber das stört weder Ariel noch mich.“
„Ich nehme an, alle außer mir wissen es?“, sagte Kieran leise und ging somit nicht auf ihre Antwort ein.
„Nur Amaya und du. Und das bleibt auch so, hast du verstanden?“, knurrte der Teufel unheilvoll.
Überrascht zog der Dämon die Stirn kraus. Inzwischen genervt von diesem endlosen Hinauszögern des Hundes, ließ ich mich seufzend wieder ins Sofa fallen.
„Im Ernst? Keiner außer uns weiß es?“
Faith schwieg. Doch ihre Augen verrieten mehr als Worte. Kieran sah sich kurz um. Wieder schlug er einen anderen Ton an.
„Ich nehme an, es ist bei dem Erzengel?“
Meine Augen verengten sich. Es juckte mir in den Fingern.
„Dieses 'Es' ist ein Mädchen und trägt den Namen Milana.“, fauchte ich.
Mir klappte die Kinnlade herunter als ich sah, dass er lediglich meine Worte aufschnappte, mich jedoch ignorierte.
„Milana? Komischer Name.“, murmelte er.
„Du meinst, so komisch wie deiner?“, knurrte ich und erhob mich. Wütend ging ich davon.
„Amaya!“, rief Faith.
Er hat mir deutlich signalisiert, dass er nichts mehr mit mir zutun haben will.
, dachte ich. Ich überlegte, ob ich die Worte laut aussprechen sollte, tat es dann aber doch nicht. Ich ging auf mein Zimmer.
Ich lag in meinem Bett, weinte, als plötzlich die Tür aufgerissen wurde und ein lautes, wütendes „Lass mich gefälligst los!“ ertönte. Ich erstarrte als ich feststellte, dass diese Worte von Kieran kamen. Dann fiel die Tür mit einem lauten Knall ins Schloss. Ein Klicken ertönte und ich begriff, dass es das Schloss war.
Na super...
, dachte ich. Vielen Dank!
, dachte ich sarkastisch an Faith gewandt.
Gern geschehen!
, kam es lachend zurück. Kieran versuchte verzweifelt das Schloss zu knacken. Er fluchte leise.
„Sieh zu das du eine Möglichkeit findest hier heraus zu kommen!“, fauchte ich leise. Ich machte mir erst gar nicht die Mühe die Tränen wegzuwischen und meine zittrige Stimme zu verbergen.
„Weinst du?“, fragte Kieran plötzlich leise.
„Nein.“, fauchte ich. „Das sind Freudentränen!“
Ich schniefte leise.
„Idiot.“, fügte ich leise hinzu. Ich spürte wie die Matratze nachgab. Er hatte sich aufs Bett gesetzt. Seine Hand legte sich auf meine Schulter und glitt langsam höher. Sofort drehte ich mich auf die andere Seite. Mit roher Gewalt stieß ich ihn aus dem Bett.
„Hör auf mich so zu quälen!“, schrie ich. Tränen rannen ungehindert über meine Wange.
Alles in Ordnung bei euch?
, ertönte Ariel´s Stimme in meinem Kopf. Ich war verwirrt.
Faith stillt die Kleine, deswegen erkundige ich mich nach euch.
, ertönte seine Stimmer erneut.
J-Ja. Sag ihr...es läuft ganz gut.
, dachte ich schnell und bemühte mich, Kieran weiterhin wütend anzustarren.
Klar.
, schnaubten des Erzengels Gedanken in sarkastischem Tonfall. Überraschenderweise herrschte dann Funkstille. Kieran starrte mich an. Ich konnte den Ausdruck in seinen Augen nicht deuten. Gänsehaut überzog meine Arme.
„Ich habe dir weh getan...“, hauchte er plötzlich und richtete sich langsam auf.
„Wie schnell du doch bist.“, murmelte ich. Ich glaubte er hatte diese Worte nicht gehört, doch er verzog das Gesicht, was mich schließlich vom Gegenteil überzeugte. Vorsichtig und mit der Angst mit weh tun zu können, wischte er die Tränen auf meinen Wangen weg.
„Es tut mir leid!“, flüsterte er und beugte sich zu mir hinunter. Doch bevor er mir zu nahe kommen konnte schob ich ihn weg.
„Liefere mir erst eine Erklärung, ehe du mir unaufgefordert nahe kommst!“, sagte ich leise. Er lehnte sich zurück.
„Ich musste nachdenken.“, begann er.
„Ich weiß. Das hast du vorhin auch schon gesagt.“, sagte ich grimmig, bevor er fortfahren konnte.
„Ich habe geglaubt, ich hätte einen Fehler gemacht.“, hauchte er. Wie vom Blitz getroffen starrte ich ihn an.
„Wie bitte?“
Die zwei Worte kamen so leise aus meinem Mund das ich glaubte, ich habe sie gar nicht ausgesprochen.
„Ich bin ein Mann, Amaya.“, setzte er fort. „Und wir sind uns nie im klaren über unsere Gefühle.“
„Willst du mich verarschen?“, brüllte ich drauf los.
Ich bemerkte, dass einige Charakterzüge von Faith auf mich abfärbten...Er schwieg. Wieder schubste ich ihn.
„Wenn du nicht weißt was du willst, küss mich nicht und wecke damit falsche Hoffnungen in mir!“, schrie ich.
Ein Seufzen in meinem Kopf ließ mich knurren. Genau wie vor zehn Monaten verkrallte er sich in meinen Haaren und bog meinen Kopf nach hinten. Wieder beugte er sich vor. Ich holte aus.
„Nein!“, brüllte ich. „Denk nach bevor du handelst.“, fügte ich leise hinzu und schob ihn zurück.
Faith.
, dachte ich schnell.
Hm?
Mach die Tür auf oder es fließt Blut!
Das Schloss klickte. Sofort zeigte ich auf die Tür.
„Raus!“, knurrte ich.
Hast du die ganze Zeit über da gestanden?
, dachte ich.
Nein.
, kam es zurück. Erst seitdem du angefangen hast zu schreien. Schick Kieran in mein Zimmer. Ariel will ihn sprechen.
„Faith verlangt nach dir.“, murmelte ich in Kieran´s Richtung. „Komm wieder wenn du eine vernünftige Antwort auf meine Frage hast.“, fügte ich etwas lauter hinzu.
„Was für eine Frage?“, grollte der Dämon.
„Warum tust du das?“, hauchte ich. Dann fiel die Tür ins Schloss.
„Ich frage mich wie stark du einmal sein wirst...“
Graue Augen funkelten mich an. Faith hatte mir Milana in die Hand gedrückt, damit sie sich zusammen mit Ariel um Kieran kümmern konnte. Sie wollte nicht das der Hundedämon die Kleine zu Gesicht bekam. Verständlich wenn man bedachte, wie Kieran im Moment drauf war...
Meine Finger berührten die winzige Hand des Mädchens.
„Hoffentlich wirst du ein fröhliches und aufgewecktes Mädchen...“, sprach ich ihr zu. „Noch jemanden wie Faith oder Ariel können wir nicht gebrauchen...“
Sie gluckste. Das tat sie ziemlich oft. Vielleicht war es ein Lachen?
„Wir sind übrigens so etwas wie Geschwister!“, redete ich fröhlich und nachdenklich zugleich weiter.
„Amaya.“
Ich erstarrte. Und blinzelte perplex. Wo zum Teufel kam das her? Hatte ich mir das eingebildet?
„Amaya.“
Als mir klar wurde das sich Milana´s Lippen bewegt hatten begriff ich, dass ich es mir nicht eingebildet hatte.
„Das glaube ich jetzt nicht!“, hauchte ich. Ich stand kurz davor in Ohnmacht zu fallen. Ich starrte die Kleine an.
„Du kannst unmöglich meinen Namen gesagt haben.“, sagte ich leise. Die Worte verließen meinen Mund wie von selbst. Mein Verstand sträubte sich dagegen das zu glauben.
„Amaya?“
Mein Kopf fuhr hoch. Die Stimme kam von draußen. Klang nach Aiden. Er betrat mein Zimmer nur, wenn ich es erlaubte, weshalb ich schwieg. Panisch sah ich wieder Milana an. War das wirklich möglich?
Faith?
, dachte ich.
Ungünstiger Zeitpunkt, Süße.
, kam es zurück.
Tut mir leid aber es ist wirklich...wichtig!
, erwiderte ich.
Ein Seufzen.
Was ist denn?
Amaya hat gerade etwas gesagt!
Kleine, für so etwas ist im Moment keine Zeit. Wir haben wichtigeres zutun.
Das war Ariel.
Ich hoffe „etwas wichtigeres“ bedeutet nicht, miteinander zu vögeln!
, dachte ich. Auch ich stieß ein Seufzen aus.
Wir kümmern und noch immer um Kieran, wenn du es genau wissen willst.
, meldete sich nun wieder Faith zu Wort.
Dann schickt ihn weg, verdammt!
, zischte ich.
Ich bekam keine Antwort. Seufzend sah ich Milana an.
„Bitte lass mich mich nur getäuscht haben!“, betete ich. Das Mädchen schwieg, doch das konnte meine Bitte leider nicht bestätigen. Plötzlich ging die Tür auf.
„Verdammt, ich habe keine Zeit hierfür!“, knurrte Faith und knallte die Tür wieder zu.
„Sie hat meinen Namen gesagt!“, hauchte ich.
„Rede nicht so einen Stuss.“, keifte sie und kam auf uns zu. Als Milana ihre Mutter sah öffnete sich ihr Mund.
„Mama!“, sagte sie mit solch einer klaren Stimme, dass nun auch Faith´s Mund offen stand.
„Oh mein Teufels Vater!“, flüsterte sie und ging auf die Knie. Nun kniete sie vor mir und der Kleinen. Behutsam nahm sie Milana in den Arm.
„Das ist unmöglich!“, hauchte sie und betrachtete das Mädchen.
„Das habe ich auch geglaubt.“, murmelte ich.
„Ich glaube das nicht!“, nuschelte sie kopfschüttelnd.
„Was ist los, Süße?“, fragte Ariel, der gleichzeitig die Tür hinter sich schloss.
„Sie spricht!“, flüsterte Faith und sah mit großen Augen zu ihrem geflügelten Gefährten auf.
„Das Mutter sein bekommt dir nicht, Schatz.“, sagte der Erzengel leise in sich hinein lachend und kam ebenfalls auf uns zu.
„Nenn mich nicht Schatz.“, murmelte Faith geistesabwesend. Sie schien sichtlich verwirrt zu sein.
„Papa!“, gluckste Milana, als sie auch ihren Vater erblickte. Jetzt war auch Ariel sprachlos.
„Unmöglich!“, hauchte er.
„Na, was habe ich gesagt?“, zwitscherte ich und verschränkte die Arme.
„Warum, glaubt ihr, ist sie dazu in der Lage?“, fragte ich leise, doch ich wusste bereits, dass die beiden mir darauf keine Antwort geben konnten. Ariel wurde nachdenklich und starrte seine Tochter an.
„Sie ist die Tochter eines Erzengels und dem Teufel, es war von Anfang an klar, dass sie mächtig sein wird!“, sagte er.
„Aber so mächtig?“, hakte ich leise nach.
„Sie wird mächtiger sein als Ariel und ich zusammen, Amaya. Eines Tages wird sie meinen Platz einnehmen, keine Frage! Niemand...“
Sie zögerte plötzlich.
„Fast niemand wird das verhindern können.“, beendete sie fast flüsternd ihren Satz. Ariel zog Faith an sich heran um sie sanft küssen zu können.
„Niemand wird ihr jemals zu nahe kommen, versprochen!“, hauchte er ihr ins Ohr.
„Du ahnst ja nicht, wie sehr ich dir das glauben will!“, flüsterte sie und schlang einen Arm um ihn.
„Ein Weib wie dich gibt es wirklich nur einmal.“, stöhnte Ariel.
„Das ist kein Kompliment.“, knurrte Faith.
„Doch, ist es.“, protestierte der Erzengel. Wieder küsste er sie.
„Meine Familie...“, hörte ich Faith flüstern als sie den Kuss beendete. „Endlich habe ich eine Familie!“
„Die hattest du doch schon die ganze Zeit über.“, sagte Ariel und drückte sie an sich. Ich verkniff es mir zu seufzen. So süß das auch war, es konnte auch unglaublich nerven!
„Ich störe nur ungern aber was ist mit Kieran?“, sagte ich und räusperte mich.
„Ist in seinem Zimmer.“, antwortete Faith. Ariel sah mich neugierig an.
„Was genau ist eigentlich zwischen euch abgelaufen? Du warst ziemlich laut.“
„Wir hatten nur eine Meinungsverschiedenheit.“, murmelte ich und erhob mich.
„Da ihr sicher unter euch sein wollt, verschwinde ich mal.“, fügte ich unverständlich sprechend hinzu. Die beiden beachteten mich nicht.
_____3_____
Ich hatte mich in die Welt der Menschen begeben. Vielleicht fand ich ja heraus warum Raphael einige Male hier aufgetaucht war. Doch eigentlich war ich nur aus einem Grund hier. Ich war auf der Suche nach Tristan. Warum war wohl klar. Ich wusste von Faith, dass sich der Gefallene oft in...spezieller Umgebung aufhielt. Und genau in dieser Umgebung fing ich an zu suchen. Ich hatte Glück und traf ihn gleich beim ersten Versuch an. Ich seufzte als ich das obszöne Lokal betrat.
Sofort richteten sich die Blicke der Männer auf mich.
„Na hallo, wen haben wir denn da?“
Die vor Sinnlichkeit triefende Stimme brachte mich dazu, mich umzudrehen. Als ich den jungen Mann erblickte verschränkte ich die Arme und zog die Mundwinkel hoch.
„Jemanden, mit dem du zu nichts zutun haben solltest.“, erwiderte ich geheimnisvoll und wurde ernster.
„Jemand wie du sollte nicht hier sein.“, sagte ich nun. Seine Aura, die einiges an Licht ausstrahlte, erreichte mich trotz der fünf Meter Abstand zu ihm. Er war ein Engel, keine Frage.
Was geht hier bloß vor sich?
, fragte ich mich insgeheim, da ich schon mehrere Engel gesehen hatte, seitdem ich hier war.
„Jemand wie du auch nicht.“, erwiderte der Engel und trat näher an mich heran. Er sah auf mich herab, wobei seine grünen Augen begannen zu funkeln.
„Ich bin keine Dämonin.“, hauchte ich als Antwort und begann erneut zu grinsen.
Der Engel zog die Brauen hoch und musterte mich erneut ausgiebig, was mich noch breiter grinsen ließ.
„Das lasse ich mal so im Raum stehen.“, sagte er leise.
Er beugte sich zu mir herunter, doch kurz bevor seine Lippen meine berührten hielt er inne. Ich wusste nicht was ihn den Atem anhalten ließ, doch ich nutzte die Chance. Ich überwand den Abstand zwischen uns und biss ihm in die Lippe.
„Tut mir leid aber ich habe keine Zeit für Spielchen!“, hauchte ich und trat einen Schritt zurück.
„Da du dich hier gerne aufzuhalten scheinst, kennst du doch sicher Tristan, nicht wahr?“, kam ich nun zur Sache. Überrascht zog er die Brauen hoch.
„Tristan? Was hat ein...unschuldig aussehendes Mädchen wie du mit solch einem Arsch zutun?“, knurrte er leise. Seine Augen verdunkelten sich.
„Das spielt keine Rolle. Ist er hier?“, blockte ich ab. Ich tat das nicht um so schnell wie möglich zu Tristan zu kommen. Ich tat das, weil ich nicht wusste wie ich auf seine Frage antworten sollte. Wieder stieß der Engel ein Knurren aus. Mit dem Kopf deutete er auf die rechte, hintere Ecke.
„Dort hinten.“
Ich ging bereits an ihm vorbei als er mich am Arm fasste und an sich zog. Er lehnte sich zu mir herunter, bis seine Lippen mein Ohr berührten.
„Du solltest dich wirklich von ihm fernhalten, Amaya! In letzter Zeit benimmt er sich komisch.“
Seine Worte jagten mir einen Schauer über den Rücken, nichts desto Trotz glaubte ich ihm trotzdem!
„Das habe ich mir schon gedacht.“, murmelte ich und löste seine Hand von meinem Arm.
„Darauf kann ich leider keine Rücksicht nehmen aber ich danke dir trotzdem für die Warnung.“, fügte ich hinzu. Ich spürte seinen stechenden Blick im Rücken und konnte spüren, wie sehr ihn meine Reaktion überrascht hatte.
„Tristan.“, sagte ich in rauem Tonfall und blieb vor ihm stehen. Er saß in einem roten Kunstledersessel. Beine Breit und Arme verschränkt. Er sah auf.
„Du hast hier nichts zu suchen.“, grollte er.
„Das ist mir vollkommen egal.“, fauchte ich, dennoch froh darüber ihn hier angetroffen zu haben. Ich lehnte mich vor und stützte mich mit den Händen an den Armlehnen des Sessels ab. Welch Ironie. Ich war wirklich wie Faith!
„Was ist passiert, dass sowohl Kieran als auch du, nicht mehr ihr selbst seid?“, hauchte ich. Kieran erhob sich so schnell und gleichzeitig so anmutig, dass ich einen Schritt zurücktreten musste, um mein Gleichgewicht wiederzufinden. Ich prallte mit dem Rücken gegen jemanden und wollte mich bereits umdrehen, um mich zu entschuldigen, da fassten mich zwei Hände an den Schultern. Ein wohliges Gefühl durchfuhr mich.
„Ich habe doch gesagt, du sollst dich von ihm fernhalten.“, knurrte eine sinnliche Stimme, die sich augenblicklich in pures Gift verwandelte.
„Halt dich da raus, Ryan. Das ist eine private Angelegenheit“, knurrte Tristan und trat einen Schritt vor.
„Er hat Recht.“, zischte ich und stieß Ryan (so hieß er also...) zurück.
„Ich kenne dich inzwischen gut genug um zu wissen, dass du Kieran beeinflusst hast!“, keifte ich drauf los, worauf sich seine Augen verengten.
„Ich weiß nicht was du meinst.“, zischte er und kam noch näher. Die Luft um uns herum brodelte inzwischen gewaltig. Die Frauen und Männer um uns herum waren inzwischen verstummt, doch auch ihre nervigen Blicke waren mir nun egal. Diese Situation war mir alles andere als geheuer. Ich wusste nicht warum es so war, doch Ryan hinter mir versicherte mit ein Gefühl der Sicherheit. Meine Hände ballten sich zu Fäusten.
„Das weißt du sehr wohl.“
Ich wurde lauter.
„Kieran würde sich mir gegenüber nie blöd verhalten! Er denkt immer erst über alles nach ehe er handelt und nun sag mir, warum er sich so um hundertachtzig Grad gewendet hat!“
Plötzlich beugte er sich zu mir herunter.
„Frage ihn doch selbst wenn du unbedingt wissen willst was los ist.“, hauchte er an meinen Lippen. Mit einem lauten Fauchen stieß ich ihn weg und verpasste ihm eine Ohrfeige, bei der jedes noch so kleine Geräusch augenblicklich verstummte.
„Das habe ich doch schon längst! Aber er schweigt!“
Tristan rieb sich ein wenig perplex seine Wange.
„Mach doch nicht so einen Aufstand, verdammt. Faith hat ihm wahrscheinlich schon den Arsch aufgerissen.“, brummte er.
„Faith hat keine Zeit für...meine Angelegenheiten."
„Du arbeitest für den Teufel?“, hörte ich Ryan misstrauisch flüstern.
Sie hat mich bei sich aufgenommen.
, antwortete ich barsch in Gedanken.
„Und warum nicht? Sie kümmert sich doch sonst immer um dich.“, antwortete Tristan nun und verschränkte die Arme.
„Sie hat nun mal keine Zeit, verdammt!“, schrie ich und schüttelte dann den Kopf.
„Weißt du was? Vergiss es einfach. Man kann sich nicht auf dich verlassen und vertrauen kann man dir erst recht nicht!“
Mit diesen Worten drehte ich mich um und rauschte davon.
Immer wieder stiegen mir Tränen in die Augen, doch ich blinzelte sie jedes mal weg.
„Alles in Ordnung?“
Ich erstarrte. Und schwieg.
„Es ist bestimmt wegen diesem Kieran.“, meldete sich eine andere Stimme zu Wort.
Ryan?
„Ihr solltet verschwinden. Ich bin schlecht gelaunt.“, knurrte ich. Ein raues Lachen ertönte.
„Man merkt sofort, dass Faith einmal deine Meisterin war. Aber du bist noch lange nicht so grausam wie sie.“
Raphael´s Worte ließen mich leise knurren. Ich drehte mich um und sah den Erzengel wütend an.
„Du hast hier nichts zu suchen. Also was treibt dich her?“, fauchte ich.
„Mir war langweilig.“, erwiderte er schulterzuckend. Plötzlich kam Ryan auf mich zu. Er war kein Gefallener, also warum war er noch hier? Und was hatte er mit Raphael zutun? Als er mich erreicht hatte beugte er sich ein Stück zu mir herunter. Dieses Mal kam er mir nicht ganz so nahe.
„Du bist ein toughes Mädchen, also warum lässt du dich so von Kerlen verarschen?“, sagte er so leise, dass Raphael es nicht hören konnte. Trotz der nicht gerade wenigen Zentimeter Abstand zwischen uns traf sein warmer Atem auf meine Lippen. Schon berührten sich unsere Münder. Verdammt noch mal, wieso übte er solch eine große Anziehung auf mich aus?
Dir ist klar, dass ein Erzengel keine zehn Meter hinter dir steht, oder?
, dachte ich und ballte meine Hand zur Faust als ich feststellte, dass ich den Arm um ihn gelegt hatte.
Das interessiert mich einen Scheiß!
, kam es zurück. Ich stöhnte und stieß ihn zurück.
„Ihr Engel seid hinterlistig und raffinierter als manch Dämon, verdammt!“, schnauzte ich ihn an. Der Engel mit den dunkelblonden, zerzausten Haaren grinste irgendwie zufrieden.
„Du hast mich geküsst, Kleine. Also gib mir nicht die Schuld!“, erwiderte er.
„Das tue ich aber.“, knurrte ich und funkelte ihn wütend an. „Schließlich bist du der attraktive Engel!“
Er lachte leise und fasste mein Kinn. Er zeigte Zähne.
„Vergiss nicht wer du bist, Amaya!“, hauchte er und machte auf dem Absatz kehrt. Wieder fragte ich mich, warum er meinen Namen kannte...
Ohne ein Geräusch zu verursachen tapste ich durch den großen Flur. Würde jemand herausfinden wo ich war, gäbe es Ärger! Ich war so in Gedanken versunken, dass ich über meine eigenen Füße stolperte und ins Straucheln geriet. Bevor ich auf dem Boden aufprallen konnte, fingen mich zwei Arme auf. Ich sah auf uns fing an zu zittern. Früher war es nicht so gewesen, doch nun fühlte ich mich in seiner Nähe unwohl.
„Tut mir leid.“, hauchte ich, befreite mich aus seinem Griff und ließ ihn stehen. Ich spürte Kieran´s verblüfften Blick im Rücken. Doch dann blieb ich stehen.
„Kieran.“, sagte ich leise und drehte mich um. Ich sah ihn ernst an, wobei er fragend die Augenbrauen in die Höhe zog.
„Es geht jetzt nicht um uns.“, begann ich und schritt auf ihn zu.
„Also verrate mir bitte, was in der Menschenwelt vorgefallen ist!“
Irritiert starrte er mich an.
„Was ist passiert, dass du dich so komisch benimmst?“, hakte ich noch einmal nach und machte wieder einen Schritt auf ihn zu.
„Es ist nichts passiert.“, sagte er monoton und schloss für einen kurzen Moment die Augen.
Traurig über seine Reaktion legte ich ihm die Hand an die Wange.
„Bitte Kieran!“, hauchte ich.
Sein Gesichtsausdruck veränderte sich. Nun sah auch er traurig aus.
„Ich will dich nicht verletzen, Amaya!“, sagte er leise, nahm meine Hand und drückte sie nieder.
„Was soll das heißen?“, fragte ich verwirrt. „Was meinst du damit?“
„Halt dich von mir fern, hörst du?“, flüsterte er und sah mich ernst an. Fassungslos starrte ich ihn an.
„Das kann nicht dein Ernst sein!“, flüsterte ich. Er wollte sich bereits abwenden, doch ich griff nach seiner Hand.
„Kieran!“, hauchte ich, stellte mich auf Zehenspitzen und legte meine Hand erneut an seine Wange.
„Du bedeutest mir so viel, Kieran!“, flüsterte ich an seinen Lippen. „Ich will und kann mich nicht von dir fernhalten!“
Der Hundedämon seufzte und schlang einen Arm um meine Taille. Dann lagen seine Lippen auch schon auf meinen. Ich seufzte in seinen offenen Mund hinein. Hinter uns ertönte ein Knurren, doch ich ignorierte es. Ich wollte diesen Moment einfach nur genießen.
Lass mich nicht alleine, Kieran!
, dachte ich und drängte mich an ihn.
„Ich kann dir keine Antwort auf deine Frage geben, Süße!“, sagte er, als er mich zurück schob.
„Das ist mir egal!“, erwiderte ich. „Meinetwegen müssen wir auch nicht miteinander reden! Hauptsache wir bleiben zusammen!“
Stumm sah er auf mich herab.
„Nein.“, sagte er schließlich, küsste mich noch einmal kurz und wandte sich dann endgültig ab. War es ein Fehler gewesen ihn zu lieben? Mir schossen einige Fragen durch den Kopf, doch ich wusste, dass ich nichts für meine Gefühle konnte.
„Was sollte das denn?“
Ich nahm nur am Rande war, dass Aiden sich neben mich gestellt hatte.
„Ich bin nicht so schwach wie es scheint aber bei ihm fühle ich mich so...hilflos!“, murmelte ich und sah den (Ex)Engel geistesabwesend an.
„Er hat Recht, Süße. Du solltest dich wirklich von ihm fernhalten. Er benimmt sich komisch.“, erwiderte Aiden und legte mir die Hand auf die Schulter.
„Sag mir nicht was ich tun soll.“, murmelte ich. Ich war nicht in der Lage wütend zu klingen.
„Wo warst du eigentlich?“, fragte er nun.
„Ich musste was erledigen.“, sagte ich barsch und wandte mich ab. Mir war aufgefallen, dass Aiden sich in letzter Zeit öfter in meiner Nähe aufhielt. Der Verdacht das er mehr in mir sah als nur eine Halbfee ließ mich schon seit einiger Zeit nicht mehr los.
„Darf ich fragen wo du warst?“, ertönte es plötzlich hinter mir. Ich blieb stehen, drehte mich aber nicht um.
„Ich war auf der Suche nach Tristan.“, gab ich leise zu. Faith tauchte neben mir auf.
„Ich ahne warum.“, hauchte sie.
„Er benimmt sich genauso scheiße wie Kieran.“, murmelte ich. Ich beschloss ihr von der Begegnung mit Raphael nichts zu erzählen.
„Tristan benimmt sich immer scheiße.“, knurrte Faith. Ich ging weiter. Sie passte sich meinem Schritt an.
„Was hat er gesagt?“, wollte sie nun wissen.
„Nichts.“, fauchte ich und ballte die Hände zu Fäusten.
„Natürlich nicht. Hast du etwas anderes erwartet?“
Ich schwieg.
„Warst du nur deswegen in der Menschenwelt?“
Ihre Stimme verriet nichts, trotzdem wusste ich worauf sie hinaus wollte.
„Nein.“, sagte ich bloß.
„Und?“
„Zurzeit sind viele Engel unter den Menschen zu finden. Das ist alles was ich bemerkt habe.“, erklärte ich kurz angebunden. Faith stieß nur ein kurzes „Hm“ aus und ließ das Thema fallen.
„Warum hast du nicht Bescheid gesagt?“, wollte sie stattdessen wissen.
„Weil du etwas dagegen gehabt hättest.“, brummte ich.
„Stimmt.“, antwortete der Teufel und stieß ein kurzes Lachen aus. Ich seufzte.
„Kieran will, dass ich mich von ihm fernhalte.“, sagte ich leise und warf ihr einen kurzen Blick aus den Augenwinkeln zu.
„Das kommt mir irgendwie bekannt vor...“, murmelte sie und schob die Hände in die Taschen ihrer Hose. Meine Stimme begann zu zittern, dich ich versuchte es zu verbergen.
„Ich weiß, dass Kieran mehr für mich empfindet als er zugibt. Und ich empfinde auch etwas für ihn. Man sollte doch meinen, dass es dann keine Probleme gibt...“
Ich fuhr mit mit der Hand durch meine inzwischen brustlangen Haare und knurrte leise.
„Ich hasse mein Leben...“
„Ihr beide werdet schon alles klären, keine Sorge.“, munterte sie mich auf.
„Das würde ich dir gerne glauben.“, sagte ich, ehe ich in mein Zimmer einbog und die Tür kraftvoll zuschlug. Augenblicklich erstarrte ich zur Salzsäule.
„Was zum...?“
Als ich mich wieder bewegen konnte ging ich einige Schritte auf mein Bett zu, auf dem Ryan ausgestreckt und mit hinter dem Kopf verschränkten Armen lag.
„Was hast du hier zu suchen? Und wie bist du überhaupt hergekommen?“, zischte ich. Er ging nicht auf meine Frage ein. Nach einer Weile richteten sich seine, unglaublichen, grünen Augen auf mich.
„Lässt du dich immer so scheiße behandeln?“, fragte er in gleichgültigem Tonfall.
„Du solltest verschwinden.“, fauchte ich, ebenfalls ohne auf seine Frage einzugehen.
„Ich nehme keine Befehle von einem Höllenbewohner entgegen. Erst Recht nicht von einem niederen Wesen wie einer Halbfee!“, erwiderte er mit rauer Stimme. Ein Schauer überlief mich. Er war zwar ein Engel, doch er konnte unmöglich so viel von mir wissen, nur weil wir uns geküsst hatten! Ich blinzelte perplex, worauf er anfing zu grinsen und eine Reihe strahlend weißer Zähne entblößte.
„Komm mal her.“, hauchte er und streckte die Hand nach mir aus. Ich konnte nicht anders als seinem Befehl nachzukommen. Er faszinierte mich. Nur...warum?
„Du wirst mir noch zum Verhängnis.“, hauchte ich leise. Schon wieder dieses spitzbübische Lächeln! Als ich ihn erreicht hatte, packte er meinen Arm und zog mich mit einem Ruck auf sich. Perplex starrte ich ihn an. Er lachte leise und schlang seine Arme um meinen Rücken, damit ich ihm nicht entkommen konnte. Seine Lippen streiften ständig meine. Er spielte mit mir.
„Wieso tust du das?“, hauchte ich, inzwischen völlig neben der Spur.
„Weil es mir Spaß macht. Und du mich faszinierst!“, erwiderte er und küsste mich schließlich.
Sagst du die Wahrheit?
, dachte ich und ließ zu, dass seine Zunge meinen Mund erforschte.
Engel lügen nicht.
, antwortete er seltsam kichernd.
Irrtum!
, erwiderte ich und biss ihm in die Lippe. Engel lügen sogar ziemlich oft!
Er antwortete nicht darauf, stattdessen kniff er mir in den Hintern.
Hör auf, mich ständig zu beißen!
Wieso sollte ich? Du bist mein Verdammnis!
Plötzlich lag ich unter ihm. Er packte meine Handgelenke und zog sie über meinen Kopf.
Grob und fordernd presste er seine Lippen auf meine. Verlangen lag in seinem Kuss.
Für einen Moment gab er meine Lippen frei, stattdessen widmeten sich seine Lippen meiner Kehle.
„Du solltest aufhören!“, keuchte ich und bog den Rücken durch. Ich wollte das nicht, dennoch sehnte ich mich nach seinen Berührungen...
In dem Moment flog die Tür auf.
„Ama...“
Kieran stockte der Atem. Panisch sah ich ihn an.
„Kieran.“, hauchte ich. Tränen stiegen mir in die Augen, weshalb ich sie zusammenkniff, damit keiner der beiden es sah. Doch das brachte nichts. Ryan ließ meine Handgelenke los und strich mir stattdessen mit den Fingern über die Wange.
„Nicht weinen, Kleines!“, hauchte er.
Ich begann zu schluchzen.
„Fass sie nicht an!“, knurrte Kieran und kam in schnellen Schritten zum Bett.
„Warum? Gehört sie dir?“, erwiderte Ryan. Er schien Kieran´s Reaktion voraus geahnt zu haben, denn er lachte als Kieran erstarrte und lediglich die Zähne fletschte. Doch er fasste sich schnell.
Schon war er am Bett und hatte den Engel am Kragen gepackt. Kraftvoll zog er ihn aus dem Bett, sodass er stolperte.
„Lass ihn los!“, hauchte ich und sah Kieran flehend an.
„Wieso sollte ich?“, knurrte und warf mir einen solch wütenden Blick zu, dass mir das Blut in den Adern gefror.
„Weil er nichts Unrechtes getan hat!“, schluchzte ich.
Plötzlich ließ er von Ryan ab. Er packte mich am Arm und zerrte mich ebenfalls aus dem Bett.
„Er ist ein Engel der sich an einen Dämon `ran schmeißt und du willst mir sagen, er hat nichts Unrechtes getan?“, knurrte er. Seine Finger bohrten sich in meine Haut und hinterließen Blutspuren.
Ich verkniff es mir zu sagen, dass er mir weh tat.
„Ich bin keine Dämonin! Und das weißt du!“, flüsterte ich.
Ehe einer von uns noch etwas sagen konnte, wurde der Moment vom Teufel unterbrochen.
„Kieran.“, sagte sie monoton. Der Hundedämon sah über seine Schulter zu ihr.
„Komm.“, sagte sie. Er fletschte wieder die Zähne.
„Nein!“
„Das war ein Befehl!“, knurrte Faith, kam zu uns, packte ihn und zog ihn mit. Er knurrte.
„Du kannst diesen Kerl nicht einfach ignorieren!“
Das konnte sie tatsächlich nicht! Doch sie tat es einfach. Mit einem einfachen Blick über die Schulter verabschiedete sie sich von mir. Ich schniefte. Warum tat sie das? Mein Blick streifte Ryan, der den beiden nachsah. Warum hatte sie ihn nicht von hier verjagt?
„Was willst du wissen?“, riss mich der Engel plötzlich aus den Gedanken.
Immer noch verwirrt sah ich ihn an.
„Wer bist du?“, hauchte ich.
Er legte den Kopf schief, so als wisse er nicht was ich mit meiner Frage meinte. Dann lächelte er schwach. Er kam auf mich zu, weshalb ich zurückweichen wollte, doch ich konnte mich nicht bewegen. Vielleicht war es Angst?
„Ein Freund.“, hauchte er und berührte mit seinen Fingern wieder meine Wange.
Ich wollte erneut ansetzen, doch er ließ mich gar nicht erst zu Wort kommen.
„Der Grund warum ich so gut über dich Bescheid weiß ist der, dass ich mal für dich verantwortlich war.“, sagte er leise. Erst verstand ich nicht was er damit meinte, doch dann schlug ich mir die Hand vor den Mund.
„Aber was...“
Ich konnte keinen vernünftigen Satz bilden, weshalb ich beschloss einfach zu schweigen.
„Ich weiß alles über dich, Kleines.“, sagte er dann. „Auch das du dich, trotz der neuen Umstände noch immer einsam fühlst!“, flüsterte er.
Neue Tränen strömten über meine Wangen. Ich war unfähig darauf zu antworten. Vertraute ich ihm deshalb so? Vorsichtig nahm er meine Hand, dann drückte er mich aufs Bett zurück. Er setzte sich neben mich und drückte mich dann vorsichtig an sich.
„Kurz nach deiner Geburt gab man mir den Auftrag auf dich aufzupassen. Es hieß du würdest ein schweres Leben vor dir haben. Also ließ ich dich nicht aus den Augen. Als du noch ein kleines Kind warst konnte ich mir nicht vorstellen, dass du es einmal Faust dick hinter den Ohren haben würdest, doch an dem Tag an dem Gabriel...“
Er stoppte kurz und atmete einmal tief durch, dann sprach er leise weiter. Behutsam glitten seine Finger über meinen Arm.
„So gut es ging passte ich auf dich auf, doch nachdem Faith dich aufgenommen hat wurde es schwierig. Alle waren der Meinung das es Probleme geben würde, denn eine Fee hat nichts in der Unterwelt zu suchen, erst Recht nicht bei dem Teufel persönlich! Doch als wir sahen das es dir hier gut ging wurde ich zurückgerufen. Obwohl ich nun nicht mehr für dich verantwortlich war, ließ ich dich nicht aus den Augen. Ich war beeindruckt als ich sah, was für Fortschritte du machtest, doch mir blieb nicht verborgen das es trotzdem Momente gab in denen du kurz vorm Verzweifeln warst. Ich hätte dich immer liebend gerne getröstet aber ich durfte mich dir nicht zu erkennen geben. Erst seitdem du des Krieges wegen in Himnaríki aufgetaucht bist, habe ich dich aus dem Blickfeld verloren...Du glaubst nicht wie froh ich bin dich wiederzusehen!“
Hastig wischte ich mir die Tränen weg. Ich hasste es wenn andere sahen das ich weinte.
„Wieso spielst du mit mir, wenn du doch weißt wie scheiße ich mich gerade fühle?“, fragte ich zickig und sah ihn wütend an. Er legte seine Hand wieder an meine Wange und hob mein Gesicht ein Stück an. Das hatte zur Folge, dass eine Träne aus meinem Augenwinkel lief.
„Weißt du wie schrecklich es ist mit ansehen zu müssen wir Kieran dich verletzt? Es scheint als wäre dir völlig egal, dass er dir weh tut! Dabei hat dein Herz schon so einiges mitgemacht...Dein Wohlergehen liegt mir sehr am Herzen und ich will nicht, dass dieser Dämon dir noch mehr Schaden zufügt!“
Ich war verwirrt. In mir tobte ein Sturm, der sich so schnell nicht wieder legen würde. Da ich keine Ahnung hatte was ich auf seine Worte erwidern sollte schüttelte ich den Kopf und wechselte das Thema.
„Warum bist du eigentlich hier?“, fragte ich und sah ernst zu ihm auf. Ein harter und kalter Ausdruck trat in seine Augen, was seinem Gesicht etwas strenges verlieh.
„In Himnaríki ist einiges los. Die Erzengel sind außer sich vor Wut. Jeder noch so unbedeutende Engel bekommt das zu spüren. Raphael hat sich deshalb aus dem Staub gemacht. Viele Engel haben sich in die Menschenwelt begeben, damit sie von dem Stress da oben nichts mitbekommen. Allerdings hat das zur Folge, dass nicht alle Aufträge ausgeführt werden können. Eigentlich dürfte ich dir das nicht sagen...Versprich mir das du Faith nichts davon erzählst! Sie muss es von selbst herausfinden!“
Ich nickte kurz und schwach um zu bestätigen. Dann ließ ich mich nach hinten fallen. Nicht zu fassen...Ich hatte einen Wächter. Dann fiel mir ein, dass ich eigentlich gar nichts über Engel wusste.
„Hat eigentlich jeder einen Wächter?“, fragte ich irgendwann.
Ryan legte sich neben mich und betrachtete mich ausgiebig.
„Alle außer Dämonen.“, antwortete er. Ich schwieg, was ihn wohl dazu veranlasste weiterzusprechen.
„Faith hatte auch einen.“
Überrumpelt von dieser Tatsache starrte ich den Engel neben mir an. Seine grünen Augen hatten den Glanz verloren. Er verstand meine unausgesprochene Frage sofort.
„Ja, allerdings nur bis zu dem Zeitpunkt als Ariel in ihrem Leben aufgetaucht ist.“
„Warum hatte sie einen Wächter?“, fragte ich leise. Es interessierte mich wirklich!
„Niemand in Himnaríki wusste, dass sie Luzifer´s Tochter ist. Deshalb wurde auch ihr ein Wächter an die Seite gestellt. Erst nachdem herausgefunden wurde das Ariel versucht hat sie nach Pragaras zu bringen hat es bei den anderen Engeln Klick gemacht.“
Ich schwieg. Es war komisch das Ryan Dinge wusste, die Ariel mir wahrscheinlich niemals beantworten könnte.
„Du und Faith kennt euch, nicht wahr?“, wollte ich dann wissen.
Ich sah die Verblüffung in seinen Augen aufblitzen.
„Wie kommst du darauf?“, erwiderte er monoton.
„Sie schien nicht sonderlich über deine Anwesenheit überrascht zu sein.“, erklärte ich und sah ihm direkt in die Augen. Dieses grün zog einen in den Bann und auch wenn Kieran derjenige war den ich liebte musste ich zugeben, dass Ryan dennoch einen gewissen Reiz auf mich ausübte.
„Sag mir die Wahrheit!“, knurrte ich als er schwieg. Er seufzte in sich hinein.
„Ja, wir kennen uns tatsächlich schon. Und auch wenn sie einem wirklich Angst einjagt muss ich zugeben, dass sie mir als Teufel viel lieber ist als ihr Vater.“
Wieder blieb ich still.
Und was nun?
, fragte ich mich. Plötzlich erhielt ich eine Antwort.
„Ich muss mich wieder so langsam auf den Weg machen.“, meinte Ryan und beugte sich über mich.
„Aber wenn du Hilfe brauchst rufst du nach mir, hast du verstanden?“
Ich blinzelte perplex.
„Hast du mich etwa gehört?“, hauchte ich und setzte mich schlagartig auf. Wieder berührten sich unsere Lippen für einen kurzen Moment.
„Äh, ja.“, erwiderte der Engel und sah mich verwirrt an. „Hätte ich das denn nicht hören sollen?“
„Eigentlich schirme ich meine Gedanken vor anderen die ganze Zeit über ab...Du hättest das in der Tat nicht hören dürfen!“
Für einen Moment waren wir beide sprachlos. Dann zuckte er mit den Schultern und kam mir wieder nahe.
„Vielleicht konnte ich sie hören, weil ich mal dein Wächter war und wir auf eine unbeschreibliche Art miteinander verbunden sind!“
Stöhnend ließ ich mich wieder zurückfallen.
„Das ist zu viel für mich!“, hauchte ich und legte mir den Arm über die Augen.
Plötzlich lagen warme Lippen auf meinen.
Schlaf gut!, hörte ich noch, ehe ich herzhaft gähnte und in einen tiefen Schlaf fiel...
_____4_____
Als ich aufwachte war Ryan weg, doch das komische Gefühl blieb. Mein Kopf dröhnte.
Alles was er mir erzählt hatte erschien mir, jetzt wo er nicht mehr da war, unglaubwürdig. Irgendwie fühlte ich mich...alleine. Verwirrt hielt ich mir die Hand an den Kopf. Wieso fehlte er mir? Ich kannte ihn doch eigentlich gar nicht!
„Wie fühlst du dich?“
Faith´s Stimme ließ mich aufschauen.
„Leer.“, hauchte ich wahrheitsgemäß. Ich schüttelte den Kopf und beobachtete sie dabei, wie sie zum Bett kam und sich auf die Kante setzte.
„Wenn du auch einen Wächter hattest, dann hat er seinen Job nicht gerade gut gemacht.“, meinte ich nun.
„Nein, das hat er nicht.“, bestätigte sie nickend und sah mich nachdenklich an.
„Ryan hat seine Aufgabe damals sehr ernst genommen und das tut er immer noch. Sollte einmal keiner von uns in der Lage sein dir zu helfen, wirst du nach ihm rufen, klar?“
Ich nickte schwach.
„Ich weiß nicht was ich von All dem halten soll...“, murmelte ich und machte eine wage Geste.
„Was meinst du?“, hakte sie verwirrt nach.
„Er hat mir so vieles erzählt...Und jetzt wo er nicht mehr da ist, glaube ich es einfach nicht mehr!“
Faith schwieg, weshalb ich sie fragend ansah. Hoffnung in mir quoll auf, doch sie wurde von Enttäuschung wieder in den Schatten gestellt.
„Was ist mit...Kieran?“, fragte ich leise. Ihr Blick verdüsterte sich, weshalb ich sofort die Schultern hängen ließ.
„Ich weiß wirklich nicht was in ihn gefahren ist...Und so langsam befürchte ich, dass ich es auch nicht aus ihm herausbekommen werde.“
Sie machte eine kurze Pause, dann atmete sie tief durch.
„Er mag dich wirklich, Amaya. Das hat seine Reaktion als er Ryan und dich gesehen hat deutlich bewiesen. Jedoch frage ich mich, warum er deine Nähe nicht zulassen will...“
Ich schlug die Decke zurück und stieg aus dem Bett. Dann streckte ich meine Gliedmaßen ein wenig. Es knackte einige Male.
„Ich werde zu ihm gehen.“, sagte ich entschlossen, doch ich hatte schon mit Faith´s Reaktion gerechnet.
„Nein.“
Sie hatte sich ebenfalls erhoben und sich nun vor mich gestellt.
„Kieran ist wütend auf dich. Er würde dir nur wieder weh tun.“
Ihr Blick fiel auf meinen Arm, auf dem noch immer die Spuren seiner Finger zu sehen waren.
„Und wenn schon.“, fauchte ich und ging an ihr vorbei.
„Sei vorsichtig.“, hörte ich sie noch sagen, doch ich lief schon den Flur entlang.
Wenn Kieran glaubte das ich ihn in Ruhe lassen würde, dann hatte er sich getäuscht!
Ich überlegte ob ich einfach Kieran´s Zimmer betreten sollte, entschied mich dann aber doch nicht dafür und klopfte höflicherweise an.
„Nein!“, knurrte Kieran im Inneren des Zimmers. Er klang schlecht gelaunt, Faith hatte also Recht gehabt. Ich seufzte leise. Natürlich hatte sie das, sie war der Teufel. Trotz des „Nein!“s aus dem Inneren drückte ich die Klinke nieder. Wieder seufzte ich. Abgeschlossen.
„Kieran, bitte mach die Tür auf.“, hauchte ich. Ich wusste das er mich hören konnte.
Ein tiefes Knurren ertönte und jagte mir einen Schauer über den Rücken.
„Wozu? Damit du mich davon überzeugen kannst, dass du das nicht wolltest?“
Ich versteifte mich. Dann sank ich auf die Knie. Meine Hand berührte noch immer das Holz der Tür.
„Ich weiß das du nichts hören willst...“, begann ich flüsternd und schloss die Augen. „Und deswegen versuche ich auch gar nicht erst es dir zu erklären. Ich will doch nur wissen was mit dir los ist, Kieran! Wieso verstehst du das nicht?“
Plötzlich öffnete sich die Tür. Meine Hand fiel ins Leere. Die Kraft aufzuschauen und in seine Augen zu sehen fehlte mir, stattdessen starrte ich auf seine Füße. Tränen tropften auf den Boden.
„Du hättest ihn zurückweisen können.“, ertönte seine wütende Stimme.
„Stimmt, dass hätte ich.“, sagte ich monoton. Ich versuchte erst gar nicht mir eine Ausrede einfallen zu lassen.
„Aber ich habe es nicht getan...Und weißt du auch wieso? Ryan war mein Wächter und obwohl ich ihn kaum kenne, vertraue ich ihm im Moment mehr als dir, Kieran!“
Nun sah ich auf. Entsetzen zeichnete sich in seinen Augen ab.
„Ich weiß das du mich immer beschützen würdest und ich weiß auch, wie viel ich dir bedeute! Aber im Gegensatz zu dir weiß Ryan wann ich wirklich jemanden brauche!“
Kieran schnaubte und packte mich am Kragen.
„Hör auf mich mit diesem Dreckskerl zu vergleichen! Ich bin kein Engel mehr!“
„Stimmt, du bist kein Engel mehr.“, hauchte ich und sah ihm direkt in die Augen, die rot leuchteten.
„Du bist ein Dämon. Mein Dämon! Sieh es endlich ein!“
Mit diesen Worten schlang ich die Arme um ihn, trotz seines groben Griffs.
Plötzlich landete ich auf dem Boden. Verwirrt sah ich auf.
„Obwohl du keine Dämonin bist hast du ein Besitzdenken entwickelt? Das ist echt erbärmlich!“
Seine Worte ließen mich knurren. Sofort richtete ich mich wieder auf.
„Der einzige der hier erbärmlich ist bist du, Kieran!“, fauchte ich und wandte mich ab.
Nur, damit er meine Tränen nicht sah...
„Schon wieder hier?“
Seine Stimme ließ mich schwach lächeln.
„Ja. Du auch?“
„Jo.“
Ich sah über meine Schulter. Raphael hatte die Hände in seinen Hosentaschen, er lehnte an einem Baumstamm. Dann stieß er sich vom Baum ab, kam zu mir und ließ sich neben mir am Ufer des Sees nieder.
„Gibt es Stress in Pragaras oder warum bist du schon wieder hier?“
„Nichts was dich etwas angehen könnte!“, sagte ich knurrend, dennoch lachend.
Für einen Moment herrschte Stille, dann ertönte Raphael´s Stimme erneut. Jedoch klang sie nun besorgt.
„Ryan hat es dir erzählt, nicht wahr?“
„Was meinst du?“, hakte ich nach. Ryan hatte mir so einiges erzählt. Es wäre wohl besser wenn ich solange die Klappe halten würde bist ich wusste, dass Raphael genug Ahnung hatte.
„Ich meine die Situation in Himnaríki.“, antwortete er und warf mir einen kurzen Seitenblick zu, den ich allerdings nicht erwiderte.
„Ein wenig. Aber ich schätze das war nur ein Bruchteil von dem, was dort gerade wirklich passiert...“
Ich wusste nicht warum, doch aus irgendeinem Grund schienen ihn meine Worte zum lächeln zu bringen. Er antwortete nicht, weshalb ich erneut das Wort ergriff.
„Ich dachte immer dein Rang wäre dir wichtiger als alles andere aber da habe ich mich wohl getäuscht.“
„Wie meinst du das?“
„Wenn dir dein Rang wirklich etwas bedeuten würde, wärst du nun nicht hier.“, erwiderte ich und sah ihn nun endlich an. Wieder breitete sich ein Lächeln auf seinen Lippen aus.
„Ich gebe das nur ungern zu aber du hast Recht!“, sagte er.
Obwohl ich mit dieser Antwort gerechnet hatte war ich doch überrascht. Er gab es schließlich einfach so zu! Er sprach weiter.
„Ich habe es viel zu spät erkannt aber nicht einer im Orden ist als Erzengel geeignet. Selbst ich nicht! Ich war immer darauf aus mit meinen Brüdern ein Reich zu beherrschen und dafür zu sorgen, dass die Menschen in Frieden leben können. Jahrelang habe ich, so wie alle anderen auch, den Teufel und seine Untergebenen als Feinde betrachtete, die es galt so schnell wie möglich zu töten!
Und auch nachdem Faith den Thron übernahm hat sich diese Meinung nicht geändert. Ich weiß nicht was mich dazu gebracht hat es am Ende doch einzusehen...Vielleicht Ariel, der sagte Faith habe nie etwas getan das uns schaden könnte? Oder die Tatsache das viele sterben würden, gäbe es tatsächlich einen Krieg? Lange genug habe ich die Augen vor Gabriel´s Missetaten verschlossen...Nur meine Brüder wollen es nicht einsehen.“
Sein Blick streifte mich erneut.
„Das du Gabriel getötet hast ist eine große Leistung! Und auch wenn ich dennoch etwas Trauer verspüre bin ich überzeugt davon, dass du das richtige getan hast! Leider kommst du nicht ohne Ärger davon! In Himnaríki herrscht das totale Chaos! Man hat es sowohl auf dich, als auch auf mich abgesehen. Dein Tod und meine Bestrafung haben für meine Brüder oberste Priorität!“
Ich stieß ein Seufzen aus.
„Das war mir schon klar.“
Raphael fuhr fort.
„Es hat gedauert bis ich an diesem Punkt angelangt bin aber...lieber verliere ich meine Flügel als weiterhin ein dummer Narr zu sein, der die Augen vor der Wahrheit verschließt!“
Nun lächelte auch ich.
„Respekt! Solch Worte hätte ich von dir nie erwartet!“
Für einen Moment starrte er mich wütend an, dann entspannten sich seine Gesichtszüge wieder.
„Du willst wissen warum Kieran sich so komisch benimmt, richtig?“
Sofort spannte sich mein Körper an.
„Du weißt darüber Bescheid?“, fragte ich leise. Meine Anspannung und Nervosität war überdeutlich!
„Natürlich! Noch bin ich ein Erzengel!“, antwortete er und warf mir wieder einen Blick zu. Ich fragte mich was das mit seinem Sein als Erzengel zutun hatte, beschloss aber ihn nicht darauf anzusprechen und abzuwarten.
„Und? Nun sag schon!“, sprach ich hastig und sah ihn ungeduldig an.
„Meine Brüder überlegen ihn wieder zu einem Engel zu machen.“, sagte er monoton und betrachtete mich forschend, so als erwartete er eine Reaktion von mir. Ich war sprachlos. Fassungslos starrte ich ihn an.
„Alles okay?“, fragte er leise und zog die Brauen in die Höhe.
„Nein...“, hauchte ich bloß und starrte wieder auf den See.
„Warum hat er mir nichts davon gesagt?“, flüsterte ich nun. Eigentlich war die Frage an mich selbst gerichtet, doch Raphael antwortete trotzdem.
„Ich bin mir ziemlich sicher, dass er dich da nicht mit hineinziehen wollte.“, sagte er leise.
Ich schüttelte den Kopf und wechselte das Thema. Über Kieran würde ich mir später Gedanken machen.
„Faith hatte einen Wächter?“
Nun hatte ich die Chance jede noch so kleine Wahrheit zu erfahren und ich nutzte sie. Überrascht starrte Raphael mich an.
„Woher weißt du das?“, murmelte er. Dann blinzelte er, so, als wüsste er mit einem mal alles.
„Ryan...Er hat sich zu erkennen gegeben...“
Ich nickte schwach.
„Ja.“, sagte ich leise, doch ich ahnte, dass er das bereits wusste. Und das nicht ohne Folgen...
, fügte ich gedanklich hinzu.
Ich sah dem Erzengel an das er mir gerne noch mehr Fragen gestellt hätte, dich er entschied sich dafür erst meine Frage zu beantworten.
„Ja, sie hatte einen Wächter. Allerdings hat er seine Arbeit lausig verrichtet.“
Er machte eine kurze Pause, fuhr dann aber fort.
„Niemand wusste, dass Faith Luzifer´s Tochter ist. Es hat nicht einmal jemand mitbekommen, dass Luzifer Vater wurde! Wir haben es erst gemerkt, als Ariel bei ihr in der Menschenwelt aufgetaucht ist.“
Nachdenklich sah ich das Wasser an, welches leichte Wellen schlug.
„Faith musste eine Menge durchmachen.“, sagte Raphael plötzlich.
„Sie hätte sich beinahe umgebracht.“
Geschockt sah ich ihn an. Ich wusste das sie viel durchgemacht hatte, doch das wusste ich nicht. Raphael sah mich kurz an.
„Wie gesagt, ihr Wächter hat seinen Job nicht sehr gut gemacht. Es hätte keinen Unterschied gemacht ob sie mit oder ohne Wächter durchs Leben gegangen wäre.“
„Es war irgendwie komisch zu erfahren, dass ich auch einen Wächter habe.“, murmelte ich.
Raphael ging nicht darauf ein und widmete sich nun den Fragen die er hatte. Er atmete tief durch.
„Ryan musste immer gegen den Drang ankämpfen dir nicht zu nahe zu kommen. Was ist zwischen euch passiert?“
Musste er ausgerechnet diese Frage stellen? Ich verkniff es mir zu seufzen.
„Warum willst du das so unbedingt wissen?“, fragte ich möglichst monoton. „Du weißt was ich für Kieran empfinde, wieso sollte ich zulassen, dass Ryan mir nahe kommt?“
„Ryan ist dir nahe gekommen, du kannst es nicht leugnen.“
Meine Augen verengten sich.
„Woher willst du das wissen?“
Ein selbstsicheres Grinsen umspielte seine Mundwinkel.
„Ich bin ein Erzengel. Ich habe viele Fähigkeiten von denen du nicht einmal träumen kannst!“
Ich stieß ein Knurren aus.
„Nur ein Kuss!“, knurrte ich so leise wie nur möglich. Der Mann neben mir lachte leise und kehlig.
„Von wegen nur ein Kuss!“
Ich spürte wie sich meine Wangen rot färbten, weshalb ich den Blick abwandte und den Kopf zur Seite drehte.
„Ich muss nicht mit jemandem wie dir darüber sprechen.“, fauchte ich und verschränkte die Arme.
Wieder ein tiefes Lachen. Er wusste scheinbar eine ganze Menge.
„Nur eine Knutscherei...“, gab ich leise zu. Ich wollte gar nicht wissen wie rot ich in diesem Moment war.
„Eine sehr schöne Knutscherei!“, hauchte mir jemand ins Ohr. Panisch und voller Schrecken sprang ich auf. Ich wirbelte herum und presste mir die Hand auf die Brust.
„Oh...“
Ich wollte Gott sagen, doch aufgrund Raphael und Ryan ließ ich es bleiben.
„Erschreck mich nicht so!“, fügte ich flüsternd hinzu. Er lachte leise und kam auf mich zu. Immer noch vollkommen erschrocken trat ich einen Schritt zurück. Hätte er nicht den Arm um meine Taille geschlungen wäre ich in den See gefallen.
„Kieran und du habt euch schon wieder gestritten.“, stellte er fest, wobei mich seine grünen Augen genau musterten.
„Warum wissen eigentlich immer alle was los ist?“, seufzte ich und befreite mich aus seinem Griff. Stumm beobachteten mich die beiden Engel dabei wie ich begann, auf und ab zu laufen.
Ich fuhr mir mit der Hand durchs Haar und stieß wieder ein Seufzen aus. Ich hatte keine Ahnung was ich denken, geschweige denn sagen sollte. Wieder kam Ryan zu mir. Behutsam schloss er mich in die Arme, ich ließ es zu, auch wenn mir nicht danach war.
„Lass ihn einfach in Ruhe, Süße! Er wird auf dich zukommen, wenn er soweit ist.“
„Du machst alles nur noch komplizierter, Ryan!“, murmelte ich und versuchte, mich aus seiner Umarmung zu winden. Doch sein Griff verstärkte sich.
„Hör endlich auf dich dagegen zu wehren.“, knurrte er. Nun hielt ich inne.
„Die Dinge sind passiert wie sie passiert sind und du musst damit aufhören, die Tatsachen ändern zu wollen!“
Ich sah zu ihm auf und hätte gerne etwas darauf erwidert, doch ich wusste nicht was.
Ein lautes Knurren ertönte, doch es kam weder von Ryan, noch von Raphael. Unsere Blicke richteten sich auf Kieran, der mit verschränkten Armen neben einem Baum stand.
„Wieso hast du ihr davon erzählt?“, fauchte er und ging dabei auf Raphael zu.
„Weil sie es nicht verdient hat angelogen zu werden und zu leiden.“, erwiderte der Erzengel und richtete sich auf.
„Ich habe sie nicht angelogen!“, knurrte Kieran.
„Die Wahrheit hast du mir aber auch nicht gesagt.“, murmelte ich, doch er hatte es nicht gehört.
„Und ob du sie angelogen hast! Du hast ihr versichert, dass nichts passiert ist und sie somit hingehalten.“, mischte sich nun Ryan ein.
Kieran kam knurrend auf uns zu, weshalb Ryan schützend die Arme um mich legte und mich an sich drückte.
„Dafür das du sie liebst, scheint dir ihr Wohlergehen ziemlich egal zu sein!“
Wieder stieß der Hundedämon ein Knurren aus. Ich legte Ryan die Hand auf die Brust, schloss kurz die Augen und stieß ebenfalls ein tiefes Knurren aus.
„Hör auf ihn zu provozieren!“, stieß ich mit zusammengebissenen Zähnen hervor.
„Und schon wieder verteidigst du ihn...“, seufzte Ryan.
Mit einem Fauchen stieß ich ihn zurück und trat an Kieran´s Seite.
„So läuft das bei uns nun mal! Hast du ein Problem damit?“, zischte ich.
Alle drei sahen mich verblüfft an.
Tut mir leid das ich dich dazu gedrängt habe mir die Wahrheit zu erzählen...
, dachte ich und sah zu Kieran auf. Seine Augen weiteten sich.
Ich bin derjenige der sich entschuldigen muss, also sei still!
, kam es von ihm zurück. Er hob die Hand um sie an meine Wange zu legen, doch ich packte sie und drückte sie nieder.
Ich weiß das dir im Moment nicht danach ist, also lass es!
Kieran hielt inne und sah betrübt auf mich herab. Dann wurde ich auch schon an seine Brust gedrückt.
„Ich habe es dir nicht gesagt aus Angst, du würdest es nicht verstehen und mich deshalb verurteilen.“, hauchte er. Seine Hand hatte sich in einem Haar vergraben.
Fassungslos sah ich zu ihm auf.
„Wieso sollte ich das tun?“, hauchte ich. „Oh Kieran, wie kommst du auf diesen Mist?“, fügte ich hinzu und hob meine Hand.
Vertraust du mir nicht, oder was?
, dachte ich. Ein Seufzen ertönte im Hintergrund.
„Macht euch vom Acker!“, hörte ich eine Stimme fauchen, die nach Faith klang. Weder Kieran noch ich beachteten sie. Am Rande bekamen wir dennoch einige Worte mit.
„Du bist mir noch eine Erklärung schuldig, Raphael!“
Doch, ich vertraue dir! Sehr sogar! Aber ich wollte dich nicht mit Dingen belasten, die überhaupt nichts mit dir zutun haben.
Kieran´s Stimme in meinem Kopf trieb mir die Tränen in die Augen.
Du bist ein Idiot!
, dachte ich und schlug ihm auf die Brust. Denkst du ernsthaft darüber nach wieder zurückzukehren?
Trauer lag in seinem Blick. Noch etwas anderes blitzte in seinen Augen auf, doch ich wusste nicht was es war.
„Ich bereue meine Tat!“, hauchte er und trat einen Schritt zurück. „Ich wollte nie ein Dämon werden!“
Am liebsten hätte ich ihm eine gescheuert, doch ich riss mich zusammen.
„Faith wollte auch nie der Teufel werden, jetzt steht sie an der Macht! Ariel wollte ebenfalls nie zum Feind seiner Brüder werden, nun haben der Teufel und er...“
Ich biss mir auf die Zunge. Raphael und Ryan waren noch immer in der Nähe.
Ich schüttelte leicht den Kopf.
„Was ich damit sagen will ist..., dass du schon lange kein Bewohner Himnaríkis mehr bist! Selbst wenn du wieder ein Engel wirst und zurückkehrst, wirst du kein vollwertiges Mitglied deiner alten Familie werden!“
Fassungslos starrte er mich an. Ich sprach weiter.
„Ariel ist ebenfalls wieder zurückgekehrt und hat dadurch nur noch mehr Probleme bekommen!“
„Ich bin nicht Ariel, Amaya.“, erwiderte er leise.
Nun wurde ich wütend.
„Eben!“, knurrte ich und wurde lauter. „Du bist kein Erzengel, also wo ist der Nutzen?“
Nun trat Verwirrung in seine Augen.
„Warum ist es den Erzengeln so wichtig, dass ein einziger Engel zurückkehrt? Glaubst du, sie wollen dir nur einen Gefallen tun, oder was?“
Er blinzelte perplex.
In Himnaríki herrscht zurzeit das total Chaos! Ich bin mir sicher das sie dich nur benutzen wollen!
, dachte ich.
Woher willst du das wissen?
, kam es zurück.
Spielt das eine Rolle? Verdammt, Kieran! Du bist so versessen darauf wieder ein Engel zu werden, dass du die wichtigen Dinge in den Schatten stellst! Wir alle brauchen dich in Pragaras! Glaubst du wirklich es wäre uns egal wenn du einfach weg wärst? Außerdem wirst du dann zu unserem Feind und selbst Ariel hätte damit ein Problem!
Meine Worte schienen nun endlich zu ihm durchzudringen. Dennoch gefiel mir seine Antwort nicht. Seine Hände umfassten mein Gesicht und hoben es an.
„Solche Entscheidungen muss ich selber treffen, Süße! Ich danke dir dafür, dass du dich so sehr um mich sorgst und ich weiß, was die anderen davon denken und halten werden aber darauf kann ich keine Rücksicht nehmen!“
Schon stiegen mir die Tränen wieder in die Augen. Mein Anblick war scheinbar auch für ihn schwer zu ertragen. Seine Augen verengten sich.
„Ich muss ausgiebig darüber nachdenken...“
Ich nickte nur und schloss die Augen. Dann war die Wärme seines Körpers verschwunden...
______5_____
Wieder vergingen einige Monate. Ich machte mir Sorgen. Kieran hatte sich nicht einmal blicken lassen und auch von Ryan hatte ich nichts mehr gehört. Ich fühlte mich leer...irgendwas fehlte.
Faith und die anderen versuchten verzweifelt mich auf andere Gedanken zu bringen. Vergeblich. Sie hatten es aufgegeben. Da Kieran sich nicht blicken ließ versuchte Aiden sein Glück. Doch egal wie oft ich ihn abblitzen ließ, er gab nicht auf.
„Du bist genauso beliebt bei Männern wie Faith...“, hatte Ariel einmal nachdenklich gemurmelt. Auch mich hatten seine Worte nachdenklich gemacht. Faith und ich waren uns in manchen Dingen tatsächlich ziemlich ähnlich gewesen. Ich konnte mir nur schwer vorstellen, dass es nur daran lag das sie meine Meisterin war...
Doch es gab noch etwas anderes das mir Sorgen bereitete. Wie üblich ließen sich die Erzengel viel Zeit mit ihren Handlungen. Ich hatte erwartet, dass sie ziemlich schnell in Aktion treten würden, doch ich hatte mich getäuscht.
„Milana will spielen!“
Das fröhliche Lachen des kleinen Mädchens riss mich aus den Gedanken.
„Das will sie immer.“, antwortete ich lächelnd.
Milana entwickelte sich in einem rasanten Tempo. Sie war inzwischen knapp über ein Jahr alt, konnte laufen und war in der Lage vernünftig formulierte Sätze zu bilden. Bereits jetzt war zu erahnen wie stark sie einmal sein würde. Vor einiger Zeit hatte sie so kräftig nach meinem Finger gegriffen, dass es schon anfing zu schmerzen. Sie streckte die Arme nach mir aus und gerade als ich sie hochheben wollte, griff sie nach dem Messer, dass ich an meinem Gürtel befestigt hatte.
„Oh Teufel!“, stieß ich leise aus und wollte es ihr bereits wieder abnehmen als sie, samt Messer, einen Schritt zurück trat.
„Was ist das?“, fragte sie neugierig und sah mich mit großen Augen an. Ich streckte die Hand aus.
Sie machte zwar wieder einen Schritt auf mich zu, doch sie schien zu ahnen das ich ihr das Messer wieder abnehmen wollte, denn sie drückte es fest an sich.
„Das ist ein Messer.“, erklärte ich und hielt die flache Hand hin. „Es ist gefährlich.“, fügte ich hinzu.
„Gibst du es mir wieder?“
„Wie gefährlich?“, fragte sie leise.
„Gib es mir und ich werde es dir zeigen.“, erwiderte ich.
„Wirklich?“
Ich nickte und glücklicherweise reichte sie es mir. Seufzend schnitt ich mir damit in den Finger. Blut quoll hervor. Milana sah zu mir auf.
„Tut das weh?“
Ich nickte wieder.
„Ja! Und deswegen darfst du nicht damit spielen, hast du verstanden?“
Sie nickte kräftig.
„Warum hast du es bei dir?“, fragte sie dann.
War klar das sie das wissen wollte.
„Es dient zur Verteidigung!“, antwortete ich, beugte mich vor und hob sie hoch.
„Wenn mir jemand etwas antun will, kann ich mich damit schützen!“, meinte ich.
„Aber dann tust du jemand anderem weh!“, protestierte sie.
„Wenn derjenige böse ist, dann macht das nichts.“, erwiderte ich, als plötzlich die Tür aufging.
„Hast du...“
Perplex starrte ich Raphael an.
„Engel.“, sagte Milana und fing an zu zappeln. Ich ließ sie herunter, worauf sie auf den Erzengel zulief. Vor ihm blieb sie stehen.
„Wer bist du?“, fragte sie und sah zu ihm auf.
„Mein Name ist Raphael. Und wer bist du?“, antwortete er.
„Milana!“, sagte sie und kicherte. Seufzend fuhr ich mir mit der Hand durchs Haar. Raphael musterte die Kleine, dann bildeten sich Falten auf seiner Stirn.
„Die Ähnlichkeit...“, murmelte er und starrte dann mich an. „Ist sie etwa...“
„Meine Tochter, ja.“
Faith kam hinter Raphael zum Vorschein. Misstrauisch sah ich erst den Erzengel, dann den Teufel an.
„Ich vertraue ihm inzwischen soweit, um ihm solche Dinge zu erzählen.“, erklärte Faith und nahm die Hand ihrer Tochter.
„Warum bist du hier?“, fragte sie nun an Raphael gewandt.
„Meine Brüder planen etwas.“, sagte er trocken, dennoch irgendwie nervös.
„Ich weiß.“, erwiderte der Teufel und kam mit der Kleinen in meine Richtung.
„Dein Finger.“, sagte sie plötzlich. Ich hob die Hand um das Blut abzulecken.
„Nur eine Kleinigkeit.“, sagte ich schnell. Auf keinen Fall würde ich ihr von der Sache mit dem Messer erzählen!
„Du weißt es?“, meldete sich Raphael wieder zu Wort. Faith nickte.
„Amaya hat mir davon erzählt.“
Raphael zog die Brauen hoch und sah mich an.
„Ich dachte Ryan hat dich gebeten ihr nichts zu erzählen?“
Ich antwortete nicht, er wusste bereits was ich sagen würde. Ein seltsamer Ausdruck trat in seine kühlen Augen.
„Deswegen bin ich hier.“, sagte er leise. „Ich habe Kieran so gut wie jeden Tag in der Menschenwelt gesehen, in letzter Zeit fehlt allerdings jede Spur von ihm. Selbst Tristan ist ratlos!“
Meine Augen weiteten sich und um nicht laut los zu schreien, presste ich mir die Hand auf den Mund. Sowohl der Erzengel als auch der Teufel schwieg. Beide sahen mich an. Selbst Milana war verstummt. Dann lief sie auf mich zu. Ich legte ihr die Hand auf den Kopf und sah sie betrübt an. Dann richtete sich mein Blick auf Raphael.
„Glaubst du deine Brüder stecken dahinter?“, fragte ich leise.
„Vermutlich.“, antwortete er leise und seufzte dann. „Ich habe zwar keine Lust auf Stress aber ich werde in Himnaríki trotzdem Ausschau nach ihm halten.“
„Danke.“, mischte sich Faith ein und verschränkte die Arme. „Wie schlimm ist es eigentlich zurzeit?“, wollte sie wissen.
„Es herrschte so schon das totale Chaos aber in letzter Zeit ist es noch schlimmer geworden. Es befinden sich nur noch einige Wächter in Himnaríki. Aufträge werden so gut wie keine mehr ausgeführt. Die anderen Erzengel sind alle so mies drauf, dass sich keiner mehr zu ihnen traut.“
Für einen Moment wollte keiner von uns etwas dazu sagen, doch dann meldete ich mich wieder zu Wort.
„Ich bin mir sicher das sie Kieran zu sich geholt haben. Schließlich haben sie das selbe mit Ariel gemacht.“, sagte ich leise. Aus einem mir unbekannten Grund begann ich zu zittern.
„Was hat Amaya?“, fragte Milana zu meinen Füßen.
„Sie ist besorgt...“, sagte ich leise und legte ihr wieder die Hand auf den Kopf.
„Warum?“, wollte sie nun wissen. Ich antwortete nicht.
„Du kannst Kieran nicht mit Ariel vergleichen, Amaya.“, sagte Raphael. Ich sah auf. „Ariel wurde gezwungen mit uns zu kommen, Kieran ist selbst in der Lage zu entscheiden.“
Tränen stiegen mir in die Augen.
„Aber wieso sollte er so dringend nach Himnaríki zurück wollen?“, fragte ich. Ich wusste, dass mir keiner eine Antwort darauf geben konnte. Es blieb still.
„Was ist eigentlich mit Ryan?“, mischte sich Faith ein.
„Was meinst du?“, fragte Raphael verwirrt.
„Ich hätte erwartet das er sich öfters in Amaya´s Nähe aufhalten würde aber solange wie wir Kieran schon nicht mehr gesehen haben, haben wir auch Ryan nicht mehr zu Gesicht bekommen.“, sagte sie.
„Jetzt wo du es sagst...Ich habe ihn auch schon lange nicht mehr gesehen.“, murmelte der Erzengel.
„Wahrscheinlich ist er bei Kieran.“, sagte ich leise und ließ mich auf dem Sofa nieder.
„Wie kommst du darauf?“, sprachen Faith und Raphael gleichzeitig.
„Mein Gefühl sagt es mir.“, murmelte ich. Und das tat es tatsächlich! „Die beiden verstehen sich zwar nicht gut und würden sich am liebsten gegenseitig umbringen aber was mich angeht...sind sie sicher einer Meinung.“, hauchte ich und schloss die Augen. Keiner von ihnen schien anderer Meinung zu sein. Sie blieben still.
„Vielleicht sind beide in Himnaríki?“
Wir alle starrten Milana an. Faith blinzelte perplex.
„Süße, konntest du uns etwa folgen?“, hauchte sie und nahm ihre Tochter auf den Arm.
„Vielleicht will Kieran Amaya beschützen und ist deshalb zu den Engeln gegangen?“
Mein Mund stand inzwischen offen.
„Das wird ja immer unheimlicher...“, hauchte ich. „Als ob es nicht schon reicht das ihre körperliche Entwicklung schneller von Statten geht, nein, jetzt auch noch ihr Verstand!“
Auch Raphael war sprachlos.
„Scheinbar ist deine Tochter ein Genie!“, stieß er verblüfft aus.
„Bitte erzähl niemandem von ihr!“, flehte Faith und sah Raphael bittend an. Der schüttelte den Kopf.
„Werde ich nicht, versprochen. Die Kleine ist viel zu wertvoll um sie solchen Tyrannen wie meinen Brüdern auszusetzen.“
Er berührte noch einmal kurz die Hand von Milana.
„Mach´s gut, Milana.“, sagte er und wandte sich ab. „Ich mach mich jetzt auf den Weg. Sollte ich etwas herausfinden melde ich mich.“
Dann war er im Flur verschwunden.
„R-Raphael?“
Das war Ariel´s Stimme. Faith und ich sahen zur Tür und lauschten.
„Herzlichen Glückwunsch zu deiner Vaterschaft!“
Wir hörten Raphael´s Grinsen deutlich heraus.
„Ich kann mir dich als Vater zwar nur schwer vorstellen aber naja...ich bin sicher du kriegst das hin!“
Ariel seufzte laut.
„Glaub mir, es gibt nichts, was so anstrengend ist! Aber...“
Er zögerte.
„Für nichts auf der Welt würde ich sie wieder hergeben!“
Aus den Augenwinkeln sah ich, dass Faith lächelte. Ein kurzes Lachen ertönte.
„Tja, ich muss los. Übrigens, deine Tochter ist ein Genie!“
Stille.
„Papa.“, sagte Milana.
„Hast du ihn gehört?“, fragte Faith nun nicht mehr ganz so überrascht wie eben. Sie setzte die Kleine auf den Füßen ab und stieß sie an.
„Geh zu ihm.“, sagte sie, worauf das Mädchen loslief.
„Ich versteh das nicht...“, murmelte Faith, als Milana außer Reichweite war. „Sie ist knapp über ein Jahr alt, kann vernünftige Sätze bilden und versteht Dinge, von denen sie keine Ahnung haben dürfte!“
Lächelnd legte ich ihr die Hand auf die Schulter.
„So gruselig das auch ist aber ich finde, du solltest dich über diese Fähigkeiten von ihr freuen! Es macht sie zu etwas Besonderem!“
Faith seufzte.
„Selbst ohne diese Fähigkeiten wäre sie etwas Besonderes. Schließlich ist sie die Tochter eines Erzengels und des Teufels...“, sagte sie leise und richtete ihren Blick auf Ariel, der mit dem Kind auf dem Arm den Raum betrat.
„Was hat Raphael hier zu suchen?“, knurrte er.
„Er hat nur ein paar Informationen geliefert.“, sagte Faith leise. Er kniff misstrauisch die Augen zusammen, sagte aber nichts.
„Ist Raphael ein Freund?“, wollte Milana wissen.
„Kaum zu glauben, aber ja!“, antwortete ich. Faith sah erst ihre Tochter an, dann mich.
„Vielleicht hat Milana Recht und Kieran ist wirklich nur nach Himnaríki gegangen, um dich zu beschützen?“
„Wie will er mich so bitte schützen?“, fauchte ich und wandte mich ab. Doch ihre folgenden Worte ließen mich stehen bleiben.
„Vielleicht will er herausfinden, was sie mit dir vorhaben, sollten sie dich in die Finger kriegen.“
„Sie wollen mich umbringen, ist doch klar!“, knurrte ich und verließ das Zimmer. Nicht viel später fand ich mich in der Trainingshalle wieder...
Mit zusammengebissenen Zähnen schleuderte ich meine Wurfmesser gegen die Wand, in der sie anschließend stecken blieben.
„Warum so ein wütendes Gesicht?“
Ich wirbelte herum und erblickte Danae, die auf mich zu trottete. Ich zuckte mit den Schultern und zögerte.
„Ich habe nur ein bisschen Stress, dass ist alles.“, murmelte ich schließlich und wandte den Blick wieder von ihr ab.
„Von wegen nur ein bisschen Stress. Raus mit der Sprache, was ist los?“, drängte sie.
Danae und Zala wurden schon vor langer Zeit in die Welt der Menschen verbannt, doch erst nachdem der Krieg vorüber war ließen sie sich hin und wieder hier blicken. Ich ließ den Kopf hängen.
„Du weißt nichts von der Sache mit Kieran, oder?“, fragte ich leise und hob den Blick wieder.
Ihr Blick blieb eine Weile unverändert, dann neigte sie den Kopf.
„Raphael meinte zwischen ihm und dir gäbe es Stress und das ihm ein Ultimatum gestellt wurde. Mehr weiß ich nicht.“, war ihre tonlose Antwort. Doch ich merkte, dass sie das Ganze zu interessieren schien.
„Die Erzengel wollen Kieran wieder zu einem Engel machen...Nun ist er verschwunden.“, hauchte ich und kehrte ihr den Rücken zu. Warum erzählte ich ihr das eigentlich? Ich kam mit Danae von Anfang an nicht klar, anders wie mit Zala...Ich bekam keine Antwort.
Ein Messer sauste an mir vorbei, weshalb ich mich umdrehte und die Blondine wütend anstarrte.
„Was soll das?“, fauchte ich und ging sofort in Position.
„Kieran ist definitiv alt genug um selbst über sein Leben zu entscheiden. Ein junges und unerfahrenes Ding wie du sollte ihm da nicht hineinreden!“
Das Gift in ihrer Stimme ließ mich fauchen.
„Ich liebe Kieran! Niemals lasse ich zu das die verdammten Erzengel ihn kriegen!“, schrie ich und stürzte mich auch schon auf sie. Sie wich mir aus, doch das spornte mich nur noch mehr an.
Nach dutzenden weiteren Versuchen von mir ihr einen kritischen Treffer zu verpassen hatte ich es schließlich geschafft, eins meiner Messer knapp neben ihrem Herzen ins Fleisch zu versenken. Sie schrie auf, was mich zufrieden grinsen ließ. Die Halle war inzwischen voller Blut und mindestens die Hälfte davon stammte von mir.
„Warum haben eigentlich alle so ein Problem mit mir?“, fauchte ich leise und beugte mich zu ihr herunter. In ihren Augen blitzte es.
„Du bist ein naives Kind, welches sich in Angelegenheiten einmischt, die sie nichts angehen. Außerdem bist du frech und nimmst kein Blatt vor den Mund! Faith ist zwar weitaus schlimmer als jedes andere mir bekannte Wesen auf der Welt aber du gehst mir auch gehörig auf die Nerven!“, zischte sie und stieß mich von sich herunter. Mit einem Knurren packte ich sie an der Kehle, die voller Blut war.
„Ich bin ein Teil von Pragaras wie jeder andere hier auch und es steht mir durchaus zu sich in des Teufels Angelegenheiten einzumischen, schließlich hat sie mich aufgenommen und sich um mich gekümmert!“, erwiderte ich vor Wut zitternd.
„Du bist nur eine Halbfee!“, schrie sie nun und spuckte mir ins Gesicht. Fauchend schlug ich ihr mit der Faust ins Gesicht. Wieder ein Schreien. Bevor ich weiter auf sie einschlagen konnte wurde ich gepackt und zurückgerissen.
„Was ist denn hier los?“, drang eine tiefe Stimme an mein Ohr. Ich antwortete nicht und versuchte verzweifelt mich aus Raphael´s Griff zu befreien.
„Verdammt, beruhige dich!“, knurrte der mächtige Mann hinter mir. Sein Griff verstärkte sich.
„Es gibt Neuigkeiten.“, knurrte Raphael nun. Mit Kieran im Kopf hielt ich in meiner Bewegung inne.
„Was ist passiert?“, hauchte ich, wirbelte herum und sah verzweifelt zu dem Erzengel auf.
„Kieran ist tatsächlich in Himnaríki.“, sagte er leise und sah mich eindringlich an. Meine Augen weiteten sich. Ich ahnte bereits was er gleich sagen würde.
„Sie haben ihn...“
Das „wieder bei sich aufgenommen.“ registrierte ich gar nicht mehr. Der Anfang seines Satzes war schon genug.
„Nein.“, flüsterte ich. Meine Knie gaben nach, lediglich Raphael´s starker Griff hielt mich auf den Beinen.
„Nein!“, wiederholte ich schluchzend und vergrub mein Gesicht in den Händen.
„Lass sie los! Wir waren noch nicht fertig!“, fauchte Danae hinter uns. Sie war schnell wieder auf die Beine gekommen und von der gebrochenen Nase die ich ihr verpasst hatte, war auch nichts mehr zu sehen. Raphael musterte erst sie, dann mich.
„Was ist hier eigentlich los?“, fragte er, nun in scharfem Tonfall.
„Nur eine Kleinigkeit.“, hauchte ich und schniefte. Dann sah ich wieder zu ihm auf. „Hast du mit Kieran gesprochen?“, fragte ich hoffnungsvoll und hoffte, dass es auch gute Neuigkeiten gab. Er schüttelte mit dem Kopf.
„Nein. Ich habe ihn nur gesehen. Mit Flügeln. Ich konnte mich nicht lange in Himnaríki aufhalten, deswegen kann ich dir nur diese Nachricht überbringen.“
Die Hoffnung in mir erstarb, nur durch seine Worte.
„Weiß Faith Bescheid?“, hauchte ich und sah wieder zu ihm auf. Wieder schüttelte er mit dem Kopf.
„Nein, ich dachte du würdest es als erstes wissen wollen.“
„Danke.“, erwiderte ich und schaffte es, seine großen Hände von meinem Arm zu lösen.
„Ich muss nachdenken.“, murmelte ich und wandte mich ab. Da ich die ganze Zeit über auf den Boden starrte, rannte ich prompt in jemanden hinein. Als ich aufsah traf mich der ausdruckslose Blick des Teufels.
„Faith.“, hauchte ich mit Tränen in den Augen.
„Bevor ich nach den Neuigkeiten frage wüsste ich gerne erst einmal was hier los ist.“
Sie schien sich auf meinen Kampf zu beziehen, denn die musterte sowohl mich als auch Danae.
„Nur eine kleine Auseinandersetzung.“, meldete sich Danae zu Wort. Raphael tauchte neben mir auf.
„Eine kleine Auseinandersetzung würde ich das nicht nennen.“ Er deutete auf mich. „Ich musste sie von ihr herunter zerren.“
Ich schnaubte, verschränkte die Arme und wandte den Blick ab. Ich spürte wie der Teufel mich musterte.
„Ach, ist das so?“, sagte sie. Plötzlich legte sich ihre Hand auf meine Schulter.
„Ich weiß, dass dir im Moment einiges über den Kopf wächst aber das sollte sich nicht auf dein Verhalten auswirken. Du kannst gerne weiter deine Kämpfe austragen aber übertreib es nicht, klar?“, sagte sie. Der warnende Unterton in ihrer Stimme entging niemandem hier.
„Klar.“, flüsterte ich und ging an ihr vorbei. Ich wollte in mein Zimmer, denn ich musste nachdenken. Überraschenderweise ließ sie mich gehen.
„Ich nehme an du bist wegen Kieran hier?“, hörte ich sie noch sagen. Sie sprach wohl mit Raphael.
Als ich mich in mein Bett geschmissen hatte fing ich wieder an zu schluchzen. Warum um alles in der Welt war er zurück gegangen? War er wirklich blöd genug um sich verarschen zu lassen? Hatte man ihn vielleicht manipuliert?
„Ryan!“, flüsterte ich. Hatte er nicht gesagt ich könne ihn jederzeit rufen. Und tatsächlich! Einige Sekunden später stand er vor meinem Bett.
„Amaya.“, hauchte er. Seine Augen weiteten sich als er sah, wie die Tränen ungehindert über meine Wangen liefen. Sofort war er bei mir und hatte die Arme um mich geschlossen.
„Nicht weinen!“, hauchte er. „Ich kann das nicht mit ansehen!“
Ich verkrallte mich in seinem Shirt und schluchzte nur noch lauter.
„Kieran ist...“
Ich schluckte und schaffte es nicht meinen Satz zu beenden.
„Ich weiß...“, sagte er leise und strich mir übers Haar. „Ich war in Himnaríki. Er dient nun den Erzengeln.“
Seine Worte ließen mich noch lauter schluchzen. Ich hatte nun zwar Gewissheit aber langsam glaubte ich, es wäre besser gewesen man hätte mir all das nicht gesagt.
„Shht...das wird schon wieder.“
Doch Ryan´s Worte brachten mich nun nur in Rage.
„Woher willst du das wissen?“, fauchte ich. „Kieran gehört nun zu den Feinden!“
„Noch solltest du die Hoffnung nicht aufgeben!“
Ryan schob mich von sich, damit er mir in die Augen sehen konnte.
„Ich dachte du liebst ihn. Solltest du dann nicht alles daran setzen ihn zurückzuholen?“
Verzweifelt sah ich ihn an.
„Wie soll ich das denn machen? Ich bin nur eine Halbfee!“, murmelte ich.
„Nur eine Halbfee?“, hauchte er fassungslos. „Was um alles in der Welt ist denn los mit dir?“
Wieder flossen Tränen über meine Wangen. Ich lehnte mich an ihn und vergrub mein Gesicht an seinem Hals. Seine Arme legten sich wieder schützend um mich.
„Du hast Gabriel getötet.“, begann er ernst. „Glaubst du wirklich, dass du damit nicht auch fertig werden würdest?“
Meine Augen schlossen sich.
„Ich bin zu schockiert und verzweifelt um etwas zu unternehmen.“, flüsterte ich.
„Was sagt Faith denn dazu? Ich bin sicher das sie und auch alle anderen sich unterstützen werden!“, meinte er selbstsicher.
„Faith hat im Moment andere Dinge zu erledigen...Außerdem muss ich mich selbst um meine Probleme kümmern.“
Scheinbar machten ihn meine Worte wütend, denn er knurrte leise. Plötzlich klopfte es an der Tür.
„Sollte ich gehen?“, flüsterte Ryan.
„Bleib...einfach in meiner Nähe, ja?“, hauchte ich und sah zu ihm auf. Er lächelte, nickte und küsste mich dann auf die Stirn.
„Für dich würde ich alles tun!“, sagte er leise und küsste mich auf die Stirn, dann war er verschwunden. In diesem Moment ging die Tür auf. Zala betrat mein Zimmer.
„Hey!“, begrüßte sie mich leise lächelnd.
„Du bist auch hier?“, fragte ich überrascht. Sie nickte, kam zum Bett und ließ sich schließlich neben mir nieder.
„Ja. Danae ist schon seit Tagen mies drauf, deswegen ist sie eines Kampfes wegen hierher gekommen. Ich dachte mir ich komme mit.“
Ich sagte nichts dazu, was sie wunderte, denn sie neigte den Kopf.
„Ist alles in Ordnung?“, fragte sie leise. Zala war um einige Längen sensibler als Danae, weshalb ich beschloss ihr alles zu erzählen.
…
„Was?“, war am Ende alles was sie sagen konnte. Ich nickte.
„Es ist alles wahr. Und das schlimmste daran ist, dass ich nichts daran ändern kann!“, murmelte ich. Sie legte mir eine Hand auf die Schulter, so wie Faith es immer tat.
„Mach dir keine Sorgen, wir alle werden unser Möglichstes tun!“
Ihre Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit fand ich schon immer bemerkenswert...
„Und wie?“, fragte ich hoffnungslos. Ihre Augen begannen zu leuchten und ein hinterhältiges Lächeln umspielte ihre Mundwinkel.
„Was hältst du davon wenn wir uns in Himnaríki einschleichen und herausfinden, was wirklich mit Kieran los ist?“
Perplex blinzelte ich sie. So kannte ich sie ja gar nicht.
„Sieh an, du bist also doch nicht so harmlos wie es scheint.“, murmelte ich und musterte sie. Sie grinste und erhob sich, worauf sie gut gelaunt durch das Zimmer tänzelte.
„Himnaríki ist mein Zuhause. Ich wurde zwar verbannt, dennoch treibe ich mich dort das ein oder andere mal herum. Sie müssen unseren Aufenthalt dort ja nicht bemerken. Wir schauen nur was dort so passiert, dass ist alles. Also was hältst du davon?“
„Ich weiß nicht...“, sagte ich leise. „Ich glaube das ist im Moment keine gute Idee.“, fügte ich nachdenklich hinzu. „Selbst Raphael ist es dort im Moment zu gefährlich.“
Mit unschuldigem Blick sah sie mich an.
„Was ist los mit dir, Amaya? Du bist doch sonst immer jedes Risiko eingegangen, also warum nicht jetzt?“
„Im Moment ist mir einfach alles zu viel, weißt du. Ich weiß nicht so Recht, wie ich die ganzen Sachen angehen soll.“
Du wirst nicht nach Himnaríki gehen, hast du verstanden?
Ryan´s Stimme in meinem Kopf ließ mich die Luft anhalten.
„Ryan...“, murmelte ich. Zala bekam es mit.
„Ryan? Wer ist das?“, fragte sie neugierig.
„Ein...sehr guter Freund von mir.“, antwortete ich leise.
„Wie gut?“, wollte sie wissen. Geistesabwesend sah ich sie an. Glaubte sie etwa, dass zwischen uns etwas lief.
„So gut, dass ich etwas mit ihm anfangen würde, wenn ich Kieran nicht lieben würde.“, antwortete ich wahrheitsgemäß.
„Ach, ist das so?“
Zala und ich sahen zu Ryan, der an der Tür lehnte.
„Das weißt du ganz genau.“, sagte ich tonlos. Zala beobachtete fasziniert die Situation.
„Ryan, nehme ich an.“, sagte sie leise. Mein Wächter nickte, stieß sich von der Tür ab und kam zu mir.
„Egal ob du Kieran liebst oder nicht, du wirst nicht nach Himnaríki gehen!“
Das Ryan sich um mich sorgte ließ Zala grinsen.
„Verstehe, so gut also.“, sagte sie kichernd. Dann wurde sie ernster und sie wandte sich an Ryan.
„Ich kann verstehen das du dich um sie sorgst aber du weißt genauso gut wie jeder andere auch, dass Amaya daran zugrunde geht, wenn sie nichts unternimmt. Also lass sie gefälligst gehen. Wenn du sie so sehr liebst kannst du gerne mitkommen.“
Er knurrte, seine Augen schlossen sich für einen Moment und als sie sich wieder öffneten, starrten sie Zala wütend an.
„Worauf du dich verlassen kannst! Aber lass dir eines gesagt sein. Solltest du daran Schuld sein, dass etwas schief läuft, kannst du etwas erleben!“, knurrte er. Sie lächelte und zuckte nur mit den Schultern.
„Wie du meinst.“
Zala ist wirklich in Ordnung. Auch wenn etwas schief gehen sollte, gib ihr nicht die Schuld!
, dachte ich und sah zu ihm auf. In seinen Augen blitzte es, als er seinen Blick auf mich richtete.
Sie sieht zwar unschuldig aus aber in jedem Engel steckt auch ein Dämon.
, kam es von ihm zurück.
Nachdenklich sah ich zu ihm auf. Ich glaubte ihm! Ja, das tat ich wirklich!
Ich weiß nicht warum es so ist aber ich glaube dir. Dennoch...bist du ja dabei, also kann gar nicht schiefgehen!
Er beugte sich zu mir herunter und berührte mit seinen Lippen leicht meine Wange.
„Täusch dich da mal nicht, Kleines.“, hauchte er und war auch schon wieder zurückgewichen.
Ich seufzte und fuhr mir mit der Hand durchs Haar.
„Würdest du deine Position je ausnutzen?“, fragte ich leise und sah ihn wieder an.
„Du ahnst ja nicht, wie oft ich das schon getan habe. Aber warum fragst du das?“, erwiderte er. Zala schwieg noch immer.
„Vielleicht sollte ich die Frage anders formulieren.“, murmelte ich und dachte einen Augenblick lang nach.
„Also gut...hast du deinen Rang je...meinetwegen ausgenutzt?“
In seinen Augen blitzte etwas auf.
„Vielleicht.“, war seine trockene Antwort.
„Können wir dann los?“, mischte sich nun Zala wieder ein. Wir sahen sie überrascht an.
„Jetzt? Sofort?“, hauchte ich verwirrt.
„Aber wir müssen Faith Bescheid geben.“, fügte ich hinzu. Doch Zala schüttelte den Kopf.
„Wenn Faith davon erfährt wird sie dich einsperren um dich daran zu hindern.“, sagte sie und sah mich eindringlich an. Langsam wurde mir das unheimlich.
Nimm es mir nicht übel aber das ist mir nicht geheuer.
, meldete sich Ryan in meinem Kopf zu Wort.
Mir nun auch nicht mehr. Aber es geht um Kieran.
, antwortete ich nachdenklich. Ryan´s Mundwinkel zuckten.
Scheint als wärst du nun doch wieder zu Verstand gekommen.
Nachdem mich seine Gedanken erreicht hatten verschränkte er die Arme.
„Meinetwegen, machen wir uns auf den Weg.“, sagte er laut, nahm meine Hand und bedeutete Zala uns zu folgen.
_____6_____
„Es ist mir letztes Mal gar nicht aufgefallen aber...es ist wunderschön hier!“, hauchte ich.
„Der Eindruck täuscht.“, erwiderte Ryan, der die Führung übernahm. „Himnaríki ist ein grausamer Ort.“, fügte er hinzu. Seine Tonlosigkeit ließ mich erschaudern. Zala´s Gesichtsausdruck war ernst und ausdruckslos, also schien Ryan Recht zu haben. Ich ließ den Blick schweifen und stellte fest, dass niemand zu sehen war.
„Müsste es hier nicht vor Engeln wimmeln?“, flüsterte ich.
„Ja.“, sagte Zala trocken. Ein lautes, verzweifeltes Brüllen ließ mich zusammenzucken.
„Mach dir keine Sorgen, dass ist hier völlig normal.“, meldete sich Ryan wieder zu Wort.
„So langsam fange ich an zu glauben, dass es in Pragaras friedlicher unr ruhiger zugeht als hier.“, murmelte ich. Ryan blieb mit Zala vor einer großen Tür stehen, sah über seine Schulter und legte sich den Finger auf die Lippen. Mein Mund schloss sich.
Im Gegensatz zu Himnaríki ist Pragars ein Ort des Friedens.
, ertönte seine Stimme in meinem Kopf. Faith ist zwar der Teufel, allerdings behandelt sie ihre Untergebenen immer mit Respekt. Auch wenn man ihr das nicht ansieht. Die Erzengel dagegen...
Seine Stimme verstummte. Einen Augenblick lang schweifte ich mit den Gedanken ab. Er hatte Recht! Faith hatte vor jedem Dämon Respekt. Sie zeigte das nicht immer. Manchmal jedoch war es ziemlich offensichtlich.
Wo genau sind wir?
, dachte ich, als wir durch einen langen Flur schlichen.
Wir sind auf dem Weg zu der Halle, in der sich die Erzengel befinden. Kieran muss dort sein
.
Ryan´s Worte jagten mir ein wenig Angst ein.
Um Gottes willen, die bringen mich um, wenn sie mich sehen!
Plötzlich blieb er stehen. Er drehte sich zu mir um und küsste mich auf die Stirn.
Zala und ich werden uns etwas überlegen, mach dir keine Sorgen.
Mit großen Augen sah ich zu ihm auf. Langsam wurde mir bewusst, dass ich mich glücklich schätzen konnte jemanden wie Ryan zu haben. Damals war Kieran auch immer für mich da gewesen, nun allerdings...Tränen traten mir in die Augen. Damals...so lange war das doch gar nicht her!
Warum weinst du jetzt?
Ryan ging vor mir in die Knie und sah besorgt zu mir auf.
Hey!
Ich sah ihm in die Augen und wischte die Tränen weg.
Ich finde es nur so toll, dass du für mich da bist!
, dachte ich und zwang mich zu einem Lächeln. Mit zweifelndem Blick zog er die Brauen hoch. Er richtete sich wieder auf und legte seine Hände auf meine Schultern.
Du musst mir nicht die Wahrheit sagen, wenn du nicht willst. Aber wehe wenn du mich noch einmal anlügst!
Ich konnte meine Verblüffung nicht verbergen. Er kannte mich wirklich besser als jeder andere!
Ich unterbreche euch wirklich nur ungerne aber wenn wir hier weiter herumstehen bemerkt man uns noch.
Zala´s Stimme in unseren Köpfen ließ Ryan einen Schritt zurücktreten und sich abwenden. Ohne ein weiteres Wort ging er weiter. Nachdenklich sah ich ihm nach.
Nun komm schon.
Zala´s Worte in meinem Kopf und ihr Ellenbogen in meinen Rippen ließen mich weitergehen. Alle paar Meter sah Ryan über seine Schulter zu mir zurück. Machte er sich so große Sorgen um mich? Hin und wieder lächelte ich als er mich ansah, doch er kaufte mir dieses Lächeln nicht ab. Niedergeschlagen trottete ich hinter den beiden her. Was tat ich hier eigentlich? Was sollte das denn bringen? Wenn Kieran nun ein Untergebener der Erzengel war würde ich nichts daran ändern können! Andererseits...Ryan hatte Recht gehabt! Was um alles in der Welt war los mit mir? Seit wann gab ich einfach so die Hoffnung auf? Ich seufzte leise und lief in Ryan hinein. Er war stehengeblieben.
Was ist los?
, dachte ich.
Wir sind da.
, kam es von ihm zurück. Wieder sah er über seine Schulter zu mir.
Ich werde eine kleine Show abziehen und versuchen Kieran herauszulocken. Zala wird dich in einen kleinen Garten bringen. Dort werdet ihr warten, verstanden?
Ich nickte schwach und sah ihn dann mahnend an.
Ganz egal was auch passiert, ihr werdet euch nicht prügeln, klar?
Er verzog das Gesicht.
Wenn es unbedingt sein muss...
, kam es genervt zurück. Ich lächelte. Stellte mich auf Zehenspitzen und küsste ihn auf die Wange. Dann warf ich Zala einen Blick zu. Sie nickte, sah Ryan kurz an und wandte sich dann ab. Ich folgte ihr.
…
Nervös an meinen Nägeln kauend lugte ich hinter dem Baum hervor, hinter dem Zala und ich standen.
„Er braucht ganz schön lange.“, flüsterte ich und ließ von meinen Fingernägeln ab, um dann auf meiner Lippe herumzukauen.
„Bleib locker, er wird sicher gleich mit Kieran um die Ecke kommen.“, meinte Zala mit einem Schulterzucken. Misstrauisch sah ich sie an.
„Was läuft eigentlich zwischen Ryan und dir?“, wollte sie nun wissen. Verwirrt sah ich sie an.
„Ich sage doch das wir...nur sehr gute Freunde sind.“, beeilte ich mich zu sagen. Zweifelnd sah sie mich an. Erst jetzt fiel mir auf...wie eingebildet sie wirken konnte.
„Das sah aber anders aus.“, sagte sie.
„Mag sein aber...er weiß das ich Kieran liebe.“, antwortete ich und drehte mich zu ihr um. Ich lehnte mich gegen den Baumstamm und sah sie eindringlich an. Nicht zu fassen das ich jetzt so offen darüber sprach. Und dann ausgerechnet mit Zala! Eigentlich vertraute ich ihr, doch das sie so unbedingt hierher wollte ließ mich misstrauisch werden. Ich vertraute Ryan sehr, weshalb ich auch hierbei glaubte das er Recht hatte. Vielleicht war Zala in Wirklichkeit genauso hinterlistig wie Danae?
„Bist du dir sicher das du Kieran liebst?“, fragte sie plötzlich. Ich wurde augenblicklich vorsichtig.
„Wie meinst du das?“, erwiderte ich leise. Wieder zuckte sie mit den Schultern.
„Naja, nach dem Mist den Kieran abzieht hätte ich ihn schon längst abgeschrieben.“
Geschockt sah ich sie an.
„Aber Kieran...“
„...lässt dich links liegen!“, unterbrach sie mich und machte eine kurze Geste mit der Hand.
„Es mag ja sein das er gesagt hat du würdest ihm etwas bedeuten aber wenn dem wirklich so ist, warum dient er dann nun den Erzengeln?“
Mit ihren Worten trieb sie mir wieder die Tränen in die Augen. Ich versuchte mich zusammenzureißen und nicht loszuheulen, doch schon lief die erste Träne über meine Wange.
Amaya?
Verwirrt registrierte ich Ryan´s Stimme in meinem Kopf.
Amaya, was ist los? Ist etwas passiert?
Ich blinzelte.
Wie kommst du darauf das etwas passiert ist?
, dachte ich und starrte mit überstrapazierten Nerven zu Boden.
Ich...spüre es.
, kam es zurück. Ich erstarrte. Er konnte es...spüren? Lag es etwa daran, dass er mein Wächter war?
K-Keine Sorge, es ist alles in Ordnung. Ich bin...was meine Gefühle angeht nur ein bisschen verwirrt.
, dachte ich nun nicht mehr ganz so angespannt. Seine Stimme zu hören beruhigte mich, wie ich nun feststellen musste. Für eine Weile schwieg er, dann...
Willst du darüber reden?
Nein. Aber...trotzdem danke.
, antwortete ich und lächelte kurz. Dann wurde ich schlagartig ernst.
Bist du immer noch bei den Erzengeln?
Nein.
Er zögerte, was mich aufmerksamer werden ließ. Ich diskutiere mit Kieran. Wir sind auf dem Weg zu euch, also haltet euch bereit.
Ich sah Zala an.
„Sie werden gleich hier sein.“, sagte ich.
Meine Anspannung wuchs.
Amaya.
Ich zuckte zusammen als ich Ryan´s Stimme erneut vernahm.
Ja?
Egal was gleich auch passiert, reiß dich zusammen, klar?
Seine Worte jagten mir erneut Angst ein. Er schien bereits zu ahnen, dass die Situation außer Kontrolle geraten würde.
Ja.
, antwortete ich leise und kam schon mal hinter dem Baum hervor. Nervös begann ich auf und ab zu laugen.
Wie steht es um ihn?
Ich bekam auf meine Frage keine Antwort, weshalb ich das schlimmste befürchtete. Ich schloss die Augen und lehnte mich wieder gegen den Baumstamm, als plötzlich ein Krachen ertönte. Hätte ich mir nicht kraftvoll auf die Lippe gebissen, hätte ich einen Schrei ausgestoßen.
„Lass mich gefälligst in Ruhe damit!“
Die tiefe Stimme und dessen Knurren kamen mir bekannt vor...
„Kieran!“, hauchte ich und schlug mir die Hand vor den Mund. Kieran hatte Ryan einen Schlag verpasst, bei dem er sich nicht mehr halten konnte und zu Boden ging. Seine unglaublichen weißen Flügel verschlugen mir den Atem. Schn wieder verschwamm meine Sicht durch Tränen.
„Was hast du überhaupt hier zu suchen?“, brüllte er nun. Noch bevor Ryan darauf antworten konnte bemerkte Kieran mich.
„Wieso hast du sie hierher gebracht?“, knurrte er und verpasste Ryan erneut einen Schlag.
„Hör auf!“, schrie ich und rannte auf die beiden zu. Zala versuchte mich zurückzuhalten, doch ich riss mich von ihr los. Bei Kieran angekommen kegte ich ihm die Hände auf die Brust und drängte ihn zurück.
„Hör gefälligst auf!“, fauchte ich und sah kurz über meine Schulter.
Ist alles in Ordnung?, dachte ich und sah Ryan an. Er nickte lediglich.
„Du hast hier nichts zu suchen!“, brüllte Kieran und stieß mich so kraftvoll zurück, dass ich das Gleichgewicht verlor und genau auf Ryan fiel.
„Alles okay?“, fragte der Engel und sah mich besorgt an.
„Ja.“, hauchte ich und erhob mich rasch. Aus Angst ihm weh getan zu haben musterte ich ihn.
„Hast du dich verletzt?“
Er schüttelte den Kopf, weshalb ich mich erleichtert von ihm abwandte.
„Was soll das?“, hauchte ich und sah wieder zu Kieran auf. Mit ausdruckslosem Gesichtsausdruck sah er mich an. Er antwortete nicht.
„Warum dienst du den Erzengeln? Ist dir klar, dass du mir damit weh tust?“
Seine Augen verengten sich.
„Ist dir klar, dass die Erzengel dich töten wenn sie dich sehen? Da ich ihnen diene könnte auch ich dich töten!“
„Würdest du es tun?“, hauchte ich mit tränenerstickter Stimme. Er öffente bereit den Mund, doch zwei Hände legten sich auf meine Ohren, weshlab ich seine Antwotr nicht hörte. Da Ryan mir die Ohren zuhielt vermutete ich, dass er nicht wollte das ich Kieran´s Worte hörte. Das widerrum ließ mich wissen wie die Antwort ausgefallen ist. Auch wenn ich nichts hörte konnte ich mir vorstellen wie er sagte: „Wenn sie es befehlen würden...“
Wieder schlug ich mir die Hand vor den Mund. Meine Knie gaben nach, ich fing an zu schluchzen und konnte mich nicht mehr auf den Beinen halten.
„Was ist bloß aus dir geworden?“, schluchzte ich. Ryan hielt mich auf den Beinen.
„Willst du ihnen sagen das wir hier waren?“
Ich nahm seine Stimme nur am Rande war. Die Frage war wohl an Kieran gerichtet.
„Das kommt ganz darauf an wie ihr nun handelt.“, antwortete er.
„Ryan!“
Ich hörte Zala rufen, dich ich ignorierte es.
„Wir verschwinden besser. Ich höre jemanden.“
Nun erst sah ich auf. War es etwa ein Erzengel?
„Ihr beide werdet verschwinden. Ich bleibe.“, war Ryan´s Antwort. Ich sah ihn an.
Keine Sorge, ich komme schon klar.
Seine Worte beruhigten mich nicht wirklich, weshalb sich meine Hand in seinem Shirt verkrallte.
Du kannst nicht hierbleiben, Kleines.
, ertönte seine Stimme wieder. Er küsste mich auf die Stirn.
Ich bin ein Engel, Süße, mir wird nichts passieren. Ich komme nach, in Ordnung?
Nachdem ich ihn noch einige Sekunden lang angestarrt hatte nickte ich schließlich schwach. Er schob mich von sich und drückte mich in Zala´s Richtung.
„Beeilt euch.“, sagte er noch, dann hatte mich Zala auch schon gepackt und mitgezogen.
…
„Hey.“, murmelte Zala und strich mit der Hand über meinen Rücken.
„Kannst du den anderen sagen, dass sie mcih fürs erste in Ruhe lassen sollen?“, schniefte ich. Sie nickte, sah mich aber besorgt an.
„Kommst du klar?“
„Ja.“, sagte ich und schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter. Ohne noch etwas zu sagen lief ich in mein Zimmer. Wo ich mich in mein Bett schmiss und mein Gesicht im Kissen vergrub. Das die anderen gleich erfahren würden das ich in Himnaríki war, war mir egal. Ich war mir sicher, dass Faith gleich hereingestürmt kam, trotz meiner Bitte nicht zu stören. Ich fragte mich ob Raphael noch hier war, doch eigentlich war es mir egal.
Ich wusste nicht wie lange ich in meinem Bett lag und weinte, doch irgendwann legte sich eine Hand auf meine Schulter. Ich vermutete Faith oder Ariel, doch als ich den Blick hob blickten mich zwei grüne Augen an.
„Ryan.“, flüsterte ich. Mit dem Handrücken wischte ich mir über die Augen. Er schüttelte den Kopf.
„Es gibt keine guten Neuigkeiten.“, sagte er leise. Die Hoffung in mir erstarb.
„Soll ich dir erzählen was passiert ist nachdem ihr weg wart?“
Ich nickte. Was immer auch passiert sein mochte, ich wollte es wissen!
„Ich weiß nicht was die Erzengel ihm gesagt...“, begann er leise und drückte mich an sich.
„Er...wird nicht zurückkommen, Amaya.“
Ich brach in Tränen aus.
Warum?
, dachte ich. Ich war nicht in der Lage meinen Gedanken laut auszusprechen. Dafür war ich zu verzweifelt.
„Ich weiß es nicht.“, sagte er und strich mir übers Haar. „Er sagte das er nicht zurück kommt, nicht warum er nicht zurück kommt.“
Ich vergrub mein Gesicht an seinem Hals. Er wollte mich von sich schieben, doch ich krallte mich an ihm feste.
„Geh nicht!“, schluchzte ich.
„Nein, ich gehe nicht.“, hörte ich ihn leise sagen. Ich fühlte mich hilflos. Wäre Ryan nicht hier gewesen hätte ich mich einsam gefühlt. Doch er war hier...Er war immer hier! Tröstete mich und ließ mich nicht alleine. Warum war er es und nicht Kieran?
„Ich weiß von Ariel, dass Kieran sich schon seit seiner Verbannung danach sehnte wieder ein Engel zu sein. Vielleicht interessierte ihn das von Anfang mehr als dich.“
Ryan´s Worte machten es nicht besser. Vielleicht hatte er Recht, doch auch wenn ich dadurch Gewissheit gehabt hätte wäre es nicht erträglicher geworden. Nun schaffte es Ryan doch mich von ihm zu lösen.
„Ich weiß das dir folgende Worte nicht gefallen werden aber du musst ihn dir aus dem Kopf schlagen!“
Ich sah zu ihm auf.
„Wie kannst du so etwas sagen?“, flüsterte ich.
Seine Hand legte sich an meine Wange. Eindringlich sah er mich an.
„Er gehört jetzt zu den Feinden, Amaya! Er würde dich töten, wenn es ihm befohlen wird!“, sagte er. Ich schüttelte den Kopf.
„Nein!“, hauchte ich. „Nein, dass würde er nicht tun!“
Ich wollte es nicht einsehen dabei...wusste ich schon längst, dass er Recht hatte!
„Verdammt, Kleines, sieh es ein! Es ist vorbei, ehe es überhaupt angefangen hat!“
Er hatte mich an den Schultern gepackt und kurz geschüttelt. Mit roten verquollenen Augen sah ich ihn an. Seine harten Gesichtszügte und der kalte Ausdruck in seinen Augen ließen mich inne halten.
„Wieso?“, flüsterte ich.
Mit einem Mal wurden seine Gesichtszüge weicher. Seine Finger legten sich unter mein Kinn und hoben mein Gesicht an.
„Weil ich nicht mit ansehen kann wie du leidest!“, hauchte er und lehnte sich vor.
„Ich habe Angst, Ryan!“, flüsterte ich. Ich wusste nicht ob es richtig war ihm meine verletzliche Seite zu zeigen, ich wusste nur, dass ich von ihm getröstet werden wollte.
„Wer weiß was die Erzengel mit mir vorhaben.“, fügte ich mit Tränen in den Augen hinzu.
„Sie werden dich nicht kriegen, hörst du?“
Ich konnte gar nicht anders als zu nicken. Ich vertraute, glaubte ihm!
„Ruh dich aus.“, flüsterte er nun und drückte mich ins Kissen. Ich streckte die Hand nach ihm aus, doch er drückte sie nieder und lächelte.
„Keine Sorge, ich werde nicht weggehen.“
Sofort beruhigte ich mich. Bis jetzt hatte er sein Wort immer gehalten. Ich wusste das es auch dieses Mal so sein würde. Ich schloss die Augen.
„Faith wird mir den Arsch aufreißen.“, murmelte ich. Vielleicht wäre es ja besser das Thema zu wechseln?
„Wie kommst du darauf?“, fragte er leise. Ununterbrochen hielt er meine Hand.
„Ich schätze sie hat erfahren das wir in Himnaríki waren.“, flüsterte ich. Nun erst bemerkte ich, wie müde ich war.
„Mach dir keine Gedanken. Ich halte sie auf, falls sie auf die Idee kommt dich wecken zu wollen.“
Es warmes, weiches berührte mich an den Lippen, doch ich war zu müde um etwas dazu zu sagen. Hatte er mich geküsst?
„Schlaf jetzt.“, flüsterte er. Meine Mundwinkel zuckten noch, dann war ich eingeschlafen.
_____7_____
Als ich aufwachte musste ich feststellen, dass ich mich nicht in meinem Bett befand. Und Ryan war auch nicht hier.
„Ryan?“, flüsterte ich und setzte mich auf. Ich lag zwar in einem Bett aber es war nicht meines. Und es war auch nicht mein Zimmer in dem ich mich befand.
„Was zum...“
Irritiert schlug ich die Decke zurück, um aus dem Bett zu steigen. Ich machte einige Schritte, als sich plötzlich eine große Hand auf meinen Mund legte und ich an einen stählernen Körper gedrückt wurde. Ich versuchte zu schreien, demjenigen in die Hand zu beißen, doch als mir ein vertrauter Geruch in die Nase stieg hörte ich auf mich zu wehren. Ich erstarrte und spürte wie meine Beine nachgaben. Seine Hände packten mich an den Armen und zogen mich hoch.
„Du wirst das tun was ich dir sage, hast du verstanden?“
„Nein!“, schrie ich und brach sofort in Tränen aus. Mit aller Gewalt versuchte ich mich von ihm loszureißen, doch mit einem kraftvollen Griff drehte er mich um. Mit der flachen Hand holte er aus. Die Wucht des Schlages warf meinen Kopf zur Seite.
„Ob du verstanden hast?“, brüllte er und schüttelte mich nun.
„Ja.“, wimmerte ich und kniff die Augen zusammen. War ich in Himnaríki? Wenn ja, warum? Ich wurde grob aufs Bett gestoßen und wütend angestarrt.
„Ich habe dich geliebt, Kieran!“
Moment mal! Ich habe? Warum hatte ich das gesagt?
„Du liebst mich also nicht mehr?“
In seinen Augen blitzte es. Er nahm eine entspannte Haltung ein und verschränkte die Arme.
„Das ist ja interessant.“, fügte er hinzu. Er neigte den Kopf, kam zum Bett und beugte sich vor. Mit den Fingern hob er mein Gesicht an.
„Darf ich fragen warum?“, hauchte er.
Doch ich konnte ihm auf seine Frage keine Antwort geben. Ich wusste ja selbst nicht warum ich das gesagt hatte. Ich ging nicht auf seine Frage ein, stattdessen versuchte ich die Tränen zurückzuhalten.
„Du hast mich entführt!“, stellte ich jetzt erst fest. Mehr als ein Flüstern brachte ich nicht heraus. Erst zuckten seine Mundwinkel, dann verzogen sich seine Lippen endgültig zu einem Grinsen.
„Stimmt. Und was willst du jetzt tun?“, hauchte er.
„Wieso hast du das getan?“, erwiderte ich. Nun konnte ich mich nicht mehr zurückhalten. Ich sprang auf, stieß ihn zurück und holte aus.
„Du bist so ein Arsch!“, schrie ich und wich seiner Faust aus. So schnell ich konnte stürmte ich an ihn vorbei, auf die Tür zu. Ich riss sie kraftvoll auf und rannte aus dem Zimmer. Doch weit kam ich nicht, denn ich wurde gepackt und zurückgerissen.
„Lass mich los!“, kreischte ich und versuchte mich loszureißen.
„Träum weiter.“, knurrte er.
„Die bringen mich um, Kieran!“, begann ich schluchzend. „Willst du das wirklich zulassen?“
„Ich diene ihnen, Süße, also was glaubst du?“, war seine kalte Antwort.
„Was haben sie nur mit dir gemacht?“, flüsterte ich und schluchzte noch mehr. Ich hatte inzwischen aufgehört mich zu wehren. Ich bekam keine Antwort. Kieran hatte mich entführt! Was passierte denn jetzt? Würden mich die Erzengel jetzt umbringen?
„Was habt ihr jetzt mit mir vor?“, hauchte ich. Ich sah zu Kieran auf, doch ich konnte nicht viel erkennen, da mir meine Tränen die Sicht nahmen.
„Das ist noch nicht entschieden. Aber genau deshalb wirst du hierbleiben.“, sagte er monoton und schleifte mich zurück in das Zimmer. Noch bevor ich reagieren konnte hatte er mich geschubst, die Tür zugezogen und mich eingeschlossen.
„Lass mich hier raus, du mieses Schwein!“, schrie ich und hämmerte mit den Fäusten gegen die Tür. Als mir klar wurde das ich ihn beleidigt hatte ließ ich die Fäuste sinken.
„Was ist bloß los mit mir?“, flüsterte ich und sank zu Boden. „Ryan, bitte hilf mir!“, flehte ich schluchzend und lehnte die Stirn gegen die Tür. Doch so sehr ich auch schrie und hoffte er würde kommen und mich retten, er kam nicht. Meine Augen schlossen sich. Liebte ich Kieran wirklich nicht mehr? Plötzlich fielen mir wieder Zala´s Worte ein. Sie hatte Recht! Er hatte mich links liegen gelassen...Doch, gab es nicht vielleicht einen Grund für sein Verhalten? Ich wusste das Ryan nur das Betse für mich wollte und das er es nicht mit ansehen konnte wie ich litt, doch konnte ich Kieran wirklich einfach so vergessen?
„Kieran!“, schrie ich und schlug mit der Faust wieder gegen die Tür. „Lass mich hier raus!“
Doch er ignorierte mein Flehen.
…
Langsam öffneten sich meine Augen. Wie lange hatte ich geschlafen?
„Wird auch Zeit.“
Das tiefe Knurren ließ mich den Kopf heben. Als ich sah das Kieran auf das Bett zukam war ich sofort hellwach.
„Komm mir nicht zu nahe!“, hauchte ich und war auch schon aufgesprungen. Er verdrehte die Augen und griff nach mir. Ich versuchte seiner Hand auszuweichen, doch er bekam mich am Handgelenk zu fassen.
„Du wirst mitkommen!“, knurrte er und zog an mir.
„Nein!“, fauchte ich und schlug ihm die Fingernägel in den Arm. Er knurrte und zog so kraftvoll an mir, dass ich ins Straucheln geriet. Ohne auf mich zu achten zog er mich hinter sich her. Ich versuchte weiterhin seine Finger von meinem Gelenk zu lösen, doch es war zwecklos. Verdammt noch mal, war er schon immer so stark gewesen?
„Wo bringst du mich hin?“, fragte ich verzweifelt und stolperte hinter ihm her.
„Rate doch mal.“, war seine monotone Antwort.
„Du bringst mich doch nicht etwa zu den Erzengeln?“, flüsterte ich und sah ihn mit großen Augen an. Aus den Augenwinkeln heraus musterte er mich.
„Schlaues Mädchen.“
Der belustigte Unterton in seiner Stimme schockierte mich.
„Das kannst du nicht machen!“
Das Zittern in meiner Stimme ließ sich nicht unterdrücken...
„Bist du sicher?“
Er zog mich weiter. Nicht sehr viel später befanden wir uns in dem Saal, in dem der Kampf damals stattgefunden hatte. Als ich die Erzengel erblickte erstarrte ich. Ich blieb stehen, stolperte aber da Kieran mich ohne zu zögern weiterschleifte.
„Nein!“, schluchzte ich. „Bitte nicht!“
Ich hatte das Gefühl ein Rind zu sein, dass gerade zur Schlachtbank geführt wurde.
Nachdem wir die Erzengel erreicht hatten, stieß Kieran mich zu Boden. Schnaufend hob ich den Blick. Die Blicke der Erzengel ließen mich erkennen, dass sie mich nur für ein Insekt hielten, das für sie nie von Bedeutung sein würde.
„Halbfee.“, stieß Uriel angewidert aus.
„Erzengel.“
Ich spuckte das Wort wütend aus. Mochte sein das Kieran meine Angst meine Angst zu Gesicht bekommen hatte, den Erzengeln gegenüber würde ich mich allerdings zusammenreißen. Sie alle starrten mich an, lediglich Michael´s Blick war nicht so ganz so tödlich wie der, der anderen. Ich musterte ihn unauffällig. Alle hatten ihre prachtvollen Flügel ausgebreitet. Auch er! Nur waren seine alles andere als prachtvoll. Seine Federn waren hellblau, sahen irgendwie zerzaust aus und wurden von unzähligen dunkelblauen, ungleichmäßigen Narben durchzogen. Man sah ihm an, dass seine Wunden noch nicht vollständig verheilt waren.
„Bringen wir sie endlich um!“, knurrte Jophiel. Alle sahen ihn an, auch ich. Meine Augen verengten sich.
„Nein.“, sagte Michael.
Das ausgerechnet er etwas dagegen hatte überraschte mich. Die Blicke richteten sich auf ihn.
„Wir sollten sie als Druckmittel noch eine Weile am Leben lassen.“, fuhr er fort.
„Als Druckmittel?“, mischte sich Uriel wieder ein. „Und was willst du damit erreichen?“
Michael´s Mundwinkel zuckten.
„Vielleicht lässt sich ja somit der Teufel locken?“
Ich schnaubte.
„Faith ist zu beschäftigt um mir den Arsch zu retten. Egal was ihr macht, sie wird nicht kommen!“, fauchte ich und hoffte, dass ich damit Recht behalten würde.
„Ich bin dafür das wir sie langsam und qualvoll zu Tode kommen lassen.“, knurrte Jophiel. Uriel schüttelte den Kopf, erhob sich und kam auf mich zu. Ich schluckte.
„Nicht zu fassen, dass ein solch niederes und jämmerliches Geschöpf wie du Gabriel auf dem Gewissen hat!“, brüllte er und ballte die Hand zur Faust. Ich schloss die Augen und machte mich somit auf den folgenden Schlag gefasst, doch es ertönte nur ein lautes Krachen und ein Brüllen. Zögerlich schlug ich die Augen auf.
„Ryan!“, hauchte ich. Tränen sammelten sich in meinen Augen. Er stand vor mir, drehte sich um und ging dann in die Hocke, um mit mir auf Augenhöhe zu sein. Sofort warf ich mich ihm an den Hals.
„Oh, Teufel sei Dank!“, flüsterte ich. Seine Hände drückten mich an ihn.
„Scheint als wäre ich gerade noch rechtzeitig gekommen.“
Die Stimme ließ mich die Augen aufreißen.
„Raphael?“, murmelte ich und beobachtete über Ryan´s Schulter die Situation. Es war tatsächlich Raphael der mitten im Saal stand. Meine Augen weiteten sich. Kieran lag auf dem Boden, scheinbar bewusstlos und auch Uriel war verletzt. Offenbar war Raphael Schuld daran. Plötzlich sah er über seine Schulter zu mir. „Danke!“ formte ich wortlos mit den Lippen. Er nickte stumm und wandte seinen Blick von mir ab.
„Was macht ihr hier?“, flüsterte ich und sah Ryan an. Mit verbittertem Gesichtsausdruck sah er mich an.
„Ich bin eingeschlafen und habe deshalb nicht mitbekommen das Kieran aufgetaucht ist. Nachdem wir dich nicht gefunden haben war klar, dass du hier sein musstest. Und nun genug geplaudert, wir müssen von hier verschwinden!“
Er richtete sich auf und griff nach meiner Hand, um mich mitzuziehen.
„Aber was ist mit Raphael?“
Verzweifelt sah ich zu ihm zurück und genau in diesem Moment sah auch er wieder über seine Schulter. Dann war Ryan auch schon mit mir in den endlos langen Flur eingebogen.
„Ich bin so froh das ihr mich gefunden habt!“, hauchte ich.
„Das meiste hast du Raphael zu verdanken. Er wird außerdem schon klarkommen, also mach dir um ihn keine Gedanken.“, war seine trockene und monotone Antwort. Meine Mundwinkel zuckten, dabei war mir gar nicht nach einem Lachen zumute.
„Mag sein das Raphael die meiste Arbeit gemacht hat aber er ist nicht derjenige, der sein Leben jederzeit für mich aufs Spiel setzen würde!“, sagte ich leise. Ruckartig kam er zum stehen, weshalb ich in ihn hineinrannte.
„Na los, wir müssen weiter!“, drängte ich. Verwirrt ließ er sich von mit mitziehen.
„Amaya.“
Egal wie sehr ich ihn nun verwirrt hatte, ich rannte weiter. Als wir um die Ecke bogen stand Uriel plötzlich vor uns.
„Oh Teufel!“, stieß ich aus. Der Erzengel fletschte die Zähne. Egal was für eine Verletzung er davongetragen hatte, sie war scheinbar schon längst wieder verheilt. Er machte einen Schritt auf uns zu, ich machte einen zurück. Ryan stellte sich vor mich, doch ich griff nach seinem Arm.
„Nicht!“, hauchte ich und versuchte ihn zurückzuhalten. Doch er schüttelte meine Hand ab. Ich hatte keine Chance etwas zu unternehmen, die beiden Männer stürzten sich bereits aufeinander.
„Nein!“, schrie ich und versuchte sofort die beiden auseinander zu drängen. Was gar nicht mal so leicht war ohne Waffen. Ich durchforstete mein Gehirn nach einem geeigneten Zauberspruch, doch mir fiel keiner ein.
„Amaya!“
Als mein Blick den von Ryan traf sah ich Entsetzen. Und Angst! Ich wirbelte herum und hielt mir augenblicklich die Arme vors Gesicht. Doch der Schlag blieb aus.
„Ryan!“, schrie ich.
Ryan wurde gegen die Wand geschleudert. Er spuckte Blut, rutschte zu Boden und verlor augenblicklich das Bewusstsein.
„Nein!“
Sofort richtete ich meinen Blick auf Uriel. Ich hatte nicht viel Zeit um mir Sorgen um Ryan zu machen. Verdammt noch mal, ohne Waffen konnte ich nicht kämpfen! Er stürzte sich bereits auf mich, doch ich wich aus. Gerade in dem Moment bog Raphael um die Ecke. Erleichtert stieß ich die Luft aus. Er gab mir zu verstehen das er sich um Uriel kümmert, weshalb ich zu Ryan lief.
„Ryan!“, flehte ich und schüttelte ihn. „Ryan, wach auf!“
Leise stöhnend schlug er die Augen auf.
„Oh man!“, flüsterte ich und schloss ihn in die Arme.
„Komm, wir müssen hier weg!“
Ich zog ihn auf die Beine. Blut lief an seiner Schläfe hinab.
„Nochmal danke, Raphael!“, rief ich und lief zusammen mit Ryan los.
„Amaya, ich...“
Sein Schnaufen ließ mich kurz über die Schulter schauen.
„Ich weiß du hast Schmerzen aber wir müssen weiter!“, drängte ich. Ich spürte seinen Widerstand, weshalb ich kräftiger an ihm zog. Ich hatte keine Ahnung wo ich hinlief, weshalb ich stehen blieb. Hastig sprach ich die Worte aus, die uns nach Pragaras brachten.
Einige Augenblicke später befanden wir uns in meinem Zimmer.
…
Tränen traten mir in die Augen.
„Zeig mal.“, hauchte ich und umfasste sein Gesicht mit beiden Händen. Seine Augen wanderten unruhig hin und her, was erkennen ließ das er nervös war. Ich wischte das Blut von seiner Schläfe weg und inspizierte die dazugehörende Platzwunde.
„W-Was machst du da?“, fragte er leise und versuchte meine Hände von seinem Gesicht zu lösen.
„Die Wunde heilt nicht.“, stellte ich fest und sah ihm nun in die Augen. „Hat Uriel etwa Engelfeuer benutzt?“, hauchte ich fassungslos.
„Halb so wild.“, beteuerte er und schob mich von sich. Ernst packte ich sein Kinn um sein Gesicht wieder zu mir zu drehen.
„Ich...weiß nicht wo ich anfangen soll.“, begann ich zögernd und ließ die Hand wieder sinken. Fragend sah er mich an.
„Danke.“, murmelte ich und wich seinem Blick aus. „Und tut mir leid.“
„Eine Erklärung wäre hilfreich, Amaya.“, sagte Ryan und neigte den Kopf.
„Danke das du mich da weg geholt hast. Und tut mir leid, dass ich dich in Gefahr gebracht habe.“
Er stieß ein kurzes Lachen aus und legte seine Hand an meine Wange.
„Dafür brauchst du dich doch nicht zu entschuldigen!“, lachte er und kam mir näher.
„Scheiß egal wenn ich mich in Gefahr befinde, Hauptsache du bist in Sicherheit!“
Ich war sprachlos, weshalb ich ihn mit offenstehendem Mund anstarrte. Er ging nicht weiter darauf ein, was mich nur noch mehr verwirrte.
„Was haben sie mit dir gemacht?“, fragte er nun, mit ernstem Gesichtsausdruck und sah mich fordernd und erwartungsvoll an. Ich schwieg, weshalb sein Blick verständnisvoller wurde.
„Ich verstehe es, wenn du nicht darüber reden willst aber...“
Ich unterbrach ihn indem ich die Hand hob und leicht den Kopf schüttelte.
„I-Ist schon okay. Sie haben...mich einfach nur eingesperrt. Tja, dann haben sie mich irgendwann von Kieran zu ihnen bringen lassen. Mehr...ist deinet- und Raphaels wegen zum Glück nicht passiert.“, sagte ich leise.
Mit einem Seuzfen lehnte sein Kopf plötzlich an meiner Schulter.
„Verdammt noch mal, jag` mir nie wieder einen solchen Schrecken ein!“, flüsterte er.
Ich versteifte mich. Nachdem ich mir auf die Lippe gebissen hatte legte ich meine Hand in seinen Nacken.
„Ich werd´s versuchen.“, sagte ich leise und lächelte schwach. „Und tut mir leid, dass du dir Sorgen um mich gemacht hast.“, fügte ich mit Schuldgefühlen hinzu. Plötzlich hob er seinen Blick. Das seine Lippen dabei nur wenige Millimeter von meinen entfernt war schien ihm gar nicht bewusst zu sein.
„Du hättest mich rufen sollen!“
Verwirrt kniff ich die Augen zusammen.
„Ich habe es doch versucht...“, flüsterte ich. „Ich habe geschrien! Aber du hast mich nicht gehört.“
Seine Augen weiteten sich.
„Im Ernst?“
Ich nickte nur und schüttelte dann den Kopf. Mit einem Lächeln lehnte ich meine Stirn an seine.
„Das ist jetzt völlig egal! Du weißt auch so, wann ich in Gefahr bin. Ich schätze daran wird sich nichts ändern.“
Seine grünen Augen wurden dunkler und er weichte meinem Blick aus.
„Es wäre einfacher wenn du mich hassen würdest.“
Er sprach so leise, dass ich glaubte ich hätte mir seine Worte nur eingebildet, doch bei dem Ausdruck der in seinen Augen aufblitzte wurde mir klar, dass ich mich nicht verhört hatte.
„Wie bitte?“, hauchte ich und rutschte ein Stück zurück.
Doch er legte blitzschnell seine Hand an meinen Rücken und drückte mich wieder an sich.
„So war das nicht gemeint.“, sagte er schnell und sah mich eindringlich an. „Du machst es mir unglaublich schwer, Kleines!“
Ich neigte den Kopf.
„Das verstehe ich nicht.“, hauchte ich.
Die Tatsache das er mir immer näher kam ließ ich außen vor, ich konzentrierte mich ausschließlich auf unser Gespräch. Das war allerdings gar nicht so leicht, da unsere Lippen kurz davorstanden sich zu berühren.
„Du hast scheinbar nicht die geringste Ahnung welche Auswirkungen du auf mich hast!“, flüsterte er. Ich erschauderte und versuchte erneut zurückzuweichen, erneut erfolglos.
„Ich werde mich...niemals mehr vor dir fernhalten können!“
Ich schluckte.
„Das klang wie eine Liebeserklärung...“, flüsterte ich.
„Vielleicht klang es wie eine, weil es eine war?“, erwiderte er und ließ mich los. Mit einem Mal war er zurückgewichen. Sein Gesichtsausdruck verhärtete sich und er wandte den Blick von mir ab.
Meine Sicherungen brannten durch. Ich packte ihn, zog ihn an mich und küsste ihn.
Nach einer gefühlten Ewigkeit schob er mich von sich.
„Was wird das?“, fragte er verwirrt und starrte mich an.
„Ich...weiß es nicht.“, flüsterte ich und zog mich zurück. Ich wusste es wirklich nicht! Was hatte ich mit dabei gedacht?
„Verdammt!“, knurrte ich und sprang aus dem Bett. Noch bevor ich die Tür erreichen konnte hatte er mir den Weg versperrt.
„Hey!“
Seine Hand schloss sich um meinen Arm und drückte zu. Ich wagte es nicht ihn anzusehen, weshalb ich zu Boden starrte.
„Sieh mich an!“, verlangte er in grobem Tonfall und packte mein Kinn. Mir wurde warm. Wurde ich etwa rot im Gesicht? Er hob mein Gesicht an, augenblicklich wurde er vorsichtiger.
„Warum hast du mich geküsst?“, fragte er noch einmal.
„Ich weiß es wirklich nicht!“, hauchte ich und wich seinem Blick erneut aus. Mit einem mal war er derjenige, der in die Offensive ging. Als seine Lippen meine berührten seufzte ich leise.
Ein wohliges Gefühl durchfuhr mich und hinterließ eine Wärme, die ich wahrscheinlich noch über Stunden spüren würde. Meine Arme schlangen sich um ihn, seine Hände fanden meinen Hintern.
Schon unser erster Kuss damals war zuviel. Dieser hier...sollte verboten sein!
, dachte ich und öffente den Mund, um seiner Zunge Platz zu schaffen.
Mir ist wirklich egal wie du hierrüber denkst. Hauptsache du denkst nicht mehr an...
Seine Stimme in meinem Kopf verstummte.
Ich habe eingesehen, dass ich, wenn ich an Kieran denke, nur Zeit verschwende, die ich genauso gut mit dir verbringen kann!
Er schob mich zurück und lachte leise an meinem Mund.
„Kleines du bist wirklich...“
„Unglaublich, ich weiß.“, beendete ich seinen Satz und stimmte in sein Lachen ein.
„Bist du sicher, dass du das auch nicht bereust?“, fragte er leise, nachdem wir aufgehört hatten zu lachen.
„Wieso sollte ich das hier bereuen?“, erwiderte ich und ließ meine Hände langsam über seine Brust gleiten.
„Du hast Recht.“, setzte ich fort. „Ich muss Kieran vergessen, ansonsten gibt es nur noch mehr Schwierigkeiten.“
„Die gibt es auch so schon reichlich...“, murmelte er und sah mich dann wieder ernst an.
„Du hast doch eigentlich gar keine Gefühle für mich, also was machen wir hier?“
Irritiert sah ich ihn an, dann verzogen sich meine Lippen für einen kurzen Moment zu einem Lächeln.
„Natürlich habe ich Gefühle für dich, du warst...bist schließlich mein Wächter!“
Nun wurde ich ernster. Und nachdenklicher.
„Nun bin ich noch dabei herauszufinden wie tief diese Gefühle wirklich sind...“, hauchte ich.
„Lass mich dir dabei helfen.“
Überrascht starrte ich ihn an, doch bevor ich etwas dazu sagen konnte, hatte er mich auch schon geküsst.
Ich mag dich wirklich, Amaya! Aber ich will nicht, dass du dich hierzu genötigt fühlst!
Seine Stimme in meinem Kopf und dessen klang ließen meine Knie weich werden.
Mach dir keine Sorgen, solltest du zu weit gehen wirst du es bemerken., erwiderte ich, was ihn leise lachen ließ. Irgendwann schob er mich von sich, um mich dann an der Hand zu fassen.
„Du solltest Faith ausführlich berichten was passiert ist. Es müssen Vorkerungen getroffen werden.“, sagte er.
Bildete ich mir das ein oder klang er wirklich besorgt?
„Beschäftigt dich etwas?“, hakte ich nach kurzem Überlegen nach.
„Nur die Tatsache, dass du in Gefahr schwebst.“, sagte er leise und zog mich aus seinem Zimmer.
Tag der Veröffentlichung: 04.12.2011
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