Cover




Ich hatte keine Ahnung ob ich meine Freunde „richtige“ Freunde nennen konnte.
Ich hatte keine Ahnung ob das was ich tat richtig war.
Ich hatte keine Ahnung ob mir die Bedeutung der Liebe bewusst war.
Ich hatte keine Ahnung ob ich geliebt wurde und ob ich in der Lage war zu lieben.
Alles in Allem hatte ich keine Ahnung ob mein Leben ein richtiges Leben war . . .


_____ 1 _____


„. . .She is just a black sheep!“
Der Bass brachte den Boden zum vibrieren, das Blut rauschte laut in ihren Ohren, ihre Kameraden machten nicht einen Fehler. Der Griff um das Mikro lockerte sich. Es war vorbei.
Mit einem fröhlichen und gleichzeitig erleichterten Lachen drehte sich die junge Frau um und blickte einen nach dem anderen an. Die Jungs grinsten sie an, nickten anerkennend oder hielten den Daumen nach oben. Das Jubeln der Zuschauer entging ihr, denn das unglaubliche Kribbeln in ihrem Rücken lenkte sie ab. Ruckartig wirbelte sie herum und ließ den Blick über das Publikum schweifen. Doch es war nichts außergewöhnliches zu sehen.
Die Scheinwerfer erhellten die Innenstadt, die Menschen drängten sich auf dem, eigentlich viel zu kleinen Platz und applaudierten ihr und ihren Freunden zu. Doch irgendetwas in dem Gedränge schien sie zu beobachten. Sie schüttelte leicht den Kopf über ihre Fantasie und griff nach der Wasserflasche, die am Rande der Bühne stand. Gierig trank sie das Wasser.
„Avery!“
Die junge Frau lachte als Casey, der Gitarrist, sie in seine Arme zog und kräftig drückte.
„Du warst unglaublich! Wie immer!“
„Danke.“, sagte sie leise und erwiderte die Umarmung.
„Ohne dich und die anderen wäre ich verloren! Also danke an euch.“
Casey lachte. Avery war unglaublich still und zurückhaltend, solche Worte hörte man von ihr nur selten. Er dachte an den Tag, wo sie sich zum ersten Mal begegnet waren. Sie saß auf einer Parkbank und sang leise vor sich hin. Ihre Stimme war unglaublich! Sie wärmte einem das Herz und konnte auch mal kraftvoll und laut werden. Casey hatte beschlossen sie anzusprechen und zu fragen, ob sie nicht in seine Band wolle, da er und seine Kumpel sowieso noch einen Sänger oder eine Sängerin suchten. Erst lehnte sie ab. Er konnte ihr die Angst vor den Menschen deutlich ansehen, doch nachdem sie sich einige Male getroffen hatten, wollte das schüchterne Mädchen es doch versuchen. Von diesem Tag an trafen sie sich jede Woche um zu proben und siehe da, der Erfolg wuchs. Immer öfter wurde ihnen angeboten auf Veranstaltungen und öffentlichen Events aufzutreten. Avery wurde schlecht bei dem Gedanken vor hunderten von Menschen auf einer Bühne zu stehen und zu singen, doch nachdem sie das erste Mal überstanden hatte, genoss sie die Aufmerksamkeit. Zum ersten Mal in ihrem Leben erkannte sie, dass das Leben nicht nur schlechtes zu bieten hatte. Nachdem sie von allen anderen ignoriert wurde, bekam sie das was sie sich schon immer gewünscht hatte. Aufmerksamkeit. Aber eigentlich hasste sie es im Mittelpunkt zu stehen...
Gemeinsam verließen die beiden die Bühne, die anderen warteten schon auf die zwei.
„Ihr wart klasse, Jungs!“, meinte Avery aufrichtig und lächelte leicht.
„Nicht so klasse wie du.“, antwortete Matt.
Das Lächeln, welches ihre Mundwinkel umspielte wurde breiter. Bis ihr Blick auf die Uhr fiel. Ein trauriges Seufzen entfuhr ihr.
„Verdammt. Es ist kurz vor Mitternacht, meine Eltern werden mir den Kopf abreißen wenn ich nach Hause komme.“
„Ich will ehrlich sein.“, sagte Milad. „Ich mag deine Eltern nicht. Du bist siebzehn Jahre alt und sie behandeln dich immer noch wie ein kleines Kind.“
Avery schloss die Augen und seufzte erneut. Es klang noch trauriger als das vorherige.
„Ich wünschte sie würden mich wie ein Kind behandeln, dass wäre immer noch besser als...“
Sie unterbrach sich selbst. Schon der Gedanke an die große Pranke ihres Vaters jagte ihr einen Schauer über den Rücken.
Casey fasste ihr Kinn und hob ihr Gesicht an. Ihre grauen Augen waren trübe, ihre tiefroten Haare reichten ihr in sanften Wellen widerspenstig bis zur Taille, und ihr zarter, kurviger Körper schien unter seiner Berührung zu erstarren. Sein Blick fiel auf ihre vollen, geschwungenen Lippen und wie so oft wenn er sie betrachtete, kam ihm der Gedanke sie zu küssen. Er liebte sie schon lange, doch er wollte es ihr nicht sagen. Zu groß war die Angst abgewiesen zu werden.
„Du schaffst das schon, kleine Fee

.“
Sie lächelte schwach. Kleine Fee, so nannte er sie immer. Sie hatte keine Ahnung wie er auf diesen Namen kam. Aber es störte sie nicht. Im Gegenteil, dieser Spitzname gefiel ihr. Er machte sie zu etwas Besonderem. Lange Zeit schon bemerkte sie Caseys Blicke, in deren nicht mehr nur Freundschaft, sondern auch Begehren lag. Sie fragte sich immer wann er es ihr endlich gestehen würde, doch nach kurzen Überlegungen hielt sie es für besser, wenn er es nicht aussprach. Sie wollte ihn nicht verletzen. Dafür mochte sie in zu sehr.
„Du solltest dich langsam auf den Weg machen, sonst wird meine kleine Fee Ärger bekommen.“, sagte Casey leise und ließ sie los. Mit einem Nicken wandte sie sich ab und schnappte sich ihre Jacke, die sie sich dann um die Hüften band. Nach einigen Schritten drehte sie sich noch einmal um und winkte den Jungs zu.
„Wir sehen uns dann Samstag!“, rief sie und gab somit zu verstehen, dass sie auch zur nächsten Probe auftauchen würde.
Mit einem Lächeln auf den Lippen sah Casey ihr nach.

Schon wieder dieses Kribbeln. Ich blieb stehen. Nichts war zu hören, bis auf meinen Herzschlag und das Jubeln der Menschen, in der Innenstadt. Ich war bereits weit von der Stadt entfernt und befand mich in einer verlassenen Gegend, doch ich konnte nun mal keinen anderen Weg nehmen. Der hier führte zu mir nach Hause, wo meine Eltern schon auf mich warten würden.
Ein leises Brummen entwich mir. Schon der bloße Gedanke an meine Eltern machte mir Angst.
Diese Einsamkeit war unerträglich, da war selbst die Aufmerksamkeit auf der Bühne nicht sehr hilfreich.
„Warum habe ich mich nicht schon längst von einer Brücke gestürzt?“, murmelte ich und ging weiter. Als das unangenehme Gefühl beobachtet zu werden nach einigen Minuten immer noch nicht verschwunden war, blieb ich erneut stehen. Dieses Mal drehte ich mich um, doch wie zu erwarten war natürlich niemand zu sehen. Mein Verstand warnte mich bereits aber ich ignorierte die verzweifelten Schreie meines Bewusstseins.
„Warum sagst du mir nicht endlich, warum du mich beobachtest und mich verfolgst?“, fragte ich in die Stille der Nacht hinein. Ich seufzte.
„War klar.“
Ich drehte mich wieder um, doch die Gestalt die so dicht vor mir stand wie ein Racheengel, ließ mich zurückweichen.
„Um Himmels willen, geht's noch?“
Nachdem ich mir mit der Hand durchs Haar gefahren war, schaute ich auf und sah dem Fremden in die Augen. Unglaubliche Augen! Das strahlende malachitgrün zog mich in den Bann und brachte mich vollkommen durcheinander.
„Du bist voller Schmerz.“, sagte der Fremde mir rauer Stimme. Er hob die Hand um sie vorsichtig an meine Wange zu legen und dann mit dem Daumen über meine Lippen zu streichen.
Meine Innere Stimme schrie ich solle weglaufen, doch mein Gegenüber hatte mich bereits in seinen Bann gezogen. Ich wollte wirklich vor ihm fliehen aber ich konnte nicht. Zu groß war die Anziehungskraft, die er auf mich ausübte.
Schließlich schaffte ich es mich von ihm loszureißen. Ich wandte meinen Blick ab, schlug seine Hand weg und ging an ihm vorbei.
„Bist du etwa auch einer von denen, die glauben, sie wüssten was Schmerz bedeutet?“, fragte ich monoton. Er folgte mir, ich spürte es.
„Ich glaube nicht zu wissen was Schmerz bedeutet. Ich weiß es!“
Seine Anwesenheit beruhigte mich, jagte mir jedoch auch Angst ein. War er gefährlich?
Seine lautlosen Schritte und die tiefe Stimme, die einem Knurren ähnelte, erinnerten mich an ein Raubtier, einen Panther, der kurz davor war sich auf seine Beute zu stürzen.
Plötzlich war mir, als würde jemand sanft mein Herz berühren. Ich blieb stehen und schaute über meine Schulter zurück zu dem Unbekannten. Von ihm ging eine seltsame Macht aus, die mich ängstigte, jedoch war da noch etwas anderes. Etwas, das mich wie ein Magnet anzog.
Der Fremde musterte mich mit einem seltsamen Blick. War es Verblüffung die ich in seinen Augen sehen konnte?
„Wie heißt du?“, hörte ich mich fragen. Wie von selbst wandte ich mich ab und legte meine Hand auf das Geländer der Brücke. Die Brücke führte über einen See, der ruhig, nahezu unbewegt unter uns lag.
„Nero.“, kam es fast unhörbar zurück.
„Schwarz?“, murmelte ich und richtete meinen Blick auf den jungen Mann. Seine Haare waren etwas länger, schwarz und zerzaust, seine Haut war blass, alabasterfarben um genau zu sein, er trug ein schwarzes Shirt und eine schwarze Hose.
„Der Name passt zu dir.“, fügte ich hinzu und richtete meinen Blick wieder auf das Gewässer fünfzehn Meter unter uns.
„Ich bin Avery.“, sagte ich leise und sah aus den Augenwinkeln, wie er sich neben mich stellte und sich mit verschränkten Armen an der Brüstung abstützte.
„Wovor hast du Angst?“, fragte er.
Die Frage überraschte mich. Angst...ein Gefühl, welches mich jeden Tag begleitete. Scheinbar schien er zu wissen was in mir vorging, aber woher? Wieder fühlte es sich so an als würde jemand zart mein Herz berühren? Ich hatte keine Ahnung warum ich das wusste, aber Nero versuchte mein Bewusstsein zu erforschen!
„Hör auf damit!“, knurrte ich und warf ihm einen Blick zu. Scheinbar überrascht über meine Reaktion zog er die Brauen hoch.
„Womit?“, fragte er monoton. Tat er so als wüsste er von Nichts?
„Du versuchst in mein Bewusstsein einzudringen.“, sagte ich leise. Ich senkte den Blick. Wie zum Teufel kam ich auf diesen Mist? Wie konnte jemand ein Bewusstsein erforschen? Das klang nach Fantasy. Scheint als hätte ich mal wieder zu viel gelesen...

, dachte ich.
„Du kannst es spüren?“, drang Neros Stimme an mein Ohr.
„War das ein Geständnis?“, fragte ich ausweichend und drehte mich so, dass ich mit einem Arm an der Brüstung gestützt Nero ansehen konnte.
Seine Augen verengten sich zu Schlitzen und es sah so aus, als würde das grün beginnen zu flackern. Seine folgenden Worte klangen komisch. Sie schienen nicht zu passen. Lag es an seiner Stimme?
„Ich bin in der Lage die Gefühle eines jeden Menschen zu erkennen, scheint als hättest du es bemerkt. Keiner der mir je begegnet ist, hat es gemerkt. Du bist seltsam...“
Ich stieß ein Schnauben aus.
„Ich und seltsam? Wohl eher umgekehrt.“
Ich stieß mich von dem kalten Stein ab und ging weiter. Zeit das ich nach Hause kam.
Das ich nach Hause musste war eigentlich nur eine Ausrede...Ich hätte alles getan um von diesem Typen wegzukommen. Er war mehr als nur unheimlich.
Er folgte mir noch immer, was mir nicht behagte.
„Du hast meine Frage noch nicht beantwortet.“, ertönte seine Stimme. Kurz darauf hatte er meinen Arm gepackt, mich zurückgezogen und gegen das kalte Stein der Brücke gedrückt.
Sein Körper war meinem gefährlich nahe. Hart und unnachgiebig presste er sich gegen mich.
„Wovor hast du Angst?“, fragte er ein zweites Mal.
Forschend sah ich in sein Gesicht. Seine Lippen bildeten eine schmale Linie. Hatte ich ihn verärgert?
„Ich bin dir keine Antwort schuldig.“, sagte ich monoton. Mein Herz hatte einen schnellen Rhythmus gefunden und pumpte nun gefährlich schnell Adrenalin durch meine Adern.
Das ich so ruhig blieb überraschte mich. Die Anspannung würde sich vermutlich nicht mehr lange unterdrücken lassen.
„Ich spiele mit dem Gedanken dich zu küssen...“
Himmel, hatte ich das gerade gesagt? Anscheinend schon, denn Neros Mundwinkel zuckten.
Er zog eine Braue hoch, sein warmer Atem strich über mein Gesicht als er fragte:
„Traust du dich?“
Das Bedürfnis ihn an mich zu ziehen und ihn zu küssen war unglaublich stark, doch mindestens genauso stark war der Instinkt ihn von mir zu stoßen und um mein Leben zu rennen.
Eine irre Situation...
Ich spürte wie mein Körper begann zu zittern und beschloss, es zu riskieren. Vorsichtig und zart streiften meine Lippen die seine. Zögerlich presste ich sie dann ganz auf seine.
Es war als hätte ich einen Stromschlag bekommen. Kraftvoll stieß ich ihn zurück.
„Was mache ich hier eigentlich?“, schrie ich und begann zu laufen.
„Avery!“, hörte ich ihn rufen, doch das sorgte dafür das ich noch schneller wurde.
Ich wollte einfach nur weg. Weg von allem. Was hatte ich in meinem Leben falsch gemacht, dass Gott mich so sehr strafte?
Nach einigen Minuten kam ich völlig außer Puste Zuhause an. Kaum stand ich ihm Flur, bog mein Vater um die Ecke. Scheinbar hatte er im Wohnzimmer auf mich gewartet.
Graue Augen starrten mich wütend an.
„Entschuldigung.“, nuschelte ich und rannte auf mein Zimmer zu. Er wollte nach mir greifen, doch ich schaffte es auszuweichen und unversehrt in mein Zimmer zu kommen. Sofort schloss ich die Tür ab. Das laute und kraftvolle Hämmern an der Tür ignorierte ich.
Nach dem Vorfall auf dem nach Hause Weg, konnte ich nun auf einen wütenden Erzeuger verzichten. Ich riss mir die Kleidung vom Leib und griff nach einem übergroßen Shirt, welches ich mir überwarf. Ich hielt es nicht für nötig das Licht einzuschalten. Auf direktem Weg sprang ich in mein Bett.
Was war das nur für ein Abend?
Mit einem letzten Gedanken an Nero sank ich in den Schlaf.


_____ 2 _____


Mitten in der Nacht, kurz nach drei, stieß Avery einen Schrei aus. Ruckartig setzte sie sich auf.
Ihre Atmung ging schnell und flach. Ein Albtraum, schon wieder. Sie betastete ihre Wangen und stellte fest, dass die Tränen die sie spürte, echt waren. Langsam wurde sie ruhiger, dann schlug sie die Decke zurück und stieg aus dem Bett. Es würde dauern, ehe sie wieder in der Lage war zu schlafen, also tapste sie ins Bad, wo sie den Wasserhahn aufdrehte und sich kaltes Wasser ins Gesicht spritzte. Die Einsamkeit die sie überkam war groß. Sie hatte Freunde, dennoch fühlte sie sich allein. Als sie aufsah und ihr Spiegelbild erblickte fragte sie sich, ob das wirklich sie war, den sie da sah. Dunkle Ringe waren unter ihren Augen zu erkennen. Ihr Blick fiel auf die Schere die auf einem kleinen Regal lag. Sie erinnerte sich daran wie ihre Mutter ihr immer die Haare geschnitten hatte, doch seit dem letzten Mal waren viele Jahre vergangen. Sie bestand immer darauf ihre rote Mähne wachsen zu lassen, doch wo sie nun darüber nachdachte, fand sie, dass es Zeit für eine Veränderung war. Entschlossen griff sie zur Schere...
Ein schwaches Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. Ihre Haare reichten ihr nun nicht mehr bis zur Taille, sondern nur noch bis ans Kinn. Sie hatte es geschafft sie durchzustufen und einen Pony hinzubekommen, doch irgendetwas fehlte. Sie fing an zu grinsen als sie das Haargel ihres Stiefbruders sah. Er wohnte schon lange nicht mehr hier, worüber sie ganz froh war.
Leise vor sich hinsummend wuschelte sie sich mit geligen Fingern durch die Haare und zupfte den Pony zurecht, bis er ihr linkes Auge verdeckte.
„Na also . . .“, murmelte sie zufrieden als sie feststellte, dass sie nun nicht mehr wie ein braves Mädchen, sondern wie eine Rockerbraut aussah. Die Jungs würden sich wundern wenn sie sahen, dass Avery ihren Haaren einen rockigen Look verpasst hatte.
Leise schlich sie zurück in ihr Zimmer, wo sie natürlich sofort wieder die Tür abschloss.
Nachdem das getan war, setzte sie sich an ihren Schreibtisch und kramte Papier und Stift hervor.
Dann begann sie zu schreiben.
You know you should go with your own answer.
As natural as a rainbow after the rain.
Lonely, the wind blows...
A feeling that I understood...
The answer is not universal, however...
Call me, for I know...
Love is always with you...
Something that we can give each other!



Die Tage vergingen...
Ich hatte keine Lust in die Schule zu gehen, weshalb ich, wie so oft, den Unterricht schwänzte.
Mein Gefühl sagte mir schon seit Tagen das etwas passieren würde, allerdings wusste ich nicht was es war. Es fühlte sich...gefährlich an!
Hat es etwas mit diesem Jungen zu tun?

, dachte ich als ich mich am Samstag auf den Weg zur Bandprobe machte.
Mit schwarzem Tanktop, zerfetzter, knielanger Jeans und Sneakers machte ich mich auf den Weg zu Casey, in dessen Garage sicher schon alle warten würden.

„A-Avery?“
Verblüfft und gleichzeitig interessiert musterte Casey die junge Frau die ihm entgegen kam.
„Hey!“, erwiderte sie und hob lässig die Hand. Die Silberreifen an ihrem Gelenk klimperten.
„Was hat dich dazu gebracht dir die Haare abzuschneiden?“, fragte er und musterte sie.
„Gefällt es dir nicht?“, fragte das Mädchen mit vorgeschobenen Lippen. Mit großen Augen sah sie zu ihrem Freund auf.
Er grinste und fasste ihr Kinn, das tat er oft.
„Es gefällt mir.“, sagte er grinsend.
Ihre schwarz geschminkten Augen ließen das grau noch kräftiger strahlen. Scheinbar schien sie gut gelaunt zu sein.
„Die kleine, sexy Avery hatte wohl genug vom Image als braves Mädchen.“, lachte Milad und grinste als sie ihm einen Blick zuwarf.
„Ich habe die gesamte letzte Woche die Schule geschwänzt, von brav kann keine Rede sein.“, antwortete sie lachend und griff nach dem Mikro.
„Also, wann findet das nächste Konzert statt?“, fragte sie dann lächelnd.
„Morgen Abend.“, meldete Matt sich zu Wort.
„Na dann mal los.“, lachte sie.

Ich schlenderte durch den Wald, es war bereits kurz vor zweiundzwanzig Uhr und stockdunkel, als ich plötzlich wie angewurzelt stehen blieb. Dieses Kribbeln...
„Nero...“, murmelte ich und ließ den Blick schweifen.
Nichts außer Dunkelheit und Stille. Vielleicht hatte ich mich geirrt und dieses Kribbeln nur in meiner Fantasie gespürt? Das kommt davon wenn man nicht genügend schläft.

, dachte ich amüsiert und ging weiter.
Plötzlich wurde ich gepackt. Eine kühle Hand legte sich mir auf den Mund, eine andere zog mich zurück und drückte mich so heftig gegen einen Baum, dass ein stechender Schmerz durch meine Glieder fuhr.
Irritiert starrten Nero und ich uns an.
„Avery?“
Sofort wich er zurück.
„Wen hast du denn erwartet?“, keifte ich drauf los. „Einen Kobold, oder was? Verdammt,
du hast echt nichts besseres zutun als mir aufzulauern, oder?“
Die Situation schien ihn zu amüsieren, denn seine Mundwinkel zuckten belustigt und seine Augen funkelten interessiert. Bevor er etwas sagen konnte hob ich die Hand und wandte mich von ihm ab.
„Jaja, ich weiß schon, meine Haare.“
„Eine junge Frau sollte sich in dieser Finsternis nicht im Wald herumtreiben. Ihr könnte etwas passieren.“, meinte Nero.
Dieses Kribbeln ging also von Nero aus, gut zu wissen. Sollte ich es in Zukunft erneut spüren, würde ich mich aus dem Staub machen. Er war wirklich mehr als nur unheimlich!
„Das habe ich gemerkt. Bevor du wieder fragst wovor ich Angst habe lenke ich das Gespräch lieber in eine andere Richtung. Was hast du um diese Zeit hier verloren?“
„Ich glaube dieses Gespräch wird in einer Diskussion enden. Ich schlage vor ich beantworte deine Fragen, wenn du mir auch meine beantwortest. Was hältst du davon?“
Ich nickte kurz.
„Meinetwegen. Also? Was hat ein so gutaussehender Typ wie du, abends im Wald zu suchen?
Ich bin mir sicher eine nette Dame wartet auf dich...“
Gott, was ich da wieder laberte. War ich bescheuert? Das war doch peinlich! Was interessierte es mich, ob er eine Frau hatte? Ich seufzte innerlich über meine eigene Dummheit. Mein Körper erstarrte als er leise lachend neben mir auftauchte.
„Dich plagen Selbstzweifel.“, stellte er fest und musterte mich.
Ich zuckte die Schultern.
„Was ist? Willst du nicht mit mir reden?“
Nach kurzem Schweigen wandte er seinen Blick von mir ab.
„Nein, es wartet keine Dame auf mich. Ich bin hier, weil...ich jemanden suche.“
Sein Zögern ließ mich aufmerksam werden. Er suchte jemanden? Spät am Abend, im Wald?
Das klang lächerlich.
„Du lügst.“, platzte es aus mir heraus. Himmel noch mal, erst denken, dann reden. Ich konnte doch nicht einfach so sagen was ich über ihn dachte!
Er warf mir einen Blick zu. Ich wollte nicht wissen was er darauf zu sagen hatte, weshalb ich einfach weiter plauderte.
„Du hast gezögert. Außerdem klingt das lächerlich. Wer würde um diese Uhrzeit auf die Idee kommen, jemanden zu suchen? Also gut, ich werde mal so nett sein und dir glauben. Wer ist diese ´verlorene` Person?“
Nero lachte leise, in meinen Ohren klang es wie flüssiges Karamell, das über meine Haut floss. Meine Nackenhaare richteten sich auf.
„Tut mir leid, aber diese Frage kann ich nicht beantworten. Schließlich bin ich an der Reihe. Wovor hast du Angst?“
Ein Seufzen entfuhr mir, es verriet wie genervt ich inzwischen war.
„Mir war klar das du das fragen würdest...Mal sehen...Ich habe vor vielem Angst. Zum Beispiel vor Spinnen. Frage beantwortet?“
Ein süffisantes Lächeln umspielte seine Lippen.
„So war die Frage nicht gemeint. Jeder Mensch hat vor etwas Angst. Deine Angst allerdings ist anders. Sie sitzt in deinem Herzen. Ich will wissen was du erlebt hast.“
Ich blieb stehen.
„Darauf wirst du keine Antwort bekommen.“, sagte ich ausdruckslos.
Die Angst in meinem Herz war nur ein kleiner Teil dessen, was mir wirklich zu schaffen machte. Noch bevor ich reagieren konnte hatte Nero mich an sich gezogen. Er fasste mein Kinn, so wie Casey es immer tat. Sanft berührte etwas mein Herz...
„Alles was ich sehe ist eine hübsche, junge Frau. Eine kalte Hülle ihrer Selbst. Wo sind die Gefühle? Ich habe dich auf der Bühne gesehen. Du hast gelacht, glücklich, zufrieden, berührt. Wo ist dieses Lachen? Wo ist das, was eine junge Frau ausmachen sollte? Irgendetwas macht dir zu schaffen...Was ist es?“
„Darauf kann ich nicht antworten.“, murmelte ich. Gebannt blickte ich in seine grüne Augen. Sein warmer Atem strich über mein Gesicht und vernebelte mir den Verstand.
„Warum nicht?“, bohrte er weiter.
Der Drang mich auszuheulen wurde größer, doch ich versuchte mit aller Gewalt einen Heulkrampf zu verhindern.
„Weil...“, begann ich und stieß ihn weg. „...Es zu schmerzhaft ist!“, brüllte ich und stapfte davon.
„Avery.“
„Lass mich in Ruhe!“, schrie ich. „Halt dich von mir fern!“
Ich musste mich nicht umdrehen um zu wissen, dass er mir folgte. Wie bei unserer ersten Begegnung auch, begann ich zu rennen. Schon nach kurzer Zeit war ich völlig außer Puste. Sport war noch nie mein Ding. Das Kribbeln war verschwunden und obwohl ich wusste das ich nun alleine war, rannte ich weiter. Bis ich stolperte und der Länge nach zu Boden ging. Ich hatte nicht die Kraft um wieder aufzustehen. Wieso blieb ich nicht einfach hier liegen und wartete auf den Tod? Immer noch angenehmer als in mein Leben zurückzukehren...
Ich schloss die Augen. In der Nähe musste sich ein Bach befinden, ich hörte Wasser plätschern.
Ein Windhauch ging durch den Wald, die Bäume wiegten sich sacht hin und her.
Irgendwo in der Ferne sandte eine Eule ihre Rufe aus. Ruhe, Frieden.
Mein Herzschlag beruhigte sich allmählich, mein Atem ging langsamer und entspannter.
Ich zog die Beine an und blieb so auf dem Waldboden liegen. Irgendwann spürte ich, wie die Müdigkeit die Oberhand gewann, und ich in die Arme der Dunkelheit sank...

Nero ließ sie laufen. Er verstand nicht, warum sie sich so von der Welt abschottete. Was hatte das arme Ding erlebt, dass es so verängstigt war? Er wusste es nicht. Und er war sich nicht sicher, ob er es je herausfinden würde. Ihr Duft hing immer noch in der Luft. Sie roch nach Frühling. Nach Sonnenschein und Blumen. Nachdenklich setzte Nero sich wieder in Bewegung. Er war sich sicher das sie nicht nach Hause gehen würde. Nero ahnte, dass die Ursache für ihr Verhalten an ihrer Umgebung lag. Waren ihre Mitmenschen zu dominant? War er selbst zu aufdringlich gewesen?
Auch das wusste er nicht. Plötzlich drang ihr Duft wieder in seine Nase. Hatte sie wieder umgedreht? Nein, dass war unwahrscheinlich. Aber warum...?
Er schaute hinauf in die Wipfel der Bäume und sah, dass der Wind eine andere Richtung eingeschlagen hatte. Daran lag es also.
Er lief weiter, in der Hoffnung, sie sei stehengeblieben. Und tatsächlich! Nach über dreihundert Metern stieß er auf das Mädchen, welches zusammengekauert auf dem Waldboden lag.
Nero ging neben ihr in die Hocke und bemerkte, dass Tränen auf ihren Wangen glitzerten.
„Avery?“, fragte er leise. Keine Reaktion. Mit einem leisen Seufzen hob er sie hoch.
„Du bleibst die Nacht über bei mir.“, murmelte er und stutzte, als sich ihr Kopf an seiner Brust ihm entgegen neigte.
Hatte sie ihn gehört? Nein, sie schlief. Ihr Atem ging ruhig, ihre Brust hob und sank sich regelmäßig.
„Süße, kleine Avery...“, lachte er leise und trug sie durch den Wald.

Sonnenstrahlen kitzelten mein Gesicht. Es war angenehm, warm. Ich schlug die Augen auf und kniff sie sogleich wieder zusammen, denn das Licht blendete mich. Ich lag auf etwas weichem...
Was war passiert? Einen Augenblick lang dachte ich nach, dann fiel mir ein, dass ich im Wald gewesen war. Ich war gestürzt. Aber...was war danach geschehen? Lag ich immer noch auf dem Waldboden? Nein, ich war in einem Raum. Scheinbar in einem Schlafzimmer. Wie war ich hierher gekommen? Fragen über Fragen aber keine Antworten.
Plötzlich fiel mir Nero ein. Oh Gott! Ruckartig setzte ich mich auf. Nun stellte ich fest, dass ich in einem riesigen Himmelbett lag. Ich schlug die Decke zurück und stutzte. Wo waren meine Sachen? Wer hatte mir dieses Nachthemd angezogen? Die Panik in mir stieg. Wie lange hatte ich denn geschlafen?
Ich stieg aus dem Bett und lief zu dem alt aussehenden Kleiderschrank.
Gefunden!

, dachte ich freudig als ich meine Sachen sah. Sofort griff ich danach. Hastig zog ich mich um, dann verließ ich das Zimmer. Mal sehen wo ich hier gelandet war...

Verängstigt aber dennoch fasziniert schaute Avery sich um. Die Villa in der sie sich befand hätte perfekter nicht sein können. Überall befanden sich Dinge die alt und antik aussahen. Bücher, Statuen, Kunstgegenstände und sogar alte Waffen waren zu finden.
Sie kam an eine große Treppe, die in eine große Halle führte. Es war die Eingangshalle.
Zögernd stieg Avery die Stufen hinab. Nach kurzer Zeit verschlug ihr ein Kribbeln den Atem.
„Also doch...“, murmelte sie und wurde schneller.
Wütend darüber, dass er sie einfach hergebracht hatte folgte sie dem Kribbeln, welches sie in eine unglaubliche Bibliothek führte.
„Nero!“, rief sie wütend.
Der junge Mann saß an einem Schreibtisch aus massivem Holz und sah interessiert auf.
„Sieht aus, als hätte das kleine Mädchen ausgeschlafen.“, sagte er belustigt.
„Was denkst du dir eigentlich dabei, mich einfach hierher zu bringen?“, keifte sie und ging auf ihn zu.
„Was hätte ich denn deiner Meinung nach tun sollen? Die einfach im Wald liegen lassen?“, erwiderte Nero und lehnte sich zurück. Er versuchte in ihr Bewusstsein einzudringen, doch wie immer schaffte er es nicht. Alles was er fühlen konnte, war die Mauer die ihr Inneres schützte. Diese Mauer war mit Wut ummantelt.
„Zum Beispiel.“, murrte sie und blieb vor dem Tisch stehen. Sie verschränkte die Arme und blickte ihn wütend an.
„Komm her.“, befahl er und bedeutete ihr um den Tisch herum zu ihm zu kommen.
Sie kniff die Augen zusammen.
„Nein.“, sagte sie ausdruckslos.
„Komm her.“, befahl er ein zweites Mal.
Sie reagierte nicht. Seufzend erhob sich Nero. Avery wich zurück, als er zu ihr kam. Doch das nützte ihr nichts. Er nahm ihre Hand und zog sie mit. Vor einem Spiegel blieb er stehen. Er stellte sich hinter sie und fasste ihre Schultern.
„Was siehst du?“, fragte er monoton.
„Einen Kerl den ich nicht leiden kann.“, knurrte sie. Für einen Moment trat ein überraschter Ausdruck in Neros Gesicht. Als Avery das sah, zuckten ihre Mundwinkel.
„Und was noch?“, fragte er als er sich gefangen hatte.
„Ein Mädchen, welches nicht schlau genug ist vor dir wegzulaufen.“, sagte sie dann.
Nero seufzte. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sie so stur sein würde.
Er drehte sie um und beugte sich zu ihr hinunter, um ihr Kinn zu fassen und sie streng anzusehen.
„Warum lässt du dir nicht helfen?“, fragte er in unheimlichem Tonfall.
„Ich vertraue dir nicht.“, kam es zurück.
Leise lachend zog er sich zurück.
„Ach, das ist es also. Na gut. Was hältst du davon zu frühstücken? Dabei kannst du mir ein paar Fragen stellen.“
Misstrauisch beäugte sie ihn. Dann nickte sie. Konnte sie ihm wirklich vertrauen? Was, wenn er ihren Fragen auswich oder er nicht bereit dazu war, sie zu beantworten? Sie beschloss es einfach drauf ankommen zu lassen und folgte ihm aus der Bibliothek.
„Wo sind deine Eltern?“, fragte sie, noch während sie durch die Flure liefen.
„Sie sind tot. Schon seit langer Zeit.“, kam es monoton zurück.
„Das tut mir leid.“, sagte Avery leise. Sie wusste wie es war wenn man eine geliebte Person verliert. Ihre Großmutter war vor einigen Jahren verstorben. Sie war bis heute nicht darüber hinweg.
Sie kamen in den Speisesaal, welcher riesig war. Nero deutete auf den Tisch, an dem sie sogleich Platz nahm.
„Was möchtest du essen?“, fragte er kühl. Das Mädchen zuckte die Schultern.
„Irgendwas. Hauptsache, was zu futtern.“
Ein leichtes Lächeln huschte über sein Gesicht. Avery hatte etwas an sich, dass ihm gefiel.
„Warte einen Augenblick.“
Er verschwand...


_____ 3 _____


„Ich hatte schon eine Ewigkeit keine Waffeln mehr zum Frühstück.“, murmelte ich und starrte auf den Teller vor mir.
Lächelnd nahm Nero gegenüber von mir Platz.
„Isst du nichts?“, fragte ich überrascht und sah ihn neugierig an. Ich hatte beschlossen ihm zu vertrauen, auch wenn sich einige Teile in mir dagegen wehrten. Mein Verstand glaubte noch immer, er wäre gefährlich.
Er schüttelte still den Kopf. Naja, konnte mir auch egal sein. Vielleicht hatte er schon gegessen?
Ich fing an zu essen und nachdem ich einige Bissen gekaut und hinunter geschluckt hatte, stellte ich ihm die erste Frage.
„Warum bist du mir vergangene Woche gefolgt?“
Ein geheimnisvolles Lächeln umspielte seine Mundwinkel.
„Mein Instinkt hat mich getrieben. Du bist interessant...“
Ich blieb still. Seine Antwort jagte mir auf eine gewisse Weise Angst ein, aber vielleicht sollte ich mich geschmeichelt fühlen, immerhin war er von mir fasziniert.
„Ah. Und warum willst du mir unbedingt...helfen?“
„Ich weiß nicht. Vielleicht weil man eine solch hübsche Frau mit ihren Problemen nicht alleine lassen sollte? Sonst geht sie noch daran zugrunde.“
Ich konnte mir ein leises Lachen nicht verkneifen. Die Art wie er das sagte klang aufrichtig, dennoch übertrieben.
„So wie du das sagst klingt es, als würdest du mich für die hübscheste Frau auf Erden halten...“
Ich wollte noch etwas hinzufügen, doch er kam mir zuvor.
„Was, wenn ich dir sage, dass du Recht hast und ich dich wirklich für die hübscheste Frau auf Erden halte?“
Ich schüttelte den Kopf und grinste.
„Dann würde ich dir sagen, dass du nicht mehr alle Latten am Zaun hast! Nächste Frage: Wen hast du im Wald gesucht?“
Das grün seiner Augen schien sich zu verdunkeln, doch ich war mir sicher, dass ich mir das nur einbildete.
„Erwischt.“, sagte er. „Ich habe niemanden gesucht. Ich habe nachgedacht.“
„Und worüber?“
„Über ein Kapitel meines Lebens, in dem ich viele Fehler gemacht habe.“
Das er nicht darüber reden wollte erschien mir sinnvoll, weshalb ich dieses Thema nicht weiter vertiefte. Ich aß weiter. Die Waffeln schmeckten gut. Wenn er die gemacht hatte verdiente er eine kleine Anerkennung.
„Ich habe Angst vor der Einsamkeit...“, gab ich leise zu.
Ich wusste nicht, warum ich das sagte. Vielleicht wollte ich einfach jemanden haben dem ich alles anvertrauen konnte? Ein Fremder war doch besser als ein Freund, oder? Ein Fremder hatte doch immer einen guten Rat...
Als ich einen Blick in seine Richtung riskierte sah ich, dass er ernst geworden war. Ein mir unbekanntes Gefühl glimmerte in seinen Augen. Er blieb still, als wartete er darauf, dass ich fortfuhr. Und das tat ich auch. Ich begann alles zu erzählen, was ich die Jahre über in mich hineingefressen hatte.
„Ich war schon immer etwas anders als die anderen...Man grenzte mich immer aus, ich weiß bis heute nicht warum. Ich hatte damals viele Freunde, doch nach und nach wandten sie sich von mir ab. Sie wollten mich nie dabei haben, haben mich belogen und getäuscht. Viel zu lange habe habe ich mich auf das verlassen, wovon ich glaubte es sei ausschlaggebend. Ich wurde schlechter in der Schule, wurde zur Außenseiterin und schottete mich immer mehr ab. Irgendwann begannen meine Eltern sich zu streiten, seitdem komme ich mir noch nutzloser vor. Fast täglich kriege ich ihre Wut zu spüren. Viel zu oft schlägt mich mein Vater. Meiner Mutter ist das egal. Sie hat das Interesse an ihrer Tochter schon vor langer Zeit verloren. Nach der achten Klasse wechselte ich die Schule, da ich mit den Lehrern und meinen Mitschülern nicht auskam. Auf meiner neuen Schule habe ich ein paar neue Freunde gefunden. Allerdings vertraue ich ihnen bis heute noch nicht vollständig. Sie wissen kaum etwas über mich und ich will, dass das so bleibt. Schließlich habe ich es bereut jemandem etwas anvertraut zu haben. Seit fast einem Jahr bin ich ein Teil von der Band
Mystic Dream. Casey, der Gitarrist, steht mir näher als jeder andere, dennoch weiß er nicht wie ich mich wirklich fühle. Ich weiß das er mehr als nur Freundschaft für mich empfindet aber ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Ich weiß nicht, was ich fühlen soll. Soll ich froh darüber sein eine Einzelgängerin zu sein? Oder sollte ich mir neue Freunde suchen?“
Mit einem verzweifelten Seufzen stützte ich den Kopf auf den Händen ab.
Ich stellte fest, dass es gut tat sich alles von der Seele zu reden. Eine Träne lief über meine Wange und hinterließ eine feuchte Spur.
„Ist alles in Ordnung?“, fragte Nero sanft. Der Stuhl wurde zurückgeschoben und ich musste nicht aufsehen um zu wissen, dass er zu mir kam. Nach einigen Sekunden spürte ich eine Hand auf meinem Rücken.
„Ich weiß es nicht...“, antwortete ich auf seine Frage.
Er umfasste mein Gesicht mit beiden Händen und hob es an. Mit einer zarten Berührung wischte er die Träne fort.
„Ich weiß wie du dich fühlst. Mir ging es genauso, glaub mir. Diese Zeit geht vorbei, nur dauert es bis dahin meist ein wenig.“
„Wie beruhigend.“, meinte ich sarkastisch und schob seine Hände vorsichtig aber bestimmend weg.
„Vielleicht hast du Recht. Vielleicht aber auch nicht. Ich schätze ich sollte mich unter einem Stein verstecken und warten bis sich mein Leben beruhigt hat.“, fügte ich hinzu.
Mit einem prüfenden Blick wandte Nero sich von mir ab und setzte sich wieder an den Tisch.
„Wenn du jemanden zum reden brauchst, kannst du gerne zu mir kommen. Ich glaube es fällt dir leichter mit anderen Personen über deine Probleme zu reden, als mit deinen Freunden.“
Wieder ein Schulterzucken.
„Ich will nicht, dass meine Freunde erfahren wie armselig ich in Wirklichkeit bin...Ich danke dir dafür, dass du mir zuhörst. Auch wenn ich bezweifle das die Entscheidung dir zu vertrauen, richtig war.“
Er lächelte schwach und mein Gefühl sagte mir, dass das Eis gebrochen war.
„Du bist nicht armselig. Keineswegs. Ich bewundere dich. Du versuchst alleine mit deinen Problemen klarzukommen, auch wenn du nicht recht weißt wie. Das man einer, nach Hilfe schreienden Person, zuhört ist selbstverständlich, dafür brauchst du dich nicht zu bedanken. Was das Vertrauen angeht...Ich werde dich niemals zu etwas zwingen was du nicht willst, auch wenn das anders herüberkommt. Ich verlange nicht von dir mir zu vertrauen, du musst selbst wissen ob ich eine vertrauenswürdige Person bin oder nicht. Ich habe eine Frage. Was genau empfindest du wenn du, wenn du mir gegenüberstehst? Wie sieht es in dir aus, wenn du mich ansiehst?“
Diese Frage ließ mich stutzen. Interessierte es ihn, was ich von ihm hielt? Da ich schon meine Leidensgeschichte erzählt hatte, kam ich zu dem Entschluss, dass es nicht viel schlimmer sein konnte seine Meinung zu sagen.
„Um ehrlich zu sein weiß ich nicht, was ich von dir halten soll. Auf der einen Seite finde ich dich attraktiv und anziehend. Du hast etwas an dir was mich fasziniert, nur weiß ich nicht was es ist. Ich sehe dir an das du eine Menge Selbstbewusstsein besitzt, dass ist bewundernswert. Auf der anderen Seite jedoch habe ich Angst vor dir. Mein Verstand sagt das ich vor dir weglaufen sollte, allerdings ist der Drang...hinter dein Geheimnis zu kommen, genauso stark. Du strahlst Macht und Stärke aus und das gefällt mir nicht. Dominanz ist einer der wenigen Dinge, die ich in grober Menge überhaupt nicht ausstehen kann. Mein Gefühl und mein Verstand führen zurzeit also Krieg.“
Ein faszinierendes Funkeln trat in seine Augen.
„Da du so ehrlich zu mir warst, werde ich dir etwas verraten! Ich finde dich unglaublich interessant! Du hast ebenfalls etwas an dir, was mich in den Bann zieht. Auch ich kann nicht sagen was es ist. Außerdem bist du unglaublich attraktiv. Ich wette, dessen bist du dir gar nicht bewusst.“
Ich spürte wie mir die Röte ins Gesicht stieg. Es kam nicht oft vor das ich rot wurde, weshalb ich es als peinlich empfand und meinen Blick abwandte.
Nero lachte leise. Dieses Lachen war unglaublich...Ich musste mir eingestehen, dass Nero mehr anziehender war, als abschreckend.
„Dir macht nicht oft jemand Komplimente, oder?“
Ich schüttelte peinlich berührt den Kopf.
„Nein...“, sagte ich fast unhörbar.
„Na wenn das so ist...Du siehst verdammt heiß aus!“
Trotz noch kräftigerer Röte grinste ich.
„Danke. Du übrigens auch.“
Wieder ein Lachen.
Nachdem ich nicht wusste was ich sagen sollte erhob ich mich.
„Ich sollte mich auf den Weg nach Hause machen. Meine Eltern werden mir den Kopf abreißen...“
Nero wurde schlagartig ernst.
„Scheint als müsse ich mal mit deinen Eltern reden.“
Entsetzt sah ich ihn an.
„Um Himmels willen, nein! Das ist purer Selbstmord! Eine Freundin von mir war mal bei mir zu Besuch. Als sie mitbekommen hat das meine Eltern mich hauptsächlich anschreien, hat sie sie darum gebeten doch in einem ordentlichen Tonfall mit mir zu reden. Mein Vater stand kurz davor ihr eine zu verpassen!“
Nero zog spöttisch einen Mundwinkel nach oben.
„Glaub mir, dass wird er sich bei mir nicht trauen. Und wenn doch, bekommt er auch eine von mir verpasst. Ich bin stärker als ich aussehe.“
Einen Augenblick lang sah ich ihn einfach nur an. Dann lächelte ich schwach.
„Das du stark bist glaube ich durchaus. Trotzdem halte ich es für keine so gute Idee.“
„Hast du Angst, er könne dich für die Taten anderer bestrafen?“, fragte er nun monoton und sah mich forschend an. Ich seufzte.
„Angst davor habe ich nicht, denn ich weiß das er es tatsächlich macht. Er würde mir die Dinge verbieten die mir wichtig sind. Wenn er mich mit dir zusammen sieht, glaubt er wir wären gute Freunde, dann würde er mir, wenn du dich ihm entgegen stellst, verbieten dich je wiederzusehen.“
Er erhob sich in einer geschmeidigen Bewegung und kam um den Tisch herum.
„Ich werde dich begleiten.“
Wieder ein Seufzer. Ich ahnte bereits das es sinnlos wäre mit ihm zu diskutieren.
„Ich nehme an, eine Diskussion würde ich nicht gewinnen.“
Er nickte grinsend.

Auf dem Weg zu Avery schwiegen sich die beiden an. Avery wusste nicht was sie sagen sollte, Nero wartete ab ob sie irgendwann etwas sagen würde. Jedoch kam er zu dem Entschluss, dass sie ihm immer noch nicht vertraute.
Vor ihrem Haus blieben sie stehen.
„Bis hierher und nicht weiter.“, sagte sie ausdrucksstark und warf ihrem Begleiter einen Seitenblick zu. Doch der lächelte nur.
„Zufällig weiß ich, dass du heute Abend einen Auftritt hast. Bis dahin sind es nur noch wenige Stunden, deshalb wirst du doch sicher verstehen, dass ich dir die restliche Zeit über Gesellschaft leiste.“
Mit leidendem Gesichtsausdruck sah sie zu ihm auf.
„Tu mir das nicht an!“
Er lachte leise, legte seine Hand auf ihren Rücken und schob sie voran.
Nachdem Avery den Schlüssel ins Schloss geschoben hatte hielt sie inne. Sie starrte auf ihre Hand.
„Nero...“, begann sie flehend, doch er sah sie nur wütend an.
Mit einem resignierten Seufzen schloss sie die Tür auf.
„Avery?“, ertönte eine wütende Stimme aus dem Wohnzimmer.
„Avery?“, ertönte es dann ein zweites Mal aus der Küche.
Das Mädchen zog bereits die Schultern ein. Wie aufs Stichwort bogen sowohl ihr Vater als auch ihre Mutter in den Flur ein. Ihre Mutter stutzte.
„Wer ist das?“, fragte sie grob und deutete auf Nero.
„Das ist Nero, ein Freund.“, antwortete Avery monoton.
Raphael, ihr Vater, kam in großen Schritten zu ihr und packte sie grob am Kinn. Diese Geste hatte rein gar nichts mit der zutun, wie Avery sie von Casey kannte.
„Wo warst du, Avery?“, fragte er in gefährlich lautem Tonfall.
Sie hielt dem wütenden Blick von Raphael stand, aus seinem Griff konnte sie sich jedoch nicht befreien. Bevor sie etwas sagen konnte meldete Nero sich zu Wort.
„Sie hat sich im Wald verlaufen...Ich bin ihr zufällig über den Weg gelaufen.“
Die grauen Augen ihres Vaters richteten sich auf ihn.
„Heißt du Avery? Ich glaube nicht! Meine Tochter kann für sich selbst sprechen.“
Neros Augen verengten sich. Das was er sah gefiel ihm gar nicht. Er griff nach dem Handgelenk von Raphael und sah ihn mit vor Wut blitzenden Augen an.
„Lassen Sie sie los!“
Raphael grinste und entblößte dabei eine Reihe schiefer Zähne.
„Was passiert wenn ich es nicht tue?“
Der legt es ja geradezu darauf an!

, dachte Nero und verstärkte seinen Griff. Nach einigen Sekunden verzog Avery´s Vater voller Schmerz das Gesicht. Sofort ließ er von seiner Tochter ab.
Avery sah den jungen Mann erstaunt an.
Wie hat er das gemacht? Ist er wirklich so stark?


Als ob er ihre Gedanken gehört hätte, sah er sie an. Ein Schauer rieselte über ihren Rücken.
„Du verdammter...“, schrie Raphael und hob die Hand. Avery erkannte die Gefahr und stellte sich zwischen Raphael und Nero.
„Hör auf!“, schrie sie. Doch es war bereits zu spät. Statt Neros, traf seine Hand ihr Gesicht.
Still, mit Tränen des Schmerzes in den Augen, hielt Avery sich die Wange.
„Wie oft muss ich dir noch sagen das du dich mir nicht zu widersetzten hast!“, brüllte ihr Vater. Wortlos griff Avery nach Neros Hand und zog ihn mit.
„Ich sagte doch es ist keine gute Idee.“, murmelte Avery während sie die Zimmertür abschloss. Nero musterte sie voller Sorge, dann ging er zu ihr und zog sie in den Arm.
„Süße, es tut weh das mit anzusehen...“
Sie blieb still.
„Zeig her.“, sagte er sanft und fasste so zart wie eine Feder ihr Kinn. Er drehte ihr Gesicht ein wenig und betrachtete ihre Wange, die glühte.
„Das muss gekühlt werden.“, meinte er leise und ließ sie los.
„Ist schon gut.“, flüsterte Avery. „Es wird ein paar Stunden rot bleiben und brennen, vielleicht auch ein wenig anschwellen, aber ich bin es gewohnt.“
Er schüttelte den Kopf über ihre Antwort. War es ihr egal ob sie misshandelt wurde?
Nero schaute sich um, entdeckte eine offenstehende Tür und stellte fest, dass sie ins Bad führte. Er wandte sich von Avery ab und ging ins Bad, wo er zwar kein Kühlpack fand, dafür aber ein Tuch, welches er mehrere Male faltete und in kaltes Wasser tauchte.
Dann ging er zurück zu dem Mädchen.
„Hier.“
Mit einem leisen „Danke“ nahm sie es entgegen und hielt es gegen ihre, vor Schmerz pochende, Wange.
„Das, was ich da gerade gesehen habe gefällt mir gar nicht. Wurde das schon mal dem Amt gemeldet?“
Avery schüttelte den Kopf.
„Niemand weiß davon. Ich selbst traue mich nicht.“
Nero blieb still, dann sah er sie fragend an.
„Bist du sicher, dass du gleich noch auf die Bühne willst?“
Sie nickte entschlossen und klang gleich viel selbstbewusster.
„Ja. Ich kann die anderen doch nicht einfach so im Stich lassen. Außerdem lasse ich mir wegen dieser Kleinigkeit nicht den Abend verderben!“
Er lächelte traurig.
„Eine Kleinigkeit würde ich das nicht nennen. Ich bestehe darauf, dass du deine wichtigsten Sachen zusammenpackst und mit zu mir kommst.“
„Das kann ich nicht machen! Meine Eltern werden die Polizei verständigen und...“
Er legte ihr einen Finger auf die Lippen und sah sie bedeutsam an. Das egoistische Wesen in ihm wollte dieses Mädchen ganz für sich allein. Die Fürsorglichkeit in ihm, die so gut wie gar nicht existierte, wollte sich um Avery kümmern. Er wollte, dass sie bei ihm blieb!
„Mach dir darum keine Gedanken. Ich werde dafür sorgen, dass du in Sicherheit bist! Wenn du nicht willst musst du nie wieder zu deinen Eltern zurückkehren!“
Angst erfüllte ihren Blick. Es kam ihr so vor, als hätte er etwas geplant. Etwas, dass böse enden könnte.
„Wie willst du das machen? Rein hypothetisch gesehen wird das schiefgehen!“
Er lächelte.
„Ich sagte, mach dir darum keine Gedanken! Ich kenne viele wichtige Personen, die für die Sicherheit der Menschen zuständig sind. Du kannst mir vertrauen! Wenn du allerdings hierbleiben willst, werde ich dich nicht daran hindern.“
Avery überlegte einen Moment. Was sollte sie nun tun? Hierbleiben, bei ihren Eltern die sie misshandelten? Oder ihre Sachen packen und zu einem – fast – Fremden gehen, in der Hoffnung, sie würde für den Rest ihres Lebens in Sicherheit leben?
Dann...
„Einverstanden! Ich werde mit dir kommen.“
Nero lächelte leicht. Das war schon mal ein guter Anfang.

„Hallo, Jungs!“, sagte ich freudig und spürte sogleich darauf den überraschten Blick von Nero.
„Da ist ja meine kleine Fee!“, lachte Casey und umarmte mich. Nachdem er mich losließ richtete er seinen Blick auf meinen Begleiter. Feindseligkeit lag in seinem Blick.
„Das ist Nero...“, sagte ich schnell. „Er ist...ein Freund von mir.“
Nero strahle eine gewisse Boshaftigkeit aus, die mich beunruhigte.
„Scheinst ja ganz schön in sie verschossen zu sein.“, sagte er belustigt.
Geschockt starrte ich ihn an, dass konnte er doch nicht mal eben so heraus posaunen! So etwas war peinlich! Ich bemerkte das Casey sich anspannte.
„Bist du bekloppt?“, schnauzte ich und verpasste ihm einen Box.
Überrascht sah Nero mich an.
„Ich wusste nicht das du gewalttätig bist.“, sagte er und wurde dann ernst. „Wenn er dich wirklich mag, steht er dazu. Ganz egal was andere davon halten und dazu sagen.“
„Aber das ist...“, weiter kam ich nicht, denn Casey sah mich bedrückt an und unterbrach mich.
„Du hast es gewusst? Und es ihm gesagt?“
Fassungslos sah er von mir zu Nero, dann ging er an uns vorbei und verschwand. Wir standen bereits hinter der Bühne, in einer halben Stunde wären wir an der Reihe. Jetzt einen Streit mit Casey zu beginnen hätte Folgen!
Traurig und gleichzeitig wütend sah ich ihm nach.
„Besser du hältst die Klappe.“, sagte ich knurrend zu Nero, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Ich rannte los.
„Casey!“, rief ich.
Es war stockdunkel hinter der Bühne, dass wir uns in einem Park befanden machte die Sache nicht einfacher. Nach ein paar Minuten fand ich Casey auf dem Ast eines Baumes sitzend.
„Casey.“, sagte ich ruhig.
„Lass mich in Ruhe.“
Ich schaffte es auf den Baum zu klettern und setzte mich gegenüber von ihm auf einen anderen Ast. Sein Blick galt dem Himmel.
„Ja, ich weiß es. Schon lange. Ich habe es Nero erzählt, weil ich zurzeit eine Menge Probleme habe und jemanden zum reden gebraucht habe. Ich habe es ihm anvertraut, in der Hoffnung das er mir sagen kann, wie ich damit umgehen soll. Es war und ist nicht meine Absicht dich zu verletzen. Dafür bedeutest du mir zu viel. Nimm es dir bitte nicht zu Herzen!“
Nun richteten sich seine braunen Augen auf mich.
„Warum kommst du mit deinen Problemen nicht zu mir? Ich dachte wir wären Freunde?“
„Das sind wir auch.“, erwiderte ich. „Das mit den Problemen ist...eine komplizierte Sache. Mit einem meiner Freunde darüber zu reden würde es nur schlimmer machen. Nero ist ungehobelt, grob, arrogant und vorlaut, ich weiß. Aber er hilft mir zurzeit wirklich sehr! Bitte versteh das.“
Er seufzte.
„Ich liebe dich, Avery! Ich will das du glücklich bist. Aber...Nero ist nicht derjenige, der für dieses Glück verantwortlich sein wird!“
Ich lachte leise.
„Bist du etwa eifersüchtig?“
Als ich sah das er mich wütend anstarrte, lächelte ich zart.
„Ich bin nicht an Nero interessiert. Jedoch muss ich zugeben das er verdammt gut aussieht. Aber du siehst genauso gut aus! Vertrau mir, Casey. Niemand wird sich zwischen uns stellen, versprochen! Wenn er dir einen blöden Spruch an den Kopf knallt, feuere zurück.“
Nun lächelte auch er. Einige Zeit lang saßen wir still da und schauten in die Sterne, bis ich ihn ansah.
„Wir sollten zu den anderen zurückgehen. Wir haben nicht mehr viel Zeit, ehe wir an der Reihe sind.“
Er nickte und zusammen kletterten wir vom Baum.
Während wir durch die Dunkelheit liefen, blieb er plötzlich stehen. Mit hochgezogenen Brauen drehte ich mich zu ihm um. Ich brauchte nicht zu fragen was los war, er konnte es an meinen Augen ablesen. Er kam zu mir und blieb dicht vor mir stehen. Er legte eine Hand an meine Wange und sah mich ehrfürchtig an.
„Küss mich, wenn du willst. Das ist alles was ich dir geben kann.“, murmelte ich leise.
Zögerlich näherte er sich mir. Doch dann küsste er mich tatsächlich. Seine Lippen waren weich und warm, er schmeckte süß, zu süß. Schon nach einigen Sekunden zog er sich wieder zurück. Mit einem traurigen Blick, in dem das Wissen lag das er mich niemals bekommen würde, ging er an mir vorbei und ließ mich stehen.
Seufzend folgte ich ihm.
„Was war das denn?“, fragte Nero, der plötzlich aus dem Nichts neben mir auftauchte.
„Nach was hat es denn ausgesehen?“, fragte ich kalt.
„Hast du dich entschieden seine Gefühle zu erwidern?“, fragte er scheinbar belustigt.
Ich sah ihn noch immer nicht an.
„Nein. Es war nur ein Kuss. Betrachte es...als ein Abschiedskuss.“
Schweigend gingen wir zurück.


_____ 4 _____


Auf der Bühne herrschte Anspannung. Seitdem Casey wieder zu den anderen zurückgekehrt war, hatte er nicht ein Wort gesagt. Die anderen hatten geahnt, dass er Gefühle für sie entwickelte, doch jetzt wo es raus war, wurde es schwierig. Keiner von ihnen wusste wie er damit zurechtkam abgewiesen worden zu sein...
Eine Stunde später war schon wieder alles vorbei. Nero wartete schweigend hinter der Bühne auf Avery, die nach einigen Minuten in sein Blickfeld trat.
„Alles in Ordnung?“, fragte er nachdem sie schweigend an ihm vorbeiging.
„Ja.“, sagte sie bloß und schaute über ihre Schulter. „Kommst du?“
Er nickte.

„Was ist los?“, fragte ich. Überrascht sah Nero mich an.
„Was soll sein?“
„Irgendetwas scheint dich zu beunruhigen. Du bist seltsam still. Außerdem ziehst du ein Gesicht als würdest du am liebsten schreien vor Wut.“, meinte ich und sah misstrauisch zu ihm auf.
„Du bist ziemlich aufmerksam.“, stellte er fest. „Ich gebe zu, dass...“
Er hielt inne, denn ich blieb abrupt stehen. Er wollte gerade fragen was los war, da drehte ich mich um und erblickte den Grund für das beunruhigende Gefühl, welches mich die ganze Zeit begleitet hatte. Ein Mann und eine Frau, scheinbar nur ein wenig älter als Nero und ich, starrten mich ausdruckslos an. Gänsehaut breitete sich auf meinen Armen aus. Die zwei waren genauso gruselig wie Nero.
„Sie hat uns bemerkt...“, stellte die blonde Frau empört fest.
„Ich gebe zu, dass ist beeindruckend.“, sagte der Mann.
Nero, neben mir, erstarrte. Seine offensichtliche Wut jagte mir Angst ein. Er kannte sie wohl. Und mochte sie nicht besonders.
„Was wollt ihr?“, knurrte er unheilvoll.
„Du weißt es nicht, oder?“, fragte der Mann. Er hatte helle, braune Haare, azurblaue Augen und war wie Nero ebenfalls groß und muskulös.
Ein fragender Ausdruck trat in Nero´s Gesicht, doch er blieb still.
„Die Kleine dort ist kein normaler Mensch. Ist es dir nicht aufgefallen? Du kannst weder in ihr Bewusstsein eindringen, noch ihre Gedanken lesen. Hinzu kommt das sie stärker ist als ein normal Sterblicher. Und weiß du auch warum? Sie ist die Tochter von Airas!“
Airas?

, dachte ich. Wer soll das sein?


Ein sehr mächtiger Mann...

, kam es zurück. Ich erstarrte.
„Wer sagt denn das ich ihre Gedanken nicht lesen kann?“, meinte Nero spöttisch.
Erschrocken sah ich zu ihm auf. Er konnte...Gedanken lesen? Also kam die Antwort...von ihm?
„So, du kannst es also doch?“, fragte der Fremde.
„Vielleicht.“, antwortete Nero mit einem hochgezogenen Mundwinkel. Dann wurde er wieder ernst. „Selbst wenn sie die Tochter von ihm ist, was hat das mit dem Hier und Jetzt zutun?“
„Mach dir darüber keine Gedanken, Nero.“, sagte die kleine Blondine, die ich schon jetzt abgrundtief hasste. „Sie braucht dich nicht zu kümmern.“
Kaum hatte sie diese Worte ausgesprochen, machte sie eine Bewegung, und stand innerhalb zwei Sekunden hinter mir. Erneut erstarrte mein Körper zur Salzsäule. Etwas kaltes, hartes drückte gegen meine Hals. Ich begriff das es eine Klinge sein musste.
„Eine Bewegung und das Mädchen ist tot!“, knurrte die Frau.
Nero war in Begriff einen Schritt zu machen, doch augenblicklich durchfuhr mich ein stechender Schmerz. Zur selben Zeit bekam Nero einen Schlag von dem Mann verpasst.
Was passiert hier eigentlich?

, dachte ich und hoffte, Nero hätte darauf eine Antwort.
Das sind Vincent und Javiera. Zwei...Personen die ich verabscheue.


Inzwischen hatte ich begriffen, dass der Schmerz daher rührte, dass die Klinge einen Schnitt in meinem Hals hinterlassen hatte.
Voller Angst beobachtete ich, wie Nero und Vincent begannen miteinander zu kämpfen.
Nero war unglaublich...Er wich jedem Hieb aus und schaffte es nach einigen Minuten, seinen Gegner zu Fall zu bringen. Er wirbelte herum und starrte Javiera an, die immer noch hinter mir stand und das Messer oder den Dolch, was auch immer, an meine Kehle gedrückt hatte.
„Lass sie los!“, knurrte er. Dieses Knurren war anders als das, was ich bisher zu hören bekommen hatte. Es hatte etwas animalisches und klang so gefährlich wie ein Löwe, der seine Beute verteidigte. Javiera lachte.
„Träum weiter!“
Ich musste mir eingestehen, dass Nero bei diesem Spiel nicht gewinnen konnte, also beschloss ich, selbst etwas zu unternehmen. Mag sein das ich schüchtern und zurückhaltend war, dass hieß aber noch lange nicht das ich deshalb nicht stark war!
Ich stieß der Frau den Arm kraftvoll in den Bauch. Sie taumelte wenige Zentimeter zurück, was mir die Chance gab herumzuwirbeln und ihr den, wie ich jetzt sah, Dolch aus der Hand zu reißen. Sie fauchte mich an und holte aus, doch dieses Mal war ich schneller. Ein gezielter Hieb und eine Wunde klaffte in ihrer Brust. Der Schnitt war nicht groß, doch scheinbar ziemlich tief.
Überrascht sah Nero mich an. Sofort war er bei mir.
„Du bist verletzt.“, stellte er fest und hob mein Gesicht um die Wunde zu betrachten.
„Halb so wild.“, beteuerte ich und richtete meinen Blick auf Vincent und Javiera.
„Ich glaube wir sollten verschwinden.“, fügte ich hinzu.
Nero nickte bloß und nahm dann meine Hand.

„Mach die Augen zu.“, sagte Nero und sah Avery streng an.
„Warum?“
„Mach es einfach.“
Zögernd folgte sie seinem Befehl und schloss die Augen. Den Schmerz der Wunde in ihrer Kehle spürte sie nicht mehr, dafür spürte sie etwas warmes. Bestrich er den Schnitt etwa mit einer Flüssigkeit? Trotz aller Neugier hielt sie die Augen geschlossen. Nach einigen Sekunden fühlte sie, wie er etwas auf den Schnitt klebte. Nun öffnete sie doch die Augen.
„Was verheimlichst du mir?“, fragte sie und sah ihren Gegenüber prüfend an.
Schweigend sah er Avery an. Ihr Blick wurde fordernder. Nero seufzte und legte seine Hand auf ihre Wange.
„Vertraust du mir?“, fragte er monoton.
Das Mädchen hatte nicht mit dieser Frage gerechnet, weshalb sie zögerte. Sie hatte beschlossen ihm zu vertrauen, doch ob das vernünftig war wusste sie nicht. Schließlich nickte sie entschlossen.
Nero seufzte erneut.
„Ich hatte gehofft nicht in diese Situation zu kommen.“, murmelte er. Er wandte sich kurz von ihr ab und als er sich wieder zu ihr drehte, wich sie einen Schritt zurück.
Seine grünen Augen leuchteten in einem unheilvollen gold und die Spitzen seiner Eckzähne ragten über seine Unterlippe. Wütend, ja mit fast mörderischem Blick schaute er auf Avery hinab.
Diese war sprachlos.
Warum sagst...zeigst du mir das erst jetzt?

, dachte sie dann. Nero schwieg, dann sah er sie überrascht an.
„Du hast keine Angst?“, fragte er verblüfft.
„Angst? Nein. Wohl eher Neugier. Du willst mir weiß machen das du ein Vampir bist. Schön und gut. Ich glaube dir. Jetzt will ich wissen wer dieser Airas ist und was dieser Vincent und die Blondine von mir wollten.“
Nero knurrte leise.
„Airas war ein Vampir der für Chaos sorgte. Er war ziemlich mächtig, da er unglaublich alt war. Zurzeit geht das Gerücht um, dass er noch immer lebt und das gefällt mir nicht. Ich habe in der Vergangenheit einige Dinge getan, die ihm Probleme bereitet haben. Sollte er wirklich noch leben muss ich vorsichtig sein! Was Vincent und Javiera vor hatten, kann ich nicht sagen.“
Avery stutzte.
„Stimmt das? Bin ich wirklich Airas Tochter?“
Nero bemerkte die Angst in dem Unterton.
„Ich weiß es nicht.“, antwortete er. „Einzig und allein deine Mutter kann dir dabei helfen.“
Avery kniff die Augen zusammen.
„Wenn das heißt, dass ich meine Mutter danach fragen soll, dann kannst du das getrost vergessen! Es muss einen anderen Weg geben das herauszufinden.“
Der Vampir zuckte lässig mit den Schultern und wandte sich ab.
„Vielleicht solltest du dir keine Gedanken darüber machen. Schließlich kennst du Airas nicht. Ist wohl auch besser so...“
„Wahrscheinlich hast du Recht.“ Avery machte eine Pause. „So, wo das nun geklärt ist, kannst du mir sicher erklären, warum du Casey und mich beobachtet hast!“
Nero´s Mundwinkel zuckten belustigt.
„Die Jungs halten nicht viel von mir und haben mir gesagt, dass ich vorsichtig sein soll mit dem was ich tue. Um ihnen nicht weiter auf die Nerven zu gehen bin ich dir gefolgt um zu sehen, ob alles in Ordnung ist.“
Skeptisch musterte Avery ihn, dann lockerten sich ihre Gesichtszüge.
„Machst du dir Sorgen um mich?“, fragte sie leise und sah mit großen Augen zu ihm auf.
Wortlos wandte er sich wieder ab, kurz bevor er den Raum verließ sagte er leise und monoton:
„Ja.“

„Du bist schon auf?“, fragte Nero und musterte mich. Ich verzog keine Miene und fuhr mir mit der Hand durchs Haar.
„Ich muss zur Schule. Ich hab mich dort seit über einer Woche nicht mehr blicken lassen.“
Er begann zu grinsen.
„Böses Mädchen!“
Ich setzte mich an den Tisch und freute mich insgeheim über den gedeckten Frühstückstisch.
Ich hatte die ganze Nacht über Nero nachgedacht, weshalb ich nicht viel Schlaf bekommen hatte. Er hatte meine Frage, ob er sich Sorgen um mich macht, mit Ja beantwortet. Aber was hieß das nun? Ich fragte mich, was er von mir hielt, sprach diese Frage aber nicht aus.
„Wie alt bist du eigentlich?“, fragte ich stattdessen, nachdem ich gegessen hatte und nun nach einem Apfel griff.
„Dreihundertachtundneunzig.“, antwortete er monoton und beobachtete, wie ich große Augen bekam.
„Du musst unglaublich viel erlebt haben.“, brachte ich schließlich heraus.
„Ja.“, antwortete er. „Aber es waren nicht nur schöne Erfahrungen.“
Ich blieb still. Vielleicht sollte ich aufpassen mit dem, was ich fragte, nachher würde ich ihn noch verletzen.
„Gibt es noch etwas das du wissen willst?“, fragte Nero plötzlich.
„Ähm...ja.“, sagte ich leise und spürte wie ich rot wurde. „Aber ich will dir nicht auf die Nerven gehen.“
Er lächelte leicht.
„Mach dir keine Sorgen, ich halte viel aus, du kannst also auch unangenehme Fragen stellen.“
Ich sah auf die Uhr und lachte leise.
„Tut mir leid aber ich muss los. Bin um ein Uhr wieder da.“
Mit diesen Worten stand ich auf und ging davon.

„Na, auch mal wieder da?“, begrüßte Phoebe Avery und grinste.
Das Mädchen lächelte schwach und setzte sich auf ihren Platz.
„Was hast du so getrieben?“, fragte Phoebe und lehnte sich dann zu ihrer Freundin herüber.
„Nichts Besonderes.“, antwortete die und schaute gedankenverloren aus dem Fenster...

„Da kommt ein super geiler Typ auf uns zu!“, sagte Phoebe leise und richtete ihren Blick auf einen Punkt, hinter Avery.
„Na und?“, sagte diese und zuckte die Schultern. Plötzlich wurde sie gepackt und herumgedreht. Nero küsste sie.
„Hallo, Schatz!“, sagte er als er sich zurückzog. Er zog sie in seinen Armen und beugte sich zu ihr hinunter, bis seine Lippen an ihrem Ohr lagen.
„Wir haben ein Problem! Einige Vampire suchen nach dir. Du musst vorsichtig sein!“
Phoebe machte große Augen. Avery wurde rot.
„Äh...Das ist Nero, mein Freund.“
Sie warf Nero einen wütenden Blick zu, doch der lachte nur leise. Phoebe schaute zwischen den beiden hin und her.
„Du hast mir nicht gesagt das du vergeben bist.“, meinte sie vorwurfsvoll.
„Wir sind noch nicht lange zusammen.“, sagte Avery leise.
Was sollte das? Deinetwegen werde ich die nächsten Tage gequält!

, dachte sie und warf Nero einen erneuten Blick zu.
Das war der einzige Weg dir die Nachricht zu überbringen. Ich habe gesagt das ich zu meiner Freundin muss um ihr etwas zu geben, dass war der einzige Weg um auf den Schulhof zu kommen.

, kam es zurück.
Das ist keine Entschuldigung dafür das du mich geküsst hast!


Nero´s Lachen wich einem breiten Grinsen.
Aber es hat dir doch gefallen.


Avery wurde erneut rot.
Na und? Das ist trotzdem keine Entschuldigung.


Phoebe grinste.
„Optisch passt ihr super zusammen. Wie's charakterlich aussieht, weiß ich leider nicht.“
Nero legte seinen Arm um die Taille von Avery und drückte sie an sich.
„Wir sind total verschieden aber das macht unsere Beziehung erst so richtig interessant!“
Phoebe lachte und zwinkerte Avery zu.
„Ich muss noch was mit Summer klären. Wir sehen uns dann im Klassenzimmer.“
Dann verschwand sie.
„Was für Vampire sind das, die nach mir suchen?“, fragte Avery ernst und sah zu Nero auf.
„Ich weiß es nicht. Ich werde die ganze Zeit über in deiner Nähe bleiben, nur für den Fall.“
„Auf keinen Fall!“, platzte es aus Avery heraus. Überrascht sah Nero sie an. Sie geriet ins Stottern.
„Äh...Es ist mir...unangenehm ständig angesprochen zu werden, weil...“
Er unterbrach sie mit einem Lachen.
„Das ist nicht der einzige Grund, oder?“, fragte er.
Peinlich berührt wandte sie ihren Blick ab. Doch das nützte nichts. Nero fasste ihr Kinn, drehte ihr Gesicht und beugte sich zu ihr hinunter, bis sich ihre Lippen fast berührten.
„Na sag schon, Süße. Was stört dich?“
Sie hatte das Gefühl das Rot in ihrem Gesicht würde noch intensiver werden. Sie traute sich nicht in seine Augen zu blicken.
„Ich will nicht das...“, sagte sie leise, fast unhörbar.
„Ja? Was willst du nicht?“, drängte der Vampir weiter.
„Ich will nicht das dich die Weiber anglotzen als wärst du ihr Nachtisch!“, fauchte Avery laut und schlug sich sofort die Hände vor den Mund.
„Süße, kleine Avery!“, lachte Nero, nahm ihre Hände, drückte sie nieder und küsste sie zärtlich. Zögerlich erwiderte sie den Kuss.
Sie hatte keine Ahnung warum sie sich darauf einließ, doch sie musste feststellen, dass es ihr gefiel.
Hat meine Süße sich endlich eingestanden, dass es ihr gefällt?


Seine Zunge fuhr über ihre Unterlippe, sie gewährte ihm Einlass und öffnete den Mund ein wenig.
Erstens bin ich nicht deine Süße! Zweitens ist die Nummer, das wir ein Paar sind lächerlich und drittens koste ich diesen Moment voll und ganz aus!

, dachte sie.
Der Kuss war bitter, doch damit hatte Avery keine Probleme. Sie genoss es.
Und ob du meine Süße bist!

, antwortete er und wurde leidenschaftlicher. Die Lüge das wir ein Paar sind ist genial, denn nun darf ich dich jederzeit küssen. Das du diesen Moment ausnutzt kann ich verstehen, denn erstens wünscht sich jedes Mädchen auf diesem Hof nun, es wäre an deiner Stelle und zweitens bin ich ein toller Liebhaber!


Ob du ein toller Liebhaber bist weiß ich nicht. Gut küssen kannst du jedenfalls.


Die Schulglocke unterbrach den Moment. Mit einem leisen Seufzen zog Avery sich zurück.
„So toll das auch war, ich muss zurück zum Unterricht.“
„Keine Sorge, ich werde warten!“
Nur widerwillig begab sich Avery ins Schulgebäude. Er passte ihr nicht das sich nun jedes x-beliebige Weib an Nero heranmachen konnte.
Ja, sie war eifersüchtig!

„Avery!“
Ich drehte mich um und sah Claire, die Oberzicke, auf mich zukommen.
„Wer war das eben?“, fragte sie neugierig und hinderte mich somit daran in die Klasse zu gehen.
„Mein Freund.“, antwortete ich knapp und wandte mich ab. Sie fasste mich am Arm und zog mich zurück.
„Würde es dir etwas ausmachen uns miteinander bekannt zu machen?“
Ich begann zu grinsen.
„Tut mir leid aber er steht nicht auf Blondinen.“, sagte ich und ließ sie stehen.
...Das Nero eine gewisse Anziehungskraft auf mich ausübte war mir bewusst. Dagegen hatte ich nichts einzuwenden, doch das nun ein Kribbeln in der Magengegend dazugekommen war, gefiel mir ganz und gar nicht. Ich konnte mich unmöglich in Nero verliebt haben. Oder etwa doch? Nun, wenn dem so war, dann musste ich zusehen, dass sich das so schnell wie möglich änderte.
Ich konnte ihn nicht lieben, geschweige denn es ihm sagen und mit ihm zusammen sein!
Er war ein Vampir und ich ein Mensch. Das konnte nicht gut gehen. Da half sein Talent beim küssen auch nicht weiter.
Betrübt sah ich aus dem Fenster, doch augenblicklich erstarrte ich. Nero saß auf dem Ast eines Baumes, die Arme hinterm Kopf verschränkt, die Beine überschlagen und die Augen geschlossen.
Als ob er meinen Blick gespürt hätte, schlug er die Augen auf und drehte seinen Kopf in meine Richtung. Was ist?

, hallte seine Stimme durch meinen Kopf.
Du solltest da runter kommen, bevor dich noch jemand sieht.


Nein. Es ist schön hier. Außerdem habe ich dich so immer im Blick.


Ich seufzte. Wenn ich über ihn nachdachte war es nicht sehr hilfreich ihn im Blickfeld zu haben.
„Hey!“
Phoebe stieß mich an und lehnte sich zu mir herüber.
„Kann er gut küssen?“, flüsterte sie.
Ich spürte wie ich rot wurde, ignorierte es aber und grinste.
„Oh ja! Du glaubst gar nicht wie gut!“
Sie kicherte.
„Das war offensichtlich! Du hättest mal sehen sollen wie die alle geguckt haben! Vor allem Claire!“
„Wenn es nach mir ginge, würden wir uns nicht so in der Öffentlichkeit präsentieren.“, murmelte ich leise.
„Erzähl mal. Wo habt ihr euch kennengelernt?“
Innerlich seufzte ich. Die Wahrheit konnte ich ihr natürlich nicht erzählen. Ich beschloss die ausschlaggebenden Dinge wegzulassen.
„Nach einem Auftritt. Wir sind uns zufällig über den Weg gelaufen.“, flüsterte ich, darauf bedacht keine Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen. Ich spürte noch immer Nero´s Blick auf mir ruhen.
„Klingt nicht sehr romantisch.“, meinte Phoebe.
„Das war es auch nicht.“, sagte ich. „Wenn ich ehrlich bin habe ich ihn am Anfang gehasst...“
„Aber?“
Ich zuckte die Schultern.
„Wir haben uns schon bei der ersten Begegnung geküsst. Vielleicht ging er mir deshalb nicht aus dem Kopf.“
Ihr Frauen redet auch über alles, oder?


Ich erstarrte. Hatte er uns gehört? Das war unmöglich!
Du kannst uns hören?


Ich bin ein Vampir, schon vergessen? Natürlich kann ich das. Ich kann selbst dein Herz schlagen hören und ich muss sagen, dass es mich in den Wahnsinn treibt.


Ich wollte ihm einen wütenden Blick zu werfen, aufgrund Phoebe neben mir ging das leider nicht.
„Nicht dein Ernst!“, meinte Phoebe verblüfft.
Ich nickte.
„Doch.“
„Das hört sich nach Liebe auf der ersten Blick an.“, kicherte sie.
„So etwas gibt es nicht.“ meinte ich wissend und riskierte nun doch einen Blick in Neros Richtung. Der sah mich immer noch an. Der Anflug eines Lächelns huschte über sein Gesicht.
Das ist alles deine Schuld!

, dachte ich grimmig und wurde noch wütender, als ich sah das er lachte.
Das was du da sagst ist die Wahrheit, also hör auf mir die Schuld in die Schuhe zu schieben!


Wenn du nicht hier aufgetaucht wärst müsste ich das nun nicht erzählen! Also halt die Klappe!

, schoss ich zurück. Plötzlich veränderte sich sein Tonfall. Jegliche Belustigung war aus seinem Gesicht verschwunden. Stattdessen wurde er todernst.
Avery.


Was?


Du hast Gefühle für mich. Ich spüre es. Zwar ist es keine Liebe, dennoch bedeute ich dir etwas. Also hör auf so zu tun, als hättest du ein Problem mit mir.


„Sag mal, hat dir dein Liebster einen Knutschfleck verpasst oder warum verdeckt ein Pflaster deinen Hals?“
Phoebe´s Worte rissen mich aus den Gedanken.
„Äh...“ Ich konnte ihr nicht sagen das mich jemand als Geisel genommen hatte, also nickte ich, wenn auch mit rotem Kopf. „Ja...“
Ein leises Lachen hallte durch meine Gedanken.
„Habt ihr denn schon...“
Als ich Phoebes Worte registriert hatte, vermutete ich, dass ich wie eine Tomate mit Sonnenbrand aussah.
„Ähm...“, hauchte ich nur. „Ich sagte doch das wir noch nicht lange zusammen sind.“
Nero konnte sich vor Lachen kaum noch halten. Ich hörte ihn nicht nur in meinen Gedanken, sondern sah ihn auch.
Meine Freundin kicherte wieder.
„Lass es mich wissen, wenn es passiert ist!“
Ich blieb still.


_____ 5 _____


Als Avery an die frische Luft kam, atmete sie tief durch. Die Röte war inzwischen wieder aus ihrem Gesicht verschwunden, doch das Gefühl das die Hitze hinterlassen hatte war immer noch vorhanden.
Sie sah Nero am Ende des Schulhofes stehen und ging zu ihm. Sie hatte erwartet einen dummen Spruch zu Ohren zu bekommen, doch er blieb still.
„Wenn ich deinen Gesichtsausdruck richtig deute ist jemand in der Nähe, der nicht hätte hier sein sollen.“, sagte sie monoton.
Er nickte.
„Warte hier. Ich bin gleich zurück.“ Mit diesen Worten verschwand er.
„Er sieht wirklich zum anbeißen aus.“
Avery zuckte vor Schreck zusammen. Phoebe hatte hinter ihr gestanden und nun auf sich aufmerksam gemacht.
„Mein Gott, erschreck mich doch nicht so!“
Phoebe ignorierte ihre Worte und geriet ins Schwärmen.
„Er erinnert mich total an Edward Cullen...Diese Augen!“
Avery blieb still, doch als sie die Worte „diese Augen“ registrierte erstarrte sie. Waren seine Augen golden gewesen?
„Was fällt dir ein Nero mit diesem Twilight-Heini zu vergleichen? Er hat nichts mit diesem Möchtegern Vampir zutun. Außerdem sieht er tausend Mal geiler aus.“, sagte Avery schnell.
Phoebe grinste und sah sie von der Seite an.
„Entschuldige. Ich hatte ganz vergessen das du kein Stephenie Meyer Fan bist.“
Danke.


Hä?


Mit Edward Cullen verglichen zu werden, ist eine Frechheit! Erstens hat der Typ überhaupt nichts von einem Vampir. Vampire sind Killer und nicht solche zahmen Kätzchen. Außerdem hast du Recht. Ich sehe tausend Mal geiler aus als er!


Avery lachte.
„Warum lachst du denn jetzt?“, fragte Phoebe verwirrt.
„`Tschuldige, ich habe nur an etwas gedacht.“
Phoebe sah auf ihre Uhr.
„Sorry, ich muss los. Wir sehen uns doch hoffentlich morgen, oder?“
Avery nickte.
„Natürlich.“
Die beiden verabschiedeten sich voneinander. Zurück blieb Avery, die auf ihren „Schatz“ wartete.

Zwei starke Arme umfassten mich von hinten und drückten mich an einen stählernen Körper.
Das Kribbeln was mich schlagartig durchfuhr ließ mich wissen, dass es Nero war.
„Hey!“, sagte ich empört.
Seine Lippen pressten sich auf meinen Hals.
„Verzeih`. Du duftest so unglaublich gut...“
„Schluss mit diesen Zärtlichkeiten. Dafür ist keine Zeit. Was hast du herausgefunden?“
Er seufzte und ließ von mir ab.
„Airas lebt. Einer seiner Lakaien war in der Nähe, um dich zu beobachten. Ich habe nur aus ihm herausbekommen, dass er ein Untergebener Airas ist.“
Einen Augenblick lang war ich sprachlos. Airas lebte also, und ich war vielleicht seine Tochter.
„Was hast du mit diesem Typen gemacht?“, fragte ich nach einer Weile.
„Ihn übel zugerichtet und ihn als Warnung an seinen Meister geschickt.“, kam es monoton von ihm zurück. Ich schluckte und fragte mich, wie übel er diesen Lakaien zugerichtet hatte. Nero legte seinen Arm um meine Taille und drückte mich an sich.
„Sollte dir etwas auffallen sagst du es mir, klar?“, sagte er leise.
Ich nickte und sah ihn dann fragend an. Er wusste worauf ich hinaus wollte.
„Es ist schon vorgekommen, dass ich einen Vampir nicht spüren konnte, deshalb ist es besser wenn du in meiner Nähe bleibst.“, erklärte er.
„In deiner Nähe zu bleiben heißt aber nicht, mit dir zu kuscheln.“, erwiderte ich und sah grimmig zu ihm auf. Es gefiel mir ihm so nahe zu sein, doch ihm gegenüber würde ich das natürlich nie zugeben. Das war scheinbar gar nicht nötig, denn er wusste es scheinbar schon.
„Du genießt es doch mir so nahe zu sein, also warum sträubst du dich so sehr davor mir gegenüber das zu zeigen?“
Ich seufzte, blieb stehen und sah zu ihm auf. Dann legte ich meine Hand in seinen Nacken, drückte ihn zu mir herunter und küsste ihn.
„Ja, ich genieße es.“, sagte ich als ich den Kuss unterbrach. „Aber ich kann mich nicht darauf einlassen. Angst vor einem Vampir habe ich zwar nicht aber die Tatsache das du mich jederzeit töten könntest, ist mir nicht geheuer.“
Ich ging weiter.
„Glaubst du wirklich das ich dich je verletzten, oder sogar töten würde?“, fragte er ausdrucksstark und klemmte mir eine Haarsträhne hinters Ohr.
„Vampire sind Killer, oder nicht?“, antwortete ich mit blasiertem Lächeln.
Er blieb still.

„Avery!“
Das Mädchen und der Vampir drehten sich um und sahen Hannah und Raphael, Avery´s Eltern.
„Scheiße!“, fluchte Avery. „Was machen wir jetzt?“, fragte sie dann und sah Nero an.
Der schob sie hinter sich und beobachtete wie ihre Eltern näher kamen. Sie waren mitten in der Innenstadt, hier gewalttätig zu werden könnte Folgen haben.
„Geh aus dem Weg!“, knurrte Raphael und sah Nero mit funkelnden Augen an.
„Nein.“, antwortete der monoton. Averys Vater holte bereits aus, da packte Hannah seinen Arm und drückte ihn nieder. Sie wandte sich an ihre Tochter und sah sie sowohl wütend als auch flehend an.
„Bitte komm zurück, Avery!“
„Auf keinen Fall!“, antwortete ihre Tochter.
Tränen sammelten sich in Hannahs Augen.
„Du kannst nicht ewig bei diesem Jungen bleiben. Die Polizei sucht nach dir. Wir haben uns solche Sorgen gemacht!“
Und ob ich das kann!

, dachte Avery.
„Ganz egal wer alles nach mir sucht. Ich werde nicht zurück kommen. Daran seid ihr selbst Schuld! Jeden Tag kriege ich Schläge, darauf kann ich getrost verzichten!“
In Avery begann es zu brodeln, sie hatte die Wut gegenüber ihren Eltern die meiste Zeit unterdrückt, doch jetzt wo ihre Mutter sie anflehte nach Hause zu kommen, funktionierte dies nicht mehr.
„Du wirst mit uns kommen, hast du verstanden?“, brüllte Raphael. Einige Passanten waren schon auf sie aufmerksam geworden, doch das störte keinen der vier.
Plötzlich wurde Avery bewusst, dass sie nun die Chance hatte ihren Eltern die Frage zu stellen, die zur Zeit am wichtigsten für sie war.
„Ich muss etwas wissen.“, begann sie und richtete ihren Blick auf ihre Mutter. „Wie lautet der Name meines leiblichen Vaters?“
Hannahs Augen weiteten sich vor Schreck. Woher wusste ihre Tochter das Raphael nicht ihr leiblicher Vater war? Und auch Raphael wusste nicht das er nicht Averys richtiger Vater war.
„Was soll das heißen?“, knurrte Raphael und sah Hannah an. Sie blieb still.
Averys Blick veränderte sich. Doch keiner von ihnen konnte sagen was genau sich in ihren Augen änderte.
„Sein Name ist Airas.“, sagte Hannah schließlich flüsternd und ließ zu, dass die Tränen über ihre Wangen liefen.
Nun glitzerten auch bei Avery die Tränen in den Augen. Unsicher begann sie auf ihrer Lippe herumzukauen.
„Warum hast du mir das nie gesagt?“, flüsterte sie.
Hannah blieb still. Sie wusste nicht wie sie das ihrer Tochter erklären sollte. Schließlich war Airas ein Vampir.
„Hannah.“, sagte Nero plötzlich. Averys Mutter erstarrte. Woher kannte der Junge ihren Namen?
„Weißt du, wer Airas wirklich ist?“, fragte er.
Sie nickte.
„Ich gehöre seiner Art an.“
Hannah wischte sich die Tränen weg und sah zwischen ihrer Tochter und dem Vampir hin und her.
„Ich kann dir nicht erklären wie es dazu kam...“, meinte Hannah an ihre Tochter gewandt.
„Diese Zeit in meinem Leben, hat mich viel Kraft gekostet.“
Dann sah sie Nero an. Sie wusste das Avery nicht zurück kommen würde und beschloss, ihr Leben in seine Hände zu legen.
„Bitte pass auf sie auf! Airas sucht nach ihr und hat mir gedroht er würde ihr etwas antun, wenn ich ihm nicht sage wo sie ist!“
Raphael stand immer noch regungslos da und schaute zwischen den dreien hin und her. Er wusste nicht, was das alles zu bedeuten hatte.
Nero nickte bloß. Hannah wandte sich wieder an ihre Tochter.
„Es tut mir so leid, dass du so viel durchmachen musstest...“
Sie ging auf ihre Tochter zu, die im ersten Moment einen Schritt zurückwich. Doch dann ließ sie zu, dass ihre Mutter sie in den Arm nahm.
„Als ich mich von Airas getrennt habe, hat er mir das Leben zur Hölle gemacht! Ich war so froh als ich Raphael kennenlernte. Doch er und Airas ähneln sich. Ich traue mich nicht mich von ihm zu trennen...Er schlägt mich, so wie dich auch. Ich will nicht wissen was passiert wenn ich mich von ihm trenne...“, flüsterte sie ihrer Tochter ins Ohr.
Nun erkannte Avery, dass ihre Mutter genauso sehr litt, wie sie selbst. Sie erwiderte die Umarmung.
„Tut mir leid das ich abgehauen bin und dir Sorgen bereitet habe. Aber ich halte das einfach nicht mehr aus! Ich wusste nicht, dass du auch so leidest, tut mir leid das ich dich so oft angeschrien habe. Ich verspreche dir, dass Nero sich um Raphael kümmern wird. Ich will nicht das du weiter leidest.“
„Lass gut sein, Süße. Außer Raphael habe ich niemanden. Wenn ich mich ihm nicht widersetze, ist alles in Ordnung. Das du mich so oft angeschrien hast ist in Ordnung, schließlich habe ich immer nur zugesehen wie Raphael dich schlägt...“, meinte Hannah dann.
„Raphael wird für seine Taten büßen, versprochen! Nero besitzt eine Villa, ich bin sicher da ist auch für dich Platz.“
Nach diesen Worten löste Avery die Umarmung und ergriff Neros Hand, die er ihr hinhielt.
„Wir müssen los.“, sagte er leise.
Nach ein paar Metern schaute Avery noch einmal über ihre Schulter und sah, dass Raphael ihre Mutter gepackt hatte und schüttelte. Die Leute um ihnen herum schauten noch immer mit ausdruckslosen Gesichtern zu.
„Keine Sorge.“, sagte Nero. „Ich werde mich um Raphael kümmern, so wie du es deiner Mutter versprochen hast.“
„Danke...“, hauchte Avery und senkte den Blick.

Mit einem Schrei wachte ich auf. Ich strich mir die feuchten Haare aus dem Gesicht und versuchte mich zu beruhigen. Nach einigen Sekunden wurde die Tür aufgerissen.
„Avery!“
Das Mondlicht das durchs Fenster ins Zimmer fiel, ließ Nero wie einen Geist aussehen.
Mit Tränen in den Augen sah ich zu ihm. Der Traum war anders als die, die ich sonst hatte. Zitternd und schweißgebadet wartete ich darauf, dass mein Herz sich beruhigte.
„Deine Augen...“, hörte ich Nero flüstern.
„Was ist mit meinen Augen?“, fragte ich voller Angst.
Nero blieb still, was mir allerdings noch mehr Angst einjagte. Voller Panik schlug ich die Decke zurück und kletterte aus dem Bett. Ich rannte zum Spiegel, stolperte fast, und schlug mir die Hände vor den Mund als ich mein Spiegelbild sah.
„Was hat das zu bedeuten?“, hauchte ich und betrachtete meine Augen, die in der Dunkelheit golden glühten.
„Scheint als würde der Vampir in dir zum Vorschein kommen.“, sagte Nero leise und tauchte hinter mir auf.
„Welcher Vampir? Ich bin ein Mensch!“, antwortete ich.
Nero sah mich betrübt an und schüttelte leicht den Kopf.
„Du bist kein Mensch. Du bist ein Dhampir. Das Kind eines Vampirs und eines Menschen. Es ist sehr selten das so ein Kind geboren wird. Der Legende nach haben Dhampire sowohl menschliche, als auch vampirische Eigenschaften.“
Ich schluckte. Ob ich mich damit anfreunden konnte, war ungewiss.
„Aber...warum ausgerechnet jetzt?“
„Ich bin mir nicht sicher. Vielleicht liegt es an den Ereignissen der letzten Tage.“
Ich seufzte und wandte mich von Spiegel ab. Zu schlimm war der Anblick meiner Augen.
„Ich wünschte wirklich Vampire wären nur ein Mythos...Gibt es auch die anderen Wesen von denen behauptet wird, sie wären nur Legenden?“
Nachdem ich mich ans Fenster gestellt hatte und auf den See, nicht weit von der Villa entfernt, blickte, der im Mondlicht schimmerte, stellte sich Nero erneut hinter mich und umschlang mich mit seinen Armen.
„Du meinst Werwölfe, Feen, Drachen und all die anderen? Ja. Es gibt sie alle.“, sagte er leise. Diese Tatsache musste ich erst einmal verarbeiten.
„Woran liegt es, dass Menschen sie nicht erkennen?“, fragte ich und legte den Kopf in den Nacken um ihn ansehen zu können.
„Nun ja,“, begann er. „Manche dieser Wesen leben unter den Menschen. Zum Beispiel Feen oder eben auch Vampire. Sie sehen aus wie normale Sterbliche und fallen deshalb nicht auf. Außerdem tarnen sie sich zusätzlich, indem sie sich fast immer so benehmen wie Menschen.
Die meisten leben allerdings in Antara, einer Art Zwischenwelt. Durch einen Zauber den jeder dieser Wesen beherrscht gelangen sie dorthin. Dort lebt alles, was hier auffallen würde.“
„Was zum Beispiel?“, fragte ich neugierig.
Nero lächelte schwach.
„Waldgeister, Drachen, Trolle, Einhörner, Zentauren, Nymphen, Nixen, Phönixe, Geister und andere Wesen dessen Namen ich nicht einmal aussprechen kann.“
Ich schluckte. Drachen, Einhörner, Geister...Das klang für mich alles andere als glaubwürdig. Jedoch entsprach es der Wahrheit, schließlich war Nero ein Vampir und ich eine Halbvampirin.
Ich wurde ernst.
„Wenn ich...eine Halbvampirin bin, muss ich dann...“
„Blut trinken?“, sprach Nero meinen Verdacht aus. Die Vorstellung das ich Blut trinken musste, ließ mich würgen.
„Ich weiß es nicht. Spätestens wenn du schmerzhafte Krämpfe bekommst und das Gefühl hast du würdest sterben, wissen wir Bescheid.“
Grimmig sah ich ihn an.
„Wie beruhigend.“
Er lachte leise.
„Probiere doch einfach aus, ob du Blut magst oder nicht. Wenn es dir schmeckt ist die Wahrscheinlichkeit, dass du dich davon ernähren musst ziemlich hoch. Magst du es nicht, bist du auch nicht darauf angewiesen.“
Ich verzog das Gesicht. Das hörte sich ziemlich widerlich an. Nero ließ mich los. Plötzlich begannen seine Augen ebenfalls golden zu glühen. Er biss sich in seinen Unterarm und hielt mir die blutende Wunde dann vor den Mund.
„Das ist ekelhaft!“, brummte ich.
Er grinste.
„Entweder du probierst oder du wartest ab und riskierst Schmerzen.“
Mit einem genervten Seufzen nahm ich seinen Arm. Ich leckte das Blut ab und stellte fest, dass es gar nicht so schlimm war wie ich gedacht hatte. Kaum war ich mit der Zunge über die Wunde gefahren, begann sie sich zu schließen.
„Und?“
Ich leckte mir die Lippen und blieb einen Augenblick lang still. Dann sah ich ihn an.
„Ich dachte immer Blut schmeckt nach Metall aber...dein Blut schmeckt wie Zartbitterschokolade!“
Er zog eine Braue hoch.
„Es sieht nicht so aus, als würdest du mehr wollen.“
Ich zuckte die Schultern.
„Ich mag Schokolade. Wenn jedes Blut so schmeckt, habe ich keine Probleme damit.“
Er schwieg. Dann nahm er meine Hand und zog mich mit, bis in die Küche.
Er griff nach etwas, von dem ich nicht erkennen konnte was es war, und schmiss es mir zu.
Ich fing es auf und betrachtete es. Dann biss ich hinein.
„Sieht so aus als könntest du dich von beidem ernähren.“
Ich schluckte und betrachtete erneut den Apfel in meiner Hand.
„Schön. Dann muss ich mir keine Gedanken darüber machen, andere Leute zu beißen.“
Nero musterte mich und lächelte dann leicht.
„Beißen würde nicht möglich sein, oder sind deine Zähne etwa doch lang und spitz geworden?“
Ich blinzelte überrascht. Nein, dass waren sie nicht. Noch besser! Meine Augen waren schon auffällig genug. Auf Reißzähne konnte ich also verzichten.
Mit fiel ein, dass Neros Wunde sich nach einigen Sekunden wieder geschlossen hatte, was war denn dann mit meiner Schnittwunde am Hals?
Wie von selbst fasste ich mir an die Kehle und zog das Pflaster ab. Vorsichtig betastete ich meine Haut, doch ich konnte nicht einmal eine Narbe fühlen.
„Entweder lag es an meinem Blut oder an deiner Fähigkeit, schneller zu heilen als ein Sterblicher.“
„Was meinst du mit „entweder lag es an meinem Blut“?
Er lachte leise.
„Das Blut von Vampiren besitzt viele Fähigkeiten. Es hat, unter anderem, Heilkräfte. Deshalb heilen Vampire schnell. Ich habe die Wunde an dem Abend mit meinem Blut bestrichen. Entweder ist sie deshalb so schnell verheilt, oder dein eigenes Blut war dafür verantwortlich.“
„Was passiert wenn ein Mensch zu viel Vampirblut zu sich nimmt?“, fragte ich und biss erneut in den Apfel.
„Gar nichts.“, antwortete er.
„Man verwandelt sich nicht in einen Vampir?“
Er schüttelte den Kopf.
„Ist bloß ein Mythos. Um einen Menschen zu verwandeln muss der Vampir das Blut des Menschen trinken. Danach muss er sein eigenes Blut dem Menschen einflößen.“
„Wie sieht's mit den anderen Legenden aus? Knoblauch und Kruzifixe? Das mit dem Sonnenlicht stimmt auf jeden Fall nicht.“
Er lachte.
„Alles Humbug!“
Er zog etwas aus seiner Hosentasche und ließ es dann vor meiner Nase baumeln. Es war ein Rosenkranz.
„Ich bin Christ.“
Überrascht sah ich ihn an.
Schweigen.
„Bin ich jetzt unsterblich?“, brachte ich schließlich heraus.
„Kein Vampir der Welt ist unsterblich.“, antwortete Nero. „Jeder von uns kann getötet werden, wenn man es denn richtig macht. Wir altern zwar nicht, sind aber vergänglich. Wie genau das bei dir aussieht kann ich nicht sagen. Ich nehme an du wirst wesentlich länger leben als ein normaler Mensch. Vielleicht alterst du unglaublich langsam, vielleicht aber auch gar nicht. So genau kann das niemand sagen. Die meisten Dhampire sterben früh, weil sie getötet werden.“
Ich ließ den Kopf hängen.
„Meine Existenz kommt mir inzwischen total sinnlos vor...“
Er fasste mein Kinn und zwang mich ihn anzusehen.
„Hey! Ich lasse nicht zu, dass man dir auch nur ein Haar krümmt, geschweige denn dich tötet!“
„Wie tötet man einen Vampir?“, fragte ich, um nicht auf seine Worte antworten zu müssen.
Er ließ mich los.
„Sein Herz muss zerstört werden.“
„Wie sieht es mit Mischlingen aus?“
„Ich weiß es nicht. Und um ehrlich zu sein will ich es auch gar nicht wissen...“, antwortete er und wandte sich ab. „Du solltest dich wieder schlafen legen. Schließlich musst du morgen...heute in die Schule.“
Ich zögerte.
„Ich will nicht schlafen.“, sagte ich und wurde dann leiser. „Die Albträume in letzter Zeit machen mir zu schaffen.“, gestand ich.
Nero blieb stehen und drehte sich dann nach mir um. Teils besorgt, teils ausdruckslos sah er mich an.
„Wenn du willst bleibe ich die Nacht über bei dir.“
Ich nickte und folgte ihm.


_____ 6 _____


Als Avery aufwachte lag sie noch immer in Neros Armen. Die ganze Nacht hatte sie so gelegen, dicht an Neros Brust. Sein gleichmäßiger Herzschlag und sein ruhiger Atem ließen sie lächeln.
Die Wärme die von ihm ausging kam ihr vertraut vor, so, als würden sie sich schon ein Leben lang kennen.
Süße, kleine Avery...


Sie legte den Kopf in den Nacken und sah, dass Nero lächelnd auf die herab sah. Seine grünen Augen ließen das Gefühl der Geborgenheit in ihr größer werden.
„Guten Morgen.“, hauchte sie.
„Du hast verschlafen.“, sagte Nero und begann leise zu lachen.
„Was?“
Ruckartig löste sich Avery aus der zärtlichen Umarmung und setzte sich auf.
„Wie spät ist es?“
„Bereits halb neun.“, antwortete er und sah amüsiert dabei zu, wie sie aus dem Bett sprang und zum Schrank lief. Das sie dabei fast so schnell wie ein richtiger Vampir war, bemerkte sie nicht.
„Du hast die Nacht tief und fest geschlafen. Wie ein Stein.“, sagte er lachend.
Seine Augen begannen zu glänzen als er beobachtete, wie Avery sich das Seidennachthemd abstreifte und nun nur im Höschen vor ihm stand.
„Ich bin sicher nicht die erste Frau die du so siehst, also hör auf so zu gucken!“
„Nein, bist du nicht. Aber du bist die erste die einen solch perfekten Körper hat.“
Sie hielt inne, dann fasste sie sich und zog sich an.
„Warum hast du mich nicht geweckt?“, fragte sie und schlüpfte in ihre Jeans.
Er lächelte und stützte sich auf den Ellenbogen.
„Du hast so süß ausgesehen, dass ich es nicht übers Herz gebracht habe.“
Avery blieb still. Nachdem sie sich fertig angezogen hatte, schnappte sie sich ihre Sachen und rannte aus dem Zimmer.
Sie lief durch den Flur, die große Treppe herunter und erstarrte. Nero stand bereits fertig, grinsend, an der Tür.
„Wie bist du...?“
Verwirrt schaute Avery zurück, doch Nero lachte nur.
„Komm.“

„Glaub nicht, dass ich nicht da bin, wenn du mich nicht siehst.“, sagte Nero leise, als er mich auf die Stirn küsste. Ich brummte.
„Ich weiß, dass du mich nur beschützen willst aber findest du nicht, du übertreibst?“
„Keineswegs.“, antwortete er.
Ich wandte mich ab und lief zum Eingang. Es bereits kurz vor neun, dass würde Ärger geben . . .
„Wie schön, Avery, dass du dich hier doch noch blicken lässt.“, sagte Mrs Wayne mit strengem Blick.
„Verzeihung. Ich habe verschlafen...“, nuschelte ich und begab mich an meinem Platz, wo Phoebe schon grinsend auf mich wartete.
„Warst wohl zu lange mit deinem Schatz beschäftigt, hm?“, flüsterte sie.
Ich spürte, wie ich rot wurde. In den letzten Tagen wurde ich ziemlich oft rot, dass gefiel mir nicht. Das sollte nicht zur Gewohnheit werden!
„Ähm...“, murmelte ich nur.
„Ihr habt die Nacht zusammen verbracht, ich sehe es dir an.“
Geschockt sah ich sie an, dann stotterte ich drauf los.
„S-schon aber...es ist n-nichts passiert.“
Ein leises Lachen hallte durch meinen Kopf.
Hör auf uns zu belauschen!

, dachte ich wütend und schaute aus dem Fenster. Nero war nicht zu sehen, doch ich wusste das er da war.
Tut mir leid, aber ich kann nicht anders. Eure Gespräche sind einfach zu interessant um weg zu hören.


Ich schwieg.

Die sechs Stunden vergingen schnell und ehe Avery sich versah, tauchte auch schon Nero vor ihr auf.
„Gibt´s was Neues?“, fragte sie als er sie in den Arm zog und küsste.
Nein.


Als Avery sich zurückzog, bemerkte sie Casey.
„Oh nein...“, hauchte sie.
Casey sah sie ausdruckslos an, drehte sich um und ging davon.
„Was ist?“, fragte Nero.
„Ich habe ihm gesagt das zwischen uns nichts ist...Mit anzusehen wie wir uns küssen ist für ihn sicher kein schöner Anblick.“
Avery wollte Casey bereits hinter her, doch Nero packte sie am Arm und zog sie zurück.
„Lass ihn. Er wird sich beruhigen.“
Doch Avery riss sich los.
„Er ist sicher nicht ohne Grund hergekommen.“, fauchte sie und rannte los.
„Casey!“, rief sie und bekam ihn an der Jacke zu fassen. Er wollte weitergehen, doch sie versperrte ihm den Weg.
„Wir sind nicht zusammen!“, sagte sie verzweifelt und mit Tränen in den Augen.
„Ach nein? Und warum habt ihr euch dann geküsst?“, fragte Casey wütend und versuchte das Mädchen zur Seite zu schieben. Sie blieb hartnäckig.
„Das ist kompliziert...“, sagte sie leise. „Aber bitte glaub mir! Mir passt es auch nicht ihm so nahe zu sein aber es ist notwendig!“
„Erzähl das jemandem, der es dir glaubt.“, sagte er kalt.
Mit einem leisen, animalischen, Knurren fasste sie seine Hand und zog ihn mit.
„Avery, lass mich los!“, meinte er wütend.
Doch das fiel ihr im Traum nicht ein. Sie zog ihn mit zu Nero. Vor dem Vampir blieb sie stehen. Ihre Augen begannen gold zu schimmern und Nero hoffte, Casey würde es nicht bemerken.
„Sag ihm das wir nicht zusammen sind!“, fauchte Avery.
Seufzend und kopfschüttelnd wandte Casey sich ab.
„Ihn dazu zu bringen, zu lügen hat keinen Sinn...“
Er war bereits einige Schritte gegangen als Nero sagte:
„Sie sagt die Wahrheit.“
„Wie soll ich dir vertrauen, wenn du mir nie die Wahrheit sagst?“, sagte Casey, hielt inne und drehte sich dann zu Avery um. Er sah das gold in ihren Augen, sagte aber nichts dazu.
„Die Wahrheit würdest du mir sowieso nicht glauben.“, sagte sie monoton.
„Einen Versuch ist es wert.“, erwiderte er.
Avery sah Nero verzweifelt an. Der Vampir schwieg, schaute Casey einen Augenblick lang einfach nur an und nickte schließlich. Mit einem Seufzen ging Avery zu Casey und bedeutete ihm, sich zu ihr hinunterzubeugen.
Sie flüsterte ihm etwas ins Ohr, doch er lachte nur.
„Der Kerl da drüben bekommt dir nicht, Süße.“
„Ich sagte doch das du mir nicht glaubst.“, antwortete sie und wandte sich wieder an Nero.
„Würdest du...“
Er unterbrach sie mit einem Nicken. Mit einem Wimpernschlag waren Neros Augen golden und seine Fangzähne zum Vorschein gekommen.
Casey sah im ersten Moment geschockt aus, doch er hielt inne.
„Ich warne dich, Freundchen. Kein Wort zu niemandem!“, knurrte Nero unheilvoll.
„Das ist nicht euer Ernst, oder?“, fragte Casey mit hochgezogenen Brauen und schaute von dem Vampir, zu Avery. Sie nickte, worauf auch ihre Augen vollends golden glühten.
Nero schien bereits zu wissen, dass sie sich immer dann verfärben würde, wenn sie emotional gestresst war.
„Doch. Nero ist ein...Vampir und ich eine Halbvampirin. Ich kann es selbst immer noch nicht so recht glauben aber was soll´s? Wichtig ist, dass du die Klappe hältst, verstanden?“
Casey lachte, leicht hysterisch.
„Keine Sorge, das würde mir sowieso kein Schwein glauben! Aber ich verstehe nicht wie das der Grund für...eure Zärtlichkeiten sein kann!“
„Das werden wir dir erklären.“, sagte Nero und ließ seine Augen und Zähne wieder normal aussehen. „Allerdings nicht hier.“
Avery ließ das Thema fallen.
„Warum bist du eigentlich hergekommen?“, fragte sie ihren Freund.
„Ich wollte dir nur sagen das der Auftritt im After Life

abgelehnt wurde. Sie meinten sie könnten solche Kinder wie uns nicht gebrauchen.“
Avery verzog das Gesicht.
„Von wegen Kinder!“
Nero lachte leise.
„Ich kann mir denken, warum sie euch da nicht haben wollen.“
Nachdem die anderen beiden ihre Blicke auf ihn gerichtet hatten, grinste er.
„Spätestens beim Namen After Life

müsste es bei euch „Klick“ gemacht haben. Der Club ist hauptsächlich für Vampire gedacht. Nur sehr wenigen Menschen ist der Aufenthalt dort genehmigt.“
„Das ist jetzt egal.“, sagte Casey und schüttelte den Kopf. „Klärt mich lieber auf.“
Nero nickte. Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zur Villa.

Nachdem wir uns in der Bibliothek niedergelassen hatten, sah Casey uns bedeutungsvoll an.
Ich hob abwehrend die Hände und beteuerte meine Unschuld.
„Um das mal klarzustellen, unsere Beziehung ist nur gespielt! Bevor du etwas sagst, meine Idee war das sicherlich nicht.“
Du tust schon wieder so, als hättest du etwas gegen unsere Zärtlichkeiten...


Ich warf Nero einen wütenden Blick zu.
Halt dich mit diesen Kommentaren gegenüber Casey gefälligst zurück, hast du verstanden? Er muss ja nicht unbedingt wissen, dass ich dich für einen unglaublich attraktiven Typen und guten Küsser halte!


Nero grinste, blieb aber still.
„Und wozu soll das gut sein?“, fragte Casey und unterbrach unser Gespräch somit.
Nero wurde ernst und richtete seine grünen Augen auf den Gitarristen.
„Ihr Vater lässt nach ihr suchen. Sie befindet sich in ständiger Gefahr angegriffen zu werden. Als ich das herausgefunden habe, musste ich ihr das natürlich irgendwie sagen, nur war sie zu diesem Zeitpunkt in der Schule. Um auf den Schulhof zu kommen, musste ich mich als ihr Freund ausgeben. So sind die Dinge ins rollen geraten...“
„Dafür, dass das nur gespielt war, sah das aber ganz schön echt aus.“, meinte Casey mürrisch.
„Eifersucht steht dir nicht.“, sagte ich leicht lächelnd. Das es so echt aussah lag daran, dass es echt war! Nur war keine Liebe mit im Spiel. Naja, nicht so richtig zumindest. Ihm gegenüber konnte ich das natürlich nicht erwähnen.
„Warum ist der Gedanke, dass Avery und ich uns mögen könnten, so schlimm für dich?“, fragte Nero plötzlich. Wütend, geschockt und auch ein bisschen traurig sah ich den Vampir an. Ich mochte mir gar nicht vorstellen, wie Casey sich in diesem Moment fühlte.
„Du musst seine Frage nicht beantworten, wenn du nicht willst.“, sagte ich hastig und richtete meine grauen Augen auf ihn. Casey atmete tief durch. Ich konnte hören wie sein Herz begann, kräftiger zu schlagen und Adrenalin durch seine Adern pumpte. Kein Zweifel, meine Sinne waren schärfer geworden.
„Ich will ehrlich sein, Nero. Ich mag dich nicht. Kein bisschen. Du hast kein bisschen von dem, was Avery wirklich braucht! Deine arrogante Art geht mir gewaltig gegen den Strich. Ich kann nicht nachvollziehen, warum Avery ständig bei dir ist.“
„Das ist nicht wahr!“, platzte es aus mir heraus. Unbewusst war ich aufgesprungen. Langsam ließ ich mich wieder in den Sessel gleiten. Peinlich berührt senkte ich den Blick.
„Dank Nero ist mir einiges klar geworden...Wegen ihm traue ich mir jetzt wenigstens ein bisschen mehr zu, als sonst. Mag sein, dass er nicht ganz dem entspricht was man sich als „Traummann“ so vorstellt, das heißt aber nicht, dass er mir nicht auch Liebe geben könnte!“
Zum Ende hin hatte ich Casey wieder angesehen, ich musste nicht in den Spiegel schauen um zu wissen, dass meine Augen golden glühten.
Süße, weißt du, was du da eben gesagt hast?


Ich warf Nero einen Blick zu, von dem ich selbst nicht wusste was er zu bedeuten hatte.
„Du hast Gefühle für ihn, nicht wahr?“, fragte Casey leise und sah mich betrübt an.
Ich seufzte und wandte erneut den Blick ab.
„Ja. Nein. Ich weiß es nicht.“
„Süße, geh hoch in dein Zimmer. Ich will mit Casey unter vier Augen sprechen.“, sagte Nero monoton. Wütend knurrte ich ihn an.
„Erteilst du mir jetzt etwa schon Befehle?“
Er warf mir einen ebenfalls wütenden Blick zu, mit dem er mir zu verstehen gab, dass ich besser das machte was er sagte. Vor mich hin knurrend erhob ich mich und steuerte auf die Tür zu. Kurz bevor ich den Raum verließ, schaute ich noch einmal über meine Schulter und sah, dass Nero mich immer noch anstarrte.
Mit einem Mach keine Dummheiten!

, stieß ich die Tür auf.

Avery war eine halbe Stunde lang in ihrem Zimmer auf und ab gegangen. Sie hatte zwar nun ein besseres Gehör, trotzdem hatte sie von dem Gespräch nichts mitbekommen.
Vor sich hin knurrend verließ sie das Zimmer. Gerade als sie die Treppe hinunterging, kamen Nero und Casey aus der Bibliothek. Casey warf Avery einen unglaublich wütenden Blick zu, dann ging er auf die Tür zu. Mit einem lauten Türknall verließ er das Anwesen.
„Was hast du ihm gesagt?“, fragte das Mädchen und versuchte, ihre Wut dem Vampir gegenüber zu zügeln.
„Alles was er wissen muss, um dir keine Vorwürfe zu machen.“, kam es monoton zurück.
Sie wollte etwas erwidern, doch Nero wandte sich ab.
„Er braucht Zeit zum nachdenken. Lass ihn fürs erste in Ruhe.“
Mit diesen Worten verschwand er.
Seufzend drehte Avery sich um und trabte die Stufen wieder hoch.
Casey...

, dachte sie traurig.
A-Avery?


Das Mädchen erstarrte als sie seine Stimme in ihrem Kopf hörte.
D-Du kannst mich hören?


Klar und deutlich. Und um ehrlich zu sein macht mir das Angst.


E-Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken. Ich wusste nicht das du mich hören kannst.


Schon okay...


Was hat...Nero dir gesagt? Ich schwöre bei Gott, wenn er dir was gesagt hat das dich verletzt, kann er was erleben!


Dinge, die ich erst einmal begreifen muss. Mach dir keine Sorgen, Avery. Es geht mir bestens.


Das hört sich aber nicht so an. Bitte sag mir was Nero...


Avery, es reicht! Dein geliebter Nero hat mir schon genug Dinge verklickert, mit denen ich klar kommen muss. Deine Fragerei macht es nicht besser! Und jetzt tue mir den Gefallen und verschwinde aus meinem Kopf!


Mit Tränen in den Augen ging Avery zurück in ihr Zimmer, wo sie sich aufs Bett legte und die Augen schloss. Was hatte Nero ihm bloß gesagt, dass er so wütend war?

„Avery?“
Ich schlug die Augen auf und begegnete dem Blick zwei grüner Augen. Hatte ich geschlafen? Ich spürte getrocknete Tränen auf meiner Haut...
„Ist alles in Ordnung?“
Ich schlug Neros Hand an meiner Wange weg und drehte mich auf die andere Seite.
„Lass mich in Ruhe.“, brummte ich.
Er seufzte.
„Ich habe ihm all das gesagt, was er wissen muss. Manche Dinge waren weniger angenehm aber es musste sein.“
Ich warf mich herum und starrte ihn wütend an.
„Er ist außer sich! Was hast du ihm gesagt, dass er so wütend ist?“
Seine Augen verengten sich zu Schlitzen.
„Du hast mit ihm gesprochen?“
„So in etwa.“, antwortete ich und wich seinem Blick aus.
Wortlos wandte Nero sich von mir ab. Kurz bevor er den Raum verließ sah er über seine Schulter.
„Hör auf, über ihn nachzudenken. Er wird sich wieder einkriegen. Wenn nicht, dann...“
Dann verschwand er.
Du bist ein richtiges Arsch.

, dachte ich wütend und schloss wieder die Augen. Ich bekam keine Antwort.
Sollte das nun das Ende der Freundschaft, von Casey und mir sein? Wenn ja, würde ich das Nero nie verzeihen! Er wusste, dass Casey mir wichtig war aber vielleicht war ihm das ja egal? Waren ihm meine Gefühle etwa egal? Wenn ja, warum war ich dann immer noch bei ihm?
Was hatte ich an mir, dass er mich so dringend beschützen wollte?
Ich dachte mein Leben hätte sich gebessert, da ich nun nicht mehr bei meinen Eltern lebte, aber scheinbar hatte ich mich getäuscht. Hatte ich etwas in meinem Leben getan, wofür ich bestraft werden musste? Eine Antwort darauf würde ich wohl nicht bekommen.
Hielt mich irgendetwas an dieser Welt fest? Warum war ich noch hier, wenn ich scheinbar sowieso nur Probleme bereitete?
Ich stieß ein Knurren aus und sprang aus dem Bett.
Während ich durch die Villa lief, auf dem Weg zur Küche, fiel mir auf, das Nero nicht hier war. Das Kribbeln, das von ihm ausging, war verschwunden. Scheinbar wollte auch er seine Ruhe haben...
In der Küche angekommen fing ich an, die Schränke zu durchwühlen. Und tatsächlich!
Nach einigen Minuten fand ich eine Tafel Schokolade.
Ich fragte mich im ersten Moment warum Nero Schokolade im Haus hatte, da er sowieso keine menschliche Nahrung zu sich nehmen konnte, schüttelte dann jedoch den Kopf und machte auf dem Absatz kehrt. Wenn es etwas gab, das mir beim nachdenken helfen konnte, dann war es Schokolade. Im Notfall hätte es auch Neros Blut getan aber da er ja scheinbar nicht hier war, hätte das nicht funktioniert.
Immer noch leise knurrend riss ich das Papier ab und biss herzhaft in die süße Versuchung.


_____ 7 _____


Mit geschlossenen Augen und hinterm Kopf verschränkten Armen kaute Avery auf einem Stück Schokolade herum, als plötzlich ein Kribbeln ihre Glieder durchfuhr.
Nero. Doch da war noch jemand anderes. Sie hörte einen Herzschlag und der Geruch süßen Blutes drang in ihre Nase. Sowohl Herzschlag als auch Geruch kam ihr vertraut vor.
Casey?
„Was wollt ihr?“, fragte sie monoton und hielt die Augen geschlossen. Sie wusste nicht warum aber sie war wütend auf Casey, ebenso wie auf Nero. Beide hielten es wohl für eine tolle Idee, sie anzuschweigen. Hatten sich die beiden abgesprochen?
„Der Auftritt im After Life

wird stattfinden.“, sagte Casey.
„War das alles?“, fragte Avery barsch und tastete blind nach dem nächsten Stück Schokolade. Nero und Casey wechselten einen Blick miteinander.
„Du bist wütend?“, fragte Casey. Es sollte eigentlich nach einer Feststellung klingen aber ihr Verhalten überraschte ihn zu sehr.
Sie schlug die Augen auf und starrte an die Decke. Das strahlende gold ihrer Augen wirkte kalt und verbittert.
„Diese Frage kannst du dir selbst beantworten.“
Sie machte eine Pause und klang danach noch genervter.
„Klar bin ich wütend! Wieso sollte ich das nicht sein? Ich komme mir richtig scheiße vor! Ihr gebt mir das Gefühl Schuld an allem zu sein!“
Nero seufzte, ging zum Bett und setzte sich auf die Kante. Ein unbeschreiblicher Ausdruck lag in seinen Augen.
„Du bist an gar nichts Schuld! Glaub mir Avery, wir wollen auch das alles wieder in Ordnung kommt aber ganz so einfach ist das nicht. Du bist hier nicht die einzige, die leidet. Hast du schon mal daran gedacht, wie Casey und ich uns fühlen?“
Ruckartig setzte sie sich auf. In ihr brodelte es nun gewaltig.
„Ich mache mir schon die ganze Zeit darüber Gedanken wie Casey sich nun fühlt! Was mit deinen Gefühlen ist, interessiert mich nicht, du bist doch Schuld an all dem! Wärst du nicht aufgetaucht, hätten Casey und ich jetzt keine Probleme.“, schrie sie.
Nero hob seine Hand, doch noch frühzeitig schlug sie sie weg.
„Lass mich in Ruhe!“, fauchte sie und sprang aus dem Bett. Sie schlüpfte in ihre Schuhe und stürmte aus dem Zimmer.
„Wo willst du hin?“, rief Nero ihr nach.
„Ich muss mit meiner Mutter sprechen.“, kam es zurück.

Vor der Haustür blieb ich stehen. Ich konnte nur einen Herzschlag wahrnehmen. Es war meine Mutter, denn Raphael war um diese Zeit meist unterwegs. Wahrscheinlich um sich ab zufüllen, so genau wusste ich das nicht. Ich atmete tief ein, ehe ich die Tür aufschloss und in den Flur trat.
„Raphael?“, ertönte es überrascht aus der Küche.
„Ich bin's!“, rief ich und ging in die Küche.
„Avery? Was machst du hier?“, fragte meine Mutter überrascht.
„Ich brauche mal deinen mütterlichen Rat.“, sagte ich leise und versuchte, die Tränen in meinen Augen wegzublinzeln.
„Du hast mich noch nie um Rat gefragt.“, meinte sie perplex und stellte den Teller in ihrer Hand in den Schrank. Sie wies auf den Tisch und bedeutete mir, Platz zu nehmen.
Ich seufzte.
„Zeit, dass sich das ändert.“
„Was ist denn los? Du siehst verzweifelt aus.“
„Das bin ich auch.“, antwortete ich und fing an zu erzählen.
„Seitdem Nero aufgetaucht ist, ist irgendwie alles durcheinander. Casey und ich...“
Ein Seufzen. „Die Freundschaft zwischen uns droht kaputt zu gehen und ich kann nichts daran ändern.“
„Du hast fast nie mit mir über dein Privatleben gesprochen aber dennoch weiß ich, dass Casey und du euch nahesteht. Was ist passiert, dass eure Freundschaft nun kurz davorsteht kaputt zu gehen?“
„Nero will mich um jeden Preis schützen, und zwar schon seit unserer ersten Begegnung. Das Airas noch lebt und scheinbar nach mir suchen lässt hat er herausgefunden, als ich in der Schule war. Um auf das Schulgelände zu kommen musste er sagen er sei mein Freund, nur so konnte er mir davon erzählen. Seit dem tun wir so, als wären wir ein Paar. Casey ist deshalb total eifersüchtig. Ich hab schon vor längerer Zeit gemerkt, dass er mehr als nur Freundschaft für mich empfindet. Als er dann gesehen hat wie Nero und ich uns küssen, ist bei ihm wohl eine Sicherung durchgebrannt. Nero und ich haben ihm die Wahrheit gesagt, was wir sind und warum wir so handeln. Das hat es allerdings auch nicht besser gemacht. Er meinte, Nero könnte mir nicht das geben was gut für mich wäre, worauf ich widersprochen habe. Nero hat mich dann weggeschickt, weil er mit Casey unter vier Augen sprechen wollte. Als ich wieder kam, war Casey stinkesauer. Ich habe ihn gefragt, was Nero denn gesagt hat aber er ist total ausgerastet. Er ist dann abgehauen. Nero wollte mir auch nicht sagen worüber er mit ihm geredet hat, weshalb ich mich in mein Zimmer zurückgezogen hab. Später meinte Nero dann, ich soll mir keine Gedanken mehr über Casey machen, er würde sich wohl wieder beruhigen. Dann ist auch er verschwunden.
Ich hab mir dann eine Tafel Schokolade reingezogen. Nach einiger Zeit sind die beiden dann bei mir im Zimmer aufgetaucht. Ich war wütend, habe herumgeschrien und einen Aufstand gemacht und mich schließlich aus dem Staub gemacht. Jetzt sitze ich hier und hoffe du kannst mir helfen!“
Meine Mutter sah mich geschockt, nachdenklich, traurig, wütend und neugierig zugleich an.
Deine die Augen eines Menschen so viele Gefühle widerspiegeln konnten, war mir neu.
„Erst einmal: Eine Beziehung vorzutäuschen ist verdammt mies! So etwas gehört sich nicht.“
Ich nickte.
„Das habe ich Nero auch versucht zu sagen aber er meinte, so könne er mich besser schützen.“
„Zum zweiten: Das Casey eifersüchtig ist kann ich verstehen aber es empfiehlt sich, mit ihm einmal ausgiebig darüber zu sprechen.“, meine sie dann. Ich seufzte.
„Das habe ich schon versucht. Ich habe ihm gesagt, dass zwischen Nero und mir nichts ist. Das war, bevor Nero auf die Idee mit der Beziehung kam. Casey hat mir in diesem Moment geglaubt aber als er nach ein paar Tagen dann den Kuss gesehen hat, war das Vertrauen dahin...“
„Das ist natürlich dumm gelaufen. Du solltest dennoch einmal in Ruhe mit ihm darüber sprechen.“, sie schwieg einen Augenblick. „Zum dritten: Ich kann auch verstehen, dass Casey wütend abgehauen ist. Schließlich habt ihr ihm gesagt das ihr Vampire, beziehungsweise Halbvampire, seid. Das muss er erst einmal verarbeiten. Was auch immer Nero zu ihm gesagt hat, ich bin sicher es entsprach der Wahrheit und den Tatsachen, auch damit muss er fertig werden. Das ist sicher keine leichte Aufgabe aber das Leben ist nicht immer nur gut Kirschen essen.
Und zum vierten: Vampire machen nichts als Ärger, du solltest also aufpassen das Nero keine Dummheiten anstellt.“
„Er hat schon genug Dummheiten angestellt.“, brummte ich.
„Sag mal...“, begann meine Mutter. Ein Funkeln trat in ihre Augen. „Du hast gesagt, ihr tut so als wärt ihr ein Paar. Hast du damit keine Probleme? Es kommt mir nicht so vor, als würdest du alles versuchen um das irgendwie zu umgehen...“
Erwischt. Ich spürte wie ich rot wurde und wandte meinen Blick ab.
„Naja...Das ist kompliziert.“, murmelte ich.
Ein Grinsen breitete sich im Gesicht von Hannah aus.
„Du magst ihn wirklich, hm?“
Ich seufzte, denn genau das hatte Casey mich auch gefragt.
„Ja. Nein. Keine Ahnung. Er ist arrogant, überheblich, barsch, dreist, stur und taktlos. Mir fällt noch mehr ein aber ich spreche es lieber nicht aus.“
„Und was ist mit seinen guten Eigenschaften? Ich bin sicher, er hat etwas an sich, das dir gefällt, sonst würdest du das alles nicht mitmachen!“
Wie Recht sie da hatte...
Ich seufzte verträumt und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
„Uff...Er ist vielseitig, sieht gut aus, ist verführerisch, manchmal grob, dennoch sanft, ist geheimnisvoll, stark, feinfühlig und begehrenswert!“
Meine Mutter lächelte, so wie es eine Mutter nun mal tat wenn ihre Tochter Gefühle für jemanden hegte.
„Glaubst du, du kannst die schlechten Eigenschaften hinnehmen? Immerhin bekommst du dafür Dinge, die dich die nervigen Sachen wieder vergessen lassen.“
„Mama, darauf kann ich mich doch nicht einlassen! Nero und ich geraten immer wieder an die Fronten, da habe ich keine Lust drauf. Diese ständigen Diskussionen gehen mir auf die Nerven. Ich gebe zu, dass mich seine Küsse diese Dinge vergessen und mich schwach werden lassen aber mit einem Vampir eine Beziehung einzugehen, hört sich nicht sehr romantisch an.“
„Der Meinung war ich auch mal, dennoch bin ich mit Airas zusammengekommen. Am Anfang war er ziemlich ungehobelt aber nach und nach sah ich, dass er auch mal ganz liebevoll sein konnte. Ich war mehrere Jahre mit ihm zusammen, irgendwann wurde ich mit dir schwanger.
Doch zu dieser Zeit veränderte sich Airas. Er wurde zu einem herrschsüchtigen Mann und fing an, mich anzuschreien. Später holte er dann auch mal aus. Aus ständiger Angst dich zu verlieren habe ich mich von ihm getrennt, doch das hat es nur schlimmer gemacht. Du wärst mehrere Male beinahe gestorben...Glücklicherweise war dem dann nicht so.“
„Das ist der Beweis, dass ich mich nicht auf einen Vampir einlassen sollte!“, meinte ich siegessicher. Sie seufzte.
„Süße...Trotz allem hatte ich eine sehr schöne Zeit mit ihm. Nur, weil es bei mir so war, muss es nicht bei dir und Nero auch so sein.“
Ich verschränkte die Arme und wandte meinen Blick erneut ab.
„Selbst, wenn ich meine Gefühle akzeptieren würde, woher soll ich wissen was Nero für mich empfindet?“
„Das musst du selbst herausfinden.“, meinte sie mit geheimnisvollem Lächeln und erhob sich.
„Nicht, dass ich dich nicht hier haben will aber du solltest so langsam gehen. Raphael wird jeden Moment zurück sein.“
Ich seufzte.
„Raphael kann mir nichts mehr anhaben. Aber ich sollte mich trotzdem so langsam auf den Weg machen. Ich kann Nero schon jetzt hören wie er sagt: Was fällt dir eigentlich ein einfach so abzuhauen?“
Avery, die Dämmerung setzt bereits ein, es wäre besser du verabschiedest dich jetzt von deiner Mutter.


Ich knurrte.
„Was ist?“, fragte meine Mutter und drehte sich nach mir um.
„Nero will das ich mich auf den Weg mache.“
Sie grinste.
„Ihr könnt also auch per Gedanken miteinander kommunizieren?“
„Ja. Leider.“, antwortete ich grimmig und wandte mich ab. „Ich bin dann weg. Sollte ich noch mal deinen Rat brauchen werde ich zu dir kommen.“
Ich stand bereits im Flur als sie noch einmal nach mir rief.
„Avery?“
„Hm?“
Ich sah vom Flur aus in die Küche und sah, dass sie mich mit einem stillen Lächeln beäugte.
„Vielleicht solltest du mal auf deinen Körper hören, anstatt auf deinen Verstand. Ich bin sicher, er weiß was er will.“
Mit überraschtem Blinzeln wandte ich mich ab und verließ das Haus.

Avery spürte, dass sie beobachtet wurde. Jedoch tat sie so, als hätte sie nichts bemerkt und ging weiter. Die Sonne war zwar bereits untergegangen, doch es war noch früh. Umso mehr wunderte sie es, dass die Straßen wie ausgestorben zu sein schienen.
Avery hatte zwar Angst und fühlte sich unwohl, dennoch nahm sie mit Nero keinen Kontakt auf. Sie wollte nicht auf ihn angewiesen sein und schon gar nicht wollte sie wie ein kleines, hilfloses Kind wirken. Sie würde es ihm sagen, sobald sie zurück war. Doch bis zu seiner Villa würde es noch mindestens zwanzig Minuten dauern. Wenn sie Pech hatte, würde sie es gar nicht bis dort hin schaffen. Sie überlegte einen Moment und beschloss, eine Barriere um ihr Bewusstsein zu ziehen.
Sie wusste zwar nicht ob sie das überhaupt konnte, doch sicher war sicher. Schließlich wusste sie nicht, ob ihr Beobachter in der Lage war in ihr Innerstes zu blicken, so wie Nero. Nun fing sie an sich Gedanken über ihren Vater zu machen.
Warum um alles in der Welt lässt er nach mir suchen?

, dachte sie. Da Nero sie, dank der mentalen Barriere nicht hören konnte, so hoffte sie zumindest, würde sie in Ruhe nachdenken können.
Und was hat er mit mir vor, wenn er mich erst einmal hat?


Sie glaubte gewiss nicht, dass er nur seine Tochter zu Gesicht bekommen wollte. Irgendetwas an ihr musste ihm wichtig sein, nur was? Nero hatte gesagt er wäre ein Mann, der für Chaos sorgt.
Was, wenn er Avery dafür benutzen wollte um an seine Ziele zu kommen? Oder wollte er sie davon überzeugen, bei ihm zu bleiben?
Ihre Gedanken überschlugen sich.
Sie kam am Wald vorbei. Nachdem sie einige Sekunden lang nachgedacht hatte, entschied sie sich dafür, die Abkürzung durch den Wald zu nehmen.
Doch kaum war die Straße hinter ihr verschwunden, bekam sie Zweifel. Vielleicht hätte sie doch den längeren Weg nehmen sollen?
Das Gefühl nicht alleine zu sein nahm zu, doch noch immer tat sie so als hätte sie nichts bemerkt. Vielleicht würde sie nur beobachtet werden? Vielleicht ließe man sie in Ruhe?
Pustekuchen. Nach einigen Metern tauchte plötzlich ein Mann vor ihr auf.
Er sah nicht viel älter aus als Nero. Hatte kupferfarbene Haare, blaue Augen, war nicht gerade groß und ziemlich schlaksig. Von ihm ging ebenfalls ein Kribbeln aus, jedoch hatte es keinerlei Ähnlichkeit mit dem, welches von Nero ausging. War es dir Macht des Vampirs, die dieses Kribbeln zustande brachte? Wenn ja, dann war Nero wesentlich stärker und mächtiger.
„Sieh an, du hast genug vom Versteck spielen?“, sagte Avery und ließ zu, dass sich ein kleines Lächeln auf ihre Lippen stahl. Scheinbar waren dem Vampir seine goldenen Augen nicht Drohung genug, denn er entblößte seine Reißzähne und ließ ein leises Fauchen hören.
Avery ignorierte es, ebenso wie die Tatsache das auch ihre Augen sich bereits verfärbt hatten.
„Was will Airas von mir?“, fragte sie ernst.
Der Vampir begann zu grinsen.
„Du hast Angst, nicht wahr? Deine mentale Barriere beweist es.“
Avery lachte.
„Nicht zu fassen aber ich kann es tatsächlich! Natürlich habe ich Angst aber das ist jetzt nicht so wichtig. Viel wichtiger im Augenblick, bist du. Wie ist dein Name?“
Ein winziger Teil in ihr versuchte ihr klar zu machen, dass nun nicht die Zeit für Small Talk war. Doch ein Gespräch war immer noch besser als ein Kampf, fand sie.
„Nenn mich Ilias.“, antwortete er mit sinnlicher Stimme.
„Ilias, also...Ich schätze, ein Kampf ist unvermeidbar, oder?“
Er zog die Brauen hoch und lachte dann.
„Sorry, aber einen Kampf wird es nicht geben. Es sei denn, du besitzt die Kraft und Ausdauer, um mit mir mithalten zu können!“
„Ich besitze weder Kraft noch Ausdauer, dass heißt aber nicht das ich wie ein verängstigtes Kaninchen davonhoppeln werde!“, erwiderte sie.
„Eines muss man dir lassen, du besitzt eine Menge Mut. Bewundernswert!“
In Sekundenbruchteilen hatte Ilias sich auf sie gestürzt und zu Boden geworfen.
Nun saß er auf ihr, ihre Arme links und rechts neben ihrem Kopf fest zu Boden gedrückt.
„Ich werde dir ein Geheimnis verraten.“, sagte er mit einem Lächeln. Er beugte sie zu ihr hinunter und flüsterte ihr ins Ohr:
„Wir sind Geschwister!“
Sie erstarrte unter seinem Körpergewicht. Was sie darauf antworten sollte, wusste sie nicht.
„Jetzt hat es meiner kleinen Schwester die Sprache verschlagen, wie süß!“, lachte er.
Vor Wut schäumend verpasste Avery ihm einen Tritt. Sie kam wieder auf die Beine und schaffte es, ihm ein Messer zu entreißen, welches mit einem Heft an seinem Oberschenkel befestigt war. Lachend hielt Ilias sich seinen schmerzenden Bauch.
„Ich gebe zu, damit habe ich nicht gerechnet.“
„Ich frage dich noch einmal: Was will Airas von mir?“
Die Belustigung verschwand, stattdessen trat ein entspannter und gelassener Ausdruck in sein Gesicht.
„Weiß nicht. Ich glaube er will sehen, was aus seiner Tochter geworden ist. Er lässt dich schon seit deiner Geburt beobachten. Übrigens: Mit langen Haaren hast du besser ausgesehen.“
Avery ließ das Messer sinken.
„Ich werde mitkommen.“, sagte sie entschlossen.
„Im Ernst?“, fragte Ilias überrascht und zog die Brauen hoch. Damit hatte er nicht gerechnet. Er hatte jahrelang seine Schwester beobachtet, dabei zugesehen wie sie unter katastrophalen Bedingungen aufwuchs, sich immer von der Außenwelt abschottete und unter der Einsamkeit litt. Diese Entschlossenheit kannte er nicht.
„Ja.“, antwortete sie. „Aber nicht jetzt. Ich muss noch einige Dinge erledigen. Wir treffen uns um Mitternacht wieder hier. Einverstanden?“
„Du meinst es wirklich Ernst oder?“
Avery seufzte, warf ihm das Messer zu und wandte sich ab.
„Mit dir zu kommen ist immer noch besser als bei Nero zu bleiben und zu verzweifeln.“


_____ 8 _____


Ich befand mich immer noch im Wald, war aber schon weit von Ilias entfernt. Nicht zu fassen, dass meine Mutter mir das verschwiegen hatte...
Was tat ich nun? Ich konnte Nero unmöglich sagen, dass ich mich entschieden hatte zu meinem Vater zu gehen. Andererseits hätte ich es ihm doch sagen sollen, für den Fall, dass es bei meinem Vater brenzlig wurde...Ich wurde aus den Gedanken gerissen, denn Nero tauchte plötzlich aus dem Nichts vor mir auf.
Das gold seiner Augen brannte sich in das grau meiner. Es war, als wäre ich von einer Klippe gesprungen, so stark empfand ich das Kribbeln das von ihm ausging. Kein Zweifel, er war wütend!
Nun erst fiel mir ein, dass ich noch immer die Barriere aufrecht hielt. Ich löste sie auf und hoffte, nicht all zu großen Ärger deswegen zu bekommen.
Wild entschlossen und selbstsicher sah ich zu dem Vampir auf.
„Ich werde zu Airas gehen!“
Seine Gesichtszüge entglitten ihm. Wut, Überraschung, Verwirrung, Trauer, Angst, Verachtung, all das spiegelte sich einen Augenblick lang in seinen Augen wieder.
„Bist du verrückt?“, brachte er schließlich heraus. Er umfasste mein Gesicht mit beiden Händen und sah mich inbrünstig an. „Wer weiß, was er mit dir vor hat!“
Ich nahm seine Hände und schob sie sanft aber bestimmend weg.
„Das ist es ja eben! Ich habe soeben herausgefunden...das ich einen Bruder habe. Wir sind uns eben begegnet...Er meint, Airas will wissen was aus seiner Tochter geworden ist. Ich will zu ihm um herauszufinden, warum ich ihm so wichtig bin.“
„Süße, ich weiß nicht ob ich in der Lage bin dir zu helfen, wenn du in Gefahr gerätst!“
„Ich hätte nicht gedacht, dass sich meine Schwester je in einen Vampir verlieben würde. Noch dazu in einen solch mächtigen!“
Verwirrt schaute ich mich um. Ilias hockte auf einem Baum und sah grinsend zu uns herunter.
„Wer redet denn hier von Liebe!“, fauchte ich. „Und überhaupt, was fällt dir ein mir hinterher zu laufen?“
Er ignorierte mich und wandte sich stattdessen an Nero.
„Scheint, als hättest du Interesse an meiner Schwester gefunden.“, sagte er in feststellendem Ton. Nero grinste und strich mit seinen Fingern über meine Halsschlagader.
„Ich gebe zu, sie ist interessant.“
Ilias lachte.
„Willst du wieder nur ein wenig spielen oder ist es dir diesmal ernst?“
Ein lustvolles Funkeln trat in die Augen des Vampirs neben mir.
„Am Anfang wollte ich tatsächlich nur ein wenig Spaß haben, allerdings ist es mir jetzt ernst.“
„Hört auf so zu reden, als wäre ich nicht da!“, knurrte ich wütend. Nero fing an zu lachen und wollte bereits seinen Arm um mich legen, doch von Zorn ergriffen packte ich seinen Arm, verdrehte ihn und drückte ihn zu Boden.
Moment mal. Ich drückte ihn zu Boden? Ja, tatsächlich! Nun kniete er vor mir, vor sich hin knurrend. War ich wirklich so stark? Scheinbar ja...
„Schluss mit lustig!“, fauchte ich. „Ich hab genug von dieser Scheiße.“
Stille. Ilias musterte mich fasziniert und lachte dann.
„Nicht zu fassen! Das kleine Ding hat dich in der Mangel.“
„Du bist der nächste!“, knurrte ich und sah zu ihm auf.
Er grinste frech und winkte ab.
„Tut mir leid, Schwesterherz, aber auf solche Spielchen stehe ich nicht.“
„Ich kann dir auch einfach wieder einen Tritt verpassen, wenn dir das lieber ist.“, meinte ich.
„Würdest du mich jetzt bitte wieder loslassen?“, fragte Nero vor mir. Langsam ließ ich ihn los.
„Entschuldige.“, murmelte ich leise.
„Schon okay.“, erwiderte er. „Du bist wütend, ich kann verstehen warum du so gereizt reagierst.“
Nach einer kurzen Stille zog Nero mich an sich.
„Du wirst nicht mit deinem Bruder gehen.“, sagte er bestimmend.
Wütend sah ich zu ihm auf.
„Du erteilst mir ständig Befehle, dass gefällt mir nicht. Du hast nicht das Recht über mich zu entscheiden!“
„Ich habe deiner Mutter versprochen, mich um dich zu kümmern. Und dieses Versprechen werde ich auch halten.“
Dann schob er mich voran, Richtung Villa.
„Nero.“, ertönte Ilias` Stimme. Er drehte sich um.
„Es ist ihre Entscheidung.“, sagte Ilias dann.
Nero ignorierte seine Worte und schob mich weiter voran...

„Alles in Ordnung?“
Avery starrte weiter auf das Bücherregal. Sie saßen schon einige Minuten in der Bibliothek, doch erst jetzt traute sich Nero das Mädchen anzusprechen.
„Hm-mhm.“, brummte sie.
Dann herrschte wieder Stille. Plötzlich richteten sich ihre grauen Augen auf den Vampir.
„Was sollte das heißen „nun ist es mir ernst“?“
Mit unergründbarem Blick schwieg er sie an. Das Mädchen erhob sich, ging zu seinem Schreibtisch, blieb vor ihm stehen und schaute Nero flehend an.
„Bitte sag mir, was du für mich empfindest.“
Nero lächelte und streckte die Hand nach ihr aus.
„Komm her, Süße.“
Zögerlich folgte sie seinem Befehl. Er zog sie auf seinen Schoß und strich mit dem Daumen über ihre Lippen.
„Als ich dich das erste Mal sah wollte ich, dass du dich nach mir verzehrst! Ich habe schon immer gerne mit Frauen meine Spielchen getrieben aber nach und nach habe ich erkannt, dass du für dieses Spiel nicht geeignet bist. Du hast zu viel erlebt, um dich auf mich einlassen zu können. Ich begehre dich, Avery! Du faszinierst mich und ich will, dass du genauso fühlst!“
Avery schlang die Arme um seinen Hals.
„Meine Mutter hat gesagt, in Bezug auf dich soll ich auf meinen Körper hören, anstatt auf meinen Verstand. Und weißt du was? Mein Körper schreit nach dir!“
Nero lachte leise und legte seine Hände an ihre Taille.
„Dann gebe ihm das, wonach er verlangt.“
Sie kam ihm näher, so nah, dass sich ihre Lippen fast berührten.
„Ich werde dir ein Geheimnis verraten: Eigentlich bevorzuge ich es auf meinen Verstand zu hören aber bei dir werde ich eine Ausnahme machen.“, hauchte sie und küsste ihn dann.
Diese Art an dir gefällt mir.

, hallte seine Stimme durch ihren Kopf.
Warum überrascht mich das nicht?

, dachte sie und drängte noch mehr an ihn.
„Ich will dein Blut!“, knurrte Nero und packte ihr Genick um es zu festigen.
„Dann nimm es dir.“, hauchte sie.
Bist du sicher? Ich will nicht, dass du falsche Entscheidungen triffst. Du sollst es nicht bereuen.


„Was ich bereue oder nicht entscheide ich. Ich weiß, dass ich es nicht bereuen werde, also nimm dir was du brauchst.“, antwortete sie darauf.
„Bist du dir wirklich sicher?“, fragte er.
„Ja.“, sagte sie leise.
Neros Augen leuchteten golden auf, als er seine Fänge in ihr zartes Fleisch stieß. Sie keuchte.
„Himmel noch mal, hör nicht auf!“
Ans aufhören habe ich nicht gedacht!


Gierig trank Nero den lieblichen Nektar, der in seinen Mund strömte. Ihr Blut war süß, süßer als purer Zucker.
Gott, du schmeckst so gut!


Nero...Du solltest wissen, dass ich dir immer noch nicht ganz vertraue.

, dachte sie beschämt.
Ist schon okay, Süße! In diesem Moment ist das völlig egal.


Einen Moment lang herrschte Stille, dann erklang ihre Stimme erneut.
Du warst in deiner Vergangenheit nicht immer so...gut, oder?


Wie kommst du darauf?

, fragte er, als er einige Schlucke von ihrem Blut getrunken hatte und sich nun zurücklehnte.
„Ich fühle es.“, sagte sie leise und strich mit der Hand über seine Brust. „Du hast Dinge getan, die den Menschen geschadet haben. Keine Ahnung warum ich das weiß. Ich kann etwas in die spüren, dass dem Gefühl von Hass und Zerstörungsdrang sehr nahe kommt.
Du hast grauenhafte Dinge erlebt, die dich...dazu verleitet haben.“
Der Vampir erstarrte. Konnte sie das tatsächlich fühlen? Sie hatte Recht! Er hatte Dinge erlebt, die ihn wütend werden ließen. Er hatte in der Tat Dinge getan, die nicht sehr schön gewesen waren...
Mit ausdrucksloser Miene packte Nero Avery an den richtigen Stellen und hob sie hoch, um sie dann wieder mit dem Füßen auf dem Boden abzusetzen.
Wortlos ging er an ihr vorbei.
Tut mir leid. Ich wusste nicht, dass es dir Schmerzen bereitet.


Sie schickte ihm die Gedanken mit schlechtem Gewissen. Hätte sie ihn nicht darauf ansprechen sollen? Wahrscheinlich nicht...

Scheinbar verließ Nero wieder das Anwesen. Ich konnte ihn nicht mehr spüren. Deprimiert und auch ein wenig wütend ging ich in mein Zimmer, wo ich mich ins Bett schmiss und die Arme hinter dem Kopf verschränkte.
Ich war solch eine Närrin. Glaubte ich wirklich, einfach mit Nero herumknutschen zu können? Die Angst, ich könne es doch bereuen schob sich immer mehr in den Vordergrund.
Seine Worte, dass er mich begehrte, hallten noch immer durch meinen Kopf. Ich seufzte.
Mutter hatte Recht, Vampire machten nichts als Ärger. Ich war überzeugt davon, dass Nero an meinem Tod Schuld sein würde! Er war Schuld daran das es Spannungen zwischen Casey und mir gab, dass ich am verzweifeln war und mich in einen...Mythos verliebte.
Himmel, Herr Gott nochmal! Ich verliebte mich tatsächlich in einen Vampir, dass war doch krank!
„Dieser Idiot!“, brüllte ich und setzte mich ruckartig auf. Ilias musterte mich mit einem Grinsen.
„Du meinst doch nicht etwa mich, oder?“
„Du hast hier nichts zu suchen.“, knurrte ich.
Ilias zuckte die Schultern und ließ sich in einem schwarzen Sessel nieder.
„Immer locker bleiben. Ich wollt nur ein bisschen mit dir plaudern, schließlich kenne ich dich kaum. Und das, obwohl du meine Schwester bist.“
Mein Blick fiel auf den anderen Vampir, der mich neugierig musterte. Ilias lachte leise.
„Ach ja. Das ist Sam. Ein guter Freund von mir.“
Seufzend fuhr ich mir durchs Haar.
„Ich glaub's einfach nicht...“
Das es Vampire und all das gab, konnte ich noch immer kaum glauben.
„Du weißt nicht wer Nero ist, oder?“
Sofort richtete ich meinen Blick wieder auf ihn. Worauf wollte er hinaus?
„Ich gebe zu, ich weiß so gut wie gar nichts über ihn. Aber was auch immer du mir jetzt sagen wirst, ich kann dir jetzt schon sagen, dass ich das bereits geahnt habe. Ich weiß das er schreckliche Dinge getan hat, ohne das er es mir gesagt hat.“
Für einen Moment trat Verblüffung in sein Gesicht, dann nickte er ernst.
„In der Tat, er hat Dinge getan die unverzeihlich sind. Sein Name ist eigentlich gar nicht Nero, sondern Nathan Kiril Tenebris. Nero ist italienisch und bedeutet „schwarz“. Er hat diesen Spitznamen bekommen, weil er Jahre lang unter der Erde, in völliger Dunkelheit, in Gefangenschaft gelebt hat. Sein Vater, Dakhil Tenebris, hat vor langer Zeit ganz Europa regiert. Da Dakhil vielen Vampiren seine Herrschaft aufgezwungen hat, beschloss Nathan irgendwann etwas gegen seinen Vater zu unternehmen. Sein Vater war natürlich um viele Jahrtausende älter als er und ihm somit überlegen. Das Ganze endete damit, dass Nero in ein Verlies gesperrt wurde, durch Dakhils Befehl. Sein Vater ließ ihn Hungern und sah amüsiert dabei zu, wie sein Sohn langsam aber sicher zu Tode hungerte. Dank eines Missgeschicks gelang es Nathan jedoch aus den Fängen seines Vaters zu entkommen. Nachdem er wieder zu Kräften gekommen war, trat er seinem Vater erneut gegenüber. Es kam zum Kampf, der tödlich ausging. Nathan war froh darüber, dass die Vampire nun nicht mehr seiner Macht unterstanden und verließ das Land. Keine gute Idee, denn die Vampire die Jahre lang gelitten hatten schworen sich, am Sohn des Herrschers Rache zu nehmen. Was sie nicht wussten war, das Nathan ihn getötet hatte. Er wurde ständig verfolgt und angegriffen. Erfolglos versuchte er, die Sache zu klären.Nach einigen Monaten beschloss er, seine ebenfalls unsterbliche, Mutter aufzusuchen. Doch als er in ihre Heimat kam, fand er heraus, dass sie bereits von den wütenden Vampirmassen ermordet worden war. Das gab ihm natürlich den Rest. Außer sich vor Wut hat er alle getötet, von denen er glaubte, dass sie mit der Sache zutun hatten. Auch Menschen wurden von ihm getötet. Die meiste Zeit seines Lebens ist er durch die Welt gezogen und hat seine Wut an Unschuldigen abgelassen.“
„Na und?“, knurrte ich und überspielte meine Überraschung. „Willst du ihm das etwa verübeln? Würdest du nicht wütend werden, wenn man eine der Personen tötet, die du liebst?“
Ilias` Mundwinkel zuckten.
„Zum einen gibt es solch eine Person nicht. Und zum zweiten, selbst wenn es sie gäbe und sie getötet werden würde, wäre ich natürlich wütend. Aber ich wäre nicht so blöd jeden abzuschlachten, der mir verdächtig vorkommt.“
Ich sprang aus dem Bett, ging wütend auf meinen Bruder zu und stach mit meinem Zeigefinger in seine Brust.
„Jetzt pass mal auf, Ilias!“, knurrte ich bedrohlich. „Du siehst besser zu, dass du verschwindest. Nero bei mir schlecht zu machen bringt sowieso nichts. Ganz egal was er getan hat, wir leben im Hier und Jetzt. Ich bin mir sicher, jedes Lebewesen auf dieser Welt hat etwas getan was besser hätte nicht passieren sollen. Also tu nicht so, als wäre Nero der schlimmste Verbrecher der Welt!“
Schlagartig durchfuhr mich ein Kribbeln, welches in Schmerz überging. Mir blieb die Luft weg.
„Nette Ansage, Süße.“, sagte Nero und stand in Sekundenbruchteilen hinter mir. Sein Arm legte sich um meine Taille und zog mich sanft zurück.
„Ihr habt sie gehört. Macht das ihr verschwindet!“, sagte er dann.
„Und was wenn nicht?“, erwiderte Ilias und grinste spöttisch.
„Dann das!“, fauchte ich. Ich war dabei mich auf ihn zu stürzen, doch plötzlich blieb mir erneut die Luft weg. Nero hatte mich über seine Schulter geworfen.
„Diese Ausbrüche sollten nicht zur Gewohnheit werden, Süße.“, dann wandte er sich an meinen Bruder und dessen Kumpan. „Und ihr zwei verschwindet jetzt, ehe ich deine Schwester auf euch los lasse.“
Mit einem Lachen von Ilias verschwanden die beiden tatsächlich.
„Lass mich runter.“, brummte ich und widerstand dem Drang seinen, unglaublichen, Hintern anzustarren. Er blieb still.
„Nathan.“, sagte ich leise, aber mit Nachdruck. Nun ließ er mich tatsächlich wieder auf den Boden, doch kaum war das geschehen musterte er mich argwöhnisch.
„Ich mag diesen Namen nicht.“
„Ich schon.“, kicherte ich und lehnte mich an ihn, um ihn auf die Wange zu küssen. „Tut mir leid, wegen vorhin meine ich.“
Ich spürte, dass er mich von sich stoßen wollte, doch er beherrschte sich und tat es nicht. Stattdessen vergrub er seine Hand in meinem Haar.
„Ist schon okay. Ich habe dich auch auf schmerzhafte, unangenehme Dinge angesprochen, jetzt sind wir quitt.“
„Nero, ich will das du mir die ganze Geschichte erzählst. Was hat dein Vater dir angetan?“
„Ilias hat es dir doch schon gesagt, also warum fragst du mich danach?“
Ich legte meine Hand an seine Wange und sah ihn wütend, gleichzeitig liebevoll, an.
„Ich vertraue dir, Nero. Und im Gegenzug will ich, dass du mir vertraust. Also sag mir, was genau dir dein Leben genommen hat!“
Er seufzte und wandte sich von mir ab. Diesmal war er derjenige der wusste, dass eine Diskussion keinen Sinn hatte...

Der Vampir verließ das Zimmer, bedeutete dem Mädchen aber ihm zu folgen. Er führte sie in sein Zimmer, in dem sie selbst noch nie gewesen war. Überrascht ließ sie den Blick schweifen. Das Zimmer war mindestens doppelt so groß wie das, in dem sie schlief. Es wurde in einem edlen dunkelrot gehalten. Hier und da ein bisschen beige, sonst nur schwarz und weiß. Nathan riss das Mädchen aus den Gedanken und reichte ihr ein Portrait. Auf dem war ein Mann zu sehen. Seine Haare waren schwarz, wie die von Nero, lang und zu einem Zopf zusammengefasst. Seine Augen waren grau, wie ihre, nur wirkten seine kalt und grausam. Der Körper von ihm war kräftig und durchtrainiert, keine Frage, dieser Mann war mächtig gewesen!
„Dakhil...Sag, bist du froh darüber, ihn getötet zu haben?“, fragte sie leise und richtete ihren Blick auf Nero.
„Ja.“, antwortete der Vampir und nahm ihr das Portrait wieder ab. „Mein Vater hat sich ein Land nach dem anderen unter den Nagel gerissen. Dabei ist jeder Vampir sein eigener Herr. Als ich ihn deshalb darauf ansprach, geriet die Sache außer Kontrolle. Er befahl seinen Männern mich wegzusperren und das taten sie dann natürlich auch. Tief unter der Erde warfen sie mich in ein Verließ, welches in völlige Dunkelheit getaucht war. Hinzu kam, dass sie mir das trinken von Blut verweigerten. Der Tod kam immer näher, doch dank einer Unachtsamkeit meines Vaters, gelang es mir auszubrechen. Es hat Monate gedauert bis ich mich vollkommen erholt hatte. Irgendwann trat ich meinem Vater erneut gegenüber. Das ganze endete mit einem tödlichen Kampf. Selbst seine Untergebenen wussten nicht, dass ich dafür verantwortlich war. Sie dachten es wäre ein Unfall oder eine Krankheit gewesen, jeder dachte etwas anderes. Aber mit dem Tod meines Vaters fingen die Probleme allerdings erst richtig an. Die Vampire wollten an Dakhils Sohn Rache nehmen.
Viele Vampire starben durch meine Hand. Ich beschloss meine Mutter aufzusuchen, doch es stellte sich heraus, dass sie bereits ermordet wurde. Ich konnte ihren Tod nicht besonders gut verkraften, weshalb ich erneut vielen das Leben genommen habe. Darunter dann auch Menschen.“
Er schwieg einen Augenblick, dann richteten sich seine goldenen Augen auf Avery.
„Das du mich in Schutz nimmst ist nicht richtig, Süße. Dafür das ich dir so viele Schwierigkeiten bereite, nimmst du alles zu locker hin, dass sollte nicht sein. Genauso unnormal ist es, dass du keine Angst vor mir hattest als ich dir gezeigt habe wer, beziehungsweise was ich bin.“, sagte er dann.
„Ich bin selbst eine Halbvampirin, also warum sollte ich Angst vor dir haben? Außerdem ist es mir egal wie viele Vampire und Menschen du auf dem Gewissen hast! Die Vergangenheit hat nichts mit der Gegenwart zutun.“
Nero schüttelte den Kopf und musterte Avery.
„Du bist die unglaublichste Frau, die mir je im Leben begegnet ist.“, murmelte er.
Das Mädchen winkte ab.
„Lass gut sein. Es gibt tausende Frauen auf der Welt, die besser sind als ich.“
Die Augen des Vampirs begannen zu glänzen.
„Ich gebe zu, dass ich schon eine Menge Frauen an meiner Seite hatte aber nicht eine von ihnen war so, wie du!“
Er ging auf Avery zu, blieb dicht vor ihr stehen und berührte dann mit seinen Fingern ihre Lippen.
Du bedeutest mir viel, Avery! Vergiss das niemals.


Das Mädchen schwieg. Alles deutete darauf hin, dass er sie liebte. Sie liebte ihn auch, doch konnte sie sich auf eine Beziehung mit ihm einlassen? Er schien ihre Gedanken gehört zu haben, denn er lächelte schwach und küsste ihre Stirn.
„Ich werde dich nicht zu einer Beziehung zwingen, Süße.“
Er ließ sie los, wandte sich ab und ließ sie stehen. Doch Avery setzte sich in Bewegung, stellte sich ihm in den Weg und legte ihre Hände an seine Brust.
„Ich will es versuchen.“, meinte sie ernst und sah zu ihm auf.
Nero zog überrascht die Brauen hoch.
„Wie bitte?“
Avery schluckte und spürte wie sich ihre Wangen rot färbten.
„Ich will mit dir zusammen sein, Nero! Auch wenn ein Teil in mir sich dagegen sträubt...“
Neros Mundwinkel zuckten. Er fasste ihr Kinn und hob ihr Gesicht an.
„Ist das dein Ernst?“, fragte er amüsiert und beobachtete, wie das gold ihrer Augen noch intensiver wurde. Sie nickte.
„Ja.“, sagte sie leise und hielt seinem fesselnden Blick stand.
„Das wird Casey nicht gefallen.“, meinte der Vampir und fing an zu grinsen.
Bei dem Gedanken an Casey überkam Avery für einen Moment das schlechte Gewissen, doch dann riss sie sich zusammen und sah entschlossen zu dem Vampir auf.
„Darauf will ich jetzt keine Rücksicht nehmen.“
Nero lachte leise und küsste sie.
Du bist unglaublich, Süße!



_____ 9 _____


Einige Tage vergingen, bis der Samstag kam und somit die Bandprobe. Der Gedanke mit Nero zusammen zu sein erfreute mich inzwischen, doch als ich an Casey dachte überkam mich die Angst. Nero schien das zu spüren, denn seine Hand, die meine hielt, drückte sanft zu.
„Er muss lernen, damit zurecht zu kommen. Sollte er dich verurteilen oder dir Vorwürfe machen, kann er was erleben!“
„Er wird es nicht akzeptieren.“, murmelte ich leise, als wir an seiner Garage ankamen.
„Oh doch, dass wird er!“, erwiderte Nero grob. Mit einem Seufzen gab ich mich geschlagen.
„Hey.“, sagte ich, nicht ganz so fröhlich wie sonst, als ich den Jungs entgegen kam. Ich spürte sofort wie angespannt sie waren.
„Wo ist Casey?“, fragte ich verwirrt.
„Nicht hier.“, antwortete Milad grob. „Er ist bis jetzt noch nicht aufgetaucht.“
Ich sah über meine Schulter zurück zu Nero, dann wieder zu den Jungs.
„Aber ohne ihn können wir nicht proben.“, sagte ich. Es blieb still. „Es passt nicht zu ihm, dass er nicht auftaucht...Ich mache mir Sorgen.“, meinte ich dann.
„Ich gehe ihn suchen.“, sagte Nero und wandte sich ab.
„Wie wie willst du das machen? Er könnte überall sein.“, meldete sich Matt zu Wort.
„Lass ihn nur machen.“, murmelte ich geistesabwesend. Ich wusste, dass Nero Casey spüren konnte, er würde ihn finden. Mein Gefühl sagte mir, dass etwas passiert war, aber was? Die Panik kroch in mir hoch. Was, wenn er gerade in Schwierigkeiten war?
Ich sah Nero nach, als ich plötzlich hörte wie Matt flüsterte:
„Dieser Kerl ist mir nicht geheuer. Avery wird durch ihn nur in Schwierigkeiten kommen.“
„Er ist kein übler Kerl. Auch wenn es nicht immer so scheint.“, antwortete ich automatisch und spürte ihre überraschten Blicke, die sich in meinen Rücken bohrten.
Ich drehte mich um und beobachtete, wie die Jungs alle eine nachdenkliche Haltung einnahmen. Joel verschränkte die Arme.
„Du solltest wissen, dass Casey dich über alles liebt.“, sagte er ausdruckslos.
„Ich weiß.“, murmelte ich und ließ mich auf einer alten Kommode nieder. „Das ist ja das Problem. Ich weiß wie sehr er Nero hasst und ich weiß auch, dass ich daran nichts ändern kann. Es ist nicht meine Absicht Casey zu verletzen aber ich kann mich wegen seiner Eifersucht und seinem Hass ihn gegenüber, nicht von Nero trennen. Ich wünschte in diesem Augenblick wirklich, ich hätte sowohl Casey als auch Nero niemals kennengelernt.“
„Vielleicht solltest du mal mit Casey reden.“, meinte Matt.
„Das wird nichts bringen.“, meinte Milad. „Wir wissen alle ganz genau, wie stur er sein kann.“
„Vielleicht sieht er ein, dass er keine Chance hat.“, sagte Joel.
„Leute!“, unterbrach ich die drei. „Eure Spekulationen sind nicht hilfreich! Ich habe schon mehrmals mit ihm geredet aber das hat nichts gebracht. Nero kann manchmal so ein Arsch sein. Seinetwegen ist Casey total ausgerastet. Würdet ihr vielleicht mit ihm reden?“
Ich bemühte mich einen Hundeblick hinzubekommen und schob die Lippen vor.
Die drei seufzten.
„Avery...Dir ist doch klar, das Kerle nicht gerne über solche Dinge reden, oder?“, murmelte Matt.
„Ach kommt schon! Casey bedeutet mir viel. Ich ertrag es nicht, ihn so leiden zu sehen.“
Die Jungs tauschten Blicke aus und nickten schließlich leicht.
„In Ordnung. Aber im Gegenzug wirst du in der Nähe eines jeden von uns, nicht mit deinem Freund rummachen.“
„Abgemacht!“, rief ich.

Eine halbe Stunde verging, bis Nero wieder auftauchte. Avery sah, dass eine silberne Kette in seiner Hand baumelte.
„Wo hast du seine Kette gefunden?“, rief Avery und sprang von der Kommode auf.
„Im Wald.“, antwortete er.
Der Geruch deines Bruders war ziemlich konzentriert.

, fügte er gedanklich hinzu.
Du glaubst also Airas hat ihn zu sich bringen lassen, um mich so in die Finger zu kriegen?

, dachte Avery darauf.
Ja.


„War klar, dass er ihn nicht findet.“, murmelte Milad leise.
Wut blitzte in den Augen des Vampirs auf. Es gab schon viele Momente in denen er kurz davor war, sein Geheimnis Preis zu geben.
„Hör zu. Es gab Dinge, die andere Menschen nicht auf die Reihe gekriegt haben, ich aber geschafft habe. Wenn du es so schlimm findest das ich versagt habe würde ich vorschlagen, dass du deinen Kumpel suchst!“
Milads Mundwinkel zuckten belustigt.
„Niemand von uns wäre in der Lage, ihn in einer Großstadt aufzuspüren. Also warum glaubtest ausgerechnet du ihn zu finden?“
Diese Worte ließen auch durch Averys Adern Zorn fließen. Nero war ein Vampir. Sie selbst ein Dhampir. Beide konnten Dinge vollführen, die für normal Sterbliche unmöglich gewesen wären.
„Das reicht!“, fauchte sie, bevor Nero laut werden konnte. Eben noch hatte sie Milad angeschaut, nun richteten sich ihre Augen auf ihren Freund. „Glaubst du es macht einen Unterschied, ob es drei Leute mehr oder weniger wissen?“
„Du kannst es nicht all deinen Freunden erzählen. Du würdest riskieren sie damit hineinzuziehen.“, antwortete Nathan und verschränkte die Arme.
„Du hast Recht.“, murmelte das Mädchen und wandte sich ab.
„Avery!“
Sie drehte sich um und sah Joel mit hochgezogenen Brauen an.
„Was verschweigt ihr uns?“
„Frag Casey.“, murmelte sie. „Wenn ihr ihn je wieder zu Gesicht bekommt...“, fügte sie leise hinzu.
„Was soll das heißen?“
„Das würdest du mir sowieso nicht glauben.“, mit diesen Worten fasste sie Nero bei der Hand und zog ihn mit. Zusammen machten sie sich auf den Weg in den Wald.

„Ich glaub's einfach nicht, dass er schon so weit geht und deine Freunde entführt.“, knurrte Nero wütend.
„Was funktioniert, ist auch erlaubt.“, erwiderte ich leise. „Ich bin mir sicher, dass Ilias bald auftauchen wird und mich fragen wird, ob ich mit ihm kommen werde.“
„Schlaues Mädchen!“, ertönte eine Stimme hinter uns.
Wir wirbelten herum und sahen Ilias und...Casey!
„Nein!“, schrie ich.
Caseys Augen glühten in gefährlichem gold, Spitzen von Reißzähnen ragten über seine Unterlippe. Ich konnte nicht einmal blinzeln, so schnell stand er vor Nero und packte ihn an der Kehle.
Ein erneutes „Nein“ wollte mir entweichen, als Nero die Hand von Casey packte und so fest zu drückte, bis es laut knackte und Casey mit einem lauten Knurren zurückwich.
Er wollte sich erneut auf Nero stürzen, doch ich ging dazwischen und fauchte ihn an.
Meine Augen blitzen golden in der Sonne auf und auf einmal, hatte ich das Gefühl hundert Mal stärker zu sein, als ich eigentlich war. Ich stieß ihn weg und schaute dann über meine Schulter zu Nero.
„Du kannst ihm doch nicht einfach das Handgelenk brechen!“, fauchte ich.
„Als Vampir machen ihm solche Verletzungen nichts aus.“, sagte er kalt und richtete seinen Blick auf Ilias.
„Warum habt ihr ihm sein Leben genommen?“
Mein Bruder lachte und schnippte mit den Fingern, worauf Casey knurrend an seine Seite trat.
„Es war meine Idee. Airas fand die Idee ganz lustig und meinte, dass es sicherlich schön wäre mit anzusehen, wie der Junge vor Eifersucht umkommt. Jetzt muss er sein ganzes Leben lang mit ansehen, wie ihr eure Liebe genießt. Ich glaube ich habe ihm noch gar nicht gesagt, dass ihr nun ein richtiges Paar seid!“
Caseys Augen weiteten sich. Wut und Trauer spiegelten sich in ihnen wieder.
„Aber, ich dachte...“, murmelte er und brach mitten im Satz ab.
Mit ausdruckslosem Gesicht ging ich auf meinen Bruder zu. Vor ihm blieb ich stehen, dann holte ich aus und verpasste ihm eine.
„Du bist mein Bruder, verdammt! Dann benimm dich gefälligst auch wie ein Bruder!“
Grinsend fasste er mein Kinn.
„Kleine, du musst noch eine Menge lernen! Du bist ziemlich naiv. Hast du geglaubt das die Welt der Vampire genauso leicht und unbeschwert ist wie die, der Menschen? Fast jeder von uns hat so scheiß Erfahrungen gemacht, wie dein Freund Nero da drüben! Und glaub mir wenn ich sage, es geht noch schlimmer! Du, liebe Avery, bist das, worüber unseres Gleichen sich kaputt lacht!“
Mit meiner steigenden Wut schienen meine Sinne immer schärfer zu werden. Ich konnte das Blut von Ilias in seinen Adern pulsieren sehen, ich konnte hören wie kraftvoll sein Herzschlag war und wie gleichmäßig sein Atem ging. Das Adrenalin in meinen Adern schien immer mehr zu werden und mein Puls schnellte bedenklich in die Höhe.
„Na und? Ich habe auch ein scheiß Leben, dabei bin ich nicht einmal eine richtige Vampirin. Ich soll dir glauben, dass es schlimmere Dinge gibt als das was Nero durchgemacht hat? Das glaube ich durchaus aber aus deinem Mund klingt das, als hättest du auch schlimmeres durchgemacht. Wenn wir Geschwister sind, kannst du nicht einmal fünfundzwanzig Jahre alt sein. Was willst du schon grausames erlebt haben? Du lebst bei Airas, ich wette du hattest ein wohl behütetes Leben, im Gegensatz zu mir. Ich weiß, was Schmerz und Qual bedeutet, also halt die Schnauze wenn du glaubst sagen zu müssen, du wärst arm dran!“
Mein Bruder lachte nur und wandte sich an Casey.
„Hast du noch etwas zu sagen, bevor wir uns auf den Rückweg machen?“
Mit zusammengekniffenen Augen schaute ich zwischen Casey und Ilias hin und her. Er würde mit meinem Bruder gehen? Casey schaute wütend zu Nero, dann wieder zu mir.
„Nein.“
„Warum willst du zurück gehen?“, fragte ich traurig.
„Ich habe meine Gründe.“, antwortete Casey monoton. Doch dann trat ein Ausdruck der Verletzbarkeit in sein Gesicht. „Bitte komm mit!“, flehte er.
Ich seufzte leise.
„Ich würde gerne.“, dann schaute ich über meine Schulter. „Aber der Idiot lässt mich nicht.“
Zorn blitzte in Caseys Augen auf, als er seinen Blick auf Nero richtete.
„Das Arsch macht wirklich alles kaputt...“
Ich wollte ihn gerade anschreien, weil er ihn beleidigt hatte, doch dazu kam ich nicht. Nero trat hinter mich und zog mich an sich.
„Du müsstest eigentlich nachvollziehen können, warum ich sie nicht gehen lasse. Sie liegt mir am Herzen, niemals werde ich zulassen das sie in Gefahr gerät! Woher soll ich wissen, dass wenn sie mit euch geht, dem Tod nicht direkt in die Arme läuft?“, sagte er.
Die Worte schienen Casey ein wenig zu besänftigen, denn er nahm eine lockere Haltung ein.
„Eines muss man dir lassen, du bist verantwortungsbewusst. Aber ich warne dich: Solltest du ihr in irgendeiner Weise schaden, kannst du was erleben!“
„War das eine Drohung?“, fragte Nero mit hochgezogenen Brauen.
Casey wandte sich ab.
„Wer weiß.“
Plötzlich ging alles ganz schnell.
Nero ließ mich los, stürzte sich auf Casey und verpasste ihm einen Schlag, der ihm das Bewusstsein verlieren ließ. Dann drehte er sich zu Ilias um, stürzte sich auch auf ihn und brach ihm mehrere Knochen zugleich. Sowohl ein Arm, als auch ein Bein und ein paar Rippen wurden von ihm zertrümmert. Mit einer Tirade von Flüchen zog mein Bruder sich zurück und verschwand zwischen den Bäumen...

Ungläubig starrte Avery Nero an.
„Was war das denn?“, fragte sie verwirrt und sah Casey an, der noch immer auf dem Waldboden lag. Das gold ihrer Augen, welches wie Karamell wirkte, wurde allmählich schwächer, bis ihre Augen wieder ganz grau waren.
„Ich dachte du wolltest nicht, dass er wieder zu Airas geht?“, antwortete Nero darauf, verschränkte die Arme und lehnte sich gegen einen Baum.
Das Mädchen seufzte, blieb aber still. Nach einigen Minuten stillen Schweigens, schlug der Vampir am Boden plötzlich die Augen auf. Knurrend richtete er sich auf.
„Darf ich fragen was das sollte?“
Nero grinste leicht.
„Irgendwie musste ich dich ja daran hindern, zu Airas zu gehen.“
„Ich entscheide, ob ich zu ihm gehe oder nicht!“, fauchte der Gitarrist.
Schlagartig wurde Nero ernst.
„Deine Entscheidungen gehen mir am Arsch vorbei. Meinetwegen geh zu ihm und lass dich versklaven, aber hast du mal an Avery gedacht? Ich dachte du magst sie? Wenn du sie wirklich liebst, würdest du ihr nicht solch Schmerzen bereiten.“
„Und wieder einmal geht es um mich.“, murmelte das Mischlingsmädchen und verschränkte die Arme.
„Süße, tut mir leid, aber es ging von Anfang an nur um dich.“, sagte Nero an sie gewandt und sah sie traurig, zugleich ernst an. Sie blieb still.
„Mir liegt Avery auch am Herzen aber hast du geglaubt, du bereitest ihr keine Schmerzen?“, sagte Casey an Nero gewandt. Nun schwieg auch er. Nathan wusste das er Avery ebenfalls Schmerzen bereitet hatte und das nicht nur einmal. Doch seine Taten waren notwendig. So leid es ihm auch tat aber in manchen Momenten konnte er auf die Gefühle des Mädchens keine Rücksicht nehmen.
„Dessen bin ich mir bewusst aber es dient ihrer Sicherheit. Ich weiß, dass ich ein Arsch sein kann, beziehungsweise bin, aber ich kann nicht immer auf ihre Gefühle Rücksicht nehmen.“, sagte der Vampir dann. „Und nun Schluss damit. Wir werden dich zu dir nach Hause bringen. Ich werde dich im Auge behalten, für den Fall das Ilias es erneut versucht.“
Mit einem Knurren wandte Casey sich ab und ging voran. Es passte ihm nicht, so von Nero behandelt zu werden, doch er hatte keine Wahl. Außerdem wollte er Avery nicht noch mehr verletzen indem er sich widersetzte.
Still begleiteten Avery und Nero ihn zurück.

„Casey, ich glaube wir müssen noch einmal miteinander reden.“, sagte ich leise und trat an seine Seite. Nero blieb hinter mir.
„Da gibt es nichts zu bereden.“, antwortete er und bog in seine Garage ein. Joel, Matt und Milad saßen noch genau dort, wo sie saßen als Nero und ich gegangen waren.
„Casey!“, rief Milad und sprang auf. Doch der Gitarrist ging stur an ihm vorbei und steuerte auf die Tür zu, die ins Haus führte.
„Casey.“, knurrte ich laut und wütend. Er blieb stehen und drehte sich dann zu mir um. Das gold seiner Augen traf mich mit solch einer Kälte, dass ich augenblicklich noch wütender wurde und meine Augen sich ebenfalls verfärbten.
„Sieht so aus, als würden die anderen nun doch alles erfahren...“, murmelte ich kaum hörbar. Die drei Jungs erstarrten und starrten zwischen Casey und mir hin und her.
„Was ist hier los?“, murmelte Joel und richtete seinen Blick auf Nero. Doch der beobachtete nur, wie Casey auf mich zuging und mit seinen Fingern meinen Gesichtszügen folgte. Plötzlich legte er seinen Arm um meine Taille und drückte mich an sich. Dann versengte er auch schon seine Zähne in meine Kehle.
Voller Schreck zuckte ich zusammen. Ich wusste, dass Casey in diesem Moment Nero ansah und ich wusste auch, dass nichts als Spott und Selbstzufriedenheit in seinem Blick lag.
Mit einem lauten Knurren stürzte Nero auf uns zu. Er packte mich grob an der Schulter, riss mich zurück und packte dann Casey an der Kehle, um ihn dann gegen eine Wand zu drücken. Mit einem animalischen Knurren fletschte er die Zähne.
„Sie gehört mir, hast du verstanden?“
Casey lachte.
„Hast du ihr Blut schon gekostet? Es schmeckt unglaublich!“
Fauchend riss ich Nero zurück, dann drängte ich mich zwischen die beiden.
„Ja, er hatte schon die Ehre. Und falls du es wissen willst, ich durfte seines auch schon probieren. Und jetzt hör auf, dich wie ein Idiot zu benehmen. Das gleiche gilt für dich, Nero!“
Casey grinste selbstgefällig.
„Du behandelst ihn wie einen Hund, weißt du das? Aber mit mir kannst du nicht so umspringen.“
Er verkrallte sich in meinen Haare und riss meinen Kopf zurück. „Süße, du bist nichts als ein kleines, schwaches Mädchen, vergiss das nicht.“
Erneut stürzte Nero sich auf ihn. Ich wurde erneut zurückgestoßen. Neros Klaue drückte sich so fest in Caseys Kehle, dass bereits Blut auf seiner Haut hinunter lief.
„Meinetwegen...brich ihm das Genick.“, sagte ich leise und hielt mir den Hals, wo die Bisswunde noch immer blutete. „Jungs, ihr solltet verschwinden.“, sagte ich dann und sah die drei an.
„Avery, was...“, begann Matt, doch ich schüttelte den Kopf.
„Sprecht nicht über das, was ihr gesehen habt, okay? Ich melde mich später bei euch, um euch alles zu erklären. Von Casey solltet ihr euch fernhalten.“
Während Joel, Matt und Milad nickten und die Garage verließen, gingen Casey und Nero aufeinander los. Mehrere Minuten lang verpassten sie sich Schläge und Tritte, bis Nero Casey schließlich zu Boden warf und seine Klaue sich immer fester um seine Kehle schloss.
„Avery würde deinen Tod nicht ertragen, also sei froh, dass ich dich nicht umbringe!“, knurrte mein Freund bedrohlich und ließ ihn los.
Ich ignorierte Caseys amüsierten Gesichtsausdruck und ging auf Nero zu.
„Alles okay?“, fragte ich leise. Er hatte Knochenbrüche erlitten, Wunden klafften in seiner Brust, eine war seinem Herz gefährlich nahe. Seine Augen hatten keinen Glanz.
Doch genauso schlimm wie er, sah auch Casey auch. Wenn ich mich nicht täuschte, sah Casey sogar weitaus schlimmer aus.
Ich brauche Blut...

, ertönte Neros Stimme in meinem Kopf.
Ich zog ihn an mich und bot ihm meinen Hals dar. Ohne etwas zu sagen senkte er den Kopf, bis seine Lippen meinen Hals berührten. Mit einem kurzen Stechen stieß er seine Zähne in meine Haut.
Ich spürte Caseys verzweifelten Blick und die Wut die von ihm ausging.
Weißt du wie schlimm es ist, das mit ansehen zu müssen?


„Dann sieh nicht hin!“, fauchte ich leise.
Er kommuniziert mit dir in Gedanken?

, ertönte Neros Stimme.
Ja.


Ein Knurren ging durch meine Gedanken.
Ignoriere es, Süßer. Er hat deine Aufmerksamkeit nicht verdient.

, dachte ich dann.
Du hast Recht. Alles was mich jetzt interessiert bist du!

, antwortete er darauf.
Nachdem er einige, naja eher viele Schlucke von meinem Blut getrunken hatte, lehnte er sich zurück und leckte sich die Lippen.
Nachdem ich Casey einen kurzen Blick zugeworfen hatte, nahm ich Neros Hand und zog leicht daran.
„Lass uns gehen.“
Er nickte.


_____ 10 _____


Avery starrte aus dem Fenster. Eine Träne nach der anderen lief über ihre Wange und hinterließ eine Spur. Nero hatte ihr gesagt, er müsse noch etwas erledigen und hatte sie alleine zurückgelassen. Würde er Casey beobachten und wenn nötig wieder angreifen?
Auf diese Frage hatte sie keine Antwort, ebenso wenig wie auf die anderen, die ihr durch die Gedanken gingen. Sie wusste, dass die Freundschaft zwischen Casey und ihr nun endgültig zerstört war. Plötzlich fiel ihr ihre Mutter ein. Sofort sprang sie auf und griff nach ihrer Sweatjacke.

„Mama?“, rief ich durch den Flur. Ich bog in die Küche ein und erstarrte als ich Raphael sah. Und die Fremde in seinem Arm. Er sah auf und funkelte mich mit wütenden Augen an.
„Ach, lässt sich das kleine Miststück auch mal wieder blicken?“
Ich überging die Beleidigung und ballte die Hände zu Fäusten.
„Wo ist meine Mutter?“, fragte ich.
Raphael zuckte die Schultern.
„Ist schon den ganzen Tag weg. Aber wen stört's?“, er richtete seinen Blick auf die Blondine. „Ich habe ja dich!“
„Du bist ein richtiges Arsch, weißt du das?“, meinte ich wütend und unterdrückte das Knurren in meiner Brust.
„Ist das Avery?“, fragte die Frau. Sie hatte einen französischen Akzent. „Ganz schön respektlos.“
Raphael ließ sie los und kam auf mich zu. Seine Größe schüchterte mich nun nicht mehr ein.
„Nicht in diesem Ton, Fräulein!“
Ich lächelte schwach.
„Du machst mir keine Angst mehr, Raphael. Du solltest vorsichtig sein, ich bin nicht mehr so harmlos wie ich aussehe.“
Diese Worte schienen ihm nicht zu gefallen, denn schon holte er aus. Leise lachend fing ich seinen Arm ab.
„Tut mir leid, aber ich lasse mich nicht mehr misshandeln. Und nun entschuldige mich, ich muss meine Mutter suchen.“
Ohne auf eine Antwort zu warten drehte ich mich um und verließ das Haus.
Ich machte mir Sorgen. Meine Mutter war nicht arbeitstätig, also wo sollte sie sein? Freundinnen hatte sie auch nicht und einen anderen Mann erst recht nicht.
Doch dann rannte ich los. Sie war doch nicht etwa...?
Nero!


Was ist, Süße?


Entweder hat meine Mutter sich umgebracht oder Airas hat sie zu sich bringen lassen!


Was soll das heißen?


Sie ist nicht Zuhause und ich weiß nicht, wo sie sonst sein könnte...


Vielleicht ist sie einkaufen gegangen oder geht anderen Dingen nach.


Unwahrscheinlich. Raphael hat gesagt, sie ist den ganzen Tag schon weg.


Raphael...Den hatte ich ganz vergessen.


Ist schon gut. Mal sehen, vielleicht kümmere ich mich selbst um ihn. Egal...Wo bist du gerade?


Bin auf dem Weg zur Villa.


Ich blieb stehen. Ilias war aus dem Nichts vor mir aufgetaucht und verschränkte nun mit wütendem Blick die Arme. Wenn meine Mutter wirklich bei Airas war, dann hatte mein Vater seine Lektion gelernt, denn so wie Casey war meine Mutter nicht in Begleitung meines Bruders.
Avery?


„Sieht so aus, als wäre dein Freund nicht in der Nähe.“, sagte Ilias ausdruckslos.
„Du hast Recht. Er ist nicht in der Nähe.“, log ich. Die Villa war nicht weit entfernt, wenn Nero tatsächlich auf dem Weg war, würde er mich bald spüren können. Ilias ebenfalls.
Avery!


„Mutter ist bei unserem Vater, nicht wahr?“, fragte ich monoton und ließ meinen Bruder nicht aus den Augen. Irgendetwas an ihm wirkte gefährlich. Bei unserer letzten Begegnung war es nicht vorhanden...Er wirkte wie ein Raubtier.
„Du bist wirklich ein kluges Kind.“, meinte er und machte einen Schritt auf mich zu. „Du wirst mitkommen, hast du verstanden? Sonst passiert mit Hannah, dasselbe wie mit Casey. Dein geliebter Freund ist übrigens wieder auf dem Weg zu unserem Vater.“
„Casey ist mir egal. Sag mir lieber, wie es Hannah geht!“
Avery, verdammt was ist los?


„Das kann ich dir nicht sagen. Aber wenn du mitkommst, wirst du sie wiedersehen.“
Ich schluckte. Liebe hatte ich meiner Mutter gegenüber nie empfunden, doch konnte ich sie wirklich so im Stich lassen?
„Ihr kennt wirklich kein Pardón, oder?“
„Nero!“, sagte ich überrascht als der Vampir an meine Seite trat.
Warum hast du nicht gesagt das Ilias bei dir ist?


Ich beantwortete seine Frage nicht und wandte mich wieder an meinen Bruder.
„Also schön. Du hast gewonnen. Ich werde mitkommen. Allerdings nur, wenn ihr Hannah dafür gehen lasst.“
„Nein.“, sagte Nero prompt.
„Doch.“, erwiderte ich und ballte die Hände zu Fäusten. Er wollte bereits wieder etwas sagen, doch ich sah ihn wütend und traurig zugleich an. „Ich kann mich doch nicht immer weigern. Wer weiß, was sie in diesem Moment mit Hannah anstellen? Ich will sie nicht als Vampir wiedersehen.“
Nero seufzte und sah mich voller Sorge an.
Ich weiß, dass du dir Sorgen um mich machst und Angst hast, mich nicht beschützen zu können aber was für eine Wahl habe ich schon? Entweder gehe ich zu Airas und finde heraus was er von mir will oder ich lasse es bleiben und riskiere damit, die Personen zu verlieren, die mir am Herzen liegen!

, dachte ich entschlossen.
„Stures Weib.“, murmelte Nero und fuhr sich mit der Hand durchs schwarze Haar. Er richtete seinen Blick auf meinen Bruder und begann leise zu knurren.
„Sie wird nicht alleine gehen!“
Ilias grinste leicht.
„Natürlich nicht. Du wirst sie begleiten, richtig?“
„Ganz genau.“, antwortete Nero.
Mein Bruder wies mit dem Kopf auf einen Weg, nicht weit von uns entfernt, der aus der Stadt herausführte. Ein mulmiges Gefühl machte sich in mir breit, als Nero meine Hand nahm und wir gemeinsam meinem Bruder folgten.

Am Rande der Stadt, in der Nähe eines alten, verlassenen Bauernhofes, blieb Ilias stehen und drehte sich zu den beiden hinter ihm um. Er griff in seine Tasche und zog zwei schwarze Tücher heraus.
„Sorry, meine Lieben, aber wir wollen ja nichts riskieren, hm?“
Avery und Nero tauschten stumm einen Blick aus. Mit einem Grinsen nahm Ilias den beiden die Sicht.
„Keine Sorge, euch passiert schon nichts.“
„Ich vertraue dir nicht.“, murmelte Avery und setzte sich in Bewegung, nachdem Ilias sie angestoßen hatte.
„Das nehme ich dir nicht übel aber für den Moment, braucht ihr nichts zu befürchten.“
Schweigend führte er die beiden durch das rote Licht, der sinkenden Sonne.

Die plötzliche Kälte ließ mich wissen, dass wir uns unter der Erde befanden. Der Geruch modernden Fleisches drang in meine Nase. Irgendwo in der Ferne hallten die Schreie einer Frau von den Wänden wider. Das laute und schmerzerfüllte Brüllen eines Vampirs, gab mir den Rest und ließ mich zusammenzucken.
„Gnade dir Gott, wenn es Hannah nicht gut geht!, fauchte ich und spürte gleich darauf, wie Nero in mein Bewusstsein eindrang.
Ganz ruhig, Süße. Ich kann deine Mutter spüren, es geht ihr gut. Ihr Herz schlägt gleichmäßig.


Gut.

, antwortete ich.
Ich bin überrascht. Sie ist deine Mutter, du müsstest sie eigentlich spüren können. Scheinbar sind deine vampirischen Fähigkeiten doch nicht so ausgeprägt, wie gedacht.

, kam es zurück.
Vielleicht liegt es auch daran, dass ich Angst habe...

, dachte ich.
Plötzlich wurde mir die Augenbinde abgenommen. Nackte Steinwände kamen zum Vorschein.
„Wir befinden uns in der Nähe der Verliese, in den anderen Teilen des Verstecks sieht es besser aus.“, sagte Ilias nebenbei.
„Das interessiert keinen.“, knurrte ich wütend. Mein Bruder lachte leise und ging an uns vorbei.
„Wie du meinst. Dann kommt mit.“
Mehrere Minuten lang führte er uns durch die steinernen Gänge, bis wir vor einer großen, verzierten Tür stehen blieben, an der goldene Ranken hochgingen. Ilias stieß die Tür auf und zum Vorschein kam ein riesengroßer Saal, der vor Luxus nur so prangte. Überall räkelten sich Frauen. Ich sah einen Mann mit rotbraunen Haaren und grauen Augen.
„Airas.“, hauchte ich und registrierte erst jetzt, dass meine Mutter mit ängstlichem Gesichtsausdruck auf seinem Schoß saß.
„Hannah!“, schrie ich und rannte los. Doch augenblicklich wurde ich zurückgerissen. Nero drückte mich an sich.
Wir müssen vorsichtig sein, schließlich wissen wir nicht, was sie vorhaben.


„Was willst du von mir?“, schrie ich und funkelte meinen Vater mit goldenen Augen an.
„Sie hat Temperament.“, lachte Airas und strich meiner Mutter das Haar aus dem Nacken.
„Sie mag zwar dein Aussehen haben, deinen Charakter hat sie allerdings nicht.“, sagte er dann. Ein Knurren stieg in meiner Brust auf.
„Du bist ein verdammtes Arsch, schon gewusst? Was fällt dir eigentlich ein, Casey in einen Vampir verwandeln zu lassen?“
Mein Vater grinste und wies mit der Hand auf die rechte Seite des Saales. Ich folgte der Bewegung und erblickte Casey, der mit verschränkten Armen neben einer Frau stand, die sich an ihn lehnte und über seine Brust strich. Ihre Lippen kamen ihm gefährlich nahe.
„Ich hätte nicht gedacht, dass Nathan dir je begegnet.“
Ich wandte meinen Blick von Casey ab und starrte nun Airas an, der nachdenklich meinen Freund musterte.
„Das gefällt mir nicht...“, murmelte er, bedeutete meiner Mutter sie solle verschwinden und erhob sich. Casey ging auf meine Mutter zu, packte sie am Arm und zog sie mit. Eben noch war ich wütend auf meinen Vater, nun war ich wütend auf meinen ehemaligen Freund. Sofort versperrte ich ihm den Weg. Knurrend stand ich vor ihm.
„Lass sie los!“
Er zog einen Mundwinkel hoch und musterte mich amüsiert.
„Und was wenn nicht?“
„Dann das!“, fauchte ich , stieß meine Mutter weg und verpasste Casey einen Schlag, der ihn zu Boden gehen ließ.
„Wage es nicht, mir noch einmal gegenüber zu treten!“, keifte ich. „Und wenn du glaubst, dass du, nur weil du jetzt ein Vampir bist, mich herum kommandieren kannst, hast du dich geschnitten! Mir ist scheiß egal wie eifersüchtig du bist und wie sehr du mich liebst, denn du merkst nicht, dass du inzwischen alles kaputt gemacht hast!“
Ich zog meine Mutter an mich und warf Nero einen Blick zu.
Wir müssen von hier verschwinden. Das alles ist mir nicht geheuer.


Dir ist es also auch aufgefallen?


Wenn du damit meinst, dass du diese eigenartige Energie auch spürst, dann ja!


Ich bin nicht sicher, ob uns die Flucht gelingen wird. Sie haben überall Wachposten verteilt. Spätestens wenn wir den Raum verlassen, haben wir ein Problem!


Ich knurrte leise. Nero hatte von Anfang an Recht gehabt, es war zu gefährlich herzukommen. Aber ich stures Weib wollte es natürlich besser wissen.
„Werft ihn in einen der Verliese!“, befahl Airas plötzlich und zeigte dabei auf Nero. Zwei, stark aussehende Vampire gingen bereits auf ihn zu, als ich laut brüllte:
„Nein!“
Alle Blicke richteten sich auf mich, was mir aber nicht im Geringsten unangenehm war.
„Wie war das?“, fragte mein Vater überrascht. Ich hörte die Wut in seiner Stimme, jedoch war ich der Meinung, dass er sie geschickt überspielen konnte.
„Ich sagte nein!“, knurrte ich und ließ meine Mutter los. Selbstbewusst ging ich auf meinen Vater zu, der mitten im Saal stand. „Keiner wird Nero anrühren! Und Hannah werdet ihr auch in Ruhe lassen, verstanden?“
„Kleine, du bist wirklich süß und dafür, dass du meine Tochter bist unglaublich! Aber glaubst du wirklich, dass ich deinen Befehlen folge?“
Mit einem Schlag war die ganze Wut in mir übergelaufen. Ich spürte einen gewissen Schmerz und begriff erst nach einigen Sekunden, dass meine Zähne Schuld daran waren. Sie wurden lang und spitz, doch seltsamerweise überraschte mich das nicht! Adrenalin strömte durch meine Adern und brachte mein Blut zum kochen.
„Was willst du, Airas? Wenn du mir keine Antwort geben willst, verschwinde ich.“
Mein Vater musterte mich. Mir schien, als würde er gefallen an mir finden. Ich unterdrückte den Schauer, der über meinen Rücken rieseln wollte. Mit nicht mal einem Wimpernschlag stand er vor mir. Er verkrallte sich in meinen Haaren und zog meinen Kopf zurück. Seine goldenen Augen wurden immer dunkler, bis sie schließlich schwarz schimmerten.
„Ich will, dass du bei mir bleibst. Gemeinsam könnten wir so viel verändern!“, flüsterte er, sodass nur ich es hören konnte.
„Niemals!“, schrie ich und holte aus. Mit einem Brüllen prallte er gegen eine Marmorsäule, die augenblicklich zerstört wurde. Schockiert über mich selbst starrte ich meine Hand an. Um Himmels willen, war ich das?
Plötzlich griff jemand nach meiner Hand. Ein angenehmes Kribbeln durchfuhr mich. Nero zog mich hinter sich her, meine Mutter hatte er über die Schulter geworfen.
„Süße, ich glaube ich muss dir beibringen, wie du mit deinen Kräften umzugehen hast.“, lachte Nero, während er die Tür aufstieß und wir aus dem Saal rannten.
„Schnappt sie!“, ertönte Airas Stimme.
„Hab ich ihn ernsthaft verletzt?“, fragte ich unsicher und sah über meine Schulter, was zur Folge hatte, dass ich stolperte.
„Nur ein paar gebrochene Knochen. Nichts schlimmes, für jemanden wie dich allerdings ziemlich unglaublich.“, sagte Nero und zog mich wieder auf die Füße.
„Zwei Dinge:“, begann ich. „Erstens: Mein Gefühl sagt mir, dass das noch harmlos war. Und zweitens: Laufen wir in die richtige Richtung?“
Nero lachte erneut.
„Keine Ahnung. Aber irgendwo wird es schon einen Ausgang geben. Wenn nicht, zerstöre ich ein paar Wände, das klappt schon.“
„Höre ich da etwa Optimismus?“, scherzte ich und atmete tief durch, um mich aufs Laufen zu konzentrieren. Wir rannten durch den Gang und bogen irgendwann links ab. Hätten wir nicht sofort angehalten, wären wir gegen eine Tür gerannt.
Nero versuchte sie zu öffnen, doch sie war verschlossen.
„Na toll.“, murmelte ich und sah über meine Schulter. Die Schritte und das Fauchen unserer Verfolger wurde immer lauter und zu unserem Pech, saßen wir in einer Sackgasse fest. Doch aufgeben kam für Nero nicht in Frage. Er ballte die Hand zur Faust und schlug mit einem lauten Krachen die Tür ein.
„So geht's natürlich auch.“, murmelte ich und rannte weiter. Mitten im Raum blieben wir stehen. Wir waren umgeben von muskelbepackten Vampiren und Waffen, die nicht aus dieser Welt stammten. Morgensterne, Äxte, Schwerter, Dolche, Pistolen, Pfeile und Bögen, Keulen und Stangenwaffen. Gewöhnliche Waffen sollte man meinen, doch diese hier sahen größer und vor allem gefährlicher aus! Ich schluckte.
„Und was jetzt?“
Nero grinste leicht, ließ meine Mutter hinunter, schnappte sich blitzschnell zwei Pistolen und warf sie uns zu. Er selbst schien gefallen an einem Katana zu haben.
„I-Ist das sein Ernst?“, fragte Hannah hysterisch und sah mich verzweifelt an.
Ich schob die Lippen vor und seufzte.
„Ich denke schon.“
Ich sah wie Nero die Augen verdrehte. Wären wir nicht in dieser Situation hätte ich wahrscheinlich darüber gelacht, denn Augenrollen wirkte an Vampiren anders als bei Menschen.
„Die dienen der Verteidigung und nicht zum Angriff.“, brummte er und verpasste einem Vampir einen Hieb mit dem Schwert.
Ich nickte wissend und sah dann meine Mutter an.
„Das heißt wir sollen laufen.“, meinte ich.
Mit einem „Ahhh.“, nickte meine Mutter.
Während Nero die lästigen Blutsauger von uns fernhielt, suchte ich nach einem Ausgang.
Bingo! Eine Tür, nicht weit von uns entfernt, lag versteckt hinter einem Schrank. Der Gedanke, dass es ein Weg hier raus sei beruhigte mich ein wenig. Ich verpasste meiner Mutter einen Schubs.
„Lauf!“, rief ich und stürmte dann hinter ihr her, um ihr Deckung zu geben.
Kaum hatten wir die Tür erreicht drehte ich mich um.
„Nero!“, rief ich. In schnellen Schritten war er bei uns. Die Tür war, Gott sei Dank, nicht verschlossen. Erneut breitete sich ein langer Gang vor uns aus. Dieser wirkte aber unheimlicher als die anderen. Es war stockdunkel, selbst mit meiner Fähigkeit nun besser zu sehen gelang es mir nicht, etwas zu erkennen. Nero jedoch scheinbar schon.
„Immer gerade aus. Am Ende des Ganges ist eine Leiter, scheinbar führt sie an die Oberfläche.“, sagte er und nahm meine Hand. Ich widerrum nahm die meiner Mutter.
„Du glaubst gar nicht, wie froh ich bin dich zu haben.“, murmelte ich. Meine Stimme verlor sich in unseren Schritten, die von den kalten Steinwänden wider hallten.
„Und du glaubst nicht, wie sehr ich dich liebe!“, kam es zurück.
Hannah kicherte.
„Das ist nicht unbedingt der passende Zeitpunkt um darüber zu reden aber ihr seid wirklich ein süßes Paar!“
„Mom!“, schnalzte ich empört darüber, dass sie das ausgerechnet sagen musste wenn Nero dabei war. Der Vampir lachte leise. Ich seufzte leise und knallte plötzlich gegen Nero. Er war stehengeblieben. Natürlich knallte meine Mutter dann auch gegen mich.
„Was ist?“, fragte ich ängstlich.
Ich musste nichts sehen können um zu wissen, dass Nero lächelte. Ich spürte es. Seine Hand führte meine an etwas hartes, kaltes. Stahl?
„Die Sprossen liegen im Abstand von zwanzig Zentimetern. Oben ist eine Klappe aus Holz. Ich bleibe hinter euch, nur für den Fall, dass wir noch immer verfolgt werden.“
Für einen kurzen Moment spürte ich seine sinnlichen Lippen auf meinen. Dann ließ er mich auch schon los. Seufzend tastete ich nach der Leiter vor mir. Vorsichtig setzte ich einen Fuß nach dem anderen auf eine Sprosse. Ich streckte den Arm aus und berührte etwas. Holz.
Mit einem erleichterten Schnauben stieß ich die Klappe auf. Sonnenstrahlen trafen mein Gesicht. Ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus.
Ich wusste, dass das was ich eben erlebt hatte nicht alles war, doch für den Moment war ich einfach nur froh, das überstanden zu haben...


_____ 11 _____


Nur mit einem Handtuch umwickelt, betrat Avery das Zimmer ihrer Mutter. Nero bestand darauf, dass sie in der Villa blieb, da es zu gefährlich sei alleine durch die Gegend zu streunen.
Hannah saß auf ihrem Bett und blickte auf, als die Tür aufging.
„Avery? Du bist nicht bei Nero?“
Ihre Tochter schüttelte den Kopf, sodass ihre nasse roten Strähnen hin und her flogen.
„Nero ist nicht hier. Er sagte, er muss mit jemandem reden.“
Hannah beobachtete Avery dabei, wie sie sich einen Stuhl zurechtrücke und sich dann gegenüber von ihr darauf niederließ.
„Mama, du solltest wissen das...“
Avery zögerte worauf ihre Mutter große Augen bekam.
„Du bist schwanger!“, schrie Hannah entsetzt und sprang auf.
„Um Himmels willen, nein!“, erwiderte ihre Tochter und hob abwehrend die Hände.
„Was ist es dann?“, fragte Hannah. Avery seufzte.
„Raphael betrügt dich.“, platzte es dann aus ihr heraus. Für einen Augenblick sah Hannah fassungslos aus, doch dann fasste sie sich.
„Das überrascht mich nicht. Eigentlich ist es mir egal. Jetzt hat er eine andere, die er misshandeln kann.“
„Es ist wirklich in Ordnung für dich?“, fragte das Mädchen unsicher. Ihre Mutter nickte, dann wechselte sie das Thema.
„Du, ich bin neugierig. Habt du und Nero schon...?“
Avery unterbrach sie mit einem Stottern. Ihre Wangen färbten sich rot.
„Wir standen schon kurz davor aber...ich habe mich zurückgezogen...“
„Warum denn das?“
„Es ist schon schwer genug nur mit ihm zusammen zu sein, für den Sex bin ich noch nicht bereit.“
Die Frau kicherte und winkte ab.
„Schon gut, das muss dir nicht peinlich sein.“
Avery atmete tief durch, erhob sich und streckte sich dann.
„Glaubst du mir wenn ich sage, dass ich mich so stark fühle wie noch nie?“, meinte sie und ging zum Fenster.
„Was bedrückt dich, Liebes?“
Überrascht drehte Avery sich um. Sie hatte nicht gewusst das ihre Mutter so aufmerksam sein konnte.
„Ähm...Ich habe ein schlechtes Gewissen, wegen Casey. Und ich mache mir Sorgen. Wer weiß, auf welche Ideen Airas noch kommen wird?“
„Avery, ich glaube du solltest dir jetzt keine Gedanken darüber machen.“, sagte Hannah.
Mit einem Seufzen wandte sich das Mischlingsmädchen ab und ging auf die Tür zu. Wortlos verließ sie das Zimmer.

Ich lief gedankenverloren durch den Flur, als plötzlich eine Hand auf meiner Schulter lag.
Das Kribbeln kam so plötzlich, dass ich erschrak und das Handtuch, welches meinen Körper verdeckte, zu Boden fiel. Hitze stieg mir ins Gesicht. Ich bemühte mich bereits das Handtuch wieder aufzuheben, doch Neros Finger schlossen sich um mein Handgelenk und drehten mich herum.
„Lass nur.“, sagte er leise. „Dein Körper ist zu schön, um ihn zu verstecken.“
„Erschreck mich nicht immer so.“, murmelte ich und wich seinem Blick aus.
Er fasste mein Kinn, zwang mich ihn anzusehen und beugte sich dann zu mir herunter.
„Entschuldige.“, flüsterte er, als seine Lippen über meine Wange streiften.
„Nero, ich...“, begann ich krächzend, doch er unterbrach mich.
„Du bist noch nicht bereit, ich weiß. Keine Sorge, Süße. Ich habe dir doch gesagt, dass ich dich zu nichts zwingen werde!“
Ich schluckte, sah ihn an und vergrub meine Hand in seinem Haar, um ihn noch näher an mich zu ziehen.
„Nein, Nero. Das wollte ich nicht sagen.“
Ein fragendes Funkeln trat in seine Augen.
„Was denn dann?“
Ich schluckte erneut.
„Ich bin bereit. Ich will dich, Nero! Ich will dich ganz und gar...“
Überrascht starrte er mich an.
Ist das dein Ernst?


Ja! Und jetzt ab ins Schlafzimmer, bevor ich es mir anders überlege!


Mit einem breiten Grinsen packte er mich an den Oberschenkeln und hob mich hoch. Ich schlang die Beine um ihn und küsste seine Halsschlagader.
Du bist mein!

, dachte ich glücklich und lächelte, als sein Lachen durch meine Gedanken hallte.
In wenigen Sekunden waren wir im Schlafzimmer, wo er mich auf das Bett schmiss und sich dann über mich beugte.
„Süße, du wirst die glücklichste Frau auf Erden sein!“
Ich lachte während ich begann, sein Hemd aufzuknöpfen...

„Du hattest Recht, ich bin die glücklichste Frau auf Erden.“, keuchte Avery und sollte sich auf die Seite. Nero lachte laut und kehlig, wodurch das Bett zu vibrieren begann. Nach einigen Minuten Stille wurde Nero dann ernst.
„Airas wird es erneut versuchen.“
Eben noch gut gelaunt, sank nun auch Averys Stimmung wieder.
„Diese Thema ist tabu während wir im Bett sind, hast du verstanden?“, knurrte sie leise.
Er lachte leise, lehnte sich zu Avery hinüber und küsste sie von den Lippen bis zur Brust.
„Wie Ihr befiehlt, Prinzessin!“
Sie keuchte auf, packte ihn und zog ihn auf sich.
„Nun bist du doch der Meinung, dass ich ein toller Liebhaber bin, hm?“
„Oh ja!“, rief sie freudig.
. . .
Nach einer weiteren halben Stunde lagen die beiden völlig erschöpft nebeneinander.
„Ich kann nicht mehr.“, hauchte Avery und kuschelte sich an Nero.
Der legte die Arme um sie und küsste ihr Haar.
„Sag mir Bescheid wenn du wieder kannst.“, sagte er kichernd.
Überrascht hob sie den Kopf und sah ihn an.
„Normalerweise sind die Männer diejenigen, die nach dem Sex eine Pause brauchen und nicht die Frauen.“
Sein Lachen wurde lauter.
„Ich bin ein Vampir. Vampire haben eine Menge Ausdauer.“
Avery schüttelte leicht den Kopf und legte lächelnd wieder ihren Kopf auf seine Brust.
Als sie vorhin mit ihrer Mutter gesprochen hatte, sagte sie, sie sei noch nicht bereit.
Doch scheinbar war sie schon lange bereit gewesen, sonst hätte sie nun nicht hier gelegen.
Plötzlich erstarrte sie. Sie waren so laut gewesen, dass ihre Mutter es sicher mitbekommen hatte. Wie sollte sie ihr das erklären? Ihr die Wahrheit sagen und davon berichten, wie ihr Handtuch zu Boden gefallen war und Nero hinter ihr aufgetaucht war?
„Was ist los?“, fragte Nero leise. Seine Hand ruhte noch immer auf ihren Hintern.
„Ich habe vorhin mit meiner Mutter geredet.“, sagte sie leise.
„Und worüber?“
„Darüber das ich noch nicht bereit bin. Sie wird uns sicher gehört haben...“
Nero lachte leise.
„Ist das deine einzige Sorge?“
„Nein. Raphael betrügt sie. Ich habe es ihr gesagt.“
Der Vampir schwieg einen Augenblick, dann knurrte er leise.
„So langsam reicht es mir mit dem Kerl. Zeit, dass ich ihm einen Besucht abstatte.“
„Was wirst du mir ihm machen?“, fragte Avery leise.
„Ersteinmal werde ich ihn foltern. Wenn ich meinen Spaß hatte, werde ich ihn töten. Und zwar auf grausamste Art und Weise.“
Das Mädchen schluckte. Sie ahnte bereits, dass Nero nicht immer so „harmlos“ war wie sie ihn kannte. Sie hoffte inständig es niemals mit ansehen zu müssen, wenn er zum Monster wurde. Doch dieser Wunsch würde wohl nicht in Erfüllung gehen. Wenn die Sache mit Airas nicht besser wurde, würde sich Neros wahres Gesicht nicht verstecken lassen. Er schien ihre Gedanken und Gefühle zu spüren, denn er strich ihr tröstend über den Rücken.
„Vampire sind Monster, Süße. Natürlich machen sie einem Angst. Aber vergiss nicht, dass auch in dir dieses Blut fließt. Du bist also auch ein bisschen monströs.“
Die Worte ließen Avery leicht lächeln.
„Das monströse Mädchen hat Lust auf Schokolade.“
Nero zog die Brauen hoch, doch dann verstand er. Er lachte.
„Nur zu. Beiß ruhig.“
Wie auf Kommando verlängerten sich ihre Eckzähne. Ihre Hand legte sich in seinen Nacken, ihre Lippen kamen seinem Hals näher.
„Ich darf wirklich...?“, fragte sich leise.
„Nur zu.“, antwortete Nero mit einem Lachen und sog scharf die Luft ein, als das Mädchen zubiss. Sie seufzte erleichtert, als das Blut ihre Kehle hinunter rann.
Warum habe ich nun diese Zähne? Ich hatte sie doch vorher nicht.

, dachte sie.
Ich weiß es nicht. Deine Zähne haben sich zum ersten Mal verändert, als du deinem Vater gegenüber standest. Vielleicht lag es an deinen Gefühlen. Deine Wut scheint Ursache dafür zu sein.


Soll das heißen, immer wenn ich wütend bin kommen sie zum Vorschein?


Wahrscheinlich, aber nicht nur. Jetzt kannst du sie ja auch benutzen. Also kannst auch von ihnen Gebrauch machen, wenn du emotional berührt, gestresst oder erregt bist.


Na toll.


Sie ließ von ihm ab und lehnte sich zurück. Ihre Augen glühten golden. Nero fasste ihr Kinn und zog amüsiert einen Mundwinkel nach oben.
„Keine Sorge, Süße. Das kriegen wir schon hin.“
Mit einem Kuss brachte sie ihn zum Schweigen.

Als ich die Küche betrat sah ich, dass meine Mutter am Tisch saß und mit angrinste.
Wie so oft wurde ich auch dieses Mal rot.
„Scheint als hättet ihr eine Menge Spaß gehabt.“, sagte sie, wobei ihr Grinsen immer größer wurde.
„Äh...“, begann ich zögernd. „Es hat sich so ergeben.“
„Liebes, du brauchst mir nichts zu erklären.“, antwortete meine Mutter lachend.
Mit einem, immer noch roten Gesicht, griff ich nach einem Apfel.
In einer halben Stunde begann der Unterricht.
„War er gut?“
Ihre plötzliche Frage, war die Ursache dafür, dass ich mich verschluckte. Ich beantwortete ihre Frage mit einem Tomatenkopf und einem zögernden Lächeln.
„Guter Sex ist wichtig für eine gute Beziehung.“, sagte sie mit einem Nicken.
Na, du musst es ja wissen.

, dachte ich still und wandte mich ab.
„Ich muss zur Schule. Bis später.“, sagte ich und drehte sich um.
. . .
„Du siehst glücklich aus.“, sagte Phoebe zur Begrüßung und beobachtete mich dabei, wie ich mich auf meinen Platz setzte. Als ich keine Antwort gab, begannen ihre Augen zu Funkeln. Hysterisch kichernd lehnte sie sich zu mir herüber.
„Oh mein Gott, ihr habt es getan, oder?“
Wie von einem Blitz getroffen schoss mein Kopf zu ihr herum.
„Also doch!“, sagte sie lachend und stürzte ihr Kinn auf die Hand. „Erzähl, wie war es?“
„Äh, Phoebe ich glaube nicht, dass...“
„Oh, es ging schief, wie?“, unterbrach sie mich.
„Nein!“, sagte ich etwas zu laut, denn einige Schüler guckten schon. Himmel sei Dank, der Unterricht hatte noch nicht begonnen.
„Nein.“, setzte ich neu an. „Du verstehst das falsch. Es war...unglaublich! Aber ich bevorzuge es, dieses Thema nicht in der Schule anzusprechen!“
Sie ignorierte meine letzten Worte und kam noch näher.
„Uhh, erzähl weiter! Ging es schnell? War er gut?“
Ich seufzte. Ich kannte Phoebe nun schon einige Jahre, sie war schon immer neugierig gewesen. Das sie wissen wollte wie es mit den Jungs lief, was Zuhause passierte und wie erfolgreich Mystic Dream

war konnte ich verstehen. Doch jetzt wo mein Sexleben ins Spiel kam wurde es doch unangenehm.
„Er war mehr als nur gut. Er ist ein wahrer Gott! Ich weiß nicht...ging es schnell? Ich würde mal sagen es war durchschnittlich. Allerdings waren wir nach einem Mal...nicht schon fertig...“
Ihre Augen wurde immer größer und funkelten wie Sterne.
„Wie lange wart ihr beschäftigt?“, fragte sie kichernd.
„Zu lange.“, antwortete ich knapp und wandte mich von ihr ab.
„So einen Hengst, möchte ich auch gerne haben.“
Dann solltest du öfter nachts unterwegs sein.

, dachte ich amüsiert und sah aus dem Fenster.
Schock lass nach! Da saß doch tatsächlich Casey auf einem Baum und starrte mich an!


_____ 12 _____


Nero!


Was gibt's, Süße?


Casey ist hier!


Wo?


Hier an der Schule. Er sitzt genau da, wo du damals gesessen hast, auf dem Baum. Er sieht echt unheimlich aus. Goldene Augen, Fangzähne und einen dunklen Mantel.


Ich kümmere mich um ihn.


Stille. In Avery begann es zu brodeln, doch sie rief sich zur Besinnung. Sie durfte nicht zulassen, dass ihre Augen und Zähne sich veränderten. Doch es war bereits zu spät. Sie sprang auf, schlug sich die Hand vor den Mund und senkte den Blick.
„Was ist los?“, fragte Mrs Raven und musterte die Schülerin.
„Mir ist nicht gut.“, antwortete Avery und verließ das Klassenzimmer. Sie rannte durch den Flur, durch das Treppenhaus, hinaus auf den Campus. Casey schien bereits auf sie gewartet zu haben.
„Hatte ich nicht gesagt, du sollst mir nicht mehr unter die Augen treten?“, knurrte sie und verschränkte drei Meter von ihm entfernt die Arme. Er zuckte nicht einmal mit den Wimpern.
„Hatte ich nicht gesagt, ich lasse mich von dir nicht herumkommandieren?“
Averys Lippen bildeten eine schmale Linie und ihr Körper zitterte. Sie hatte noch nie einen Wutanfall bekommen, doch es gab für alles ein erstes Mal.
„Was willst du?“, fragte sie und spürte dann, dass Nero in der Nähe war.
„Kannst du dir das nicht denken?“, antwortete Casey und stürzte sich auf sie.
Mit einem Zischen stieß sie ihn von sich und verpasste ihm einen Schlag.
„Nicht zu fassen, dass du mich jetzt schon angreifst. Ich bin dir wirklich egal geworden, oder?“, knurrte sie und wich seiner Faust aus.
„Du meinst, so egal wie ich dir geworden bin?“, erwiderte er.
Plötzlich erstarrte sie. Nero war nicht alleine. Da war noch jemand anderes. Jemand, der fast schon so stark war wie er. Doch irgendetwas war anders. Ganz anders!
Avery holte aus, doch augenblicklich wurde ihre Hand gepackt und über ihren Kopf gezogen.
Nero tauchte hinter Casey auf und verpasste ihm einen Schlag, der ihn wie schon ein andern Mal bewusstlos werden ließ.
„Lass mich los!“, fauchte Avery und versuchte der unbekannten Person einen Tritt zu verpassen. Erfolglos. Sie wurde losgelassen. Sie wirbelte herum und sah eine Frau. Eine unglaublich attraktive Frau! Sie musste aus südlichen Regionen kommen, denn ihre Haut war gebräunt, ihre Haare schwarz und lockig. Ihre braunen Augen schimmerten wie Kupfer und ihre Figur war bemerkenswert!
„Entschuldige das wir so spät sind.“, sagte Nero nun.
„Schon okay.“, antwortete Avery und wandte ihren Blick von der Latina ab.
„Das ist Giulia. Eine alte Freundin von mir.“
Die Feindseligkeit in Averys Blick war nicht zu übersehen. Giulia musterte das Mischlingsmädchen jedoch genauso abschätzig.
„Schätzchen, du siehst aus wie ein Gespenst. Ein wenig Make-Up würde nicht schaden.“, sagte Giulia mit italienischem Akzent. Avery stieß ein Knurren aus.
Pass bloß auf was du sagst, Miss „ich bin ja so perfekt“!

, dachte Avery und wandte sich ab.
„Ich muss zurück zum Unterricht.“
„Avery?“, rief Nero ihr nach.
Sie drehte sich um und zog die Brauen hoch.
Ist alles in Ordnung?


Sie antwortete nicht und kehrte zurück ins Schulgebäude.

„Du siehst verdammt scheiße aus, ist alles in Ordnung?“, fragte Phoebe als ich mich neben ihr niederließ.
„Es geht wieder.“, log ich und starrte aus dem Fenster. Giulia. Kein Wunder, dass das Kribbeln so anders war. Sie war eine Frau und hatte eine andere Ausstrahlung...
Ich wusste sofort, dass Nero und sie mal ein Paar gewesen waren. Ihr Blick verriet es. Und wenn ich es nicht besser wusste würde ich sagen, sie hatte es noch immer auf ihn abgesehen. Blieb die Frage ob sie wusste, dass ich mit ihm zusammen war?
Ich seufzte. Was ich da schon wieder dachte...Woher wollte ich das denn wissen? Vielleicht war Giulia ja wirklich „nur“ eine Freundin von ihm gewesen?
Phoebe stieß mich leicht an und lehnte sich zu mir herüber.
„Ich glaube es ist besser, wenn du nach Hause gehst. Du siehst aus wie `ne Leiche!“
Ich blieb still, worauf Phoebe die Hand hob.
„Mrs Raven, Avery sieht verdammt schlecht aus. Soll ich sie nach Hause begleiten?“
Die alte Schreckschraube von Mrs Raven musterte mich und nickte stumm.
Phoebe und ich packten unsere Sachen zusammen und verließen das Schulgelände.
. . .
„Wo willst du hin?“, fragte Phoebe und blieb verwirrt stehen, als ich in den Wald einbog.
„Nach Hause?“, sagte ich als Frage und zog die Brauen hoch. Sie wies mit dem Arm in die entgegengesetzte Richtung.
„Aber du wohnst doch in diese Richtung.“
Ich lächelte leicht und deutete mit dem Kopf in den Wald.
„Ich wohne nicht mehr Zuhause. Und nun komm. Ich lade dich auf einen Kaffee ein.“
Phoebe kniff die Augen zusammen und folgte mir zögerlich.
„Ist alles okay? Du hast so...Stimmungsschwankungen.“
Ich zuckte die Schultern und ging weiter.
„Naja, so schlecht geht es mir eigentlich gar nicht. Ich denke nur nach...“
„Und worüber?“
„Ist nicht so wichtig. Was ist? Hast du nun Lust auf einen Kaffee, oder nicht?“
„Klar hab ich Lust.“, lachte sie und war auf Anhieb gleich viel fröhlicher.
. . .
„D-Du wohnst in...dieser Villa?“, fragte Phoebe verblüfft und blieb wie angewurzelt stehen. Ich grinste, zuckte die Schultern und bedeutete ihr mir zu folgen.
„Die Villa gehört Nero.“
„Oh mein Gott! Ist er reich?“
„Seine Eltern waren reich aber sie sind vor langer Zeit gestorben. Spreche ihn besser nicht darauf an.“
Sie nickte und folgte mir in die Eingangshalle.
„Wow.“, murmelte sie und schaute sich um. Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen und führte sie in die Küche, wo ich zwei Kaffee machte.
Ich konnte zwei Stimmen hören, sie kamen aus dem Wohnzimmer. Ich unterdrückte ein Knurren, denn ich erkannte Giulias Stimme.
„Lass uns ins Wohnzimmer gehen.“, sagte ich möglichst monoton und ging auf die Tür zu.
Vor dem Wohnzimmer blieb ich stehen. Mein Herz schlug immer schneller, aus irgendeinem Grund war ich nervös. Ich stieß die Tür auf und blieb angewurzelt stehen.

Giulia kam ihm immer näher, er versuchte noch sie wegzuschieben, doch zu spät. Ihre Lippen lagen bereits auf seinen.
„Giulia, du weißt das ich...“, murmelte Nero, als er die Chance dazu hatte.
„Das ist mir egal.“
Kaum hatte sie diese Worte ausgesprochen ging die Tür auf.
Nero schob die Latina zurück und sah auf. Avery stand mit mörderischem Blick und verschränkten Armen in der Tür. Hinter ihr Phoebe die abwechselnd ihn und sie ansah.
„Phoebe, würdest du bitte in der Küche auf mich warten?“, fragte Avery monoton und reichte ihrer Freundin ihren Kaffee.
„I-Ist alles in Ordnung?“, fragte Phoebe leise.
Das Mischlingsmädchen ließ die Fäuste knacken und lächelte hinterhältig.
„Alles bestens.“
Mit hochgezogenen Brauen und nervösem Lächeln drehte Phoebe sich um und verschwand.
Gerade rechtzeitig, denn Avery´s Augen und Zähne veränderten sich prompt.
Sie ging zielgerecht auf die beiden zu. Nero befürchtete schon das schlimmste und zog die Schultern ein. Sie holte aus, doch Überraschung! Sie verpasste nicht ihm, sondern Giulia eine, die sie dann packte, von dem Sofa zog und sie wegstieß.
Lui non é tuo, o cara!

“, sagte Giulia monoton und verschränkte die Arme.
Il vostro immobile ma non lo é, cagna!

“, schoss Avery zurück und knurrte leise.
„Hast du sie gerade Schlampe genannt?“, murmelte Nero überrascht und zog die Brauen hoch. Er wusste nicht das sie Italienisch konnte. Sie schien seine Frage gehört zu haben.
Ich hatte auf meiner alten Schule eine italienische Freundin, deswegen kann ich ein paar Fetzen.


Du bist nicht sauer auf mich?

, dachte er leise.
Doch. Aber das ist egal. Meine Wut konzentriert sich ausschließlich auf Giulia.


„Was willst du nun tun, hm? Mich töten?“, sagte die Latina spöttisch und lächelte leicht. Das Knurren in Averys Brust wurde lauter.
„Giulia! Hör auf mit der Provokation.“, mischte Nero sich ein und erhob sich. Er zog Avery von ihr weg und legte den Arm um sie.
„Du weißt, dass ich das Interesse an dir schon vor langer Zeit verloren habe, also hör mit diesen Spielchen auf!“
Come dolce

, er bleibt einem Mischling treu. Findest Hunde wohl besser wie richtige Weiber, hm?“
Avery wollte sich erneut auf sie stürzen, doch Nero hielt sie zurück.
„Sprich Deutsch!“, sagte er und funkelte sie wütend an.
Sprichst du kein Italienisch?

, dachte Avery und sah zu ihrem Freund auf.
Nein. Nur Englisch, Französisch, Lateinisch und Russisch.

, kam es zurück.
Averys Augen weiteten sich.
Nun ja, dann: Come dolce

bedeutet „wie süß“.


„Giulia, es ist besser wenn du jetzt gehst.“, sagte Nero und wies auf die Tür.
Mit einem eingebildeten Lachen drehte sich die Frau um und verließ den Raum, sehr zum Erstaunen von Nero, der Giulia als eine sture, egoistische und selbstverliebte Frau kennengelernt hatte. Wortlos wandte sich auch Avery von Nero ab.
„Wo willst du hin?“
„Phoebe wartet in der Küche, schon vergessen?“

Stumm beobachtete Phoebe mich dabei, wie ich mich seufzend am Küchentisch niederließ.
„Alles okay?“
Ich nickte. Als nach einigen Minuten keiner von uns ein Wort gesagt hatte, kam Nero plötzlich in die Küche. Meine Freundin schaute zwischen uns beiden hin und her und erhob sich dann.
„Ich glaube ich lass euch zwei dann mal alleine.“
„Du kannst ruhig bleiben.“, sagte ich munter und richtete meinen Blick auf sie. Sie hob die Hände und lächelte gequält.
„Ist schon gut. Es ist wirklich besser wenn ich jetzt gehe. Ich finde alleine raus.“
Dann war sie auch schon verschwunden.
Ich seufzte leise und starrte dann wieder Nero an. Meine Augen waren zwar nicht mehr gold, doch wütend war ich noch immer. Auch er starrte mich an, doch sein Blick war nicht so tödlich wie meiner. Nach fast zehn Minuten Schweigen seufzte ich und schloss die Augen.
„Warum dieser Kuss? Du hättest ihr sicherlich Einhalt gebieten können.“
Nero sah mich traurig an. Ich erkannte die Reue in seinem Blick.
„Ich wollte das nicht! Sicher hätte ich sie aufhalten können aber sie hat mir in der Vergangenheit geholfen. Ich bin ihr einiges schuldig. Sie schon einfach raus zu schmeißen gehört sich nicht...“
„Warum so zimperlich?“, fragte ich ernst. „Giulia ist gewiss keine Person, die sich alles zu Herzen nimmt. Ich bin mir sicher, dass das nicht das letzte Mal war das sie dir so nahe kommt. Und ich warne dich! Lässt du dich noch mal darauf ein, hast du ein Problem!“
Sein Blick wurde noch trauriger. Es tat ihm leid, ich wusste es, ich glaubte es. Dennoch konnte ich nur schwer akzeptieren, dass das Miststück ihn geküsst hatte.
Nero stand auf, kam zu mir, nahm meine Hand und zog mich auf die Beine. Er strich mir über die Wange und wollte mich küssen, doch ich packte sein Handgelenk und drückte es nieder.
„Wasch dir den Mund aus, bevor du mich küsst.“, sagte ich monoton und sah ihn ausdruckslos an. Ich drehte mich um und stapfte wütend davon. Es würde dauern, bis ich mich wieder beruhigt hätte.

Eine Weile lief Avery ziellos durch die Stadt, bis ihr einfiel, dass sie Matt, Joel und Milad noch eine Erklärung schuldig war. Sie seufzte. Sie konnte doch nicht jedem erzählen, wer beziehungsweise was Nero, Casey und sie waren, doch anlügen wollte sie die drei auch nicht. Sie lief über den Marktplatz in der Innenstadt, als sie plötzlich ihren Namen hörte. Verwirrt drehte sie sich um und sah Joel, der mit wütendem Blick auf sie zukam.
„Ich dachte du wolltest dich bei mir und den anderen melden?“, fragte er grimmig und blieb mit verschränkten Armen vor ihr stehen. Sie seufzte.
„Ich hatte andere Sorgen. Aber wenn du willst, erkläre ich dir jetzt alles. Allerdings muss ich dich warnen, du wirst mich für verrückt halten und mir nicht glauben!“
Joel zog die Brauen hoch. Ein interessierter Ausdruck blitzte in seinen Augen auf.
„Ich bin ganz Ohr."
Das Mädchen wies mit dem Kopf auf eine Kneipe am Ende des Platzes, der in einer kleinen Gasse versteckt lag.
„Ich könnte `nen Drink gebrauchen. Ich werde dir alles erklären, versprochen. Aber zuerst musst du mir versprechen, dass du kein Wort von dem verlieren wirst, was ich dir erzähle.“
Er nickte, wenn auch misstrauisch. Zu zweit steuerten sie auf die Kneipe zu, in der sie sich in eine der hintersten Ecken verkrochen.

„Ich habe dich noch nie trinken sehen...“, sagte Joel leise und nachdenklich, nachdem ich meinen Wodka gekippt hatte.
„Das liegt daran, dass du meine Probleme nicht kennst.“, antwortete ich monoton und fuhr mir mit der Hand durchs Haar.
„Verdammt, Avery! Du benimmst dich so, als würdest du einem Clan Vampire angehören. Du warst schon still wo wir dich kennengelernt haben aber in letzter Zeit bist du nicht mehr du selbst. Was verschweigst du uns?“
Mein Kopf schoss hoch. Ich wusste nicht, wie ich ihn anstarrte, doch scheinbar waren die Gefühle in meinen Augen unbeschreiblich. Nach seinem Blick zu Urteile, jedenfalls...
Mein Schweigen schien ihm nicht zu gefallen. Nachdem er einige Sekunden lang die Augen zusammenkniff, zog er überrascht die Stirn kraus.
„Vampire? Ist es das?“, fragte er noch leiser, als er ohnehin schon gewesen war.
Ich hatte noch immer nichts gesagt, nickte aber und dachte an Nero um wütend zu werden, damit ich ihm zeigen konnte, was geschah, wenn ich emotional gestresst war.
Mit aufmerksamem Blick musterte ich die Umgebung, damit keiner etwas mitbekam.
„Ich wollte es auch nicht glauben, ebenso wenig wie Casey...“, sagte ich mit meinen Fängen und versuchte mich wieder zu beruhigen. Joel wurde immer bleicher, bis ich dachte, er würde gleich das Bewusstsein verlieren.
„Du bist ein Vampir?“, fragte er ängstlich und ungläubig.
„Ein Dhampir. Ein Mischling. Casey ist ein Vampir. Ebenso wie Nero.“
„Ich glaub's nicht.“, murmelte er und kratzte sich nervös am Hinterkopf.
Ich seufzte erneut und begann die Geschichte von Anfang an zu erzählen, ich begann beim Abend an dem ich Nathan kennengelernt hatte...

Nach fünf Tequila lehnte Joel sich zurück. Der Alkohol half ihm bei der Verarbeitung der Informationen, die Avery ihm geliefert hatte.
„Das klingt alles nur, wie eine ausgedachte Geschichte aber wenn es nicht stimmen würde, müsste ich keine Angst davor haben, mich mitten in der Öffentlichkeit in ein Monster zu verwandeln.“, sagte das Mädchen leise.
„Ich kann einfach nicht glauben, dass Casey dich angegriffen hat.“, antwortete Joel darauf. Er dachte einen Augenblick lang nach, dann senkte er den Blick.
„Wenn Nero dich beschützt, kann er doch nicht so schlecht sein...“, gab er kleinlaut zu.
Avery schnaubte. Das, was vor wenigen Stunden passiert war, hatte sie nicht erwähnt.
„Er beschützt mich zwar, unsere Beziehung scheint ihm aber nicht ganz so wichtig zu sein.“, brummte sie und verschränkte die Arme.
„Was soll das heißen?“
„Das soll heißen, dass er sich auf einen Kuss mit einer anderen eingelassen hat, obwohl er sie hätte abweisen können.“
Joel winkte ab.
„Mach dir darüber keine Gedanken mehr. Jeder Kerl macht in einer Beziehung Dinge, die er besser nicht tun sollte. Ich verrate dir ein Geheimnis über Casey: Seine erste Freundin hat er ständig betrogen. Das erste Mal hat sie ihm verziehen, von den anderen Frauen danach hatte sie keine Ahnung.“
Überrascht starrte Avery ihn an. Er jedoch zuckte mit den Schultern und lächelte schwach.
„Auf die Idee dich zu betrügen, wäre er nie gekommen!“
Das Mädchen knurrte leise.
„Casey ist ein Arsch, genauso wie Nero!“
Sie erhob sich , trank noch einen Schluck Wodka und wandte sich dann ab.
„Geh und erzähle den anderen davon. Ich habe keine Lust mehr.“
Ohne eine Antwort abzuwarten ließ sie ihn stehen.


_____ 13 _____


Ich lief durch den Wald, in Gedanken versunken und blieb ruckartig stehen.
„Ilias! Casey!“, knurrte ich und ging in eine Position, von der ich selbst nicht wusste ob es eine Angriffs- oder Fluchtposition war. Ilias grinste.
„Was ist los, Schwesterherz? Freust du dich nicht, deinen Bruder und deinen Freund wiederzusehen?“
„Nero ist mein Freund, nicht Casey. Und nein, ich freue mich nicht euch wiederzusehen. Und jetzt kommt zur Sache. Ich habe keine Lust mit euch zu plaudern, ich habe andere Probleme.“
Casey lachte und trat zur Seite. Giulia kam zum Vorschein.
„Mit Problemen meinst du Giulia, nicht wahr?“, sagte er.
Die Latina lehnte sich an meinen ehemaligen Freund, legte ihre Hände auf seine Brust und schaute mich listig an. Dann leckte sie sich die Lippen. Ich verschränkte die Arme und zog die Brauen hoch.
Cagna!

“, fauchte ich und richtete meinen Blick auf Ilias.
„Gut zu wissen das die cagna

auf eurer Seite steht. Ich bin mir sicher, Nero wird mir erlauben sie zu töten.“
Die drei mir gegenüber begannen zu lachen. Giulia ließ von Casey ab und bewegte sich auf mich zu.
Piccolo

, du bist ziemlich naiv, oder? Glaubst du wirklich, du könntest mich töten? Du bist nur ein Mischling, schon vergessen?“
„Du solltest vorsichtig sein. Ich bin nicht so harmlos wie ich aussehe.“
Giulia holte aus, doch ich fing ihren Arm ab, verdrehte ihn und stieß sie dann zu Boden.
Ilias und Casey hielten sich weiterhin still im Hintergrund. Scheinbar fanden sie diesen Zickenkrieg interessant...
Sofort war Giulia wieder auf den Beinen. Sie verkrallte sich in meinen Haaren und zog meinen Kopf zurück, damit sie mich mit der flachen Hand schlagen konnte. Ich schmeckte Blut. Schlagartig kamen meine Fänge zum Vorschein. Mir gelang es, mich aus ihrem Griff zu befreien, weshalb ich beschloss, nun endlich anzugreifen. Meine Faust traf ihren Magen und ich wollte bereits zutreten, als sie es doch noch schaffte auszuweichen.
„Eines muss man dir lassen, Mut hast du.“, lachte die Latina. Doch das Lachen verging ihr sofort wieder, als meine Faust diesmal ihr Gesicht traf.
Nero stand plötzlich vor mir und schlang die Arme um mich, um mich davon abzuhalten erneut auf Giulia einzuschlagen.
Du hättest mir ruhig sagen können, dass du in Schwierigkeiten steckst.


Ich bin wütend auf dich. Ich will nicht auf deine Hilfe angewiesen sein.

, dachte ich und knurrte leise. Ich versuchte mich aus seinem stählernen Griff zu befreien, doch es war zwecklos. Er war einfach zu stark. Nero drehte sich mit mir im Arm um und sah Ilias und Casey wütend an.
„Was habt ihr nun schon wieder vor? Drei gegen eine, ziemlich feige.“
Nachdem er keine Antwort bekam, richtete er seinen Blick auf Giulia.
„Ich bin enttäuscht, Giulia. Aber Avery hat Recht. Ich werde ihr erlauben dich zu töten, allerdings ein andern Mal.“
Dann hatte er mich auch schon über die Schulter geworfen und rannte los.

Nero ließ Avery erst wieder hinunter, nachdem sie die Villa erreicht hatten und Nero das Schlafzimmer betreten hatte.
„Man kann dich keine fünf Minuten alleine lassen, hm?“, sagte er leise und strich über ihre Wange. Wütend sah sie zu ihm auf, doch er ließ sie nicht zu Wort kommen.
„Süße, du weißt was ich für dich empfinde. Und ich weiß, dass du deine Freiheit brauchst. Aber alles was ich will, ist deine Sicherheit. Ich will nicht mit ansehen müssen, wie du ständig in Gefahr gerätst. Ich werde dich nicht dazu zwingen aber ich flehe dich an, bitte bleibe im Haus. Du darfst raus gehen aber du musst mir Bescheid geben und mich rufen, wenn etwas passiert!“
Avery sah den Schmerz, den Kummer und die Sorge in seinen Augen und als sie genauer hinsah, sah sie Tränen in seinen Augen glitzern. Sie lächelte, gerührt darüber, dass er sich so sehr um sie bemühte. Sie umfasste sein Gesicht mit beiden Händen und zog es zu dich hinunter. Sanft streiften ihre Lippen seine.
„Wenn es dich beruhigt werde ich alles tun, was du von mir verlangst!“
Sofort ließ sie wieder von ihm ab, weshalb Nero verwundert auf sie herabsah.
„Wenn du mich küsst, dann gefälligst richtig.“, brummte er. Geschickt packte er sie, dann hob er sie hoch, warf sie aufs Bett und legte sich auf sie. Er packte ihr Kinn und küsste sie grob, sodass sie stöhnend und unbewegt unter seinem Körper liegen blieb.
Du machst nicht mit?

, drang seine Stimme in ihren Kopf.
Lust habe ich schon...aber ich kann nicht. Ich weiß nicht wieso...

, antwortete sie darauf.
Nero wurde eine Spur zärtlicher, worauf Avery die Hand hob und sie in seinem Haar vergrub.
Sie erwiderte den Kuss, wenn auch zögerlich.
Es dauerte nicht lange, ehe sie jegliche Hemmungen verlor und begann Nero auszuziehen.

„Nero?“, rief ich und betrat ratlos die Küche. Ich konnte ihn nicht spüren, stattdessen fühlte ich eine Person, die genauso stark war wie er. Es gab einen Unterschied, allerdings konnte ich nicht herausfinden, was für ein Unterschied das war.
Zögerlich schritt ich voran, bin ich wusste, dass jemand hinter mir stand. Ich wirbelte herum und holte aus. Einen Schlag konnte ich dem Vampir zwar nicht verpassen, jedoch war die Wucht meines Schlags so stark, dass wir beide zu Boden gingen. Nun saß ich auf einem Vampir, der mich mit blauen Augen irritiert anstarrte und reglos unter mir liegen blieb, während ich die Zähne fletschte.
„Wer bist du und was hast du hier zu suchen?“, knurrte ich und vergrub meine Fingernägel in seiner Kehle. Seine indigoblauen Augen blitzten auf.
„Diese Fragen beantworte ich dir liebend gerne, allerdings bevorzuge ich es, dabei nicht vergewaltigt zu werden.“ Er begann zu grinsen und musterte mich. „Obwohl...bei einer Frau wie dir, werde ich gerne mal eine Ausnahme machen!“
Gott, ich hätte kotzen können. Waren Airas` Anhänger alle so lüstern?
Erst jetzt fiel mir ein, dass ich bis auf BH und Slip nichts an hatte. Ich spürte die Hitze in meinem Gesicht, ignorierte sie jedoch und versengte meine Nägel nun vollkommen in sein Fleisch. Er knurrte, sagte aber nichts.
„Hat mein Vater dich geschickt?“, fragte ich ebenfalls knurrend. Der Mann mit den blonden Haaren unter mir seufzte. Das Blut aus seiner Kehle quoll schien ihm egal zu sein.
„Mein Name ist Mars. Ich bin ein Freund von Nero, bist du jetzt beruhigt?“
„Keineswegs.“, antwortete ich grinsend. „Warum sollte ich dir glauben? Ein sehr guter Freund von mir wurde zum Feind, also ist es besser niemandem mehr zu vertrauen. Wenn du die Wahrheit sagst, und wirklich ein Freund von Nero bist, dann wird es dir sicher nichts ausmachen hier solange mit mir auf seine Rückkehr zu warten? Und um die Zeit zu vertreiben stelle ich dir ein paar Fragen.“
Mars lachte.
„Avery, dir is doch klar, dass du gegen einen Meistervampir keine Chance hast, oder?“
Ich zuckte mit den Schultern.
„Ich weiß wie man Vampire tötet. Mag sein, dass ich ein Mischling bin, das heißt aber nicht, dass ich feige bin und nicht auch mal stark sein kann.“
Der Vampir lächelte schwach und seufzte.
„Nero hatte erwähnt das du stur sein kannst...“
Ich überlegte einen Moment, dann lockerte ich meinen Griff ein wenig. Das hieß aber nicht, dass ich unachtsam wurde.
„Wie lautet Neros vollständiger Name?“, fragte ich monoton. Der Vampir lachte, sodass sein Körper zu vibrieren begann.
„Nathan Kiril Tenebris.“
Ich wollte gerade die nächste Frage stellen, als ein vertrautes Gefühl mich durchströmte.
Die Tür ging auf, unsere Blicke schossen in seine Richtung. Nero zog eine Braue hoch.
Unser Anblick schien ihm nicht zu gefallen. Mars grinste.
„Alter, wurde auch Zeit das du kommst. Deine Frau droht mir mit dem Tod!“
Mein Vampir seufzte und kam auf uns zu.
„Bevor sie erfahren hat was sie ist, war sie nicht so mutig.“
Er nahm meine Hand und zog mich auf die Beine. Mars lachte.
„Och, es war gerade so schön!“
Sowohl Nero, als auch ich warfen ihm einen giftigen Blick zu.
„So, Mars und du seid also Kumpel. Jetzt will ich wissen was er hier zu suchen hat.“, verlangte ich grantig. Nero legte den Arm um mich und wies auf seinen Freund.
„Mars und ich kennen uns schon ziemlich lange. Er schuldet mir noch einen Gefallen und ich dachte, er wäre der perfekte Bodyguard.“
Ich verzog das Gesicht und schnaubte.
„Verstehe. Du willst nicht nur, dass ich im Haus bleibe, nein du lässt mich auch noch bewachen, wie schön.“
Nero und Mars wechselten einen Blick miteinander.
„Ich kann mir gut vorstellen, dass sie dir viele Probleme bereitet.“, meinte der blauäugige Vampir. Ich warf ihm einen wütenden Blick zu, blieb aber still. Nero grinste.
„Es kann nerven, jedoch macht es auch ein bisschen Spaß.“
Ich boxte ihn lächelnd auf den Arm und wandte mich ab.
„Du hast Glück, ich werde deine Entscheidungen mal einfach so hinnehmen.“
Es wurde Zeit das ich mir etwas anzog...

„Avery!“
Sie wandte ihren Blick von Nero ab und sah Phoebe, die mit einem Jungen auf sie zukam. Als sie genauer hinsah, bemerkte sie, dass die beiden Händchen hielten.
„Oh, dein neuer Freund, wie?“, sagte Avery grinsend.
Phoebe lachte.
„Hallo Nero. Ja, das ist Bryan.“
Der Junge mit den braunen Augen musterte Avery abschätzig.
„Das ist also deine Freundin, ja? Nicht sehr hübsch wenn du mich fragst.“
Phoebe und Avery starrten ihn an. Nero war bereits kurz davor ihn anzugreifen.
Avery packte seinen Arm und zog daran.
Immer locker bleiben.


Sie lächelte schwach und sah Phoebes Freund an.
„Es freut mich, einen eingebildeten und idiotischen Menschen wie dich kennenzulernen.“
Dann sah sie ihre Freundin an.
„Entschuldige Phoebe. Ignoriere meine Worte einfach.“
Sie lächelte schwach.
„Schon okay. Die meisten mögen ihn nicht, ich habe mich daran gewöhnt.“
Die Schulglocke ertönte. Avery wandte sich an Nathan und küsste ihn kurz.
„Komm nicht auf dumme Gedanken.“, flüsterte sie. Er sah sie mit hochgezogenen Brauen an, doch sie wandte sich ab. Nachdem sie zusammen mit Phoebe einige Meter gegangen war schaute sie noch einmal mahnend über ihre Schulter.
Ich meine es ernst! Du wirst ihn in Ruhe lassen!


Ich kann für nichts garantieren.

, antwortete er und zog sich aus ihren Gedanken zurück.

Nero?


Hm?


Wie soll es nun weitergehen? Muss ich jetzt für den Rest meines Lebens vor meinem Vater flüchten?


Es dauerte einen Augenblick bis Nero antwortete.
Ich weiß es nicht. Es muss einen Weg geben, ihn aus dem Weg zu schaffen aber ich weiß nicht, wie das gehen soll. Ich alleine habe gegen ihn nur schwer eine Chance. Ich könnte es natürlich versuchen aber das Risiko, dass er mich tötet ist groß!


Avery starrte aus dem Fenster und blendete die Stimme ihrer Lehrerin aus.
Gibt es niemanden, der helfen würde? Ich bin sicher du und ich sind nicht die einzigen, die Airas` Tod wollen.


Du hast Recht. Es gibt eine Menge Vampire die ihn hassen. Es gibt sogar Wesen aus Antara, die seinen Tod wünschen. Jedoch dürfte es schwierig werden, sie dazu zu bringen uns zu helfen. Die meisten sind entweder zu feige oder sie arbeiten nicht gerne mit anderen zusammen.Ich kenne jemanden in Antara, der uns vielleicht helfen könnte.


Wer ist dieser Jemand?


Es sind zwei Drachen. Geschwister um genau zu sein. Ura, die Ältere, ist ein Wasserdrache. Sie beherrscht das Element wie kein anderer. Lume, die Jüngere, ist ein Feuerdrache. Auch sie beherrscht das Element perfekt!


Ura und Lume, hm? Hattest du mal was mit ihnen?


Avery hätte sich am liebsten geohrfeigt. Sie konnte Neros überraschten Blick deutlich sehen.
Sie sind Drachen, Süße. Sie können zwar menschliche Gestalt annehmen aber eine Beziehung mit einem Vampir könnten sie trotzdem nicht eingehen. Warst du schon immer so eifersüchtig?


Sorry, sber seit diesem Kuss habe ich bei jeder Frau, von der du sprichst ein komisches Gefühl.


Ein Lachen ging durch ihre Gedanken, dann wurde es still. Ihr Gespräch war beendet.
„Avery?“
Das Mädchen zuckte zusammen und sah Phoebe an.
„Findest du, dass Bryan und ich nicht zusammenpassen?“
In Phoebes Blick lag eine gewissen Traurigkeit die Avery überraschte. Ihre Freundin war immer guter Laune, so kannte sie sie nicht. Avery wollte sie nicht anlügen aber ihr ihre Meinung zu sagen, traute sie sich auch nicht. Sie beschloss sich nicht ganz so klar auszudrücken.
„Wie kommst du auf diese Frage?“
„Naja, alle sagen, dass Bryan kein guter Umgang für mich ist. Ich will wissen, was du dazu sagst.“
Avery überlegte einen Moment.
„Ich finde, du solltest nicht auf andere hören. Du kannst nicht jemand anderen für dich entscheiden lassen. Ich gebe zu Bryan ist...nicht unbedingt das, was man als Gentleman bezeichnet. Aber das sollte dich nicht daran hindern, ihn zu lieben! Wenn ihr euch wirklich liebt, ist euch die Meinung anderer egal. Du solltest das tun, was du für richtig hältst. Sei es drum, ob andere ihn mögen oder nicht.“
Phoebe stützte das Kinn auf die Hand.
„Bryan ist eigentlich voll in Ordnung. Er behandelt mich wie eine Prinzessin, nur gegenüber anderen verhält er sich komisch. Es ist, als hätte er ein Geheimnis, von dem er nicht will, dass es jemand herausfindet.“
Bei diesen Worten wurde Avery aufmerksam.
„Was meinst du mit komisch?“
„Naja...Er öffnet sich niemandem, vertraut keinem und beleidigt andere. Es ist, als wäre er vor alles und jedem auf der Hut.“
„Hm. Vielleicht ist das einfach nur eine Macke von ihm. Nero hat auch so seine Makel, zum Beispiel wird er schnell wütend. Aber egal. Vielleicht solltest du ihn mal drauf ansprechen?“
Ich werde schnell wütend?


Ja. Und jetzt hör auf uns zuzuhören.


Vergiss es!


Phoebe und Avery seufzten zeitgleich.
„Ich habe es schon versucht aber er weicht aus.“, sagte Phoebe nachdenklich und sah Avery von der Seite an. Die widerrum zuckte mit den Schultern.
„Gib ihm Zeit. Wie lange seit ihr eigentlich schon zusammen?“
„Seit knapp einer Woche.“
Avery zog die Brauen hoch.
„Seit einer Woche? Und das sagst du mir erst jetzt?“
Ihre Freundin lachte leise und widmete sich wieder dem Unterricht.


_____14_____


Ich sah mich um, doch ich konnte Nero nicht sehen. Alles was ich sah war Bryan, der auf uns zukam und Phoebe in die Arme schloss. Ich lächelte, als mich plötzlich zwei starke Arme von hinten umfassten.
„Suchst du jemanden?“, ertönte es leise an meinem Ohr.
„Jetzt nicht mehr.“, antwortete ich lachend.
Wie trittst du mit Ura und Lume in Kontakt?

, fragte ich ihn in Gedanken.
Na, wie wohl? Ich werde zu ihnen gehen. Und du wirst mitkommen!


Überrascht sah ich ihn an.
Im Ernst?


Er nickte lachend.
. . .
„Mama?“
Ich steckte meinen Kopf durch die Tür und schaute durch ihr Zimmer. Sie saß auf dem Sofa und las. Das Buch in ihrer Hand kam mir bekannt vor und als ich genauer hinsah sah ich, dass es das Buch war, was sie mir als kleines Kind immer vorgelesen hatte.
Sie schaute auf und sah mich fragend an.
„Was gibt's?“
„Warst du schon mal in Antara?“
„Antara? Ist das nicht diese Zwischenwelt für alle Wesen, die nicht menschlich sind?“
Ich nickte.
„Nein, da war ich noch nie. Airas meinte es sei dort gefährlich, allerdings konnte ich das nie recht so glauben. Warum fragst du?“
„Nero sagt dort leben zwei Drachen, die uns helfen könnten, was Airas betrifft.“
„Wirklich? Na dann drück ich mal die Daumen, dass alles gut geht.“
Ich lächelte und wandte mich ab. Nero wartete bereits auf mich.

„Bereit, Süße?“
Avery nickte und beobachtete Nero dabei, wie er die Augen schloss und eine Formel sprach.
Sie verstand kein Wort von dem, was er sagte, sie wusste nicht was für eine Sprache es war. Als er die Worte ausgesprochen hatte, begann es vor ihnen in der Luft zu schimmern. Dann tat sich ein Riss in der Luft auf, welcher violett und grün leuchtete.
Fast ein bisschen ängstlich starrte Avery das Portal an.
„Und da müssen wir durch?“, fragte sie leise zögernd.
Nero nickte, grinste und nahm ihre Hand.
„Sehe ich da etwa Angst in deinem Gesicht?“
Sie gab keine Antwort und ließ sich von ihrem Freund mitziehen.
Nach einigen Sekunden standen sie unter einem strahlend blauen Himmel, auf einer scheinbar endlosen grünen Wiese.
„Wow!“, murmelte Avery und schaute sich um. „Die Landschaft sieht so unberührt aus.“
Nero lächelte.
„Lass dich dadurch nicht täuschen. Viele der hier lebenden Geschöpfe sind nicht harmlos. Sie beherrschen die Tarnung perfekt. Siehst du diesen Baum dort? Sieh genau hin.“
Sie folgte seinem ausgestrecktem Arm und erblickte den Baum. Im ersten Moment sah sie nur eine gewöhnliche alte Eiche, doch als sie einige Minuten lang hingesehen hatte fiel ihr ein Wesen auf, welches auf der Wiese lag und gegen den Stamm des Baumes lehnte. Es war ein junges Mädchen mit schneeweißen Haaren.
„Mit ihren Haaren müsste sie eigentlich sofort auffallen...“, murmelte Avery.
Nero lachte leise und zog sie mit.
„Was war sie?“, fragte Avery.
„Eine Elfe.“
Nachdem sie eine Zeit lang gelaufen waren, kamen sie an eine Schlucht. Sie blieben am Klippenrand stehen und starrten in die Tiefe.
„Worauf warten wir?“, fragte Avery nach einer gewissen Zeit und warf Nero einen Blick zu.
„Auf Ura und Lume.“, antwortete er.
Schweigend starrten sie wieder in die Tiefe.
Nach einer scheinbaren Ewigkeiten ertönte hinter ihnen ein solch lautes Brüllen, dass der Boden zu vibrieren schien. Es hallte von den Klippenwänden wider und verursachte Schmerzen in den Ohren von Nero und Avery. Die beiden fuhren herum und als Avery die beiden Drachen sah, wich sie vor Schreck einen Schritt zurück. Sie rutschte aus und verlor bereits ihr Gleichgewicht, als Nero sie packte und an sich zog.
Die zwei riesigen Drachen, der eine grau, der andere rot, schnaubten kurz, es klang nach einem Lachen, und nahmen dann die Gestalt zweier Frauen an.
„Scheint, als wartet ihr auf jemanden.“, sagte die eine, mit feuerroten Haaren, scharf.
Ihre Augen blitzten rot auf auf. Die andere, mit den graublauen Haaren stieß sie an und wandte sich dann lachend an Nero. Mit ausgebreiteten Armen ging sie auf ihn zu.
„Es war schon lange kein Vampir mehr in Antara. Sag, Nathan, wie geht es dir? Und was führt dich her?“
Der Vampir erwiderte die Umarmung. Avery hielt sich im Hintergrund und musterte die Frauen eingehend.

Die Frau mit den roten Haaren wirkte eingebildet und herzlos, im Gegensatz zu der, die Nero gerade umarmte. Das die rothaarige Lume war, war eindeutig. Ich beschloss mich vor ihr zu hüten.
„Es geht mir gut, danke. Euch hoffentlich doch auch?“, sagte Nero und ließ Ura los.
„Aber natürlich.“, antwortete Ura und richtete ihre eisblauen Augen dann auf mich.
„Ein Dhampir? Nicht zu fassen! Es ist mir eine Freude dich kennenzulernen...?“
„Avery.“, sagte ich lächelnd und streckte ihr meine Hand entgegen.
Sie erwiderte das Lächeln und ergriff meine Hand, die sie dann kurz und kräftig drückte.
„Ich bin Ura. Das hinter mir ist Lume, meine Schwester.“
Lume hob bloß die Hand, dabei zuckte einer ihrer Mundwinkel.
„Also, was ist so wichtig, dass ihr euch nach Antara begebt?“
„Das mitten in der Öffentlichkeit zu besprechen, halte ich für keine gute Idee.“, meinte Nero und sah die Schwestern abwechselnd an. Ura nickte und war plötzlich todernst.
„Natürlich. Kommt.“
Sie wandte sich ab, wir folgten ihr. Die Geschwister führten uns in eine Höhle, nicht weit von der Schlucht entfernt, und bedeuteten uns, in einer dunklen, nur von einer Fackel beleuchteten Ecke Platz zu nehmen.
„Entschuldigt die unangenehme Umgebung. Es kommt nicht oft vor, dass wir Besuch haben.“
„Kein Problem.“, sagte ich lächelnd.
Lume lehnte sich gegen die Felswand und verschränkte die Arme.
„Raus mit der Sprache. Was führt euch her.“
Nero wurde ebenfalls ernst. Sein Gesicht wurde zu einer ausdruckslosen Maske, die jedes noch so kleine Gefühl unerkannt ließ.
„Es geht um Averys Vater. Airas. Ich habe eine Bitte an euch. Glaubt ihr, ihr schafft es andere dazu zu bewegen, sich Airas gegenüber zu stellen?“
Lume und Ura sahen verblüfft auf mich herab.
„Airas ist dein Vater?“, fragte Ura.
Ich nickte leicht.
„Leider, ja.“
Lume wurde grantig und kniff die Augen zusammen.
„Kaum einer ist mutig genug sich ihm in den Weg zu stellen. Was hast du vor, Nathan? Willst du ihn etwa umbringen?“
Nero zog einen Mundwinkel hoch.
„Genau das habe ich vor. Airas will seine Tochter! Und zwar um jeden Preis. Er hat Averys Mutter gequält und ihren besten Freund in einen Vampir verwandelt. Sie hat einiges hinter sich. Ich will nicht, dass sie weiter gejagt wird. Das hat sie nicht verdient.“
Ura sah mich mitleidig an, Lume musterte mich ohne einen Funken Gefühl.
„Und wie genau stellst du dir das vor? Sollen wir jeden hier ansprechen und ihn anflehen, dir zu helfen?“
Nero fing an zu grinsen.
„Warum so stur, Lume? Du weißt genauso gut wie ich, dass Drachen Überredenskünstler sind. Fast jeder hasst Airas, wenn sie ihn so sehr hassen und seinen Tod wünschen, müssen sie dafür auch etwas tun. Ich verlange ja nicht, dass sie sich in den Tod stürzen. Alles was ich will, ist ein wenig Unterstützung. Ihr würdet euch schließlich nicht in den Kampf stürzen, oder täusche ich mich da etwa?“
Ura blieb still, Lume grinste frech.
„Ich hatte schon lange keinen Kampf mehr. Ein bisschen Abwechslung würde mir jetzt gut tun.“
„Ich kann also mit dir rechnen?“, fragte Nero leise lachend.
Die Frau nickte und richtete ihren Blick auf Ura.
„Ura wird aber nicht kämpfen. Dafür ist sie zu liebenswert.“
Ura lächelte.
„Das kämpfen liegt mir nicht. Aber dafür werde ich mein möglichstes tun, um dir jemanden an die Seite zu stellen der dich unterstützt.“
Nero lächelte und nickte den beiden zu.
„Ich wusste, ich kann mich auf euch verlassen.“
Auch ich lächelte.
„Danke euch zwei. Ihr wisst gar nicht, wie sehr ich das zu schätzen weiß.“
„Keine Ursache. Wir helfen gerne. Außerdem schulden wir Nero noch einen Gefallen.“, sagte Ura und winkte ab. Nachdem ich noch ein paar Stunden mit Ura und Lume gequatscht hatte, machten Nero und ich uns auf den Rückweg.
Neros Gesichtsausdruck ließ mich lachen. Er brummte.
„Warum unterhalten sich Frauen eigentlich ausschließlich über Männer?“
„Weil ihr interessant seid!“, antwortete ich amüsiert und verpasste ihm einen leichten Stoß mit dem Arm.
„Ach komm schon, gib zu, dass du uns gerne zugehört hast!“
Er blieb still, weshalb ich kicherte.
„Gut, dann schweig. Ich weiß das ich Recht habe, schließlich hörst du Phoebe und mir auch immer zu.“
Wir liefen durch den Wald, als plötzlich zwei riesige Wesen vor uns auftauchten. Ein Wolf und ein Panther. Beide verwandelten sich augenblicklich in zwei Männer. In äußerst attraktive Männer...Der Wolf entpuppte sich als ein gebräuntes, dunkelhaariges Muskelpaket. Aus dem Panther dagegen wurde ein eleganter Mann mit dunkelblonden Haaren und strahlenden blauen Augen.
Während das Muskelpaket nur eine zerfetzte Jeans an hatte, trug der Panther ein weißes, offenes Hemd und eine schwarze Hose.
„Wen haben wir denn da?“, sagte der blonde mit sinnlicher Stimme und lächelte leicht.
„Wenn das mal nicht Nathan ist.“, lachte der Wolf. Dann richteten sich ihre Blicke auf mich.
„Und wer ist das?“, fragte der Wolf. Der Panther kam näher und musterte mich eingehend, dann nahm er meine Hand und küsste sie.
„Es ist mir eine Freude dich kennenzulernen. Mein Name ist Rhys.“
Ich lächelte.
„Die Freude ist ganz meinerseits. Ich bin Avery.“
Rhys zog sich zurück. Der Wolf grinste und reichte mir die Hand.
„Ich bin Victor aber du kannst mich Vic nennen.“
„Freut mich dich kennenzulernen.“, sagte ich freundlich und zog meine Hand dann wieder zurück. Vic grinste und sah Nero an.
„Nur ein Zeitvertreib oder was ernstes?“
Augenblicklich sank meine Stimmung in den Keller. Alle sahen mich nur als Spielzeug an, dass passte mir nicht.
„Von wegen Zeitvertreib! Er wird mich noch eine ganze Weile an der Backe kleben haben.“, brummte ich, worauf die drei mich überrascht ansahen. Ich zuckte die Schultern.
„Was denn? Immer nur als Objekt dargestellt zu werden, ist alles andere als toll.“
Vic lachte und verpasste Nero einen Box.
„Die Kleine gefällt mir. Ich wette sie bereitet dir die ein oder anderen Probleme.“
Ich seufzte.
„Das behauptet jeder.“
Sie lachten, dann wurden die beiden Männer ernst.
„Du warst schon ewig nicht mehr in Antara, ist etwas passiert?“, fragte Rhys.
Nero wurde ernst und wies auf mich.
„Airas hat es auf sie abgesehen. Ich will gegen ihn vorgehen, werde alleine aber nicht sehr weit kommen. Ura und Lume werden helfen, indem sie uns Unterstützung an die Seite stellen.“
Rhys und Vic schauten mich fragend an.
„Was zum Teufel will Airas von dir?“
Ich wich ihren Blicken aus und verschränkte die Arme.
„Ich bin seine Tochter.“
Bedrückende Still trat ein. Die beiden tauschten Blicke aus, sagten aber nichts.
„Du kannst dich auf uns verlassen!“, sagte Vic dann an Nero gewandt.
„Im Ernst? Ihr werdet helfen?“
„Airas` Tod ist für jeden von uns ein Traum. Es wird Zeit das dieser Traum Wirklichkeit wird!“
Nero lächelte schwach und nickte.
„Danke euch zwei. Ihr habt was gut bei mir!“
. . .
Nach einer gefühlten Viertelstunde war alles geklärt. Ura würde Rhys und Vic Bescheid geben wenn sie genug Helfer zusammengetrommelt hatte, die beiden würden uns dann Bescheid geben.


_____ 15 _____


Einige Tage vergingen, doch nichts passierte. Avery dachte darüber nach, was sie in diesem Moment tun würde, wenn sie Nero nie begegnet wäre. Auch Nero dachte nach.
Er machte sich Vorwürfe, weil er nicht in der Lage war Avery den Schutz zu bieten, den sie brauchte. Stattdessen musste er mit ansehen, wie sie litt. Erst ihre Mutter, dann Casey. Wer würde als nächstes kommen? Joel? Matt? Milad? Phoebe? Er hatte keine Antworten auf seine Fragen, das war die Ursache dafür, dass er sich noch mehr Vorwürfe machte.
„Nero?“, flüsterte Avery und drückte seine Hand leicht.
Er sah sie an, langsam gingen sie nebeneinander her, durch den Wald, auf den Weg zurück zur Villa.
„Hm?“
„Glaubst du all das...hat auch etwas Gutes?“, murmelte sie leise und sah zu ihm auf.
Er lächelte leicht und beugte sich zu ihr hinunter, um sie zu küssen.
„Aber natürlich. Wir sind der Beweis.“
Sie lächelte ebenfalls, doch das Lächeln verging ihr sofort wieder, als ein ungutes Gefühl durch ihre Gliedmaßen fuhr. Auch Nero erstarrte.
„Irgendjemand ist hier.“, hauchte Avery und begann zu zittern. Eine eisige Kälte kroch ihr in die Knochen.
„Beeilen wir uns.“, sagte Nero mit zusammen gebissenen Zähnen und schob sie voran.
Plötzlich ertönte ein Zischen. Nero hatte keine Chance gehabt sie aus dem Weg zu schubsen, die Kugel bohrte sich bereits in ihre Brust. Mit einem Keuchen fiel sie auf die Knie.
Nero knurrte und suchte hastig nach der Person, die gefeuert hatte. Doch es war niemand zu sehen. Sofort drehte er sich zu Avery um. Er ging neben ihr in die Knie und nahm ihre Hände, die sie auf ihre Brust presste. Der kleine rote Fleck breitete sich rasend schnell aus, bis sich ihr Shirt schließlich auf ihrer gesamten Brust mit Blut vollgesogen hatte.
„Avery!“, sagte er laut, riss ein Stück von seinem Shirt ab und presste es auf die Wunde. Doch es half nicht, sie hatte bereits zu viel Blut verloren.

Der Schmerz in ihrer Brust war groß, doch sie konnte nicht schreien. Es war, als wäre ihr Mund zugeklebt worden. Sie wollte Nero so gerne trösten, doch sie konnte nicht. Sie wusste, dass sie viel Blut verloren hatte, doch ändern konnte sie daran nichts. Mit Tränen in den Augen versuchte Nero, die Blutung zu stoppen. Erfolglos. Eine seiner Tränen tropfte auf ihre Wange. Was würde nun geschehen? Ihr Körper fühlte sich kalt und taub an, ihr Herz schlug immer langsamer und kraftloser. Die Luft schien immer dünner zu werden, dabei lag es nicht an der Luft, sondern an ihren Lungen, die sich weigerten weiterzuarbeiten.
Nero...

, dachte sie. Selbst das denken fiel ihr schwer. Das grün seiner Augen bohrte sich in das grau ihrer.
Sie bekam keine Antwort. Obwohl ihr Körper immer schwächer wurde, sammelten sich Tränen in Averys Augen.
Es tut mir so leid, Nero!


Nun endlich ertönte seine Stimme in ihrem Kopf.
Süße, dass braucht dir nicht leid zutun, ich muss mich bei dir entschuldigen, dafür, dass ich dich nicht beschützen konnte. Avery, es tut mir so leid, bitte verzeih mir!


Sie wollte ihre Hand heben, um ihm über die Wange zu streichen, doch es ging nicht.
Hör auf zu weinen, Nero! Das wird schon wieder...

, doch Avery wusste genau, dass das nicht stimmte. Sie würde sterben. Nicht in ein paar Jahren, nein, hier und jetzt. Unter ihm, mit einem Loch in der Brust.
Das war also der Tod. Kalt und unberechenbar. Was würden wohl all die anderen fühlen und denken, wenn sie erfahren würden das sie tot war? Hannah, Phoebe, Casey, Joel, Matt und Milad. Würden sie um sie trauern oder ihr keine einzige Träne nachweinen?
Es fiel ihr schwer die Augen offen zu halten, weshalb sie darüber nachdachte sie zu schließen. Doch wenn sie das tat, würde Avery sie dann je wieder aufmachen? Sie wusste es nicht. Würde das Mädchen in den Himmel kommen? Oder in die Hölle? Würde sie Nero jemals wiedersehen?
Sie hatte Angst. Furchtbare Angst! Nicht etwa vor dem Tod, nein. Das ihr Leben nun zu Ende ging, hatte nicht nur schlechtes. Sie hatte Angst davor, die Person die sie am meisten liebte, zu verlieren. Die Person die ihr gezeigt hatte, was es heißt zu lieben.
Der Tod hatte sicher auch eine gute Seite. Nun würde ihr Vater sie nämlich nicht mehr bekommen. Sie würde von niemandem mehr verletzt werden, denn dort, wo sie jetzt hinkam, war es sicher friedlich, so dachte sie zumindest.
Avery spürte, dass es nun zu Ende ging. Ihr Herz schlug nur noch ein paar Mal, dann blieb es stehen. Ihre Lungen hörten endgültig auf zu arbeiten. Ihre Augen schlossen sich. Die Dunkelheit kam immer näher.
„Avery, nein!“, schrie Nero und schüttelte sie. Doch ihre Augen blieben geschlossen.

War ich tot? Nein. Ich hatte Schmerzen. Und wenn man tot war, hatte man keine Schmerzen. Oder etwa doch? Darauf hatte ich keine Antwort. Was war passiert?
Es dauerte einige Sekunden bis mir einfiel, dass mir jemand eine Kugel in die Brust gejagt hatte. Wer hatte das getan? Und vor allem: Was hatte ich ihm getan, dass er so etwas mit mir machte? Ich erinnerte mich an Nero, wie er verzweifelt versucht hatte mir zu helfen.
Die Dunkelheit in der ich mich befand, machte mir Angst. Wo war ich hier?
Irgendwie schien alles in mir zu schmerzen...
War ich immer noch in meinem Körper? Oder war es mein Herz, das so schmerzte? Auch darauf hatte ich keine Antwort. Es tat weh. Es fühlte sich so an, als wäre ich in Fetzen gerissen worden. Plötzlich bekam ich Gefühl! Konnte...ich mich bewegen? Meine Finger berührten etwas. Es war weich. Ich befand mich also doch in meinem Körper. Lag ich auf etwas? Wenn ja, worauf? Ich hörte etwas. Einen Herzschlag und einen Atem. Beides ging ruhig und langsam. Wer war da? Nero? Voller Verzweiflung schlug ich die Augen auf. Und kniff sie sogleich wieder zu. Verdammte scheiße, was war das denn? Vorsichtig blinzelte ich dem Licht entgegen. Die Sonne schien mir ins Gesicht. Doch irgendwie war es viel greller als sonst. Langsam ließ ich meinen Blick schweifen. Alles wirkte bunter und heller. Nach einigen Minuten begriff ich, dass ich mich in Neros Schlafzimmer befand.
Ich lag in seinem Bett. Nach einigen weiteren Minuten sah ich ihn. Nero saß in einer Ecke, in einem Sessel. Seine Augen waren geschlossen, er schlief.
Wie von einer Tarantel gestochen sprang ich aus dem Bett. Ging aber sofort zu Boden, weil meine Knie nachgaben. Ein stechender Schmerz zog sich durch meine Brust. Ich sah an mir herunter und erkannte nichts, außer meiner Brust, bedeckt von einem Wildlederstreifen.
Ich schüttelte den Kopf, um unnötige Gedanken loszuwerden.
Vorsichtig rappelte ich mich auf. Langsam, ja sogar zögernd, ging ich auf Nero zu.
Die Frage warum ich noch lebte und nicht tot war, hallte noch immer durch meinen Kopf.
Ich ließ mich auf Neros Schoß nieder, was er aber nicht zu spüren schien.
„Nero.“, flüsterte ich und hob sein Gesicht an.
Wach auf!

, dachte ich flehend.
Ich wusste nicht wie viel Zeit vergangen war, ich wollte meinen Nero wieder haben, sofort!
Schlagartig öffneten sich seine Augen. Ich lächelte und bemerkte nicht, dass Tränen über meine Wangen liefen. Neros Augen weiteten sich, dann, so plötzlich das wir zu Boden gingen, schlang er die Arme um mich.
„Avery!“, krächzte er und stieg sofort von mir herunter. Der Schmerz in meiner Brust loderte kurz auf, verschwand dann aber wieder.
„Entschuldige.“, murmelte er, als er meine Hand nahm und mich auf die Beine zog.
„Was ist passiert?“, fragte ich leise und sah zu ihm auf. Tausende Gefühle spiegelten sich in seinen Augen wider.
„Du wurdest angeschossen, Süße.“, murmelte er.
„Ich müsste tot sein, also warum leben ich noch?“, fragte ich.
Er zog mich in seine Arme und strich mir übers Haar.
„Du warst tot, Avery! Du hast tot in meinen Armen gelegen! Du lebst noch, weil...“
Er unterbrach sich. Erwartungsvoll sah ich ihn an.
„Warum lebe ich noch?“
Er wich meinem Blick aus und ließ mich los. Er wollte sich bereits abwenden, doch ich packte ihn und zog ihn zurück. Ich sagte nichts, schaute ihn bloß stumm und flehend an. Plötzlich zog er mich wieder an sich. Er schlang die Arme um mich und drückte mich an seine Brust.
„Du bist kein Dhampir mehr, Avery. Du bist jetzt eine richtige Vampirin...“, sagte er so leise, dass ich es fast nicht hörte.
Ich erstarrte in seinen Armen. Die Tränen liefen ungehindert weiter über meine Wangen.
„Es tut mir so leid, Süße! Aber es ging nicht anders. Ich wollte dich nicht verlieren! Die Schmerzen, die du nun verspürst deuten darauf hin, dass deine Organe langsam versagen. Es wird noch einige Tage dauern, bis die Schmerzen verschwunden sind.“
Ich wischte die Tränen weg und zwang mich zu einem Lächeln.
„Ist schon okay, Süßer. Ich weiß das du nicht anders konntest.“
Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, um ihn zu küssen. Besorgt sah er mich an.
„Du musst dich ausruhen.“
Er hob mich hoch und legte mich, so sanft wie möglich ins Bett.
„Wie lange war ich nicht bei Bewusstsein?“
Es dauerte einen Moment bis er antwortete:
„Etwas über einen Monat.“
„Um Himmels willen!“, schrie ich und setzte mich ruckartig auf. Leise lachend drückte er mich zurück ins Kissen.
„Keine Sorge, ich habe mich um alles gekümmert. Ich habe Phoebe gesagt, dass du Zeuge eines Überfalls wurdest und du deshalb angeschossen wurdest. Sie wollte dich unbedingt sehen aber ich habe es nicht zugelassen. Die Villa wird von ein paar Kollegen von mir bewacht, du warst also die ganze Zeit in Sicherheit! Deine Mutter und ich haben dich abwechselnd bewacht.“
Ich lächelte, zog ihn an mich heran und küsste ihn zärtlich.
„Vielen Dank!“, hauchte ich. Noch bevor er etwas sagen konnte, tat ich es.
„Ich will Hannah und Phoebe sehen.“
Neros Mundwinkel zuckten belustigt.
„Dein erster Gedanke müsste Blut sein und nicht deine Familie oder deine Freunde.“, sagte er nachdenklich.
Erst jetzt fiel mir auf, dass mein Hals beträchtlich schmerzte.
„Oh!“, sagte ich überrascht und fasste mir an den Hals. Nero grinste und hielt mir eine Blutkonserve vor die Nase.
„Von meinem Blut kann ich dir leider nicht zu trinken geben, du würdest mich nur töten.“
Entsetzt starrte ich ihn an.
„Bist du verrückt? Ich würde dich niemals, auch nur ansatzweise verletzen können!“
„Täusche dich da mal nicht, Süße. Der Durst von Neugeborenen ist tödlich, die meisten können, wenn sie erst einmal angefangen haben zu trinken, nicht mehr aufhören.“
Ein erneutes „Oh!“, entfuhr mir.
Zögerlich nahm ich die Konserve entgegen.
„Schon der Geruch ist ekelhaft.“, meinte ich vorwurfsvoll. Nero grinste.
„Glaub mir, es schmeckt noch viel schlimmer. Aber anders geht es nicht. Ich kann dich nicht auf die Menschen loslassen, ehe du nicht satt bist.“
Mit einem Seufzen schlug ich meine Fänge in den Beutel. Angewidert verzog ich das Gesicht, als das dickflüssige, kalte und nach Plastik schmeckende Blut in meinen Mund lief.
Nero lachte, ich sandte ihm ein Halt die Klappe!.

Nach vier weiteren, qualvollen, Blutkonserven lehnte ich mich zurück.
„Darf ich jetzt meine Mutter und Phoebe sehen?“
Leicht lächelnd nickte Nero. Er ging zur Tür, öffnete sie und schaute dann noch einmal über seine Schulter zu mir.
„Ich liebe dich!“, sagte er leise und verließ den Raum.
Perplex starrte ich auf die Stelle an der er eben noch gestanden hatte.
Du hast mir noch nie gesagt „ich liebe dich“!

, dachte ich und schloss meinen Mund.
Du wusstest es doch schon vorher.

, kam es zurück.
Schon, aber es zu hören bedeutet mir viel. Ich liebe dich auch, Nero! Mehr als alles andere auf der Welt! Wenn wir sterben, sterben wir gemeinsam, hast du gehört?


Ein sinnliches Lachen ging durch meine Gedanken. Ein Lächeln umspielte meine Mundwinkel.
Nie hätte ich daran gedacht, mein Leben mit einem Vampir zu verbringen. Und schon gar nicht mit einem Vampir wie Nero! Das ich nun eine richtige Vampirin war, schien mir jetzt völlig egal zu sein. Was machte das schon? Nun konnte ich für immer mit Nero zusammenbleiben, ohne Angst haben zu müssen, ihn zu verlieren.

Nach einigen Minuten ging die Tür auf. Hannah kam herein und stürmte auf ihre Tochter zu.
„Gott sei Dank, es geht dir gut!“, rief sie und drückte Avery fest.
„Äh, ich bin auch froh dich zu sehen, Mama.“, erwiderte die Vampirin.
„Wie fühlst du dich?“, fragte Hannah aufgeregt und setzte sich auf die Bettkante.
„Müde, satt und ein bisschen verwirrt. Ich habe noch nicht so ganz realisiert, dass ich schon tot war. Wie geht es dir? Ich habe sicher eine Menge verpasst.“
Ihre Mutter begann zu grinsen, als sie sich näher an sie lehnte und ihr ins Ohr flüsterte:
„Ich bin wieder vergeben.“
„Im Ernst? Wer ist es? Kenne ich ihn?“
Hannah schüttelte den Kopf.
„Nein. Wir sind uns zufällig beim einkaufen über den Weg gelaufen. Wir sind ins Gespräch gekommen und haben uns verabredet. Seitdem haben wir uns mehrmals, wöchentlich getroffen.
Nero meinte, ich soll vorsichtig sein, weil Feinde dir so näher kommen könnten aber inzwischen hat sich das wieder geklärt. Nero vertraut ihm.“
Die beiden unterhielten sich eine ganze Weile über Gott und die Welt, doch nachdem Avery stiller wurde fragte Hannah was los ist.
„Naja, ich würde jetzt gerne mit Phoebe sprechen. Sie macht sich sicher Sorgen.“
Hannah nickte verständnisvoll.
„Sie wartet unten. Ich schicke sie zu dir.“
Mit diesen Worten erhob sie sich und verließ das Schlafzimmer.
. . .
„Avery!“, kreischte Phoebe und stürmte auf ihre Freundin zu. Avery stand am Fenster und blickte nachdenklich nach draußen, als sie plötzlich von zwei Armen umschlungen wurde.
„Gott, ich bin so froh das es dir gut geht! Erzähl schon, Süße, was ist passiert?“
„Genau darüber, wollte ich mit dir sprechen...“, sagte Avery leise und schob ihre Freundin von sich. Ernst sah sie sie an. Sie wollte Phoebe nicht anlügen, weshalb sie den Mut fasste und ihr die Wahrheit sagte.
„Phoebe, ich wurde nicht angeschossen, weil ich bei einem Überfall dabei war.“, begann sie ernst und monoton. Ihre Freundin sah sie fragend an und bekam dann große Augen.
„Ich wurde angeschossen, weil man es auf mich abgesehen hat.“, sagte Avery dann leise und sah Phoebe betrübt an. Die, schnappte entsetzte nach Luft.
„Um Himmels willen, Avery! Warum? Und wieso hat Nero mir das nicht gesagt? Ich hab mir solche Sorgen gemacht und er belügt mich einfach.“
Weiter kam sie nicht, denn Avery packte ihre Schultern und schüttelte die kräftig.
„Würdest du für einen Moment die Klappe halten?“, fauchte die Vampirin und sah überrascht dabei zu, wie ihre Freundin verängstigt die Schultern einzog.
Hatte sie sich verändert? Auf diese Frage hatte sie keine Antwort, sie beschloss sich später darüber Gedanken zu machen.
„Entschuldige. Ich bin im Moment ziemlich durcheinander. Setz dich, ich muss dir einiges erklären.“
Misstrauisch richtete Phoebe ihren Blick aus den Sessel, auf den Avery wies. Am Ende folgte sie ihrem Befehl dann doch. Avery nahm gegenüber von ihr Platz und atmete tief durch. Ihr fiel aus, dass das atmen ihr nun noch unbewusster war, als es ihr als halb Mensch halb Vampir, ohnehin schon war. Pure Kraft durchströmte ihre Adern, vielleicht hatte Phoebe deshalb Angst vor ihr.
Sie begann, ihr alles zu erzählen und begann dabei ganz von vorne.

„Soll das heißen, dass ich so lange nicht zu dir durfte, weil du die Wandlung durchgemacht hast?“, fragte Phoebe leise und verwirrt. Ich nickte.
„Ja. Allerdings verändert sich mein Körper immer noch. Ich habe Schmerzen, Nero sagte das liegt daran, dass meine Organe langsam versagen.“, erklärte ich ruhig.
„Das klingt mies. Tut es sehr weh?“
Ich zuckte die Schultern.
„Es geht. In manchem Momenten ist es echt schlimm aber irgendwie gewöhnt man sich dran.“
Phoebes Augen weiteten sich immer mehr. Nach der ganzen Geschichte hatte sie unendlich viele Fragen, ihre Gedankengänge waren so klar und deutlich, dass ich das Gefühl hatte, sie würde sie mir direkt ins Gesicht brüllen.
„Wie ist es Blut zu trinken? Ist es widerlich oder schmeckt es gut?“
Ich lächelte über ihr Verhalten. Sie wirkte so aufgedreht und neugierig, wie schon lange nicht mehr.
„Ich habe bisher nur zwei Arten von Blut getrunken. Einmal Neros Blut. Unglaublich süß und bitter zugleich, wie Zartbitterschokolade! Es schmeckt lecker. Allerdings musste ich vor wenigen Stunden kaltes und nach Plastik schmeckendes Blut trinken. Ekelhaft, dieses Konservenblut!“
Meine Freundin kicherte, dann wurde sie ernst und schaute mich teils ängstlich, teils neugierig an.
„Wie sind Vampire so? Haben sie Ähnlichkeit mit denen aus Twilight

?“
Sofort wurde ich ernst.
„Auf keinen Fall! Erinnerst du dich an den Tag wo du sagtest, Neros Augen erinnern dich an die, von Edward Cullen? Er hat sich schrecklich darüber aufgeregt. Ich zitierte: Mit Edward Cullen verglichen zu werden ist eine Frechheit! Erstens hat der Typ überhaupt nichts von einem Vampir. Vampire sind Killer und nicht solche zahmen Kätzchen“, kicherte ich dann. Phoebe grinste.
„Nicht zu fassen, dass eure Beziehung erst nur gespielt war. Warum seid ihr nun doch ein richtiges Paar?“
Ich lächelte in mich hinein. Ich hatte bisher nie mit jemandem offen über meine Gefühle geredet.
„Ich weiß nicht. Irgendwie fand ich ihn schon von Anfang an faszinierend. Er hatte etwas an sich, das sonst keiner besaß. Auch wenn er mir Angst einjagte, fand ich ihn dennoch unglaublich attraktiv und interessant. Irgendwie wurde aus den gespielten, echte Gefühle.“
„Ich freue mich für dich, Süße. Das mit Casey tut mir leid, ihr wart so gute Freunde. Du musst dich echt schrecklich fühlen deswegen.“
Mit diesen Worten riss sie, die erst kürzlich verheilten, Narben wieder auf.
„Phoebe.“, begann ich leise und starrte aus dem Fenster. Nachdenklich sah ich dabei zu, wie sich zwei Eichhörnchen um eine Nuss stritten.
„Ich will von Casey nichts mehr wissen. Das sie ihn in einen Vampir verwandelt haben war echt schlimm, ich kam damit nicht klar. Am schlimmsten ist es jedoch zu wissen, dass du deinen Freund nie wieder in die Arme schließen kannst. Er und Nero haben sich geprügelt. Wegen mir. Ich habe noch immer ein schlechtes Gewissen Casey einfach so stehen gelassen zu haben. Jetzt werde ich allerdings wütend wenn ich daran denke, dass er mich einfach so angegriffen hat. Er ist so egoistisch! Wenn er mich wirklich lieben würde, hätte er mir mein Glück gegönnt. Seit dem ich bei meinem Vater war, habe ich ihn abgeschrieben. Er ist nicht mehr der junge Mann, den ich als fröhlichen, netten und immer zuverlässigen Gitarristen kennengelernt habe...“
Phoebe erhob sich, kam zu mir und umarmte mich vorsichtig. Diese Geste hatte ich nicht erwartet, weshalb ich erstarrte. Der Geruch ihres süßen Blutes drang in meine Nase, was zur Folge hatte, dass meine Zähne lang und spitz wurden. Vorsichtig und dennoch bestimmt schob ich sie weg und drehte meinen Kopf zur Seite.
„Schon gut.“, sagte ich, bevor sie sagen konnte das es ihr leid tat. „Entschuldige.“, sagte ich dann. Ich drehte meinen Kopf wieder in ihre Richtung. Verständnisvoll lächelte sie.
„Kein Problem, Süße.“
Ich erwiderte das Lächeln nicht.
„Ich habe keinen Hunger. Ich schätze diese Reaktion ist normal.“, meinte ich monoton, als die Tür aufging. Der Geruch kam mir bekannt vor. Augenblicklich schoss mein Kopf in ihre Richtung. Sofort sprang ich auf. So kraftvoll, dass der Sessel hinter mir umkippte.
Ein tiefes Knurren drang aus meiner Brust. Es war lauter, und weitaus gefährlicher als das, was ich bisher von mir kannte. Phoebe sah ängstlich zu mir auf, dann richtete sie ihren Blick auf Casey und Ilias.


_____ 16 _____


„Hm, er hat dich also doch verwandelt, interessant.“, sagte Ilias und musterte Avery. Ihre Mundwinkel zuckten. Sie wusste, dass Nero und deine Freunde gleich hier auftauchen würden. Deshalb zögerte sie das Gespräch hinaus. Sie würde den anderen den Kampf überlassen, damit sie selbst Phoebe in Sicherheit bringen konnte.
„Das erlaubt mir, uns auf die selbe Stufe zu stellen.“, sagte die Neugeborene und ließ die beiden nicht aus den Augen.
„Na, du hast vielleicht Nerven einfach hier aufzutauchen, nachdem was du Avery angetan hast!“, keifte Phoebe los. Geschockt sah Avery ihre Freundin an.
„Würdest du mal still sein? Bei den Zweien ist es schon schwer genug, mich alleine zu verteidigen, wie soll ich denn da noch auf dich aufpassen?“, fauchte Avery. Phoebe zuckte die Schultern.
„Ich kann mich auch verteidigen. Außerdem ist es doch wahr.“, bei diesen Worten richtete sie ihren Blick auf Casey. „Ich an deiner Stelle, hätte ihn schon längst grün und blau geschlagen!“
In Sekundenbruchteilen stand Casey vor ihr und packte sie an der Kehle.
„Ich hasse geschwätzige Frauen!“, knurrte er und umschloss ihren Hals fester.
Sofort hatte Avery Casey gepackt und zurückgerissen, sodass er mit einem lauten Krachen gegen ein Bücherregal prallte.
„Wage es nicht, sie auch nur anzufassen!“, knurrte sie und half Phoebe wieder auf die Beine, nachdem sie zu Boden gerutscht war. Casey rappelte sich auf und renkte sich die Schulter wieder ein.
„Du warst schon stark, als du keine Vampirin warst, aber jetzt? Junge, Junge, Vorsicht ist geboten!“
Nero, wo steckst du?

, dachte Avery, doch sie bekam keine Antwort. Verdammt.

Sie richtete den Blick auf Phoebe.
Wir müssen hier weg. Sofort! Irgendetwas ist passiert, Nero antwortet mir nicht.


Phoebe blieb still, weshalb Avery sich wieder an ihren Bruder und Casey wandte.
„Will Airas immer noch, dass ich zu ihm komme?“, fragte sie. Ilias verzog das Gesicht.
„Ich habe auch keine Lust mehr, dir immer hinterher zu rennen aber Vater hasst es, wenn er seinen Willen nicht bekommt.“
Avery blieb ernst.
„Jetzt weiß ich, woher ich meine Sturheit habe.“
Plötzlich stieß sie Phoebe in Richtung Tür.
„Lauf!“, schrie sie und wehrte einen Schlag von ihrem Bruder ab.
Casey stürmte hinter Phoebe her. Avery fluchte, ließ ihren Bruder stehen und rannte ebenfalls aus dem Zimmer. Casey hatte ihre Freundin schon fast, doch Avery stürzte sich auf ihn und riss ihn zu Boden.
„Vergiss es!“, knurrte sie und drückte ihn zu Boden.
Phoebe! Such Nero und sag ihm was passiert ist!

, dachte sie an ihre Freundin gewandt. Casey warf sie von ihm herunter, doch schnell bekam sie ihn erneut zu packen.
„Du weißt gar nicht wie armselig das ist, oder?“, fragte sie leise und sah ihm dabei aufrichtig in die Augen.
„Hör auf zu quatschen, Süße. Aus deinem Mund kommt sowieso nur Mist!“, antwortete er, packte sie und drückte sie gegen die Wand. Avery stieß ein empörtes Schnauben aus.
„Jetzt mal zum mitschreiben: Nero, Hannah und Phoebe sind die einzigen sie mich Süße nennen dürfen. Klar?“
Casey erwiderte nichts. Sie versuchte verzweifelt sich zu befreien, doch es funktionierte nicht.
„Avery!“
Nero kam mit einem animalischen Knurren auf sie zu. Erleichtert schoss ihr Kopf in seine Richtung. Es dauerte nicht lange, bis er Casey von ihr weggerissen und ihm einen Schlag verpasst hatte.
Was ist hier los?

, dachte Avery.
Sie haben die Villa umstellt.

, kam es zurück.
Wo ist Phoebe?

, dachte sie dann und schaute sich panisch um, nicht wissend, was sie nun tun sollte.
Vic ist bei ihr. Rhys, Ura und Lume sind ebenfalls hier. Wir müssen verschwinden. Wir haben mitbekommen wie einer von ihnen sagte, die Villa solle angezündet werden. Rhys hat uns angeboten, so lange bei ihm zu bleiben, wie es nötig ist.


Nero...

, dachte sie. Ich habe Angst! Was, wenn etwas schief geht? Wenn etwas passiert, womit wir nicht gerechnet haben?


Beruhige dich, Süße. Wir schaffen das, versprochen.


Er verpasste Casey einen kräftigen Schlag, dann stürmte er auf Avery zu und umarmte sie heftig.
„Wir kriegen das hin, okay?“
Sie nickte leicht. Dann fasste er ihre Hand und zog sie mit.

Nero zerrte mich durch die Flure, bis er mich in die Arme eines Fremden stieß.
„Bring sie hier weg. Ich muss noch einige Dinge erledigen. Zum Beispiel, jemanden töten.“, knurrte Nero und wandte sich ab.
„Ich will ihn töten!“
Die Worte kamen wie von selbst über meine Lippen, ich war selbst verblüfft darüber. Nero zog eine Braue hoch und sah mich zweifelnd an. Seufzend wandte er sich wieder ab.
„Scheint, als müsse sein Tod warten. Also schön, du kannst das übernehmen, allerdings nicht jetzt! Ich muss trotzdem ein paar Dingen nachgehen.“, dann richtete er seinen Blick auf den Mann hinter mir. „Bring sie weg von hier.“
Der Kerl packte mich grob am Arm und zog mich mit, doch ich wehrte mich einen Augenblick lang.
„Mädchen, hör auf zu zappeln und komm mit.“
Ich schaute über meine Schulter zurück und sah ihm wehmütig nach. Schon einmal hatte ich ihn verloren, und zwar zu dem Zeitpunkt, an dem ich dachte, ich würde sterben.
„Nero!“, rief ich. Er schaute ebenfalls über seine Schulter.
Ich liebe dich! Pass auf dich auf, Süßer.


Er lächelte schwach.
Ich dich auch. Und sehe ich so schwach aus, dass du jetzt schon Angst hast, ich könne draufgehen?


Mit einem Grinsen wandte ich meinen Blick ab und hörte auf mich zu wehren.
Du siehst nicht schwach aus. Du siehst verdammt sexy aus! Wenn du sterben würdest, würde ich mich ebenfalls umbringen. Und im Jenseits würde ich dir den Arsch aufreißen, weil du mich alleine gelassen hast.


Das Lachen in meinem Kopf war das Letzte was ich hörte, ehe der Mann mit mir in ein Geheimzimmer einbog.
„Avery!“, kreischte Phoebe und rannte auf mich zu. Sie umarmte mich so heftig, dass wir einige Schritte zurück taumelten.
„Alles okay bei dir?“, fragte sie und sah mich an. Ich nickte stumm und sah, wer sich noch alles im Raum befand. Hannah, Ura, Vic, Phoebe und der Fremde.
„Du willst deinen besten Freund töten?“, fragte Ura leise und sah mich sowohl ernst als auch nervös an. Ich warf Phoebe einen erbosten Blick zu. Tratschtante...
„Ja.“, bestätigte ich. „Aber er ist nicht mehr mein Freund.“, fügte ich kalt hinzu.
Es überraschte mich nicht, dass Phoebe so gut wie alles was sie über mich wusste, ausgeplaudert hatte. Das ich deshalb wütend auf sie war, bemerkte sie scheinbar nicht einmal.
„Wo ist Nero?“, fragte sie.
Ich zuckte wieder stumm die Schultern. Mich interessierte auch, was er in diesem Moment tat aber ich wollte nicht wie eine Klette an ihm kleben und ständig fragen wo er war und was er tat. Also hielt ich mich zurück.
Schick Vic zu mir! Schnell!


Hä?


Verwirrt richtete ich meinen Blick auf Vic, der still an der Wand lehnte und das Geschehen beobachtete.
Nun mach schon!


„V-Vic, Nero verlangt nach dir.“
Mit einem Knurren stieß der Wolf sich von der Wand ab und verschwand so schnell, dass Phoebe ihm mit den Augen nicht folgen konnte.
Was ist los?


Später, okay? Ich habe gerade wirklich keine Zeit...


Voller Sorge begann ich auf und ab zu laufen. Was war passiert. Doch plötzlich drang seine Stimme erneut in meinen Kopf. Diesmal klang er...trauriger.
Sag Ura, sie soll in den Garten kommen. Lume hat was abbekommen.


Tränen sammelten sich in meinen Augen.
„Verdammt.“, murmelte ich und wischte sie schnell weg. Ich wandte mich an den Wasserdrachen und sah sie mitleidvoll an.
„Lume hat etwas abbekommen. Sie warten im Garten auf dich.“, sagte ich leise und wandte meinen Blick dann ab. Der Schock stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben, doch überraschenderweise fasste sie sich sofort wieder. Sie verschränkte die Arme und sagte monoton:
„Nero hat mich gebeten auf euch aufzupassen. Ich werde der Aufgabe nachkommen. Lume ist stark, sie erholt sich wahnsinnig schnell von Verletzungen.“
Erneut sah ich sie an.
„Ura, ich weiß deine Hilfe und Unterstützung wirklich zu schätzen aber geh! Deine Schwester braucht dich jetzt dringender, als wir hier.“
Nach einem Augenblick des Zögerns, kam sie zu mir und umarmte mich herzlich.
„Vielen Dank, Avery. Du bist ein unglaubliches Mädchen! Passt auf euch auf.“, flüsterte sie mir dabei leise ins Ohr. Sie ließ mich los und verschwand, ebenso schnell wie Vic eben auch.
Keine Sorge, Ura. Der Kerl hier ist ja auch noch da. Wie heißt er eigentlich?

, dachte ich ihr hinterher.
Das ist Hero. Er sieht zwar etwas, äh...grob aus aber er ist eigentlich ganz in Ordnung.

, kam es kichernd zurück.
„Hero?“, fragte ich und sah den bulligen Typen an. Fragend richtete er seine dunkelbraunen, fast schwarzen, Augen auf mich.
„Wie lange werden wir noch hier bleiben?“, fragte ich dann.
Er warf einen Blick auf eine silberne Uhr, die an seinem Handgelenk prangte.
„Wenn Nero in fünf Minuten nicht hier ist, werden wir verschwinden. In Antara werden wir bereits erwartet.“, sagte er mit tiefer und kräftiger Stimme.
„Ich weiß nicht warum aber irgendwie beunruhigt mich das.“, murmelte ich und begann wieder auf und ab zu laufen. Da Phoebe nun den Namen des Fremden kannte, plapperte sie fröhlich drauf los.
„So, Hero ist also dein Name. `Tschuldige die Frage aber was bist du? Vampir? Werwolf? Drache?“
„Ich bin ein Ghul.“, sagte Hero monoton und wartete ab, wie Phoebe wohl darauf reagieren würde. Doch in ihrem Gesicht zeichnete sich nur Verwirrung ab. Sie drehte sich zu mir herum und hob entschuldigend die Arme.
„Ein Ghul ist eine Art Vampir, um es nett auszudrücken.“, begann ich. „Nur das er kein Blut zu sich nehmen muss, sondern sich von Menschenfleisch ernährt.“
Nachdem sie die Worte realisiert und ihre Augen größer geworden war, begann sie damit Hero anzustarren. Seine Mundwinkel zuckten belustigt.
„Ist ja ekelhaft.“, brachte sie schließlich heraus.
Ich unterdrückte ein Kichern und verdrehte die Augen.
„Reg dich ab, er ist fast genauso wie wir. Ich trinke auch Blut und trotzdem bist du mit mir befreundet.“
Sie brachte nur ein „Hm“ heraus und lehnte sich nun auch gegen die Wand.
Die Zeit schien still zu stehen, und mit der Stille in meinen Gedanken kam die Panik. Ging es Nero gut? Was machte er gerade? War er verletzt? Gegen wen kämpfte er?
Nervös tigerte ich auf uns ab. Wenn ich so weiter machte, würden meine Füße bald schmerzen. Als ob Nero meine Angst gespürt hätte, stürmte er plötzlich in den Raum. Er packte meine Hand und zog mich mit.
„Gehen wir!“, rief er, damit auch Hannah, Phoebe und Hero es verstanden und uns folgten.

Wo sind die anderen?

, dachte Avery.
Sie lenken die Feinde ab, damit wir unbemerkt nach Antara verschwinden können. Sie werden dann nach kommen.


Ach ja, was ich noch fragen wollte: Wer genau wartet in Antara auf uns?


Hero hat es dir gesagt?


Ja. Ich habe gefragt was nun passieren wird. Als er mir gesagt hat, dass dort wer auf uns wartet hatte ich so ein komisches Gefühl, deswegen frage ich dich jetzt wer genau dort sein wird.


Für einen Moment herrschte Stille in ihren Köpfen. Dann seufzte Nero. Noch immer zog er sein Mädchen hinter sich her, an einen Ort, wo niemand das Portal bemerken würde. Jeder, der auch nur ein bisschen Gefühl für die Verbindung in die Zwischenwelt hatte, konnte das Portal spüren und somit ausfindig machen.
Das ungute Gefühl rührt daher, dass es sich um Talida und Leif handelt. Talida ist Leifs Frau und eine Hexe. Leif ist ein Priester der...magischen Art. Immer wenn über sie gesprochen wird, liegt etwas...Seltsames in der Luft. Ich weiß selbst nicht, woran das liegt. Vielleicht ein Zauber, damit jeder merkt wie mächtig sie sind.


Avery rollte sarkastisch die Augen.
Du kennst auch jeden, oder? Und jeder scheint dich zu kennen. Du bist schon fast eine Berühmtheit!


Jetzt übertreib mal nicht. Ich gebe zu, ich bin bekannt aber es gibt eine Menge Wesen in Antara, die nicht wissen wer ich bin.


Avery schwieg einen Moment und hielt ihre Gedanken im Zaun, doch dann lächelte sie leicht. Es war ein trauriges Lächeln.
Soll ich ehrlich sein? Das beunruhigt mich noch mehr! Wenn die Weiber dich nicht kennen wissen sie auch nichts über dich. Also auch nicht, dass du bereits vergeben bist.


Nero stieß ein Seufzen aus, in dem ein kleiner Lacher versteckt war. Sie liefen inzwischen durch den Wald, immer Richtung Stadtrand.
Wenn du nur dran denkst, wie mich eine Frau anspricht wirst du eifersüchtig, hm?


Ja.

, gab sie zu. Das gebe ich offen zu. Ich kann es nicht ertragen mit anzusehen, wie sie dir lüsterne Blicke zuwerfen und am liebsten mit der Frage herausplatzen wollen, ob du mit ihnen ins Bett steigst!


Er brach in Gelächter aus.
Glaubst du ich bin der einzige dem sie anzügliche Blicke hinterher schicken?


Was soll das heißen?


Was das heißen soll? Ganz einfach: Du wirst angestarrt, als ob du `ne Prostituierte wärst!


Avery schnaubte. Sie wusste, dass es nicht böse gemeint war, doch die Bemerkung ließ sie trotzdem wütend werden.
Entschuldige, Süße. Das war ein schlechter Vergleich...

, dachte er leise und sah kurz über seine Schulter zu ihr.
. . .
„W-Was ist das?“, fragte Phoebe panisch und fasziniert zugleich.
„Der Weg nach Antara.“, antwortete Avery grinsend und griff nach der Hand ihrer Freundin.
Mit einem lauten Quieken wurde Phoebe in das Portal hineingerissen.
„Nicht zu fassen...“, murmelte Phoebe und sah sich um. Das Wetter war noch immer so schön, wie letztes Mal als Avery mit Nero hier gewesen war.
„Willkommen in unserer Welt!“, lachte Vic, der aus dem Nichts hinter Phoebe aufgetaucht war und ihr die Worte ins Ohr flüsterte. Erschrocken zuckte sie zusammen. Leise lachend fasste Vic ihre Schultern.
„Warum so schreckhaft? Ich bin's doch nur.“
Mit großen Augen sah sie den Wolf an. Ein seltsames Kribbeln durchfuhr sie. Nero wies auf den Wald.
„Kommt schon, wir haben keine Zeit zum herum trödeln.“
Avery hatte auf einmal gute Laune, weshalb sie mit einem Grinsen auf Neros Rücken sprang.
„Was wird das?“, fragte er leicht verärgert.
„Halt die Klappe und trag mich. Du bist mein Freund und Freunde tun so etwas.“, antwortete sie selbstsicher. Mit einem leisen Seufzen und einem angedeuteten Lächeln trug der Vampir das Mädchen tatsächlich durch den Wald.

Nachdem Nero mich circa zehn Minuten durch den Wald getragen hatte, und die anderen hinter uns her liefen, tauchten plötzlich zwei Gestalten aus dem Nichts vor uns auf. Ein Mann und eine Frau, beide hatten schneeweiße Haare. Das ungute Gefühl, welches ich schon einmal verspürt hatte, ließ mich erschaudern und wissen, dass es sich bei den beiden um Talida und Leif handelte.
Sie waren beide schon alt, denn ihre Haut war fahl, schlaff und runzelig. Meine Arme umschlangen Neros Hals fester als ich erstarrte, sodass ich glaubte ihm die Luft nun ganz abzuschnüren. Doch er schien es überhaupt nicht zu spüren. Nachdem er immer noch nichts gesagt hatte, ließ ich ihn los und landete auf meinen Füßen. Kaum war das erledigt, verneigten Nero und Vic sich. Verwirrt tat ich es ihnen nach.
„Es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen.“, sagte Nero leise. Zeitgleich richtete ich mich mit ihnen wieder auf. Leifs Mundwinkel zuckten, Talida blieb jedoch ernst.
„Ich hätte nicht erwartet, dass der Sohn von Dakhil Tenebris uns gegenüber soviel Respekt zeigt.“, sagte Leif. Talida kniff die Augen zusammen.
„Du solltest vorsichtig sein, Junge. Die, die dich kennen halten nicht viel von dir.“, fauchte sie. Die Worte ließen mich wütend werden. Ich trat einen Schritt vor und ballte die Hände zu Fäusten.
„Es tut mir leid, jetzt so mit ihnen reden zu müssen aber er ist sich seiner Beliebtheit bewusst. Nur weil er Dinge getan hat, die nicht so schön waren und ihn deswegen nicht viele mögen heißt es nicht, dass Sie ihn auch hassen müssen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie ihn nicht persönlich kennen, also hören Sie auf ihn zu verurteilen!“
Hannah, Phoebe, Vic, Nero und wie ich nun auch merkte Rhys, Ura und Lume, starrten mich an.
„Was zum Teufel erlaubst...“
Weiter kam Talida nicht, denn Leif legte ihr eine Hand auf die Schulter, um sie zu beruhigen. Nachdem sie still geblieben war, richtete der Mann seine blau-grauen, milchig aussehenden Augen auf mich.
„Ich vermute mal du bist Nathans Geliebte.“
Misstrauisch beäugte ich ihn, dann nickte ich. Plötzlich kam er zu mir und legte mir eine Hand auf den Kopf.
„Avery, hm?“, murmelte er. „Du bist die Tochter von Airas.“
Wieder eine Pause.
„Du bist wahrlich ein bewundernswertes Mädchen und es steht Nathan durchaus zu, dich als sein Eigentum darzustellen.“
Ich blieb still, denn seine Worte entsprachen der Wahrheit. Ich war sehr wohl sein Eigentum, so wie er meines war.
Talida fauchte.
„So, die Tochter von Airas also? Na, dann haben die beiden ja schon eine Gemeinsamkeit. Beide würden uns mit ihrem Tod einen Gefallen tun!“
Nun war das Fass übergelaufen. Ich war schon fast bei ihr, als Nero mich packte und an seine Brust zog.
„Lass mich los!“, fauchte ich, doch Neros Körper war wie Stahl, hart und unnachgiebig.
„Ich würde Ihnen raten, auf Ihre Wortwahl zu achten.“, sagte er mit einem Knurren in Talidas Richtung.
„Was, wenn ich das nicht tue?“, fragte diese siegessicher. Alle schwiegen. Ich sah auf und erkannte an Neros Augen, dass er mir etwas sagen wollte. Da er es mir nicht in Gedanken mitteilte ließ mich ahnen, dass die beiden es mitbekommen würden. Es war Talidas Sieg. Vielleicht war sie nicht die stärkste aber wir brauchten ihre Hilfe, weshalb wir es uns nicht mit ihr verscherzen durften.
„Jetzt weiß ich was das Wort „Glück“ bedeutet.“, stieß ich knurrend aus. Wieder lagen alle Blicke auf mir.
„Ich schlage vor, wir konzentrieren uns auf die wichtigen Dinge.“, meinte Phoebe und sah sowohl Talida, als auch Nero und mich warnend an. Mit einem Seufzen gab ich mich geschlagen, Nero ließ mich los und die beiden alten...Leute wandten sich ab.
„In unser Versteck gelingt man nur durch einen Zauber, wenn ihr also so nett wärt und ein bisschen zusammenrücken würdet.“, sagte Leif und machte eine Bewegung mit der Hand.
Einige Sekunden darauf befanden wir uns in einer Kammer, viel mehr einem Saal, der düster eingerichtet war. An den Wänden hingen fackeln, gefährlich aussehende Waffen standen in den Ecken, ein riesengroßer Kessel stand in der Mitte des Saales und ein paar jung aussehende Mädchen und Jungen sahen auf.
Ich schluckte. Wo immer wir hier gelandet waren, einladend wirkte der Ort nicht...


_____ 17 _____


Ein Mädchen mit braunen, ja fast schwarzen Haaren sah Avery neugierig an. Alle anderen um sie herum verneigten sich und murmelten im Chor: „Wir danken den Göttern dafür, dass unsere Meister Leif und Talida wohlbehalten zurückgekehrt sind!“, nur das Mädchen starrte stumm die Vampirin an. Irgendetwas an ihrem Gesicht, kam Avery bekannt vor. Dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen.
„Vána?“
Das Mädchen bekam große Augen.
„Avery! Phoebe!“
Sie rannte auf die beiden zu und umarmte sie so heftig, dass alle drei ins Taumeln gerieten.
„Vána, was machst du hier? Wir haben dich seit der fünften Klasse nicht mehr gesehen, was ist passiert?“, fragte Phoebe. Talida packte das Mädchen grob an der Schulter und zog es kraftvoll zurück, sodass es schließlich auf ihrem Hintern landete.
„Das hat euch nicht zu interessieren. Und nun lasst uns zum Wesentlichen kommen, ich habe keine Lust mich mit Kleinigkeiten aufzuhalten.“
Averys Augen blitzten golden auf.
„Jetzt reicht es aber!“, schrie sie und holte aus. Gerade noch rechtzeitig fing Nero ihren Arm ab.
„Reiß dich zusammen!“, knurrte er und drückte ihren Arm nieder.
„Du hast gut reden. Es ist ja nicht deine ehemalige Freundin, die gerade unterdrückt wird!“
Nero zog eine Braue hoch.
„Freundin?“, fragte er leise. Avery riss sich los und rieb sich ihr Handgelenk.
„Ja! Vána, Phoebe und ich gingen seit Jahren in die selbe Klasse, bis sie irgendwann verschwand. Ist es jetzt schon verboten, sich Sorgen zu machen?“
„Eure Geschichte interessiert hier keinen, Kleine.“, sagte Talida trocken.
Avery knurrte wieder.
„Noch so ein Kommentar oder eine Handlung die mir nicht gefällt und ich verpasse dir eine! Ganz egal, was für Probleme wir dann bekommen. Ich habe besseres zutun, zum Beispiel mit meinen Freunden ein paar Leuten das Licht auszupusten!“
Plötzlich zuckten die Mundwinkel der Hexe.
„Ich gebe zu, du beeindruckst mich. So hat schon seit Jahrtausenden keiner mehr mit mir gesprochen, geschweige denn versucht mich anzugreifen. Also schön, Kleine. Meinetwegen sprich mit Vána über all die Dinge, die dich interessieren. Aber bedenke, dass nicht viel Zeit bleibt. Schließlich handelt es sich bei dem Feind um Airas und mit dem ist nicht zu spaßen!“
Überrascht sah Avery Talida an.
„I-Ist das dein Ernst? Im einen Moment hasst du mich und im nächsten, sind wir Freunde? Ich glaub, ich spinne!“
Die anderen waren ebenfalls überrascht über diese Worte. Selbst Leif, der seine Frau so etwas noch nie hatte sagen hören.
„H-Herrin, Ihr erlaubt mir...“, begann Vána, doch Talida winkte ab und unterbrach sie.
„Na los, beantworte ihr schon die Fragen, auch meine Geduld ist irgendwann aufgebraucht.“
Vor Glück lächelnd rappelte Vána sich auf.
„Das du hier bist lässt mich vermuten, dass du kein Mensch bist.“, sagte Avery nachdenklich und musterte das Mädchen, welches unglaublich zierlich war und dadurch graziös wirkte. Vána schüttelte den Kopf.
„Nein, ich bin kein Mensch. Ich bin eine Elfe dritten Ranges, dass heißt ich wurde geboren, um zu dienen. Das ist der Grund, warum ich damals verschwunden bin. Man hat... meine Dienste in Anspruch genommen, um es nett auszudrücken.“
Phoebe machte große Augen.
„Eine Elfe? Das scheint cool zu sein, äh, wäre da nicht diese dritte Rang Geschichte. Wie alt bist du?“
Avery verdrehte die Augen, Vána kicherte.
„Ich bin etwas über hundert Jahre alt. Ein ziemliches junges Ding, hier in Antara."
Avery ließ den Blick schweifen und wandte sich ab.
„Ich glaube, wir reden später weiter.“, sagte sie, als sie Neros Blick bemerkte. Talida drehte sich um und sah einen Jungen mit schwarzen Haaren an. Seine blauen Augen blitzten vor Angst auf, als sie mit der Hand auf ihn wies.
„Cillian, sei so nett und bringe unsere Gäste in den Konferenzraum, Leif und ich kommen dann nach.“ Die freundlichen Worte von Talida überraschten Cillian und ließen ihn lächeln.
„Jawohl!“, sagte er und wandte sich den anderen zu. Wortlos folgten sie dem Jungen.

Ich nahm an einem großen Tisch Platz und musterte den Jungen Cillian.
„Kann es sein, dass wir uns schon einmal begegnet sind? Du kommst mir bekannt vor.“, sagte ich nachdenklich. Der Junge lächelte schwach und stellte dabei meiner Mutter und Phoebe ein Glas Wasser hin.
„Wir sind uns tatsächlich schon einmal begegnet. Allerdings ist es schon ein paar Jahre her.“
Mit einem „Hm“ ließ ich das Thema fallen. Talida und Leif betraten den Raum, sofort herrschte Stille.
„Also schön, was ist passiert?“, fragte Leif und setzte sich an das Ende des Tisches.
Nero verschränkte die Arme.
„Airas hat seinen Truppen befohlen, meine Villa zu umstellen. Ilias, Averys Bruder, und ihr ehemaliger Freund Casey wollten sie, mal wieder, mitnehmen. So langsam geht mir dieser Kerl auf den Sack. Die Probleme die ich ihm verschafft habe, scheinen ihm egal zu sein. Er will seine Tochter um jeden Preis haben und das gefällt mir gar nicht!“
Leif verschränkte ebenfalls die Arme.
„Verstehe. Airas hat es also auf seine Tochter abgesehen und würde alles dafür tun, um sie zu bekommen. Er hat sich kein bisschen verändert, wenn er etwas will, dann bekommt er es auch.“
Ura meldete sich zu Wort.
„Wir haben leider keine Möglichkeit um Hannah, Phoebe, Avery und Nero unterzubringen. Habt ihr einen Ort, an dem sie sicher sind?“, fragte sie. Leif und Talida wechselten einen Blick miteinander.
„Es stehen nur zwei Zimmer zur Verfügung...“
Talida brauchte gar nicht weiterzusprechen, ich unterbrach sie und grinste.
„Die nehmen wir. Hannah und Phoebe können sich ein Zimmer teilen, ebenso wie Nero und ich.“
Neros Mundwinkel zuckten. Er wollte mir wahrscheinlich etwas sagen, doch da Leif und Talida wahrscheinlich Gedanken lesen konnten, riss er sich zusammen. Doch er brauchte nichts zu sagen, Talida ahnte es bereits. Sie fing an zu grinsen.
„Wie ihr wollt. Aber ich weise euch darauf hin, dass die Wände hier Ohren haben.“
Nach kurzer Stille seufzte Lume.
„Wie gehen wir nun vor?“
„Können wir das vielleicht später besprechen? Ich bin müde.“, sagte ich leise und gähnte dann herzhaft. Leif lächelte verständnisvoll.
„Hannah, Phoebe und du könnt euch ruhig ausruhen. Wir bleiben hier und besprechen alles weitere.“
Cillian kam auf uns zu.
„Kommt, ich zeige euch eure Zimmer.“
Zu dritt folgten wir ihm.

Als Avery die Augen aufschlug bemerkte sie, dass starke Arme sie umschlungen hatten.
Gut geschlafen, Süße?


Avery lächelte schwach und sah brummend zu Nero auf.
„Ohne dich war das Bett nur halb so schön.“
Nero grinste, legte sich auf sie und küsste ihren Hals. Der Geruch ihres Blutes war, seitdem er sie in eine Vampirin verwandelt hatte, noch intensiver geworden. Auch Avery empfand seinen Geruch nun noch intensiver.
Ich will das nicht mehr, Nero. Ich weiß nicht, wie lange ich das noch aushalte! Wenn ich Casey noch einmal sehen muss, werde ich nicht mehr so ruhig bleiben können...


Liebevoll strich er ihr das Haar aus dem Gesicht.
Fängst du schon wieder mit diesen Gedanken an? Liebes, ich habe dir doch schon gesagt, dass wir das wieder hinkriegen. Wenn du Casey das nächste Mal begegnest liegt es an dir zu entscheiden, ob du ihn töten willst oder nicht. Wenn du es nicht übers Herz bringst, werde ich das gerne für dich erledigen. Dieses Arsch hat dir solche Schmerzen bereitet, dass es ewig dauern wird, bis du darüber hinweg bist.


Das Mädchen schmiegte sich an seine Brust.
Ich weiß das er ein Arsch ist aber...hast du dich mal gefragt, warum das alles passiert ist? Ich meine er liebt mich. Ich kenne dich gut genug um zu wissen, dass du alles getan hättet um mich zu bekommen. Vielleicht ist er der Meinung, du könntest mir schaden und mag dich deshalb nicht. Jede Handlung hat eine Bedeutung und einen Grund. Das er nun unsterblich ist, ist natürlich nicht schön aber ihm einfach so sein neues Leben zu nehmen, da ihm schon sein altes genommen wurde finde ich nicht fair.


Das machte auch Nero nachdenklich. Vielleicht hatte sie ja Recht? Was, wenn Casey nur ihr Bestes wollte? Doch wenn er das wirklich wollte, würde er alles tun um sie glücklich zu machen. Doch wenn Avery sich von Nero trennen müsste, wäre sie alles andere als glücklich.
Mag sein.

, dachte er. Aber willst du das Risiko eingehen, mich erneut zu verlieren? Ich bin mir ziemlich sicher, dass er alles dafür tun würde um dich zu bekommen, genauso wie ich es versucht hätte.


Können wir über was anderes reden?


Nero küsste sie.
„Natürlich. Worüber willst du reden?“
Sie schwieg, dann grinste sie.
„Vergiss das reden!“
. . .
„Glaubst du, sie haben uns gehört?“, fragte ich leise und sah Nero, der neben mir lag an. Er grinste.
„Oh ja!“
Ich seufzte.
„Na toll.“
Einen Augenblick lang dachte ich nach, dann richtete ich meine grauen Augen auf den Vampir neben mir.
„Und? Wie gehen wir nun vor? Habt ihr euch schon eine Strategie überlegt?“
„Wir werden eine Zeit lang hier in Antara bleiben. Allerdings besteht auch hier die Gefahr angegriffen zu werden, denn Airas ist natürlich auch in der Lage hierher zu gelangen. Wir werden versuchen einen seiner Lakaien zu manipulieren, damit wir die Chance haben herauszufinden, wo sein Versteck liegt. Haben wir sein Versteck dann gefunden, kann er sich warm einpacken.“
Ich schloss die Augen und dachte über seine Worte nach.
„Das klingt so leicht.“
Nero schnaubte.
„Wenn es denn auch so wäre. Natürlich wird das nicht leicht, zu schaffen ist es aber. Du bist eine ziemliche Pessimistin, weißt du das?“
Ich rollte mit den Augen.
„Wir beide haben ziemlich viel Scheiße erlebt, du müsstest wissen warum ich so pessimistisch denke.“
Nero strich mit mit der Hand übers Haar und küsste mich dann kurz.
„Du bist die wunderbarste Frau auf Erden, Schatz, wenn du nicht ganz so pessimistisch denken würdest, könnte ich mich mit dieser Eigenschaft anfreunden.“
Ich erstarrte in seinen Armen. Schließlich sah ich auf.
„H-Hast du mich gerade „Schatz“ genannt?“, fragte ich verwirrt.
Lächelnd nickte er.
„Sag das nicht.“, meinte ich mit hochgezogenen Augenbrauen. „Aus deinem Mund klingt es...unpassend. Bleib bei „Süße“, okay?“
Er blieb still und spielte mit meinen Haaren.

Avery hatte erfahren, dass Casey und Ilias in Antara gesichtet wurden weshalb sie beschloss, Phoebe nach einem Rat zu fragen. Sie öffnete die Tür ihres Zimmer und blieb angewurzelt stehen.
„Äh.“, war das einzige, was sie herausbrachte. Phoebe lag auf dem Bett, über ihr Vic, der sie leidenschaftlich küsste. Avery räusperte sich, was Vic sofort aufschauen ließ.
„Ich wollte mit Phoebe sprechen. Unter vier Augen, wenn möglich.“
Mit einem Grinsen lehnte Vic sich zurück, dann stieg er aus dem Bett und verließ das Zimmer.
„Was war das denn?“, fragte Avery verwirrt, nachdem Vic verschwunden war.
Phoebe grinste.
„Du bist nicht die einzige, die ihren Spaß hat. Aber anstatt darüber zu sprechen sag mir lieber, worüber du mit mir reden wolltest.“
Seufzend ließ Avery sich neben ihrer Freundin auf dem Bett nieder.
„Ilias und Casey wurden in Antara gesehen.“
Phoebe schwieg einen Augenblick, dann sah sie Avery zweifelnd an.
„So wie du das sagst klingt es, als würdest du das wollen.“
Avery schüttelte den Kopf.
„Ich würde beide am liebsten in der Luft zerreißen aber...“, sie unterbrach sich und seufzte.
„Nero hatte bereits die Chance, Casey zu töten aber ich wollte es selbst machen. Irgendwie sind mir die Worte, dass ich ihn umbringen will so rausgerutscht. Einerseits will ich das, andererseits weiß ich nicht, ob das richtig ist. Ich meine, er ist doch nur wegen mir so geworden, bin ich dann nicht diejenige die verschwinden sollte?“
Phoebe nahm ihre Freundin in den Arm und seufzte ebenfalls.
„Süße, wie lange willst du ihm noch hinterher trauern? Ich will dir deine Entscheidungen nicht abnehmen aber wenn sich nicht bald jemand um ihn kümmert, werden die Probleme nur noch größer werden. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er dich an einigen Dingen hindern wird. Wenn du nicht bald was unternimmst, wirst du später nicht in der Lage sein ihm wehzutun. Ganz egal auf welcher Art.“
Avery schob ihre Freundin weg und erhob sich.
„Ich weiß nicht ob ich das kann, Phoebe! Soll ich ihn wirklich töten?“, fragte sie traurig, mit Tränen in den Augen.
„So leid es mir auch tut, Avery aber ich schätze du hast keine andere Wahl. Denk doch mal an Nero, Airas und Ilias machen schon genug Probleme, dich dann auch noch vor Casey zu schützen ist für ihn sicher kein Kinderspiel.“
Die Tränen rannen Avery ungehindert über die Wangen. Mit einem leichten Nicken wandte sie sich ab und verließ den Raum.

Ich dachte zurück, an die Zeit in der ich Casey kennengelernt hatte. Ich saß im Park, dachte nach, als er plötzlich auftauchte und mich fragte, ob ich nicht Lust hätte in seiner Band zu spielen. Natürlich lehnte ich erst ab, aus Angst mich irgendwann mal zu blamieren, doch dann sagte ich doch zu. Ich hatte das Gefühl keiner der Jungs mochte mich, irgendwann ließ dieses Gefühl jedoch nach. Casey und ich kamen uns immer näher aber immer als er erkannte, dass mir das unangenehm war, zog er sich sofort wieder zurück. Wir hatten eine Menge Spaß zusammen, nicht zu fassen, dass unsere Freundschaft in die Brüche gegangen war. Warum haben sie ihn bloß in einen Vampir verwandelt? Es war doch schon schwer genug, doch jetzt war es noch schlimmer.
Plötzlich stieß ich mit jemandem zusammen. Ich sah auf und begegnete dem Blick von Nero und Lume. Als ich ihre Gesichter sah, zog ich die Brauen hoch und trat einen Schritt zurück.
„Was ist los? Ihr seht so aus als ob...“, weiter kam ich nicht, denn Nero packte meine Hand und zog mich mit.
„Für unnötige Fragen haben wir jetzt keine Zeit. Du hast jetzt die Chance, deinen ehemaligen Freund zu töten.“
Ich erstarrte, wurde aber ununterbrochen mit gezerrt.
„Was soll das heißen?“, fragte ich verwirrt und passte mich ihrem Tempo an.
„Dein Bruder und Casey werden in diesem Moment von Rhys und Vic in Schach gehalten. Wir sind jetzt auf dem Weg zu ihnen.“, antwortete Lume.
Ich begann zu zittern. War ich für Caseys Tod denn schon bereit?
„Äh...genau darüber habe ich gerade nachgedacht und...ich bin mir nicht sicher, ob ich..."
Weiter kam ich nicht, Nero unterbrach mich.
„Schon gut, Süße. Ich sagte doch, dass ich das gerne für dich übernehme.“
Wir liefen weiter, verließen das Versteck von Talida und Leif und rannten durch den Wald zur Klippe, wo wir die anderen schon von weitem erkennen konnten...


_____ 18 _____


Avery wandte ihren Blick ab als sie sah, dass Vic Casey einen solch kräftigen Schlag verpasste, dass sie die Knochen selbst aus weiter Entfernung brechen hören konnte.
Nero warf seiner Freundin einen traurigen Blick zu, doch sie blockte sofort ab.
„Vergiss es, Nero! Ich oder niemand, klar?“
„Wie du willst. Aber lass mich wenigstens die Vorarbeit machen!“
Avery verdrehte die Augen und senkte den Blick.
„Musst du dich immer so aufspielen?“
Stumm rannten sie auf die Truppe am Klippenrand zu.
Noch bevor sie sie erreicht hatten, wurde Avery von jemandem gepackt und zurückgerissen.
Sie prallte mit dem Rücken auf den harten, steinigen Boden auf und spuckte Blut, als ein kräftiger Schlag sie im Magen traf.
„Kleine, ich gebe zu bei deinem Anblick werde ich schwach, jedoch sind für meine Sexfantasien keine Zeit.“, raunte ihr eine tiefe Stimme ins Ohr.
Sie schlug ihre goldenen Augen auf und verpasste dem Vampir einen Tritt.
„Ziemlich feige, sich an jemanden heranzuschleichen um ihn problemlos außer Gefecht zu setzten!“, knurrte sie und kam durch eine schnelle Bewegung wieder auf die Beine.
Sie sah, dass auch Lume und Nero durch zwei Fremde Vampire in Bewegung gehalten wurden, weshalb sie nun auf sich allein gestellt war.
Habt ihr gewusst, dass es so viele sind?

, dachte sie und hoffte, durch ihre Gedanken Nero nicht völlig von seinem Kampf abzulenken.
Nein. Wenn ich es gewusst hätte, hätte ich dich niemals mitgenommen!

, kam es zurück. Sie schwieg und wich der Faust des Vampirs, ihr gegenüber aus. Doch noch bevor sie zum Gegenangriff ausholen konnte, wurden ihre Arme zurückgerissen.
„Böses Mädchen!“, flüsterte eine ihr bekannte Stimme.
Sofort erstarrte sie. Ihre Beine gaben nach, doch sie wurde sofort wieder auf die Beine gezogen. Airas schmiss sie über seine Schulter und grinste fies.
„Eine Falle?“, fragte Avery perplex. „Du hast Ilias und Casey extra hergeschickt, um uns aus der Reserve zu locken, nicht wahr?“
„Wie schlau meine Tochter doch ist! Ja, das habe ich. Und ich hätte nicht gedacht, dass es funktioniert.“
Avery begann wieder zu knurren und begann mit ihren Fäusten auf Airas` Rücken herum zu trommeln.
„Du mieser Bastard! Lass mich gefälligst runter!“
„Träum weiter, Liebes.“, erwiderte Airas.
„Avery!“, brüllte Nero. Er war bereits auf dem Weg zu ihr, doch ein bulliger Vampir stellte sich ihm in den Weg.
„Nero!“, schrie Avery und versuchte erneut verzweifelt sich zu befreien.
„Hör auf zu zappeln.“, sagte Airas und wandte sich zum gehen.
Das Reißen von Haut war zu hören, dann ein schmerzerfüllter Schrei. Airas ließ seine Tochter los, worauf diese mit einem dumpfen Prall auf dem Boden landete. Überrascht starrte sie erst ihre blutigen Finger, dann die Fleischwunde in Airas` Rücken an.
Mit gefletschten Zähnen drehte sich Airas zu Avery um und packte sie an der Kehle.
„Du verdammtes Miststück! Du bist auch nicht viel besser, als deine Mutter!“
Das Mädchen verpasste ihrem Vater einen Tritt in die Weichteile, worauf er erneut vor Schmerz aufschrie. Nach Luft ringend landete sie auf ihren Füßen.
„Wage es nicht, so mit mir zu reden! Was erlaubst du dir eigentlich, hm?“
Sie verpasste ihm einen heftigen Schlag, sodass er über den Boden schlitterte und ein paar Meter entfernt liegen blieb. Blut lief aus seinem Mundwinkel.
Plötzlich war Avery diejenige, die einen Schlag abbekam. Sie flog durch die Luft, prallte nah am Klippenrand am Boden auf, schlitterte weiter und rutschte über die Felskante.
Mit einem ängstlichen Wimmern schaffte sie es, sich mit einer Hand am felsigen Rand festzuhalten.
„Scheiße.“, fluchte sie und versuchte, mit der anderen Hand ebenfalls nach dem Felsrand zu greifen. Doch irgendwie wollte es nicht so recht klappen.
Sie sah nach unten und schluckte. Sie konnte die Entfernung zum Boden nicht abschätzen, weshalb sie es bei einem sehr, sehr, sehr tief beließ. Zu ihrem Pech verlor sie auch noch den Halt.
„Kann mir mal jemand helfen?“, schrie sie und hoffte, dass nicht einer der Gegner über ihr auftauchen würde, um ihr ein Ende zu bereiten.
„Und schon wieder sterbe ich.“, murmelte sie genervt, zugleich ängstlich, als sie sich nicht mehr halten konnte. Der Fels entglitt ihrer schweißnassen Hand. Sie schrie, schrie so laut sie konnte, als plötzlich jemand ihr Handgelenk packte.
Neros Gesicht tauchte über ihr auf.
„Hab dich!“, schnaufte er und zog sie hoch.
„Du siehst echt schlimm aus...“, sagte sie leise, als er sie über den Rand gezogen hatte. Vorsichtig fuhr sie mit den Fingern über die Wunden, Kratzer und den Dreck in seinem Gesicht.
„Schon gut. Wir haben keine Zeit, um uns Sorgen zu machen.“, antwortete er darauf und wandte sich von ihr ab.
„Du hast Recht.", murmelte sie leise.
Plötzlich begann Nero zu grinsen.
„Du hast einen wichtigen Nerv in Airas` Rücken zerstört, dass wird ihn eine Weile außer Gefecht setzen.“
Die Vampirin senkte den Blick.
„Eigentlich wollte ich ihn gar nicht so sehr verletzen. Es war...aus Versehen.“
Nero begann zu lachen und zog seine Freundin mit.
„Mach weiter so. Glaubst du, du schaffst es ein Herz eines Vampirs zu zerstören? Wenn du glaubst das du das kannst, dann kümmern wir uns zuerst um Casey. Er ist im Moment so weit geschwächt, dass er sich nur schwer verteidigen kann.“
Avery schluckte.
„Ich weiß nicht ob ich das kann aber...“, sie zögerte. Dann holte sie entschlossen Luft und ballte ihre Hände zu Fäusten. „Aber ich werde es versuchen.“
Nero beugte sich leise lachend zu ihr hinunter, um sie kurz und schnell zu küssen.
„Ich liebe dich!“
Sie lächelte schwach.

Casey lag schwer atmend auf dem felsigen und kalten Boden und presste seinen Arm gegen seinen Bauch. Eine große, klaffende Wunde machte ihm zu schaffen. Ob ich ihn wirklich töten würde, stellte sich in wenigen Sekunden heraus. Nero küsste mich noch einmal kurz auf die Stirn und wandte sich von mir ab.
„Ich muss mich um deinen Bruder kümmern, sonst funkt er dir dazwischen.“
Kaum hatte er die Worte ausgesprochen war er auch schon verschwunden. Unsicher ließ ich meinen Blick schweifen. Um Himmels willen, warum war Phoebe hier? Geschockt sah ich zu, wie ein Vampir sich auf sie stürzen wollte, doch durch Vics großer Pranke daran gehindert wurde. Verliebtheit wich der Angst in Phoebes Gesicht. Ich zog die Stirn kraus. Sie war doch mit Bryan zusammen, also warum machte sie mit Vic `rum? Ich zuckte leicht mit den Schultern. Konnte mir das nicht egal sein?
Vielleicht würde sie mit Bryan Schluss machen, wenn sich herausstellte, dass mehr aus Vic und ihr wurde. Ich sah mich weiter um. Nero kämpfte gegen Ilias, Rhys war mit einem Blondschopf beschäftigt und Lume versuchte verzweifelt an Airas zu gelangen, was aber nicht funktionierte, da der bullige Vampir von vorhin sie auf Trab hielt.
Nun wandte ich mich wieder meinem „Freund“ zu. Traurig blickte ich auf ihn herab. Der Dolch, der mir vorhin in die Hand gedrückt wurde, lag unendlich schwer in meiner Hand und schien von Sekunde zu Sekunde schwerer zu werden. Ich spürte wie sich Tränen in meinen Augen sammelten.
Sollte das das Ende sein? Scheinbar ja. Tapfer wischte ich mir die Tränen weg. Dann, auch wenn es pervers aussah, setzte ich mich rittlings auf Casey drauf. Er keuchte, was nicht verwunderlich war, da die große, klaffende Wunde - wir erinnern uns – natürlich nicht verschwunden war.
„Entschuldige.“, murmelte ich. „Aber die Schmerzen werden schlimmer werden...“, fügte ich ausdruckslos hinzu. Meine Finger umschlossen den Dolch fester.
„Ich nehme nicht an, dass du mir ein letztes Mal zuhören wirst.“, meinte ich und sah ihn forschend an. Ich erkannte Gefühle in seinen Augen, konnte sie aber nicht zuordnen.
„Na los, Avery. Bring mich endlich um, dann muss ich wenigstens nicht mehr ertragen, wie Nero dir ständig die Zunge in den Hals steckt.“
Knurrend holte ich mit der freien Hand aus und verpasste ihm einen Schlag mit der flachen Hand. Sein Gesicht wurde durch die Wucht zur Seite geworfen.
„Idiot.“, knurrte ich. „Glaubst du, das alles macht mir Spaß? Es tut mir leid wenn unser Anblick dich stört aber daran kannst du nichts ändern!“
Ich schluckte. Tränen rannen über meine Wangen. Caseys Lippe war wegen dem Schlag aufgeplatzt, dass Blut lief langsam über seine Haut. Vorsichtig wischte ich es weg.
„Glaubst du wirklich, dass ich durch deinen Tod glücklich werde? Glaubst du, dass mir diese Tat leicht fällt? Ganz bestimmt nicht, Casey. Ich will dich nicht töten aber du lässt mir keine Wahl. Du stehst auf der Seite meines Vaters. Was hat er dir versprochen? Hat er dir gesagt, dass wenn du mich zu ihm bringst du mich haben kannst? Ist es das? Oder hat er dir große Macht versprochen? Casey, sag mir, warum du das tust. Warum um alles in der Welt, bereitest du mir solche Schmerzen? Ich weiß, dass ich dir auch Schmerzen bereitet habe. Natürlich wollte ich, dass auch du glücklich wirst. Warum, Casey?“
Die Wörter sprudelten nur so aus mir heraus, bis ich schließlich ganz anfing zu schluchzen. Was war ich nur für eine Heulsuse...
Casey schwieg.
„Meinetwegen, dann schweig. Aber das wird es auch nicht besser machen.“, meinte ich und atmete tief durch. Der Dolch in meiner Hand schien inzwischen mehrere hundert Kilo zu wiegen. Langsam senkte sich die Klinge auf seine Brust. Die Spitze berührte seine Haut, doch sofort hielt sie inne. Langsam und zitternd hob Casey seinen Arm, um mir die Tränen von den Wangen zu wischen.
„Ich lie...“, weiter kam er nicht.
Sein „Ich liebe dich.“ wurde durch einen markerschütternden Schrei unterbrochen. Es war sein Schrei. Kraftvoll drang die Klinge in sein Fleisch ein, durchstieß sein Herz und ließ ihn lauter schreien.
„Spar dir dein „Ich liebe dich.“!“, schluchzte ich und stieß immer wieder auf ihn ein.
Ich war wütend, traurig, verzweifelt, durcheinander und kam mir hilflos vor. Hier saß ich, auf dem leblosen Körper meines besten Freundes, ließ all meine Wut an ihm aus und heulte.
Ich war so armselig. Noch nie in meinem Leben, hatte ich mich so schlecht gefühlt.
Ich hatte meinen Freund auf dem Gewissen! Mörderin!

, hallte es mir durch den Kopf. Ich wollte gerade erneut auf ihn einstechen, als meine Hand plötzlich über meinen Kopf gezogen wurde.
„Es reicht.“, sagte Nero leise. Mein Blick glitt über Caseys geschändete Brust. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich schon zwölf Mal den Dolch in ihm versengt hatte.
Mit roten, verquollenen Augen sah ich zu Nero auf.
„Ich...ich...“
Ich schaffte es nicht einmal einen vernünftig formulierten Satz über die Lippen zu bringen, mein Gott, was war ich nur für ein...dummes, idiotisches, krankes, naives, armes und verzweifeltes Weib?
Nero zog mich auf die Beine und drückte mich dann gegen seine Brust.
Ganz ruhig, Süße.


Er strich mir übers Haar, doch dadurch schien es irgendwie nur schlimmer zu werden.
Ich stieß ihn von mir und fuhr mir durchs Haar.
„Lass gut sein.“, knurrte ich und wandte mich ab. Erst jetzt merkte ich, dass Airas verschwunden war. Seine Lakaien ebenfalls. Die anderen standen nicht weit von uns entfernt und starrten mich an. Ich erkannte die unterschiedlichsten Gefühle in ihren Augen. Sorge, Schrecken, Überraschung und noch einige andere.
„Was glotzt ihr denn so?“, schrie ich wütend und stapfte los. Ich wusste nicht in welcher Richtung das Versteck von Talida und Leif lag aber das war mir egal. Ich lief einfach weiter.
„Avery!“, rief Nero mir nach.
„Lass mich in Ruhe!“, schrie ich.
Avery, es ist okay.


Seine Stimme in meinem Kopf ließ mich aufschreien.
„Nichts ist okay, verdammt! Ich habe meinen besten Freund umgebracht!“
Stille. Es war, als hätte jemand die Zeit angehalten. Selbst das kleinste Geräusch war verstummt. Ich ging weiter und spürte, wie sie mir folgten. Stumm weinte ich vor mich hin.

„Süße...“, begann Nero.
Eine Woche war vergangen. Avery hatte, seit dem Tod von Casey, nicht ein Wort gesagt. Neros Nähe hatte sie seitdem auch nicht mehr zugelassen.
„Verschwinde.“, knurrte sie, nachdem er sich auf die Bettkante gesetzt hatte.
Seine Augen färbten sich gold, als grob ihr Kinn packte und ihr Gesicht in seine Richtung drehte.
„Es reicht!“, brüllte er und funkelte sie wütend an. „Wie lange soll das noch so gehen? Du kannst ihm doch nicht ewig hinterher trauern.“, schnaubte er.
Mit Tränen in den Augen nahm sie seine Hand und drückte sie nieder.
„Ich trauere ihm nicht hinterher.“, fauchte sie. „Ich komme nicht damit klar, dass ich diejenige war, die ihm sein Leben genommen hat!“
Noch bevor sie reagieren konnte, hatte Nero sie in seine Arme gezogen.
„Du hast das richtige getan, Avery. Außerdem warst du es die gesagt hat „Ich will ihn töten“. Niemand hat es dir aufgezwungen.“
Sie begann zu schluchzen.
„Das ist es ja eben.“, sagte sie leise. „Ich hätte es nicht machen müssen, trotzdem habe ich es getan. Warum?“
Und schon wieder hallte das Wort „Mörderin“ durch ihren Kopf.
„Denk nicht mehr darüber nach, okay? Wir müssen uns jetzt auf deinen Vater konzentrieren. Ich weiß, dass es dir schwer fällt aber du musst ihn vergessen, hast du gehört?“
Nach einigen Sekunden nickte sie. Sie würde ihn nicht vergessen. Niemals!
. . .
„Wo ist Phoebe?“, fragte Avery, nachdem sie ihre Freundin nicht gefunden hatte.
„Vic hat sie nach Hause gebracht. Sie meinte, sie müsse mit jemandem reden.“, antwortete Nero darauf. Avery grinste.
„Der arme Bryan.“, sagte sie kichernd.
„Warum?“
„Phoebe wird mit ihm Schluss machen.“
„Wie kommst du darauf?“
Averys Grinsen wurde größer. Sie deutete mit dem Kopf auf Vic, der ebenfalls am Tisch saß, jedoch mit etwas anderem beschäftigt war.
Ich habe die beiden zusammen in im Bett erwischt. Sie liebt ihn, ich sehe es ihr an, jedoch bin ich mir nicht sicher, was er von ihr hält.


Neros Mundwinkel zuckten.
Typisch Frau. Wenn es darum geht, seid ihr Feuer und Flamme. Ich schätze mal Vic wird ebenfalls Interesse haben, sonst hätten die beiden wohl nicht zusammen im Bett gelegen.


Avery lächelte vor sich hin. Allerdings verging ihr das Lächeln wieder als sie daran dachte, was mit Casey passiert war.
Nero! Was, wenn mit ihr das selbe passiert, wie mit Casey und sie sie ebenfalls verwandeln?


Liebevoll sah er sie an.
Das wird nicht passieren. Sie wird abwechselnd von uns überwacht. Deine Mutter wird allerdings hier bleiben. Das Risiko das ihr etwas geschehen könnte, ist zu groß.


Das Mädchen nickte und widmete sich dem Kakao vor ihr.
„Wie sieht's mit dem Plan aus? Werden wir an Airas herankommen?“, fragte sie dann.
Nero verschränkte die Arme und lehnte sich zurück.
„Wir haben es geschafft, einen seiner Lakaien zu manipulieren. Nun heißt es abwarten. Wir werden ihn alle paar Tage Bericht erstatten lassen, dann sehen wir weiter.“
Wieder nickte sie.
„Wo sind eigentlich Talida und Leif? Ich habe sie schon lange nicht mehr gesehen.“
Nero lächelte, ein fröhliches Lächeln war es aber nicht.
„Du hast eine Woche lang im Bett gelegen, wie willst du sie da sehen? Keiner von uns weiß, wo sie stecken. Und wenn ich ehrlich bin, ich will es auch gar nicht wissen. Ich bin sicher, die anderen sehen das genauso wie ich.“
„Ich weiß was du meinst, sie sind echt unheimlich.“, antwortete die Vampirin darauf und wandte ihren Blick von Nero ab. Stattdessen richtete sie ihn auf Vic, der noch immer still da saß.
„Sag mal, was genau läuft eigentlich zwischen dir und Phoebe?“, fragte sie mit breitem Grinsen. Vic sah, ebenfalls grinsend, auf.
„Sagen wir es mal so, deine Freundin fasziniert mich. Und zwar so sehr, dass ich mit dem Gedanken spiele, nie wieder einer anderen Frau auf den Arsch zu schauen, nur um sie zu bekommen.“
Hat deine Neugier doch gesiegt?

, kicherte Nero.
„Viel Glück. Ich wette sie macht gerade mit ihrem Freund Schluss, damit sie sich ohne schlechtes Gewissen an dich ran machen kann.“, sagte Avery.
Der Wolf lachte leise und kehlig.
Plötzlich sah Nero Avery unverwandt an. Ein gewisses Funkeln trat in seine Augen als er begann zu grinsen.
„Nun, da man wieder mit dir reden kann, würde ich dir gerne etwas vorschlagen.“, sagte er geheimnisvoll. Avery kniff die Augen zusammen.
„Na, jetzt bin ich aber mal gespannt.“
Vic wurde ernst und musterte das Mädchen. Er wusste was Nero sagen wollte, sie hatten schon darüber geredet, selbst Talida und Leif wussten Bescheid.
„Ich hatte schon vor Wochen vor, mit dir zu trainieren aber nach dem Angriff auf Airas von dir wird es jetzt höchste Zeit, dass du mit deinen Kräften vertraut wirst.“
Avery erstarrte, ihre Augen weiteten sich.
„S-Soll das heißen ihr wollt...“
„Deine Fähigkeiten und Kräfte austesten.“, beendete Nero den Satz.
Avery schluckte. Sie wusste, was das bedeutete. Sie würde Nero angreifen müssen, mit der Angst, ihn ernsthaft zu verletzen. Nero schnappte ihre Gedanken auf.
„Du bist stark, Süße. Aber so stark um mich zu töten, bist du nicht.“
Nach kurzem Überlegen zog die Vampirin einen Mundwinkel hoch.
„Soll das heißen, du glaubst nicht das ich in der Lage bin dich ernsthaft zu verletzen?“
Nero blieb still, sah sie jedoch herausfordernd an. Avery sprang auf und haute die Hände auf die Tischplatte.
„Ich habe Airas eine schwere Verletzung zugefügt, also wieso sollte ich das bei dir nicht können?“, fauchte sie.
Du liebst mich. Du würdest mich niemals ernsthaft verletzen!

, dachte er ohne mit der Wimper zu zucken. Noch immer lag ein herausfordernder Unterton in seiner Stimme. Avery wollte etwas sagen, doch sie schloss den Mund wieder. Sie musste sich geschlagen geben. Sie wandte sich ab und verließ den Raum.
Wer weiß. Vielleicht kann ich mal eine Ausnahme machen.

, dachte sie grimmig.
Gib zu, dass ich Recht habe. Du liebst mich, du bist nicht in der Lage mir Schmerzen zuzufügen.


Sie knurrte und antwortete nicht.


_____ 19 _____


Nervös tigerte ich auf und ab. Man hatte mich in die Trainingshalle bestellt, von der ich nicht einmal wusste, dass es eine solche Halle gab. Doch als ich hier ankam, war niemand da. Leise knurrend lief ich weiter auf und ab. Ich hatte ein bauchfreies Tubetop und Shorts an, meine Füße waren nackt.
Plötzlich schlossen sich zwei Arme um meinen Bauch.
„Weißt du eigentlich wie sexy du bist?“, raunte Nero mir ins Ohr.
Ich packte einen seiner Arme und zog ihn über meine Schulter, worauf Nero vor mir zu Boden ging. Mit vorgeschobenen Lippen sah ich auf ihn herab.
„Du hast mich warten lassen.“, meinte ich. Ehe ich mich versah, lag ich auf ihm. Ich wusste das Vampire schnell waren, aber so schnell? Unglaublich. Das würde wohl doch schwerer werden, als gedacht. Ich wollte mich aufrappeln, doch er war zu stark als das ich mich hätte befreien können.
„Entschuldige, aber ich habe darüber nachgedacht, wie ich dich schonend fertig machen kann.“, sagte er grinsend und drückte mir einen Kuss auf die Wange.
Ich stieß ein leises Knurren aus.
„Wir werden ja sehen, wer hier wen fertig macht!“
. . .
Nach einer Viertelstunde rang ich auf allen Vieren nach Luft. Ich war am Ende. Nero hatte mir mehrere Knochen gebrochen, Stichwunden zugefügt und mich durch die Halle gejagt. Er sah zwar nicht so schlimm aus wie ich, hatte aber dennoch einiges abbekommen. Ich hatte ihm ebenfalls ein paar Knochen gebrochen und klaffende Wunden zugefügt, doch er schien kein bisschen außer Puste zu sein, im Gegenteil, er schien Spaß zu haben.
„Schonend fertig machen, hm?“, knurrte ich und sah auf. Einige, fransige Haarsträhnen hingen mir ins Gesicht, mit einer schnellen Bewegung strich ich sie zur Seite. Nero zog die Brauen hoch und musterte mich.
„Mit solch kräftigen Angriffen habe ich nicht gerechnet. Hattest du mal Kampfsportunterricht?“
Ich schüttelte den Kopf und beobachtete, wie er auf mich zukam.
„Du bist schneller und geschickter, als ein normaler neugeborener Vampir. Hinzu kommt, dass deine Angriffe gezielt und stark sind.“, erklärte er und hielt mir die Hand hin.
Ich schaffte es tatsächlich alleine aufzustehen, auch wenn ich mich danach sofort übergeben musste. Doch alles was sich in meinem Magen befand, war Blut. Neros Hand lag schon auf meiner Schulter, doch ich schüttelte sie ab.
„Lass nur, ich komme schon klar.“, murmelte ich.
Doch er ließ sich nicht täuschen und zog mich vorsichtig an sich.
„Verzeih mir, Süße. Ich bin wohl etwas zu verbissen an die Sache herangegangen. Allerdings musst du begreifen, dass meine Angriffe nicht einmal annähernd so gezielt und konzentriert sind, wie die der wirklichen Feinde.“
Ausdruckslos sah ich ihn an. Eigentlich war es mir egal das ich von ihm fertig gemacht wurde. Viel mehr störte es mich, dass ich nicht in der Lage war, ihn genauso schlimm zu verletzen. Es war demütigend ihm nicht einmal ein bisschen Kraft gekostet zu haben. Plötzlich blieb mir die Luft weg. Eine Hand von Nero lag unter meinen Kniekehlen, die andere umschlang meinen Rücken.
„Komm, Süße. Du musst dich ausruhen.“
Teilweise verwirrt sah ich ihn an. Seine goldenen Augen färbten sich allmählich wieder grün. Im einen Moment glaubte man er würde mich töten, im anderen liebte er mich abgöttisch.
„Warum dauert die Heilung bei mir so viel länger?“, fragte ich leise, ahnungslos.
„Ich weiß es nicht.“, antwortete er auf dem Weg zu unserem Zimmer.
„Scheint als würden deine Vampirkräfte nicht alle ganz ausgeprägt sein. Irgendwie sind die Eigenschaften nicht...gerecht verteilt worden. Du bist unglaublich schnell und stark, dass ist ein Vorteil, jedoch dauert es bis du dich von Verletzungen erholt hast, ein Nachteil.“
„Das heißt?“
„Das heißt, dass du im Kampf besonders vorsichtig sein musst. Deine Angriffe sind gut, deine Abwehr allerdings weniger.“
Er legte mich aufs Bett und küsste mich auf die Stirn, ehe er ins Bad verschwand. Nach einigen Sekunden kam er mit einem nassen Tuch wieder. Er setzte sich auf die Bettkante und bedeutete mir, näher an ihn heran zu rücken. Mit einem fragenden Blick vergewisserte er sich, dass er mich ausziehen konnte. Ich bestätigte. Vorsichtig zog er mir Top und Shorts aus, bis ich fast nackt vor ihm saß. Er wischte mir das Blut von der Haut und nachdem er mit dem Tuch über mein Schlüsselbein tiefer glitt, trat ein Funkeln in seine Augen. Ich fing an zu grinsen, nahm ihm das Tuch aus der Hand und schmiss es in eine Ecke des Zimmers.
„Das ist Verschwendung!“, kicherte ich, während ich ihn an mich zog. Er sah mich erst überrascht an, dann fing er ebenfalls an zu grinsen.
„Nach einer sexfreien Woche hältst du es wohl auch nicht mehr aus, hm?“
Ich antwortete mit einem Lachen.

„Nero!“
Vic kam in den Raum gestürmt und sah den Vampir ernst an. Sorge und Wut lag in den Augen des Wolfes.
„Was ist los?“
Vic holte tief Luft, dann sagte er leise.
„Phoebe wurde angegriffen. Sie haben versucht sie zu sich zu holen.“
Mit einem lauten Knurren schlug Nero mit der Faust auf den Tisch, der darauf in der Mitte durchbrach.
„Was? Wann?“
„Vor wenigen Stunden. Lume konnte sie einigermaßen beschützen, allerdings hat sie ein paar harte Schläge abbekommen. Sie sind gerade auf dem Weg hierher.“
Nach einer kurzen Pause sah der Wolf sich um.
„Wo ist Avery?“
„Sie schläft. Und ich will, dass das auch so bleibt. Es war verdammt schwer sie dazu zu bringen, im Bett zu bleiben. Kein Wort von Phoebe zu ihr, sie würde sich sofort wieder Vorwürfe machen und darauf habe ich keine Lust.“, antwortete Nero und verschränkte wütend die Arme. Er hatte ihr gesagt, dass Phoebe nichts passieren würde und nun war ihr doch etwas passiert. Avery würde wütend werden und ausrasten, so vermutete er. Er dachte noch immer über das Training nach. Sie war verdammt stark, es war ihm unbegreiflich wie eine Neugeborene so gut sein konnte.
Vic nickte.
„Alles klar, sie wird nichts erfahren.“
„Wie schlimm ist es?“
Nero und Vic wandten sich der weiblichen Stimme zu. Avery stand in der Tür. Ihr Gesicht war ausdruckslos, jedoch verriet ihr Körper, wie angespannt sie war. Sie zitterte.
Vic und Nero tauschten einen Blick aus und seufzten zeitgleich.
Der Wolf beschloss wahrheitsgemäß zu antworten.
„Phoebe hat mehrere Knochenbrüche und Quetschungen erlitten.“
Mit einem geschockten Seufzen fuhr Avery dich durchs zerzauste Haar.
„Wie konnte das passieren?“
Nero ging zu ihr, hob ihr Gesicht mit beiden Händen an und lehnte seine Stirn gegen ihre.
„Mach dir keine Sorgen, okay? Lume ist mit ihr auf den Weg hierher.“
Avery nahm seine Hände und drückte sie nieder.
„Ich will, dass sie hier bleibt.“
Nero nickte.

„Phoebe!“
Mit Tränen in den Augen stürmte ich auf ihr Bett zu. Meine Freundin lächelte schwach.
„Keine Sorge, Süße, es geht mir gut.“, sagte sie leise.
Ich schüttelte den Kopf.
„Sei bloß still! Ich sehe doch, dass es dir beschissen geht!“, fauchte ich, nachdem ich ihre Wunden betrachtet hatte. Sie musterte mich.
„Du siehst auch scheiße aus, um ehrlich zu sein. Bist du von einer Klippe gesprungen oder was ist passiert?“
Ein Lächeln umspielte meine Mundwinkel.
„Nero und ich haben trainiert. Ich fühle mich, als hätte mich ein Laster überrollt, obwohl ich geschlafen habe...“
Phoebe lachte und sah mich dann neugierig an.
„Und? Wie stark bist du geworden?“
„Naja, ziemlich stark. Aber nicht stark genug, um einem Meistervampir ernsthaften Schaden zuzufügen.“
„Von wegen!“
Phoebe starrte auf einen Punkt hinter mir, ich drehte mich um. Nero lehnte mit verschränkten Armen am Türrahmen.
„Die Wunden die du mir zugefügt hast sind schwerwiegend, nur sieht man es mir nicht an. Seltsamerweise triffst du immer die Stellen, die empfindlicher sind als andere. Bei Airas hast du einen wichtigen Nerv zerstört, mir hast du einige wichtige Knochen gebrochen und einige Organe zerquetscht. Nicht das ich sie bräuchte aber das tut verdammt noch mal weh. Sei froh, dass mein Herz nicht dabei war, denn das ist das einzige in mir, was ich wirklich zum Leben brauche.“
Verwirrt zog ich die Brauen hoch.
„I-Im Ernst? Du meinst also, ich bin stärker als es scheint?“
Nero nickte.
„Ja. Und das hat den Vorteil, des Überraschungseffekts. Niemand, bis auf uns, weiß es. Niemand rechnet also mit deiner wirklichen Stärke.“
Phoebe und ich tauschten einen Blick aus.
„Na super! Dann steigen die Chancen gegen Airas zu gewinnen, oder nicht?“, fragte meine Freundin. Nero zuckte mit den Schultern.
„Ein wenig. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass Airas ebenfalls zu den stärksten Vampiren gehört, wir sollten ihn also nicht unterschätzen.“
„Gute Neuigkeiten!“, ertönte eine Stimme hinter Nero. Vic tauchte hinter ihm auf.
„Der Lakai von Airas hat Bericht erstattet.“
„Vic!“, kreischte Phoebe, schlug die Decke zurück und sprang so schnell aus dem Bett, dass sie stolperte. Vic fing sie auf.
„Na, Süße? Konntest es wohl nicht erwarten mich wiederzusehen,hm?“, lachte der Wolf und küsste sie auf die Stirn.
Nero und ich wechselten einen Blick miteinander.
Ich glaube, wir sollten die beiden alleine lassen...

, dachte ich.
Nero nickte kurz und zuzustimmen, dann nahm er meine Hand und zog mich aus dem Raum.
„Hören wir mal, was der Lakai zu sagen hat.“, meinte er und lächelte vor sich hin.

Als Nero und Avery den Raum betraten, standen Ura, Lume und Rhys um den Lakaien von Airas herum. Aber da war noch jemand anderes...
„Nero!“
Eine Frau stürmte auf den Vampir zu und umarmte ihn.
„Süßer, nicht zu fassen das wir uns noch einmal begegnen.“, trällerte sie fröhlich und warf Avery einen giftigen Blick zu. Die widerrum zog eine Braue hoch und sah Nero wütend und fordernd an.
„Äh, Gabrielle...Das ist Avery, meine Geliebte.“, sagte er und wies auf das Mädchen.
„So langsam habe ich die Schnauze voll.“, knurrte Avery und verschränkte die Arme.
Die Blicke der anderen richteten sich auf sie, Gabrielle lächelte amüsiert.
„Was ist los? Du siehst aus, als hättest du ein Problem.“, sagte sie arrogant.
„In der Tat, ich habe ein Problem. Und zwar mit der Tatsache, dass du nicht die erste Ex bist, die hier auftaucht.“, fauchte die Vampirin.
Nero sah sie verwirrt an. Noch bevor er fragen konnte, wandte Avery ihren Blick von ihm ab.
„Keiner von euch braucht es zu erwähnen, ich sehe euch an das ihr mal was miteinander hattet.“
Dann sah sie Gabrielle an.
„Ich will gar nicht wissen, was du hier zu suchen hast. Du solltest besser verschwinden, bevor ich mich vergesse!“, knurrte sie. Die ebenfalls rothaarige Gabrielle lachte laut und übertrieben auf.
„Du bist ja süß! Aber ich hatte nicht erwartet, dass du so dumm bist. Du müsstest doch wissen, dass ein Mädchen wie du gegen eine Vampirin wie mich keine Chance hat!“
„Gabrielle, es reicht! Ich sollte vielleicht anmerken, dass Avery außergewöhnliche Fähigkeiten hat. Und nun erkläre mir bitte, was du hier zu suchen hast. Wer hat dir von dieser Sache erzählt?“
Die Vampirin verdrehte die Augen und verschränkte anschließend ebenfalls die Arme.
„Ich bin Mars zufällig über den Weg gelaufen. Er meinte du hättest Probleme.“
Dann richtete sie ihre blauen Augen auf Avery. „Aber er hat nicht gesagt, dass du die Probleme wegen eines...Weibes hast.“
Avery knurrte erneut, Nero zog überrascht die Brauen hoch.
„Mars? Wann und wo hast du ihn gesehen? Ich frage mich wo er steckt. Seitdem er Avery nicht aus den Augen gelassen hat, habe ich ihn nicht mehr gesehen.“
Gabrielle zuckte mit den Schultern.
„Wir sind uns nachts in der Innenstadt begegnet, es ist erst einige Tage her. Ich weiß nicht von wo er kam oder wo er hin wollte. Er sah ziemlich nervös aus. Wenn ich so darüber nachdenke, kommt mir das jetzt ziemlich verdächtig vor.“
Nero nickte zustimmend und legte nachdenklich die Hand ans Kinn.
„Du hast Recht aber darüber machen wir uns später Gedanken. Erst einmal kümmern wir uns um Airas.“
„Was habt ihr herausgefunden?“, fragte Avery und ging auf Ura, Lume und Rhys zu.
Lume zog einen Mundwinkel spöttisch in die Höhe und lachte leise.
„Das Versteck deines Vaters befindet sich nicht weit entfernt des alten Bauernhofes, am Rande der Stadt. Es liegt unter der Erde und wird von ziemlich vielen Vampiren bewacht.“
Ura meldete sich zu Wort. Ihr nachdenklicher Blick verriet, dass sie sich Sorgen machte. Doch worüber, konnte keiner sagen.
„Airas weiß, dass wir ihn vernichten wollen. Er wartet bereits sehnsüchtig auf uns. Dadurch das er es weiß, hatte er die Chance sich vorzubereiten. Es lässt sich nicht ausschließen, dass er bereits eine Armee zusammengestellt hat. Der Lakai sagt, dass er wohl mehrere starke Vampire auf seine Seite gezogen hat. Unter anderem Joseph van Quan. Er hat sie davon überzeugen können, dass sein Tod unglaublich wichtig ist...“
„Dieser Bastard!“, fauchte Avery und fing an auf ihrer Lippe herumzukauen.
Plötzlich wurde die Tür aufgerissen.
„Nero! Avery!“
Mars rang nach Luft. Blut lief von seiner Schläfe, über seine Wange, bis ans Kinn, wo es zu Boden tropfte.
„Giulia ist mir begegnet! Sie war auf dem Weg zu euch und das nicht gerade gut gelaunt. Airas hat ihr irgendetwas versprochen, wenn sie euch umbringt. Ich konnte sie einigermaßen außer Gefecht setzen, allerdings konnte ich ihr kein Ende bereiten. Sie hat sich zurückgezogen aber ich fürchte, dass es nicht lange dauern wird ehe sie es erneut versuchen wird.“
Nero und Avery tauschten einen Blick aus.
„Tja, wenn er mich nicht haben kann, dann soll es wohl auch kein anderer, hm?“, murmelte sie und fuhr sich durchs Haar. Sie wandte sich von ihrem Gefährten ab und ging auf Mars zu. Dann nahm sie seine Hand und zog ihn mit.
„Die Wunde muss behandelt werden.“, sagte sie nachdenklich und zog ihn aus dem Raum.

„Hast du vergessen, dass unsere Wunden von alleine heilen?“, fragte Mars, während ich ihn durch den Flur zog.
„Glaubst du wirklich, dass ich dich deshalb aus dem Raum gezogen habe?“, antwortete ich geistesabwesend und bog in die Bibliothek ein. Ich lehnte mich gegen ein Regal und verschränkte die Arme.
„Du kennst Nero doch jetzt sicher eine Ewigkeit. Dann müsstest du Gabrielle doch eigentlich auch kennen...“
Mars zog die Brauen hoch. Dann lachte er leise.
„Verstehe.“ Nun wurde er wieder ernst. „Nero war lange Zeit mit Gabrielle zusammen. Wenn ich mich nicht täusche, waren es knapp sieben Jahre. Ich habe immer daran gezweifelt das sie sich liebten, was vielleicht daran lag, dass Nero sich an jede gutaussehende Frau ran gemacht hat und Gabrielle die meiste Zeit mit anderen Kerlen unterwegs war. Die Beziehung wollten sie aber nie beenden...“
Ich stieß ein kurzes, wütendes Lachen aus.
„Warum sie die Beziehung nicht beenden wollte, kann ich mir denken. Andersherum kann ich es nicht mit Sicherheit sagen aber ich ahne es...Wie ist Gabrielle vom Charakter her?“
„Gabrielle ist schwierig.“, begann er. „Manchmal kann sie ganz nett sein, meistens ist sie aber ein unberechenbares Biest. Ganz egal wie freundlich sie scheint, man sollte sich nicht täuschen lassen. Sie ist gut darin, sich ins rechte Licht zu rücken.“
Meine Mundwinkel zuckten.
„Kurz und knapp: Es gibt also keinen Unterschied zwischen ihr und Giulia.“, sagte ich.
„Du bist echt eifersüchtig, oder?“, fragte Mars. Ich bestätigte mit einem Nicken.
„Ja, aber daran kann ich nichts ändern. Woher soll ich wissen, dass es Nero nicht gefällt, wenn sich ihm alle Weiber zu Füßen werfen?“
Schlagartig wurde der Vampir mir gegenüber ernst.
„Weißt du, was du da gerade gesagt hast? Klar gefällt es uns, von Frauen angehimmelt zu werden aber Nero interessiert das schon gar nicht mehr. Ihm ist jedes Weibliche Wesen im Universum egal, solange er dich hat! Sei froh darüber.“
Verärgert und auch ein wenig traurig senkte ich den Blick.
„Mag sein. Aber warum hat er sich dann auf einen Kuss mit Giulia eingelassen?“, fragte ich leise.
Mars seufzte.
„Er hat mir davon erzählt. Der Kuss hatte nichts zu bedeuten, Avery! Und das weißt du! Jetzt hör mir mal zu: Glaubst du Nero ist nicht eifersüchtig, wenn dich jemand anzüglich ansieht? Sag ihm nicht, dass ich dir das erzählt habe aber die Momente zwischen Casey und dir haben ihn vor Wut und Eifersucht kochen lassen! Auch als ihr Vic und Rhys im Wald begegnet seid, musste er sich zusammenreißen. Man sieht ihm seine Eifersucht nicht an und er würde es niemals zugeben. Aber er ist genauso schlimm wie du! Allerdings solltet ihr euch beide über die Eifersucht des anderen freuen, denn sie beweist, dass ihr euch liebt!“
Total perplex starrte ich ihn an.
„Ist das wahr?“, murmelte ich.
Mars nickte.
„Ja. Und jetzt lass uns zurück zu den anderen gehen.“
Mit diesen Worten wandte er sich ab und verließ die Bibliothek.

„Wer ist bereit, uns zu helfen?“, fragte Nero Ura. Der Wasserdrache verschränkte die Arme.
„Ein paar Drachen, einige Feen, Werwölfe, Gestaltwandler, Vampire, Priester, Hexen und Krieger der Antarawächter.“, antwortete sie.
„Was sind Antarawächter?“, fragte Avery, die mit Mars den Raum betrat. Die anderen sahen sofort, dass sie sich wieder beruhigt hatte.
„Sie sind dafür verantwortlich, dass es in Antara keine Kriege und andere Katastrophen gibt.“, antwortete Nero.
Was war los?

, dachte er und sah Avery an.
Nichts. Entschuldige, dass ich wieder so ausgerastet bin. In Zukunft werde ich versuchen, nicht mehr so eifersüchtig zu sein.

, antwortete sie.
Nero blieb still. Er war verwirrt. Sie hatte sich noch nie für ihre Eifersucht entschuldigt. Worüber hatte sie mit Mars gesprochen? Er wandte sich wieder an Ura.
„Wie viele sind es?“
„Etwas über dreihundert.“, antwortete sie.
„Hast du ihnen gesagt, dass sie jederzeit bereit sein müssen?“, fragte er dann. Ura nickte.
„Sie warten bereits auf ihren Einsatz.“
„Also schön, wie gehen wir jetzt vor? Wenn Airas uns bereits erwartet, können wir einen Überraschungsangriff vergessen.“, sagte Lume.
„Vielleicht können wir ihn täuschen?“, sagte Avery nachdenklich. Die Aufmerksamkeit lag nun voll und ganz bei ihr.
„Was, wenn Nero und ich so tun, als wären wir gefangen genommen worden? Wir schnappen uns noch ein paar andere Lakaien und zwingen sie mitzuspielen. Nachdem unser Freund hier“, sie wies auf den Lakai. „Uns zu meinem Vater gebracht hat, kommen auch die anderen Lakaien mit euch dazu. Wir lassen ihn glauben, unser Angriff wäre gescheitert. Während wir also in sein Versteck gelangt sind ohne zu Schaden zu kommen und uns um Airas kümmern, kümmern die restlichen sich um die Untergebenen.“
Blicke wurden ausgetauscht.
„Respekt! Ich hätte nicht erwartet, dass du so schlau bist.“, grinste Gabrielle. Avery schluckte, ballte die Hände zu Fäusten und schwieg.
„Gar keine so schlechte Idee.“, meinte Rhys. „Das könnte funktionieren...Wir sollten damit anfangen, uns noch ein paar Wachen zu schnappen.“
„Ich kümmere mich darum.“, sagte Lume fröhlich.
„Ich werde mit dir kommen.“, antwortete der Panther.
„Ich werde in Antara Bescheid geben, dass es nicht mehr lange dauert.“, meinte Ura und wandte sich ab.
„Gut.“, meldete sich Nero zu Wort. „Sind die Dinge erledigt gebt ihr mir Bescheid.“
Er nahm Avery´s Hand und zog sie mit.
„Wir müssen reden.“, sagte er monoton. Avery schluckte.


_____ 20 _____


„Ähm, worüber willst du...mit mir reden?“, stotterte ich und ließ zu, dass er mich grob aufs Bett stieß.
„Das mit der Eifersucht muss aufhören!“, knurrte er.
Überrascht zog ich die Brauen hoch.
„Wie bitte?“, fragte ich perplex, verschränkte die Arme und überschlug die Beine.
„Du kannst nicht bei jeder Kleinigkeit ausrasten.“, meinte er dann.
Der auffällige Ton seiner Stimme ließ mich fast sagen, dass Mars mir von seiner Eifersucht erzählt hatte. Doch ich wollte nicht, dass er meinetwegen Stress mit seinem Kumpel bekam.
„Was ist denn mit dir? Bist du nie eifersüchtig?“, fragte ich traurig und schob die Lippen vor. Vielleicht konnte ich ja von mir ablenken? Ein leises Knurren war zu hören. Volltreffer!
„Komm her.“, flehte ich und streckte die Hand aus. Widerwillig schlenderte er zu mir und ließ sich neben mir aufs Bett fallen. Ich nahm seine Hand und sah ihn von der Seite an.
„Ich liebe dich, Nathan! Es ist grauenhaft mit ansehen zu müssen, wie sich jemand an seinen Gefährten ran macht. Ich bin mir sicher, dass du einige Situationen zwischen Casey und mir auch nicht gerade als toll empfunden hast.“
Er schwieg. Dann lagen seine Lippen plötzlich auf meinen.
Du gehörst mir, hast du verstanden?


Für immer!


Vorsichtig glitten seine Hände unter mein Shirt.
Haben wir dafür überhaupt Zeit?

, dachte ich und zog ihn auf mich.
Dafür ist immer Zeit.

, antwortete er und küsste mich leidenschaftlich.
Eins verspreche ich dir. Wenn sich noch ein Weib an dich schmeißt, werde ich sie umbringen!

, knurrte ich und stieß meine Zähne in sein Fleisch.
Vor ein paar Wochen hättest du das noch nicht gesagt.

, antwortete er lachend und drückte mich an sich.
Vor ein paar Wochen habe ich dich auch noch nicht so abgöttisch geliebt!

, schnurrte ich und keuchte auf, als er seine Zähne in mein Fleisch stieß.
. . .
Knapp eine Stunde später lagen wir nackt und völlig erschöpft nebeneinander.
Ich wollte gerade etwas sagen, als die Tür plötzlich aufgerissen wurde und Phoebe hereingestürmt kam.
„Ave...“
Prompt hielt sie inne.
„Äh.“, brachte ich nur heraus und sah Nero kurz an. „Gib mir zwei Minuten!“, sagte ich dann zu meiner Freundin. Mit rotem Kopf rannte sie aus dem Zimmer. Ich seufzte.
„Sie hat noch nie angeklopft.“
Nero küsste mich auf die Stirn.
„Schon okay. Geh nur, mal sehen was sie dir so dringendes erzählen muss.“
Er grinste.
„Nicht das ich Geheimnisse vor dir hätte aber ich fände Gefallen daran, wenn du uns nicht immer zuhören würdest. Phoebe hat auch ein Recht auf Privatsphäre!“
Er tat so, als hätte er das nicht gehört und grinste unbeirrt weiter. Kopfschüttelnd stieg ich aus dem Bett und hob meine Sachen vom Boden auf. Schnell schlüpfte ich hinein, dann küsste ich Nero noch einmal kurz und rannte aus dem Raum.

„Phoebe? Was gibt's?“, fragte Avery, als sie die Bibliothek betrat.
„Avery!“,rief ihre Freundin. „Vic und ich haben...“
„Miteinander geschlafen.“, beendete Avery den Satz und ließ sich gegenüber Phoebe in einem Sessel nieder. Sie überschlug die Beine.
„Woher weißt du das?“, fragte Phoebe überrascht.
„War nicht schwer zu erraten, nachdem du und Vic euch vor wenigen Stunden um den Hals gefallen seid.“, antwortete die Vampirin lächelnd.
„Aber das ist nicht das einzige, das...“
Sie hielt inne, Avery zog eine Braue hoch.
„Wo ist der Haken?“
„Ich...wollte mit Bryan Schluss machen aber er war so süß zu mir und...ich will ihm nicht weh tun!“
„Willst du ihn anlügen?“, fragte Avery leise und sah ihre Freundin ausdruckslos an.
Phoebe schüttelte den Kopf.
„Natürlich nicht. Aber ihm die Wahrheit sagen ist auch nicht toll. Wie wird er sich wohl fühlen wenn ich ihm sage, dass ich jemand anderen liebe?“
„Bist du sicher, dass du Vic liebst?“, fragte Avery noch leiser. Phoebe riss die Augen auf, die Vampirin fuhr fort.
„Wenn es dir so unglaublich schwer fällt Bryan abzuservieren, hängst du wohl noch an ihm. Ich würde mir gut überlegen, für wen du dich entscheidest.“
„Du bist mir wirklich keine große Hilfe!“, maulte Phoebe und schloss seufzend die Augen.
„Entschuldige. Solch ein Problem hatte ich leider noch nie.“, antwortete die Vampirin.
„Sag mal...woher wusstest du eigentlich, dass du Nero und nicht Casey liebst?“, fragte Phoebe plötzlich.
„Äh...“
Avery wusste nicht was sie sagen sollte und kratzte sich am Hinterkopf. Sie hatte Casey nie geliebt. Oder etwa doch?
„Naja...Casey war für mich immer ein guter Freund. Er war für mich immer wie ein Bruder, während Nero mich ins Grübeln brachte. Ich weiß nicht warum ich ihn liebe . . . Er hat mir Probleme bereitet, ging mir auf die Nerven und war das komplette Gegenteil von dem, was ich an einem Mann eigentlich mag. Vielleicht ist genau das der Grund dafür, dass ich ihn so mag.“
Phoebe lächelte.
„Gegensätze ziehen sich an. Nun gut, zurück zu mir. Ich mag Vic. Sogar sehr! Ich mag es, wenn er mich Baby nennt und...“
„Ähm, schon gut!“, unterbrach Avery Phoebe und hob die Hand. „Du brauchst mir nicht alle Einzelheiten aufzählen.“
Phoebe kicherte und wurde dann wieder ernst.
„Ach, vergiss es. Ich schätze, ich muss alleine damit klarkommen.“
Sie stand auf und steuerte auf die Tür zu.
„Phoebe, ich...“
Avery erhob sich ebenfalls und griff nach dem Arm ihrer Freundin, dich Phoebe schüttelte sie ab.
„Lass nur, es geht schon.“
Und dann war sie auch schon verschwunden.

„Ich habe deinen Wunsch berücksichtigt und nicht zugehört. Also was ist passiert?“, fragte Nero als er neben mir auftauchte.
„Danke. Ich weiß selbst nicht was eben passiert ist. Phoebe und Vic haben...Egal. Phoebe glaubt, dass sie Vic liebt aber sie traut sich nicht, mit Bryan Schluss zu machen. Sie wollte wissen, woher ich weiß das ich dich liebe und nicht Casey. Ich habe ihr ehrlich geantwortet und ihr gesagt, dass sie ganz alleine Entscheidungen treffen muss aber das schien sie irgendwie zu verärgern.“, antwortete ich und ging nachdenklich neben ihm her.
„Vielleicht hast du sie dadurch nur noch mehr verwirrt.“
Ich zuckte die Schultern.
„Vielleicht. Genau genommen ist es mir egal. Mir schwirren andere Dinge durch den Kopf.“, meinte ich.
„Zum Beispiel?“, drang Neros Stimme an mein Ohr. Ich zuckte zusammen, erst jetzt bemerkte ich, dass wir die anderen inzwischen erreicht hatten. Das leise Lachen von Nero in meinen Ohren konnte den Unterton in seiner Stimme nicht verbergen, weshalb ich spürte wie ich rot wurde.
„Ich...Äh...“
Sein Lachen wurde lauter und auch die anderen konnten sich ein Lachen nur schwer verkneifen.
„Das ist nicht lustig! Ich mache mir Sorgen, verdammt!“, keifte ich. Nero kicherte noch einmal leise, dann zog er mich an sich und küsste mich kurz.
„Entschuldige, Süße. Ich mache mir auch Sorgen aber ich versuche, mich abzulenken.“, sagte er leise, sodass nur ich es hören konnte. Seufzend wandte ich mich den anderen zu.
„Und? Alles erledigt?“
Rhys grinste und trat zur Seite, wodurch vier Lakaien zum Vorschein kamen. Alle von ihnen hatten einen solch glasigen Blick, dass jeder der sie sah sofort erkannte, dass sie in Trance versetzt wurden.
„Gut. Was ist mit Ura? Ist sie noch immer nicht zurück?“, fragte ich dann.
„Hier bin ich.“, ertönte es hinter uns. „Alle sind bereit.“
„Also gut.“, sagte Nero und verschränkte die Arme. „Avery und ich werden die ersten sein die ins Versteck eindringen, wer kommt danach?“
„Ura und Vic.“, schlug ich vor. Fragende Blicke. „Ura hat es nicht so mit dem kämpfen, Vic dafür umso mehr.“
Nero nickte.
„Meinetwegen. Dann würde ich sagen Rhys, Lume und Mars kommen zum Schluss. Ich schätze es reicht, wenn die übrigen dann nach zehn Minuten dazustoßen.“
„Klingt gut.“, meinte ich. „Aber sind Mom und Phoebe hier sicher?“
Mein Freund verzog das Gesicht.
„Es wäre mir lieber, wenn du auch hier bleiben würdest aber ich schätze du würdest nur einen Aufstand machen. So wie ich damit klarkommen muss das du dich in Gefahr begibst musst du damit klarkommen, dass Hannah und Phoebe hier nicht so in Sicherheit sind wie du dir erhofft hast.“
Wieder seufzte ich.
„Das ist mein Kampf, Nero! Es geht ausschließlich um Airas und mich und ich will nicht, dass du und die anderen das für mich ausfechten.“, fauchte ich und sah ihn ernst an.
„Ich sagte ja, du wirst einen Aufstand machen.“, antwortete er.
„Du könntest wenigstens versuchen, mich zu verstehen.“, murmelte ich und wandte mich ab. „Wenn ihr mich sucht, ich bin bei meiner Mutter und Phoebe um ihnen Bescheid zu geben.“
„Avery!“, rief Nero.
„Lass gut sein.“, antwortete ich.
Es tut mir leid, Süße! Ich will nicht das dir etwas geschieht, dafür bist du mir zu wichtig.


Kurz blieb ich stehen.
Du bist mir auch wichtig, Nero! Und auch ich will nicht das dir etwas geschieht. Aber manchmal müssen wir Risiken eingehen. Egal ob Mensch oder Vampir, das Leben spielt nicht immer so wie man es sich wünscht.


Dann ging ich weiter.

„Mom?“, fragte Avery und ließ ihren Blick durch den Raum schweifen.
„Hm?“
„Ist Phoebe nicht hier?“
„Sie kommt gleich. Warum fragst du?“, fragte Hannah.
„Wir werden uns bald auf den Weg zu Airas machen. Alles ist schon bereit. Es gefällt mir nicht, euch alleine hier zurückzulassen. Hier bleiben will ich allerdings auch nicht.“
Hannah sah ihre Tochter besorgt an.
„Willst du das wirklich? Warum willst du dich Gefahr begeben, wenn Nero und die anderen das erledigen können?“
Die Vampirin seufzte.
„Wie ich schon zu Nero sagte, es geht hier um mich und ich will nicht, dass die anderen meine Angelegenheit ausfechten!“
„Woher hast du bloß diese Sturheit?“, fragte Hannah sarkastisch.
„Von dir.“, kam es von Avery zurück, als die Tür plötzlich aufging.
„Avery?“, fragte Phoebe in seltsamen Tonfall und schlug die Tür mit voller Wucht hinter sich zu.
„Wir werden bald aufbrechen, dass heißt ihr zwei werdet alleine zurückbleiben.“, antwortete die Vampirin und wandte sich wieder ihrer Mutter zu.
„Hier. Wenn etwas passiert meldest du dich, klar?“
Seufzend nahm Hannah das Handy entgegen, dass ihre Tochter ihr hinhielt.
„Du wirst sowieso zu beschäftigt sein, um ans Telefon zu gehen.“
„Na und? Wenigstens weiß ich, wenn es klingelt, dann Bescheid und kann mich sofort aus dem Staub machen!“
„Wo ist Vic?“ rief Phoebe und unterbrach das „Mutter-Tochter-Gespräch“.
„Woher soll ich das wissen?“, fauchte Avery. „Du bist doch diejenige, die ihn liebt!“
Phoebe erstarrte. Sie wusste nicht warum das animalische Knurren der Vampirin sie so getroffen hatte. Die Freundinnen starrten sich an, bis Avery von Neros Stimme abgelenkt wurde.
Zieh dich um, Süße. Die Dämmerung setzt bereits ein...


Avery schluckte, wandte sich erneut ihrer Mutter zu und umarmte sie hektisch.
„Ich muss los.“, sagte sie leise.
„Ich will nicht, dass du gehst.“, hauchte Hannah.
„Fang nicht schon wieder eine Diskussion an!“, fauchte die rothaarige und rannte zur Tür.
„Keine Sorge, ich bin bald wieder da. Hoffe ich.“, fügte sie leise hinzu.
„Pass gut auf dich auf, hörst du?“
„Ich bin eine Vampirin. So schnell kriegt man mich nicht mehr klein.“
Dann war sie verschwunden.

Es war eine kühle Nacht. Der Himmel war wolkenlos und voller Sterne, nur der Mond war nicht zu sehen.
„Avery?“
Keine Reaktion.
„Avery!“
Ich sah auf.
„Hm?“
„Was ist los?“, fragte Nero und musterte mich.
„Nichts.“, sagte ich und heftete meinen Blick wieder auf den Bauernhof knapp zwei Kilometer von uns entfernt.
„Von wegen. Du zitterst!“
Der Lakai hinter uns schwieg, er hatte die ganze Zeit über noch nichts gesagt.
„Es ist nicht gerade warm. Und ich bin nervös.“, meinte ich ausdruckslos.
„Das wird schon, Süße.“, antwortete er, zog mich an sich und küsste mich.
Hoffentlich.

, dachte ich.
Wir gingen ein Stück und blieben dann plötzlich stehen.
„Was ist?“, fragte ich verwirrt.
Der Lakai wies auf eine Metallplatte im Boden.
„Das ist der Eingang des Verstecks.“, sagte er monoton und leise.
Irgendwie kann er einem leid tun.

, dachte ich und schüttelte leicht den Kopf, um diesen Gedanken wieder loszuwerden. Er gehörte zu meinem Vater, also war er ein Feind. Naja, jetzt nicht mehr, um genau zu sein...
„Öffne sie.“, befahl Nero dem Lakai. Wir beobachteten ihn dabei wie er ohne Mühe die Metallplatte anhob und uns bedeutete, in die Dunkelheit zu verschwinden. Ich schluckte. Nun überkamen mich doch Zweifel. Was, wenn alles schief ging? Nero bemerkte es und nahm meine Hand.
„Wir kriegen das hin, keine Sorge.“
Ich blieb still. Wir tauschten einen Blick aus, nickten und setzten uns in Bewegung.


_____21_____


„Diese Stille ist unheimlich.“, murmelte Avery und versuchte, in der Dunkelheit etwas zu erkennen. Obwohl sie nun eine Vampirin war, konnte sie nicht einmal ihre Hand vor Augen sehen. Nero hatte dasselbe Problem, doch dadurch ließ er sich nicht aufhalten.
„Ich hoffe du kennst dich hier aus, mein Lieber.“, sagte Nero drohend zu dem Lakai.
Die Vampire sahen es nicht, doch der Lakai nickte.
„Natürlich. Der Gang ist einen halben Kilometer lang und führt ins Zentrum des Quartiers. Wenn wir das Ende des Tunnels erreichen, werde ich euch Stahlketten anlegen. Ihr solltet euch dann auch dementsprechend ruhig verhalten. Airas ist nicht dumm, er ist unglaublich gut darin einen Hinterhalt zu erkennen. Eine falsche Reaktion von euch könnte alles ruinieren, denkt daran.“
Avery schluckte. Der Lakai machte den ersten Schritt.
„Ab jetzt haben wir genau zehn Minuten, bis die anderen uns folgen werden.“, sagte Nero und setzte sich ebenfalls in Bewegung.
„Na, dann beeilen wir uns besser.“, meinte Avery und setzte einen Fuß vor den anderen.
. . .
Es dauerte nicht lange, da war auch schon das Ende des Tunnels zu sehen. Der Lakai blieb stehen.
„Also gut, ich werde euch jetzt die Ketten anlegen.“
„Ob das gut geht?“, murmelte Avery und warf Nero einen Blick zu, dem sie inzwischen wieder ins Gesicht schauen konnte. Seine Augen schimmerten gold und auch ihre Augen hatten sich verfärbt. Der Lakai trat hinter sie und stieß sie an.
„Weiter!“, sagte er grob und so laut, dass es jeder Untergebene in ihrer Nähe hören konnte. Das Licht blendete ihre Augen, die sich inzwischen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Eine Gruppe von monströs aussehenden Vampiren kam an ihnen vorbei. Einer von ihnen, er hatte blonde Haare und blaue Augen, grinste.
„Sieh an, wen haben wir denn da?“
Der manipulierten Lakai antwortete wütend:
„Die beiden schlichen hier herum und haben tatsächlich geglaubt, sie würden nicht bemerkt werden.“
Der blonde musterte Nathan.
„Ich hätte nicht gedacht, dass Dakhils Sohn sich so leicht erwischen lässt.“
Nero knurrte leise. Der blauäugige Vampir richtete seinen Blick auf Avery.
„Airas wird sich freuen dich zu sehen.“
Dann wandte er sich wieder an den Lakai.
„Airas ist im Saal, Becca ist bei ihm.“
Der Lakai nickte und stieß die „Gefangen“ an.
Hast du eine Ahnung, wer diese Becca ist?, dachte Avery, als sie weitergingen.
Nicht die geringste., kam es zurück. Nero und Avery tauschten einen Blick aus, als sie vor einer großen Tür stehen blieben. Eine weibliche Stimme drang aus dem Inneren des Raumes.
„Ich hasse sie!“, keifte die Stimme.
„Aber du kennst sie doch gar nicht.“, antwortete eine Männerstimme. Es war Airas.
„Naja, nicht richtig aber ich habe sie schon gesehen...und gehört! Sie ist voll arrogant. Meint. sie wäre was besseres und wenn sie mal nicht einen auf cool macht, dann auf weinerlich. Sie ist doof!“ Avery zog die Brauen hoch.
„Geht es da etwa um mich?“, murmelte sie leise, worauf die Stimmen hinter der Tür verstummten.
„Eintreten!“, befahl Airas in strengem Tonfall. Der Lakai stieß die beiden Vampire wieder an.
„Fass mich nicht an!“, fauchte Avery, während sie in den Saal stolperte. Nero wusste, dass sie nun anfing zu schauspielern, Airas und das Mädchen neben ihm allerdings nicht.
Airas kniff die Augen zusammen.
„Harvey?“, fragte Airas überrascht. Der Lakai, der auf diesen Namen hörte lachte.
„Sie haben einen Hinterhalt geplant.“, sagte Harvey lachend und stieß Nero und Avery so fest an, dass sie auf die Knie fielen. Die beiden knurrten. Das Mädchen neben Airas wies auf die Vampirin auf dem Boden.
„Siehst du? Sie ist doof!“, sagte sie mit hoher Stimme.
„Oh Gott, wer bist du denn?“, seufzte Airas Tochter genervt.
„Und arrogant ist sie auch.“, sagte die Blondine. Avery schnaubte, erhob sich und ging mit blitzenden Augen auf sie zu.
„Lass mich raten, du bist Becca, stimmt's? Jetzt pass mal auf, Blondi. Bevor du deine Meinung über jemanden bildest, solltest du ihn erst besser kennenlernen. Aber ich warne dich: Mich solltest du nicht besser kennenlernen. Ich würde dich eh in der Luft zerreißen, bevor du die Chance dazu hättest!“
Harvey tauchte vor Avery auf und stieß sie zu Boden. Sie knurrte wieder. Becca blickte auf die rothaarige herab.
„Pass auf was du sagst, meine Liebe. Du bist im Nachteil.“
Airas mischte sich ein.
„Schluss damit. Also schön, Becca. Sei nicht so unhöflich und stell dich vor.“
Das Vampirmädchen seufzte und wandte sich wieder an Avery.
„Meinen Namen kennst du ja schon. Airas ist mein Vater.“
Avery stutzte. Sie hatte auch noch eine Schwester?
„Das ist jetzt nicht dein Ernst!“, sagte sie schließlich.
Airas grinste und machte eine kurze Geste.
„Ganz ruhig, Kleine, ihr seid keine Blutsverwandten, sondern nur Stiefgeschwister.“, erklärte er ruhig und wartete auf ihre Reaktion. Wie nicht anders erwartet konnte Avery sich natürlich nicht beherrschen.
„Sag mal, spinnst du? Wie viele Frauen hast du vergewaltigt, hm?“, schrie sie los und bekam dafür prompt einen Schlag von Harvey verpasst.
„Und sensibel ist sie auch, dass darf doch nicht wahr sein.“, murmelte Becca und verdrehte die Augen. Doch das brachte Avery nur noch mehr auf die Palme.
„Ist es dir egal, dass dein Vater mit jeder nächstbesten Frau, die ihm über den Weg läuft, vögelt?“, fauchte sie. Becca zuckte mit den Schultern und lächelte dann diabolisch.
„Weißt du, es gibt viele Dinge die wir Vampire lieben. Macht, Geld, Spielchen aber vor allem: Blut und Sex! Beidem zusammen können wir uns nur schwer entziehen.“
Dann grinste sie noch fieser, richtete ihren Blick auf Nero und musterte ihn, wobei sie sich über die Lippen leckte.
„Ich habe es schon mit vielen Kerlen getrieben aber ein Vampir wir er...wäre mal etwas anderes!“
Nun war das Fass übergelaufen. Mit einem animalischen Knurren sprang Avery auf und stürzte sich auf die Blondine. Trotz Ketten. Mit den zusammengebundenen Armen holte sie aus und brachte Becca mit voller Wucht zu Boden. Doch genauso schnell wie das passiert war, hatte Harvey Avery auch schon wieder gepackt und zurückgezogen. Nero zog die Brauen hoch und lachte dann leise.
„Du meinst es ernst, oder? Du hast wirklich vor jedes Weib, das mich auch nur ansatzweise anzüglich betrachtet, an die Gurgel zu springen, oder?“
„Oh, und wie ich das ernst meine.L“, antwortete die rothaarige. Der Moment wurde unterbrochen, denn die Tür wurde aufgestoßen. Zum Vorschein kamen Vic, Ura und ein Lakai. Airas lächelte amüsiert.
„Sieh an, es scheint als wärt ihr zwei nicht alleine hergekommen. Victor, der Wolf und Ura, der Wasserdrache. Nicht zu fassen, dass ich euch noch einmal zu Gesicht bekomme.“
Vic knurrte laut, Ura ließ unsicher den Blick schweifen. Die Angst und Nervosität stand ihr ins Gesicht geschrieben, doch das war nicht bloß Schauspielerei.
„Temperamentvoll wie eh und je.“, antwortete Airas auf Vics Knurren. Der Wolf setzte sich bereits in Bewegung, doch der Lakai schien wesentlich stärker zu sein als Harvey, denn er zog Vic zurück ohne sich auch nur ein bisschen anzustrengen. Airas wurde ernst. Scheinbar hatte er genug von unnötigem Gequatsche.
„Wurden noch andere gesichtet?“, fragte er. Jeder im Saal wusste wer, beziehungsweise was mit „andere“ gemeint war. Harvey blieb still, stattdessen meldete sich Daniel, der andere Lakai zu Wort.
„Ich habe Luke und Mason losgeschickt, damit sie auch die hintersten Ecken überprüfen.“
Nun lächelte der mächtige Vampir zufrieden.
„Gut. Mal sehen, wer sich hier noch alles versteckt.“
Nero und Avery tauschten einen Blick aus. Sie wussten, dass es nun gefährlich wurde. Würden Lume, Rhys und die andere entdeckt werden, hätten sie ein Problem, und zwar ein großes! Nero erkannte sofort die Angst in Averys Augen.
Jetzt hör auf dir Sorgen zu machen, die anderen kommen schon klar.


Na, dass will ich doch hoffen!

, antwortete Avery und wandte ihren Blick wieder von Nero ab. Airas lächelte noch immer.
„Also schön, da nun die wichtigsten Personen hier sind, könnt ihr mir sicher erklären, was das ganze eigentlich soll.“
Avery stieß ein kurzes Lachen aus.
„Glaubst du wirklich, dass wir dir unsere Pläne anvertrauen? Wenn ja, bist du ganz schön blöd!“
Airas` Lächeln verwandelte sich in ein ausgewachsenes Grinsen.
„Du bist ganz schön frech. Ich glaube, eine kleine Bestrafung würde dir ganz gut tun.“
Er schnippte mit dem Finger, einige Sekunden später trat ein weiterer Untergebener ein. Seine Haare waren tiefschwarz, ebenso wie seine Augen.
„Chris, du magst doch Fleisch, nicht wahr?“
Er wies auf Nero.
„Bitte sehr. Aber übertreib es nicht, wir wollen die kleine Avery ja nicht verängstigen.“
Die Augen seiner Tochter weiteten sich als sie sah, dass Chris auf Nero zuging, fies grinste und ihn packte. Sowohl Nero als auch sie selbst wollte sich in Bewegung setzen, doch Avery wurde zurückgezogen und Nero konnte sich, aus einem unbekannten Grund nicht bewegen. Auch Ura und Vic wurden zurückgehalten.
Verdammt, dass war nicht geplant!

, dachte Avery panisch und blickte sich hilfesuchend um. Doch helfen konnte in diesem Moment keiner. Eine Antwort auf ihre Gedanken bekam sie nicht.
Was ist los?

, dachte sie dann, denn Nathan hatte sich immer noch nicht gerührt.
I-Ich kann mich nicht bewegen. Ich...weiß nicht wieso!


Die rothaarige schrie auf. Chris hatte seine Zähne in Neros Arm geschlagen und ein Stück Fleisch herausgerissen. Ein schmerzerfülltes Knurren ging durch den Saal. Tränen liefen über Averys Wangen.
Gott, worauf haben wir uns da bloß eingelassen?

, dachte sie. Nero biss die Zähne zusammen, er hatte unglaubliche Schmerzen, hielt seinen Schrei aber zurück. Es war nutzlos, Avery erkannte auch so das er Qualen erlitt.
Ganz ruhig, Süße! Es sieht schlimmer aus als es ist. Außerdem will Airas doch genau das. Er liebt es dich zu quälen, keine Frage.

, kam es zurück. Wütend und zugleich traurig wandte sie ihren Blick von Nero ab und sah stattdessen ihren Vater an.
„Glaubst du wirklich das mich das beeinflusst?“
Airas zog belustigt die Brauen hoch.
„Hm...Chris?“
Avery schluckte. Erneut wurde ein Stück Fleisch aus Neros Arm herausgerissen. Bei seinem Anblick konnte Avery die Tränen nur schwer zurückhalten. Zu schlimm war der Anblick, wie er vor Schmerzen fast zusammenbrach. Ihre Fangzähne kamen zum Vorschein. Ihre goldenen Augen richteten sich erneut auf ihren Vater.
„Mag sein das ich schwach bin, ziemlich schwach sogar für eine Vampirin, jedoch solltest du nicht vergessen das ich dir eine Verletzung zugefügt habe, die gefährlich hätte werden können, wärst du nicht abgehauen.“
Airas` Gesichtsausdruck verhärtete sich. Die Wunde in seinem Rücken war noch immer nicht ganz verheilt, dass wusste sowohl er, als auch alle anderen in diesem Saal. Jeder, der bei dem Kampf an der Klippe dabei gewesen war wusste, dass die Verletzung die seine Tochter ihm zugefügt hatte, schwerwiegend war. Auch wussten sie, dass Avery alles andere als schwach war. Sie beschrieb sich als schwachen Vampir der noch keine Erfahrung hatte, doch diese Erkenntnis stimmte nicht ganz. Avery war etwas Besonderes und dessen war Airas sich auch bewusst, doch trotz des Kampfes gelang es ihm nicht, sie einzuschätzen. Alles was er wusste war, dass ihre Angriffe präzise waren, es bei ihrer Abwehr allerdings haperte. Obwohl Avery noch immer in Ketten gelegt war, lächelte sie siegessicher. Als Nero jedoch urplötzlich aufschrie, verging ihr das Lächeln wieder. Ihr Kopf schoss in seine Richtung und als sie ihn sah, wäre sie am liebsten in Tränen ausgebrochen. Die ersten beiden Wunden hatten bereits begonnen sich zu regenerieren, doch Chris hatte nun so viel Fleisch aus seinem Arm gerissen, dass der Knochen bereits zum Vorschein kam. Blut tropfte zu Boden und färbte den hellen Marmor rot. Avery schluckte erneut, dann brannte ihre Sicherung durch. Mühelos riss sie die Ketten auseinander und stürzte auf ihren Vater zu. Nero war nicht der einzige der überrascht reagierte. Avery lachte in Gedanken. Gott sei Dank hatte Harvey die Eisenketten nicht zu fest angelegt.
„Avery, nein!“, schrie Nero und die anderen gleichzeitig. Nathan knurrte. Hätte er jetzt nicht diese üble Fleischwunde könnte er jetzt eingreifen, doch so viel Glück wurde ihm nicht gegönnt.
„Es reicht!“, erwiderte die rothaarige auf die Ausrufe ihrer Freunde. Sie war bereits so nah an ihrem Vater, dass sie ihm bereits eine verpassen konnte, doch Airas wich rechtzeitig aus. Mit einer Schnelligkeit, wie Avery sie nur von Nero kannte, packte Airas ihre Kehle und hob sie hoch.
„Ein bisschen mehr Respekt, bitte! Schließlich bin ich dein Vater.“, sagte er ernst und amüsiert zugleich.
„Niemals werde ich...dir gegenüber...Respekt zum...Ausdruck bringen!“, antwortete die Vampirin röchelnd, nach Luft ringend. Plötzlich ließ Airas sie los. Vic hatte seine spitzen Zähne in Airas` Bein geschlagen. Avery war immer noch beeindruckt über die Größe des Wolfes. Sein braun-graues Fell sah rau und struppig aus, doch Avery ahnte bereits das es in Wirklichkeit ganz anders war. Sie war neugierig, doch sie verkniff es sich die Hand auszustrecken. Diese Berührung war ihrer Freundin Phoebe vorbehalten. Nach Luft ringend ging Avery in die Knie. Inzwischen hatten sich auch Nero und Ura von ihren lästigen Anhängseln befreit. Wie sie nun erst bemerkte, waren Lume, Rhys und Mars inzwischen auch eingetroffen. Airas schüttelte Vic von sich ab und verpasste ihm einen kräftigen Tritt, bei dem man hören konnte, wie einige Knochen des Wolfes zersplitterten. Wieder ging ein Brüllen durch den Saal. Avery ballte die Hände kurz zu Fäusten und stürzte sich dann wieder auf ihren Vater. Sie verpasste ihm einen Schlag in die Magengrube. In der Zwischenzeit kümmerte Mars sich um seinen Kumpel Nero. Airas stellte knurrend fest, dass alle Untergeben in diesem Raum, bis auf Chris, auf der Seite seiner Tochter standen.
„So, euer vorgetäuschter, gescheiterter Hinterhalt war also ein echter Hinterhalt. Raffiniert!“, keuchte er und hielt sich den Bauch. Avery atmete erleichtert aus, auch wenn sie sich noch lange nicht ausruhen konnte. Der geplante gescheiterte Hinterhalt hatte funktioniert!
Hastig sah sie sich um. Ehe sie reagieren konnte, stand Nero hinter ihr und riss sie wieder auf die Füße. Sie musterte ihn schnell. Die Fleischwunde war zwar noch nicht komplett verheilt, der Knochen war jedoch nicht mehr zu sehen, sehr zu ihrer Erleichterung.
Was zum Teufel ist das für ein Kerl?

, dachte sie hysterisch und sah, dass Vic diesen in Schach hielt.
„Ich weiß es nicht. Und ich will es auch gar nicht wissen.“, erwiderte Nathan leise und starrte Airas wütend an.
Hör zu. Die anderen sind mit seinen Handlangern beschäftigt. Wir beide werden uns also alleine um deinen Vater kümmern müssen.


Neros Gedanken jagten Avery einen Schauer über den Rücken. War das sein ernst? Sie wollten sie wirklich alleine um diesen Mann kümmern? War er lebensmüde? Was, wenn seine restlichen Lakaien auch noch auftauchen würden und sich ihnen in den Weg stellten?
Nathan, ich...


Er unterbrach sie, indem er sich zu ihr hinunterbeugte und sie küsste.
„Wir müssen es versuchen, hörst du? Für dich, deine Mutter und all die anderen, die seinetwegen leiden mussten.“, flüsterte er an ihren Lippen und zog sich zurück.
Tapfer nickte Avery. Einer würde sterben. Nur war noch nicht klar, wer dies sein würde...

_____22_____

Blut spritzte. Knochen brachen. Metall klirrte. Schreie hallten durch den Saal. Tränen flossen.
Inmitten diesem Chaos stand ich und versuchte, mich zu orientieren. Blut sickerte aus der tiefen Stichwunde in meinem Bauch. Gefühlte Stunden schon, kämpften wir. Nero hielt sich bisher noch gut auf den Beinen, allerdings keuchte er bereits schwer. Nicht mehr lange und er wäre nicht mehr fähig, weiter zu kämpfen. Ich hingegen hatte versucht, cleverer zu sein. Ich hatte mir meine Kräfte eingeteilt, spielte nicht meine volle Kraft aus und achtete eher auf meine Deckung. Ich versuchte, strategisch zu denken. Mein Vater war zwar klug, so raffiniert unseren Plan zu durchschauen war er aber nicht gewesen. Vielleicht würde ich es schaffen, ihn zu täuschen?
Einige Male war es mir durchaus gelungen, einen schwachen Moment vorzutäuschen. In Wirklichkeit jedoch, hatte ich ihn dann angegriffen. Meine Mundwinkel zuckten, trotz der schwierigen Lage.
Airas schien überfordert gewesen zu sein. Abwechselnd sah er zwischen Nero und mir hin und her. Er versuchte Nero und mich zu töten und widmete uns beiden gleich viel Aufmerksamkeit. Jedoch konnte er sich nicht auf uns beide gleichzeitig konzentrieren. Einer von uns hatte also immer die Chance, ihm weiter zu zusetzen. Ich hatte ihm eine Knochen zertrümmert und ihm auch einige wichtige Nerven durchtrennt. Sein Herz zu zerstören war jedoch ein anderes Kaliber.Er war nicht mehr in der Lage seinen linken Arm zu bewegen und auch seine Beine würden von Minute zu Minute an Gefühl verlieren, bis er sich schließlich nicht mehr bewegen konnte.
Dennoch hatte er Reißzähne. Auch die konnten uns gefährlich werden. Er hätte, wenn er es denn gekonnt hätte, uns die Kehlen herausreißen können. Oder uns ganz einfach den Kopf abreißen aber dafür war er ja leider schon zu schwach.
In all der Zeit über, hatten Nero und ich nicht ein Wort gewechselt. Wir beide mussten uns konzentrieren. Dennoch versuchte er so gut es ging, mich zu beschützen. Allerdings glaubte ich, dass ich ab jetzt ihn beschützen müsste. Der Endspurt begann.
Mit meinen Kraftreserven, die sich nun als äußerst nützlich erweise würden, preschte ich auf meinen Vater zu. Mit der Faust holte ich aus, um ihm somit einen Schlag in die Magengrube zu verpassen. Er würgte Blut, welches auf meine Hand tropfte und versuchte noch, den Schlag ein wenig abzudämpfen, allerdings ohne Erfolg. Er flog mit eisernem Tempo gegen eine Wand, die daraufhin Risse aufwies. Stein rieselte von der Decke und ließ ihn husten.
Airas keuchte. Dann erhob er sich und der Kampf ging auch schon weiter.
. . .
Avery ging zu Boden. Auf allen vieren rang sie nch Luft, dann übergab sie sich. Airas stand bedrohlich über ihr, mit einem Grinsen auf den Lippen.
Nicht zu fassen., dachte Avery. Selbst jetzt noch, fast tot, grinst er noch so dreckig.
Sie schloss die Augen und bereitete sich somit auf seinen Schlag vor, doch dieser blieb aus.
Zögerlich schlug sie die Augen wieder auf und sah, dass Natahan vor ihr stand, Airas` Schlag abfing und dann selbst ausholte. Doch statt ihn zu schlagen, packte Nero ihn an der Kehle und hob ihn in die Luft. Wieder einmal war Avery überwältigt. Nathan war ebenfalls so gut wie bewusstlos, dennoch hatte er die Kraft, dieses Muskelpaket mal eben so hoch zu heben! Hatte sie überhaupt eine Ahnung davon, wie mächtig ihr Geliebter doch eigentlich war? Kein Wunder, dass Nero keine Angst davor gehabt hatte, sich ihrem Vater zu stellen. Sie waren gleichstark! Nun kam es auf Taktik an. Und auf Glück.
Avery, jetzt!

, dachte Nathan, ohne den Mann unter seiner Klaue aus den Augen zu lassen.
Sie hatten nur ein paar Sekunden. Airas wehrte sich. Ziemlich heftig sogar, doch Neros Klaue schloss sich immer fester um seinen Hals, bis der alte Meister verzweifelt röchelte. Nicht, dass er Luft gebraucht hätte, doch das tat verdammt weh!
Avery sprang auf, trotz des Gallegeschmacks in ihrem Mund und des Schwindels, der sie übermannte. Fauchend holte sie aus, dann, mit einem Brüllen seinerseits, schlug sie ihm die Klaue direkt in die Brust. Genau dorthin, wo sein Herz lag. Wärme umschloss ihre Hand. Blut schoss hervor. Sie erreichte sein kräftig schlagendes Herz, unterdrückte ein Würgen, und umschloss es mit ihrer bloßen Hand. Es schlug so lange weiter, bis sie es aus seiner Brust herausgerissen hatte.
Es schlug noch ein paar Mal, dann blieb es stehen.
Angeekelt und wieder mit aufsteigender Galle, ließ sie es fallen. Airas starrte sie an.
Wütend, geschockt und ungläubig. Er konnte und wollte nicht glauben, dass seine eigene Tochter ihm das lange Leben genommen hatte.
„Ich hasse dich!“, flüsterte sie, ehe die Dunkelheit sie umarmte.

Sofort ließ Nathan von Airas ab. Er würde noch den Kopf vom Rumpf trennen müssen, doch zuerst kam seine Geliebte. Noch bevor Avery auf dem Boden aufschlagen konnte, hatte er sie mit den Armen aufgefangen und ihren schlaffen Körper an seine Brust gedrückt. Die Ohnmacht hatte sie in der Hand. Vielleicht war sie einfach zu schwach, um sich noch weiter auf den Beinen zu halten.
Vielleicht, war ihr aber auch das schlagende Herz in ihrer Hand, nicht bekommen.
Zart lächelnd strich er ihr die scheißnassen Haare aus der Stirn.
„Du hast es geschafft, meine Süße.“, flüsterte er und küsste sie. Völlig egal, ob sie es mitbekam oder nicht.
„Mars!“, brüllte er.
Sein Freund war sofort bei ihm. Nero war völlig egal, wie fertig auch er in diesem Moment war. Er drückte ihm seine Frau in die Arme und erhob sich auf wackeligen Beinen.
„Ich bin hier noch nicht fertig.“, murmelte er, kehrte den beiden den Rücken zu und wandte sich somit wieder Airas zu. Dieser stand, erstaunlicherweise, noch immer auf den Beinen.
Drei Stunden lang hatten sie unerbittlich gekämpft, auf Leben und Tod. Nun war der Tod gekommen. Gott sei Dank nicht für ihn oder gar seine Frau, nein, sondern ihr Vater hatte sich nun in die Obhut des Teufels begeben.
Knurrend und mit allen Knochen schmerzend hob er die Arme, um mit seinen Händen Airas` Gesicht zu umfassen.
„Noch was zu sagen?“, knurrte Nero.
Doch er wartete gar nicht erst ab. Aus Airas` Mund sprudelte sowieso nur Blut.
Mit einem widerlichen und alptrumbereitendem Knirschen und Knacken, brach Nero ihm das Genick. Dann riss er seinen Kopf ganz ab, worauf hin dieser in der Ecke landete und zu Staub zerfiel, ebenso wie der Rest der Vampirleiche.
Es ist vorbei, Süße!

, dachte er, mit einem Blick zu Avery.

_____EPILOG_____

„Bist du schon wieder hier?“
„Ich bin jeden Tag hier.“, erwiderte sie tonlos, so wie jedes Mal, wenn ich sie darauf ansprach. Ich umschloss ihre Taille mit meinen Armen und drückte sie an mich. Jeden Tag kam sie hierher, ans Grab ihrer Mutter, mitten in unserem Garten. Sie wollte unbedingt, dass sie hier begraben wurde, wenn sie denn schon tot war. Sie hatte darauf bestanden, ihre Mutter in einen Vampir zu verwandeln, jedoch wollte Hannah das nicht. Zu sehr hätte sie das an Airas und ihre Vergangenheit erinnert. Sie wollte nicht zu dem werden, vor dem sie eigentlich solch eine schiere Angst hatte.
„Ich vermisste sie!“, flüsterte Avery.
„Ich weiß.“, antwortete ich, drehte sie in meinen Armen herum und küsste ihre Tränen fort. Meine Mundwinkel zuckten, auch wenn ich wusste, dass dies kein passender Moment war. Doch ich konnte einfach nicht anders. Sie war noch immer ein zerbrechliches Mädchen, welches gut behütet werden musste, dennoch war sie so stark wie keine andere Frau, die ich kannte!
Ich liebte sie. Heute mehr, als damals!
„Avery! Nathan!“
Unsere Zweisamkeit wurde von Phoebe unterbrochen, die ein wenig panisch auf uns zukam.
Als sie sah, was Avery für einen Gesichtsausdruck hatte, blieb sie sofort stehen.
„Ist Vic schon zurück?“, fragte sie leise, worauf ich als Antwort mit dem Kopf schüttelte.
Traurig zog sie von dannen. Avery war so nett gewesen, sie ebenfalls in einen Vampir zu verwandeln. Phoebe hatte sich in der Tat in Vic verliebt und wollte unbedingt für immer mit ihm zusammen bleiben. Natürlich konnte Avery ihr diesen Wunsch nicht abschlagen.
Tja, gut fünfzig Jahre waren vergangen. An unserem Äußeren hatte sich so gut wie nichts verändert, nur unser Innerstes hatte Spuren davongetragen.
Avery war bedacht und ruhiger gewoden, dennoch hatte sie ihren Spaß am Leben.
Sie dachte inzwischen nach, bevor sie handelte, worauf ich stolz war. Denn es hatte sich herausgestellt, dass sie eine unglaublich gute Strategin war!
Kurz nachdem wir Airas erledigt hatten, mussten auch ihr Bruder und ihre Schwester dran glauben. Sie wollte nicht solch grauenhafte Geschwister haben, was verständlich war.
Tja, und was Casey anging...Sie hatte nie wieder ein Wort über ihn verloren, doch ich wusste, dass sie ab und an noch immer an ihn dachte.
Ich verübelte es ihr nicht. Er war ihr bester Freund gewesen, natürlich durfte sie ihm hinterhertrauern. Auch wenn er es reichlich verbockt hatte.
Und was mich betraf...Ja, auch ich hatte Fehler gemacht. Eine Menge sogar, doch das war nicht mehr zu ändern. Was sich aber geändert hatte, war mein Verhalten. Ich war nun weder grausam, noch herzlos, sondern liebevoll und zärtlich. Zumindest was Avery anging.
Mit allen anderen hatte ich noch immer meinen Spaß...
„Nathan.“, flüsterte Avery plötzlich und sah mich an.
Fragend blickte ich auf sie herab.
„Warum siehst du mich so komisch an?“, hauchte sie.
Ich lächelte und küsste sie. Wild und ungestüm, so, wie sie es am liebsten mochte.
Ich liebe dich einfach nur! Ich sage es dir jeden Tag und auch heute: Du bist die unglaublichste Frau, die mir je untergekommen ist. Ich danke dir dafür, dass du mich damals nicht verlassen hast. Auch nicht als du erfahren hast, was ich bin...


Avery erwiderte den Kuss und umarmte ihn dabei.
Ich liebe dich auch, Nathan. Und nun lass uns reingehen, ehe einer auf die Idee kommt, uns zu beobachten!


Impressum

Tag der Veröffentlichung: 15.03.2011

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