Prolog:
„Alain!“
Michaels Stimme brachte Alain dazu sich umzudrehen.
„Wenn du dich hier unten blicken lässt, muss etwas passiert sein.“, sagte Alain monoton und betrachtete seinen alten Meister. Michaels braune Haare waren zerzaust, was nicht oft vorkam. Seine blauen Augen waren so dunkel, dass sie schon fast ins schwarz übergingen.
„Nicht direkt.“, sprach der mächtige Mann. „Ich bin hier um dir zu sagen, dass du einen Auftrag hast.“
Alain verschränkte die Arme, seine smaragdgrünen Augen färbten sich schwarz.
„Ich gehöre nicht mehr zu euch, schon vergessen? Ich stehe nicht mehr zu Diensten.“
Michael sah auf Alain herab und schloss für einen kurzen Moment die Augen.
„Es passt mir nicht dir diesen Auftrag auszuhändigen aber leider bleibt mir nichts anderes übrig.“
„Dir bleibt nichts anderes übrig? Was ist mit den Wächtern? Weigern sie sich zu arbeiten oder was ist der Grund für die Anfrage auf die Gefallenen?“
Alain blieb monoton und sah wie der Zorn in Michaels Augen aufblitzte. Er fragte sich wirklich was los war...
„Es ist mir nicht gestattet mit dir darüber zu sprechen. Und nun zu deinem Auftrag.“
Der Gefallene schloss die Augen und verkniff sich sein Seufzen. Das würde den Erzengel nur wieder unnötig aufregen.
„Nicht zu fassen, selbst jetzt muss ich noch arbeiten.“
Er biss sich bereits auf die Zunge, doch zu seinem Erstaunen blieb Michael still. Seltsam.
„Es geht um eine junge Frau namens Fay. Ihre Wächterin hat irgendetwas mit ihr vor, jedoch wissen wir nicht was. Hinzu kommt, dass Fay selbstmordgefährdet ist.“
Alain blieb unberührt. Er hatte schon unzählige Menschen gesehen die leiden mussten, das eine Frau selbstmordgefährdet war, war da noch harmlos. Allerdings spitzte er dir Ohren als er hörte, dass eine Wächterin ihre Finger mit ihm Spiel hatte.
„Von welcher Wächterin sprechen wir?“, fragte er tonlos. Er war gespannt auf die Antwort, ließ sich aber nichts anmerken.
„Tara.“
Seine Mundwinkel zuckten.
„Tara? Seit wann gehört sie zu den Bösen?“
Die Antwort des Erzengels hatte ihn überrascht! Er kannte Tara...nur zu gut. Michael begann leise zu knurren.
„Es hat angefangen nachdem du...“
Das sich der mächtige Mann unterbrach irritierte Alain. Die Schriftrolle die er ihm reichte ließ ihn jedoch sofort wieder aufmerksam werden.
„Alles was du wissen musst, steht hier drin.“
Nach diesen Worten war Michael verschwunden. Alain dachte einen Augenblick lang über wichtige und unwichtige Dinge nach, dann öffnete er das Manuskript und ließ den Blick darüber scweifen. Das erste was ihm ins Auge stach war das Foto des Mädchens.
Sie hatte schwarze Haare, die ihr fast bis zum Po reichten und grüne Augen, die genauso glanzlos waren wie die seine. Sie hätten Geschwister sein können, wäre er selbst nicht ein Gefallener. Alain fuhr sich mit der Hand durch die ebenfalls schwarzen Haare. Fay war dünn, dennoch kurvig. Ihr Gesicht war fein geschnitten und erinnerte ihn an eine Elfe. Es dauerte eine scheinbare Ewigkeit bis er seinen Blick abwenden konnte. Nun erst begann er, die ganzen Informationen durchzulesen.
Fay McCarter
Weiblich
Achtzehn Jahre
Tochter von Amelia und Jack McCarter
Schülerin der St. Marcus Akademie
Schützling von Tara
Charakter: abweisend, ausdruckslos,
bedacht, beherrscht,
folgsam, gebildet,
humorlos, kalt,
rethorisch, skrupellos,
zerbrechlich, zurückhaltend
Selbstmordgefährdet!
Alain zog die Brauen hoch. Entweder hatten sie vergessen die guten Eigenschaften zu notieren oder das Mädchen hatte gar keine...
1
„Tara, beeile dich, gefälligst!“
Fay tippte mit dem Boden auf den Boden und beobachtete ihre Freundin dabei, wie sie ihre Haare zusammenfasste und am Hinterkopf feststeckte.
„Bleib locker.“
Grüne Augen schlossen sich.
„Nein. Ich kann es mir nicht erlauben zu spät zu kommen.“
Tara verdrehte die Augen und machte eine abfällige Handbewegung. Pünktlichkeit und Regeln waren nur zwei der Dinge, die sie hasste.
„Wenn dir die Schule so wichtig ist, dann geh doch schon mal vor. Du weißt das ich mehr Zeit benötige.“
Die schwarzhaarige wandte sich ab.
„Gute Idee. Wir sehen uns dann später.“
Nach diesen Worten verließ sie die Wohung ihrer Freundin und lief in schnellen Schritten die Treppen hinunter. Selbst auf Tara konnte sie sich nicht verlassen...
Ich war eine Viertelstunde zu spät und blieb deshalb einen Moment lang vor der Tür zum Klassenzimmer stehen. Tara war meine Freundin, vielleicht meine beste Freundin, ich kannte sie schon mein ganzes Leben lang. Ich hatte immer auf sie gewartet, ganz egal mit welchen Konsequenzen ich auch rechnen musste. Doch heute hatte ich irgendwie keine Geduld. Woran lag das? Das aufgeregte Tuscheln das aus dem Raum vor mir drang ließ mich den Kopf neigen. Es war doch sonst nie so laut. Ich zögerte noch einen Augenblick. Wenn ich jetzt da hinein ging würde die gesamte Aufmerksamkeit mir gelten. Und genau das hasste ich. Ich atmete tief durch und drückte die Klinke nieder. Wie nicht anders erwartet richteten sich alle Blick auf mich. Insbesondere der des Jungen der vorne stand und mich so aufmerksam musterte, wie es sonst kein anderer tat. Ein Schauer überlief mich.
„Hübsch.“, sagte er und ließ den Blick noch einmal von oben bis unten über mich schweifen. Er erinnerte mich ein wenig an mich selbst, denn seine Haare waren so schwarz wie meine und seine grünen Augen ebenso matt wie meine es waren. Seine alabasterfarbene Haut bildete einen starken Kontrast zu seiner dunklen Kleidung.
„Du bist zu spät.“, sagte Mrs Lennon, die sich meiner Meinung nach dieses Mal ziemlich spät einschaltete.
„Wo ist Tara?“
Ich zuckte mit den Schultern und setzte eine ausdruckslose Miene auf. Zu meinem Leidwesen befand sich mein Platz in der ersten Reihe, weshalb dem Jungen der Blick auf mich nicht verweigert wurde. Mrs Lennon ließ zu meinem Erstaunen das Thema fallen und wies mit den Finger auf den leeren Platz, auf dem Tara sonst saß.
„Alain, da Tara nicht da ist wirst du dich an ihren Platz begeben.“
Der Junge nickte und kam um den Tisch herum, um sich dann neben mir niederzulassen. Auch das noch. Ich ließ den Kopf hängen. Der Tag hatte schon beschissen angefangen und ich ahnte, dass er noch schlimmer werden würde. Der eindringliche Blick von Alain – diesen Namen hörte ich zum ersten Mal – bestätigte meine Vermutung nur.
„Hey, ich bin Alain.“, sagte er.
„Ich bin nicht taub.“, erwiderte ich ohne Ton und kramte, ohne ihn eines Blickes zu würdigen, meine Sachen aus der Tasche.
Alain war überrascht, denn diese Reaktion hatte er nicht erwartet. Sie wirkte wütend. War bloß die Frage warum.
„Verrätst du mir auch deinen Namen?“, fragte er und lehnte sich zu ihr hinüber. Seine Muskeln spannten sich an. Sie roch nach Himbeeren und...Rosen? Er schluckte. Er hoffte man würde ihm nicht ansehen, dass ihm bei diesem Geruch sofort das Wasser im Mund zusammenlief.
„Nein.“, sagte sie bloß und richtete ihren Blick auf die Tür. Wie aufs Stichwort ging die Tür auf. Tara trat ein. Sie bemerkte Alain erst nicht, doch als sie sah wer da auf ihrem Platz saß erstarrte sie.
„Sie an, du bist ja doch noch gekommen.“, sagte Fay und beobachtete mit weiterhin ausdruckslosem Gesicht, wie ihre Freundin sich auf einen anderen Stuhl setzte. Auch Mrs Lennon sah stumm dabei zu, wie sie sich an einen anderen Tisch begab.
„Ihr kennt euch.“, sagte Fay plötzlich.
Alain erstarrte. Es gab nicht viel was ihn aus der Fassung brachte, doch jetzt war er der Meinung, dass Fay ein etwas anderes Mädchen war. Aufmerksam betrachtete er sie.
„Wie kommst du darauf?“, sagte er.
„So reagiert sie nur wenn sie jemanden nicht leiden kann. Und um jemanden nicht leiden zu können muss man ihn kennen...“
Wäre es nicht um Tara und ihn gegangen hätte er nun schmunzeln müssen, denn ihre Ausdrucksweise und der Ton den sie benutzt hatte, war auf eine unbeschreibliche Art und Weise amüsant gewesen. Er beschloss die Klappe zu halten und lehnte sich zurück.
„Halt dich von Alain fern, hörst du?“
Ich schlug die Augen auf und sah Tara an, die wütend, ja fast mit mörderischem Blick auf mich herab sah. Der Baumstamm in meinem Rücken tat weh und der harte Boden unter mir war unbequem, doch ich rührte mich nicht.
„Erstens lasse ich mir keine Befehle erteilen.“, begann ich ernst, dennoch monoton und erhob mich nun.
„Zweitens ist deine Sorge unbegründet. Drittens...“
Ich deutete mit dem Finger nach oben, wo Alain auf einem Ast saß und zu uns hinunter sah. Er war mir gefolgt und hatte versucht mit mir ein Gespräch anzufangen, doch auf mein Schweigen hin hatte er irgendwann beschlossen es aufzugeben. Sehr zu meiner Erleichterung.
Tara verschränkte die Arme.
„Er kann es ruhig hören, schließlich geht es um ihn.“
„Ah.“, war mein einiger Kommentar dazu. Ich wandte mich ab.
„Du weißt ja nicht...“, begann sie verzweifelt, doch ich unterbrach sie indem ich blitzartig herumwirbelte und sie wütend anfunkelte.
„Irrtum! Ich weiß sehr wohl, Tara. Du bist diejenige die nichts weiß...“
Nachdem ich die Worte ausgesprochen hatte ließ ich sie stehen. Ich hatte genug von diesem...Spiel! Tara war zwar meine Freundin, doch selbst sie wusste nichts von den Verhätnissen in meiner Familie. Ich ging ins Schulgebäude und rannte durch den langen Flur im Obergeschoss, bis ich an meinen Spind kam. Ich nahm eine kleine Metallbox heraus und öffente sie. Rasierklingen blitzten gefährlich im Sonnenlicht, das durchs große Fenster an der Wand hinter mir hereinfiel.
Ich schüttelte den Kopf und warf die Box zurück, dann schlug ich mit voller Wucht die Tür des Spinds zu...
„Du bist echt verzweifelt, oder?“
Alain sah sie ausdruckslos an. Fay musterte ihn mit ebenso gleichgültigem Gesichtsausdruck. Mit der Schulter lehnte er an den Spinden, seine Hände steckten in seinen Hosentaschen.
„Sehe ich verwezfeifelt aus?“, fragte sie ohne einen Hauch von Gefühlen.
„Dein Arm.“, sagte er bloß und beobachtete, wie sie erstarrte.
Woher wusste er davon? Waren ihre Ärmel hochgerutscht? Fay sah hinunter und bemerkte, dass einer ihrer Ärmel des dunkelroten Pullovers den sie anhatte tatsächlich hochgerutscht war. So gleichgültig und ausdruckslos wie nur möglich schob die den Ärmel wieder hinunter.
„Und wenn schon.“, war ihre trockende Antwort. Sie wollte sich abwenden, doch er versperrte ihr den Weg. Warum beschlich ihn das Gefühl, dass sie ein Geheimnis hatte?
„Hast du Lust auf einen Kaffee? Ich lade dich ein!“
Die Verblüffung war deutlich in ihren Augen zu sehen. Sie zog die Brauen hoch. Mit allem hätte sie gerechnet aber nicht damit. Hatte er sie eben wirklich eingeladen? War das sein ernst? Oder spielte er bloß mit ihr?
„Du bist interessant...“, murmelte sie mit zuckenden Mundwinkeln.
Wieder war er überwältigt.
„Ist das etwas Gutes oder Schlechtes?“, antwortete er lächelnd. Er hatte schon eine Ewigkeit nicht mehr gelächelt, es wunderte ihn das sie ihn durch eine solche Kleinigkeit wie zuckende Mundwinkel zum lächeln brachte.
„Es ist gut.“, murmelte sie leise und lächelte ebenfalls zaghaft. Ihr Lächeln war schön. Atemberaubend schön! Wie gerne hätte er nun ihre Lippen berührt? Das Verlangen die Hand einfach auszustrecken und mit den Fingern über ihren vollen und geschwungenen erdbeerroten Mund zu streichen war überdimensional groß! Alain zog die Brauen hoch.
„Nach der Schule?“, fragte er und beobachtete, wie sie an ihm vorbei ging und dann stehen blieb.
Reiß dich gefälligst zusammen!
, dachte er als er registriert hatte, dass er sich über die Lippen geleckt hatte.
„Meinetwegen.“, sagte sie und sah noch einmal kurz über ihre Schulter.
2
„Hatte ich nicht gesagt, dass du dich von ihm fernhalten sollst?“
Tara schrie schon fast. Warum regte sie das denn so auf? Ich lehnte an den Spinden und hielt meine Tasche im Arm.
„Ich sagte bereits das ich mir keine Befehle erteilen lassen. Und schon gar nicht von dir. Außerdem verstehe ich nicht warum du dich so aufregst. Er hat mich gefragt ob ich mit ihm einen Kaffee trinken gehe, na und?“
Ich wurde leiser.
„Ich gebe zu er ist unheimlich...aber es reizt mich.“
Das zuzugeben erforderte Mut, dabei war es eigentlich nur eine Kleinigkeit.
„Freut mich zu hören!“
Ich zuckte zusammen als ich seine Stimme hörte. Ich hatte gar nicht bemerkt das Alain inzwischen neben mir stand und scheinbar hatte auch Tara ihn nicht bemerkt. Wie konnte man bloß so unauffällig sein?
„Hey.“, sagte ich und lächelte. Seit Monaten hatte ich nicht mehr lächeln, geschweige denn lachen können, doch auf einmal war alles anders. Ich konnte nicht anders als ihn anzulächeln.
Tara knurrte, was in letzter Zeit öfter vorkam. War Alain etwa ihr Ex oder gab es einen anderen Grund für ihr Verhalten?
„Lass sie in Ruhe, hast du verstanden?“
Ich stieß mich von den Schränken ab und sah sie wütend an.
„Meinetwegen könnt ihr euch prügeln aber bitte ein andern mal, klar?“
Ich ging an den beiden vorbei und schaute dann über meine Schulter zu Alain.
„Kommst du?“
„Warum verletzt du dich?“
Fay war auf diese Frage nicht gefasst gewesen, zumindest nicht in diesem Moment, weshalb sie sich verschluckte.
„Ein besseres Thema ist dir nicht eingefallen, oder?“, fragte sie, nachdem sie wieder einigermaßen Luft bekam. Alain musterte sie.
„Du bist eine hübsche und interessante Frau, die nur leider vor ihren Problem davonläuft.“
Die ersten Worte seines Satzes ließen sie die Luft anhalten, doch am Ende konnte sie nicht anders als das Gesicht zu verziehen. Sie stützte ihr Kinn auf die rechte Hand.
„Ich laufe nicht vor meinen Problemen davon. Und selbst wenn ich das täte, es wäre sinnlos. Vor diesen Problemen kann man nicht flüchten. Ich...“
Sie zögerte einen Moment.
„Ich versuche nur...sie zu vergessen.“
Alain zog die Brauen hoch. Ihm war aufgefallen, dass er das, seitdem er in Fays Leben getreten war, ziemlich oft tat.
„Indem du dir Klingen an den Arm führst? Glaubst du nicht, dass das die falsche Methode ist?“
Sie wich seinem Blick aus und schloss die Augen, was sie nur umso zerbrechlicher wirken ließ. Er neigte den Kopf. Warum verspürte er das Bedürfnis sie in die Arme schließen zu wollen?
„Du hast ja keine Ahnung...“
„Was ist der Grund für das alles?“ Er machte eine Handbewegung. „Warum bist du so in dich gekehrt?“
„Das geht dich gar nichts an!“, fauchte sie und funkelte ihn nun wütend an. Er verkneifte es sich nun zu lächeln. Im einen Moment war sie verletzlich und sensibel, im nächsten so wild wie ein Raubtier. Eine faszinierende Kombination aus Elfe und Kriegerin.
„Wenn du mich deshalb eingeladen hast, ist es wohl besser wenn ich jetzt verschwinde!“
Alain war abermals verblüfft. Ihm war schon längst klar, dass sie auch mal aufbrausend sein konnte, doch das sie eine solche Lautstärke und einen solchen Ton benutzen würde ließ ihn dann doch stutzig werden. Doch ihm war ihre Reaktion völlig egal, er wollte wissen warum sie so empfindlich reagierte und versperrte ihr den Weg als sie versuchte, sich aus dem Staub zu machen. Sie hatte sein Interesse geweckt und das hatte bisher noch keine Frau so geschafft, wie sie!
„Findest du nicht es wäre besser, darüber zu reden? Ich dachte du rennst nicht vor deinen Problemen davon?“
Diese Frau war anders als er erwartet hatte. Er glaubte gewiss nicht das sie so kalt war wie sie tat, viel mehr glaubte er das sie versuchte sich so zu schützen. Was hatte das Mädchen erlebt, dass es so voller Angst war? Sie ging nicht auf seine Provokation ein.
„Ich will nicht darüber reden!“, sagte sie nun mit ruhiger und fester Stimme. „Und mit dir schon gar nicht!“
Ihre matten, laubgrünen Augen sahen ihn fast schon verzweifelt an, ihr ruhiger Tonfall konnte ihn nicht täsuchen. Sie seufzte plötzlich.
„Was willst du eigentlich von mir?“
„Ich will dir helfen.“, antwortete Alain und nahm vorsichtig ihre Hand. Sie erschauderte als sie seine kühle Haut auf ihrer spürte. Sofort entzog sie ihm ihre Hand.
„Kein Interesse, vielen Dank.“
Verwirrt und gewissermaßen auch ein wenig fasziniert ging sie an ihm vorbei und verließ das Café in dem sie sich niedergelassen hatten.
Er bietet mir Hilfe an? Ich sah kurz über meine Schulter und stellte erleichtert fest, dass er mir nicht folgte. Ich konnte es nicht fassen, er wollte mir tatsächlich helfen! Aber warum? Warum war er so versessen darauf? Alain war der Erste der ausgesprochen hatte wonach ich schon eine Ewigkeit lechzte. Doch irgendetwas sagte mir, dass die Sache einen Haken hatte. Nie hatte sich jemand für mich interessiert und nun auf einmal war Alain da und alles war anders. Selbst Tara machte sich Sorgen. Halt dich von ihm fern!, hatte sie gesagt. Irgendetwas stimmte nicht, doch ich wusste nicht was...
Als ich nach Hause kam erwartete mich mein Vater mit den Fuß wippend im Flur.
„Darf ich fragen wo du so lange warst?“
„Ich wurde auf einen Kaffee eingeladen.“, sagte ich monoton und ging an ihm vorbei. Doch zu früh gefreut. Er packte mich grob am Handgelenk und zog mich zurück.
„Du kommst gefälligst sofort nach Hause, hast du verstanden?“
Seine Stimme ging in ein Brüllen über, welches in meinen Ohren dröhnte. Ich blieb still, doch das wurde mir zum Verhängnis. Er holte aus und verpasste mir einen solchen Schlag, dass ich ins Taumeln geriet.
„Hast du verstanden?“, schrie er und packte mich an den Schultern. Noch bevor er mich schütteln konnte unterbrach ein Klingeln den Moment. Mein Vater wandte sich von mir ab und widmete sich der Haustür. Ich hielt mir die Wange, die untersträglich schmerzte. Ich hatte mich bereits an den Schmerz gewöhnt, dennoch sammelten sich immer wieder Tränen in meinen Augen, wie auch dieses Mal. Als mein Vater die Tür öffente und ich erkannte wer dort stand, gefror mir das Blut in den Adern.
„Kann ich dir helfen?“, fragte mein Vater schroff und musterte Alain.
„Du hättest nicht herkommen sollen...“, sagte ich leise mit zitternder Stimme und wandte mich ab.
„Ich muss mit dir reden.“, sagte Alain und drängte sich an meinem Vater vorbei.
„Du solltest gehen, ehe die Situation eskaliert.“, sagte ich schnell und versuchte ihn aus dem Haus zu drängen, doch mein Vater schob mich voller Zorn zurück.
„Darf ich fragen wer du bist?“, grölte er und sah Alain sowohl wütend als auch fragend an.
„Ich bin Alain, alles andere ist unwichtig.“, antwortete er bloß und sah meinen Vater so eindringlich an, dass er still blieb. Ohne ein Wort zu sagen wandte er sich ab und ging in die Küche. Verdutzt schaute ich ihm nach.
„Wie hast du...“
Weiter kam ich nicht, denn Alain packte mich am Arm und zerrte mich ins Bad.
„Woher weißt du überhaupt...“
Ich wusste das er keine Antwort geben würde, weshalb ich von nun an schwieg.
Alain drückte sie auf den Rand der Badewanne. Ihre Wange glühte noch immer und als er sie genauer musterte bemerkte er, dass sie zitterte. Ihre Augen glänzten und er begriff, dass es Tränen waren. Er nam ein Tuch zur Hand und machte es unter dem Wasserhahn nass. Dann drückte er es sanft an ihre Wange.
„Dein Vater ist immer so, nicht wahr?“
Sie nickte bloß und versuchte die Tränen zurückzuhalten. Sie wollte nicht weinen. Nicht vor ihm und auch vor keinem anderen sonst.
„Was willst du?“, murmelte sie dann und erhob sich. Sie ging zur Tür und hielt diese demonstrativ auf.
„Wie gesagt, es ist besser wenn du jetzt gehst.“
„Ich will, dass du mit zu mir kommst.“, sagte Alain und sah sie eindringlich an.
„Bitte, was?“
Entgeistert starrte sie ihn an. Dann, völlig unerwartet, brach sie in schallendes Gelächter aus. Scheinbar eine Reaktion ihrer Verwirrung, glaubte er.
„Du meinst das echt ernst, oder?“, sagte sie grinsend und erntete dafür einen überraschten Blick.
„Dein Vater misshandelt dich, nur scheint dir das völlig egal zu sein, ich will gar nicht wissen wie deine Mutter so drauf ist. Glaube mir, ich werde ganz bestimmt nicht zulassen, dass du dich umbringst. Also pack deine Sachen!“
Sein grober Tonfall und das wütende Blitzen in seinen Augen jagte ihr einen Schauer über den Rücken, doch sie ließ sich nichts anmerken und schüttelte lachend den Kopf.
„Du bist echt seltsam.“
„Fay, bitte!“
Alain wurde leiser, jedoch schaffte er es nicht sanft zu klingen. In seinen sechhundertsiebenundzwanzig Jahren hatte er nicht einmal seine Gefühle offen gezeigt, doch seitdem er Fay kannte war es irgendwie anders. Er musste sich wirklich zusammenreißen!
„Warum willst du mir unbedingt helfen?“, fragte sie und riss ihn somit aus den Gedanken.
Als sich ihre Blicke trafen sah er, dass ihre Augen jetzt nicht mehr wegen der Tränen glänzten, sondern der Wut wegen. Er wusste keine Antwort auf ihre Frage. Ihm war selbst schleierhaft warum er so dringend wollte, dass es ihr gut ging. Vielleicht lag es daran das er... Er zuckte mit den Schultern.
„Keine Ahnung. Vielleicht weil man eine solch hübsche Frau nicht sterben lassen sollte?“
Er biss sich auf die Zunge als ihm klar wurde, wie scheiße sich das angehört hatte. Ihre Augen verengten sich und er hätte schwören können, dass sich das grün ihrer Augen verdunkelte.
„Wie kommst du eigentlich darauf, dass ich mich umbringen will?“
Er antwortete nicht darauf denn er ahnte, dass egal was er sagen würde ihr seine Antwort nicht passen würde. Schweigend nahm er ihre Hand und zog sie mit in ihr eigenes Zimmer. Fasziniert und doch gleichzeitig erschrocken wie er ihre Reisetasche unter dem Bett hervorzog und dann zum Schrank ging und gezielt hineingriff, beobachtete sie ihn.
„Du warst schon mal hier.“, stellte sie flüsternd fest und starrte ihn an.
„Blödsinn.“, antwortete monoton. Sie hatte Recht. Er war schon mal hier, allerdings war weder sie zu dem Zeitpunkt hier gewesen, noch ihre Eltern. Er wollte sich ein Bild von ihrer Umgebung machen und kam zu dem Entschluss, dass dieses Haus eigentlich ganz friedlich aussah. Ohne Bewohner verstand sich. Jetzt war er allerdings mehr als nur wütend. Alain war verwirrt über sich selbst. So viele Morde hatte er miterlebt. Kriege und andere Kathastrophen. Frauen wurden ermordet, auch Kinder. All das hatte ihn kalt gelassen. Warum regte es ihn dann so auf, wenn eine Frau lediglich geschlagen wurde? Er verkniff es sich den Kopf zu schütteln. Nein, Fay war nicht irgendeine Frau. Sie war etwas besonderes. Aber warum fand er, dass sie besonders war?
Der Drang sich umzudrehen und sie ausgiebig zu betrachten war groß. Sie machte sich nicht wirklich was aus ihrem Aussehen, dennoch war sie unglaublich hübsch. Sie jammerte nicht wenn es ihr schlecht ging, so wie manch anderes Weib, nein, sie ertrug es still und heimlich. Das hatte nichts mit Schüchternheit zutun, fand er. Vielleicht wollte sie nicht das jemand sah, wie schwach und hilflos sie als Frau doch eigentlich war? Er hatte viele Fragen, würde aber ohne Antworten auskommen müssen. Fürs erste zumindest.
„Aber du weißt genau wo sich was befindet.“, stellte sie fest. Für einen kurzen Moment hielt er innne. Er spürte ihren stechenden Blick im Rücken und er fragte sich, ob sie in diesem Moment wohl Angst vor ihm hatte.
„Alain.“
Er schluckte. Nie hatte jemand seinen Namen so ausgesprochen wie sie. Plötzlich hielt sie ihm ein kleines Kästchen mit einem Schloss vor die Nase.
„Pack das auch ein.“, sagte sie und wandte sich wieder ab. Schien, als wäre ihr diese Situation peinlich. Alain zog eine Braue hoch, schmunzelte aber.
„Bei dir wird es sicher angenehmer sein als hier...“, sagte sie leise und beendete somit die kurze Konversation.
3
„Du hast eine eigene Wohnung?“, murmelte ich und schaute mich unauffällig um. Ich musste mir selbst eingestehen, dass mich das überaus beeindruckte. Es waren vier Räume. Küche, Wohnzimmer, Schlafzimmer und Gästezimmer, allesamt riesig.
„Meine Eltern sind...auf Geschäftsreise.“, kam es von Alain zurück. Er klang monoton, so wie die meiste Zeit sonst auch.
„Du lügst.“, stellte ich mindestens genauso tonlos fest und unterdrückte ein Kichern als ich sah, wie er erstarrte. Dann drehte er sich zu mir um und sah mich forschend an. Sein Blick war undefinierbar, ließ aber dennoch erkennen das er nicht schlau aus mir wurde.
„Deine Eltern sind tot, nicht wahr?“, murmelte ich leise und wartete ab, was passieren würde.
„Du erkennst immer sofort die Wahrheit...wie ist das möglich?“, fragte er leise und kam auf mich zu. Seine letzten Worte waren sicher eine Frage an sich selbst gewesen, dennoch antwortete ich darauf.
„Ich weiß es nicht...mein Gefühl sagt es mir.“, antwortete ich zaghaft. Er blieb dicht vor mir stehen und betrachtete mich fasziniert. Ich ließ zu, dass er mit einer Haarsträhne von mir spielte. Ohne noch etwas zu sagen wandte er sich dann von mir ab und brachte meine Tasche ins Gästezimmer.
Der Ausdruck der eben in sein Gesicht getreten war verwirrte mich. Es sah so aus als wäre er von sich selbst schockiert gewesen...
„Hast du mich nur wegen meiner Eltern hergeholt?“, fragte ich und folgte ihm geräuschlos.
„Nein.“, war seine trockene Antwort. Ich wollte wieder etwas sagen, doch er kam mir zuvor.
„Hör zu...Es gibt da etwas, das mich beschäftigt aber ich will nicht darüber reden.“
Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. Irgendwie ähnelten wir uns. Leise trat ich hinter ihn.
„Scheinbar liebst du das Geheimnisvolle...“, murmelte ich, als meine Lippen an seinem Ohr lagen. Er erstarrte, weshalb ich kichernd zurückwich.
„Verzeihung...du magst es wohl nicht wenn man dir zu nahe kommt.“
Ich widmete mich meinen Sachen und sah aus den Augenwinkeln, wie er das Zimmer verließ.
Alain knurrte leise. Eigentlich mochte er es wirklich nicht wenn man ihm zu nahe kam. Bei ihr allerdings...Er ballte die Hände zu Fäusten. Am liebsten hätte er sie in die Arme geschlossen und nie wieder losgelassen. Er sah zurück. Wo war das Mädchen von vorhin? Scheinbar war sie doch nicht so zurückhaltend. Er hatte schon viele Frauen gehabt, auch ohne Gefühle, doch nie war eine so wie Fay gewesen.
„Alles in Ordnung?“
Sein Blick hatte sie scheinbar verwirrt, denn sie war ihm gefolgt und sah ihn nun voller Sorge an.
„Du machst einen abwesenden Eindruck.“, erklärte sie auf seinen fragenden Blick hin. Er fasste sich und wandte sich ab.
„Alles bestens.“, sagte er trocken.
…
Nur mit einem Handtuch umwickelt trat Fay aus dem Bad.
„Alain, hast du vielleicht...“
Weiter kam sie nicht, denn Alain drückte sie gegen die Wand und presste seine Hand auf ihren Mund. Eigentlich hätte sie diesen Moment genossen, so wie auch er es sollte...wollte.
„Alain, mach sofort die Tür auf!“
Tara hämerte gegen die Tür und nach ihrem Tonfalls zu urteile war sie alles andere als gut drauf. Fay musterte Alain. Sein ganzer Körper war angespannt, sie konnte deutlich sehen wie sich seine Muskeln unter dem Shirt abzeichneten. Seine Lippen bildeten eine schmale Linie und sie hätte schwören können, dass das grün seiner Augen dunkler geworden war. Es wurde still, doch in dem Moment als Alain sie los lassen wollte flog die Tür auf. Tara stand im Flur und begann zu grinsen.
Fays Augen weiteten sich. Hatte sie gerade eben die Tür aufgebrochen?
„Störe ich?“
Verwirrt schaute Fay zwischen Tara und Alain hin und her. Sie war mit der Situation überfordert.
„Hast du mich ihretwegen hierher gebracht?“, fragte sie scharf und kniff die Augen zusammen.
„Sie ist wahrlich etwas Besnderes.“, murmelte ihre Freundin und lächelte diabolisch.
„Ich würde mich freuen wenn mir jemand erklären würde, was hier los ist!“, knurrte Fay wütend und zog die Brauen hoch, als die beiden sie ignorierten.
„Was fällt dir eigentlich ein, dich einfach einzumischen?“, fauchte Tara und baute sich selbstbewusst vor dem Gefallenen auf. Der jedoch blieb ausdruckslos.
„Glaube mir, es ist mir egal was du vorhast. Hätte Michael sich nicht bei mir gemeldet wäre ich nun nicht hier.“
„Sie ist dir nicht egal, mein Lieber. Ich sehe es dir an!“, schoss die Blondine zurück. Ihre blauen Augen schienen das pure Grauen widerzuspiegeln.
Fay fluchte leise, wandte sich ab und wollte ins Bad verschwinden, doch Tara griff nach ihr und verkrallte sich in ihren Haaren.
„Schön hiergeblieben.“, fauchte sie und zog Fay zurück. Die jedoch reagierte anders als erwartet. Sie schaffte es sich loszureißen und holte dann aus. Ohne einen weiteren Kommentar rannte sie ins Bad, wo sie knurrend die Tür hinter sich zuwarf.
Was passierte hier eigentlich? Und warum war ich so wichtig? Ich zog mich hastig an und lauschte dann an der Tür.
„Du hältst dich raus, hast du verstanden?“, brüllte Tara.
Was ist bloß in sie gefahren?
, fragte ich mich und wartete gespannt auf Alains Antwort, die prompt folgte.
„Sie interessiert mich nicht, dennoch lasse ich nicht zu, dass du sie für deine Zwecke missbrauchst!“
Was hatten seine Worte zu bedeuten? Wenn ich ihn nicht interessierte, warum war ihm meine Sicherheit dann so wichtig? Seine Stimme ging in ein lautes Knurren über, was mir einen Schauer über den Rücken jagte. Vielleicht war er doch nicht so harmlos wie ich inzwischen glaubte...Tara wurde leiser, doch ich hörte sie immer noch gut genug um von ihren Worten eine Gänsehaut zu bekommen.
„Hast du das zwischen uns etwa schon vergessen? Wir haben so viel zusammen erlebt und jetzt stellst du dich gegen mich. Du bist auf einmal so anders...warum?“
Obwohl ich das schon vermutet hatte war es dennoch ein Schock. Warum hatte mir keiner der beiden gesagt das sie mal zusammen gewesen waren?
„Hast du schon vergessen warum ich so anders bin?“, antwortete Alain. Ich bemerkte das ich die Luft angehalten hatte. Ich wollte wissen was zwischen den beiden vorgefallen war, auch wenn ich glaubte, dass es besser gewesen wäre wenn ich es nicht gewusst hätte. Die Stimme meiner Freundin wurde rau und ging ich ein Fauchen über.
„Wie könnte ich vergessen das du mich sitzen gelassen hast?“
Alain wurde wieder monoton, doch ich erstarrte erneut als ich den Schmerz in seiner Stimme hörte. Mit einem Mal hätte ich ihn am liebsten sofort umarmt.
„Ich hätte dich nicht verlassen, Tara. Du warst diejenige die alles kaputt gemacht hat. Als ich meine Meinung gesagt habe hast du dich zurückgezogen. Dein Rang und der ganze Ruhm waren dir wichtiger als ich und genau das ist der Grund, warum unsere Beziehung zueinander kaputt gegangen ist!“
Ich bemerkte das Tränen über meine Wangen liefen. Ruhm? Rang? Tara kam aus armen Verhältnissen, was hatten Alains Worte also zu bedeuten? Allmählich beschlich mich das Gefühl, dass ich nichts über Tara wusste. So wenig wie sie von mir wusste.
„Zum Teufel, was ist hier eigentlich los?“, murmelte ich und wandte mich von der Tür ab. Ich stellte mich vor den Spiegel und musterte mich. Meine Augen waren rot und geschwollen und ich merkte, dass ich zitterte.
Wer seid ihr?
, dachte ich und schloss die Augen. Ich hatte keine Ahnung warum mir ausgerechnet diese Frage im Kopf herum spukte.
Hast du Angst?
Die Stimme in meinem Kopf ließ mich erschaudern. Das musste ich mir eingebildet haben.
Nein.
, dachte ich dennoch. Ich versuche lediglich zu verstehen was hier los ist.
„Ich möchte dich bitten meine Wohnung zu verlassen.“, hörte ich Alain sagen.
„Deine Wohnung?“
Tara stieß erst ein Schnauben aus, dann ein Fauchen. Nach einigen weiteren Sekunden hörte ich dann einen Knall, der scheinbar von der Tür stammte.
„Fay.“
Alain stand vor der Tür zum Bad. Er wünschte sich wirklich sie hätte diesen Moment nicht miterlebt. Er senkte den Blick. Er hatte zwar gedacht das er keine Gefühle besaß, dennoch war er damals mit Tara zusammengewesen. Nun, wo er Fay jedoch kannte wurde ihm klar, dass das damals keine Liebe gewesen war! Zur Hölle mit diesen Gefühlen!
, dachte er und ballte die Hand zur Faust.
„Lass mich in Ruhe!“
Das Knurren aus dem Inneren des Raumes kam von Fay. Alain drückte die Klinke nieder und betrat das Bad. Es war nicht abgeschlossen. Natürlich nicht.
„Stört es dich das Tara und ich mal ein Paar waren?“
Die Frage brannte ihm schon die ganze Zeit auf der Zunge und nun wollte er eine Antwort darauf. Er trat hinter sie, sie wirbelte herum und starrte ihn perplex an.
„Spinnst du?“, fauchte sie. „Es ist mir egal mit wem du was hast, hattest, oder nicht. Ich will bloß wissen was die ganze Scheiße hier eigentlich soll!“
Doch, es störte sie. Sehr sogar. Doch das behielt sie für sich.
Tara war nur fünf Minuten hier gewesen, doch ich hatte das Gefühl das genau diese fünf mickrigen Minuten so einiges geändert hatten. Ich war nicht lange mit Tara zusammen gewesen und gab zu, dass ich diese Zeit keineswegs vermisste. Sie interessierte mich nicht mehr, dafür interessierte Fay mich umso mehr. In ihrem Dokument stand, dass sie zurückhaltend und kalt war, doch ich sah das anders. Offensichtlich konnte sie auch ganz direkt sein. Sie kam mir nahe, hatte Tara eine verpasst und war so wütend wie Michael, wenn man ihm auf die Nerven ging. Ganz offensichtlich hatte diese Frau Feuer im Blut! Nun stand sie vor mir und sah mich so finster an, dass ich erschauderte.
„Ich würde dir gerne alles erklären. Sehr gerne! Aber ich kann nicht.“, sagte ich kühl und sah, wie sich der Ausdruck in ihren Augen veränderte.
„Ach, ist das so?“, sagte sie nüchterin und ging an mir vorbei. Als ich mich umdrehte das ich das sie ins Gästezimmer gegangen war, wo sie alle ihre Sachen in ihre Tasche packte.
4
„Du wirst hierbleiben.“
Und schon wieder war seine Stimme nicht mehr als nur ein Knurren.
„Hör zu, Alain.“, begann ich ebenfalls knurrend. „Ich konnte es akzeptieren mit dir herzukommen. Aber ich akzeptiere nicht, dass du mich hier festehältst und mir die Inforamtionen verschweigst, die ausschlaggebend sind. Wenn ich den Stand der Dinge kennen würde, wüsste ich mich zu verhalten, jedoch sehe ich mich gezwungen so lange einen Aufstand zu machen, bis du mich gehen lässt.“
Ich schluckte. Eigentlich wollte ich nicht von hier fort. Ich wollte bei ihm bleiben. Nur warum?
„Ich bin mir ziemlich sicher das mir selbst die Polizei nicht helfen könnte, also muss ich alleine versuchen hier weg zu kommen...“
Wie schon so oft in dieser Stunde trat ein Ausdruck in seine Augen, den ich nicht deuten konnte.
„Tara hatte Recht.“, murmelte er. „Du bist etwas Besonderes...“
Er kam auf mich zu und blieb dicht vor mir stehen. Wir waren uns so nahe, dass ich seinen Atem in meinem Gesicht spüren konnte. Ich schluckte. Als ich begriff in was für einer Situation ich mich befand wich ich zurück und stieß ihn weg. Doch zu früh gefreut. Augennlicklich tart er wieder an mich heran und fasste mein Kinn. Er hob mein Gesicht an, sodass ich gezwungen war ihn anzusehen.
„Du bist mir unterlegen.“, sagte er schroff und verstärkte seinen Griff. Wo war der kalte und gefühllose Alain hin? Vor mir stand ein Mann, der so grausam und verbitterte war wie ein alter Mann, der mich sehr an meinen Vater erinnerte. Trotz der Angst die sich deswegen in mir breit machte loderte noch etwas anderes in mir auf. Ohne es wirklich zu begreifen packte ich seinen Arm und warf ihn zu Boden. Wie ich das gemacht hatte war mir rätselhaft. Überrascht über mich selbst starrte ich den verdutzt dreinschauenden Alain an, doch ich fasste mich schnell.
„Mag sein.“, sagte ich als Antwort auf seine Worte. „Aber dadurch lasse ich mich nicht einschüchtern.“
Doch, ich hatte mich durch sein Handeln einschüchtern lassen, doch ihm gegenüber würde ich mich nicht noch einmal schwach zeigen. Reicht schon das er mit ansehen musste, wie mich mein Vater geschlagen hatte!
Rasch wandte ich mich wieder meine Tasche zu, an der ich jetzt den Reißverschluss zu zog.
„Wie kommt es, dass du auf einmal so selbstbewusst bist?“, drang Alains Stimme an mein Ohr.
Du lieber Himmel, wie war er so schnell aufgestanden? Die Hitze die ich in meinem Rücken verspürte war unerträglich, weshalb ich unwillkürlich erschauderte. Ich bemerkte wie sich meine Lippen zu einem unheilvollen Lächeln verzogen.
„Selbstbewusst? Von wegen.“
Ich machte eine kurze Pause und stieß ihm dann meinen Arm in den Bauch.
„Ich weiß nicht für wen du dich hältst aber ich werde vor dir ganz sicher nicht auf die Knie gehen!“, sagte ich dann und schnappte mir meine Tasche. Ich rannte aus dem Zimmer, durch den Flur zur Tür, welche ich kraftvoll aufriss. Sofort stürmte ich aus der Wohnung ins Treppenhaus.
Ich hörte wie Alain meinen Namen rief, doch ich lief weiter. Ein paar Mal stolperte ich über meine eigenen Füße aber ich schaffte es ohne ernsthafte Verletzungen auf die Straße zu kommen. Ich rannte die Straße hinauf, getrieben von Angst und Wut, doch sehr weit kam ich nicht, denn nach einigen Metern stieß ich mit jemanden zusammen.
„Ich dachte mir schon das du Probleme mit ihm bekommen wirst.“
Die Stimme die ich vernahm kam mir äußert bekannt vor und als ich die Person vor mir betrachtete, wusste ich auch warum. Es war Tara die mich grinsend musterte. List funkelte in ihren Augen. In ihrer Hand blitzte ein Dolch im Sonnenlicht auf. Ich machte mir panische Gedanken darüber um Hilfe zu schreien, was sich leider als nutzlos erwiesen hätte. Aus den Augenwinkeln sah ich, dass die Straße menschenleer war. Das schmerzvolle Kribbeln in meinem Rücken gab mir zu verstehen, dass Alain mir gefolgt war und sich einige Meter hinter uns befand. Warum ich das wusste war mir unklar. Ich lächelte diabolisch, auch wenn mir nicht danach zumute war.
„Ich dachte ich würde dich kennen aber da habe ich mich wohl getäuscht...“
„Allerdings.“, lachte Tara und krallte sich abermals in meinen Haaren fest. „Du wirst schön mitkommen.“, knurrte sie und verstärkte ihren Griff.
Wie schone inmal spürte ich etwas in mir und auf einmal war alles anders. Ich hatte keine Angst mehr! Ich brach in schallendes Gelächter aus, was Alain und Tara verwirrte und schnappte mir den Dolch in Taras Hand. So entkam ich ihr nicht, doch mit einem geschickten Griff schnitt ich mir meine Haare ab. Somit war der Griff von Tara nutzlos. Ich ballte die Hand zur Faust und holte aus. Innerhalb weniger Skeunden traf meine Faust ihr Gesicht. Ein lautes Knacken ertönte.
Meine Haare reichten mir jetzte nicht mehr bis zum Po, sondern nur noch bis zu den Schultern, was irgendwie angenehm war.
„Sorry, Schätzchen!“, lachte ich. „Aber dieses Spiel ist alles andere als amüsant!“
Blut lief aus ihrer Nase. Voller Zorn baute sie sich vor mir auf.
„Noch nie hat es jemand gewagt mich zu schlagen!“, schrie sie. Ich lachte noch immer und wurde dann leiser, meine Stimme war nichts weiter als ein gefährliches Knurren.
„Ich weiß nicht was mit dir los ist, Tara.“, begann ich. „Und ich weiß auch nicht was mit mir los ist. Aber ich muss feststellen...das mir dieses Gefühl gefällt!“
Plötzlich packte mich jemand und zog mich zurück. Es war Alain.
„Willst du sie deswegen? Wegen ihrer Kräfte?“, fragte er Tara.
Ich stieß Alains Arm weg.
„Kräfte? Meinetwegen ich spiele mal mit. Sie will mich wegen meiner Kräfte, schön und gut aber willst du von mir?“, fauchte ich und spürte wie die Wut in mir immer mehr wuchs. War der ganze Mist hier wirklich angenehmer und erträglicher als der Zuhause?
„Was ich will ist unwichtig.“, sagte er monoton und wandte seinen Blick von Tara ab. „Ich habe den Auftrag dich zu beschützen, also sei still.“
Mir klappte die Kinnlade herunter. Ich konnte es nicht fassen, man gab mir schon wieder Befehle. Der hatte vielleicht Nerven. Und was meinte er mit „Auftrag dich zu beschützen“?
Ich stieß ein kurzes Lachen aus, das aber eher wie ein Knurren klang.
„Ich werde ganz sicher nicht still sein! Ich will wissen worum es hier überhaupt geht!“
Ich schaute zwischen den beiden hin und her und verschränkte dann die Arme.
„Ich glaube kam das ich hier der springende Punkt bin. Viel mehr liegt das Problem bei euch.“
Ich seufzte, winkte ab und kehrte ihnen den Rücken zu.
„Aber das kann mir egal sein. Wenn ihr mich sucht, ich stüze mich von der nächst besten Brücke...“
Ich war einige Schritte gegangen, wurde jedoch erneut zurückgerissen. Tara packte mich an der Kehle und hob mich hoch. Mein Gedanken überschlugen sich. Warum war sie aufeinmal so stark? Ich bekam keine Luft mehr und versuchte verzweifelt ihre Hand von meinem Hals zu lösen, doch das hatte zur Folge das ihr Griff fester wurde. Alain wollte eingreifen als ich es schaffte, Tara mein Knie in den Magen zu rammen. Sie ließ von mir ab, keuchend prallte ich auf dem Beton auf.
Als ich aufsah stand plötzlich ein Mann hinter Tara. Er war groß, unglaublich muskulös und hatte braune Haare. Ich erstarrte als ich sah, dass seine Augen tiefschwarz waren. Das Kribbeln welches ich zuvor verspürt hatte war wieder da, dieses Mal jedoch war es stärker. Viel stärker.
Irgendetwas packte mich und zog mich hoch. Es war Alain. Er sah den Mann hinter Tara an und wandte sich dann ab. Er zog mich von den beiden weg, zurück in das Haus aus dem zu flüchten versuchte...
5
Ich stieß sie grob auf das Sofa und lief dann auf und ab. Wie sollte ich ihr das nur erklären? Ich hatte die Angst in ihren Augen gesehen. Wie würde sie reagieren wenn ich ihr die Wahrheit sagen würde? Ich wusste nicht warum es so war doch ich...begehrte sie.
„Wer seid ihr?“, fragte Fay knurrend und erhob sich.
Ich musterte sie und leckte mir über die Lippen. Mir war inzwischen klar warum Tara sie unbedingt haben wollte. Für einen gewöhnlichen Sterblichen war dieses Mädchen alles andere als der Durchschnitt. Wenn es darauf ankam konnte sie verdammt gefährlich werden, blieb jedoch die Frage warum? Der Gedanke das sie gar kein Menschen war drängte sich immer mehr in meine Gedanken. Aber wenn sie wirklich kein Mensch war, warum hatte Michael mir das dann nicht gesagt?
Als ich in ihre Augen sah erstarrte ich. War das grün etwa dunkler geworden? In diesem Moment spürte ich ein Gefühl, welches ich nicht kannte. Fays Augen funkelten vor Zorn und ihr Körper bebte. Erst jetzt fiel mir auf, dass sie noch immer den Dolch den Tara genutzt hatte in der Hand hielt. Nun fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Ich hatte Angst! Aber wovor? Davor das sie sich etwas antun würde? Oder war es die Tatsache, dass sie in diesem Moment sogar in der Lage war zu töten?
„Ich werde dir sagen wer wir sind, doch zuerst will ich wissen wer du bist?“, antwortete ich nun erst auf ihre Frage und sah, wie sich ihre Augenbrauen hebten. Dann fing sie an zu lachen.
„Soll das ein Scherz sein? Wenn ja, dann ist der alles andere als komisch!“
Sie ließ sich zurück aufs Sofa fallen, überschlug die Beine und seufzte.
„Ich bin Fay, ein stinknormaler Teenager, der sich in diesem Moment wünscht er wäre nie geboren worden...“
Ich dachte einen Augenblick lang nach, dann seufzte auch ich.
„Also gut, lass mich die Frage anders formulieren. Wer bist du, dass du solch Kräfte besitzt?“
Sie verdrehte die Augen.
„Was weiß ich. Ich wusste ja nicht einmal das ich in solchen Situation so...gefasst bleiben kann. Geschweige denn dazu in der Lage bin jemanden zu verletzen. Allem voran meine Freundin...“
Was um alles in der Welt war denn hier los? Hier saß ich nun, auf einem schwarzen, um ehrlich zu sein ziemlich bequemen Sofa in der Wohnung von Alain. Der Dolch in meiner Hand schien immer schwerer zu werden, weshalb ich ihn gezielt gegen die Tür schleuderte. Mit einem dumpfen Schlag blieb er genau in der Mitte stecken. Alain sah mich überrascht an, ich zuckte jedoch bloß mit den Schultern. Ich sagte die Wahrheit, ich hatte keine Ahnung warum ich auf einmal so stark war. Plötzlich entfuhr mir ein Schrei. Ich presste mir die Hände gegen die Schläfen und krümmte mich, denn der Schmerz in meinem Kopf war unglaublich. Das Wort „Wächter“ hallte wieder und wieder durch meine Gedanken.
„Fay!“
Mein Atem ging schnell und flach und wieder machte sich Angst in mir breit.
Alain kam zu mir und die Berührung seiner Hände an meinen Armen löste einen Schauer bei mir aus. Das Bild von schwarzen Flügeln tauchte vor meinem geistigen Auge auf.
„Fay.“, wiederholte sich Alain.
Das Schmerzgefühl klang allmählich ab, doch das Rauschen des Blutes in meinen Ohren blieb. Ebenso wie das Adrenalin in meinen Adern. Ich schob seine Hände beiseite und schüttelte irritiert den Kopf.
„Ich habe nicht die geringste Ahnung warum ich das weiß...“, murmelte ich und sah ihn eindringlich an.
„Aber du bist ein Gefallener!“
Ich erstarrte. Sie war kein Mensch! Nein, sie konnte kein Mensch sein! Mit zweifelndem Blick richtete ich mich auf.
„Die Tatsache das du es einfach so weißt lassen wir mal außen vor. Viel wichtiger ist, was genau du weißt!“, sagte ich barsch und verschränkte die Arme.
Ihre ohnehin schon dunkelgrünen Augen wurden noch dunkler. Sie überlegte einen kurzen Moment und schloss die Augen.
„Du warst ein Wächter...“, begann sie leise und monoton. „Deine Flügel waren...weiß...und an den Spitzen gold. Aber du hast dich gegen jemanden aufgespielt...sie bestraften dich. Von da an sind deine Flügel schwarz. Die Spitzen der Federn sind nicht mehr gold...sondern schimmern violett.“
Ich seufzte leise und zog eine Braue hoch in der Hoffnung, dass das alles war was sie wusste. Doch ihr Mund öffente sich erneut.
„Das eben...war Michael, nicht wahr?“
Ich schluckte.
„Du kennst ihn?“, fragte ich zögerlich und sah wie ihre Augen sich wieder heller färbten. Sie schüttelte den Kopf.
„Nein.“
Dann zuckte sie mit den Schultern.
„Frag mich nicht wohr ich weiß das er es ist.“
Ich seufzte erneut und wandte mich ab um dann nachdenklich auf und ab zu laufen. Eine Weile herrschte Stille, bis Fay endlich etwas sagte.
„Zeig mir deine Flügel.“
Ruckartig drehe ich mich um. Unbeabsichtigter Zorn schwang in meiner Stimme mit.
„Du erteilst mir Befehle?“, knurrte ich.
Ein Funkeln trat in ihre Augen als sie ihre Arme verschränkte und die Beine überschlug.
„Nur weil du als Himmlischer...äh, Ex-Himmlischer einen höheren Rang hast heißt das nicht, dass du verschont bleibst.“, sagte sie und grinste. Dann wurde sie ernst.
„Außerdem erteilst du mir auch ständig Befehle, also stell dich nicht so an. Wie heißt es doch so schön? Wie du mir, so ich dir!“
Ich schnaubte. Die Frau hatte vielleicht Nevren! Mochte sein das ich ein Gefallener war, dennoch war ich im Besitz meiner vollen Kräfte. Wenn ich wollte konnte ich mit ihr tun und lassen was ich wollte. Ich konnte sie mir unterwerfen und für einen winzigen Augenblick wollte ich genau das tun! Doch als ich in ihre funkelnden grünen Augen sah musste ich mir eingestehen, dass ich eigentlich etwas ganz anderes wollte...Ich wollte sie! Und war voll und ganz! Als mir klar wurde woran ich dachte ballte ich die Hände zu Fäusten. Nicht zu fassen das ich mich wegen eines blöden Weibs so ablenken ließ! Einen Moment lang starrte ich sie bloß an, doch als sie fordernd die Brauen hochzog und ihr Blick fordernder wurde, seufzte ich.
Mit einem leisen Rascheln breitete ich meine Flügel aus...
„Wow.“, hauchte ich und stand auf. Seine Augen waren hasserfüllt, nur konnte ich nicht verstehen warum. Sein strenger Blick galt mir, doch ich scheute nicht und ging auf ihn zu. Vorsichtig glitten meine Finger über seine schwarze Federnpracht. Meine Berührung war so zart und vorsichtig, dass ich erschrak als ich spürte wie sein Körper anfing zu vibrieren. Er bebte geradezu. Ich bemerkte das er seine Hände zu Fäusten geballt hatte und zog meine Hand augenblicklich zurück.
„Scheinbar magst du das nicht...“, murmelte ich kaum hörbar. Zu meiner Überraschung hatte er es gehört.
„Doch.“, sagte er leise aber fest. „Aber solche Berührungen sind nur unter sich nahestehenden Himmlischen üblich.“
„Verstehe.“, murmelte ich und begann zu lächeln.
Warum nur faszinierte er mich so? Ich biss mir auf die Zunge um wieder einen klaren Gedanken fasssen zu können.
Ich wandte mich ab und verließ den Raum, um ins Bad zu gehen wo ich mir einen Kamm schnappte. Ich kämmte mir meine kurzen Haare durch und sah, dass sie an einigen Stellen länger waren. Mein Blick führte durchs Bad und blieb an einer Schere hängen. Grinsend schnappte ich sie mir und machte mich an die Arbeit alles auszubessern.
„Du bist hübsch...“, sagte Alain leise.
Fay zuckte unmerklich zusammen und sah auf. Im Spiegel sah sie, dass Alain am Türrahmen lehnte und sie ansah.
„Ähm...danke.“, murmelte sie unsicher und sah wie seine Mundwinkel zuckten. Er stieß sich vom Rahmen ab und kam auf sie zu. Hinter ihr blieb er stehen.
„Jetzt bist du nicht mehr so selbstbewusst, hm?“, lachte er leise an ihrem Ohr.
„Scheinbar nicht.“, antwortete sie und lächelte.
Alain schlang seine Arme um ihre Taille und berührte mit seinen Lippen vorsichtig ihren Hals, worauf sich Gänsehaut auf ihren Armen ausbreitete.
„Was soll das werden?“, fragte sie heiser und erschauderte.
„Du riechst gut...“, murmelte er mit rauer Stimme und schloss die Augen. Tief atmete er ihren Duft von Himbeeren und Rosen ein, worauf er leise seufzte.
„Irgendetwas zwingt mich dazu das zu tun.“, fügte er leise hinzu und küsste ihren Hals nun ganz.
Fay musste sich eingestehen, dass ihr das gefiel! Sie hatte nie Erfahrungen in solchen Dingen gehabt, doch irgendwie verspürte sie den Drang das nachzuholen. Sie umfasste Alains Gesicht mit den Händen und zwang ihn, sie anzusehen.
„Du weißt, dass das gegen das Gesetz verstößt.“, mahnte sie.
Mit einem Mal wusste sie so vieles über die Himmlischen und dessen Gesetze und Regeln.
„Welches Gesetz?“, fragte er mit hochgezogenen Brauen.
Fay spürte wie seine Arme sie fester an ihn drückten, doch sie ignorierte es für einen Moment.
„Das Gesetz welches besagt das Himmlische keine Gefühle gegenüber Menschen haben dürfen.“
Alain grinste, nahm ihre Hände und drückte sie nieder. Dann ließ er sie mit einem Arm los um ihr mit dem Daumen über die Wange zu streichen.
„Erstens glaube ich nicht das du ein Mensch bist.“, flüsterte er. „Und zweitens gelten die Regeln nicht mehr für mich. Ich bin ein Gefallener, schon vergessen?“
Sie seufzte leise und gab sich somit geschlagen.
„Wenn du das nicht willst musst du es bloß sagen.“, murmelte er.
Sie lächelte erneut.
„Du würdest dich an meinen Worten sowieso nicht stören.“ Dann wurde sie leiser. „Außerdem habe ich nicht gesagt das ich das nicht will...“
Alain grinste und packte sie geschickt an den richtigen Stellen, um sie hochzuheben. Perplex starrte sie ihn an.
„Und was soll das jetzt werden?“
Alain wies mit ausdruckslosem Gesicht auf den Spiegel.
„Sieh genau hin.“, sagte er.
Verwirrt tat sie das, was er sagte und sah in den Spiegel. Sie musterte sich genau und bemerkte die dunkeln Ringe unter den Augen. Sie fand das sie müde aussah und kraftlos. Als sie ihren Blick wieder auf Alain richtete zog sie fragend die Brauen hoch.
„Und?“, fragte sie und bemerkte wie seine Augen heller wurden. Er trug sie aus dem Bad ins Gästezimmer, wo er sie behutsam auf dem Bett niederließ.
„Du wirst dich ausruhen.“, sagte er schroff und wandte sich ab.
„Hast du mal auf die Uhr gesehen?“, fauchte sie, doch sie wurde niedergedrückt.
„Keine Widerworte.“, knurrte Alain und verließ endgültig das Zimmer...
6
Völlig perplex starrte ich auf die Stelle, an der Alain eben noch gestanden hatte. Ich sollte mich ausruhen? Aber wozu denn? Ich war auf der Flucht, wurde von Tara angegriffen und musste feststellen, dass ich anders war als ein normaler Teenager. Hinzu kam das Alain mir soeben ziemlich nahe gekommen war und deshalb kam ich zu dem Entschluss, dass ich viel zu aufgedreht war um jetzt an Schlaf zu denken. Außerdem beschäftigte mich die Tatsache, dass ich mit einem Schlag Dinge wusste, von denen ich nie gedacht hätte das sie wirklich existieren. Nachdem ich eine Weile lang über alles nachgedacht hatte beschloss ich die Gedanken allesamt wegzusperren. Ich schloss die Augen. Vielleicht würde ein kleines Nickerchen doch nicht schaden. Mit einem herzhaften Gähnen drehte ich mich auf die Seite. Schon nach kurzer Zeit schlief ich ein.
…
Als ich aufwachte kam mir unendliche Stille entgegen. Es war ruhig...zu ruhig! Mein Blick fiel auf die Uhr an der Wand, ich hatte nicht einmal eine Stunde geschlafen. Ich kletterte aus dem Bett und verließ das Gästezimmer. Es war so ruhig, dass ich vermutete Alain war nicht da, doch als ich ins Wohnzimmer kam sah ich, dass das nicht stimmte. Ein Lächeln stahl sich auf meine Lippen. Alain lag auf dem Sofa, die Hände auf dem Bauch verschränkt, ein Bein angewinkelt. Seine Augen waren geschlossen und als ich begriff das er schlief, schnappte ich mir eine Wolldecke und deckte ihn damit zu. Wie er so da lag sah er wirklich aus wie ein Engel...
Mit einem Kopfschütteln wandte ich mich ab und ging in die Küche, um etwas gegen meinen Hunger zu unternehmen.
…
Ich war gerade dabei Gemüse anzubraten, nicht zu fassen das ein Himmlischer so etwas im Haus hatte, als ich ein Knurren hörte. Ich dachte erst das ich es mir eingebildet hatte, doch als ich dann noch ein Murmeln hörte war ich mir ziemlich sicher, dass jemand hier war. Ich warf einen Blick in den Flur und schaffte es, ins Wohzimmer zu sehen.
„Michael!“, schnaubte ich so, dass Michael es verstand, Alain aber nicht aufwecken würde. Er hatte es gehört und schaute nun in meine Richtung.
„Lass ihn schlafen.“, knurrte ich und folgte ausmerksam jeder seiner Bewegungen, als er zu mir kam. Er wollte etwas sagen, doch ich war schneller.
„Kann es sein, dass du ihm bezüglich mir etwas verschwiegen hast?“, fragte ich in scharfem Tonfall und griff nach dem Salz, welches auf der Anrichte stand. Mir fiel auf, dass seine Augen nun blau waren. Eisblau um genau zu sein, doch nun wurde es dunkler und ging in ein mattes schwarzblau über.
„Was meinst du?“, fragte er gezielt unwissend und verschränkte die Arme. Seine tiefe Stimme jagte mir einen schauer über den Rücken. Mein Knurren wurde lauter.
„Ich meine die Tatsache, dass du ihm verschwiegen hast das ich nicht ganz normal bin.“
Er zog eine Braue hoch.
„Das weißt du?“
Ich stieß ein kurzes, leises Lachen aus.
„Das war nicht sonderlich schwer zu erraten, nachdem ich meinem Wächter die Nase gebrochen habe.“
Er warf einen kurzen Blick ins Wohnzimmer, wo Alain noch immer schlief.
„Wie viel weißt du und wie viel weiß er?“
Ich beachtete ihn nicht weiter, sondern widmete mich meinem Gemüse.
„Nach und nach wurde mir klar das er und Tara anders waren. Ich wollte wissen mit wem ich es eigentlich zu tun hatte, doch er wollte mir nichts verraten. Vor wenigen Stunden dann wusste ich einfach wer...was er ist. Ich wusste sogar wer du bist...dabei kenne ich dich nicht einmal.“
Für einen kurzen Moment herrschte Stille, jedoch hielt ich die nicht lange aus, da Michael ein wenig Angst einjagte.
„Weshalb bist du hier?“, fragte ich in erneut scharfem Tonfall. Aus den Augenwinkeln sah ich, dass sich sein Körper anspannte.
„Es geht um Tara.“, sagte er seltsam monoton. Ich nahm eine große Schale aus dem Schrank und füllte das Gemüse aus der Pfanne um.
„Sie ist entwischt.“, sagte ich barsch und nahm mir eine Gabel.
Irritiert und gleichzeitig überrascht sah Michael mich an.
„Woher weißt du das?“, fragte er schroff. Ich zuckte bloß mit den Schultern und setzte mich an den Tisch. Nachdem ich Platz genommen hatte, wies ich auf den Stuhl gegenüber von mir.
„Ich weiß es einfach...“
Zu meiner Überraschung setzte er sich tatsächlich.
„Also, was weiß ich noch nicht?“, fragte ich spielerisch und begann zu essen.
„Du bist eine Nephilim.“
„Was?“, ertönte eine Stimme am Ende des Raumes.
Ich verschluckte mich. Alain kam wütend auf den Tisch zu und schlug dann die Hände auf die Tischplatte. Seine Lautstärke ließ mich zsuammenzucken.
„Und das erfahre ich erst jetzt?“, brüllte er und funkelte Michael mit schwarzen Augen an.
Ich hatte mich inzwischen wieder beruhigt und schob nun das Essen zur Seite. Ich wusste was der Begriff Nephilim bedeutete, weshalb ich mich nur umso mehr aufregte.
„Zum Teufel noch mal!“, fluchte ich laut. „Ich bin diejenige die sich darüber aufregen muss!“
Alain und Michael sahen Fay perplex an. Es war das erste Mal das jemand in ihrer Nähe fluchte. Fluchen war unter den Himmlischen verboten. Alain sah, dass ihre Augen dunkler geworden waren und nun schwarz schimmerten. Knurrend und außer sich vor Wut lehnte sie sich zurück und verschränkte die Arme.
„Also gut, wer ist mein Vater?“
Sie wusste das Jack nicht ihr leiblicher Vater war, doch nie hätte sie damit gerechnet das ein Himmlischer ihr Vater war. Michael blieb still. Alain konnte ihre Frage nicht beantworten, weshalb er darauf wartete das der Erzengel etwas sagte. Doch er blieb still. Mit jeder Sekunde die er nichts sagte schien Fay wütender zu werden. Und ihre Augen somit immer dunkler.
„Sie ist ziemlich scharfsinnig, also versuch erst gar nicht sie anzulügen.“, sagte Alain. Michael schloss die Augen und gab sich somit geschlagen.
„Jack ist nicht dein Vater.“, sagte er monoton und unnötigerweise und sah wie Fay versuchte sich zu entscheiden, wie sie nun reagieren sollte. Sie seufzte leise.
„Ich weiß das Jack nicht mein leiblicher Vater ist. Ich habe es schon vor langer Zeit herausgefunden. Dennoch ist es irgendwie komisch das nun zu hören. Es tut weh angelogen worden zu sein.“
Bei den letzten Worten wurde sie lauter. Alain hob abwehrend die Hände.
„Wenn ich es gewusst hätte, hätte ich es dir gesagt!“
Das Mädchen zog die Brauen hoch.
„Eben nicht. Du hättest es mir nicht gesagt, aus Angst ich würde einen Aufstand machen.“
Der Gefallene seufzte.
„Dir etwas vorzumachen ist unmöglich...“
Fay ließ das Thema fallen und wandte sich Michael zu.
„Wie lautet der Name des Himmlischen?“
Der Erzengel schloss erneut die Augen. Die Tatsache das er von einem niederen Wesen so in die Mangel genommen wurde gefiel ihm ganz und gar nicht, er gehörte schließlich zu den mächtigsten aller Himmlischen. Ebenso wie ihr Vater...
„Raphael.“, murmelte er.
Fay sah wie Alain erstarrte und als sie einen Augenblick lang nachgedacht hatte, wusste sie warum er so reagierte.
„Soll das ein Scherz sein?“, fauchte sie. Michael schüttelte jedoch den Kopf.
„Warum ist nicht bekannt, dass Raphael eine Tochter hat?“, fragte Alain.
Der Himmlische zuckte mit den Schultern.
„Scheinbar wollte er nicht das jemand davon erfährt.“
„Warum hat sich der ach so tolle Erzengel verzogen?“, fragte Fay amüsiert. Sie konnte nicht so recht begreifen das sie die Tochter eines unglaublich mächtigen Mannes war.
Alain und Michael tauschten einen kurzen Blick miteinander aus, dann zuckte der Erzengel wieder mit den Schultern.
„Soweit ich weiß kam er mit Amelia nicht mehr klar. Er verließ sie als du noch ein Säugling warst.“
Fay ballte die Hände zu Fäusten. Die Situation wurde für sie immer unerträglicher.
„Und sowas nennt sich ein Ezengel? Er hätte sich ruhig mal Gedanken über seine Tochter machen können! Er ist Schuld daran, dass ich tagtäglich verprügelt wurde! Verdammter Dreckskerl!“
Alains Kinnlade klappte herunter als er hörte, dass sie einen Erzengel beleidigte. Im Reich der Himmlischen wurde so etwas bestraft!
„Vielleicht hat er es nur gut gemeint?“, schlug er vor, doch er wusste selbst, dass das ziemlich unrealistisch klang. Erzengel waren allesamt ziemlich egoistisch und taten alles nur, um besser da zu stehen und alle auf ihrer Seite stehen zu haben.
„Na sicher...Deshalb ist meine Mutter nun auch eine Säuferin, die mit einem Monster verheiratet ist!“
Alain schüttelte den Kopf.
„Lassen wir das.“, sagte er und sah Michael an. „Warum bist du eigentlich hier?“
Fay beantwortete seine Frage.
„Tara ist entkommen.“
Der Gefallene knurrte.
„Wie konnte das passieren? Dir ist klar, dass sie einen unglaublichen Schaden anrichten kann, oder?“
Michael dachte einen Augenblick lang nach. Natürlich wusste er das aber er konnte die Situation nun mal nicht ändern. Er war zwar ein Erzengel aber nicht allmächtig!
„Wir sind uns sicher das sie mit jemandem zusammenarbeitet, jedoch wissen wir nicht mit wem.“
„Kurze Frage: Was will sie eigentlich von mir?“, fragte Fay und sah die beiden an. Der Erzengel ergriff das Wort.
„Da du die Tochter eines Erzengels bist, sind deine Fähigkeiten und Kräfte ausgeprägter als die einer normalen Nephilim. Scheinbar will sie sich das zu Nutzen machen.“
Fay sah Alain mit funkelnden Augen an.
„Wie kann man bloß solch eine Person lieben?“
Er zog die Brauen hoch.
„Ich liebe sie nicht mehr.“, begann er und verschwieg, dass er sie nie wirklich geliebt hatte. „Außerdem wart ihr Freunde, also wie kann man bloß mit solch einer Person befreundet sein?“
Sie schnaubte und musste sich geschlagen geben.
„Und was genau sollen wir nun tun? Darauf warten das sie angreift und sie dann schnappen?“
„Ganz so einfach wird es wohl nicht sein.“, murmelte Alain und sah dann Michael an. Der Erzengel erhob sich.
„Wir werden euch zwei nicht aus den Augen lassen.“, sprach er an Fay gewandt und schaute dann den Gefallenen an.
„Dennoch wirst du deine Pflichten nicht vernachlässigen!“
Alain nickte nur widerwillig. Von einer Sekunde auf die andere war der Erzengel verschwunden. Fay sah Alain bedeutungsvoll an.
„Hast du gehört? Sie lassen uns nicht aus den Augen, also komm nicht auf dumme Gedanken!“
Alain lächelte verführerisch und erhob sich ebenfalls.
„Ich sagte doch schon das die Regeln nicht mehr für mich gelten. Und wenn ich mich nicht täusche, hat es dir gefallen.“
Fay spürte wie ihr die Röte ins Gesicht stieg und verschränkte schnaufend die Arme.
„Und wenn schon! Das heißt nicht, dass ich vor den Augen anderer Himmlische rummache!“
Leise lachend verließ Alain den Raum.
7
Der restliche Tag verlief ruhig und ehe ich mich versah saß ich mit Alain in der Schule. Tara war nicht da, worüber ich mich freute. Ich wünschte ich würde sie nie wieder sehen, doch ich wusste, dass dieser Wunsch nicht in Erfüllung gehen würde.
„Fay!“
Mit meinem Namen spürte ich einen Arm in meiner Seite. Es war Alains Arm. Verwirrt schaute ich auf und sah, dass er sich erhob. Ich begriff das Mr Collins uns aufgefordert hatte etwas zu demonstrieren. Widerwillig erhob auch ich mich.
„Was sollen wir machen?“, flüsterte ich auf dem Weg nach vorne.
„Wir sollen zeigen wie man jemanden in die stabile Seitenlage bringt.“, antwortete er ebenfalls flüsternd. Ich verdrehte die Augen.
„Und ich muss mich jetzt auf den Boden legen, oder was?“
Er grinste.
…
„Wo willst du hin?“, rief Alain mir nach.
„Aufs Klo.“, knurrte ich und betrat die Mädchentoilette im ersten Stock...
Ich wollte mir gerade die Hände waschen als ich bemerkte, dass Alain an der Wand lehnte.
„Himmel noch mal, was tust du hier?“, fauchte ich sah mich um, um zu überprüfen ob auch niemand hier war.
„Sie könnte dir auflauern.“, sagte er ernst und kam auf mich zu.
„Tut sie aber nicht, also raus hier!“, befahl ich und wies auf die Tür.
„Ich würde gerne da weiter machen wo wir aufgehört haben.“, murmelte er mit rauer Stimme und blieb dicht vor mir stehen. Ich hielt die Luft an. Seine Augen waren nicht mehr grün, sondern tiefschwarz und ohne nachzudenken wusste ich warum.
„Falscher Ort, falscher Zeitpunkt!“, sagte ich bestimmt und legte ihm eine Hand auf die Brust um ihn zurückzuschieben. Doch er nahm meine Hand und drückte sie nieder, stattdessen fasste er mein Kinn und zwang mich ihn anzusehen. Ich wollte schon...doch das war wirklich der falsche Ort dafür! Ich blieb still und wartete ab was passieren würde. Er strich mit dem Daumen über meine Wange und kam langsam näher.
Ich wollte sie, und zwar unbedingt! In ihrer Nähe fühlte ich mich anders...Nicht mehr wie ein Gefallener, sondern wie ein Mann. Ein einfacher Mann. Ihr Duft war berauschend und ihre ganze Art faszinierend. Alles in allem war sie wie ein Magnet. Als sich unsere Lippen berührten seufzte sie leise. Überraschenderweise zog sie sich nicht zurück, weshalb ich meine Arme um sie legte und sie an mich drükte.
Seine Arme drückten mich an ihn was es unmöglich machte, mich zu befreuen. Doch ich gab zu das ich mich gar nicht befreien wollte! Ich genoss es. Ich seufzte erneut als er mit seiner Zunge über meine Unterlippe fuhr. Ohne zu Zögern gewährte ich ihm einlass. Ich hatte schon längst begriffen das auch er mich mehr als nur anziehend fand und da das auf Gegenseitigkeit beruhte, ließ ich ihn gewähren.
„Das ist definitiv der falsche Ort!“, keuchte ich als er mich packte, hochhob und gegen die Wand drückte. Was, wenn jemand reinkam?
„Und wenn schon?“, knurrte er und presste seine Lippen auf meine. Ich unterbrach den Kuss und rang nach Luft.
„In nicht einmal zwei Stunden sind wir bei dir, hältst du es noch solange aus?“
Als ich in seine schwarzen Augen blickte musste ich lächeln.
„Ich weiß das du mich jetzt willst aber wir müssen zum Unterricht!“
Wie aufs Stichwort erklang die Schulglocke. Alain seufzte und ließ mich hinunter.
„Ich könnte auch einfach die Gedanken der Lehrer manipulieren, dann können wir auch schon jetzt gehen!“
Alain hatte mir erklärt was für Fähigkeiten Himmlische hatten, unter anderem das kontollieren anderer Lebewesen und, dass auch ich einige dieser Fähigkeiten hatte. Nur würde es eine Weile dauern bis ich dahinter kommen würde...
Ich zog eine Braue hoh worauf sein Blick sich veränderte. Flehend, ja fast schon verzweifelt sah er mich an. Er küsste mich sanft, worauf meine Knie weich wurden. Der Kuss war kurz, süß und voller Zuneigung. Ich konnte einfach nicht anders als nachzugeben.
„Also schön...“, murmelte ich. Er grinste und nahm meine Hand.
„Du weißt das wir beobachtet werden, oder?“, murmelte Fay in den Kuss hinein.
„Das kann uns egal sein.“, erwiderte Alain als er ihre Bluse aufknöpfte und sie aufs Bett drückte. Sie keuchte als seine Lippen die zarte Haut ihres Dekolletees streiften. Er wollte sie. Hier und jetzt, auf der Stelle!
„Wenn du willst kann ich dafür srogen, dass wir alleine sind.“, murmelte er als er begann ihre Hose zu öffnen.
„Dafür wäre ich dir dankbar!“, flüsterte sie und vergrub ihre Hände in seinem Haar. Sie zog ihn zu sich hoch um ihn küssen zu können.
Was machen wir hier bloß?
, dachte sie und erstarrte, als sie Alains Stimme in ihrem Kopf hörte.
Wir amüsieren uns ein bisschen, dass ist alles!
Fay ließ die Hände sinken. Die Antwort gefiel ihr nicht. Plötzlich war das, was sie eben noch gespürt hatte verschwunden. Alain sah sie mit einem „was hast du?“ Blick an.
„Das ist alles?“, wiederholte Fay leise. „Es hat keine Bedeutung für dich, oder?“
Sie versuchte ruhig zu klingen und atmete erleichtert aus als sie hörte, dass man den Schmerz in ihrer Stimme nicht heraushörte. Alain blieb still und sah sie weiter unverwandt an. Er wollte sich noch nicht eingestehen das er sich in sie verliebt hatte, doch er gab zu, dass er sie begehrte.
„Ist alles in Ordnung?“, fragte er schließlich und sah, wie sich Fays voller Lust schwarz verfärbten Augen wieder aufhellten. Sie setzte sich auf und fuhr sich mit der Hand durchs Haar.
„Ich weiß nicht warum...“, begann sie leise und zögernd. „Aber ich will nicht das es bloß ein bisschen...Spaß ist.“
Alain lächelte sanft und zog leicht an ihrem Arm, um sie dann in seine Arme zu schließen. Wie lange hatte er schon davon geträumt das zu tun?
„Für mich ist das nicht nur ein kleiner Spaß!“, begann er ernst. „Ich rede nicht gerne über meine Gefühle aber irgendwie...hat sich alles verändert. Ich begehre dich wie keine andere Frau im Universum! Ich weiß nicht ob es Liebe ist...aber ich will dich unbedingt! Glaub mir.“
Tränen sammelten sich in Fays Augen.
„Was ist mit Tara?“, flüsterte sie.
Er strich ihr übers Haar und schloss die Augen.
"Erst seitdem ich auf der Erde lebe bin ich einigermaßen in der Lage Gefühle zu zeigen. Und erst seitdem ich dich kenne ist mir klar geworden, dass ich Tara nie wirklich geliebt habe! Sie war beliebt, sie begehrte mich, also habe ich mich darauf eingelassen. Die Zeit ist schon lange vorbei, ich will nicht, dass du mich noch einmal darauf ansprichst, okay?“
Sie nickte.
„Okay.“
Zärtlich küsste er sie. Ihre Augen waren nun wieder schwarz.
8
Als ich aufwachte lag ich in Alains Armen. Es dauerte einen Moment bis ich mich daran erinnerte was passiert war. Himmel, hatten wir wirklich...? Ich konnte den Gedanekn nicht zu Ende denken, denn Alains Arme drückten mich fester an ihn.
„Ich weiß was du denkst, Süße und ich möchte diesen Gedanken bestätigen. Ja, wir haben miteinander geschlafen!“
Wie von einer Tarantel gestochen sprang ich auf.
„Oh Gott, wirklich?“
Die Bilder der vergangenen Stunden tauchten vor meinem geistigen Auge auf und als ich an mir herunterblickte und sah, dass ich immer noch nackt war wurde mir klar, dass die Bilder in meinem Kopf der Realität entsprachen.
„Alles in Ordnung?“, drang Alains Stimme an mein Ohr. Es dauerte einige Sekunden bis ich in der Lage war zu antworten.
„Ähm, ja alles bestens. Ich bin nur etwas...überrascht!“
Ganz von selbst setzte ich mich in Bewegung um meine Klamotten aufzusammeln, die überall vertreut auf dem Boden lagen. In Rekordgeschwindigkeit verschwand ich ins Bad, wo ich sofort unter die Dusche sprang.
Vor sich hin lächelnd ruschte Alain aus dem Bett und sammelte ebenfalls seine Sachen auf. Während er in seine Klamotten schlüpfte ging er in die küche, wo er ein kleines Essen vorbereitete.
Er war...glücklich! Ja, das war er wirklich! Fay hasste ihn nicht. Nein, es schien als liebte sie ihn! Er fragte sie wie tief ihre Gefühle für ihn wirklich waren. Er konnte nicht aufhören zu lächeln, denn er hatte das bekommen was er wollte! Er erinnerte sich an ihre zarte Haut, die er geleckt hatte und ihren unglaublichen Geschmack, der ihrem Duft von Himbeeren und Rosen unglaublich nahe kam und stieß ein zufriedenes Schnauben aus. Die ganze Zeit dachte er daran, wie er sie immer und immer wieder zum schreien gebracht hatte, weshalb ihm erst nach einer halben Stunde klar wurde, dass sie immer noch nicht aus dem Bad gekommen war.
„Fay?“
Alain klopfte an die Tür zum Bad und als er keine Antwort bekam drückte er die Klinke nieder. Doch es passierte nichts. Die Tür war verschlossen. Seltsam. Sie schloss die Tür nie ab.
„Fay!“, wiederholte er, dieses mal lauter und verzweifelter.
Mit einem kräftigen Schlag von ihm flog die Tür auf. Doch kaum hatte er den Raum betreten erstarrte er auch schon wieder. Fay lag gekrümmt in einer Blutlache auf dem Boden.
„Fay!“, stieß er verzweifelt aus. In zwei Schritten war er bei ihr und kniete sich hin, um ihren Oberkörper auf seinen Schoß zu ziehen. Scheinbar konnte sie bloß ihre Unterwäsche anziehen, ehe sich die Kugel in ihr Fleisch bohrte. Die Kugel hatte sich duch ihre Schulter gebohrt. Er versuchte die Blutung zu stoppen, doch er schaffte es nicht. Sie hatte bereits zu viel Blut verloren. Er konnte ihren Herzschlag spüren, doch er wurde von Sekunde zu Sekunde langsamer und schwächer.
Er hatte keinen Schuss gehört. Scheinbar wurde ein Schalldämpfer benutzt.
„Fay, nein!“
Alain spürte wie sich Tränen in seinen Augen sammelten. Zum ersten Mal in seinem langen Leben weinte er...Fays grüne Augen richteten sich auf ihn und er sah, dass sie etwas sagen wollte aber nicht konnte. Ihr Atem ging immer schwerer und Alain soprte wie ihr Körper langsam aber sicher erschlaffte. Ein letztes Mal küsste Alain sie sanft, ehe sich ihre Augen schlossen.
War ich in der Hölle? Ich erinnerte mich daran wie ich aufgebracht ins Bad gerannt war, mich geduscht habe und mich anziehen wollte. Doch irgendetwas war passiert...
Meine Schulter tat weh...und mein Rücken. Ich erinnerte mich an eine Gestalt. Eine Frau. War es Tara? Ich wusste es nicht. Eine Pistole, gefährlich auf mich gerichtet. Himmel, ich wurde angeschossen!
Nun konnte ich mich wieder an alles erinnern. Die Kugel hatte mein Herz knapp verfehlt und stattdessen meine Schulter getroffen. Es hat nicht aufgehört zu bluten, auch nicht als Alain gekommen war und die Blutung stoppen wollte. Er hat geweint! Ich wollte ihn trösten, doch mein Körper wollte nicht gehorchen. Dann hatte er mich geküsst. Es war ein unglaublich süßer Kuss, ich wollte noch einen! War es ein Abschiedskuss? Meine Augen fielen zu...
Ich musste tot sein, eine andere Erklärung gab es nicht. Doch wenn ich tot war, warum hatte ich dann Schmerzen? Und warum funktionierten meine Sinne so gut wie noch nie? Ich spürte etwas unangenehmes im Rücken, es tat weh!
Es fühlte sich an als läge ich auf einem, nicht vernünftig bezogenen Bett. Es roch nach...Alain?
Erdig und moschusartig. Es war ein Geruch den ich zum ersten mal wahrnahm, jedoch wusste ich sofort das es Alain war. Alles was ich hörte war ein gleichmäßiges atmen. Alain! War er es? Wenn ja, musste ich ihn sehen! Ich schlug die Augen auf und starrte an eine hellblaue Decke. Vorsichtig schaute ich mich um und sah, dass ich weder in einem Krankenhaus, noch bei Alain Zuhause sein konnte. Dann sah ich ihn! Er saß auf einem Stuhl, den Kopf geneigt, die Augen geschlossen. Er schlief. Erst jetzt wurde mir klar, dass ich seine Flügel sehen konnte. Aber warum? Er hatte sie doch sonst immer vor mir verborgen. Wie von selbst fasste ich mir an die Schulter. Außer Schmerz und Verband konnte ich aber nichts außergewöhnliches feststellen. Langsam setzte ich mich auf, doch irgendetwas schien mich wieder zurückzuziehen. Mein Blick fiel in den Spiegel, der mir gegenüber stand. Nun wusste ich was nicht stimmte. Ich hatte Flügel!
Atemberaubende, große Flügel! Jede einzelne Feder war schwarz, wurde zum Ende hin weiß und schimmerte an der Spitze gold. Ich kletterte vorsichtig aus dem Bett und ging auf den Spiegel zu, vor dem ich dann stehen blieb.
Ich muss tot sein.
, dachte ich.
Ich betrachtete mich genau und mir fiel einiges auf, was sich an mir verändert hatte. Meine Haare schienen noch dunkler geworden zu sein, obwohl sie ohnehin schon tiefschwarz waren. Das grün meiner Augen strahlte wie zwei Smaragde im Sonnenlicht und meine Haut war so makellos wie noch nie, auch wenn sie etwas blasser geworden zu sein schien. Alles was meine bloße Hautbedeckte war eine Art Kleid, welches im Nacken und unterem Rücken gebunden wurde. Nun betrachtete ich wieder meine Flügel. Sie waren wunderschön und nach einigen weiteren Gedanken fand ich, dass die Schmerzen im Gegenzug gar nicht mal so schlimm waren...
Aber...war ich noch immer eine Nephilim oder war ich nun ein richtiger Engel?
Ich wandte mich vom Spiegel ab und ging auf Alain zu, der noch immer schlief.
„Alain.“, murmelte ich und legte meine Hand auf seine Wange.
Nach einigen Sekunden öffenten sich seine Augen.
Alain erstarrte als er sah, wer da vor ihm stand und ihn warm anlächelte.
„Fay!“
Sofort sprang er auf und legte seine Arme um sie. Nicht zu fest, denn er wusste das sie nun noch zerbrechlicher war, als ohnehin schon.
„Leg dich hin. Du musst dich schonen.“, sagte er sanft und schob sie vorsichtig Richtung Bett.
„Wie fühlst du dich?“, fragte er, als er sie zugedeckt hatte.
„Schwach.“, gestand sie, lächelte aber. „Aber die Schmerzen sind auszuhalten.“
Sie hatte höllische Schmerzen aber sie wollte nicht, dass er sich unnötig Sorgen machte.
„Kannst du dich an etwas erinnern?“
Sie nickte.
„Ich bin mir ziemlich sicher das Tara diejenige war, die mir die Kugel in die Schulter gejagt hat.“
Wut zeichnete sich auf seinem Gesicht ab. Er machte sich schwere Vorwürfe, weil er nicht besser auf sie aufgepasst hatte. Und er gab auch den Erzengeln die Schuld. Hatte Michael nicht gesagt sie würden sie nicht aus den Augen lassen, warum war das dann passiert?
„Verdammt.“, fluchte er. „Ich war so vertieft in...unseren Spaß, dass ich nicht mitbekommen habe wie sie sich in die Wohnung geschlichen hat!“
„Halb so wild.“, sagte Fay sanft und legte ihre Hand auf seine. „Dich trifft keine Schuld.“
Er riss seine Hand weg und sprang auf. Außer sich lief er auf und ab.
„Von wegen halb so wild!“, brüllte er. „Du warst tot, Fay! Das war meine Schuld!“
Sie stieg wieder aus dem Bett und ging auf ihn zu, um ihn dann zu umarmen.
„Ich weiß nicht warum aber ich lebe noch, dass ist die Hauptsache! Hör auf dir Vorwürfe zu machen und erkläre mir lieber warum mir Flügel gewachsen sind und wo wir hier sind.“
Alain seufzte und legte zögerlich die Arme um sie. Es tat gut sie wieder in seinen Armen zu halten. Und auch sie war dankbar dafür, dass sie ihn wieder hatte.
„Ich weiß es nicht, Fay. Ich weiß es wirklich nicht! Es gibt keine Aufzeichnungen oder so. Es ist das erste Mal das eine Nephilim zu einem vollständigen Engel wurde. Keiner weiß wie so etwas möglich ist. Genau genommen ist es mir völlig egal, wie so etwas möglich ist, ich bin einfach nur froh dich wieder zu haben!“
Sie lehnte ihren Kopf an seine Brust. Das Zittern seiner Stimme ließ sie lächeln.
„Liebst du mich?“, hörte sie sich fragen. Sie wollte ihn nicht dazu zwingen ihr zu antworten, doch die Frage brannte ihr im Herz. Sie wünschte es sich!
„Ja.“, antwortete er ohne zu zögern und sah auf sie herab. Sein Blick war eindringlich und ließ sie erschaudern. Sie zweifelte nicht an seiner Antwort, weshalb sie ihn lächelnd küsste.
„Das du mit einem Ja geantwortet hast bedeutet mir viel, Alain. Danke!“, hauchte sie.
„Das ist nichts wofür du dich bedanken musst. Ich hätte es dir schon viel eher sagen sollen.“, war seine Antwort. „Wir sind übrigens im Pelarian. Auch genannt das Reich der Himmlischen. Eigentlich ist es Gefallenen wie mir nicht gestattet hier zu sein aber da wir nun offiziell ein Paar sind, wird mir der Aufenthalt hier nicht verweigert.“
„Offiziell ein Paar?“, hakte sie nach und sah ihn irritiert an. Nicht das sie das störte, im Gegenteil, aber sie konnte sich nicht daran erinnern mit ihm über eine Beziehung gesprochen zu haben.
„Wir sind aneinander gebunden.“, sagte er und nahm ihr Handgelenk, um ihr das schwarze Unendlichkeitssymbol auf ihrer Haut zu zeigen.
„Siehst du?“
Dann zeigte er ihr sein Handgelenk auf dem dieses Zeichen ebenfalls zu sehen war.
„Der Kuss den ich dir gegeben habe bevor du...“
Er unterbrach sich und lächelte dann.
„Der Kuss ist scheinbar daran Schuld. Aber frag mich nicht wieso.“
Fay zuckte mit den Schultern und stellte sich auf Zehenspitzen, um ihn küssen zu können.
„An diese Tatsache muss ich mich gewöhnen aber es stört mich nicht!“, flüsterte sie.
9
Ein paar Wochen waren vergangen und ich lernte alles, was ein Engel wissen musste. Alain brachte mir bei wie man fliegt, ein atemberaubendes Gefühl!, Michael zeigte mir wie ich mit meinen neu gewonnen Kräften umzugehen hatte. Alain und ich waren gerade dabei zu frühstücken, als Michael den Raum betrat. Wir waren irgendwie so etwas wie Freunde geworden, was irgendwie seltsam war, da Alain mir erklärt hatte, wie stur und egoistisch Erzengel doch waren. Ganz zu schweigen davon das sie keine Gefühle zuließen. Alain fand es auch seltsam, dass Michael sich verändert hatte. Er meinte er sei weicher geworden, wobei mich das nicht störte.
„Raphael will dich sehen.“, sagte er an mich gewandt.
Obwohl ich nun schon längere Zeit hier war, hatte ich meinen Vater noch nicht einmal gesehen. Und ich wollte es auch nicht. Ich versuchte gar nicht erst meine Abneigung zu verbergen.
„Ich will ihn aber nicht sehen.“, sagte ich monoton und nahm einen Schluck von meinem Kaffee.
„Einem Erzengel sollte man sich nicht wiedersetzen.“, murmelte Alain und widmete sich wieder seinem Brötchen.
„Mir ist egal ob er ein Erzengel ist. Ich betrachte ihn als meinen Vater, denn als Vater hat er kläglich versagt. Und genau deshalb will ich ihn weder sehen, noch mit ihm sprechen.“, sagte ich nun noch wütender.
„Es geht nicht nur um dich.“, sagte Michael nun, der wenn es um seinen Job ging wieder zu einem grausamen und kalten Mann wurde.
„Er will einige Dinge wissen. Zum Beispiel wie viel du über Tara weißt.“
Ich verschränkte die Arme und lehnte mich zurück.
„Wenn Raphael so dringend mit mir reden will, soll er gefälligst herkommen. Ich für meinen Teil werde meinen Hintern nicht zu ihm bewegen.“
Alain seufzte und Michael sah mich geschockt an.
„Ich hätte nicht erwartet das meine Tochter so ungehorsam ist.“, ertönte es hinter Michael. Michael fuhr herum. Er schien Raphael nicht erwartet zu haben, ebenso wenig wie Alain und ich. Meine Mundwinkel zuckten.
„Wow. Ich dachte mein Vater wäre viel zu stolz um zu mir zu kommen aber da habe ich mich wohl getäuscht.“
Raphael blieb tonlos. Ich musterte ihn. Seine Haare waren ebenso schwarz wie meine, seine Augen waren allerdings nicht grün, sondern grau. So grau wie Stahl. Seine markanten Gesichtszüge passten hervorragend zu seinem Charakter.
„Du wirst mitkommen. Ich bin nicht der einzige der mit dir reden will.“
Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen erhob ich mich.
„Nun ja, da du so nett warst und zu mir gekommen bist werde ich mitkommen.“
Niemals würde ich ihm zeigen, wie sehr er mich verletzt hatte...
Raphael, Michael, Fay und Alain verließen den Raum. Raphael führte sie in die Balai, in die Halle der Ezengel. Dort wurden sie schon von den anderen Erzengeln erwartet. Raphael und Michael begaben sich an ihre Plätze, Fay und Alain blieben wenige Meter vor den Thrönen der mächtigen Himmlischen stehen. Fays Miene blieb ausdruckslos als sie die Erzengel kurz betrachtete. Alain verneigte sich leicht und gab seiner Gefährtin zu verstehen, dass sie das auch tun sollte, doch sie zog bloß eine Braue hoch.
„Erwartest du ernsthaft das ich mich ebenfalls verneige?“, waren ihre einzigen Worte ehe sie ihren Blick wieder auf ihren Vater richtete. Sie konnte noch immer nicht glauben das auserechnet er ihr Vater sein sollte.
„Ich möchte einige Dinge klarstellen.“, sagte Raphael und verschränkte die Hände ineinander.
Fays Mundwinkel zuckten und verzogen sich schließlich zu einem spöttischen Lächeln.
„Meinetwegen entschuldige dich ruhig, ich werde sowieso nicht zuhören.“
Die anderen Erzengel brummten vor Zorn. Nie sprach jemand so mit ihnen, gewissen mochten sie es nicht wenn man sich ihnen gegenüber respektlos verhielt.
„Ich kann verstehen das du wütend bist.“, sprach ihr Vater. „Aber ich habe dich nicht ohne Grund zurückgelassen.“
„Na da bin ich aber mal gespannt.“, lachte Fay und verschränkte die Arme.
„Deine Mutter und ich haben uns auseinandergelebt und kamen deshalb nicht mehr miteinander zurecht. Noch vor deiner Geburt haben Gefallene von der Schwangerschaft von Amelia erfahren. Sie wussten das du besondere Fähigkeiten haben wist. Eine Nephilim gezeugt von einem Erzengel ist wahrlich etwas Besonderes. Solange deine Mutter und ich zusammen waren konnte ich dich beschützen, doch irgendwann funktionierte es einfach nicht mehr. Wir trennten uns und ich wimdete mich wieder voll und ganz meinem Job als Erzengel. Da ich dich nicht schutzlos zurücklassen wollte habe ich dir einen Wächter an deine Seite gestellt. Ihr Name ist Tara. Sie konnte dich immer vor den Gefallenen beschützen, doch seitdem auch Alain ein Gefallener ist, ist sie nicht mehr sie selbst.“
Fay blieb einen Augenblick lang still. Warum durften Erzengel lieben und Kinder zeugen, wo das Gesetz doch besagte es sei verboten? Sie neigte den Kopf. Scheinbar waren die mächtigen Herren von den Regeln nicht betroffen. Nein, sie durften natürlich alles und wurden nicht bestraft. Dabei wäre das wohl besser gewesen... Sie verlagerte das Gewicht auf ihr rechtes Bein.
„Hm. Mag sein das Tara mich vor den Gefallenen beschützt hat aber vor den Dingen die mir wirklich gefährlich wurden hat sie mich nicht beschützt. Deinetwegen wurde Mom zur Säuferin. Mit der Tatsache das sie trinkt kam ich ganz gut klar aber seitdem sie mit Jack zusammen ist musste ich erfahren was Schmerz wirklich bedeutet. Wo war Tara da? Und vor allem: Wo warst du? Jeden Tag verspürte ich den Drang mich von einer Drücke zu stürzen, doch das schien die ja herzlichst egal zu sein. Glaubst du wirklich ich wäre so blöd nach achtzehn Jahren voller Schmerz und Einsamkeit dir einfach so verzeihen?“
Fay war überrascht über sich seslbst, das sie die ganze Zeit über ruhig und ausdruckslos geblieben war. Alain allerdings schien das für schlecht zu halten.
„Gib ihm doch wenigstens eine Chance.“, sagte er leise und nahm ihre Hand. Sie ließ es zu, schüttelte jedoch den Kopf.
„Niemals.“
Nun lief eine Träne über ihre Wange. Sie versuchte erst gar nich sie wegzuwischen, denn diese Träne symbolisierte ihren Schmerz. Alain zog sie sanft in seine Arme. Michael meldete sich zu Wort.
„Du hast sie verletzt, Raphael. Geh zu ihr und entschuldige dich!“
Raphael jedoch rührte sich nicht und blieb monoton.
„Nein. Sie kennt nun die Wahrheit, ich muss mich nicht dafür entschuldigen das ich meine Tochter beschützen wollte.“
Fay stieß ein kurzes Lachen aus, welches einem Knurren nahe kam.
„Diese Taten sind nicht zu entschuldigen!“
Sie wandte sich aus Alains Armen und machte auf dem Absatz kehrt um dann auf den Ausgang der Halle zuzusteuern.
„Wenn wir das Thema wechseln und auf Tara zu sprechen kommen würden, würdest du dann hierbleiben?“, sprach Gabriel und brachte Fay dazu stehen zu bleiben.
„Was wollt ihr wissen?“, fragte sie und sah über ihre Schulter.
Die Sitution überforderte sie.
„In all den Jahren in denen du mit ihr befreundet warst musst du einiges über sie wissen. Ist dir in den letzten Jahren etwas an ihr aufgefallen?“
Sie seufzte.
„Da gibt es eine Menge...Aber ich weiß nicht ob das von Belang ist.“
„Erzähl und alles was du weißt.“, sprach der Mann mit den weißen Haaren.
Nun erst drehte sie sich um. Und begann zu erzählen.
„Tara ist eigentlich immer gut gelaunt und fröhlich aber seit oder vier Jahren ist sie total anders. Ihr wurde immer mehr alles egal. Sie begann zu rauchen und zu trinken und war immer öfters in einem erschreckenden Zustand unterwegs. Ich holte sie morgens immer ab, damit wir zusammen zur Schule gehen konnten, doch irgendwann fing sie an zu verschlafen. Als ob das nicht schon gereicht hätte schwänzte sie den Unterricht, oft sogar wochenlang. Sie wurde aggressiv und fing an andere Leute zu beklauen oder sie zu verprügeln. Als ich sie auf ihr Verhalten ansprach sagte sie das ich mir keine Sorgen machen soll, da ihre Zukunft sowieso feststand. Ich wusste nicht was sie damit meinte und beließ es dabei. Vor einigen Monaten legte sich dieses Verhalten wieder, doch seitdem Alain aufgetaucht war fiel sie wieder in ihre alte Rolle als Draufgängerin zurück...“
Die Erzengel tauschten Blicke aus.
„Wann hast du sie das letzte Mal gesehen?“, fragte ihr Vater.
Fay spannte sich an und knirschte mit den Zähnen. Eine Reaktion von ihr die nur selten vorkam.
„Zuletzt als sie mir die Kugel in die Schulter gejagt hat.“
Für einen winzigen Moment herrschte vollkommene Stille. Dann erhob sich Gabriel.
„Also gut. Wir werden sie suchen und wenn nötig töten.“
Fay lachte leise.
„Soll mir recht sein.“
10
Ein paar Tage vergingen und Alain und Michael bemerkten, dass Fay selbst im Pelarian nicht mehr sicher war. Scheinbar hatte sie Recht als sie sagte, jemand wäre nicht mehr auf der Seite der Himmlischen.
„Was ist?“, fragte Fay als sie sah, dass Alain und Michael sich auf etwas anderes konzentrierten.
„Nichts.“, antwortete Alain und wandte seinen Blick vom kleinen Wäldchen in der Nähe ab.
Fay zog die Brauen hoch und verschränkte die Arme.
„Ich mag es nicht wenn man mich anlügt.“, sagte sie bloß.
„Tara beobachtet uns.“, sagte Michael leise. Fay stieß ein Knurren aus. In all den Stunden die vergangen waren hatte sie Tara weder gesehen, noch etwas von ihr gehört. Niemand kümmerte sich darum den Engel aufzuhalten und das regte sie auf.
„Es kann doch nicht so schwer sein ihr Einhalt zu gebieten!“, murmelte die junge Frau.
„Du solltest sie nicht unterschätzen. Sie ist mächtiger als es scheint!“, murmelte Alain und warf ihr einen kurzen Blick zu. Sie verdrehte die Augen.
„Jaja, ist ja gut. Genau genommen ist sie...war sie so wie du. Erst supernett und akzetpabel, bis zu dem Zeitpunkt an dem herauskam, wer sie wirklich war...“
Fay dachte einen Moment nach ehe sie weitersprach.
„Was würde passieren wenn ich dich unterschätzen würde?“
„Daran will ich nicht einmal denken.“, murmelte er und beendete das Gespräch.
„Kleine Planänderung.“, sagte Michael plötzlich. „Wir sollten den Erzengeln Bescheid sagen, bevor es zu Problemen kommt.“
Fay knurrte erneut.
„Können wir uns nicht einfach auf sie stürzen?“, maulte sie. Alain sah sie merkwürdig an. Es war ein Blick den weder Michael noch sie selbst deuten konnte.
„Ja, ich weiß. Blöde Idee.“, murmelte sie dann kaum hörbar.
Alain wandte seinen Blick von ihr ab.
„Wir werden sofort Raphael und den anderen Bescheid geben.“, sagte er und ging voran, Richtung Balai.
Nervös lief ich auf und ab. Wir hatten den Erzengeln schon vor einer Stunde gesagt was los war. Sie hatten ein paar der stärksten Engel geschickt um Tara zu suchen, doch bis jetzt waren sie noch nicht zurückgekehrt. Ich blieb stehen. Nicht zu fassen das meine beste Freundin zu den Bösen gehörte. Ich hatte so viel mit ihr erlebt...Und nun wollte ich, dass sie starb? Hatte sich nicht nur mein Äußeres verändert, sondern auch mein Inneres? Scheinbar ja.
Sie wollte dich umbringen! Da darfst du ihr ruhig den Tod wünschen.
, meldete sich meine Innere Stimme zu Wort. Das war nicht das erste mal das mir mein Gefühl einreden wollte, böse Gedanken zu hegen. Mein Verstand sträubte sich jedoch noch dagegen.
„Mach dich niht verrückt.“, sagte Alain sanft und nahm meine Hand um mich auf seinen Schoß zu ziehen.
„Tut mir leid wenn ich so ungeduldig bin. Ich mache mir Sorgen, dass ist alles. Ich kann nicht glauben das meine beste Freundin ein Engel ist, der es auf mich abgesehen hat...“
Alain strich mir über die Wange, die Berührung löste einen Schauer bei mir aus.
„Zeit für ein bisschen Ablenkung, hm?“, raunte er und grinste mich an.
„Ich bin nicht in der Stimmung um...“
Weiter kam ich schon gar nicht mehr, denn er legte mir den Finger auf die Lippen und küsste mich dann. Ich seufzte in seinen Mund hinein. Eigentlich war ich wirklich nicht in der Stimmung, doch ich liebte ihn. Ich hätte ihm jeden Gefallen getan und nun tat ich ihm einen, indem ich mich auf diesen Versuch mich abzulenken einließ.
„Na also, geht doch.“, lachte er in den Kuss hinein und packte mich an den richtigen Stellen um mich hochzuheben. Er schmiss mich ins Bett, keineswegs grob! Er begann mich zu kitzeln und setzte sich auf mich, damit ich mich nicht wehren konnte.
„Hör auf!“, quiekte ich lachend.
„Warum denn? Willst du mir etwa den Spaß verderben?“, raunte er und beugte sich zu mir hinunter.
„Ach was! Ich will nicht das du mich kitzelst, ich will, dass du mich küsst!“, antwortete ich fordernd und grinste. Er zog überrascht die Brauen hoch, folgte aber dann meinem Willen. Der Kuss war zart und süß, doch von Sekunde zu Sekunde wurde er wilder und leidenschaftlicher. Gerade als er den Knoten meines Shirts im Nacken löste und ich nur noch im BH vor ihm lag, wurde die Tür aufgerissen. Michael, mein Vater und Gabriel standen verdattert im Raum.
Fays Gesichtsausdruck verhärtete sich als sie sah, dass Raphaels Augen begannen schwarz zu schimmern.
„Was ist? Findest du es ungewöhnlich, dass deine Tochter ein Sexleben hat?“, knurrte sie. Alain fasste ihr Kinn und zwang sie, ihn anzusehen. Streng und liebevoll zugleich sah er sie an. Dann küsste er sie so zärtlich wie er nur konnte.
„Was gibt’s?“, fragte er dann als er von Fay stieg und sich an die drei Erzengel wandte.
„Tara wurde gefunden und in Gewahrsam genommen.“, antwortete Michael noch immer atemlos. Fay und Alain wechselten einen Blick miteinander. Sofort knotete das Engelsmädchen ihr Shirt im Nacken wieder zusammen. Dann strich sie sich die Haare glatt und sah die Erzengel fordernd an.
„Bringt mich zu ihr!“
„Schön dich wiederzusehen.“, sagte Tara diabolisch grinsend. Ich befand mich im Gefängnis des Pelarians. Jeder Himmlische oder Gefallene der Probleme machte wurde hierher gebracht. Tara hang vor mir an einer Felswand. Ihre Arme wurden über ihrem Kopf gefesselt und auch ihre Füße hatte man in Ketten gelegt. Ich hatte darauf bestanden alleine herzukommen, was die anderen überraschenderweise unkommentiert zugelassen hatten.
„Bist du gekommen um mir Gesellschaft zu leisen?“, fragte Tara lachend. Ich verschränkte die Arme, seufzte und sah sie fast schon mitleidsvoll an.
„Warum tust du das alles, Tara? Warum willst du mich, was hast du mit meinen Kräften vor?“
Sie begann erneut zu lachen, was mir so langsam auf die Nerven ging.
„Glaubst du wirklich, dass ich dir das erzähle? Wie naiv bist du eigentlich?“
Ich wurde drängender. Eigentlich war ich ein geduldiger Mensch, äh Engel, doch in dieser Situation konnte es gar nicht schnell genug gehen.
„Tara!“, fauchte ich. Sie zog einen Mundwinkel hoch.
„Es überrascht mich wirklich dich hier zu Gesicht zu bekommen. Dir ist doch klar, dass ich in der Lage bin mich zu befreien, oder?“
Nun verzogen sich auch meine Lippen zu einem Lächeln.
„Irrtum! Wenn du dich befreien könntest wärst du nun nicht hier.“
Ihr Gesicht wurde ausdruckslos, also hatte ich Recht. Plötzlich sagte sie wieder etwas.
„hast du dich jemals gefragt warum ich eine solche Draufgängerin war, wie du sie kanntest? Hast du dich jemals gefragt warum ich so mies zu anderen war?“
Sie ließ mir keine Zeit zu antworten.
„Das alles tue ich wegen, Alain!“, flüsterte sie begann dann zu schreien.
„Hast du eine Ahnung wie es ist zu wissen, dass sein eigener Schützling mit der Person zusammen ist, die du über alles liebst?“
„Nein, dass weiß ich in der Tat nicht.“, antwortete ich leise. Dann wurde auch ich lauter. „Aber ich weiß das es andere Wege gibt seine Liebe zurück zu gewinnen.“
Auf einmal wusste ich was ich mit der ganzen Sache zutun hatte.
„Du willst also in Besitz meiner Kräfte kommen um mit den Erzengeln zu konkurrieren? Und wenn du erst einmal die Herrschaft an dich gerissen hast, nimmst du Alain, hm?“
Ich trat näher an sie heran und funkelte sie mit blitzenden Augen an. Wie konnte ich mich bloß nur so in ihr getäuscht haben?
„Gerissen, wirklich gerissen, Tara!“
Ich holte aus und verpasste ihr eine schallende Ohrfeige.
„Nur leider hast du vergessen das du in Ketten gelegt worden bist. Also was gedenkst du zutun?“
Sie begann wieder zu grinsen.
„Ganz einfach: Meine Freunde werden weiter arbeiten. Ich in der Zeit mache hier ein wenig Urlaub.“
Sie wurde still, dann richtete sich ihr Blick auf einen Punkt hinter mir.
„Hallo, Alain.“, sagte sie mit samtweicher, verführerischer Stimme. „Schön ich wiederzusehen, Raphael!“, fügte sie dann monoton hinzu.
Langsam drehte ich mich um und blickte in die kühlen und wachsamen Augen von Alain und meinem Vater.
„Wie langet steht ihr schon da?“, fragte Fay überrascht über die Anwesenheit der beiden. Tara beantwortete ihre Frage.
„Schon die ganze Zeit.“
„Wer von euch beiden vertraut mir nicht?“
Sie musste diese Frage eigentlich nicht stellen, denn sie ahnte schon wer von den beiden darauf bestanden hatte, herzukommen. Sowohl Alain und Raphael blieben still, weshalb Fay mit einem Knurren an ihnen vorbei ging und den Kerker verließ.
11
„Du sitzt hier schon seit Stunden, ist alles in Ordnung?“
Alain trat vorsichtig an ihre Seite, nachdem sie geseufzt hatte ließ er sich neben ihr im Gras nieder.
„Ich verstehe ja das der Anblick von uns für sie nicht gerade schön ist aber muss man deswegen gleich so...verrückt werden?“, murmelte sie un starrte in die Ferne. Alain zog Fay zwischen seine Beine und umschlang ihren Bauch.
„Ich weiß das sie deine beste Freundin war aber die Frau die deine Freundin wdar musst du vergessen, hast du gehört?“
„Ich weiß...“, murmelte sie. „Aber das ist leichter gesagt als getan.“
Ohne hinter sich zu blicken wusste Fay, dass sie nicht mehr alleine waren.
„Was willst du?“, fragte sie ohne die kleinste Regung.
„Ich würde gerne mit meiner Tochter unter vier Augen reden.“, antwortete Raphael und beobachtete, wie Alain sich erhob. Fay sagte nichts als er sich neben ihr niederließ.
„Du weißt genauso gut wie ich, dass es hier nicht nur um deine Freundin Tara geht. Was dir wirklich zu schaffen macht ist unser Verhältnis zueinander, nicht wahr?“, sagte er monoton und sah ebenfalls in die Ferne.
„Kann sein.“, antwortete ebenfalls monoton. „So genau weiß ich das nicht.“
„Fay.“, sagte Raphael nun deutlich sanfter. Er fasste ihr Kinn und drehte ihr Gesicht in seine Richtung.
„Glaube mir wenn ich sage, ich weiß wie du dich fühlst! Meine Eltern haben mir auch immer die kalte Schulter gezeigt. Es ist gewiss nicht schön zu wissen von jemadem hintergangen worden zu sein. Mag sein das du viele geliebte Personen verloren hast. Aber du hast duch einige neue Personen kennengelernt, akzeptiert und zu lieben gelernt, so wie Alain. Du solltest in solchen Situationen nicht immer nur über das Negative nachdenken!“
Fay seufzte bloß. Sie wusste nicht was sie darauf antworten sollte.
„Schenkst du den Worten deines Vaters etwa keinen Glauben?“, fragte er und richtete seinen Blick auf sein Kind. Er neigte den Kopf. Er wusste das er sie mit seinen Handlungen verletzt hatte. Am liebsten hätte er sie in die Arme geschlossen, doch das brachte er nicht übers Herz. Dazu war er zu abgestumpft. Außerdem würde sie sich wahrscheinlich dagegen sträuben...
„Ich habe meine eigene Meinung zu diesen Themen. Die Meinung und Erfahrung meines Vaters sind mir herzlich egal.“
Raphael seufzte leise und lächelte leicht. Genau damit hatte er gerechnet.
„Du hasst deinen Vater wirklich, oder?“
Sie stieß ein kurzes Lachen aus.
„Hassen? Ach nein, nicht doch, ich hasse meinen Vater nicht! Ich verabscheue ihn trifft es viel eher...“
Sie erhob sich und wandte sich ab, dann ließ sie ihren Vater allein zurück.
„Worüber habt ihr geredet?“, fragte Alain als ich das Zimmer betrat.
„Nicht so wichtig.“, murmelte ich und ließ mich aufs Bett fallen. Alain kam zu mir und küsste mich zärtlich.
„Du solltest Raphael eine Chance geben. Er ist nicht so schlecht wie du denkst.“, sagte er leise und sah mich dann eindringlich an.
„Eine Vater-Tochter-Beziehung wird es niemals geben, hast du gehört?“, antwortete ich mürrisch und drehte mich weg. Alain seufzte. Scheinbar hatte auch er genug.
„Tara ist entkommen!“
Ruckartig drehten sich Fay und Alain um. Michael sah sie mit schwarzen Augen an und schaute mehrmals über seine Schulter. Scheinbar war ihm diese Siutation nicht geheuer. Fay und Alain wechselten einen Blick miteinander.
„Alleine wäre sie nicht in der Lage gewesen zu entkommen, oder?“, fragte Fay und sah Michael fragend an. Er schüttelte den Kopf, weshalb sie sich in Bewegung setzte und an ihm vorbei gehen.
„Dann haben ihre Freunde nachgeholfen.“, sagte sie bloß.
…
Am Kerker angekommen fiel Fay etwas an der Felswand auf.
„Habt ihr das hier schon gesehen?“, fragte sie und ging auf die Wand zu. In ihr waren mehrere Schriftzeichen eingeritzt, die sie nicht im entferntesten entziffern konnte. Michaael trat an ihre Seite und warf einen Blick auf die Schrift.
„Pada tengah malam die Hutan
.Bedeutet soviel wie: Um Mitternacht im Wald.“
„Wir werden aber nicht alleine dorthin gehen, oder?“, fragte Fay nervös und sah zu dem Erzengel auf. Sie Siutation gefiel ihr nicht.
„Wir weden gar nicht hingehen.“, antwortete Alain stattdessen.
„Wenn wir nicht zu ihr gehen kommt sie zu uns.“, sagte sie nun. Sowohl der Erzengel als auch Alain wusste, dass sie damit recht hatte. Doch Alain wollte sie nicht in Gefahr bringen, was genau genommen nichts gebracht hätte, denn Tara würde nicht locker lassen. Michael wandte sich von der Wand ab.
„Wir werden hingehen, richtig. Du aber wirst hierbleiben.“, sagte er zu Fay.
„Aber...“, begann sie zu protestieren, weiter kam sie jedoch nicht, denn Alain legte ihr die Hand auf die Schulter.
„Du wirst hierbleiben.“, sagte er in herrischem Tonfall und verließ zusammen mit Michael den Kerker.
Ich hatte Alain und Michael schon seit einigen Stunden nicht mehr gesehen und vermutete deshalb, dass sie sich für die Nacht vorbereiteten. Ich dachte immer noch über die Schriftzeichen an der Felswand nach. Um Mitternacht im Wald...Es war sicher eine Falle. Aber wie würde Tara reagieren wenn sie sah, dass ich nicht dabei war? Ich schüttelte den Kopf um alle negativen Gedanken loszuwerden und verschloss, mich etwas abzulenken. Ich schlüpfte aus meinen Sachen und sprang unter die Dusche...
Nachdem ich fertig war legte ich mich ins Bett. Erst da bemerkte ich wie müde ich war. Es dauerte nicht lange, ehe meine Augen zufielen und ich einschlief.
Ein lautes Rumpeln ließ Fay aufschrecken. Während sie ihre Umgebung musterte fiel ihr Blick auf die Uhr. Null Uhr dreißig. Sie seufzte und begann augenblicklich sich Sorgen zu machen. Was, wenn Alain verletzt war? Wenn er ihre Hilfe brauchte, sie aber nicht bekam? Fay reckte sich ein wenig, schlug die Decke zurück und stieg aus dem Bett. Den Krach der sie geweckt hatte, war schon wieder aus ihren Gedanken verschwunden. Sie machte einen Schritt, da wurde sie auch schon gepackt. Sie wollte schreien, doch eine Hand legte sich auf ihren Mund.
„Für den Moment bist du sicher...“, ertönte eine leise Stimme an ihrem Ohr.
Für den Moment?
, dachte sie panisch und versuchte weiter sich zu befreien. Sie bekam einen Schlag verpasst, dann wurde auch schon alles um sie herum in völlige Dunkelheit getaucht...
12
„Fay!“
Sie hörte wie jemand ihren Namen rief, weshalb sie die Augen aufschlug. Die verdrängte den pochenden Schmerz in ihrem Kopf, denn der Anblick der sich ihr bot verschlug ihr den Atem. Sie befand sich in einem Wald. Sie sah Engel, Dämonen aber vor allem Alain und Tara. Es war ihr Gefährte der sie rief.
„Alain!“, schrie sie, doch als sie sich bewegen wollte merkte sie, dass sie gefesselt war. Ihre Hände waren über ihr an einen Ast gebunden, ihre Füße baumelten in der Luft. Sie knurrte. Noch unvorteilhafter ging es wohl nicht. Sie war inzwischen stark genug um sich zu befreien, doch als sie versuchte die Fesseln zu lösen spürte sie, dass es keinen Zweck hatte unnötig Energie zu verbrauchen. Würde sie erst einmal hier herunterkommen würde sie ihre ganze Kraft brauchen. Sie sah, dass Tara sich auf Alain stürzen wollte.
„Hinter dir!“, schrie sie, doch er bemerkte es zu spät. Die Klinge des Dolches bohrte sich in seine Schulter.
„Nein!“
Tränen rannen ihr über die Wangen. Sie versuchte erneut sich von den Fesseln zu befreien, dieses Mal mit Erfolg. Unsanft prallte sie auf dem Boden auf. Noch bevor sie auf den Beinen war verkrallte sich jemand in ihren Haaren. So ein Mist aber auch!
, dachte sie und spielte mit dem Gedanken, sich die Haare abzurasieren.
„Du wirst schön hierbleiben.“
Sie erkannte die Stimme. Es war die Person, die sie hierher gebracht hatte.
„Lass mich los, du verdammtes Arsch!“, knurrte sie und versuchte sich loszureißen. Irgendwie schaffte sie es sich loszureißen, dann rannte sie los. Sie wollte zu ihm! Sie schnappte sich die erst beste Waffe die sie in die Finger bekam – ein Schwert, welches gut in den Händen lag – und schlug damit um sich. Sie hatte ein wenig Angst vor sich selbst, doch die Sorge um Alain stellte jegliche Angst in den Schatten.
„Ist soweit alles in Ordnung?“, fragte sie, als sie Alain erreicht hatte. Er nickte schwach und tötete nebenbei einen Dämon.
„Wo ist Michael?“, fragte sie dann und schaute sich um. Viel wichtiger war jedoch, wo Tara war. Doch sie wollte diese Frage nicht aussprechen, dafür hatte sie zu viel Schiss.
„Er ist hinter Tara her. Wir müssen sie finden, ehe Michael in Schwierigkeiten gerät.“, antwortete Alain und ergriff Fays Hand.
„Tara!“, schrie ich und verhinderte somit, dass Michael der Kopf abgeschlagen wurde.
Sie grinste fies und holte dann mit dem Schwert aus.
„Nein!“
Ich streckte die Hand aus, worauf ein gewaltiger schwarzer Blitz in Taras Richtung schoss. Mit einem Krachen prallte sie gegen einen Baum, dessen Stamm zerbarst. Ich hatte keine Zeit um mir über das Ausmaß meiner Kräfte Gedanken zu machen, denn Alain und ich setzten uns sofort wieder in Bewegung.
„Michael!“, murmelte ich und hob seinen Oberkörper auf meinen Schoß. Es hatte unzählige Wunden und Prellungen. Es tat weh einen solchen mächtigen Mann so zu sehen und ich fragte mich, ob ich wohl auch so empfinden würde wenn es mein Vater gewesen wäre...Mir wurde beigebracht wie ich Wunden heilen konnte, weshalb ich sofort von dieser Fähigkeit gebrauch machte. Die meisten Verletzungen heilten ohne Probleme, doch bei den größeren Wunden wurde es anstrengend.
„Tut mir leid, mehr kann ich nicht machen.“, murmelte ich nachdem ich bei dem dritten Knochenbruch aufgegeben hatte.
„Kein Problem.“, sagte er noch immer schwach. „Du hast dein Bestes getan.“
Ich half ihm auf die Beine und staunte nicht schlecht als ich sah, dass er fast wieder wie neu war. Unglaublich...
„Zum Teufel, hör auf!“, schrie ich als Tara es nun auf Alain abgesehen hatte. Mit einem Lachen holte sie aus und brachte ihn zu Boden.
„Warte!“, rief ich dann und streckte erneut die Hand aus. Dieses mal jedoch schoss kein Blitz hervor.
„Ich komme mit dir! Aber lass sie in Ruhe!“
Stille breitete sich aus. Sie zog überrascht die Brauen hoch.
„Ach, wirklich?“
Die Angst kroch mir das Rückgrat hinauf und drang in meine Knochen ein.
„Fay, bist du verrückt? Du kannst doch nicht einfach...“
Ich unterbrach Michael und warf ihm einen finsteren Blick zu.
„Ich werde freiwillig mitkommen aber nur, wenn du alle anderen in Ruhe lässt!“
„Fay, bitte nicht!“
Ich ignorierte Alain, auch wenn es schmerzte, und ging auf Tara zu, die mich noch immer überrascht und gleichzeitig fasziniert betrachtete.
„Ist das dein Ernst? Du schenkst mir dein Leben wenn ich das deiner Geliebten verschone?“
Ich nickte. Es ging nicht anders. Ich ahnte bereits was auf mich zukommen würde aber ich tat es für sie alle! Vorsichtig machte ich einen Schritt nach dem anderen, bis ich schließlich meine alte Freundin erreichte. Sofort packte sie meine Arme und drehte sie mir auf den Rücken. Scharf sog ich die Luft zwischen den Zähnen ein. Ich kannte diese Grobheit von ihr nicht...Doch was kannte ich an ihr? Von einer Sekunde auf die andere befanden wir uns nicht mehr im Wald, sondern in einem Schloss...
„Du bist wirklich beeindruckend. In all der Zeit die ich nun schon lebe bist du die einzige, die sich für andere aufopfert. Warum tust du das?“
Tara hatte sie in Ketten gelegt und schaute nun auf sie herab, als sei sie nur ein kleines, unbedeutendes Insekt.
„Ich liebe Alain. Ich würde alles tun um ihn zu schützen und genau das unterscheidet uns so voneinander! Mag sein das du ihn liebst aber du willst ihn nur für dich allein und achtest dabei nicht auf seine Gefühle. Hauptsache du bist glücklich. Wie es ihm dabei geht ist dir völlig egal! Wenn ich jemanden liebe versuche ich immer demjenigen alles recht zu machen!“, antwortete sie tonlos, wobei das gelogen war. Schon oft hatte sie keinerlei Rücksicht auf Alain genommen, doch nun wurde ihr klar, wie wichtig das eigentlich war. Sie hielt Taras Blick stand, auch wenn sie ihm am liebsten ausgewichen wäre.
„Interessant...Wie dem auch sei, dass wird dir jetzt auch nicht mehr helfen.“
Mit diesen Worten wandte sie sich an den Gefallenen zu ihrer Rechten.
„Lass sie nicht aus den Augen. Sie sieht zwar nicht so aus aber sie kann verdammt gefährlich werden!“
Der Gefallene mit den dunkelblonden Haaren und blauen Augen nickte. Tara verschwand und ließ Fay mit ihm alleine.
„Du weißt nicht zufällig was genau sie mit mir vorhat, oder?“, fragte Fay so locker wie sie konnte und sah zu dem blonden Burschen auf. Irgendwie erinnerten ihn seine Gesichtszüge an Alain. Als sie an Alain dachte hätte sie am liebsten angefangen zu weinen, doch diesen Anblick wollte sie weder diesen Typen vor ihr bieten, noch Tara oder sonst jemandem. Der Gefallene sah auf die herab und zog die Brauen hoch.
„Ich bin dir keine Antwort schuldig, Kleine.“
Sie schnaubte.
„Klar, natürlich nicht. Aber da ich sowieso sterben werde spielt es doch keine Rolle ob ich weiß wie es passiert, oder nicht?“
Ihre Lässigkeit ließen die Mundwinkel des ehemaligen Engels zucken. Er wusste das sie Angst hatte...Na gut, Angst war vielleicht zu weit ausgeholt, Nervosität und Anspannung würde es vielleicht eher treffen.
„Ich will ehrlich sein, Süße. Du gefälltst mir, du bist interessant! Ich weiß das du Tara Probleme bereitet hast. Dafür das du solch ein mickriger Engel bist, hast du verdammt viel drauf!“
Sie lächelte. Das klang vielversprechend.
„Dann verrätst du mir, was nun geschieht?“
Er verschränkte die Arme und nahm eine lockere Haltung ein. Sie konnte nicht glauben wie lässig er in dieser Haltung wirkte.
„Aber nur weil du es bist!“
Sie lachte leise und hoffte das würde sie nur noch interessanter wirken lassen.
„Tara will um jeden Preis deine Kräfte. Es gibt eine Zeremonie mit der es möglich ist, die Fähigkeiten anderer zu berauben.“
„Und was genau passiert bei dieser Zeremonie?“, fragte sie monoton und verbarg die schiere Angst, die sich wieder in ihr breit machte. Sein Blick veränderte sich, doch sie konnte diese Veränderung weder beschreiben, noch deuten.
„Das Opfer wird auf einer Stahlplatte befestigt. Dann wird es mit einem alten, heiligen Dolch getötet. Eine Formel wird gesprochen und dann verletzt sich der Anwender ebenfalls mit dem Dolch. Das Blut beider Personen muss zusammenfließen. Ist das geschehen besitzt der Anwender die Kräfte und Fähigkeiten des Opfers.“
In ihren Ohren hörte sich das absurd an, doch der Tonfall in dem er das sagte ließ ihr klar werden, dass seine Wort der Realität entsprachen. Sie schluckte den Kloß in ihrem Hals hinunter und tat dennoch so, als wäre ihr das alles egal.
„Wie heißt du eigentlich?“, fragte sie stattdessen kühl und sah erneut zu ihm auf. Mit einem mal funkelten seine Augen, doch vielleicht bildete sie sich das nur ein.
„Dylan.“
„So, Dylan also. Würdest du mich befreien wenn ich dich ganz lieb darum bitten würde?“
Mit großen Augen sah sie ihn an und blinzelte überrascht, als sein Gesicht scheinbar noch ausdrucksloser wurde.
„Glaubst du ich würde meinem Bruder einen solch großen Gefallen tun?“
Das brachte sie aus der Fassung. Wieder blinzelte sie.
„B-Bruder?“, fragte sie perplex. „Meinst du etwa...“
„Alain?“, beendete er ihre Frage. „Ja, genau den meine ich.“
Sie war so überrascht, dass sie kein Wort herausbrachte. Nie hatte ihr jemand gesagt das Alain einen Bruder hatte.
„Warum so überrascht, Kleines?“, riss Dylan sie aus den Gedanken. Sie schüttelte den Kopf und biss sich auf die Zunge, bis sie Blut schmeckte.
„Ähm...ich wusste nicht...“
Er unterbrach sie.
„Fast niemand weiß es.“
„Was ist zwischen euch passiert?“
Nun bröckelte ihre Fassade. Ihr war es egal wenn er nun ihre sensible und verletzliche Seite bemerkte, doch ihre Neugier war stärker als alles andere. Sie musste einfach wissen was zwischen den beiden vorgefallen war. Nachdem sie einfach so mit dieser Frage mit der Tür ins Schloss gefallen war, sah er sie irritiert an. Schnell hatte er sich gefasst.
„Einer deiner Fähigkeiten ist es, immer die Gründe zu erkennen. Interessant...“
Er machte eine kurze Pause in der sie versuchte herauszufinden, wie Alains Bruder wohl wirklich tickte.
„Ich bin Schuld am Tod unserer Eltern. Er hat mir nie verziehen und wollte mich nie wieder sehen.“
Traurig über diese Worte sah sie ihn an. Tränen stiegen ihr in die Augen, doch sie blinzelte sie rasch weg. Kein Wunder das er damals so komisch reagiert hatte...
, dachte sie.
„Ich dachte ich hätte es nicht leicht. Alain hat mich immer getröstet. Ich wusste das seine Eltern tot sind aber ich habe ihn nie getröstet...“
Selbstzweifel plagten sie. Sie machte sich Vorwürfe, doch Dylans folgende Worte verschafften ihr zumindest einen kleinen Trost.
„Alain redet nicht gerne darüber. Wenn du versuchen würdest ihn zu trösten würde er nur wütend werden. Er war schon immer aufbrausend und stur, ein Streit mit ihm ist der Horror, glaub mir.“
„Wer von euch ist der Ältere?“, platzte es dann aus ihr heraus. Sie war nie neugierig gewesen, doch das interessierte sie wirklich! Schließlich ging es um den Mann den sie liebte.
„Ich.“, beantwortete er trocken ihre Frage.
Sie seufzte. Ihr gingen so viele Gedanken durch den Kopf, dass sie gar nicht wusste wo sie anfangen sollte zu denken. So viele Fragen brannten ihr auf dem Herzen.
„Ich würde dir gerne helfen, Kleine, ehrlich! Aber ich kann nicht.“
Sie fragte sich was er mit seinen letzten Worten meine und schloss lächelnd die Augen.
„Wieso sollte jemand wie du mir helfen wollen?“
Dylan lachte leise.
„Ich bin nicht so ein Arsch wie es scheint.“
Dann wurde er ernst.
„Mag sein das mein Bruder und ich zerstritten sind, dass heißt aber nicht das ich ihm nur Schlechtes wünsche. Alain hat viel durchgemacht, ich schwöre dir, wenn du ihm in irgendeiner Weise Schmerzen bereitest, kannst du was erleben!“
Ihre Mundwinkel zuckten, trotz der neuen Fragen, die sie hatte. Sie fragte sich, was er alles durchgemacht haben mag. Hatten ihn seine Eltern vielleicht auch schlecht behandelt? Sie beschloss ihn, wenn sie denn die Chance dazu bekommen würde, darauf anzusprechen. Nun musste sie sich aber erst um seinen Bruder kümmern. Sie fand es süß das er sich Sorgen um seinen Bruder machte, obwohl er Streit mit ihm hatte.
„Ich wäre nicht in der Lage ihm weh zu tun!“, hauchte sie, nun heiser.
„Du liebst ihn wirklich, nicht wahr?“, fragte er und lächelte, zum ersten mal seit Jahrhunderten. Die Gefühle die in seinen Augen aufblitzten ließen Fay ebenfalls lächeln.
„Ja. Du scheinbar auch...also...brüderlich meine ich.“
Er lachte, was sie überraschte, jedoch breiter grinsen ließ.
„Wir haben zusammen nichts als Unsinn angestellt.“
„Du vermisst ihn, oder?“, fragte sie leise und beobachtete, wie er sich von ihr abwandte.
„Ja, aber das spielt keine Rolle. Ich habe meinen Bruder schon vor langer Zeit verloren.“
Fay wandte ihren Blick von ihm ab und starrte auf den Felsboden.
„Sollte ich je noch einmal die Chance dazu haben ihn zu sehen, werde ich ihm sagen das er Glück hat, einen Bruder wie dich zu haben. Und das er sich bei dir für seine Sturhheit entschuldigen soll.“
Dylan schwieg, weshalb sie weitersprach.
„Ich werde nur ungerne so aufdringlich aber was ist in eurer Kindheit passiert?“
Er sah sie mit einem Blick an, der sie hätte umbringen können, hätte sie nicht schon längst solche Angst vor dem ihr bevorstehendem gehabt.
„Wieso sollte ich dir davon erzählen?“, fragte er grob.
Ihr Blick wurde einfühlsamer, weshalb die Falte zwischen seinen Brauen verschwand.
„Ich will nachvollziehen können warum du eure Eltern umgebracht hast. Und ich will Alain trösten können!“
Sein Oberkörper drehte sich in ihre Richtung und er erklärte sich tatsächlich für bereit dazu, ihr davon zu erzählen.
Eine gefühlte halbe Stunde später hatte sie erfahren, dass Alain tatsächlich von seinen Eltern misshandelt worden war. Dylan war um einiges älter als er, weshalb er davon nichts zu spüren bekam, da er die meiste Zeit die Aufträge erfüllte, die ihm die Erzengel gaben.
Tränen liefen über Fays Wangen.
„Kein Wunder das er so aggressiv wurde als er gesehen hat, wie Jack mich geschlagen hat...“, flüsterte sie und rieb sich das Gesicht an der Schulter, um die Tränen fortzuwischen.
Dylan hatte es nie mitbekommen, doch die unzähligen Blutergüsse seines Bruders ließen ihn wissen was los war. Irgendwann hatte er es zufällig mitbekommen. Wie grausam und kaltblütig ihre Eltern in Wirklichkeit waren. Er hatte sich nicht mehr halten können und aus Liebe zu seinem Bruder ihre Eltern getötet. Das er deshalb nur verbannt wurde war ein Wunder... Er verstand bis heute nicht warum sein Bruder ihn dafür hasste. Hätte er ihm nicht dankbar sein sollen? Aber nein, jetzt hasste er ihn. Mit ausdruckslosem Gesicht hatte er der gefangenen Frau schließlich wieder den Rücken zugekehrt.
13
Als ich aufwachte bemerkte ich, dass ich mich nicht mehr im Kerker befand. Dylan zog eine Kette um mein rechtes Handgelenk fest.
„Tut mir leid.“, murmelte er und ignorierte eiskalt die Tränen, die bereits in meinen Augenwinkeln glitzerten. Doch ich nahm es ihm nicht übel.
„Du stehst unter ihrem Bann, nicht wahr?“, hauchte ich und sah, wie er nickte.
„Findest du immer noch, dass es eine gute Idee war dich zu opfern?“, ertönte Taras Stimme aus der Ecke des Saales.
„Bring mich um wenn es dir Spaß macht! Aber ich werde es nicht bereuen, solange es Alain gut geht!“, antwortete ich und neigte den Kopf, um sie dabei beobachten zu können, wie sie auf mich zukam. Ich spürte Dylans bewundernswerten Blick auf mir ruhen und schluckte. Der Gedanke an seine Geschichte schockte mich noch immer, doch ich durfte mich nun nicht ablenken lassen. Sei es drum wie froh er darüber war das sein Bruder jemanden gefunden hatte, der sich um ihn kümmerte.
Ein alt aussehnder Dolch blitzte gefährlich in der Hand meiner ehemaligen Freundin auf.
„Irgendwie süß. Die kleine Fay, getrieben von Furcht und Hass opfert sich für ihre große Liebe. Hach, wie niedlich!“
Leicht tänzeldn kam sie näher.
„Hast du noch etwas zu sagen, bevor ich dich töte?", fragte sie mit vor Gift triefender Stimme. Lächelnd schloss ich die Augen.
„Wenn du Alain siehst richte ihm aus, er soll dir von mir einen Schlag ins Gesicht verpassen.“
Tapfere Worte von jemandem, der gleich umgebracht wurde. Sie lachte zuckersüß.
„Ich werde es ihm ausrichten.“
Tara wandte sich ab und bedeutete ihren Untergebenen, dass sie in Position gehen sollten. Sie stellten sich um den stählernen Tisch auf dem ich lag herum. Jeder von ihnen hatte ein Gefäß in der Hand, in dem sich scheinbar eine Flüssigkeit befand. Ich konnte es natürlich nur erahnen. Ich versuchte verzweufelt mich zu befreien, doch selbst meine neuen Kräfte halfen mir nun nicht. Tara platzierte sich neben der Platte und hob den Dolch. Dann schloss sie die Augen.
„Aku, perintha Tara, anda syaitan, berilah aku kekuatan untuk melakukan ritual ini
!“
Ich schluckte. Ein Übersetzer wäre hilfreich gewesen. Ich dachte einen Augenblick lang über die Worte nach. Ich wünschte wirklich ich hätte gewusst, was sie bedeuteten.
„Malaikat ini tidak milikmu lagi, tapi saya! Darah mereka akan menjadi milikki
!“
Tara wurde still, dann rief sie:
„Ihr Blut soll mir gehören!“
Sie senkte den Dolch und bevor ich hätte reagieren können, bohrte sich die Spitze der Klinge in meine Brust. Ich schrie auf. Ich war nie sonderlich schmerzempfindlich gewesen, doch das was ich nun spürte hätte sie sich zuvor nicht einmal vorstellen können. In diesem Moment krachte es. Ich hörte wie jemand meinen Namen rief, doch ich konnte nicht sehen wer es war. Ich war zu sehr mit den Schmerzen beschäftigt, die ich verspürte. Ich konnte lediglich sehen,wie Tara zischend ihren Blick von mir abwandte. Knurrend drückte sie den Dolch noch fester in mein Fleisch. Ich schrie erneut, so laut, dass es mir selbst in den Ohren weh tat. Ich konnte den Schmerz nicht unterdrücken.
Mit einem lauten Knall wurde Tara gegen eine Marmorsäule geschleudert.
„Fay!“
Wieder hörte ich meinen Namen. Als jemand an die Stahlplatte trat und mich befreite, erkannte ich wer es war.
„Alain.“, hauchte ich.
Nachdem er mich befreit hatte hob er mich hoch.
„Die anderen werden sich um Tara kümmern. Wir verschwinden.“, sagte er und setzte sich in Bewegung. Sie Wunde in meiner Brust begann auf wundersame Weise sich zu schließen und ich wusste, dass meine Selbstheilungskräfte nun ausgeprägter waren als zu Anfang.
„Warte!“, sagte ich hastig. „Was ist mit Dylan?“
Aprupt blieb er stehen.
„Dylan?“, knurrte er. „Sprich niemals wieder dieses Namen aus, hast du gehört?“
Ich wusste durchaus das er seinen Bruder hasste, doch darauf konnte ich jetzt keine Rücksicht nehmen. Ich wollte den Streit zwischen den beiden um jeden Preis schlichten!
„Mag sein das du ihn nicht besonders gut leiden kannst aber ich werde ihn nicht hier zurücklassen. Er hätte mir geholden, wenn er gekonnt hätte!“
Alain knurrte lauter und drehte sich mit mir im Arm um.
„Dylan!“, rief er und beobachtete, wie sein Bruder sich in unsere Richtung drehte. Meine Mundwinkel zuckten. Wieder tat er alles, um mich zufrieden zu stimmen. Mit einer Kopfbewegung deutete er auf die Tür. Dylan nickte.
Alain versorgte ihre Wunde. Ihr entging dabei nicht, dass er wütend war. Nachdem sie unter Schmerzen die Versorgung überstanden hatte tauchte Dylan auf. Alains Miene verhärtete sich.
„Ich weiß was passiert ist, Alain. Aber ich bin der Meinung das ihr euch versöhnen solltet, und zwar...“
Weiter kam sie nicht, denn Alain unterbrach sie. Das Knurren das er ausstieß jagte ihr, wie sie sich eingestehen musste, teuflische Angst ein.
„Was soll das heißen du weißt was passiert ist? Hat er dir etwas alles erzählt?“, brüllte er. Hekisch schüttelte er den Kopf. Genau genommen war es gar nicht wichtig was er ihr erzählt hatte.
„Glaubst du es wäre einfach jemandem zu verzeihen, der Schuld daran ist das deine Eltern tot sind? Er hat sie einfach so verraten! Und das, obwohl sie immer alles für ihn getan haben! Anstatt nachzudenken hat er einfach gehandelt, mit fatalen Folgen!“
Sie wusste das ihre Eltern Dylan viel besser behandelt hatten als Alain, doch genau deshalb verstand sie nicht, warum ihm das so nahe ging. Er hätte eifersüchtig sein müssen und wütend, weil sie ihn bevorzugten, doch nein, er stellte seine Eltern als unschuldig da und gab stattdessen Dylan die Schuld an allem. Nun wurde auch Fay wütend. Die Wunde schmerzte noch immer beträchtlich, doch sie ignorierte es, auch als die Schmerzen sich durch ihr Brüllen verstärkten.
„Warum zum Teufel gibst du Dylan die Schuld daran, dass deine Eltern dich schlecht behandelt haben?“, schrie sie. „Warum bist du ihm nicht dankbar? Schließlich hat er sie nur aus Liebe zu dir umgebracht! Und du bist so egoistisch und ziehst ihn durch den Dreck! Hast du eigentlich eine Ahnung wie viel du ihm bedeutest?“
Alains Augen färbten sich schwarz.
„Ich bedeute ihm etwas? Das ich nicht lache! Ich all den Jahrhunderten hat er es nicht einmal für nötig gehalten sich bei mir zu entschuldigen!“
„Wozu?“, brüllte sie zurück. „Bist du nicht derjenige der seine Handlungen nicht als würdig erkennt? Er wollte dich doch nur beschützen!“
„Ich sagte ja er ist stur.“, mischte sich Dylan leise ein und sah zwischen den beiden hin und her.
Fay ließ die Schultern hängen und seufzte. In wenigen Sekunden hatte sie Alain gepackt und ihn an sich gezogen. Vorsichtig drückte sie ihn an sich.
„Ich weiß wie du dich fühlst, Alain. Ich hatte zwar Eltern aber es kam mir so vor als wäre ich ganz allein auf der Welt. Ich wusste das du keine Eltern mehr hast, habe dich aber nie getröstet. Du warst immer für mich da, obwohl ich nicht einer annähernd so schlimmen Situation war, wie du! Es ist gewiss nicht schön alleine zu sein, ich will nicht das du so leidest. Deinem Bruder tut es leid, glaube mir. Er vermisst dich! Er hat mir sogar gedroht mir etwas anzutun, wenn ich dich verletze! Mach nicht alles noch schlimmer als es schon ist...“
Sie spürte wie seine Finger sich in ihren Seiten festkrallten und hielt ihn weiter im Arm.
„Wir müssen ihnen doch helfen!“
Ich war schon wieder dabei in Taras Versteck zu stürmen als Alain mich zurückhielt.
„Die kommen schon klar, keine Sorge! Es wäre pure Dummheit sich noch einmal dort hinein zu begeben!“
Dylan klopfte seinem Bruder auf die Schulter.
„Respekt, deine Frau hat verdammt viel Mut.“
Alain seufzte. Knapp zehn Minuten waren seit ihrer Versöhnung vergangen, schon waren die Geschwister wieder Geschwister.
„Ich glaube das ihr das noch mal zum Verhängnis wird...“, murmelte Alain und zog erneut an meiner Hand, als ich wieder losrennen wollte.
„Was ist mit Michael? Willst du ihn etwa im Stich lassen?“, murmelte ich, während ich das Versteck anstarrte. Ich machte mir wirklich Sorgen, schließlich hatte ich an eigenem Leib erfahren müssen zu welch grausamen Taten Tara fähig war. Er zog mich in seine Arme und strich mir über die Haare.
„Dein Vater und die anderem helfen ihm, es wird nichts passieren.“
„Wenn das alles vorbei ist und mir zu Ohren kommt, dass Michael es nicht geschafft hat kannst du dich auf etwas gefasst machen!“, knurrte ich leise.
„Du machst dir eher Sorgen um ihn als um deinen Vater, oder?“
„Raphael interessiert mich nicht.“, antwortete ich gleichgültig und schlang die Arme um ihn.
„Raphael ist ihr...“
Dylan hatte nie erfahren das der Erzengel eine Tochter hatte, was man ihm ansah. Alain und ich nickten zeitgleich.
Die drei hatten das Gefühl es vergehen Stunden, bis endlich die Erzengel ins Freie traten.
„Michael!“, rief Fay erleichtert und bemerkte erst jetzt, dass er den Kopf von Tara in der Hand hielt.
„Das ist ekelig...“, murmelte sie leise und versuchte den Würgreiz zu unterdrücken. Sie sah aus den Augenwinkeln wie Alain und Dylan leise, fast unhörbar kicherten. Sie schnaubte bloß. Als sie die Himmlischen genauer betrachtete fiel ihr auf, dass jeder einzelne von ihnen schwer verletzt war.
„Es wird mehrere Tage dauern bis sie alle wieder fit sind...“, stellte sie fest. Ohne sie auch nur anzusehen gingen die mächtigen Männer an den dreien vorbei.
„Es ist vorbei.“, sagte Alain leise und nahm Fays Hand. Gemeinsam folgten sie den Erzengeln.
Epilog
„Wie wollen wir sie nennen?“, fragte Alain und sah auf uns herab.
„Rahel.“, antwortete ich leise und sah in die strahlenden grünen Augen des kleinen Mädchens in meinen Armen. Alain lachte leise und streichelte die Wange des Kindes.
„Sie ist genauso wunderschön wie meine Frau.“, sagte er und küsste mich dann.
Es klopfte an der Tür und ohne auf eine Antwort zu warten traten Michael und mein Vater ein.
„Wir waren neugierig.“, sagte Raphael grinsend. Michael warf ihm einen Blick zu.
„Du warst neugierig.“
Ich lächelte. Es hatte einige Jahre gedauert bis ich meinem Vater verziehen hatte, doch jetzt, nach fast dreißig Jahren schien es, als wäre es nie anders gewesen. Alain nahm Rahel in den Arm und ging mit ihr zu Michael und meinem Vater.
„Darf ich vorstellen. Rahel, Tochter von Alain und Fay.“
„Sie hat das Gesicht ihrer Mutter...“, stellte Raphael fest.
„Wollte Dylan nicht auch kommen?“, fragte ich und sah die drei an.
„Bin schon da!“, ertönte es während die Tür aufgerissen wurde. Ich seufzte und verdrehte die Augen.
„Du bist zu spät.“, meinte ich und verkniff mir das Lachen.
„Er ist immer zu spät.“, sagte Alain dann.
Ich zuckte mit den Schultern und starrte aus dem Fenster. Dreißig Jahre mit Alain und den anderen waren vergangen. Wie viele Jahre mochten wohl noch kommen? Mit einem Lächeln auf den Lippen erhob ich mich und ging zu meiner Familie. Mein leben würde chaotisch, lustig, spannend und lang, sehr lang werden. Doch ich freute mich schon jetzt auf die Probleme die kommen würden!
Tag der Veröffentlichung: 13.01.2011
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