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DEUTSCHLAND

Montag, 2. Juli 2001, Backnang/Deutschland

Hallo an alle,

endlich bin ich wieder raus aus dem Krankenhaus! Mein Vater hat uns gestern in Meran abgeholt und nach Backnang ins Schwabenland zurück gefahren. Was hab ich mich auf diesen Moment gefreut - in Ruhe zu regenerieren und zu neuen Kräften zu kommen. Dieser Unfall war ein einschneidendes Erlebnis und verfolgt mich in den Erinnerungen noch so manche Nacht. Wie es zu dem Aufprall kam, weiß ich nicht mehr, doch an den dumpfen Aufschlag, diesen Ton, wenn Metall auf Metall kracht, werde ich nie vergessen. Kurz darauf haben sich Fotos in der Luft gedreht - Motive von Kindergarten, Schule, von Eltern und Freunden haben sich abgewechselt und sind in rasanter Geschwindigkeit strudelähnlich in ein schwarzes Loch gefallen. Danach muss ich das Bewusstsein verloren haben. Als ich wieder zu mir kam, saß ich auf dem Fahrersitz vor einer zertrümmerten Frontscheibe, überall kleine Schnittwunden am Arm. Irgendwie hab ich mich über die Beifahrerseite aus dem Auto gehievt, da die Fahrerseite komplett zerquetscht war.

Ein Sanitäter hat mich sofort aufgefordert, auf den Boden zu liegen. Da kauerte ich dann, mitten auf der Straße, das Auto mit Totalschaden genau wie das in zwei Teile zerfetzte Motorrad und die unzähligen Glasscherben im Blick. Ciska rannte zerstreut durch die Gegend und fragte ständig danach, wo wir seien und wie wir dahin gekommen wären. Da befürchtete ich schon, meine Freundin habe das Gedächtnis verloren. Erst als der Sanitäter sie fragte, wie sie heißt und wo sie wohnt, und sie eine vernünftige Antwort geben konnte, war ich beruhigt, dass sie 'nur' einen Schock hatte. Auch ich muss gehörig unter Schock gestanden sein, denn außer einem Stechen unter den Rippen hatte ich keinerlei Schmerzen und dachte zu dem Zeitpunkt noch, ich käme mit ein paar Prellungen davon. Welch faszinierende Mechanismen setzt doch der Körper ein, um das Bewusstsein in extremen Stresssituationen auszutricksen. An die Fahrt ins Krankenhaus kann ich mich kaum noch erinnern, nur noch an den Helikopter, der die beiden Motorradfahrer geholt hat und mir beim Landen die ganzen Glasscherben ins Gesicht wirbelte. Im Hospital in Meran haben sie mir erst die Kleider zerschnitten und vom Leibe gerissen, um mich dann augenblicklich unter das Röntgengerät und die Computertomografie zu schieben. "Ihre Milz ist kaputt, wir müssen sie sofort operieren, sonst verbluten sie - 1,5 Liter befinden sich schon in ihrem Bauch", konnte ich noch bewusst wahrnehmen, dann begann bereits der komplette Körper auf der Bahre zu beben.

Der Schüttelfrost ist für mich die schrecklichste Erinnerung an diesen Tag: Das langsam beginnende und immer heftiger werdende Zittern bis der ganze Körper vibriert - ohne jegliche Einflussmöglichkeit, was da passiert. Danach wurde es schwarz. In den Entlassungspapieren hab ich gestern den Vermerk "Wiederbelebung" gesehen, gesagt hat mir das im Krankenhaus keiner oder ich hab es vergessen. Als ich den nächsten Tag in der Intensivstation aufgewacht bin, war der schlimmste Albtraum vorbei. Sie haben die Milz nicht rausgenommen, sondern mit einem Netz zusammen geflickt, Ciska ist wohlauf und auch die beiden Motorradfahrer seien in Ordnung, hieß es. Eine volle Woche hing ich an den Schläuchen, durfte nichts essen oder trinken, nicht aufstehen. Eine weitere Bluttransfusion wurde nötig und eine Lungenentzündung hab ich mir in der Zeit zu allem Überfluss auch noch eingefangen. Ciska war entlassen worden und hatte sich in eine Pension eingemietet. Ihre täglichen Besuche, sowie die unserer Eltern und dreier Freunde aus Frankfurt, die extra nach Südtirol runter gefahren waren, haben wesentlich zu meiner Genesung beigetragen - auch wenn ich das zu diesem Zeitpunkt kaum wahrnehmen konnte.

Die zweite Woche wurde für mich zu einer Art Wiedergeburt: Erstmals trinken, erstmals essen, erstmals aufstehen und aufs Klo gehen, erstmals laufen und an die frische Luft gehen. Jede Aktion hab ich sehr bewusst getan und genossen. Zu leben war auf einen Schlag nicht mehr selbstverst„ndlich. Leider musste ich erfahren, dass die beiden Motorradfahrer doch schlimmer verletzt waren, als mir gesagt wurde, um mich in meinem Zustand nicht zusätzlich zu beunruhigen. Üble Knochenbrüche und fast eine Querschnittslähmung bei zwei anderen Menschen waren das Resultat meiner Unachtsamkeit an dieser verfluchten Baustellen-Kreuzung. Ich war definitiv schuld, habe die Vorfahrt genommen und so war der Gang in die Orthopädie, wo sie lagen, eine Art Gang nach Canossa für mich. Bin mit gewaltigem Herzschlag dort rein, um mich zu entschuldigen, um dann zu erfahren, dass sie bereits nach Deutschland abtransportiert wurden. Eine Telefonnummer konnte mir niemand geben, doch immerhin ihre Adresse. Hab einen langen Brief an die beiden geschrieben, doch bisher nichts von ihnen gehört. Ich könnte gut verstehen, wenn sie sauer sind und nichts mit mir zu tun haben wollen.

Doch auf ihre Art hat die ganze Katastrophe auch ihre positive Seite. In den letzten Tagen hatte ich viel Zeit zum Nachdenken und vieles ist mir durch den Kopf gegangen. Man beginnt, das bisher gelebte Leben kritisch zu hinterfragen, wenn aus dem theoretischen Wissen, dass man jederzeit sterben kann, eine praktische Erfahrung wird. Wie heißt es so schön: Man soll jeden Tag so leben als wenn's der letzte wäre. Auf - im wahrsten Sinne des Wortes - einen Schlag hat dieser Satz eine fast magische Bedeutung für mich. Im großen und ganzen bin ich mit meinem Leben vor dem Unfall zufrieden, doch drei Dinge werde ich ändern bzw. hab ich bereits geändert:

1.) ich hab nach 20 Jahren das Rauchen aufgehört.
2.) wir haben beschlossen, uns kein Auto mehr zuzulegen. Wir wollen uns in Zukunft langsamer fortbewegen. Das Auto multipliziert nach meiner Erfahrung nur den bereits vorhandenen Stress und baut ihn nicht ab.
3.) ich werde in der Agentur versuchen, eine 4 Tage-Woche durchzusetzen. Die letzten Monate waren viel zu stressig und ich war viel zu oft krank. Dass der lang ersehnte Urlaub nun am ersten Tag wie eine Seifenblase zerplatzt ist, interpretiere ich als ein Zeichen, diesbezüglich endlich zu handeln. Wofür schuftet man wie ein Irrer? Für Geld? Was mach ich mit all dem Geld, wenn ich Morgen sterbe? Jetzt hoffe ich, dass ich langsam wieder zu Kräften komme. Noch bin ich völlig erschöpft, wenn ich mal eine Stunde spazieren gehe. Der Blutverlust macht sich stärker bemerkbar als ich dachte.

Ich hoffe, von dem/der ein/en oder anderen bald zu hören,
bis dahin,
Andi

Samstag, 15.Juni 2002, Frankfurt/Deutschland

Hallo aus Frankfurt,

Das ist ein ambivalentes Jubiläum heute. Vor einem Jahr hatten wir diesen Unfall, der das Leben verändert hat. Während ich vor einem Jahr noch dem Tod ins Auge geschaut habe, ist heute meine Milz gut verheilt und ich bin wieder bei Kräften. Die Aufmerksamkeit, die ich dem Leben entgegen gebracht habe, beginnt wieder schleichend in Routine überzugehen. Man könnte glauben, außer der Narbe sei nichts zurück geblieben - wären da nicht die psychischen Folgen, die ein Leben lang weiter bestehen können. Wie fast jeder, hatten auch wir schon lange die Idee, irgendwann einmal eine Weltreise zu machen. Einmal im Leben ein ganzes Jahr aussteigen - was für ein Traum! Während es für die meisten beim Traum bleibt, haben wir uns kurz nach dem Unfall hingesetzt und über die Realisierung nachgedacht. Wie gesagt, man lebt nur einmal und unter Umständen nur bis Morgen. Die Idee hat sich Schritt für Schritt zum Vorhaben entwickelt und letztlich zum Plan konkretisiert - die Reiseziele, die Reisezeit, die Reiseroute und nach der Budgetkalkulation auch der Starttermin standen irgendwann fest.
Inzwischen haben wir das "Around-the-world-Ticket" gekauft und alle anderen Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Und es wahnsinnig viel zu tun: Visabestimmungen klären, Impfungen checken, Reiseversicherung auswählen, die richtige Bank finden u.v.a. das alte Leben entrümpeln. Entrümpeln von Zeitungsabos, unnötigen Versicherungen, altem Kram aus dem Keller etc. Dazu muss auch noch der Umzug organisiert werden, da wir unsere Sachen bei Ciskas Eltern im riesigen Keller im Odenwald unterstellen und uns damit Mietkosten oder eine Untervermietung sparen. Wir stecken also voll drin in den Vorbereitungen und je näher das Ganze rückt, desto realer wird es. Noch fühlt es sich an wie ein Traum ohne Realitätsbezug, doch das wird sich ändern, wenn wir in den nächsten Tagen unsere Wohnung und unsere Jobs kündigen.
Grüße aus einem etwas aus den Fugen geratenen Alltag,
Andi


Montag, 23.09.2002, Kreidach/Deutschland

Hallo miteinander,

Mensch, war das ein stressiges Wochenende. 68 Quadratmeter Wohnung sind geräumt, der Keller entrümpelt und alles im Odenwald entladen und teilweise in Ciskas ehemaligem Kinderzimmer eingerichtet. Nach der Aufgabe unserer Jobs ist damit auch unsere Wohnung in Frankfurt unumkehrbare Vergangenheit. Langsam, aber sicher nimmt unser Traum einer einjährigen Auszeit Gestalt an: Die Flugtickets haben wir in der Tasche, alles Unnötige ist gekündigt, Job und Wohnung aufgegeben, Reiseversicherung abgeschlossen, Travellerschecks bestellt und die richtige Online-Bank gefunden. Jetzt heißt es eigentlich nur noch packen, bevor der große Traum in zwei Wochen Wirklichkeit wird.

Melde mich vorher noch mal bei euch,
Grüße
Andi

Montag, 07.10.2002, Kreidach/Deutschland

Morgen ist es soweit: um 20.25 Uhr fliegen wir Richtung Asien. Natürlich sind wir aufgeregt und hier und da überlegt man zum x-ten Mal, ob man nicht doch irgend etwas wichtiges vergessen hat - auch wenn es jetzt sowieso zu spät wäre. Vor einem solchen Trip macht man sich viele Gedanken. Was ist, wenn einem Elternteil etwas passiert? Was macht man, wenn man unterwegs ernsthaft krank werden sollte? Was ist, wenn man beraubt oder überfallen wird? Was tun, wenn man erneut in einen schlimmen Unfall verwickelt wird? Doch irgendwie schiebt man all das zur Seite. Bei mir überwiegen eindeutig die positiven Erwartungen und die Vorfreude.

Ich hoffe, wir bleiben über dieses Jahr in Kontakt. E-Mail ist ja heute weltweit verfügbar und kostet nicht die Welt. In Asien ist es kein Problem, höchstens in Laos oder Myanmar, das kann ich noch nicht sagen. In Australien, Neuseeland und Südafrika sollte es dagegen überall Internet-Cafe mit einigermaáen verlässlicher Technik geben.

Ich melde mich wieder aus Thailand, bis dahin,
euer etwas aufgeregter Andi


THAILAND & LAOS





Donnerstag, 10.10.2002, Bangkok/Thailand

Hallo zu Hause,

einen ersten Gruß aus dem sonnigen, diesigen und heißen Bangkok. Es ist recht schwül hier mit zirka 90 Prozent Luftfeuchtigkeit und das Hochwasser steht zum Teil noch in den Straßen. Bei Flut waten wir sogar kniehoch durch die dreckige Brühe zum Guesthouse, so hat die Regenzeit in diesem Jahr gewüet. Tuc Tucs und Fahrradrikschas zischen spritzend durch die Straßen und an den Garkücchen bekommen die Thais ein ungewohntes Gratis-Fußbad zum Essen.



Es scheint, dass die Einwohner das Hochwasser als Teil des Alltags akzeptiert haben und damit gelassen leben - allein daran merkt man, dass man nicht mehr in Deutschland ist. Die Stadt hat die in diesem Jahr heftig ausgefallene Regenzeit nur schwer verkraftet - zu viel Plastikmüll auf den Straßen, der die Kanalisation verstopft. So läuft das Wasser nicht mehr ab, sondern kommt bei Flut direkt durch die Straáenabflüsse nach oben. Noch schlimmer als Bangkok hat es Ayutthaya, eine Stunde nördlich von der Hauptstadt, erwischt - da sind Hunderte obdachlos geworden. Doch wie es aussieht, geht die Regenzeit langsam zu Ende, zumindest im Norden und hier in Zentralthailand, im Süden gieát es nach wie vor in Kübeln.

Für mich war Bangkok ein wenig wie heimkommen. Bin das dritte Mal in diesem Land unterwegs und zum fünften Mal in der 12-Millionen-Metropole. Geändert hat sich hier in Sachen Lebensart nicht viel und so genießen wir v.a. die unzähligen Garküchen mit den leckeren Gerichten auf den Straßen. Endlich wieder ein echtes Pad Thai, eine Kokos-Curry-Sauce, einen scharfen Papaya-Salat oder eine gute Nudelsuppe genieáen, einen frisch gepressten Orangensaft oder das klassische "Gummibärchen-Getränk im Vorbeigehen trinken. Für mich hat Thailand die beste Küche der Welt!

Soweit der erste kurze Gruß aus Asien,
Andi


Dienstag, 15.10.2002, Chiang Mai/Thailand

Wir saßen gerade im gemütlichen "Mut Mee"-Guesthouse in Nong Khai, als im Radio die Nachricht vom Bombenattentat auf Bali kam. Alle Touristen im Garten saßen wie versteinert da und haben kopfschüttelnd zugehört. Diese Sache hat hier alle Reisenden bis ins Mark getroffen. Viele sind bereits in Indonesien gewesen und schließlich ist man nicht anders als die Opfer. Dass es ausgerechnet die netten Balinesen getroffen hat, zeigt die Bösartigkeit der Täter: So brauchen die Moslems nicht einmal die Zeche für diesen Massenmord bezahlen, sondern die Hindus auf Bali müssen in Zukunft ökonomisch unter den fehlenden Touristen leiden. Der Aufenthalt im bis dato schönsten Guesthouse hat auf der einen Seite ein wenig darunter gelitten. Auf der anderen Seite entsteht bei mir eine Art Trotz. Wenn man sich die Stimmung versauen lässt, haben die Typen ihr Ziel erreicht und ihre Tat hat sich aus ihrer Sicht gelohnt.

So gesehen war der üppige Garten direkt über dem Mekong Balsam auf die Seele. Ich hab mich zur Abendstimmung immer in einen Sessel aus alten Gummireifen gesetzt, einen Tee getrunken und auf das gemütchliche Treiben auf dem gemächlich dahin fließenden Fluss gestarrt. Kam mir dabei vor wie in einem schlechten Spielfilm - wäre Thailand je Kolonie gewesen, hätte Hollywood die Kolonialherren sicherlich nichts anderes tun lassen.



In den Zeitungen gibt es momentan kaum ein anderes Thema als mögliche Bombenattentate islamischer Radikaler. Im Süden, an der Grenze zu Malaysia gibt es auch in Thailand Leute von diesem Schlag und Brandanschläge auf Schulen hat es in den letzten Jahren öfters gegeben. Die thailändische Regierung hat daher angekündigt, die Sicherheitsvorkehrungen, v.a. in Phuket und Bangkok zu verstärken. Wie ich mitbekommen habe, hat das Auswärtige Amt sogar generelle Reisewarnungen für Südostasien ausgesprochen. Ich finde das ehrlich gesagt übertrieben. Thailand ist nicht Indonesien und Anschläge gab es bisher wie gesagt nur ganz unten im Süden, und die in wesentlich kleinerem Maßstab als das Baliattentat. Die thailändische Regierung hat bereits gegen die Pauschalwarnungen protestiert, man befürchtet hier gewaltige Einbußen im Tourismus - einer Branche, von der die Entwicklung des Landes in starkem Maße abhängt.

Während die Geschehnisse auf Bali dunkle Schatten auf Südostasien werfen, sind wir in Chiang Mai angekommen, der größsten Stadt in Nordthailand. Als ich vor 14 Jahren das erste Mal hier war, glich Chiang Mai eher einem Dorf. Heute dröhnen und röhren die Motoren der Autos, Mopeds, Songthaews, Tuc Tucs und Busse in allen Gassen, der Abgasgestank ist fast unerträglich geworden und es herrscht ein wahrer st„ätischer Wildwuchs. Der Tourismus hat den Ort gnadenlos im Tiefschlaf überrannt. Fast jeder zweite Laden ist eine Reiseagentur, die versucht, einem irgendwelche Trekkingtouren in "unberührte" Bergdörfer oder sonstige Aktivitäten zu verscherbeln. Dass man auf solchen Touren dann unzählige andere Gruppen trifft und die "hilltribes" dort nur noch die Trachten zum Besuchstermin anhosen um im selben Moment die Hände für cash aufzuhalten, sagt einem natürlich keiner. Ich gehöre jedoch nicht zu den Touristen, die das verurteilen. Einige Dörfer, die vor 14 Jahren weder Strom noch fließend Wasser hatten, sind heute infrastukturell gut an Thailand angeschlossen. Es sei den Menschen gegönnt, die dort leben.



Inzwischen ist auch Ciskas Freundin angekommen und reist seit einigen Tagen mit uns. Da sie einige Sehenswürdigkeiten anschauen möchte, die ich schon kenne, haben wir uns für ein paar Tage getrennt. Die beiden Frauen sind nach Sukothai und ich hab mich auf den Weg nach Phu Kradung gemacht, einem etwas abgelegeneren Nationalpark im Nordosten, wo man vom Busstop nur mit einem Mopedtaxi hinkommt, sprich: Zu zweit auf der kleinen Maschine mit dem gesamten Gepäck.

War froh, am Ende heil anzukommen, dafür gab es 2 Tage später auf der Rückfahrt im Sammeltaxi einen Crash - zum Glück ohne ernste Folgen, doch bei meiner Vorgeschichte steckt der Schreck doch jedes Mal tief in den Gliedern. Am Eingang des Phu Kradung Nationalparks steht ein "visitor center", wo man auf der 1500 Meter hohen Plattform des Parks eine Bretterbude zum Pennen reservieren kann. Dort verstaut man auch den großen Rucksack und dann geht es zu Fuá genau diese 1500 Meter steil bergauf, zum Teil über Klippen mit Treppen und Leitern. Habe fast 5 Stunden für den Aufstieg gebraucht und war so durchgeschwitzt, dass selbst die kurze Hose zum Auswinden war, vom T-Shirt ganz zu schweigen. 6 Liter Wasser hab ich in mich reingeschüttet und bei den 30 Grad wahrscheinlich genau so viel wieder raus geschwitzt. Wer nun glaubt, dieser Park sei auf Grund der Abgelegenheit und Strapazen eher wenig besucht, der täuscht sich: Für die sonst eher lauffaulen Thais ist Phu Kradung ein richtiger Topfavorit. Zu Hunderten keuchen v.a. Studenten in Gruppen, ausgerüstet mit Gitarren und tragbarem Grill, die Hänge hoch. Viele davon sind in Sandalen und reiben sich permanent die Füße mit Cremes und sonstigen Wundermittelchen ein. Verschont werden jedoch der Rücken und die Schultern, denn das komplette Gepäck schleifen Träger die Steilhänge hinauf - gleich verteilt, festgezurrt an zwei Enden einer Bambusstange - ein absoluter Knochenjob bei dieser Hitze und Luftfeuchtigkeit. Bis zu 60 Kilogramm stemmen sie über den gesamten Aufstieg und entsprechend sind ihre Nackenmuskeln auf fast schon beängstigende Weise ausgebildet. Die Landschaft dort oben entschudigt für all die Mühen. Die Plattform hat eine Steppen ähnliche Vegetation und stürzt an den Enden fast senkrecht in die Tiefe.

So gibt es atemberaubende Aussichtspunkte an diversen Klippen und im Inneren der Hochebene stürzen imposante Wasserfälle in tiefe Täler mit dichtem Regenwald. Da der Thai trotz mutigem Wandern beim Aufstieg letztlich doch lauffaul ist, konzentrieren sich die Studentengruppen auf den Aufstieg und vor allem auf das abendliche Grillen mit Musik und den Sonnenaufgang am nächsten Morgen. Dann tippeln sie alle an ein bestimmtes Cliff, verballern einen Film mit Familienbildern und steigen danach wieder ab ins Tal. So war ich tagsüber fast alleine auf der Hochebene unterwegs und hab die schöne Gegend in endloser Ruhe genossen. Ihr seht, mir geht es nach 10 Tagen "on the road" ganz ausgezeichnet. Teilweise fühle ich mich schon jetzt so, als sei ich bereits ein halbes Jahr unterwegs.

Das schönste an diesem Leben ist der fehlende Terminkalender. Während zu Hause im Alltag an jedem Tag dies oder das zu erledigen ist, gibt es für mich momentan außer den Flugeckdaten keinerlei Verpflichtungen. Das sind jetzt gerade einmal drei Termine in 360 Tagen! So gesehen ist Morgens aufwachen und schauen, was der Tag einem bringt, der Luxus der Reisenden. Zu bleiben, wenn es einem gefällt oder zu gehen, wenn nicht, ist der zusätzliche Luxus der Langzeitreisenden und dieser Tatbestand gefällt mir ganz ausgezeichnet!

Grüße an alle,
Andi


Mittwoch, 23.10.2002, Pai/Thailand

Hallo daheim,

hier ist es momentan ohne Unterlass am Pissen. Der tropische Regen ist alles andere als angenehm, da bei der Luftfeuchtigkeit nichts mehr trocknet. Alles ist klamm und beginnt zu muffeln. Dabei ist Pai bei Sonne durchaus ein nettes Örtchen. Zwar nicht wieder zu erkennen im Vergleich zu 14 Jahren, doch trotz Massentourismus immer noch mit Flair. Als wir mit dem Bus über die steile Berstasse hierher gefahren sind - einem alten Klepperteil mit einem der Kamikazefahrer, die wie Wahnsinnige die Hänge runter schießen und dafür selbige kaum mehr hoch schaffen - hatte es leider auch Binnfäden geregnet. Da die Fenster des Busses nicht dicht waren, hat es überall rein geschüttet, je nach Lage der Kurve, in die der Irre reingeheizt ist. Bei all dem Regen dachte ich gestern schon, wir müssten gleich wieder abreisen, doch wie ein Wunder reißt es nach dem Frühstück gegen 10 Uhr auf und die Sonne beisst sich durch. Haben uns 2 Tage lang Mountain Bikes geliehen und die traumhaft schöne Gegend hier erkundet.



Zum Ende der Regenzeit ist das hier eine wahre Symphonie in Grün. Die Reisfelder sind saftig und stehen kurz vor der Ernte. Ich befinde mich jedes Mal wie in einem Rauschzustand, wenn ich durch diese Landschaft radle und kann mich einfach an dieser Üppigkeit nicht satt sehen. Die Krönung ist jedoch, wenn man aus der Sonne nass geschwitzt in einen schattigen Wald führt und dort bereits ein kühlender Wasserfall mit Badeloch auf einen wartet.

Grüße aus Thailand,
Andi


Mittwoch, 30.10.2002, Chiang Khong/Thailand

Wir sind Chiang Khong, wieder am Mekong angekommen, der uns noch ein weiteres Stück auf unser Asientour begleiten wird. Wenn mit dem Visum alles klappt, fahren wir übermorgen nach Laos - 2 Tage mit dem Schiff auf dem Mekong nach Luang Prabang. Zuletzt waren wir für eine Nacht in Thaton, wo uns erneut beim Aussteigen aus dem Bus ein tropischer Regenguss überrascht und komplett aufgeweicht hat. Immerhin war der Folgetag versöhnlicher, sodass wir das Boot nach Chiang Rai genommen haben. Das war eine sehr schöne Fahrt - man hängt da relaxed im Sitz und lässt die herrlich grüne Landschaft, die Dörfer und Berge langsam an sich vorbei ziehen.

Ich hoffe ja, dass die Fahrt nach Laos ähnlich ablaufen wird. Ob es in Laos Internet-Cafes geben wird, steht in den Sternen. Immerhin ist das eines der ärmsten Länder der Welt. Kann also sein, dass für 2 Wochen Sendepause herrscht. Ich melde mich dann wieder, wenn wir zurück sind...

Bis dahin, liebe Grüße,
Andi





Sonntag, 03.11.2002, Luang Prabang/Laos

Laos ist ganz anders, als ich mir immer vorgestellt hatte. Hier sind unendlich viele Rucksacktouristen unterwegs und in Luang Prabang gibt es alles, inklusive Internet. Die Stadt selbst ist stark französisch angehaucht, es gibt Baguette und sehr guten Kaffee in geradezu europäisch anmutenden Cafes. Die alten, gut erhaltenen Häuser vermitteln einem einen sehr realistischen Eindruck, wie die Kolonialherren hier früher gelebt haben. Bedenkt man, dass Luang Prabang die zweitgrößte Stadt des Landes ist, wirkt alles extrem verschlafen. Die Dinge gehen in Laos gemütlich ihren Gang - geradezu so, wie der Mekong das Land hinab fließt. Und diese Stimmung steckt an. Autos gibt es kaum und selbst Mofas sind eine Seltenheit.

Lediglich die Mönche in ihren orangefarbenen Kutten sind allgegenwärtig, denn hier ist eine anerkannte Klosterschule des Landes und jede Familie, die es sich leisten kann, schickt ihre Kinder hierher. Es sind die Klosterschulen, die im ehemaligen sozialistischen Laos der Jugend Englisch beibringen, nicht die Staatsschulen. So wird man auf der Straße ständig von jungen Mönchen aus allen Winkeln des Landes angesprochen, die versuchen ihre theoretischen Fremdsprachen-Kenntnisse praktisch anzuwenden - eine nette Art, etwas über das Land zu erfahren. Wir werden daher noch ein paar Tage hier verweilen.



Waren heute mit ein paar anderen Deutschen bei einem Wasserfall auáerhalb der Stadt. Auf dem Land scheint Laos sehr arm zu sein. Außer einigen Mönchen sieht man keine dicken Menschen, die Kinder tragen meist nur Lumpen und eine Art medizinischer Versorgung sucht man vergebens. Mir kommt das hier noch ärmlicher vor wie Thailand vor 14 Jahren. Viele Bauern essen meist nichts anderes als Reis - das ist zumindest der erste Eindruck.

Die zweitägige Bootsfahrt hierher war grandios. Reisfelder, Berge, Palmen und Bananen, jodelnde Kinder aus mittelalterlich anmutenden Dörfern und Boote ziehen langsam, fast wie im Traum, an einem vorbei. Übernachtet haben wir in Pakbeng, einem Nest auf halbem Weg, wo es fast so viele Übernachtungsmöglichkeiten wie Wohnhäuser gibt und eine staubige Piste direkt aus dem Ort in den dichten Regenwald führt. Sie ist für die Bewohner neben dem Mekong die einzige Verbindung zur Außenwelt. Morgens bin ich vor der Weiterfahrt ein wenig in Pakbeng geschlendert und auf einen Markt geraten, wo geräucherte Ratten und andere kulinarische Merkwürdigkeiten zum Kauf angeboten werden. Es ist schon etwas skurril, wenn der Holzkahn am Morgen den Ort wieder verlässt - gefüllt ausschließlich mit Rucksacktouristen aus allen Ecken dieser Welt, während die Einheimischen das Geld für ein solches Ticket nie bezahlen könnten. Immerhin hatte das Boot genug Platz, um sich ab und zu auf dem Boden ausstecken zu können. Doch nach 2 Tagen tut der Hintern gehörig weh und man ist froh, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Umso schöner ist natürlich Luang Prabang mit seiner ansteckenden Langsamkeit.

Soweit der erste Bericht aus Laos, bis bald,
Andi






Mittwoch, 13.11.2002, Vientianne/Laos

Hallo zu Hause,

ich sitze gerade im Internetcaf‚ in Vientianne, der Hauptstadt von Laos. Eigentlich eine Kleinstadt, doch wie fast alle asiatischen Städte laut, stinkig, chaotisch, dreckig, mit viel Abgasgestank und ohne wirklichen Charme. Zwar haben die meisten Reisenden, die wir unterwegs getroffen haben, von dieser Stadt geschwärmt, doch ich war eher von Anfang an genervt. Und als heute morgen das tägliche Krawallmachen begann, haben wir uns entschlossen, gleich wieder abzureisen. Der gemeine Laote arbeitet nämlich für unserer Verhältnisse etwas unorthodox: Er steht so gegen 5.30 Uhr auf, arbeitet dann bis 8 oder 9 Uhr und legt sich dann wieder für den Rest des Tages auf die faule Haut, isst und pennt. Das bedeutet, dass zur Morgendämmerung gehämmert, gehobelt, geschrieben und brettlaut Musik dazu gedudelt wird. Wenn man entgültig nicht mehr schlafen kann, kehrt wieder Ruhe ein.

Vielleicht liegt die Abneigung gegenüber Vientianne auch daran, dass wir zuletzt eine ganze Woche in Vang Vieng waren, einem Ort zwischen den beiden größten laotischen Städten gelegen, in wunderschöner Natur. Dort türmen sich spektakuläre Karstberge mit unzähligen Höhlensystemen zwischen Reisfeldern, Flüssen und Dörfern. Diese friedliche Landschaft mit dem etwas anderen Lebensrhythmus lädt geradezu zu Radtouren ein und so hab ich mich einmal mehr körperlich exzessiv auf dem Zweirad betätigt. Am letzten Tag war ich auf Erkundungstour in Dörfern, die auf den im Ort angebotenen Touristenkarten nicht mehr eingezeichnet sind.



Das war schon ein Erlebnis der besonderen Art: Dort gibt es weder Strom, noch fließend Wasser und die Bewohner, v.a. die Kinder starren einen ungläubig an. Man fühlt sich zuerst irgendwo zwischen störend bis unbehaglich, als sei man ungefragt in eine fremde Welt eingedrungen. Doch die Menschen empfangen einen mit reservierter Freundlichkeit, sodass die Fahrt zunehmend zum Vergnügen wurde. Die Menschen auf dem Land bewegen sich ausschließlich zu Fuß oder mit dem Ochsenkarren. Hühner, Kühe, Wasserbüffel und Ziegen rennen überall herum und die Leute sitzen entspannt am Rand der einzigen Schotterpiste. Motorenlärm gibt es keinen und so hat wohl niemand von den Einwohnern je diese Region verlassen. Zeitnot oder Stress sind Fremdworte in der Welt der Dörfer am Rand der Karstfelsen von Vang Vieng.



Die Langsamkeit, die Ruhe in Form des Nicht-Vorhandenseins von Strom und die liebliche Landschaft im Abendlicht haben mir in Laos mit Abstand am besten gefallen. Ciska konnte die letzten Tage leider nicht mit auf Radtour. Sie hatte plötzlich Fieber bekommen und da sie sonst eigentlich nie krank wird, hatten wir schon Angst, sie könnte sich Malaria eingefangen haben. Zwar installieren wir immer das Moskitonetz, doch da wir wegen der Nebenwirkungen auf die Prophylaxe verzichtet hatten, kann man nie wissen. Also bin ich nach einer unruhigen Nacht mit vielen Überlegungen, bis hin zum Rückflug nach Deutschland, in Vang Vieng ins Krankenhaus, das alles andere als Vertrauen erweckend aussah. In den dunklen Räumen bröckelte der Putz von den Wänden, einige Kranke saßen und lagen herum und vereinzelt auch irgend ein verrostetes medizinisches Gerät von Vorvorgestern.

Bei meiner Frage nach einem Arzt wurde ich schnell abgebügelt. Es sei Freitag und vor Montag käme keiner - so einfach ist das im ehemals sozialistischen Laos, Notdienst Fehlanzeige. Wollte so schnell jedoch nicht aufgeben und bin in das einzige etwas bessere Hotel am Platz. Dort konnten sie mir immerhin die Adresse einer Privatärztin geben und so bin ich dorthin geradelt, in der Hoffnung auch Freitags jemanden anzutreffen. Und in der Tat: Die Ärztin saß in einem kleinen Basthäuschen und konte tatsächlich mit einem Malariatest aufwarten. Per Moped kam sie zum Hostel und hat Ciska das Blut abgenommen. "Malaria no have" war der beruhigende Befund und alle im Kopf bereits konkretisierten Abreisepläne nach Thailand oder gar Europa waren zum Glück hinfällig. Einen Tag später ging es Ciska auch schon besser. Denke, sie hatte eine Art Sonnenstich, doch in Malariagebieten weiß man das nie.

Wenn wir nachher - wieder bestens genesen - von Vientianne nach Nong Khai in Thailand zurück fahren, schließt sich für uns der Kreis unserer ersten Tour. Dann waren wir 6 Wochen am, auf, nahe und entlang dem Mekong. Dieser Fluß hat uns auf dem ersten Reiseabschnitt begleitet und uns viele unvergessliche Momente beschert. Die Bilder mit den Booten auf dem langsam dahin flieáenden Wasser, von Palmen und Reisfeldern, vom Grenzverkehr zwischen Laos und Thailand, von sich waschenden Menschen zur Abendstimmung und den Bergen im Hintergrund haben sich in meine Erinnerung eingegraben. Unser nächstes Ziel ist Thailands Süden. Das Leben als Reisende genießen wir inzwischen in vollen Zügen und irgendwie stellen wir uns innerlich schon auf Australien ein.

Bis bald, liebe Grüße,
Andi




Sonntag, 17.11.2002, Khao Lak/Thailand

Wir sind in der Nähe von Khao Lak, nördlich von Phuket gelandet, an einem wunderschönen, verschlafenen, Kilometer langen Sandstrand.



Leider spielt nur Morgens das Wetter mit, sodass wir heute schon zum Sonnenaufgang Strandwandern waren. Da um diese Zeit kein Mensch auf Achse ist, ist das die Ruhe pur. Die Reise vom Norden, an der laotischen Grenze bis hier runter war recht Nerven aufreibend. Erst 14 Stunden im Zug bis Bangkok, dann eine halbe Stunde Stopp und gleich weiter mit dem Nachtzug bis Surat Thani, wo wir gestern Morgen um 6 Uhr ankamen. Von dort ging es noch mal 4 Stunden per Bus bis Takua Pa, wieder Pause und erneut per Bus bis Khao Lak. Insgesamt 28 Stunden waren wir auf Achse uns nachdem der Bus uns auf der Hauptstraße abgesetzt hatte, mussten wir auch noch mit dem gesamten Gepäck zum beach laufen, wo fast alle Hostels ausgebucht und nur mit Mühe etwas bezahlbares zu finden war.

Leider wird man für diese Strapazen nicht entschädigt: Es ziehen regelmäßig gegen 13 Uhr fette Wolken auf und kurz danach startet ein höllischer Regenguss ohne Unterlass. Nichts bleibt dabei trocken und vor unserer Stelzenhütte bildet sich in Minutenschnelle ein ganzer See, den es zu durchwaten gilt.

Das zweite Minus hier ist die ungebremste Bautätigkeit. Die gesamte Region ist eine einzige Baustelle und ein Ressort nach dem anderen wird aus dem Boden gestampft. Die Reisenden sind hier eine ganz andere Klientel als oben im Norden. Der Rucksacktourist wird hier vom "Pauschi" abgelöst. Statt Freaks und Langzeitreisenden sind hier eher ältere Paare und Kurzurlauber, Familien mit Kindern. Die meisten buchen gleich alles von zu Hause, fliegen nach Phuket und werden vom Veranstalter per Minibus direkt nach Khao Lak gekarrt. "All inclusive" kommt also auch hier. Das führt automatisch dazu, dass für unser Budget bezahlbare Unterkünfte kaum mehr zu finden sind. Entschädigt wird man einzig durch den herrlichen Strand und die Einsamkeit der Nebensaison. Ich schätze, in ein oder zwei Jahren sieht das hier alles ganz anders aus - Phuket lässt grüßen.

Einige von euch haben uns nach den Buschbränden in Sydney gefragt. Natürlich haben wir davon gelesen und je näher Australien rückt, desto aufmerksamer verfolgen wir das. Doch die Stadt selbst ist nicht direkt betroffen, abgesehen von einigen Rauchwolken. Wir haben bereits mit meiner Bekannten in Sydney Kontakt aufgenommen, die von all dem jedoch nichts berichtet hat - so schlimm kann es also nicht sein. Wahrscheinlich stellen die Medien wieder einmal alles viel spektakulärer dar als es tatsächlich ist - wäre ja nicht unbedingt eine neue Erkenntnis, oder?




Sonntag, 24.11.2002, Krabi/Thailand

Hallo nach Deutschland,

wir sind erneut in Krabi, diesmal in einem netten Hotel mit etwas Kolonialatmosph„re. Es gibt Frhstcksbuffet und eine Dachterrasse mit Sunsetbar, die wir gerne für einen Mai-Thai-Cocktail nutzen. Ko Jum hat uns nicht vom Hocker gerissen. Zwar war die Bungalowanlage total hübsch und da es auf der ganzen Insel nur drei Unterkünfte gibt - ohne Strom wohl gemerkt - war es zudem ruhig und entspannend. Hatten eine ger„umige Hütte mit großer Veranda, wo endlich mal meine lateinamerikanische Hängematte zum Einsatz kam, die sonst nur viel Platz im Rucksack wegnimmt und bei ihrem Gewicht das Kreuz strapaziert.

Nur eines stimmt um diese Jahreszeit im Süden Thailands nicht: Das Wetter. In den 3 Tagen haben wir nicht einmal die Sonne gesehen und einen Tag hat der tropische Dauerregen gar nicht mehr aufgehört. Was will man dann auf so einer Insel, wenn alle drei Bücher gelesen und die Restaurantkarte von oben bis unten durchgetestet ist. Ein weiteres Minus auf Ko Jum ist der Müll. Überall am Strand türmen sich im Sand die angeschwemmten Plastiktüten und sonstiger Unrat. Da rächt sich das fehlende Umweltbewusstsein der Thais - die Flut schwemmt den Abfall der Städte an den Strand, wo er bei Ebbe halt liegen bleibt und keiner ihn entfernt - scheußlich! Hier in Krabi ist das Wetter etwas besser, zumindest beschränken sich die Sintflut artigen Güsse auf den Nachmittag.

So haben wir beschlossen, mal wieder etwas zu unternehmen; diesmal in Form eines organisierten Tagestrips. Sind in die Phang Nga Bucht, die inmitten einer skurrilen Landschaft aus Kartstfelsen, Flüssen und Mangrovenwäldern liegt. Landschaftlich „hnlich wie in Vang Vieng in Laos, nur umgeben von der Andamanen See statt von Reisfeldern. Bekannt geworden ist die Region durch den James Bond Film "Der Mann mit dem goldenen Colt" und völlig überlaufen ist sie seit "The Beach". Wenn auch die Ecke Thailands zu den überlaufendsten überhaupt gehört, so ist die Landschaft dennoch sehr schön und das Verhalten so mach eines Pauschaltouristen lädt daneben zum Schmunzeln ein.


So beobachtet man auf einer solchen Tour halt mal nicht die Thais, sondern fertigt Sozialstudien über Touristen an. Viele bewegen sich in diesem Land nur mit Reiseleiter und werden von diesen wie Schulkinder an die Hand genommen - vom Hotel zum Bus, zum Boot, zum Essen und wieder zurück - und wehe, der Guide ist für einen Moment verschwunden. Dazu kommt ein zutiefst sitzendes Misstrauen, wohl auf reiner Unwissenheit beruhend. Manch einer wittert in jeder Situation einen Hinterhalt oder beschäftigt sich ausschließlich mit Tropenkrankheiten. Nicht selten wittert der Pauschaltourist zudem in jedem Bissen einheimischer Kost die Gefahr des ungewollten Klogangs. Damit widerfährt Thailand natürlich viel Ungerechtigkeit. Zum einen gibt es hier das beste Essen der Welt und wir haben bisher quasi alles auf der Straße gegessen und keinerlei Probleme gehabt.

Zum anderen ist das Land völlig sicher und wohltuend gastfreundlich. Die Einheimischen belächeln zwar die "farangs", die Fremden, doch geschieht dies nie von oben herab. Was sollen sie auch sonst von dieser westlichen Spezie Mensch halten, die entweder per Trupp in klimatisierten Bussen anrauscht oder betont individuell per Rucksack, in dreckigen Klamotten und Sandalen das Land durchkreuzt? Der Süden Thailands ist anders als der Rest des Landes und hat sich in atemberaubenden Tempo "entwickelt", sprich Ressorts, Hotels, Restaurants und Shops sind aus dem Boden gestampft worden. Und ein Ende ist noch lange nicht in Sicht.

Als ich vor 14 Jahren das erste Mal hier war, war das alles noch anders. Doch wie gesagt, es sei den Thais gegönnt! Jetzt fahren wir Morgen nach Khao Sok und in neun Tagen geht die erste Etappe unserer Tour auch schon zu Ende - dann geht es direkt weiter nach Australien. Melde mich vorher noch mal aus Asien, bis dahin, Andi


Mittwoch, 27.11.2002, Khao Sok/Thailand

Sawasdee,

wir sind gerade vom vorzüglichen Dinner in Khao Sok zurück gekommen. Das Örtchen liegt bereits im Fastschlaf und die ersten Kamikaze-Insekten aus dem Urwald rasen halsbrecherisch auf die wenigen Lichter zu. Haben 2 Tage im Dschungel hinter uns, mit lauten Geräuschen von Affen, Grillen Heuschrecken und sonstigem Insektengetier. Gestern stand ein Ausflug zum hiesigen Stausee auf dem Programm, der stattlich inmitten beeindruckender Karstfelsen liegt. Als wir mit dem Boot über den See sind, hing der Morgennebel noch an den Bergen und mit den abgestorbenen Bäumen im Wasser war das eine Art "verbrannte-Erde-Stimmung". Ziel war ein Guesthouse am Rande des Stausees, wo alle Hütten und das Restaurant wie Floße auf dem Wasser liegen und Stille, klarer Blick zum Seegrund und gutes Thai-Essen zum Verweilen einladen. Von dort ging es dann direkt zu Fuß in den Dschungel. 2 Stunden entlang en verschlungener Wege, unter Gestrüpp und Lianen hindurch, vorbei an glasklaren Bächen mit Badelöchern bis zu einer Höhle. Zu dem Trip gehört auch die Durchquerung dieser dunklen Höhle, die schon kurz hinter dem Eingang zunehmend enger wird und am Ende nur noch einen Kopf breit Luft zwischen Kopf und zu durchwatendem Wasser lässt. Als unser Guide meinte, es gäbe dort jede Menge Spinnen und Fledermäuse - letztere konnte man schon am Eingang riechen - habe ich dankend verzichtet.

Ciska ist auf den Urwald-Spaziergang erst gar nicht mit, da sie nur Wanderschuhe dabei hatte und man unterwegs ständig durch Morast und Wasser waten musste (ich bin daher den Groáteil der Strecke barfuá gelaufen). 2 junge Bayern waren noch mit auf der Tagestour, wovon der eine ebenfalls nicht in die Höhle wollte, der andere jedoch ganz heiß darauf war. Allerdings hat er nicht schlecht geguckt, als die beiden Guides erst mal anfingen zu beten, bevor sie reinmarschiert sind. Na ja, er hat es natürlich überstanden, doch der Gestank der Fledermäuse und die Spinnen haben ihm sichtlich zugesetzt. Die Tiere im Dschungel sind heftig.

Ciska und ich waren heute noch einmal im Nationalpark auf einem Wanderweg unterwegs. Am Fluss hat sich Ciska prompt einen Blutegel eingefangen - der hing hinten am Oberschenkel - und unser Guide gestern hat sich zwei aus den Kniekehlen gefischt. Diese Viecher sind wirklich eine Last, denn haben sie sich einmal festgesaugt, bekommt man sie angeblich nur noch per Abfackeln mit dem Feuerzeug wieder ab. Die bei Ciska und dem Guide waren frisch angedockt, sodass man sie einfach abreiáen kann, doch dafür blutet es recht lange nach, da die Egel das Blut verdünnen, wenn sie es aussaugen.

Dann gibt es hier ein Insekt, das am Körper ähnlich aussieht wie eine Kakerlake (fett und kackbraun), jedoch viel kürzere Beine hat. Dieser braune Klumpen, der an Baumstämmen hängt, gibt ein extrem grelles und lautes Geräusch von sich, teilweise über mehrere Minuten ohne Pause. Stirbt das Teil, stirbt nur der Körper, aus der toten Hülle kriecht dann die nächste Generation - etwas kleiner, aber genauso hässlich. Als wir gestern auf der Veranda unserer Hütte mit Kerzenlicht saßen, wurden wir von Insekten förmlich attackiert. Die meisten Dschungelflieger gehen wie Wahnsinnige aufs Licht, fliegen direkt in die Kerzen und verbrennen. Innerhalb weniger Minuten riecht es nach Tod und der Tisch sieht aus wie ein Schlachtfeld. Als dann noch eine riesige Heuschrecke direkt an meinem Kopf vorbei gegen das Fenster geschrammt ist, haben wir doch lieber alle Lichtquellen gelöscht.

Es wird mir immer ein Rätsel bleiben, wie sich Menschen einer solchen Umwelt anpassen. Ich finde den Dschungel unheimlich mit all den Geräuschen und dem Insektengetier. Aber darin liegt ja gerade der Reiz für den Besucher. Wir haben auf jeden Fall alle Tierattacken gut überstanden und machen uns Morgen auf den Weg nach Kanchanaburi, unserer letzten Station in Thailand.

Ich hoffe, euch geht es gut, liebe Grüße,
Andi


Montag, 02.12.2002, Bangkok/Thailand

Hallo ihr Lieben,

ich wollte mich ganz herzlich für eure netten Geburtstagswünsche bedanken. Habe mich sehr darüber gefreut. So in der Ferne ist der Geburtstag doch immer etwas anders, als wenn man zu Hause mit den Freunden feiert. Wir sind inzwischen zurück in Bangkok und fliegen Morgen nach Sydney. Die letzten Tage in Thailand haben wir in Kanchanaburi verbracht, am berühmten River Kwai. Es läuft da gerade ein Festival mit Lasershow und Feuerwerk, das die Geschichte der Eisenbahnlinie, bei deren Bau im 2. Weltkrieg fast 60.000 Kriegsgefangene unter harter japanischer Hand gestorben sind, beeindruckend gezeigt hat. Waren auch im Museum, wo Zeichnungen ehemaliger Gefangener ausgestellt waren und für Gänsehaut sorgen.

Die meisten Kriegsgefangenen sind an üblen Krankheiten wegen Mangelernährung gestorben - die Japaner haben sich zu dieser Zeit nicht viele Freunde in Südostasien gemacht. Auch neben der Historie hat Kanchanaburi viel zu bieten. Der Ort ist inzwischen das beliebteste Ausflugsziel der Bangkoker geworden. So werden heute die Thais an Wochenenden busseweise rangekarrt und auf Discoboote verladen. Zirka 200 dieser groáen Holzkähne fahren dann mit dröhnenden Boxen brettlaut durch die ganze Nacht den Kwai rauf und runter. Ich hätte mir fast einbilden können, die feiern mit mir den Geburtstag durch die Nacht.

Die ersten 2 Monate unserer Tour gehen also zu Ende. Schnell ist die Zeit rumgegangen und doch haben wir viel gesehen und erlebt. Die Tage vergehen langsamer als im Alltag zu Hause, da man sehr intensiv lebt. So bleiben die vergangenen Wochen in guter Erinnerung. Laos mit seinem fast schon mittelalterlichem Flair hat mich sehr beeindruckt, aber auch der Dschungel mit all seinen Tieren. Die Thais mit ihrer freundlichen Art und ihrem Lächeln hatte ich schon bei früheren Reisen ins Herz geschlossen - sie haben sich das trotz der permanent wachsenden Tourismusindustrie zum Glück beibehalten! Jetzt sind wir natürlich gespannt auf Australien, unserem längsten geplanten Stopp auf der Tour.
Letzte Grüße aus Asien,
Andi

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 25.03.2008

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
für Ciska, Herrn Spuzelmair und all die netten Menschen, die man auf einer solchen Reise kennenlernt

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