Kapitel 6
Seine Gedanken waren noch bei Arien draußen, daher merkte er die intime Atmosphäre des kleinen Raumes nicht. Der Krieger war durcheinander und sah keine Lösung für seinen weiteren Weg. Er wusste eigentlich nicht, was er sagen sollte und schwieg nachdenklich. Sein Blick war gedankenverloren auf einen unbestimmten Punkt am Boden gerichtet.
Das Schweigen zog sich in die Länge. Verträumt musterte sie ihn. Sein unbedecktes Gesicht, das Mavea inzwischen mehr als mochte, war äußerst anziehend. Seine Brauen waren dunkel und hatten einen leichten Bogen, die Augen zeigten bei Aufruhr ein leuchtendes Rot, der Nasenrücken war gerade und sein sinnlich geschwungener Mund saß über einem kantigen Kinn. Wie sollte Mavea bei einem so faszinierenden Anblick, einen klaren Gedanken fassen können? Unsicher machte sie ein paar Schritte auf den Krieger zu, nur um im gleichen Moment wieder auf Abstand zu gehen. Wenn er nicht bald irgendetwas sagte, dann würde sie es tun. Aber offensichtlich hatte er das nicht vor, daher atmete sie tief durch, bevor ihre Augen womöglich die Musterung noch in tiefere Regionen fortsetzen wollten. "Also ... worüber wolltest du mit mir sprechen?"
Feycon blickte auf. Es war verdammt warm in diesem fensterlosen Raum, oder kam die Hitze von ihm? Plötzlich wurde ihm die Situation bewusst, in der sie sich gerade befanden und er versuchte sich auf ein Gespräch zu konzentrieren. Er räusperte sich beim Anblick ihrer leicht geöffneten Lippen und sagte das erst Beste, was ihm in den Sinn kam. "Du gehörst mir!" Scheiße, hatte er das gerade laut ausgesprochen?
Mavea traute ihren Ohren nicht. Drei Worte, drei absurde Worte, die noch nicht einmal die Worte waren, die sich eine Frau von einem Mann wünschte, schafften es doch tatsächlich, ihr Inneres mehr aufzuwühlen, als alles was sie je zuvor erlebt hatte. Nie, wirklich nie hatte sie damit gerechnet, dass Feycon besitzergreifend war und schon gar nicht in Verbindung mit ihr. Mavea war zwar bewusst, wie sie auf seine Nähe, seinen Geruch, einfach auf alles von ihm reagierte, aber dass er so dachte, so über sie dachte ... das brachte sie komplett aus der Fassung. Sie öffnete den Mund um irgendetwas Geistreiches auf seine Worte zu erwidern, schloss ihn jedoch wieder. Alles was ihr in dem Moment in den Sinn kam, war abwegig und klang selbst in ihren Ohren töricht. Also schwieg sie und versuchte ihre Gedanken zu ordnen, das gelang ihr jedoch nicht wirklich. Schließlich gab sie auf und fragte zögerlich. "Ich ... oder eher du ...", sie verstummte und holte noch einmal tief Luft. “Denkst du wirklich so? Ich meine, meinst du ernst, was du da gesagt hast?"
Oh Mann, er war so dämlich, wenn es um diese Frau ging! Was hatte er sich eigentlich dabei gedacht? "Äh ... tut mir leid! Ich kann nicht wirklich gut mit Worten umgehen. Du bringst mich dazu, bei dir sein zu wollen, aber das passt nicht in mein Leben. Ich setze dich dadurch einer großen Gefahr aus, wenn ich meine Befehle missachte und dich begleite. Du hast kein Wort dazu gesagt, dass ich aus der Unterwelt komme. Ich vermute, dass du jetzt nichts mehr mit mir zu tun haben willst und da war dieser Ausbruch wirklich mehr als unpassend!" Feycon blieb wo er war, da er seinen eigenen Reaktionen nicht traute. Nie würde er sich dieser Frau aufdrängen, obwohl der Krieger Mühe hatte, sein Verlangen nach ihr zu zügeln.
Mavea schüttelte den Kopf. "Ich habe nichts dazu gesagt, weil es mir egal ist!" Sie sah dem Krieger fest in die Augen, denn sie verstand ihn und er sollte wissen, wie ernst Mavea ihre nächsten Worte waren. "Es ist unwichtig, woher du kommst oder wer du bist! Meinst du etwa, es würde etwas ändern? Glaubst du, nur weil du aus der Unterwelt kommst, würde ich so tun, als ob nichts passiert wäre, dich nie getroffen hätte? Ich kann nicht ... ändern, was ich fühle und ich will es auch gar nicht. Mein Leben war in letzter Zeit nicht gerade harmonisch und ich war drauf und dran einfach aufzugeben. Ich hatte einfach keine Kraft mehr zu fliehen und sah darin auch keinen Sinn mehr. Mir fällt zwar schwer, das alles zu verstehen, aber eines weiß ich sehr genau, du bist das Beste, was mir seit endloser Zeit passiert ist." Sie machte eine kurze Pause und lächelte. "Das erste Mal seit langem ist da jemand, der mir geholfen hat und das mehr als einmal. Ich weiß, dass du wieder gehen wirst, aber vorher möchte ich dir klarmachen, dass ich mich gerne einer Gefahr aussetze, wenn es bedeutet, bei dir zu sein!" Erst als Mavea mit ihrem Vortrag fertig war, merkte sie ihre Tränen. Es störte sie nicht, ihr war es egal, komischerweise war ihr momentan erstaunlich vieles gleichgültig. Aber sie war froh, sich endlich alles von der Seele gesprochen zu haben und für sie stand fest, dass sie ihn nie hassen oder meiden würde.
"Ist es auch unwichtig, dass ich einer der Legionenführer des Kriegsdämons Abigor bin?", fragte er sarkastisch. Jeder in der Anderswelt fürchtete oder verabscheute ihn. Nur im Habitat seiner Mutter wurde er normal behandelt.
"Ein Legionenführer von Abigor?", wiederholte Mavea ungläubig. Sie hatte bereits von dem Dämon gehört, er galt als grausam und abgrundtief böse, genauso wie seine Legionenführer. Aber dass Feycon dazu gehören sollte, konnte sie einfach nicht glauben. Ihr gegenüber benahm er sich fürsorglich und hilfsbereit, sie bezweifelte absolut, dass er ihr je etwas tun würde. Jedoch konnte Mavea bei anderen für nichts garantieren, obwohl Feycon Arien ihretwegen am Leben gelassen hatte. Wahrscheinlich hatte er Recht, vermutlich sollte sie sich vor ihm fürchten, ihn verabscheuen oder wenigstens meiden, aber sie konnte es einfach nicht. Von ihr aus sollte sie jeder für verrückt erklären, weil sie freiwillig bei ihm sein wollte. Nein, für Mavea stand fest, egal was er getan hatte, oder für wie barbarisch man ihn auch hielt, sie würde sich nicht von ihm fernhalten. "Du bist also einer dieser Legionenführer?" Mavea verzog skeptisch das Gesicht und schüttelte den Kopf. "Ich verstehe es nicht, ich kann einfach nicht glauben, dass du erbarmungslos jeden tötest. Machst du das etwa gerne? Quälst du andere aus Spaß?"
"In der Unterwelt geht es ums Überleben. Entweder tötest du, oder wirst getötet. Ich bin seit ungefähr 100 Jahren im Dienste Abigors und man stumpft bei dieser langen Zeitspanne irgendwann ab. Ich habe unzählige Leben ausgelöscht, gute wie böse Wesen. Jeder Tag war ein Kampf. Wenn ich meine Mutter nicht hätte, die mir ab und an zeigte, was ein normales Leben ist, dann wäre ich schon längst ..." Er brach ab. Was tat er hier eigentlich? Mit jedem Wort brachte er Mavea mehr in Schwierigkeiten. Dachte er wirklich, dass sich etwas ändern konnte? Niemand verfügte über die gleiche Macht wie der Kriegsdämon. Nicht umsonst herrschte er über sein Revier seit tausend Jahren. Luzifer ließ ihm freie Hand und das sagte alles. Ungläubig lachte er kurz über das kleine Hoffnungsflämmchen auf, welches tief in seiner Seele aufgeleuchtet war. Hoffnung! Ein großes Wort, aber nicht existent in seinem Leben.
"Also tötest du nicht gerne", stellte Mavea fest. Damit hatte sie, was sie brauchte, um sich vollkommen sicher zu sein. "Du machst es, weil du keine andere Wahl hast, oder? Im Grunde würdest du also aufhören zu töten, wenn Abigor nicht wäre. Sagte Ariel nicht, er könnte dich momentan nicht finden? Glaubst du den nicht, dass es irgendwo irgendetwas gibt, was dir helfen könnte, von ihm loszukommen?" Das würde sich Mavea zumindest für ihn wünschen. Jeder hatte ein Recht darauf, alleine zu bestimmen, was er aus seinem Leben machen wollte.
"Aufhören zu töten! Glaubst du wirklich, dass man etwas ablegen kann, was man als selbstverständlich betrachtet? Ich habe einmal versucht von ihm loszukommen und das hätte mich mein Leben kosten können. Abigor kann sehr überzeugende Argumente vorbringen, wenn er etwas will. Meine Mutter war immer sein Pfand und wenn er jetzt von dir erfahren sollte, dann Gnade mir Gott!" Feycon fuhr sich angespannt durch sein Haar und setzte sich auf den Tisch mit den exquisiten Kleidern. "Ich traue Arien nicht! Woher soll ich wissen, dass es stimmt, was er sagt?"
Mavea fand die Tatsache, dass Abigor Feycon so in der Hand hatte, sehr erschreckend. Aber bei Arien war sie sich irgendwie sicher. "Wir können Arien vertrauen", beharrte Mavea. "Das weiß ich einfach. Warum sonst sollte er so viel auf sich nehmen, um mir und meinen Eltern zu helfen und letztendlich auch dir?"
"Seine Aura ist verfälscht! Sie sieht aus, als ob sie etwas verbirgt und ich komme nicht dahinter, was! Aber nehmen wir einmal an, dass es so wäre. Was dann? Was willst du?", fragte er neugierig.
"Ich will, dass du mich begleitest", antwortete Mavea ohne zu zögern, denn mittlerweile wusste sie, dass sie dies mehr als alles andere wollte. Feycon in ihrer Nähe zu wissen, würde sie mehr als glücklich machen. Wenigstens für eine kurze Weile. "Abigor kann dich sowieso nicht finden, also könntest du noch bei mir bleiben, bevor du wieder zurückgehst."
"Würdest du dein Leben dafür geben?", fragte er leise. Eine Gänsehaut überzog seinen Körper bei ihren Worten. Worte, die er noch nie von einer Frau gehört hatte. Am Anfang seiner Kriegerzeit hatte er Sex mit unterschiedlichen Frauen und er hatte eigentlich seinen Frust an ihnen ausgelassen. Nie interessierte ihn, ob sie Spaß daran hatten. Er hatte sich nicht einmal dazu herabgelassen, sich auszuziehen, geschweige denn, sie in ein Bett zu locken. Diese Frau vor ihm war ein Wunder. Ein Engel, der ihm geschickt wurde, um seine Seele zu berühren. Bis jetzt brachte er nur seiner Mutter liebevolle Gefühle entgegen, aber seit er Mavea kannte, wirbelten Aufregung, Nervosität, Neugierde, Lust, Verlangen und ... Liebe durcheinander. Hatte er sich tatsächlich verliebt?
Mavea nickte ernst. "Ich würde alles dafür geben, auch mein Leben. Bevor du kamst, war es sowieso nichts mehr wert, was wäre es also ohne dich?“ Für sie zählte in diesem Moment nur, dass er nicht gleich nein gesagt hatte, also bestand die Hoffnung, dass er sie doch begleiten würde.
Feycon sah sie lange an. Maveas offener Blick legte ihm ihr Herz zu Füssen. Entweder griff er jetzt zu und verlebte eine intensive Zeit mit einem schmerzlichen Ende, oder er ließ die Finger davon. Es fiel ihm bereits jetzt schwer, sein Leben fortzuführen, welches er bisher kannte, ohne dass ihre Wärme ihn vollständig berührt hatte. Er wusste nicht, wie er mit den Gefühlen umgehen sollte. Alle stürmten gleichzeitig auf den Krieger ein. Eine Schlacht mit dem Schwert zu gewinnen, war bei weitem einfacher. Er konnte den Schritt nicht gehen, seine Angst hielt ihn davon ab. Angst vor dem seelischen Schmerz und dieser konnte unendlich grausamer sein, als Abigor ihn körperlich je spüren lassen könnte. "Würdest du auch mein Leben opfern?" Mit dieser Frage schlug eine Tür in seinem Innern zu.
Das war eine schmerzvolle aber berechtigte Frage, das musste Mavea zugeben. Darüber hatte sie bisher noch gar nicht nachgedacht. Vielleicht weil sie einfach egoistisch war. Wenn Feycons Leben in Gefahr sein würde, nur weil sie wollte, dass er noch länger bei ihr blieb, dann wäre das nicht akzeptabel. Der Schmerz über sein endgültiges Fortgehen wäre ein geringer Preis, wenn dafür er und seine Mutter in Sicherheit wären. Sie schüttelte langsam den Kopf. "Ich würde dein Leben nicht opfern, niemals! Du musst zurück in die Unterwelt und ich werde Arien bitten, mich zu meinen Eltern zu bringen." Die Worte waren schmerzvoller, als sie je zugeben würde, aber sie bedeuteten, dass Feycon wieder so leben konnte, wie er es gewohnt war. Ohne dass sie oder irgendjemand sich einmischte und ihn unnötig in Gefahr brachte.
"So ergeht es mir ebenfalls. Niemals würde ich dein Leben in Gefahr bringen. Wir müssen damit rechnen, dass Arien ein falsches Spiel spielt und mich in eine Falle locken will. Das Schlimmste für mich ist, egal wie ich mich entscheide, du könntest in beiden Fällen in Gefahr sein. Gehe ich mit dir, droht die Vernichtung durch Abigor. Kehre ich in die Unterwelt zurück, wärst du Arien ohne Schutz ausgeliefert", sagte Feycon ruhig. Er saß auf dem Tisch und ließ sich seinen inneren Aufruhr nicht anmerken. Der Krieger musste eine Entscheidung treffen. Sein eigenes Leben war im mittlerweile völlig egal, nur dieser Frau und seiner Mutter durfte nichts geschehen. Sein Blick wanderte von ihren Beinen aufwärts zu der schlanken Taille. Diese war schmal und konnte locker von seinen Armen umfasst werden. Als er seinen Blick weiter nach oben schweifen ließ, blieb er bei ihren Brüsten hängen, deutlich konnte er sich an das Gefühl ihrer Rundungen an seiner Brust erinnern. Sein Atem wurde schneller, seine Fantasie wollte mit ihm durchgehen, daher löste er sich von dem verführerischen Anblick und sah ihr in die Augen.
Mavea atmete tief durch, seine Musterung war ihr nicht entgangen und es wäre ganz schlecht, wenn wieder diese Spannung zwischen ihnen stärker würde. Ihre Konzentration litt bereits unter dem Aufruhr ihrer Gefühle, nicht nur ihre Seele rief nach ihm, auch ihr verräterischer Körper bebte bei seinem durchdringenden Blick vor Freude. Sie riss sich zusammen und versuchte die aufkommende Glut zu ignorieren. "Arien wird mir nichts tun", sagte Mavea überzeugt und dessen war sie sich auch sicher. Am Anfang war sie misstrauisch ihm gegenüber gewesen, aber das hatte sich gewandelt und Arien rief nun ein vertrautes Gefühl in ihr wach. Ein gutes Gefühl. Natürlich konnte sie auch Feycons Argwohn verstehen. Der Krieger konnte es sich nicht leisten, jemandem zu vertrauen. In seiner Welt musste man hart und unverwundbar sein, um zu überleben. Von Abschiedsgedanken getrieben, ging sie auf Feycon zu. Dieser lehnte vollkommen entspannt mit locker gegrätschten Beinen auf dem Tisch. Mavea wusste, dass das eine verdammt blöde Idee war, aber sie konnte ihn so nicht gehen lassen. Außerdem zog seine Anziehungskraft sie wie ein Magnet an sich, selbst wenn sie seine Nähe meiden wollte, seine Zugkraft ließ es einfach nicht zu. Dicht vor ihm blieb Mavea stehen und schloss kurz die Augen, Konzentration ... genau das brauchte sie jetzt und zwar dringend. "Ich will nicht, dass dir oder deiner Mutter etwas passiert, nur weil du hier bleibst, um mich vor Abigor zu beschützen, von dem für mich überhaupt keine Gefahr ausgeht", sagte sie leise und öffnete langsam ihre Augen. "Niemand soll meinetwegen sein Leben verlieren und du schon gar nicht."
Mavea stand zwischen seinen Beinen und sah ihn mit einem traurigen Blick an. Er stieß resigniert den Atem aus. Obwohl ihr Körper ihn unglaublich reizte, berührte Feycon der Schmerz in ihren Augen mehr. Langsam hob er einen Arm und zog sie an ihrer Bluse mit zwei Fingern zu sich heran. Kurz trafen sich ihre Blicke, bevor der Krieger sie mit den Armen umschlang und ihren Körper fest an seinen presste. Er schloss die Augen und sog tief ihren Duft ein. In diesem Moment wurde ihm klar, dass er sie nicht verlassen konnte. Sie hatte ihm sein Herz geraubt und ohne dieses lebensnotwendige Organ konnte er nicht existieren. Feycon kämpfte mit den unterschiedlichsten Gefühlen, aber am hellsten pulsierte seine Liebe zu Mavea. Sie war sein und nie würde er sie aufgeben. Er atmete tief durch und sagte leise an ihrem Hals: "Ich kann dich nicht gehen lassen!"
"Das will ich auch gar nicht." Mavea schmiegte sich glücklich an ihn und schloss seufzend die Augen. Das Einzige was sie wirklich wollte, war er. Jede Faser ihres Körpers sehnte sich nach ihm, aber war das nicht egoistisch von ihr, wenn sie dadurch andere in Gefahr brachte? Seine Worte brachten ihren Entschluss ins Wanken. Sie wollte nicht, dass er ging. Nicht jetzt wo sie endlich am eigenen Leib erfuhr, was Liebe und Begehren wirklich bedeutete. Ihn zu verlieren, würde sie in ein tiefes, schwarzes Loch stürzen lassen.
Er verkroch sich tiefer in ihr Haar und kostete das Gefühl, sie im Arm zu halten, in vollen Zügen aus. Seine Magie entflammte und er nahm sie nun auf einer ganz anderen Ebene wahr. Maveas Aura leuchtete golden und diese ungewöhnlich hellen Nebelschwaden umschlangen sie beide. Erstaunt betrachtete er diese seltene Erscheinung, die nur dem Volk der Nimbatu eigen war. Eigentlich glich Mavea diesen Schleiern in der Luft, sie waren genauso zart, mysteriös und undurchschaubar. Nie würde er verstehen, warum diese Frau keine Angst vor ihm hatte. Weshalb ihr seine Herkunft aus der Unterwelt egal war und vor allem wie sie es geschafft hatte, sein Herz zu erobern. Langsam löste er sich und wanderte mit seinen Lippen von ihrem Hals, über die Wange, zu ihren Lippen. Zärtlich strich er über ihre und lockte sie. Er nahm durch seine Magie Farben intensiver wahr und daher schimmerten ihre Augen geheimnisvoll in einem matten Onyx. Sein Tastsinn war ebenfalls ausgeprägter und ihre Haut fühlte sich samtig und geschmeidig an. Diese Frau musste extra für ihn geschaffen worden sein, warum sonst reagierte er so auf sie? In seinem mehr als 100 jährigen Leben waren Frauen nur für die Befriedigung seiner Lust brauchbar gewesen, umso mehr verwunderte es ihn, dass Mavea nicht schreiend vor seinen Manieren davon rannte. Der Krieger beobachtete sie neugierig und wartete auf eine Reaktion.
Mavea schnaubte empört, so etwas nannte man Folter. Die Glut in ihrem Körper entfaltete sich bei seiner Berührung in einen Flächenbrand und sie konnte sich nicht mehr zurückhalten. Stürmisch überbrückte sie den winzigen Abstand und schlang ihre Arme um seinen Hals. "Wenn das immer so endet, rede ich gerne allein mit dir", flüsterte sie dicht an seinen Lippen.
Feycon musste über ihre besitzergreifende Art lächeln. Eigentlich hasste er jegliche Art von Fremdkontrolle, da er bereits genug unter dem Zwang Abigors litt, aber bei Mavea war es anders. Ihre Gesichter waren sich so nah, dass er die Wärme ihrer Haut und ihren Atem spürte. Das Lächeln auf seinen Lippen verblasste langsam und wich einem sinnlichen Zug um seinen Mund. "Zeig mir, was du mit mir machen willst!", forderte er sie leise auf.
Mavea keuchte überrascht auf und all ihre Sinne reagierten auf diese Worte und seine tiefe, raue Stimme. Trotz ihres heißen Verlangens riss sie sich zusammen und neckte ihn, indem sie nur leicht mit ihren Lippen über seine strich. Langsam wanderte sie zu seinem kantigen von Bartstoppeln übersäten Kinn hinunter, berauscht rieb Mavea ihre Wange über seinen Dreitage-Bart und glitt wieder zurück zu seinen Lippen, die für sie einladender nicht sein konnten. Kurz ließ sie ihre Zunge über seine Unterlippe gleiten, um ihn zu provozieren, aber sie musste auf Abstand gehen, da sie sonst sofort über ihn hergefallen wäre.
Feycon blieb vollkommen starr sitzen und bewegte sich keinen Millimeter. Er kämpfte um seine Beherrschung. Diese war lebensnotwendig im Kampf und bewusst konnte er diese auch bei Mavea einsetzen. Aber wenn sie ihn überraschte, wie vorher am Laufsteg, dann verpuffte seine Selbstkontrolle. Seine Oberschenkel begannen vor Anspannung zu zittern, er wollte Mavea mit seinen Beinen fixieren, damit sie ihm nicht mehr auskam. Doch er zwang sich, ruhig zu bleiben. Sie spielte ein gefährliches Spiel, unmöglich konnte Mavea wissen, welche Kräfte sie in ihm freisetzen konnte. Wenn sie zu weit ging, wusste er nicht, was passieren würde. Wenn seine Instinkte auf dem Schlachtfeld all sein Handeln übernahmen, war sein Körper losgelöst von seinem Denkvermögen und er bewegte sich automatisch. Das machte ihn so gefährlich, da er nur reagierte und konterte.
"Das ist unfair", brummte Mavea und ließ ihren Kopf auf seine Schulter sinken. Da versuchte sie alles, um diesen Mann aus der Reserve zu locken und er blieb regungslos sitzen, während ihr Atem bereits stoßweise kam. Echt erniedrigend. Sie musste etwas unternehmen, was sogar ihn nicht kalt ließ. Sie hob ihren Kopf wieder, presste ihre Hüfte an ihn und begann das sinnliche Spiel von vorne, nur das sie dieses Mal eine Hand mit ins Spiel brachte. Langsam ließ sie diese von seinem Hals zu seinem Schlüsselbein gleiten und verfluchte sein Kettenhemd, das seinen Oberkörper vor ihrem Zugriff schützte.
Jetzt wurde es Feycon heiß, schließlich bedeckten ihn mehrere Stoffschichten, die Luft im Raum hatte sich rasch erwärmt. Als er Maveas sanfte Finger spürte, wurde sein Atem keuchender und seine Beherrschung neigte sich dem Ende zu. "Mavea! Wenn du so weiter machst, dann brauchst du noch mal eine neue Bluse! Ich weiß, dass ich dich dazu aufgefordert habe, aber ..." Er blickte sich im Raum um, entweder warf er sie auf den Tisch oder Boden, mehr gab es nicht. Bedeutungsvoll sah er Mavea an. "Du entscheidest!"
"Blusen gibt es hier bestimmt wie Sand am Meer", schmunzelte Mavea. Irgendwie war sie gerade nicht sie selbst, so kannte sie sich überhaupt nicht, aber die neue Mavea gefiel ihr. "Außerdem stimmt, du hast mich dazu aufgefordert." Nachdenklich ließ sie ihre Hand über seine immer noch verschanzte Brust gleiten, das wurmte sie wirklich. Ohne diese Metallmaschen wäre das ganze bestimmt einfacher und vorteilhafter. Egal, er wollte eine Entscheidung und die konnte er gerne haben. Herausfordernd beugte sie sich vor und legte ihre Lippen auf seine, jedoch nicht nur kurz um ihn zu necken. Sie wollte ihn spüren lassen, dass sie sich für ihn entschied und zwar ganz und gar.
Plötzlich packte der Krieger sie an der Hüfte und zog Mavea kraftvoll an sich. Mit der anderen Hand fasste er in ihr Haar und küsste sie fordernd, fast brutal. Sein Mund war wie ein stürmisches, heißes Feuer. Seine Zunge forderte eine bedingungslose Erwiderung und nahm keinerlei Rücksicht auf ihre hetzende Atmung. Feycon versuchte seine ungeheure Kraft im Zaum zu halten, doch ihre körperliche Nähe brachte ihn um den Verstand. Ihre Hüften, Bauch und Brüste pressten sich an ihn und dieser Umstand sorgte noch mehr für seinen inneren Aufruhr. Der Krieger stieß einen tiefen, genussvollen Laut aus. Das heftige Verlangen hatte seine Männlichkeit schon längst zum Anschwellen gebracht und er wollte sich an ihrem geschmeidigen Körper reiben. Die Hand glitt von ihrer Hüfte unter die Bluse und berührte ihre warme, weiche Haut am Rücken. Er ließ von ihren Lippen ab, wanderte ihren Hals hinunter und hinterließ eine feuchte Spur. Sein Ziel waren ihre vollen Brüste, die sich rasch hoben und senkten. Seine sitzende Position hinderte ihn dabei, daher schlang er seine Arme um ihren Körper und legte sie auf den harten Boden.
Ihr Atem raste und kein Protest kam über ihre Lippen. Im Gegenteil, heftig zog sie den Krieger wieder an sich und versuchte seinen Waffenrock zu umgehen. Doch unter dem Stoffüberwurf fand sie nur das engmaschige Kettenhemd vor, welches fest an seinem durchtrainierten, sehnigen Oberkörper saß. Erfreut stellte sie aber fest, dass der Weg nach unten frei war. Sie sehnte sich danach, mehr von ihm zu berühren, seine Haut unter ihren Fingern zu spüren. Eine unerbittliche Hitze durchströmte sie und raubte ihr den Atem. All ihre Sinne waren auf ihn gerichtet und in ihrem Körper loderte heißes Verlangen empor, als sie den Druck seiner Lippen und die ungestüme Leidenschaft spürte.
Der Krieger rollte sich ganz auf sie und ließ Mavea sein Gewicht spüren. Er presste seine Hüften auf ihre und genoss den Druck auf seine Erektion. Noch einmal begann er den Weg von ihren Lippen zu ihrem Schlüsselbein und strich sanft zwischen ihren Brüsten die Knopfleiste entlang. Mühsam beherrscht, öffnete er den obersten Knopf und teilte den Stoff. Die weiße Spitze ihres BHs war noch nicht zu sehen, als es leise an der Tür klopfte. Erstarrt schwebte seine Hand über dem zweiten Knopf. Sein verschleierter Blick löste sich von diesem winzigen Plastikteil und flog zu ihrem Gesicht. Seine Atmung ging heftig und er versuchte das Klopfen richtig einzuordnen. Offensichtlich stand wer vor der Tür.
Äh ... welche Tür?
Verwirrt sah er sich im Raum um und langsam tauchte er aus dem Rausch auf, in welchem ihn Mavea gefangen hielt.
Ach, diese Tür!
Endlich funktionierten seine Sinne wieder einigermaßen, sodass er Arien vor dieser wahrnahm. Anscheinend hatte ihre Besprechung länger gedauert, als dem Alten lieb war und nun drängte er zum Aufbruch. Sein Blick glitt wieder zurück zu Mavea und Feycon keuchte auf, als er ihren Zustand mit wachem Verstand erfasste. Spätestens jetzt hätte der Krieger sich in diese Frau verliebt, denn nie hatte er einen schöneren Anblick genossen.
Mavea hatte das Klopfen nicht gehört, da sich alles in ihr auf Feycon konzentrierte. Schwer atmend versuchte sie zu ergründen, warum der Krieger plötzlich aufhörte und wachsam den Kopf hob. Verwirrt sah sie zur Tür, drehte den Kopf dann wieder zu Feycon und bei seinem Anblick vergaß sie fast zu atmen. In seinem Gesicht spiegelte sich Leidenschaft und Verlangen wider und zog sie fasziniert in seinen Bann.
"Arien steht vor der Tür! Soll ich ihn wegschicken?", fragte Feycon mit brüchiger Stimme leise und sah sie mit glühendem Blick an.
Es war aber auch zum Verzweifeln. Endlich war es ihr vergönnt, den begehrenswertesten Mann zu berühren und ihm nah zu sein, alle Empfindungen zu genießen und dann das! Für einen Moment schloss Mavea verzweifelt die Augen, sie konnte keinen klaren Gedanken fassen, wenn sie ihn weiterhin so anstarrte. Sie bezweifelte, dass sich Arien einfach so wegschicken ließ, also schüttelte sie den Kopf. Sie wollte es nicht darauf ankommen lassen, dass Feycon ihn vielleicht irgendwie anders wegschickte, sie brauchten den Warlock. Langsam öffnete sie die Augen wieder und sah Feycon bedeutungsvoll an. Sie traute ihrer Stimme noch nicht über den Weg, also mussten Blicke reichen.
Lange sah Feycon sie an, da er sich selbst noch davon überzeugen musste, seine Finger von ihr zu lassen. Dummerweise fielen ihm viele Gründe ein, den Alten vor der Tür zu ignorieren, und dagegen stand nur Maveas Kopfschütteln. Langsam erhob er sich von ihr, zog sie mit sich und knurrte seine Zustimmung. Ungläubig schüttelte er seinen Kopf darüber, dass ihre Meinung mehr Gewicht besaß, als all seine Wünsche. Er hoffte, dass diese Frau nie herausfand, welche Macht sie über ihn besaß, denn dann wäre er verloren.
Kapitel 7
Als sie aus dem Portal traten, war Feycon auf alles gefasst. Er hielt Mavea hinter sich, falls sie angegriffen wurden, aber sie betraten nur ein geräumiges, edel eingerichtetes Wohnzimmer. Arien hatte erfreut reagiert, als er erfuhr, dass der Krieger Mavea begleiten wollte und ihnen ein eigenes Haus in seiner Gemeinschaft angeboten. Feycon dachte lieber nicht an die Zweisamkeit, denn er musste sich noch immer von dem Liebesspiel am Boden abreagieren.
"Willkommen in eurem bescheidenen Heim, fühlt euch wie zu Hause!", rief Arien und breitete seine Arme aus. "Ich würde vorschlagen, das ihr euch frisch macht und umzieht, und ich kümmere mich um den Rest. In diesem Gästehaus findet ihr alles, was ihr braucht. Ich hole euch gegen 18Uhr ab." Bevor Feycon, oder Mavea protestieren konnten, war er durch sein Portal verschwunden.
Sie wussten weder, wo sich das Gästehaus befand, noch wie spät es war.
"Wir sollten zuerst das Haus durchleuchten, bevor wir irgendetwas anderes machen", schlug Feycon vor. Langsam ging er auf eine große Terrassentür zu, dabei nahm er die hohe Luftfeuchtigkeit und Hitze nur am Rande wahr. Er keuchte überrascht auf, als er auf einen exotischen, weißen leeren Sandstrand blickte. Palmen zierten, von der Bambusterrasse weg, einen Pfad zum nahe gelegenen Meer. Sanfte Wellen streiften den feinen Sand immer wieder glatt, selbst von hier aus konnte Feycon das klare, saubere Wasser ausmachen. Schweiß trat ihm auf die Stirn, er musste aus dem Kettenhemd, bevor er noch einen Hitzeschlag bekam, doch zuerst untersuchte der Krieger mit seiner Magie das Haus. Nach mehreren Minuten Konzentration gab er Entwarnung.
„Außer uns ist niemand im Haus. Ich muss aus meiner Kampfmontur und ich schau mal nach anderen Klamotten.“ Außerdem musste er auf Abstand gehen, da er Maveas Geruch durch die Wärme stärker aufnahm und dadurch sein Verlangen von neuem entfacht wurde.
Mavea nickte zustimmend und blickte auf den leeren Sandstrand. Sie hatte nicht damit gerechnet je wieder ans Meer zu kommen, sie genoss die exotische Luft und Wärme in vollen Zügen. Kein Wunder das Feycon in seinem Waffenrock heiß wurde und wenn Mavea ehrlich war, störte es sie kein bisschen, dass er endlich seinen so genannten Panzer ablegte. Hoffentlich fand auch sie andere Kleidung, Bluse und Hose waren zwar sauber, aber bei diesem Wetter eher unvorteilhaft.
Feycon betrat den oberen Stock des weiträumigen Hauses und blickte in das erste Zimmer, dieses war in warmen Rottönen gehalten und hatte eine romantisch, angehauchte Dekoration. Er schloss die Tür, denn er erkannte die weibliche Note dieses Raumes. Die nächsten beiden Zimmer glichen dem Ersten, nur das die Farben Gold und Sonnengelb dominierten. Im vierten Zimmer hatte er Glück, ein klimatisierter Raum, in dunklen Nussfarben mit mintgrünen Accessoires und schwarzer Seidenbettwäsche entsprach eher seinen Vorstellungen. Neugierig sah er sich um und entdeckte ein nobles Badezimmer mit allen Annehmlichkeiten. Ein weiterer Nebenraum war ein begehbarer Schrank mit teurer Männerkleidung und Schuhen in allen Größen und Farben. Mit einem dankbaren Seufzer wandte er sich aus seinem blutigen Waffenrock und Hose. Feycon nahm eine kalte Dusche, die Massagedüsen entspannten seine harten Muskeln und ein wohliger Ton entrang sich seiner Kehle. Er verbrachte eine Stunde in dem Nassraum, bevor er sich endlich der riesigen Auswahl im Schrank widmete. Keine Sekunde ließ er Mavea mit seiner Magie aus den Augen, er nahm ihre Energie in einem der anderen Schlafzimmer wahr und Feycon war stolz auf sich, dass er nicht zu ihr stürmte.
Nach einer entspannten Dusche blickte sich Mavea staunend in dem begehbaren Kleiderschrank um. Sie stand nackt vor einer riesigen Auswahl an Klamotten und ihre Augen leuchteten vor Freude auf, der Raum glich dem Traum aller Mädchen, edle Stoffe in allen Farben und Größen, Schuhe wie Sand am Meer. Mit Sicherheit würde sie hier etwas Passendes finden. Sie wählte seidene Unterwäsche, entschied sich für einen Wickelrock in warmen Khakifarben, ein weißes kurzes Top aus feinem Leinenstoff und sandfarbene Sandalen. Ihr Haar fiel offen über Schultern und Rücken. Als sie fertig war, überprüfte sie ihr Aussehen in einem bodenlangen Spiegel. Fast hätte sie sich nicht wieder erkannt, vor ihr stand eine Frau mit sanft geröteten Wangen und einem glücklichen Strahlen in den Augen. Wann hatte sie den gehetzten Blick verloren? Wo war der graue Farbton ihrer Haut geblieben? Wo kamen diese weichen Kurven her und vor allem, warum war dies geschehen? Darauf gab es nur eine Antwort, Feycon.
Der Krieger kam die Treppe herunter und ging auf die Terrasse. Er trug ein locker sitzendes, kurzärmeliges Hemd und eine weite, leichte Hose. Die weiße Kleidung sah ungewöhnlich an ihm aus, ließ ihn aber noch gefährlicher wirken. Er hatte seine Hände in den Hosentaschen vergraben und starrte auf das Meer hinaus. Der Anblick des Strandes war unglaublich, er strahlte vollkommene Ruhe aus, als ob er am Ende der Welt wäre, niemand würde je dieses Fleckchen beschmutzen können. Ein nie gekannter Friede ging von diesem Ort aus, hier war alles im Einklang. Die Frage war nur, wie lange noch? Dort wo der Krieger seinen Fuß hinsetzte, folgte Tod und Verwüstung. Seine Bestimmung klebte an ihm, dafür hatte Abigor gesorgt.
Als Mavea wieder zurück in die untere Etage kam, entdeckte sie Feycon bereits auf der Terrasse. Sie beobachtete ihn eine Weile schweigend und beschäftigte sich mit der Frage, worüber er wohl gerade nachdachte. Manchmal schien der Krieger mit seinen Gedanken weit weg zu sein. Mavea wusste zwar nicht genau, was ihn so beschäftigte, konnte es sich aber vorstellen. Selbst fragte sie sich manchmal, was wohl passieren würde, wenn der Dämon sie gemeinsam fand. Jedoch verwarf sie schnell diesen Gedanken wieder, wenigstens die Zeit des Friedens wollte sie genießen. Sie gesellte sich zu ihm und richtete ebenfalls den Blick auf das Meer.
"Hallo", begrüßte Feycon sie leise.
"Hallo", erwiderte Mavea ebenfalls leise. "Komisch wie ruhig es hier ist, oder? Wenn man bedenkt, was in den letzten Wochen alles los war." Die junge Frau genoss die Ruhe in vollen Zügen, wer weiß wie lange sie noch anhalten würde.
Feycon ging auf das Terrassengeländer zu und lehnte sich auf die Bambusabsperrung, sein Blick traf nun Mavea und er musterte sie. Nie im Leben hätte er gedacht, dass sie noch schöner sein könnte, aber ihr Anblick ließ ihn ehrfurchtsvoll staunen. Sie strahlte gleichzeitig eine unglaubliche Unschuld aus und sendete andererseits lockende Signale, welchen er zu widerstehen versuchte. Ihr langes schwarzes Haar umschmeichelte sie und wehte sanft in einer leichten Brise, es juckte ihn in den Fingern, die weichen Strähnen zu berühren.
"Du bist schön", sagte er ungelenk. Noch nie hatte er das zu einer Frau gesagt, hatte er überhaupt je Komplimente verteilt?
"Danke." Mavea lächelte über seine Worte. Es war schon sehr lange her, seit sie das letzte Mal ein Kompliment bekommen hatte. Umso mehr freut sie sich, dass es von Feycon kam. Sie fragte sich schon länger, was genau zwischen ihnen eigentlich war. Sie liebte diesen Mann, vielleicht mehr als gut für sie war, aber was war mit ihm? Liebte er sie auch, oder fühlte er nur eine sexuelle Anziehung? Im Grunde wusste sie es doch gar nicht. Ihr Blick schweifte zu ihm ab und sie musterte ihn genauer. Mavea stellte fest, dass seine luftige Kleidung mehr von seinem gut gebauten Körper zeigte. Unter dem dünnen Stoff zeichneten sich deutlich die sehnigen Muskeln ab, sein Körper strahlte Kraft und Härte aus. Feycon war überhaupt nicht mit Muskelprotzen zu vergleichen, er hatte eine athletische, durchtrainierte Gestalt. Als ihr Blick auf seinen Bizeps fiel, musste Mavea schlucken, da er völlig angespannt war. Was hätte sie dafür gegeben, wenn er schon im Umkleideraum kein Kettenhemd angehabt hätte. Kopfschüttelnd verwarf sie diese gefährlichen Gedanken wieder. Sie wollte vermeiden, dass sie etwas Kopfloses anstellte, denn Arien würde bald hier aufkreuzen. Wer weiß ob er diesmal anklopfte.
Er genoss den Frieden und die Ruhe um sich herum. Feycon hatte davon nicht viel in seinem Leben gehabt, seit er denken konnte, bestand es aus Kampf und Verteidigung. Schon als Kind hatte er seine Mutter vor den dummen Sprüchen der Habitat Kinder beschützt und teilweise auch gerächt. Dieses Verhalten hatte sich unter Abigors Dienst sehr gewandelt, denn auf dem Schlachtfeld wurde ausschließlich grundlos getötet. Die Legionen fielen häufig über wehrlose und unschuldige Völker her, Gefangene wurden nur selten gemacht. Er war froh darüber, wenn sie einmal Krieger bekämpften, denn dann ließ er seine ganze Wut an ihnen aus. Diese Wut gab ihm ungeheure Kraft, verpuffte aber immer zu einem Nichts, wenn er das Ergebnis beim Erwachen aus dem Blutrausch sah. Feycon schüttelte deshalb all seine Gefühle ab und wurde zu einem erbarmungslosen Krieger. Er wollte sich nicht selbst verlieren, aber er fragte sich, ob er das nicht schon längst getan hatte. Ihm wurde bewusst, dass er nichts mehr an sich heran gelassen hatte, niemand konnte ihn berühren, kein Flehen hatte seinen inneren Kern erreicht. Was also hatte Mavea an sich, dass sie alle Barrieren mit einer Leichtigkeit einriss? Ihr sinnlicher Körper alleine konnte es nicht sein, denn er hatte genug schöne Frauen genommen, bevor er selbst beim Geschlechtsakt keinen Genuss mehr empfand, sondern nur mehr Gleichgültigkeit. In den letzten Jahren hatte ihn das weibliche Geschlecht nicht mehr interessiert, aber jetzt konnte er sich kaum beherrschen, um die Finger von Mavea zu lassen. Am liebsten würde er sie an sich reißen und ihren anschmiegsamen Körper erforschen, seine Zunge über ihre weiche, warme Haut gleiten lassen und endlich beenden was sie begonnen hatten. Mit einem plötzlichen Ruck drehte er sich um, presste seine Fäuste tiefer in die Hosentaschen und versuchte mit geschlossenen Augen wieder ruhiger zu atmen. Verdammt, diese Frau machte ihn wahnsinnig. Sie nur zu betrachten, brachte ihn mehr als in Stimmung und in dieser Kleidung konnte das jeder erkennen. Das könnte noch ein peinlicher Abend werden, da er annahm, dass Arien eine Zusammenkunft mit ihren Eltern arrangierte.
Mavea war etwas überrascht als sich Feycon so plötzlich umdrehte, sagte aber nichts dazu und setzte sich auf eine Terrassenstufe. Hier zu sitzen, wenn die Sonne unterging, stellte sich Mavea einfach wundervoll vor. Nichts war vergleichbar mit dem Glitzern des Wassers, während sich das Licht der Sonne auf der Oberfläche brach. Diesen Anblick hatte sie erst einmal mit ihren eigenen Augen gesehen und nie vergessen.
"Es ist wunderschön hier, nicht wahr?", fragte sie leise. Am liebsten würde Mavea für immer hier bleiben. An einem solchen Ort voller Frieden, ohne dauernd auf der Flucht zu sein und jeden Schritt zu hinterfragen. Am meisten jedoch freute sie sich darauf, ihre Eltern wieder zu sehen. Zu lange war es her, seit sie diese das letzte Mal in den Arm nehmen konnte.
"Eigentlich schon fast nicht mehr real", erwiderte Feycon. Die ganze Situation war für ihn unglaublich. Wenn ihm jemand vor Wochen gesagt hätte, dass er heute mit einer schönen Frau an seiner Seite, auf einen friedlichen Meeresstrand blickte, hätte der Krieger ihn vermutlich geköpft. Er brummte bei diesem Gedanken vor sich hin, das wäre eine blutige Angelegenheit gewesen, aber durchaus realistischer als das hier. Plötzlich erklang ein hoher Glockenton vom Innern des Hauses. Feycon stellte fest, dass Arien vor der Haustür stand, als er diese öffnen ging. Der Warlock war ebenfalls umgezogen und sah nun in seinem weißen Leinenanzug jünger und attraktiver aus.
"Guten Abend, ich möchte euch zum Abendessen abholen, seit ihr fertig?", fragte Arien und zeigte auf eine weiße Limosine hinter sich. Das Haus hatte eine lange Zufahrt, der Blick zur Straße war durch viele Palmen und exotischen Blütensträucher verdeckt.
Mavea trat hinter Feycon und bestaunte die luxuriöse Limousine. Scheinbar genoss Arien hohes Ansehen und war offensichtlich auch noch reich. Ihr Blick wanderte von der Limousine zu Arien, das Wort Abendessen ließ ihren Magen knurren.
"Ich denke wir sind fertig, oder Feycon?" Sie sah den Krieger fragend an.
"Sicher." So fertig man nur sein konnte für ein Abendessen unter Leuten. Wann war er eigentlich das letzte Mal gesittet essen?
Die Autofahrt war relativ kurz und führte durch eine gepflegte Landschaft. Arien erklärte ihnen, dass sie auf einer Insel im Pazifik wären und diese sich in seinem Privatbesitz befand. Hier lebten er und seine Mitglieder des Zirkels völlig abgeschieden, aber sie bekamen regelmäßig Besuch von Freunden, daher gab es einige Gästehäuser.
Mavea lauschte Ariens Erklärungen, während sie aus dem Fenster sah. Die gesamte Umgebung war wunderschön und es faszinierte sie, dass dieser Ort zugleich so viel Frieden ausstrahlte. Langsam setzte die Dämmerung ein, als sie an einem großen Anwesen ankamen, das herrschaftliche Gebäude hatte mehrere Säulen und war hell erleuchtet. Fackeln säumten den Weg zum Eingang, vor welchem sich schon mehrere Besucher drängten. Feycons Gesichtsausdruck wurde immer düsterer, je näher sie der Menschenmenge kamen, daher griff Mavea nach seiner Hand. Sie wollte ihn damit beruhigen und ihm zeigen, dass sie bei ihm war. Bescheuert wenn man darüber nachdachte, wer hier der große, unnahbare Krieger war, aber vielleicht brauchte in Wirklichkeit sie seine Nähe, dessen war sie sich noch nicht ganz sicher.
Überrascht sah er auf seine Hand hinunter und schloss nach einigem Zögern seine Finger fester um ihre.
"Hast du keine Angst, dass deine Eltern mich sehen?", fragte er leise. Schließlich hatte er heute keine Kapuze auf und seine Augen ließen selbst die Andersweltwesen vor ihm zurückweichen. Ihre Eltern wären sicher nicht erfreut darüber, dass ein böser Unterweltbewohner ihre Tochter in seinen Klauen hatte. Sein Blick wurde noch grimmiger und er ließ sie los.
"Wieso sollte ich Angst davor haben?" Mavea zog ebenfalls ihre Hand zurück und sah aus dem Fenster. Ihre Eltern würde schon nichts dagegen haben und wenn doch, dann war das ihr Problem. So sehr sie die beiden auch liebte, Feycon war ihr wichtig und damit mussten sie zurechtkommen. Dass er das wieder einmal anders sah, war natürlich klar. Feycon dachte grundsätzlich, dass alles und jeder gegen ihn war, dabei musste man den Krieger nur richtig kennen lernen, dann würde man erkennen, dass unter der harten Schale ein weicher Kern verborgen lag.
Der Wagen blieb unmittelbar vor der Fackelreihe stehen und alle stiegen aus. Feycon fühlte sich immer unbehaglicher, das hier war kein Schlachtfeld und er hatte auch seine Schwerter nicht dabei. Er hob das Gesicht zum Himmel und schloss kurz die Augen, mit einem tiefen Seufzer betrat er dann den roten Teppich und folgte Arien.
Mavea ging dicht hinter den beiden, den Blick immer nach vorne gerichtet. Irgendwie kam sie sich auf dem roten Teppich wie ein Promi vor, fehlten nur noch die Fotografen und Journalisten, dachte sie grinsend.
Arien wurde freudig empfangen und seine Begleitung neugierig begutachtet. Er stellte sie allen vor, als die Menge sich teilte und Maveas Eltern zum Eingang drängten. Feycon wich automatisch in den Hintergrund und trat in den nächsten Schatten.
Maveas Blick traf auf ihre Eltern und ab diesem Moment nahm sie nichts anderes mehr wahr. Fasziniert beobachtete sie jeden ihrer Schritte, sie konnte es nicht glauben, endlich nach all den Jahren wieder vor ihnen zu stehen, greifbar und real. Zuerst langsam, dann immer schneller schritt sie auf die beiden zu, bis sie ihnen schließlich um den Hals fiel. Freude und Glück vermischten sich mit ihren Tränen, während sie ihren Vater und ihre Mutter fest an sich drückte. Ihre Mutter strich ihr sacht übers Haar, murmelte unzusammenhängende Wörter und schluchzte ebenfalls. Mavea verstand den Sinn nicht, aber die Stimme ihrer Mutter strich ihr tröstend über die aufgewühlte Seele. Die Arme ihres Vaters umschlangen die kleine Familie, schloss alles und jeden aus. Er war von ihnen stets der Starke gewesen, hatte seine Hände immer schützend über sie gehalten. Dann kam dieser Tag, inzwischen lag er fern in der Vergangen, ein Tag der alles veränderte, indem Mavea aus dem Schutz ausgebrochen war. Eine Entscheidung getroffen hatte, die aus tiefstem Herzen kam, denn sie hatte in diesem Augenblick ihren Vater das erste Mal verstanden. Ihr eigenes Leben zu riskieren, um einen Schwächeren zu retten, das hatte ihr das Verhalten ihres Vaters gelehrt und es war richtig gewesen.
Es dauerte eine ganze Weile bis Mavea und ihre Eltern sich soweit gefangen hatten, dass sie sich von einander lösen konnten und ihre Sprache wieder gefunden hatten.
“Wir sind so froh, dass es dir gut geht.” Ihre Mutter wischte sich ein paar vereinzelten Tränen aus dem Gesicht und strich ihr tiefschwarzes Haar wieder glatt. Im Grunde hatte sie sich kaum verändert, nur ein paar Sorgenfältchen waren auf ihrem schönen Gesicht zu erkennen. Mavea glich auffallend ihrer Mutter, sie hatten dieselben Augen, die gleiche Haarfarbe und ihr Lächeln konnte jeden verzaubern, wenn sie es darauf anlegten.
“Das habe ich wohl eher jemand anderem zu verdanken”, sagte Mavea geheimnisvoll und lächelte glücklich.
“Arien hat uns seinen Plan erzählt, aber nicht genau in die Einzelheiten eingeweiht. Wer hat dich beschützt?”, fragte ihr Vater und drückte sie noch einmal dankbar an sich.
“Wartet hier einen Moment, ich werde ihn euch vorstellen.” Mavea sah sich suchend um, kämpfte sich durch die Menschenmenge und fand Feycon schließlich hinter einer Säule.
“Hey, meine Eltern wollen dich kennen lernen und jetzt sag bitte nicht nein”, sagte sie leise und blickte ihn flehend an.
Ihre Eltern? Feycon schloss kurz die Augen und unterdrückte ein Stöhnen. Er hatte noch nie die Eltern eines Mädchens kennen gelernt, daher bekam diese Situation für ihn irgendwie einen offiziellen Charakter. Verzweifelt sah er Mavea an und kämpfte schon wieder mit unbekannten Empfindungen. Fluchtgedanken! Er wusste aber, dass es für einen Rückzug eindeutig zu spät war.
"Ich glaube kaum, dass deine Eltern mich noch kennen lernen wollen, wenn sie wissen wer ich bin! Also wäre es besser sie im Ungewissen zulassen, damit es nicht ... kompliziert wird!", sagte er mit nun wieder ausdruckloser Miene.
Mavea seufzte.
"Ich habe auch nicht gesagt, dass wir ihnen gleich erzählen, wo du herkommst oder was du bist. Du sollst nur mitkommen und sie kennen lernen." Sie wusste, dass sie ihn nicht zwingen konnte und sein Einwand war für sie nur schwer nachvollziehbar. Sie akzeptierte ihn so wie er war und dieses Verhalten schloss sie auch auf alle anderen. Arien akzeptierte ihn so, warum sollten es ihre Eltern also nicht tun?
"Ich glaube kaum, dass sich meine Augen verbergen lassen und somit meine Herkunft! Willst du ihnen wirklich eine Bestie vorstellen?", fragte er sarkastisch. Alles in ihm sträubte sich dagegen, da er nicht wusste was passieren würde.
Sie schüttelte kurz ungläubig den Kopf. "Du bist keine Bestie", beharrte Mavea. Sie hasste es, wenn er so etwas sagte, dennoch verstand sie den Hintergrund dieser Worte. Sie hatte nicht vergessen, dass er im Namen Abigors tötete. Außerdem hatte sie eher das Gefühl, dass ihre Eltern wirklich jedem dankbar wären, der ihrer Tochter half, selbst wenn er aus der Unterwelt kam. „Wenn du glaubst, dass du mich damit vertreiben kannst, dann kennst du mich aber schlecht. Auch ist es mir völlig egal, ob sie herausfinden wo du herkommst, sie werden es akzeptieren müssen.“
Der Krieger wollte ihr nicht wehtun, aber er befürchtete, wenn er mit ihr ging, dann könnten ihre Eltern das übernehmen und das wäre noch grausamer für sie.
Mavea wurde langsam aufgrund seiner Dickköpfigkeit wütend, als Arien hinter sie trat.
"Feycon, mein Junge, darf ich dir ein paar Mitglieder meines Zirkels vorstellen?", fragte Arien, wartete keine Antwort ab und zog ihn mitten in die Menge. "Meine lieben Freunde, ich möchte euch Feycon vorstellen, er ist ein ganz besonderer Gast, denn er hat die Tochter unserer neuesten Mitglieder gerettet."
Feycon unterdrückte ein Knurren, er wusste ganz genau was Arien damit bezweckte und der Krieger verfluchte sich, dass er das nicht kommen gesehen hatte. Dieser hinterhältige Bastard setzte ihm, einen Legionenführer der Unterwelt, einen Heiligenschein auf. Innerlich kochte er vor Wut und einzig Maveas Anwesenheit hielt ihn davor zurück, dem Warlock den Kopf abzureißen. Immer enger zog sich die Schlinge um seinen Hals, er konnte nur nicht den wahren Grund von Arien erkennen. Er vermochte seiner Manipulation nichts entgegenzusetzen, dafür war ihm diese Frau zu wichtig, aber er musste keine gute Miene zu diesem verhassten Spiel machen, daher setzte er eine finstere Maske auf und blieb stumm.
Mavea sah Feycon und Arien hinterher und schüttelte über soviel Sturheit den Kopf. Sie ging zu ihren Eltern zurück und musste ein Grinsen unterdrücken, als sie erkannte, dass Arien und Feycon langsam auf sie zusteuerten.
"Oh mein Gott Mavea, das ist der Mann der dir geholfen hat?", fragte ihre Mutter beeindruckt und musterte den Krieger eingehend.
"Ja das ist er", seufzte sie aufgrund seines grimmigen Gesichtsaudruckes. "Er… nun ja... ist nicht gerade gesellig."
"Das sieht man, aber ich möchte ihm trotzdem gerne persönlich danken." Ihre Mutter lächelte. „Magst du ihn?“, fragte sie und wieder einmal bestätigte es Mavea, was für ein feines Gespür sie für ihre Tochter hatte.
"Du wirst sicher gleich die Gelegenheit dazu bekommen", versprach sie ihrer Mutter und überlegt fieberhaft, was sie auf ihre Frage antworten sollte. „Ja… sehr“, sagte Mavea dann schlicht. Ein langer Blickkontakt zwischen Tochter und Mutter brachte mehr Klarheit, als viele Worte.
Als der Krieger bei Maveas Eltern ankam, verdüsterte sich sein Gesicht noch mehr. Er konnte einfach nicht glauben, dass er hier mitten unter sauberen, lächelten Menschen oder Andersweltwesen stand und ... begafft wurde. Jeder gratulierte oder dankte ihm, als ob er ein großer Wohltäter wäre, aber da täuschten sie sich gewaltig. Er wurde nicht ohne Grund gefürchtet und die Rettung der schönen Mavea war schon fast eigennützig zu nennen. Feycon konnte sich absolut nicht vorstellen, dass er genauso reagiert hätte, wenn es nicht gerade die Eine gewesen wäre. Aber langsam kamen ihm Zweifel. Wenn die Kette mit dieser einen Tat unterbrochen wurde, konnte sie dann gänzlich reißen? Er wusste im Prinzip überhaupt nicht, wie seine Entwicklung gewesen wäre, wenn Abigor ihn nicht bereits in jungen Jahren rekrutiert hätte. Wie würde sein Leben heute aussehen?
"Ich bin sehr froh Sie kennen zu lernen", begrüßte ihre Mutter ihn vorsichtig. "Wir werden nie vergessen, was Sie für unsere Tochter getan haben." Sie ließ sich nichts anmerken, aber Mavea erkannte den Augenblick, als ihre Mutter seine Augen sah.
"Wir stehen tief in Ihrer Schuld. Falls Sie je unsere Hilfe brauchen, dann zögern Sie bitte nicht, sich an uns zu wenden." Maveas Vater nickte feierlich. Mavea freute sich darüber, dass ihre Eltern Feycon normal behandelten. Es kam kein abfälliges Wort wegen seiner Augen über ihre Lippen, obwohl sie damit seine Herkunft erkannten. Ihr Verhalten drückte nur große Dankbarkeit aus. Mavea lächelte den Krieger schmachtend an, sie hatte das Gefühl, als ob ihre Eltern ihr damit den Segen gaben.
Feycon sah nur ihr Lächeln, so süß und strahlend, er wollte das Glück in ihren Augen nicht zerstören, daher nickte er steif, mehr konnte man wirklich nicht von ihm verlangen. Arien scheuchte die Gruppe durch das Haus auf eine große Terrasse, mit Blick auf das ruhige Meer. Eine unwirkliche Oase des Friedens, aber sie fühlte sich echt an. Mehrere Tische waren mit edlem Brokat bedeckt, Kristallgläser und Silberbesteck glänzten im goldenen Schein der Kerzen um die Wette. Die Gäste plauderten fröhlich durcheinander und suchten sich Plätze. Arien hatte natürlich dafür gesorgt, dass Feycon bei Mavea und ihren Eltern saß. Eine sanfte Brise trug das leise Rauschen träger Wellen herüber und ließ die Flammen der Kerzen unruhig erzittern. Gedämpfte klassische Musik erklang aus versteckten Lautsprechern und der erste Gang wurde von professionellem Bedienpersonal serviert. Feycon sah auf seinen leeren Teller. Okay, er war nicht ganz so leer, ein einsames hauchdünn geschnittenes Stück Rinderfilet war garniert mit Pinienkernen und drei dunklen Tropfen. Der Krieger blickte auf und dachte es sei ein Scherz, aber allen anderen wurde das gleiche serviert. Zweifelnd ging sein Blick zurück auf den Teller.
Zum ersten Mal seit langem erlebte Mavea einen entspannten und wunderschönen Abend, fast waren die einsamen und qualvollen Jahre vergessen. Ihr Blick schweifte von den plaudernden Gästen zu ihren Eltern, die sich gerade mit Arien unterhielten. Die Stimmung war ungezwungen und heiter, die laue Luft war erfüllt von Harmonie. Genau das hatte sie am meistens vermisst. Mavea ließ sich das exquisite Essen auf der Zunge zergehen und freute sich auf jeden einzelnen Gang. Die Speisen waren genau aufeinander abgestimmt und wurden von passenden Tischweinen begleitet. Mavea sah immer wieder zu ihren Eltern hinüber, sie musste sich davon vergewissern, dass sie nicht träumte. Fasziniert von diesem Augenblick konnte sich Mavea nicht an der Konversation beteiligen, ihre Gedanken sprangen zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin und her. Einzig Feycon war in der Lage sie zu fesseln. Stumm saß er neben ihr und stellte ein erbarmungswürdiges Opferlamm dar, fast hätte sie bei diesem Anblick laut losgelacht. Trotz ihres Mitgefühles für ihn, war sie äußerst froh darüber, dass er bei ihr war.
Mit einem missmutigen Gesicht aß Feycon die kleinen Häppchen und hörte dem weltgewandten Geplauder von Arien zu. Es überraschte ihn, dass der Alte sich so kultiviert benehmen konnte.
"Feycon, darf ich dir vielleicht einen Champagner anbieten?", fragte Arien plötzlich und hielt abwartend eine Flasche mit edlem Etikette über dessen Glas. Der Krieger nahm Arien gleich die ganze Flasche ab, bei dem Geschwätz brauchte er unbedingt ein Betäubungsmittel und da ihm der menschliche Alkohol zu schwach war, musste die Menge das gewünschte Ziel erreichen. Großzügig schenkte sich Feycon ein und stürzte den Inhalt in einem Zug hinunter.
Mavea beobachtete Feycon ungläubig, wie er ein Glas nach dem anderen trank und inzwischen eine zweite Flasche bestellte. Erst als sie bemerkte, dass der Alkohol keinerlei Wirkung bei dem Krieger zeigte, widmete sie sich wieder den anderen an ihrem Tisch. Eine Sache lag ihr besonders am Herzen, deshalb wandte sie sich an Arien und fragte, "Wie lange können wir eigentlich hier bleiben?"
"Solange ihr wollt! Deine Eltern haben sich hier für immer niedergelassen, auf dieser Insel kann man ein ruhiges Leben führen, die Aufregung fehlt hier zwar komplett, aber dafür steht ihr hier unter dem Schutz von meinem Zirkel. Es sind sehr viele Schutzzauber auf der ganzen Insel verankert, die täglich erneuert werden, dadurch können Andersweltwesen sie nicht orten. Menschen verirren sich ab und zu hierher, aber die Langeweile vertreibt sie schnell wieder." Arien blickte Feycon vielsagend an und dieser verstand auch den Wink. Es war natürlich ein verführerisches Angebot, aber selbst der viele Alkohol konnte sein Misstrauen nicht vertreiben.
"Ehrlich?" Mavea sah Arien und ihre Eltern überrascht an. "Wir dürfen hier bleiben und niemand kann uns finden?" Das war die beste Nachricht seit Tagen. Das würde bedeuten, dass Mavea nicht länger auf der Flucht wäre. Feycon, wenn er es wollte, könnte hier ungestört mit ihr leben. Mavea versuchte das Glücksgefühl zu unterdrücken, welches sie gerade überrollen wollte. Was würde der Krieger machen? Bliebe er bei ihr? Irgendwie konnte sie sich nicht vorstellen, dass er auf dieser ruhigen Insel glücklich werden würde. Ungewollt warf Mavea ihm einen fragenden Blick zu. Sie musste wissen was er von Ariens Vorschlag hielt und vor allem ob er ihn annahm.
Feycon spürte ihren Blick auf sich, aber er sah weder auf, noch antwortete er. Zielstrebig griff er wieder zur Flasche und schenkte sich nach. Langsam begann er die Wirkung des Alkohols nach der dritten Champagnerflasche zu spüren. Hauptsächlich konzentrierte sich der Krieger auf Mavea, seine Wachsamkeit hatte mit jeder Minute abgenommen und er versank tiefer in einem Gefühlswirrwarr. Die ganze Situation fühlte sich für ihn paradox an. Eigentlich sollte er darüber glücklich sein, mit dieser Frau auf dieser friedlichen Insel zu sein, aber tief in seiner Seele spürte er die Verbindung zu Abigor und die ließ ihn nicht los. Wie Ketten hielten sie ihn fest, es gab kein Entkommen, egal wo er sich verbarg. Feycon musste sie trennen, oder er starb bei dem Versuch. Es zerriss ihn innerlich, er hatte das Gefühl zu dem Kriegsdämon gerufen zu werden, er wusste nicht wie lange er das noch ignorieren konnte.
Inzwischen war das Abendessen zu Ende und die Leute standen in Gruppen zusammen. Einige tanzten oder gingen am Stand spazieren. Das Rauschen des Meeres wirkte beruhigend, der Geruch des Salzwassers unterstrich die exotischen Gerüche der einheimischen Pflanzen. Die Stimmung war ausgelassen und friedlich.
Mavea stand bei ihren Eltern und sie unterhielten sich darüber, was alles passierte, nachdem sie ihr Volk verlassen hatte. Es gab viel zu erzählen, auch wenn das meiste davon nicht gerade angenehm war. Nach einer Weile gesellten sich Freunde ihrer Eltern zu ihnen und Mavea nutzte diese Gelegenheit, um sich auf die Suche nach Feycon zu machen, den sie in dem ganzen Getümmel aus den Augen verloren hatte. Während sie sich suchend einen Weg durch die Menschengruppen bannte, wurde sie immer angespannter. Es beunruhigte sie, dass sie nicht wusste wo er war, das grenzte schon fast an eine Phobie. Sie wusste nicht was er jetzt vorhatte, im Grunde hatte er sie in Sicherheit gebracht und konnte beruhigt gehen. Bei dem Gedanken, dass er ging, hätte sie am liebsten losgeheult.
Der Krieger stand am Strand und sah auf das Meer hinaus, tief in Gedanken versunken merkte er, wie sich sein Inneres immer mehr zusammenzog. Plötzlich spürte er einen scharfen Stich in seinem Kopf und Feycon krümmte sich zusammen. Er hatte das Gefühl, dass sein Kopf zersprang und versuchte mit beiden Händen einen Gegendruck zu erzeugen. Der Schmerz wurde immer schlimmer, kalter Schweiß brach ihm aus, er konnte gerade noch einen Schrei verhindern, als der Schmerz jäh wieder verschwunden war. Vorsichtig öffnete er die Augen, er kniete im Sand und das Meer lag ruhig vor ihm. Für eine Einbildung war der Schmerz zu real und vor allem zu vertraut gewesen. Wie viel Zeit blieb ihm noch? Feycon hätte nicht geglaubt, dass es so schnell gehen würde.
Die Suche im Haus blieb ergebnislos, daher wandte sich Mavea zum Strand hinunter. Einige Pärchen kamen ihr entgegen und langsam wurde es leiser. Kühler, angenehmer Wind umschmeichelte ihre erhitzte Haut und sie genoss die frische Luft, als sie eine vertraute Gestalt am Meer entdeckte. Obwohl er nicht zu seiner vollen Größe aufgerichtet da stand, erkannte sie ihn sofort. Sie stutzte und ihre Schritte wurden schneller. Warum kniete er im Sand?
"Feycon?", fragte sie zaghaft und blieb wenige Schritte hinter ihm stehen. "Ist alles okay?"
"Ja", sagte er und stand schnell auf. Feycon wollte ihr nicht erzählen, was gerade passiert war. "Amüsierst du dich gut?", fragte er stattdessen und befreite seine Hose von den Sandkörnern.
Mavea musterte Feycon nachdenklich, irgendwie glaubte sie ihm nicht, ein unbestimmtes Gefühl sagte ihr, dass er log. Aber sie sprach ihn nicht darauf an, trat näher zu ihm und ihr Blick richtete sich auf die Weite des Ozeans vor ihr.
"Amüsieren ist nicht das richtige Wort", begann sie vorsichtig, darauf bedacht möglichst die richtigen Worte zu finden. "Ich bin überglücklich darüber, meine Eltern wieder zu sehen und endlich einmal nicht auf der Flucht zu sein. Hier mit dir mitten im Paradies zu stehen ist … ich meine, was will man mehr? Aber dennoch...", verstummte sie kurz und widerstand der Versuchung, sich zu ihm umzudrehen. "Egal wie schön und gut sich das hier alles anfühlt, meine Gedanken kreisen nur darum... ob du gehen wirst. Du hast auf Ariens Vorschlag nicht geantwortet. Ich hoffe inständig, dass du bei mir bleibst. Aber je länger ich jetzt rede, desto mehr habe ich das Gefühl, dass du dich bereits entschieden hast. Du gehst zurück, oder? Du weißt, dass ich mir wünsche, dass du nicht fort gehst?" Ihre Stimme wurde immer trauriger und die Gewissheit über den bevorstehenden Abschied betäubte ihre Sinne.
"Mavea", flüsterte er, ging auf sie zu und umarmte sie sanft. Feycon legte sein Kinn auf ihren Kopf, schloss die Augen und atmete tief durch. Ihr weicher, warmer Körper schenkte ihm Trost. Ihre ehrlichen Worte streichelten seine Seele und er hasste sich dafür, dass er ihr Schmerz zufügte. "Ich muss gehen und dorthin kann ich dich nicht mitnehmen. Ich muss zugeben, dass du hier sicher bist, bleib also bei deinen Eltern. Obwohl ich weiterhin glaube, dass Arien etwas im Schilde führt, dürfte das nichts mit dir zu tun haben. Ich habe nicht mehr viel Zeit."
Obwohl Mavea genau diese Worte erwartet hatte, traf der Schmerz sie unerwartet. Tapfer versuchte sie sich nichts anmerken zu lassen und unterdrückte die Tränen. Nun wusste sie, wie schwer es wirklich war, seine Liebe gehen zu lassen, wie es sich anfühlte, wenn er sie verließ. Sie konnte nicht glauben, ihm nie wieder so nah zu sein, seine Stimme zu hören, oder seine Berührung zu spüren und dennoch würde es passieren. Sie musste sich zusammenreißen und darauf hoffen, dass er irgendwann wieder kommen würde.
"Wann wirst du gehen?", fragte Mavea leise und schloss die Augen, während sie tief durchatmete. Sie musste wissen, wie viel Zeit ihnen noch blieb, sie wollte auf diesen Moment vorbereitet sein, soweit das überhaupt möglich war.
"Bald, am besten wäre es, wenn ich sofort gehen würde, aber ich will dich noch nicht verlassen!" Feycon drückte sie noch fester an sich.
Mavea genoss so gut wie möglich jede verstreichende Sekunde, in der sie so dicht bei ihm sein konnte.
"Sag mir, warum du zurückgehst? Hier könntest du in Ruhe leben, ohne Abigor und die Zwänge" Im Grunde verstand sie ihn nicht. Er hatte gesagt, dass er am liebsten frei wäre und jetzt, wo er es endlich sein könnte, ging er freiwillig zurück? Das ergab doch keinen Sinn.
Feycon vertraute ihr. Ungläubig schüttelte er darüber den Kopf, wann war das geschehen? Als ihre Augen ihn so sehnsuchtsvoll ansahen? Vielleicht seid ihr Herz dem seinen so nah war? Oder etwa, weil er sie liebte.
"Mavea." Er liebte es ihren Namen auszusprechen. "Ich bin an Abigor gebunden, stärker als du denkst. Seine Macht über mich erstreckt sich über jede Entfernung, alle Welten und unbestimmte Zeit. Er braucht mich nicht zu finden, denn uns verbindet eine unsichtbare Kette, unzerstörbar und mit tödlicher Wirkung. Wenn ich zu lange von ihm getrennt bin, dann ... ich spüre es zum ersten Mal, da ich noch nie einen Grund hatte, zu ihm nicht zurück zu kehren."
"Du meinst also, du könntest sterben, wenn du nicht zu ihm zurück gehst?", fragte Mavea ungläubig. Sie hatte diesen Abigor schon immer gehasst, aber jetzt würde sie ihm am liebsten eigenhändig die Gurgel umdrehen. Feycon musste zu diesem Dämon zurück, wenn er am Leben bleiben wollte. Ihr Magen drehte sich bei diesem Gedanken um. Sie wirbelte herum und vergrub ihr Gesicht an seiner Brust. "Ich könnte es nicht ertragen, wenn dir wegen mir etwas zustößt. Also geh, ohne auf mich Rücksicht zu nehmen okay?" Sie musste damit fertig werden, man sagte doch, dass Zeit alle Wunden heilte. In diesem Augenblick wollte Mavea unbedingt auf diesen Spruch vertrauen, aber in ihrem Inneren wusste sie, dass er nicht stimmte. Sie würde Feycon nie vergessen, egal wie viel Zeit verging. Ihr einziger Trost war, dass er überlebte. Ihm durfte nichts passieren, denn dann würde ihr Herz nicht mehr weiter schlagen können, da es mit ihm ging.
"Ich kann dir helfen", sagte plötzlich Arien hinter ihnen. Feycon hatte ihn nicht gehört und das beunruhigte ihn. Langsam drehte er sich um, ließ Mavea dabei los und fragte sich bereits zum wiederholten Male, was Arien eigentlich von ihm wollte.
"Was führst du im Schilde?", fragte der Krieger misstrauisch.
"Ich möchte eine alte Schuld begleichen. Wenn ich dir helfe, dann bin ich mit einem ehemaligen Freund endlich quitt. Er hat mir damals meine Familie genommen und jetzt werde ich ihm seinen besten Legionenführer nehmen." Arien stand stolz aufgerichtet vor ihnen.
Feycon keuchte überrascht auf und zog Mavea hinter sich. Alte Freunde? Arien und Abigor waren einmal befreundet? Und der Alte hatte die Macht, ihn von dem Dämon zu befreien? In seinem Hirn rasten die Gedanken, er durchdachte mehrere Szenarien und verwarf sie wieder und blieb dann schlussendlich bei einem hängen. Freiheit.
"Was muss ich tun, um von diesem Bastard frei zu kommen? Vor allem, was verlangst du für deine Hilfe?" Feycon klammerte sich mit aller Kraft an dieser Hoffnung fest, noch nie war eine Möglichkeit so nah gewesen. Plötzlich krümmte sich der Krieger vor Schmerz zusammen und sank abermals in den Sand. Sein Kopf drohte zu zerspringen, er spürte einen unglaublichen Druck hinter den Augen und sein Sichtfeld färbte sich blutrot. Verzweifelt versuchte Feycon sich zu beherrschen, er wollte nicht neben seiner Frau vor Schmerz brüllen. Sein Atem ging immer hastiger, die Welt um ihn bestand aus grellen Blitzen, welche immer rascher auf ihn hernieder gingen. Der Krieger schloss die Augen, aber der Schmerz blieb unvermindert und peinigte seinen Kopf in noch kürzeren Intervallen. Er begann zu würgen, aber bevor er ohnmächtig werden konnte, war alles wieder vorbei, genauso plötzlich wie die Attacken gekommen waren, verschwanden sie. Zitternd kniete Feycon im Sand und versuchte sich wieder einigermaßen zu sammeln. Dies gelang ihm nicht ganz, deshalb ließ er sich auf den Rücken fallen und sah in den Sternenhimmel, seine ganze Konzentration richtete sich auf die Millionen Lichter über ihm. Langsam verflog der rote Schleier und seine Atmung wurde ruhiger. Scheiße! Diese beiden Anfälle waren ziemlich kurz hintereinander, anscheinend hatte er nicht mehr viel Zeit. Auch war der Zweite wesentlich schlimmer gewesen und der Krieger befürchtete, dass er einen Dritten gar nicht überleben würde.
"Feycon?" Mavea kniete im Sand und musterte den Krieger besorgt. "Ist alles okay?" Blöde Frage, mit Sicherheit war nicht alles okay und das wusste sie auch. Egal was das gerade war, es hatte mit Sicherheit etwas mit Abigor und der Verbindung zu Feycon zu tun. "Wenn du ihm wirklich helfen kannst", wandte sie sich aufgebracht an Arien und ließ Feycon dabei nicht aus den Augen. "Dann mach es endlich. Wer weiß was passiert, wenn Feycon noch länger von Abigor getrennt ist!"
Arien stand vollkommen konzentriert da und murmelte Formeln vor sich hin. Erst nach einer Weile löste er sich aus dieser Starre und blickte auf die beiden hinunter.
"So einfach geht das nicht! Ich habe Feycon gerade eine Verschnaufpause verschaffen können, das ist aber keine Endzeitlösung. Wir müssen zu Abigor, ich kann nur die Verbindung kappen, wenn beide im gleichen Raum sind und ich glaube nicht, dass der Dämon mein Auftauchen willkommen heißen wird. Außerdem könnte er Feycon sofort töten, wenn er etwas mitbekommt."
Der Krieger hörte die Worte, aber es war ihm gleichgültig. Er würde alles dafür machen, um frei zu kommen, auch wenn er dabei sterben sollte. Dieses Leben konnte er nicht mehr führen, nachdem er die trügerische Freiheit erlebt hatte. Außerdem wollte er nicht mehr auf Mavea verzichten, dafür lohnte es sich zu kämpfen.
"Ich wüsste, wie wir dich dort hineinschmuggeln könnten", sagte der Krieger mit leiser Stimme. Er litt noch an den Nachwirkungen, aber sein Verstand lief bereits auf Hochtouren.
Kapitel 8
Noch in derselben Nacht trafen sich Feycon und Arien heimlich im Gästehaus. Der Krieger wollte Mavea nicht beunruhigen, da sie in den letzten Jahren mehr als genug durchgemacht hatte. Er würde ohne Abschied gehen, Feycon brachte es einfach nicht über sich. Er schüttelte über seine Gedanken wieder einmal den Kopf, diese Frau hatte ihn vollkommen unter Kontrolle. Ihre Macht über ihn war stärker als die des Kriegsdämons, aber er unterwarf sich ihr freiwillig und genoss es noch dazu.
"Wie ist dein Plan?", fragte Arien.
"Wir gehen rein, du kappst die Verbindung und wir verschwinden wieder", antwortete Feycon und zog seinen verschmutzten Kapuzenumhang über das Kettenhemd.
"Und die Details?" Ungläubig musterte der Ältere ihn.
Der Krieger sah hoch und seine Augen begannen zu glühen. "Wir töten jeden, der sich uns in den Weg stellt?"
"Scheiße, das meinte ich nicht. Du musst doch einen Plan haben! Wo landen wir, wer wird dort sein und wie willst du mich zu Abigor schmuggeln?" Arien war ebenfalls umgezogen und hatte eine schwarze Militäruniform an, Waffen waren an ihm nicht zu erkennen.
Feycon musste sich endlich entscheiden, ob er ihm vertrauen wollte und dies fiel ihm besonders schwer. Was wenn er ihn hinterging? Dann würde er den Warlock ohne mit der Wimper zu zucken töten. Seine Gedanken gingen zu Mavea, welche friedlich in ihrem Zimmer schlief. Wenn er mit dieser Frau zusammen sein wollte, musste er dieses Risiko eingehen, selbst wenn er dabei drauf ging. Also erklärte er Arien den Bestimmungsort anhand von selbst angefertigter Zeichnungen. Ihr Ziel lag in der Unterwelt, außerhalb des Dämonensitzes. Er wollte sich nicht in sein Quartier bringen lassen, da das Portal zuviel Aufmerksamkeit auf sich ziehen würde. Der Legionenführer musste offiziell heimkehren und Arien würde er durch einen unterirdischen Gang hinein schleusen. Das gesamte Interesse würde auf dem Heimkehrer liegen, daher wäre es für Arien leicht, ungesehen in das Quartier des Kriegers zu gelangen. Sie brüteten noch eine Weile über den Skizzen und schmiedeten einen Plan.
Mavea konnte nicht sagen, was sie in dieser Nacht aus dem Schlaf riss. Ein Albtraum? Oder vielleicht doch eine leise Vorahnung ihres Unterbewusstseins? Wie auch immer, sie war bereits im Begriff sich einfach wieder umzudrehen und weiter zu schlafen, als sie leise Stimmen wahrnahm. So weit Mavea es einordnen konnte, kamen sie von unten. Misstrauisch wie sie eben war, kletterte die junge Frau vorsichtig aus ihrem Bett und trat auf den dunklen Flur. Sie lauschte in die Dunkelheit und je näher sie der Treppe kam, desto deutlicher wurden die Stimmen. Mavea erkannte die beiden Redenden und fragte sich, was so wichtig war, dass sie so spät noch darüber reden mussten? Fest entschlossen sich ein paar Antworten auf ihre Fragen zu besorgen, tapste sie barfuss die Treppe hinunter und folgte den Stimmen bis ins Wohnzimmer. Mavea blieb überrascht stehen, als sie die Klamotten sah, welche die beiden trugen. Warum in aller Welt hatte Feycon wieder sein Kettenhemd an und das ganze andere Zeug, dass er während eines Kampfes am Leib trug? Auch Arien war gekleidet, als würde er jeden Moment ein Schlachtfeld betreten. Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht.
"Was macht ihr beiden so spät noch hier?", fragte Mavea misstrauisch. "Und wieso seid ihr gekleidet, als würde hier jeden Moment ein Kampf stattfinden?" Die beiden verheimlichten ihr etwas, sie sollte scheinbar nichts von diesem Treffen wissen, aber so leicht würde Mavea sich nicht abschütteln lassen. Sie würde schon rausbekommen, was hier vor sich ging.
Beide waren so in ihren Plan vertieft gewesen, dass sie Mavea nicht gehört hatten. Ihre Köpfe fuhren in die Höhe und sie starrten sie schuldbewusst an. Feycon unterdrückte einen Fluch, genau diese Situation wollte er vermeiden. Wenn Arien ihm nicht Löcher in den Bauch gefragt hätte, wären sie schon längst unterwegs gewesen und Mavea würde unschuldig in ihrem Bett schlafen. Aber nein, sie saßen noch immer wie zwei Bürohengste auf der Couch und hatten sich wie Schulmädchen von ihr überraschen lassen.
"Äh ... wir schauen uns Pläne an?", sagte Feycon vorsichtig und warf Arien einen vernichtenden Blick zu, da sich dieser mit einer unschuldigen Geste zurücklehnte.
"Pläne?", wiederholte Mavea ungläubig. "So spät noch? Und wofür habt ihr euch dann auch noch umgezogen? Ich denke nicht, dass man zum Pläne schauen ein ganzes Kampfarsenal am Körper tragen muss!" Sie ging auf die beiden zu und bedachte die Zeichnungen vor ihnen mit einem kurzen Blick, sagte allerdings noch nichts dazu. Sie wusste sowieso nicht, was das Gekritzel darstellen sollte. Stattdessen richtete sie ihren Blick wieder auf die beiden Männer und verschränkte abwartend die Arme vor der Brust. Sie wollte eine Erklärung und zwar rasch, wenn Mavea eins nicht leiden konnte, dann, dass sie von irgendetwas ausgeschlossen wurde, was sie womöglich auch etwas anging. Und ihrer Meinung nach ging alles was mit Feycon zu tun hatte sie etwas an. Hörte sich zwar bescheuert an und vermutlich hatte sie dazu auch gar kein Recht, aber er hatte ihr geholfen und sie würde ihm helfen, ob er wollte oder nicht.
Feycon seufzte und stand auf. Er ging auf Mavea zu und wollte sie berühren, ließ es aber sein, als er den seidenen kurzen Pyjama näher betrachtete. Er wollte sich nicht die Finger verbrennen, schon gar nicht, wenn Arien hinter ihm saß.
"Mavea, wir gehen heute in die Unterwelt", sagte er vorsichtig und erwartete einen tränenreichen Abschied.
So war das also! Eigentlich hätte Mavea sich das auch denken können. Deswegen hatten sie bereits alle Vorkehrungen getroffen und sich Pläne angeschaut. Allerdings fand sie ein klitzekleines Detail nicht okay, dass sie dabei vollkommen ausgeschlossen wurde. Die ganze Zeit hatte er ihr geholfen und jetzt wollte er ihr verheimlichen, dass er einen Ausflug zurück in die Unterweilt machte?! Das konnte er sich aber abschminken. Schon seit Mavea wusste, dass Arien die Verbindung von Feycon und Abigor nur in der Unterwelt lösen konnte, hatte sie sich fest vorgenommen, die beiden zu begleiten.
"Schön, ich werde mitkommen", bemerkte Mavea ernst. "Und bitte komm mir jetzt nicht mit einem Vortrag über die Gefahren in der Unterwelt. Ich weiß sehr genau, wie gefährlich es dort ist, aber egal was du sagst, ich gehe mit und damit basta!" Eins stand schon einmal fest, sie würde nicht nachgeben.
Ungläubig starrte Feycon sie an. Wo waren die Tränen? Wo waren die zärtlichen Umarmungen? Wo waren die süßen Abschiedsküsse? Stattdessen stand er vor einer kleinen Furie, welche unmögliches forderte.
"Du gehst nirgendwo hin mit!", sagte er überrascht. "Du bleibst schön hier und du hast vollkommen Recht, dort ist es tatsächlich gefährlich, also nichts für kleine Nimbadus!" Seine Stimme wurde mit jedem Wort fester und Empörung machte sich in ihm breit. Nie im Leben würde er Mavea auf diese gefährliche Mission mitnehmen!
"Kleine Nimbadus?", wiederholte Mavea aufgebracht. Für was hielt er sie eigentlich? Für ein kleines, unreifes Mädchen, dass es andauernd zu beschützen galt? Okay sie musste zugeben, dass sie ohne ihn ziemlich aufgeschmissen gewesen wäre, aber deshalb ließ sie sich noch lange nichts von ihm vorschreiben.
"Ich werde mitgehen, ob du willst oder nicht! Zur Not finde ich den Weg in die Unterwelt auch alleine, glaub mir!“ Sie hatte mit seiner Ablehnung gerechnet, aber seine Antwort machte sie wütend.
Unbeherrscht ergriff er ihre Oberarme und wollte sie zur Vernunft schütteln, aber er beließ es dann bei einem festen Griff.
"Hör bitte zu!" Wann hatte er jemals dieses eine Wort ausgesprochen, dachte er verwirrt. "Wir sind so schnell wie möglich wieder zurück, es wird überhaupt nicht lange dauern und du wartest hier inzwischen. Es wird nichts schief gehen, wir sind vorsichtig und passen auf, daher kannst du beruhigt auf der Insel bleiben. Du setzt keinen Fuß in die Unterwelt!", schloss er drohend seine Rede. Hilflos drehte er sich zu Arien um, der sich aus der ganzen Sache heraushielt. Am liebsten hätte er ihm den Hals umgedreht, da er nicht den Mund aufbrachte und ihm dabei half, Mavea zu überzeugen.
"Ich werde mit Sicherheit nicht tatenlos hier herum sitzen, während du und Arien euch in der Unterwelt herum treibt!", protestierte sie aufgebracht. "Mir ist völlig egal, dass deiner Meinung nach schon nichts schief gehen wird, ich werde mitkommen und damit ist die Sache für mich geklärt! Und wenn du jetzt wieder sagst, ich soll hier bleiben, dann hol ich auch noch meine Eltern dazu. Die stehen so tief in deiner Schuld, dass sie sofort zustimmen werden." Gott ... was redete sie da eigentlich? Sie würde niemals zulassen, dass ihre Eltern sich in Gefahr brachten, aber als Drohmittel eigneten sie sich irgendwie gut.
Feycon klappte der Mund nach unten. Hatte er sich gerade verhört? Er ließ Mavea los und stürmte fluchend auf die Terrasse. Er riss halb das Bambusgeländer aus seiner Verankerung, als er sich wütend daran festklammerte. Seine Gedanken rasten, wenn er sie hier ließ, dann würde sie weiß der Teufel was anstellen, um in die Unterwelt zu gelangen. Er stöhnte erbittert auf, als er sich ihre Eltern bildlich vorstellte, wie sie ihre neu gewonnene Tochter begleiteten. Der Bambus krachte und brach an einigen Stellen. Wenn er sie mitnahm, hatte er eine gewisse Kontrolle über sie und konnte sie sicher besser beschützen, als wenn sie auf eigene Faust loszog. Er traute ihr durchaus zu, dass sie dort mit ihren Eltern auftauchte. Ohne starken Willen und Mut hätte sie die vergangenen Jahre nicht überlebt. Aber alleine bei dem Gedanken, dass Mavea in Abigors Hände geriet, schrie alles in ihm auf. Wenn das geschehen würde, dann Gnade ihm Gott!
Arien stand gelassen auf. "Erstaunlich!", sagte er nur zu Mavea und grinste über das ganze Gesicht.
Mavea wusste, dass er es hasste, wenn er nicht die Oberhand über eine Situation hatte. Aber damit musste er sich abfinden, sie hatte nun einmal einen freien Willen und dieser bestimmte, dass sie ihm half.
Seufzend wandte sie den Blick von dem Krieger ab und sah stattdessen Arien fragend an.
"Wieso erstaunlich?", fragte sie irritiert. Mavea verstand diese Aussage nicht und auch sein breites Grinsen konnte sie nicht einordnen, da an dieser Situation nichts lustig war.
"Den Kampf in Feycon zu beobachten, wir er versucht sein gewohntes Verhalten bei dir in den Griff zu bekommen und es gelingt ihm wirklich gut, findest du nicht auch?", fragte er und sein Blick gab noch mehr Rätsel auf.
"Sein gewohntes Verhalten?" Maveas Blick glitt wieder zur Terrasse, auf der immer noch Feycon stand. Sie wusste zwar, dass Feycon immer alles mit Gewalt regelte, schließlich war das in der Unterwelt so üblich, aber das er versuchte, bei ihr sein Verhalten in den Griff zu bekommen, das war ihr bis jetzt gar nicht so bewusst gewesen. Sie hatte es bereits als selbstverständlich angesehen, schließlich war er eigentlich immer freundlich, hilfsbereit und charmant zu ihr, der "gewalttätige Krieger" war er ihr gegenüber noch nie gewesen.
"Sag Arien ... wieso weißt du so viel über Feycon? Ich meine, woher weißt du, dass er gerade gegen sein übliches Verhalten ankämpft, es ist ja nicht so, dass es offensichtlich wäre, oder?"
Ariens Mund ging ganz nah an Maveas Ohr heran und flüsterte: "Ich beobachte ihn schon sehr lange. Du hast ihn verändert, zumindest dir gegenüber ist er anders. Ihr beide gehört zusammen, das Schicksal hat es so bestimmt und keiner von euch kann es ändern. Er hat lange auf dich gewartet und du wirst seine Seele erlösen und ihn von dem Hass befreien." Mit diesen Worten drehte er sich um und ging mit einem zufriedenen Grinsen auf dem Gesicht zu Feycon.
Mavea sah Arien hinterher, während sie sich über seine Worte den Kopf zerbrach. Sie hatte sich noch nie großartig Gedanken über ihr Schicksal gemacht, aber dass dieses praktisch mit Feycon verbunden war, ließ sich aufgrund der vergangenen Ereignisse nicht leugnen. Aber dass alles vorherbestimmt war, bezweifelte sie. Natürlich wollte Mavea, dass es stimmte, jedoch ließ sie die Frage woher Arien so viel wusste nicht los. Wie sollte Mavea es zum Beispiel schaffen, seine Seele zu erlösen? Der Krieger wollte noch nicht einmal, dass sie mit in die Unterwelt kam. Wenn es nach ihm ginge, würde er Mavea wahrscheinlich einfach in Watte packen, damit ihr nichts passierte. Es war zwar schön, dass er sie beschützen wollte, jedoch sollte er es nicht übertreiben, Mavea war auch sehr gut in der Lage, sich selbst zu verteidigen.
"Sie kann nicht mitkommen!", knurrte Feycon und starrte in die Dunkelheit. "Wenn ihr etwas passieren würde ..." Er brach ab, Wellen der Angst schlugen über ihm zusammen und er war machtlos dagegen.
"Wenn wir sie nicht mitnehmen, was glaubst du, wird sie als Erstes machen?", fragte Arien vorsichtig.
Feycon schloss die Augen und ihm rutschte das Herz in die Hose, als wieder die absurden Bilder von Mavea und ihren Eltern durch seinen Geist wanderten. Hilflos sah er sie in der Unterwelt herumirren und das Bild wurde blutrot, als sie vom nächst besten Dämon zerrissen wurden. Jäh drehte er sich um und starrte Mavea an, welche im hell erleuchteten Wohnzimmer stand und ihn musterte. Diese Frau brachte ihn um den Verstand, ihre Sturheit in dieser Angelegenheit ließ ihn verzweifeln. Er focht einen inneren Kampf mit sich aus und wusste bereits, dass er verloren hatte.
Mavea erwiderte den Blick von Feycon, ohne mit der Wimper zu zucken. Er sollte sehen, dass sie es ernst meinte und sich nicht abwimmeln lassen würde. Dieses Mal würde der Krieger seinen Kopf nicht durchsetzen. Ohne denn Blickkontakt zu unterbrechen, trat sie ebenfalls auf die Terrasse und blieb vor Feycon stehen.
"Also was ist jetzt, nimmst du mich mit oder muss ich es ohne euch versuchen?"
"Nie im Leben lasse ich zu, dass du auf eigene Faust losziehst! Wenn ich nicht wüsste, dass du dich irgendwie versuchst zu befreien und es wird dir wahrscheinlich auch gelingen, dann würde ich dich einsperren." Er seufzte übertrieben.
"Einsperren?", wiederholte Mavea und zog eine Augenbraue nach oben. "Dein Beschützerinstinkt geht eindeutig mit dir durch, Feycon. Zumal ich mich bestimmt nicht einsperren lasse." Sie schüttelte seufzend den Kopf. "Egal ... dann wäre das Ganze geklärt, oder? Ich werde euch begleiten!"
Feycon knurrte nur bestätigend, zustimmende Worte brachte er einfach nicht über seine Lippen. Er malte sich schon die schlimmsten Situationen aus und bereute bereits diese Entscheidung, aber sie war endgültig. Besser er hatte sie im Blickfeld, als wenn sie alleine in der Unterwelt herumirrte.
"Zieh dir was an, so gehst du mir nirgends hin!", sagte er missmutig.
Mavea sah an sich herunter und nickte zustimmend. "Wird gemacht." Sie war sowieso nicht scharf darauf, im Pyjama durch die Unterwelt zu stapfen. Obwohl, wenn sie nur so mitgehen könnte, würde sie sogar das auf sich nehmen. Sie war dem Krieger eindeutig schon zu sehr verfallen. Hastig joggte sie die Treppen nach oben und sah sich in dem Kleiderschrank um. Irgendetwas Geeignetes musste es hier doch geben...
"Geht doch." Zufrieden zog sie sich schnell eine schwarze, bequeme Hose und ein ebenfalls schwarzes T-Shirt an. Ein dunkler Pullover rundete ihr Outfit ab. Fertig angezogen, schaute sie noch kurz in den Spiegel und stellte grinsend fest, dass sie so als Verbrecherin durchgehen könnte, fehlte nur noch die Wollmütze. Mit einem letzten Nicken Richtung Spiegelbild, begab sie sich wieder nach unten und kam vor Feycon und Arien zu stehen. "Fertig", verkündete sie außer Atem.
***
Die kleine Gruppe trat in der Nähe des Dämonensitzes vorsichtig aus dem Portal. Feycon fühlte sofort eine große Erleichterung, als die zum Zerreißen gespannten Ketten in ihm, mit einem unhörbaren Rasseln nachgaben. Wenn er dies so deutlich spürte, dann würde Abigor es sicher auch fühlen und wusste, dass er wieder da war. Sie schauten sich um, aber niemand war bei dem versteckten Eingang zu sehen. Der Legionenführer hatte diesen Tunnel vor langer Zeit durch Zufall entdeckt und ihn unbenutzt vorgefunden. Üppiges Dornengebüsch verbarg den Zugang und sie mussten den Eingang zum Tunnel suchen, aber Feycon fand ihn mit Hilfe seiner Magie. Er wusste nicht, wie der Gang entstanden war und hatte ihn nur einmal benutzt. Er führte tief in das gigantische, unterirdische Höhlensystem des Kriegsdämons und war ziemlich eng. Mavea konnte gerade noch aufrecht darin stehen, aber Arien musste in gebückter Haltung durchschlüpfen.
"Arien weiß, wie ihr zu meiner Unterkunft kommt und eigentlich solltet ihr unbehelligt bis dorthin gelangen. Seid aber trotzdem vorsichtig! Ich werde zu Abigor gehen, er weiß bestimmt schon, dass ich hier bin. Ich fühle es! Ihr wartet in meinem Quartier auf mich. Unternehmt nichts ohne mich!" Feycon sprach eindringlich auf die beiden ein und hoffte, dass sie sich auch daran hielten. Er hatte ein ungutes Gefühl bei der Sache, seit Mavea sich ihnen angeschlossen hatte. Arien nickte zustimmend und betrat die enge Dunkelheit des Tunnels. Die Zeit drängte, aber trotzdem nahm der Krieger Maveas Hand und hielt sie zurück.
Überrascht drehte sich Mavea noch einmal zu Feycon um. Er schien noch immer nicht begeistert davon zu sein, dass sie hier war und wenn sie darüber nachdachte, konnte sie ihn verstehen. Auch sie hasste es, wenn er sich in Gefahr begab. Einfach hier zu sein, das Gefühl zu haben, ihm zu helfen, beruhigte sie in einem großen Ausmaß, daher hatte sie kein schlechtes Gewissen ihm gegenüber.
"Wir bekommen das schon irgendwie hin", versicherte sie ihm mit mehr Zuversicht, als sie eigentlich verspürte. Vor sich selbst konnte sie nicht leugnen, dass sie Angst um ihn hatte. Abigor war schließlich ein Fürst der Unterwelt und seine Grausamkeit sprengte alle Grenzen. Wenn ihnen auch nur ein Fehler unterlief, war alles vorbei.
Feycon ließ Mavea gar nicht weiter sprechen, er zog sie an seinen Körper und drückte sie fest an sich. Mit der freien Hand umfasste er ihren Hinterkopf und schaute ihr noch einen kurzen Moment in ihre dunklen, geheimnisvollen Augen, bevor er seinen Mund hart auf ihre weichen Lippen presste. Er stöhnte verzweifelt auf und ließ all seine Zweifel, Ängste und Sorgen in diesen Kuss fließen. Am Anfang schmeckte er wie ein Abschied, aber er verwandelte sich rasch und der Druck seiner Lippen ließ nach. Er wollte mehr, lockte sie mit seiner Zunge und strich sinnlich mit seiner Unterlippe über ihren Mund und bat um Einlass. Sein Herz schlug schneller, seine Atmung kam stoßweise und von ihm ging eine unglaubliche Hitze aus. Zumindest hatte er das Gefühl zu brennen.
Mavea schlang automatisch ihre Arme um seinen Hals und zog ihn zu sich hinunter. Ungestüm drängte sie sich an ihn und gewährte seiner Zunge schließlich Einlass. All ihre Sinne konzentrierten sich augenblicklich nur noch auf Feycon, um sie herum verblasste alles, obwohl sie wusste, dass sie eigentlich noch etwas Dringendes zu erledigen hatten. Sie konnte dem Krieger einfach nicht widerstehen, eine Berührung von ihm reichte aus, um sie völlig um den Verstand zu bringen. So wie jetzt.
Mit jeder Faser seines Körpers sehnte er sich nach dieser Frau. Feycon spürte ihre völlige Hingabe und eroberte die Süße ihres Mundes. Fordernd nahm er sich alles, was sie ihm anbot und er verfluchte gleichzeitig diesen Ort. Dieser war ihm nur zu bewusst, daher verlor er diesmal nicht seine Beherrschung und löste sich, nach mehrmaligem Räuspern aus Ariens Richtung, bedauernd von ihren weichen Lippen. Er ließ ihr noch einen Moment um wieder klar denken zu können.
"Ich liebe dich", flüsterte er dann leise und war selbst über seine Worte überrascht. Ein innerer Drang trieb ihn zu diesen drei magischen Worten und kaum hatte er sie ausgesprochen, stellten sie für ihn eine unumstößliche Zukunft dar. Feycon wollte diese mit Mavea verbringen und falls ihm dies nicht gelingen sollte, wollte er lieber im Kampf dafür draufgehen, als ohne sie zu leben.
Es dauerte einen Moment bis Mavea seine Worte richtig realisiert hatte und selbst dann noch schien es ihr unwirklich, dass dieser Mann sie wirklichen lieben sollte. Diese Liebeserklärung aus Feycons Mund zu hören war unglaublich und eigentlich alles was sie sich in den letzten Wochen gewünscht hatte. Die quälende Frage, ob er dasselbe fühlte wie sie, war nun beantwortet und ihr Wunsch erfüllt. Mavea überbrückte ein weiteres Mal den Abstand zwischen ihnen und legte ihre Lippen sacht auf seine und sah ihm dabei tief in die Augen. Danach lehnte sie ihren Kopf an seine Brust und lauschte eine Weile seinem raschen Herzschlag, bevor sie zum Sprechen ansetzte.
"Ich liebe dich auch", flüsterte sie leise. Die Worte kamen ihr leicht über die Lippen, sie hatte sich schon lange danach gesehnt es ihm zu sagen und dieser Moment würde trotz der ungewöhnlichen Umgebung und der gefährlichen Aufgabe die noch vor ihnen lag, der schönste in ihrem Leben sein.
Ein seliges Grinsen trat auf Feycons Lippen und er konnte es nicht abstellen.
"Wenn ihr hier noch lange herumturtelt, ersparen wir uns das anschleichen, denn irgendwann werden sie uns abholen kommen", schimpfte Arien und sah beide mahnend an.
Der Krieger sah ein, dass es an der Zeit war, sich zu trennen und ließ Mavea los.
"Du passt auf sie auf Warlock! Wenn ihr ein Haar gekrümmt wird, dann mache ich dich persönlich dafür verantwortlich!"
Noch einmal strich er ihr über die Wange und gab ihr einen sanften Kuss, bevor er sich abrupt umdrehte und ging.
Mavea sah Feycon noch kurz hinterher bevor sie sich mit einem glücklichen Lächeln zu Arien umdrehte und diesem einen entschuldigenden Blick zu warf. Er hatte ja Recht, eigentlich sollten sie sich beeilen und das ganze hier hinter sich bringen, aber manchmal vergaß man die Zeit bei außergewöhnlichen Augenblicken.
"Okay, wir sollten jetzt auch los", bemerkte sie leise und warf einen misstrauischen Blick zum Höhleneingang. Ihr wurde mulmig zumute, als sie an Spinnen und sonstiges Getier dachte, welche an solchen Orten hausten.
Arien ging vor und fluchte ein paar Mal, als er sich immer wieder den Kopf an der niedrigen Tunneldecke anstieß. Ihre einzige Lichtquelle war ein blaues Feuer, dass von Ariens Handfläche erstrahlte. Jedes Mal wenn er seine Konzentration verlor und er wegen einem neuerlichen Kopfstoss zu fluchen begann, erlosch die unnatürliche Flamme und hüllte sie in Finsternis.
Mavea lief dicht hinter Arien her und starrte stur auf seinen Rücken, sie war für die Lichtquelle dankbar, die er erzeugte. Allerdings erlosch das Licht ziemlich oft, daher geisterten in ihrer Vorstellung schreckliche Bilder von Riesenspinnen und Monsterratten herum. Kein einziges Mal machte sie sich Gedanken, dass ihnen Dämon folgen könnten.
"Hoffentlich sind wir bald draußen“, seufzte sie verzweifelt, nachdem Arien sich ein weiteres Mal den Kopf gestoßen hatte und die beiden wieder einmal im Dunkeln standen. "Dieser Ort bereitet mir echt Gänsehaut."
***
Mit raschen Schritten näherte sich Feycon dem offiziellen Eingang des Dämonensitzes und die Wachen erkannten ihn bereits von weitem. Respektvoll nahmen sie Haltung an und nicht im Traum wäre es ihnen eingefallen, ihn aufzuhalten. Ungehindert wandte er sich Richtung Audienzhalle und bemerkte, dass auf den Gängen normaler Betrieb herrschte. Krieger, Diener und Legionenführer kreuzten seinen Weg. Manche grüßten ihn, aber er ignorierte sie alle, sein einziges Ziel war Abigor. Er musste ihn von Arien und Mavea ablenken, er durfte keinen Verdacht schöpfen, sonst hatten sie mehrere Legionen am Hals und das war das Letzte was er wollte. Mit einem kurzen Gedanken aktivierte er seine Magie. Der Krieger brauchte nun all seine Fähigkeiten um gegen seinen Herrn zu bestehen. Seine Magie tastete die unmittelbare Umgebung ab, auch lockerte er beim Gehen vorsichtshalber seine Waffen, damit er die Bastartschwerter bei Bedarf rasch benutzen konnte. Von weitem nahm er nun den Kriegsdämon wahr und stellte fest, dass Abigor nicht alleine war.
***
"Ahhhh", fuhr Arien gerade auf, als er sich diesmal den Ellbogen aufschürfte. Er stutzte überrascht, da er im Dunkeln plötzlich einen kleinen Lichtschimmer in Brusthöhe wahrnahm.
"Was haben wir denn da?", flüsterte er erfreut und sah durch das faustgroße Loch. Er blickte auf eine große Halle hinab und er schätzte, dass sie in einer Höhe von zwei Metern über dem Hallenboden waren. Fassungslos keuchte er auf, als er einen Thronsessel erkannte und auf diesem saß unverkennbar ein alter Freund. Nie hätte er gedacht, dass es so einfach war, hier einzudringen. Dass es so einfach war, den großen Kriegsdämon Abigor wieder zu sehen. Über ein Jahrhundert hatte er sich auf dieses Treffen vorbereitet und trotzdem übermannte ihn eine leise Furcht, dass er versagte.
Neugierig trat Mavea neben Arien, da dieser aber das Loch versperrte konnte sie nicht viel sehen.
"Was ist den da? Was siehst du?", fragte sie ihn ungeduldig und trat nervös von einem Fuß auf den anderen. Was auch immer sich hinter diesem Loch befand, schien Arien ziemlich zu fesseln. Sie musste den Drang unterdrücken, ihn zur Seite zu schieben, um auch einen Blick durch das Loch werfen zu können, zumal sie ihn sowieso nicht von der Stelle bekommen hätte.
Arien hatte genug gesehen, daher ließ er Mavea zu der Öffnung in der Wand. Er hatte Feycon nirgends entdecken können, daher wollte er sich an den Plan halten und zum Quartier des Kriegers weitergehen.
Mavea traute ihren Augen nicht, als sie eine riesige Halle sah, in der mehrere Männer waren. Sie hatte noch nie Dämonen gesehen und war über ihr menschliches Aussehen überrascht. Einzig der Mann auf dem Thronsessel unterschied sich von den anderen. Sie hatte Abigor zwar noch nie gesehen, aber sie wusste sofort, dass er der große Kriegsdämon war. Sein Gesicht war eine groteske Maske aus tiefen Furchen, seine große Nase erinnerte an den Schnabel eines Raubvogels und die riesigen Ohren an eine Fledermaus. Er hatte keine Haut, sein Körper war mit einem schwarzen, kurzen Fell überzogen, einzig sein Gesicht bestand aus einer harten, bleichen Knochenstruktur. Er musste über 2 Meter groß sein und er hielt einen langen, schweren Stab mit drei Zacken am Ende in seiner Hand. Wenn sie bis jetzt noch keine Angst gehabt hatte, dann kroch sie spätestens jetzt in jeden Winkel ihres Körpers. Der Anblick des Dämons genügte um bei ihr eine Gänsehaut hervorzurufen. Was aber noch lange nicht bedeutete, dass sie aufgab.
"Wir müssen weiter." Fest entschlossen trat Mavea vom Loch weg und ließ Arien wieder den Vortritt, er war schließlich derjenige mit dem Licht.
Nach einer Weile bekam der Tunnel mehrere Abzweigungen und diese wiederum hatten Verästelungen, welche immer tiefer in den Fels führten. Arien zählte die Gabelungen auf beiden Seiten mit und schließlich mündete der von ihm gewählte Gang an einer dicken, verstaubten Holztür. Sie ließ sich schwer öffnen und knarrte laut, daher versuchte er sie mit einem Ruck zu öffnen, damit der Krach nur kurz zu hören war. Kaum hatte er die Tür nach innen ganz geöffnet, fiel ihm eine Menge Gerümpel entgegen. Kisten und Metallteile landeten teilweise auf seinen Füßen, was ihn wieder fluchen ließ.
"Verflucht noch mal! Wenn mich Dämonen nicht zur Strecke bringen, dann schafft das auf jeden Fall dieser verdammte Ort!" Arien reduzierte im letzten Moment noch seine Lautstärke, da mit Leichtigkeit ein Dämon auf der anderen Seite der Tür auf den Lärm aufmerksam werden konnte.
"Alles okay?", erkundigte sich Mavea besorgt und warf einen kurzen Blick auf den Ramsch zu Ariens Füßen. "Anscheinend halten Dämonen nicht viel von Ordnung." Ein wenig tat es ihr leid, dass immer er alles abbekam.
Er brummte lediglich vor sich hin und Mavea konnte nur die Worte Dämonenbrut und Haushaltsführung deutlich heraus hören. Behutsam stieg er über das Hindernis und blickte vorsichtig um die Ecke. Arien deutete ihr, dass sie warten sollte und verschwand lautlos. Er kam in eine kleine Kammer, die offensichtlich als Aufbewahrungsort für Allerlei verwendet wurde. Diese hatte nur einen offenen Durchgang zum angrenzenden Gang und durch diesen warf er einen prüfenden Blick. Wie Feycon beschrieben hatte, war dieser Bereich weniger frequentiert, da sich hier die Unterkünfte der Legionenführer befanden. Als er niemanden draußen sah, rief er Mavea und sie schlüpften gemeinsam durch die schräg gegenüberliegende Tür und befanden sich in Feycons Quartier. Arien blickte sich kurz um und vergewisserte sich, dass hier für Mavea keine Gefahr bestand und ließ sie alleine, da er wieder die verborgene Tür in der Kammer für andere unsichtbar machen wollte.
Kaum hatte Arien Mavea alleine gelassen, sah sie sich etwas näher im Raum um. Er war verhältnismäßig groß, wenn man bedachte, dass er tief in Fels gehauen war. Es gab keine Fenster, aber magische Lichtquellen an den Seitenwänden erhellten ihn und tauchten alles in eine angenehme Atmosphäre. Die Wände bestanden aus unregelmäßigem, beigem Gestein und der Boden war mit dicken Teppichen ausgelegt. Es gab keinerlei Dekorationen oder Erinnerungsstücke, im Grunde war dieser Raum leer, bis auf ein großes Bett, einen Kleiderschrank und ein kleines Bücherregal aus Ebenholz. Das Bett mit den dunklen Laken beanspruchte den meisten Platz und dominierte den Raum. Mavea konnte sich nicht vorstellen, hier zu leben, für ihren Geschmack war es zu kahl und leblos. Nachdenklich ließ sie ihren Blick zu einer dunklen Ecke im Raum schweifen und entdeckte zwei Türen. Neugierig wie sie war, öffnete sie eine davon und betrat ein Badezimmer. Irgendwie hatte sie mit so etwas überhaupt nicht gerechnet. Erstaunt betrachtete sie Dusche, WC und Waschtisch. Auch hier gab es nur den nackten Fels und die Möbel bestanden aus Ebenholz. Kopfschüttelnd schlüpfte sie wieder zurück ins Zimmer und öffnete die zweite Tür. Diese führte in eine kleine Küche, die mit dem notwendigsten ausgestattet war. Weder Fliesen noch Malerfarbe dekorierten die Wände, offene Regale, ein Tisch mit Sessel und eine Feuerstelle mit Abzug, ließen diesen Raum überhaupt als Küche erkennen. Hier war es wesentlich kälter und Mavea konnte ihre ausgestoßene Atemluft sehen. Sie schloss schnell wieder die Türe, da ihr Kälteschauer über den Rücken liefen. Im Prinzip war sie in einer kleinen Einzimmerwohnung, nur dunkler... kahler und weniger einladend. Wenn sie darüber nachdachte, musste das Gästehaus auf der Insel Feycon wie der reinste Luxus vorgekommen sein.
Arien betrat wieder den Raum.
"Die Luft ist rein, alles ruhig draußen. Es sind zwar ein paar Gestalten vorbei gegangen, aber keiner hat uns gesehen. So, jetzt ist wohl warten angesagt." Er machte einen kleinen Rundgang durch das Zimmer und blieb dann vor der kleinen Büchersammlung stehen. Ein Schmunzeln trat auf seine Lippen, als er die Buchtitel las. Arien nahm sich "The Lord of the Rings" zur Hand und blätterte darin.
"Warten?" Mavea seufzte. Sie konnte ziemlich ungeduldig und nervös werden, vor allem wenn sie nicht wusste, was draußen in diesem Moment vor sich ging. Was war, wenn Abigor Feycon etwas antat weil er solange weg war und er nicht mehr hierher kommen konnte? Oder wenn Abigor alles durchschaute und sich bereits darauf vorbereitet hatte? Sie schüttelte kurz den Kopf und verbannte diese Gedanken in den hintersten Teil ihres Kopfes. Man sollte nicht den Teufel an die Wand malen, es würde schon alles gut gehen, davon war Mavea überzeugt. Um sich ein wenig abzulenken warf sie einen Blick zu Arien.
"Was liest du da?", fragte sie ihn neugierig. Sie war einigermaßen überrascht darüber, dass der Krieger Zeit zum Lesen hatte und überlegte, welche Bücher wohl im Regal standen.
***
Vollkommene Ruhe breitete sich in Feycon aus, er konzentrierte sich auf seine Aufgabe und ließ jegliche Gefühle oder Sorgen weit in den Hintergrund seines Denkvermögens sinken. Er griff auf seine jahrelange Erfahrung auf dem Schlachtfeld zurück und stellte sich seinem schwersten Gegner. Gelassen trat er in die Audienzhalle, alle Gespräche verstummten mit einem Schlag und der Legionenführer nahm die dunklen Auren der Anwesenden wahr. Er könnte ohne schlechtes Gewissen hier allen die Köpfe abschlagen, niemand würde um sie trauern, niemand würde sie vermissen und noch weniger wäre es ein Verlust für die Welt.
"Wen haben wir den da? Ein verlorenes Schaf kehrt nach Hause zurück!", sagte Abigor sarkastisch, lehnte sich in seinem Thron zurück und musterte aufmerksam den heimkehrenden Krieger.
"Mein Lord!" Feycon blieb einige Meter vor ihm stehen und neigte den Kopf ein wenig zur Begrüßung. Seine Sinne erfassten die gesamte Halle und er wusste, dass Abigor das rote Glühen unter seiner Kapuze nicht entging. Die anwesenden Dämonenkrieger waren seiner Kraft und Schwertkunst nicht gewachsen, daher stufte sie Feycon als ungefährlich ein. Seine gesamte Konzentration richtete sich aber erst auf seinen Herrn, als dieser die Männer aus der Halle schickte und sie alleine waren.
"Ein Legionenführer der seine Legion im Stich läßt muss einen guten Grund dafür haben, welcher ist deiner?", fragte der Kriegsdämon leise.
Wenn Feycon die Geschwätzigkeit seines Hauptmannes Seth bedachte, dann wusste Abigor bestimmt, was auf dem Schlachtfeld vorgefallen war. Aber in diesem Moment stand er vor der Entscheidung, wie sein weiteres Leben verlaufen würde und er beschloss, dass der Zeitpunkt so gut wie jeder andere war, um zu sterben.
"Freiheit", sagte er daher schlicht.
Abigors knöchernen Augenbrauen fuhren in die Höhe. "Hmm ... ein machtvoller Grund, aber für mich nicht nachvollziehbar! Habe ich dir nicht alle Freiheiten gelassen? Habe ich mich denn nicht aufopferungsvoll um dich gekümmert? Nicht nur das, ich habe dir eine Legion anvertraut und du hattest mehr Rechte als sonst irgendeiner meiner Vasallen." Der Dämon blieb verhältnismäßig ruhig und spielte das arme Opfer in seiner Farce.
"Rechte?", fragte Feycon ungläubig, "Weißt du überhaupt was dieses Wort bedeutet?"
"Halt dein Maul!", schrie Abigor plötzlich und sprang von seinem Stuhl auf. "Willst du mich etwa darüber belehren, wie ich mit euch umzugehen habe? Eigentlich bist du das beste Beispiel dafür, dass es ein Fehler ist, wenn man die Zügel ein wenig lockert. Kaum lasse ich dich selbst entscheiden, fällst du mir in den Rücken. Wo warst du?" Aufgebracht tippte er Feycon an die Brust.
"Wann habe ich jemals etwas selbst entschieden? Du hast mich nicht gefragt, ob ich für dich kämpfen will, du hast es einfach bestimmt. Du wusstest, dass ich nicht dein Sklave sein wollte und einzig meine Mutter hat mich davon abgehalten, von hier zu verschwinden. Ich wusste, dass sie als nächste dran wäre, wenn du mich erledigt hast."
Langsam kochte heiße Wut in Feycon hoch und er vergaß seine Wachsamkeit. Dieser verdammte Kriegsdämon hatte nur Scheiße im Hirn und es wurde langsam Zeit, dass ihm wer den hässlichen Schädel wusch. Er riss sich die Kapuze vom Kopf und starrte Abigor mit seinen glühenden, blutroten Augen an. Nur kurz flackerte Unsicherheit in Abigors Gesicht auf, aber er fing sich schnell wieder und besann sich auf seine ungeheuerliche Macht.
"Du hinterhältige Ratte!" Der Kriegsdämon schüttelte enttäuscht seinen Kopf und setzte sich wieder auf seinen selbstherrlichen Thron. "Und du weißt sehr wohl, was ich mit ausrangierten Ungeziefer mache."
Plötzlich durchzog ein scharfer Schmerz den Kopf des Legionenführers und er versuchte trotz dieser unglaublichen Pein Abigor anzugreifen. Feycon zog beide Bastardschwerter, aber seine Magie konnte ihm nicht helfen. Sein Radarsystem fiel komplett aus, er konnte den Dämon nicht mehr wahrnehmen. Grelle Blitze peinigten seine Augen und er sah nur mehr verschwommene Schatten. Feycon brüllte vor Schmerz auf, sein Kopf fühlte sich an, als ob brennende Dolche immer wieder auf ihn herabsausten. Der heftige Druck von Abigors dunkler Kraft ließ bereits Blut aus den Augenwinkeln und Ohren hervorquellen, welches sich mit dem kalten Schweiß auf seiner Haut vermischte. Feycon sank auf die Knie und ließ seine Waffen fallen. Sein gesamter Fokus richtete sich auf diese unsagbare Qual. Trotz seiner Schreie begann er zu würgen und der stolze Krieger wusste, dass sein Ende nahte. Er konnte sich Maveas Antlitz nicht mehr in Erinnerung rufen, da sein Hirn dafür nicht mehr die Kraft aufbrachte. Blutige Tränen vermischten sich mit dem Staub auf dem Boden und Feycon ersehnte einen raschen Tod. Schüttelfrost ließ seinen Körper erzittern und die Atmung ging zu rasch für seine Lungen, sie konnten die Unmengen an Sauerstoff nicht verarbeiten. Dankbar sank er in eine erlösende Bewusstlosigkeit.
Kapitel 9
Langsam wurden die beiden Wartenden ungeduldig. Feycon war noch immer nicht zurückgekommen und sie wussten nicht, was da draußen vor sich ging. Es musste bereits knapp eine Stunde vergangen sein, schätzte Mavea, die mit jeder verstrichenen Sekunde noch unruhiger wurde.
"Ich werde jetzt nachsehen gehen!", beschloss sie nach weiteren 10 Minuten und sprang vom Bett auf. „Irgendetwas stimmt da nicht!", war sie sich sicher.
Vielleicht hatte Abigor etwas bemerkt und Feycon bereits hingerichtet. Bei diesem Gedanken wich ihr alle Farbe aus dem Gesicht.
"Das wird ihm nicht gefallen, aber ich habe auch ein ungutes Gefühl bei der Sache! Er sollte schon längst hier sein", antwortete Arien unruhig. Er lief ebenfalls im Raum nervös auf und ab. "Okay, schauen wir nach!"
Vorsichtig spähten sie durch den schmalen Türspalt und da der Gang wie ausgestorben war, erreichten sie ohne Probleme den verborgenen Eingang zum Tunnel. Mavea rannte ohne Licht den Weg zurück und stolperte in der Dunkelheit mehrmals.
"Langsam Mädchen, sonst rennst du noch wo dagegen!"
Arien ließ wieder auf seiner Handfläche die blaue Energiekugel aufleuchten und sie eilten nun wesentlich schneller durch den Tunnel.
"Was ist, wenn Abigor ihm irgendetwas angetan hat?", fragte Mavea ihren Begleiter besorgt und warf diesem einen kurzen Blick zu. Sie wollte nicht anhalten, denn das würde nur unnötig Zeit kosten. Der Gedanke, dass jede Sekunde zählen könnte, trieb Mavea weiter.
"Ihm wird schon nichts passiert sein, er ist ja schon ein großer Junge", versuchte er Mavea zu beruhigen, aber man hörte seiner Stimme an, dass er sich ebenfalls sorgte.
"Ja, ein großer Junge mit einem riesigen Aggressionsproblem und dem Drang zur Dramatik", murmelte sie. "Keine besonders gute Mischung."
Endlich schafften sie es unbeschadet zu der Stelle und Mavea beugte sich ungeduldig über das Loch. Ihr Magen zog sich beim Blick in die Halle schmerzhaft zusammen. Abigor sah mit einem gehässigen Lächeln von seinem Thron auf einen Mann hinab, der reglos am Boden lag. Allein das leichte auf und absenken seiner Brust zeigte, dass er noch nicht tot war. Mavea keuchte auf, als sie erkannte, wer dort lag. In ihren Augen begannen sich ungewollt Tränen zu sammeln, Tränen die sie nun aber zurück halten musste. Sie würde nicht zulassen, dass Abigor ihr das Einzige wegnahm, das ihrem Leben seit langem wieder einen Sinn gab. Sie würde nicht weinen, sondern sie musste für Feycon stark sein. Der Schmerz wurde augenblicklich von unbändigem Zorn überlagert. Eine unsagbare Wut stieg in Mavea empor und im selben Augenblick spürte sie, wie sich die Luft um sie herum auflud. Die Energie erfüllte binnen weniger Sekunden den Tunnel und erreichte schließlich auch die Halle unter ihr.
Arien riss überrascht die Augen auf. Er hatte eine schlechte Vorahnung, als er Maveas heftige Atmung sah. Seine Sinne schrieen warnend auf, als ihn diese unbekannte Macht umgab. Was hatte sie dort unten gesehen?
Mavea brauchte nicht lange, um die gesamte Energie auf einem Punkt zu konzentrieren. Zuerst verdichtete sich die Luft um sie, bis man die Hand vor Augen nicht mehr sah. Der starke Druck in der Atmosphäre verwandelte sich in einen dichten Nebel und breitete sich bis zur Halle aus. Mit großer Genugtuung genoss Mavea den überraschten Blick von Abigor, denn sie war die Einzige, die trotz des undurchdringlichen Elements klar sehen konnte.
Arien hatte dieses Phänomen bereits in dem Kerker miterlebt, aber hier war das Ausmaß bei weitem stärker. Er beruhigte sich etwas und drückte Mavea zur Seite, damit er durch das Loch hinunter blicken konnte. Ein sinnloses Vorhaben, da er auf eine milchige Wolkenmasse sah, welche die gesamte Halle auszufüllen schien.
"Mavea, was hast du gesehen?", fragte er angespannt und tastete nach ihr.
Er hatte bereits sein Licht erlöschen lassen, da es den dichten Nebel nicht durchdringen konnte.
Mavea brauchte einen Moment, da sie sich voll und ganz auf Feycon konzentrierte. Ihre wichtigste Aufgabe war es, ihn zu schützen und vor dem Dämon zu verbergen.
"Abigor weiß es", antwortete sie schließlich und drehte sich zu Arien um. "Er hat Feycon übel zugerichtet und er ist nicht bei Bewusstsein. Irgendwie muss Abigor es herausbekommen haben …"
Es war alles ihre Schuld. Sie hatte unbedingt gewollt, dass er bei ihr blieb. Seufzend fuhr sie sich mit einer Hand durchs Haar. Ändern konnte sie es nicht mehr, aber sie würde auf keinen Fall aufgeben. Durch den Nebel hatten sie wenigstens einen Vorteil und den Überraschungsmoment auf ihrer Seite.
"Verdammt! Feycon muss wach sein, sonst kann ich die Verbindung nicht trennen."
Arien rieb sich nachdenklich die Stirn und ergriff Maveas Hand, da er sie in dieser undurchdringlichen Suppe nicht verlieren wollte. "Kannst du mir genau sagen, wo Feycon liegt? Ich weiß wo der Thronsessel ist, wie viele Meter ist er von ihm entfernt? Hör zu, ich werde uns da hinunter bringen. Während ich Abigor ablenke, versuchst du den Krieger wieder wach zu bekommen. Du solltest also so genau wie möglich seine Lage schätzen, sonst landen wir noch auf Abigors Kopf. Und vor allem hole ihn schnell wieder zurück, ich weiß nicht, wie lange ich den Dämon beherrschen kann."
Innerlich bereitete sich Arien auf das einstudierte Ritual vor, er besaß heute bei weitem mehr Macht, als vor hundert Jahren. Vielleicht unterschätzte ihn Abigor dadurch und sie hatten eine Chance.
Mavea warf einen weiteren Blick durch das Loch und seufzte innerlich. Sie war noch nie gut im Entfernungen schätzen, aber wenn sie Feycon retten wollte, musste sie sich jetzt zusammenreißen. Irgendwie musste auch das zu schaffen sein. So gut es ging versuchte sie die Lage des Kriegers abzuschätzen.
"Also ... ich bin nicht wirklich gut darin, aber ich würde sagen Feycon liegt ungefähr 5 Meter vom Thron entfernt." Mavea verharrte kurz und sah wieder zum Warlock. "Kannst du dir was darunter vorstellen?"
Arien konzentrierte sich und zog Mavea nah an sich heran.
"Es wird schon gehen!"
Langsam baute sich wieder der Sog um sie herum auf und selbst in der Enge des Tunnels aktivierte sich der Eingang zum Portal. Schnell traten beide hindurch und fanden sich im gleichen Nebel wieder, nur das diesmal Arien aufrecht stehen konnte. Mavea erkannte sofort, dass sie sich mit der Meteranzahl verschätzt hatte und zog den Warlock mit sich zu Feycon. Er lag regungslos auf dem Boden, nur sein Blut tropfte stetig aus den Ohren.
Arien kniete sich zu dem Krieger hinunter und untersuchte ihn lautlos. Sein Herzschlag war kräftig und er atmete gleichmäßig, daher überließ er Feycon Mavea und konzentrierte sich auf Abigor, dem ihre Ankunft nicht verborgen geblieben war. Langsam entfernte sich Arien von den beiden. Er konnte in dieser milchigen Brühe nichts erkennen, daher machte er sich auf alles gefasst. Plötzlich schlug knapp neben ihm ein heller Energiestrahl im Boden ein und mit einem Hechtsprung auf die Seite entging er dem zweiten Angriff. Er schüttelte den Kopf und versuchte seine Konzentration auf das unsichtbare Band zwischen dem Kriegsdämon und seinem Legionenführer zu richten, aber er erkannte nur ein Ende und das war definitiv zu wenig. Er musste mehr Zeit herausschlagen, bevor Abigor einen Glückstreffer hier im Nebel landete und einen von ihnen noch erwischte. Deshalb gab er sich zu erkennen.
"Was ist aus deiner Treffsicherheit geworden, alter Freund?", fragte er mit einer fast liebevollen Stimme.
Der Angesprochene keuchte überrascht auf und durchkämmte den undurchdringlichen Nebel mit seinen scharfen Augen.
"Arien?" Abigor traute seinen Ohren nicht, er brauchte Gewissheit.
"Leibhaftig." Der Warlock tastete sich vorsichtig von dem verletzten Krieger weg und war sehr froh über diesen unerwarteten Sichtschutz.
"Unglaublich! Wie lange ist das her, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben?"
"Solltest du nicht besser fragen, seit du mir meine Familie weggenommen hast?" Der Sarkasmus troff jetzt förmlich aus Ariens Stimme und die vertraute Wut kroch ihm in seine Eingeweide.
"Das trägst du mir doch nicht noch immer nach? Für so kleinlich hätte ich dich nicht gehalten!" Der Kriegsdämon lachte laut auf.
Der Warlock suchte wieder nach der Verbindung, aber Feycons Ende war nicht greifbar. Er sah deutlich den glitzernden Strang von Abigor und ein zufriedenes Grinsen trat auf sein Gesicht, da er jetzt genau wusste, wo sich der Kriegsdämon befand.
"Keine Angst mein Freund, als >kleinlich< werde ich diese Angelegenheit sicher nicht betrachten."
Mavea achtete schon gar nicht mehr auf Arien und Abigor. Weder interessierte sie sich in diesem Augenblick dafür, über was sie redeten, noch ob es gut oder schlecht für sie war. Ein Blick in Feycons Gesicht reichte aus, um sie völlig aus der Fassung zu bringen. Es war blutverschmiert, das scheinbar aus seinen Augen kam. Mavea wusste nicht genau, ob es genauso schlecht um ihn stand, wie es für sie gerade aussah. Sie hoffte nicht, sie wollte ihn nicht verlieren. Der Krieger musste überleben und er würde, denn Arien wäre nicht gleich zu Abigor gegangen, wenn Feycon im Sterben läge. Mavea konnte seine Atemzüge deutlich erkennen. Das stetige Heben und Senken seiner Brust beruhigte sie soweit, dass ihr wieder einfiel, was Arien ihr aufgetragen hatte. Sie musste Feycon wecken, nur wie? Vorsichtig fuhr sie mit den Fingerspitzen über seine Wange, ohne darauf zu achten, dass das Blut an ihrer Hand kleben blieb und flüsterte seinen Namen. Mavea wusste, dass sie leise sein musste, auch wenn sie am liebsten geschrieen hätte. Jede noch so kleine Bewegung, jeder noch so kleine Mucks könnte ihnen das Leben kosten und das wollte sie nicht riskieren. Sie ergriff seine Hand und übte leichten Druck aus. Mavea wusste nicht, wo er verletzt war und wollte ihm auch nicht unnötig Schmerzen zufügen. Das erschwerte die ganze Sache noch. Als keine Reaktion kam, ergriff sie seinen gesamten Arm und schüttelte ihn vorsichtig. Immer wieder flüsterte sie seinen Namen, doch er zuckte nicht einmal mit den Wimpern. Mavea wusste nicht was sie machen sollte, es schien ausweglos. Wenn sie nicht vorhatte, ihm eine Ohrfeige zu verpassen, was sie auf keinen Fall tun würde, dann bekam sie ihn wahrscheinlich überhaupt nicht wach.
Arien schloss die Augen und konzentrierte sich auf seine Hände. Er beschwor das blaue Feuer herauf, aber diesmal war es keine kleine Flamme in der Handfläche, sondern hell loderte ein bläulich weißer Flammenball zwischen seinen Händen auf. Mit voller Wucht schleuderte er diesen Richtung Abigor, der kurz danach aufjaulte. Ein fürchterlicher Gestank breitete sich in kürzester Zeit von dem verbrannten Fell des Kriegsdämon aus, aber Arien machte, dass er wegkam. Keinen Augenblick zu spät, da ein Energiestrahl die Stelle traf, wo er gerade noch gestanden hatte.
"Du hast geübt, wie ich sehe!", höhnte der Dämon. "Aber ich bin ein Nummer zu groß für dich, alter Freund!"
Arien blieb in Bewegung, denn er nahm die Drohung durchaus ernst. Er wusste auch, dass er nur gemeinsam mit Feycon eine Chance gegen Abigor hatte.
"Was willst du überhaupt nach all diesen Jahren hier?", hörte er den Dämon fragen.
Am liebsten hätte Arien ihm seine Wut und Rachegedanken ins Gesicht geschrieen, aber er beherrschte diesen Drang. Er wollte nicht durch eine unbedachte Dummheit seinen über Jahre vorbereiteten Plan zunichte machen. Immer wieder prüfte er die geistige Verbindung zwischen den beiden, aber Mavea hatte wohl Schwierigkeiten den Krieger wach zubekommen.
"Ich wollte nur mal Hallo sagen, so wie es sich gehört zwischen alten Freunden."
Inzwischen hatte er Abigor zur Hälfte umrundet und er wusste, dass er seinen Standort durch die Antwort verraten hatte, aber dadurch musste Abigor nun auch Feycon den Rücken kehren.
"Das ist sehr zuvorkommend von dir!"
Ein stärkerer Energiestoß als zuvor schlug direkt neben Arien ein. Die Kleidung seines rechten Unterarms wurde versengt, aber seine Haut bekam zum Glück nichts ab.
Langsam tauchte Feycon wieder aus seiner Bewusstlosigkeit auf und nahm sofort den Lärm und Gestank war. Orientierungslos versuchte er sich zu Recht zu finden, als er einen warmen Körper neben sich spürte. Überall hätte er den Geruch von Mavea erkannt und er bemühte sich sofort, seine Schmerzen nicht zu zeigen.
Mavea spürte ein leichtes Zucken und starrte Feycon ungeduldig an. Er hatte die Augen zwar noch immer geschlossen, aber sie spürte die winzigen Regungen seines Körpers und seufzte erleichtert auf.
"Feycon?", flüsterte sie und hoffte, dass sie die Aufmerksamkeit von Abigor nicht auf Feycon lenkte. "Kannst du mich hören?"
Er musste einfach. Wenn Arien nicht bald dieses verdammte Band zwischen dem Krieger und dem Dämon lösen konnte, dann würde es mit Sicherheit für alle schlecht ausgehen.
Der Krieger öffnete seine Lider und sah Mavea durch einen roten Dunstschleier. Irritiert schüttelte er seinen Kopf, aber die unklare Sicht veränderte sich nicht. Er spannte sofort jeden Muskel an, als er Abigors Magie spürte, aber sie traf unerklärlicherweise nicht ihn. Unverkennbar zischten die Energieblitze des Dämons durch den Raum und Feycon versuchte sich aufzurichten, er musste seine Frau beschützen.
"Was ist passiert?", fragte er mit leiser, brüchiger Stimme.
Trotz seiner enormen Schmerzen setzte er sich auf. Sein Blut vermischte sich mit dem kalten Schweiß, aber er beachtete dies nicht weiter. Er brauchte Informationen, damit er richtig reagieren konnte.
"Nach dem du nicht aufgetaucht bist, haben Arien und ich kurzerhand das Ruder übernommen", erklärte Mavea dem Krieger. "Durch den Nebel hatten wir den Überraschungsmoment auf unserer Seite, aber du musstest wach werden, damit Arien die Verbindungen zwischen dir und Abigor trennen kann. Er lenkt ihn schon die ganze Zeit ab und ich sollte dich wecken, aber das hat anfangs nicht gerade gut geklappt."
Sie musterte Feycon kurz und was sie sah, half ihr nicht wirklich dabei, sich zu beruhigen. Auch wenn er vielleicht versuchte die Schmerzen zu verbergen, konnte Mavea ihm ansehen, dass es ihm nicht gut ging. Kämpfen konnte er so auf jeden Fall nicht.
"Jetzt wo du wach bist, müsste er die Verbindung eigentlich aufheben können und dann wäre ein schneller Rückzug vielleicht die beste Idee."
Sie hoffte, dass Feycon darauf eingehen würde, aber so wie sie ihn kannte, musste man ihn vermutlich noch an den Haaren hier herausziehen, damit man ihm vom kämpfen abhalten konnte. Verletzungen hin oder her.
Endlich sah Arien die vollständige Kette glitzernd vor sich und er verlor keine weitere Zeit mehr. Er begann die Lösungsformeln zu sprechen und je weiter er mit dem Ritual kam, desto straffer wurde sie.
"Verdammt, was machst du, du Bastard?", schrie Abigor.
Er spürte denselben Druck wie Feycon und war genauso machtlos dagegen. Denn ein Warlock hatte einst die Kette geschmiedet und nur ein Warlock konnte diese Verbindung wieder trennen.
Der Krieger wusste sofort was geschehen würde, daher richtete er sich mit letzter Kraft auf und konzentrierte seine gesamte Magie auf den Dämon. Sein Ziel war zum Greifen nah, Arien und er konnten Abigor nicht auslöschen, aber zumindest außer Gefecht setzen. Die Kette war nun zum Zerreißen gespannt und leuchtete für alle sichtbar auf. Das war der Moment in dem Feycon zuschlug, er rollte sich über den Boden, ergriff seine Schwerter und flog auf Abigor zu. Im letzten Moment riss dieser seinen Stab hoch und wehrte den Angriff ab, aber Feycon erkannte an der flackernden Aura des Dämons, dass ihm das Festhalten der Kette viel Energie kostete. Aus der Wucht des Rückpralles nahm der Krieger den Schwung für einen neuerlichen Angriff. Er machte eine Drehung und schlug erneut zu. Abigor konnte nicht gleichzeitig an zwei Fronten kämpfen, daher beendete er den geistigen Kraftakt, da er seinen Körper vorrangig schützen musste. In diesem Moment riss die Verbindung und beide wurden durch das Zurückschnalzen in die Knie gezwungen.
Arien keuchte vor Anstrengung, aber trotzdem sammelte er wieder Energie zwischen seinen Händen, bis ein lodernder, blauweißer Feuerball vor ihm aufflammte.
"Mavea, zieh den Nebel ab!", schrie er mit Nachdruck.
Mavea die das Geschehen mitverfolgt hatte, verlor keine Zeit und konzentrierte ihre gesamte Energie erneut auf den Nebel. Es dauerte nicht lange, bis man die erste Veränderung beobachten konnte. Der Nebel nahm zusehends ab, verlor an Dichte und gab allmählich den Blick auf die Umgebung frei. Es kostete Mavea eine Menge Energie, da es eine Weile her war, seit sie das letzte Mal ihre Kräfte benutzt hatte. Innerhalb kürzester Zeit verschwand der Nebel. Mavea war sich nicht sicher, ob das so eine gute Idee gewesen war, da alle wieder freie Sicht hatten. Allerdings schien der Dämon momentan für einen Kampf nicht in der Verfassung zu sein. Genauso wenig Feycon.
Kaum hatte sich der Nebel gelichtet, schoss Arien den Energieball Richtung Abigor. Da er ihn diesmal auf sich zukommen sah, wehrte der Dämon in ab. Gleichzeitig sprang Feycon hoch und vereinte seine Magie mit der des Warlocks und in diesem Moment leuchtete es enorm hell um die beiden Männer auf. Feycon spürte eine fremde Kraft in sich fließen, sie verband sich mit ihm und stärkte ihn auf ungekannte Weise. Überrascht nahm er sie an und richtete sie auf den Kriegsdämon. Mit vereinten Kräften attackierten sie ihn und Abigor musste sich geschlagen geben. Mit einem letzten Aufbäumen verschwand er mit einem lauten Knall.
Vollkommene Stille lag nun über dem Raum. Feycon starrte auf die leere Stelle und wartete auf den Schmerz, aber er blieb aus. War er frei? Zuerst blickte er zu Arien, welcher genauso ungläubig drein schaute, dann drehte sich der Krieger zu Mavea um.
Mavea konnte nicht glauben, was sie da eben gesehen hatte. Abigor war weg, er hatte sich einfach in Luft aufgelöst.
"Ist ... ist er tot?", fragte sie leise und warf einen misstrauischen Blick auf die leere Stelle.
Sie konnte sich nicht vorstellen, dass es so einfach gewesen sein sollte, einen so mächtigen Dämon zu schlagen. Schließlich konnte Abigor wieder irgendwo auftauchen und sich auf sie stürzen. Bei einem Dämon war alles möglich.
"Nein", antwortete ihr Arien und atmete tief ein. "Er war klug genug die Flucht zu ergreifen, bevor das passieren hätte können."
Laute Schritte waren jäh zu hören und Legionenführer und Krieger kamen in den Saal gestürmt. Sofort reagierte Feycon und stellte sich schützend vor seine Begleiter. Mit seinen beiden Schwertern und dem blutüberströmten Gesicht sah er zwar schon gefährlich aus, aber die neue Kraft in ihm ließ ihn größer und unbesiegbar wirken. Die Männer blieben bei seinem Anblick sofort stehen, keiner wollte sein Leben grundlos verlieren. Langsam ging Feycon auf sie zu und erhob die Stimme.
"Geschöpfe der Unterwelt, hört mich an! Hiermit quittiere ich den Dienst bei Abigor und richtet dem Bastard aus, dass ich jeden töten werde, der auch nur in meine Nähe kommen sollte."
Es hatte den Anschein, als ob Feycon jedem einzelnen Mann drohend in die Augen blickte und als er eine plötzliche Bewegung machte, zuckten einige zurück. In ihren Augen war nicht nur Respekt zu lesen, man konnte das gleiche Sehnen nach Freiheit erkennen, wie es auch in Feycon heiß gebrannt hatte. Demonstrativ steckte er seine Waffen ein und zeigte damit allen, dass er vor ihnen keine Angst hatte. Im Gegenteil, er strahlte mehr Macht aus, als je zuvor.
***
Kaum traten die Drei aus dem Portal, ging Feycon im Wohnzimmer des Gästehauses in die Knie. Völlig erschöpft legte er sich auf den Fußboden. Seine Schmerzen hatten an Intensität nachgelassen, aber sein Schädel pochte noch immer von der gewaltsamen Trennung. Er hatte sich selbst nicht erlaubt, in der Unterwelt zusammenzubrechen, daher war er jetzt doppelt erleichtert, dass sie endlich in Sicherheit waren. Er schloss seine Augen, viele Fragen geisterten durch seinen Kopf, aber der Krieger war einfach zu müde, um nur eine einzige zu stellen.
"Feycon?"
Mavea blieb unsicher neben Arien stehen und sah auf dem Krieger herab. Man konnte förmlich sehen, wie die Müdigkeit an ihm nagte, aber der Fußboden war zum Schlafen wohl weniger geeignet. "Meinst du, du schaffst es noch bis aufs Zimmer?", fragte sie ihn besorgt und warf Arien einen verzweifelten Blick zu. "Du hättest uns direkt in sein Schlafzimmer teleportieren sollen."
So wie Feycon momentan aussah, glaubte Mavea nicht daran, dass er noch einen weiteren Schritt gehen konnte. Aber notfalls würde sie sich ebenfalls zu ihm auf den Boden legen.
"Wenn mein Leben davon abhängen würde, ja!", sagte Feycon, machte aber keine Anstalten um aufzustehen.
"Okay, mein Junge! Ich helfe dir, komm hoch!" Arien packte ihn an den Schultern und zog ihn mühsam hoch. Mit vereinten Kräften brachten sie ihn in das Schlafzimmer und legten Feycon auf das Bett. Dieser stöhnte und verzog das Gesicht, als sein Kopf die weiche Matratze berührte.
"Kann ich noch etwas für euch tun?", fragte Arien.
Auch er sah erschöpft aus und dürfte sich nach einem Bett sehnen.
"Verschwinde!", sagte Feycon leise. "Wir können später reden."
Unschlüssig blieb Mavea im Zimmer stehen. Sie wusste nicht, ob sie gehen oder bei Feycon bleiben sollte. Der Gedanke ihn alleine zu lassen, behagte ihr nicht sonderlich. Kurz schweifte ihr Blick zu dem großen Fenster und sie runzelte überrascht die Stirn.
"Die Sonne geht bereits auf."
Hatten sie wirklich so lange gebraucht? Das war jetzt auch nicht von Bedeutung, sie zog schnurstracks die Vorhänge zu und nickte zufrieden. Ohne Licht ließ es sich immer noch am besten schlafen und genau das hatte jetzt jeder von ihnen dringend nötig.
"Arien, ich glaube du kannst auch ein Bett gebrauchen, geh ruhig. Ich denke, jetzt kommen wir allein klar ... ach und danke."
Sie schenkte dem Warlock ein kleines Lächeln, bevor sie zu Feycon ans Bett trat. Schweigend beobachtete sie ihn, während sie darauf wartete, dass Arien den Raum verließ. Mavea musste erst einmal realisieren, dass Feycon ab jetzt frei war. Eigentlich stand jetzt nichts mehr zwischen ihnen.
Nachdem sich Arien mit einem Nicken verabschiedet hatte, wollte Feycon aus den blutigen Kleidern. Umständlich versuchte er mit so wenig Kraftaufwand wie möglich, das Kettenhemd samt Umhang über den Kopf zu streifen.
Eine Weile sah Mavea Feycon bei dem Versuch zu, aus den blutigen Kleidern zu schlüpfen. Schließlich hielt sie es aber nicht mehr aus und griff nach dem Umhang.
"Warte, ich helfe dir."
Sie wartete nicht einmal auf seine Reaktion, sondern versuchte ihn irgendwie so schmerzfrei wie möglich aus den Klamotten zu bekommen. Natürlich war die Situation für sie nicht gerade leicht, da sie sich in Feycons Nähe immer am Riemen reißen musste. Aber wenn sie sah, wie viel Schmerzen ihm selbst die kleinste Bewegung bereitete, fiel es ihr leichter, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
Feycon spürte ihre sanften Hände. Zuerst erstarrte er, aber dann ließ er ihre Hilfe zu. Das Kettenhemd fiel rasselnd zu Boden und dann folgte sein Hemd. Mit nacktem Oberkörper lag er auf den schwarzen Seidenlaken und zum ersten Mal fragte er sich, was wohl als nächstes passieren würde. Bis jetzt hatten ihn seine pochenden Kopfschmerzen abgelenkt, aber nun lag er abwartend da und verkniff sich ein Grinsen. Nie hätte er gedacht, dass ihn heute noch etwas erheitern hätte können. Was würde sie tun?
Mavea schluckte. Sie musste sich mehrmals selbst ermahnen, dass sie nicht kurz ihre Hand über sein Brust gleiten ließ, nur um einmal zu spüren, wie seine Haut sich unter ihren Fingern anfühlte. Gott, er war verletzt und hatte Schmerzen. Sie musste sich verdammt noch mal zusammen reißen, egal wie sehr der Anblick den er ihr bot, ihr Blut zum Wallen brachte. Verbissen behielt sie ihre Hände am Körper. Nervös besorgte sie einen Waschlappen und eine Schüssel Wasser um sein Gesicht vom Blut zu befreien. So vorsichtig wie möglich tupfte sie sein Gesicht ab, ohne auch nur einmal der Versuchung nachzugeben, ihn zu berühren. Was für sie eine enorme Leistung war.
Als er die angenehme Kälte auf seiner Stirn fühlte, schlug er die Augen auf. Feycon beobachtete sie eine Weile, wie sie konzentriert sein Gesicht reinigte. Sie sah müde aus, ein Schmutzfleck zierte ihre rechte Wange, aber unermüdlich tauchte sie den Lappen in die Schüssel. Als sie wieder auf sein Gesicht zusteuerte, hielt er ihr Handgelenk fest und zwang sie, ihn anzusehen.
"Wie geht es dir? Bist du verletzt?", fragte er mit rauer Stimme.
"Nein, mir gehts gut", beteuerte sie.
Zumindest körperlich. Innerlich führte sie noch immer den Kampf mit sich selbst und dass er ihre Konzentration störte, half ihr nicht wirklich dabei. "Was ist mit dir, sind die Schmerzen immer noch so groß?"
"Unter deinen sanften Händen sind sie besser zu ertragen", sagte er und zwinkerte ihr zu. Das hätte er wohl besser nicht getan, aber der Krieger ließ sich den jähen Schmerz nicht anmerken. "Leg dich zu mir!"
Er lag zwar mitten auf dem Bett, aber es war breit genug, dass sie mit Leichtigkeit neben ihm Platz finden würde. Noch nie hatte er die Nähe einer Frau so sehr gewollt, Mavea war für ihn einzigartig.
Mavea zögerte. Ihre Selbstbeherrschung hatte bis jetzt viel mit gemacht, aber ob sie da auch noch mitspielen würde, bezweifelte sie. Trotzdem konnte sie ihm diesen Wunsch nicht ausschlagen. Sie stellte die Schüssel neben das Bett und legte sich so vorsichtig wie möglich neben ihn. Alles in ihr reagierte sofort auf seine Nähe. Kurz ließ sie ihren Finger von seiner Wange bis zu seiner Brust gleiten, wo sie sie schließlich liegen ließ. Seine Haut unter ihrer Hand schien zu beben. Sie konnte nicht genug von ihm kriegen.
Ihre kühlen Finger waren genauso ein krasser Gegensatz zu seiner heißen Haut, wie ihre schlanke, geschmeidige Figur zu seinem durchtrainierten Körper. Ihr Kopf lag auf seiner Schulter und sein Arm war unter ihrem Fliegengewicht begraben. Diesen benutzte er dazu, sie näher an sich zu ziehen. Feycon starrte an die Decke und versuchte seinen beschleunigten Herzschlag wieder zu beruhigen, aber irgendwie gelang ihm das nicht. Seine Haut sehnte sich nach ihrer Berührung und ihre Macht über seinen Körper wuchs mit jeder Minute. Bald würden sein Verstand und die Kopfschmerzen sein Verlangen nicht mehr kontrollieren können. Wenn Mavea nicht wollte, dass er über sie herfiel, dann sollte sie ihre forschende Hand lieber wieder wegnehmen. Sie beide könnten den heilenden Schlaf gebrauchen.
Um ihre Hand nicht noch weiter wandern zu lassen, schloss Mavea die Augen und konzentrierte sich auf das gleichmäßige Ein- und Ausatmen. Ihr war durchaus bewusst, dass sie schlafen sollten, aber dies war leichter gesagt als getan. Dass er den Abstand zwischen ihnen auch noch verringerte, verschärfte die Sache auch noch. Ganz im Gegenteil, alleine diese Geste reichte aus, um ihre bis dato noch gut kontrollierte Atmung, aus dem Gleichgewicht zu bringen. Sie öffnete schlagartig die Augen, als sie realisierte, dass ihre Hand ihren Weg fortsetzte. Hastig zog Mavea sie wieder zurück, während sie ihren Kopf mit einem leisen Seufzer an seiner Schulter vergrub. Einfach die Augen zu machen und schlafen, dass konnte doch nicht so schwer sein, dachte sie. Sie durfte einfach nicht an seine Nähe denken, an seinen Körper der so unglaublich männlich war, an seinen Atem der in ihrem Nacken kitzelte. Mit jeder Sekunde spannten sich ihre Muskeln vor Verlangen mehr an, immer auf den einen Moment bedacht, der verdammt noch mal nicht kommen durfte. Dass wäre so, als ob sie einen verletzten und hilflosen Mann vergewaltigen würde. Nur störte das ihrem Verlangen herzlich wenig.
Ihr leises Stöhnen durchdrang jede seiner Zellen und ihre wandernde Hand gab das Zeichen zum Startschuss. Seine Bauchmuskeln spannten sich an, als er seinen Oberkörper hob und sich auf die Seite drehte. Feycon sah auf Mavea herab, welches sich unter ihrem langen Haar versteckte. Er strich ihr die dunklen Strähnen aus dem Gesicht und breitete sie auf dem seidenen Lacken aus. Eine Haarlocke behielt er zwischen seinen Finger und strich ihr damit über die Wange. Sie lag noch immer auf seinem Arm, langsam zog er ihren Kopf an seine Brust und als ihr warmer Atem seine Haut berührte, stöhnte er ebenfalls auf. Der Krieger zog sie mit sich, als er sich wieder zurückfallen ließ, so dass sie auf ihm zum Liegen kam.
"Sag halt!", sagte er leise.
Nie im Leben würde er jetzt von alleine aufhören, aber ein Wort von ihr und er würde seine Finger von ihr lassen.
Mavea hob leicht den Kopf und sah auf Feycon herab. Sie könnte das ganze hier beenden, sie musste es nur sagen, aber sie wollte nicht. Sie konnte einfach nicht. Wie sollte sie etwas beenden, wonach sie sich so sehr sehnte? Also schwieg sie und beugte sich stattdessen wieder zu dem Krieger herunter. Langsam zog sie mit den Lippen die Konturen seiner Wange nach, wanderte von seiner Stirn, über den Hals zu seiner Brust hinunter. Kurz verweilte sie an der Stelle und konzentrierte sich auf seinen schnellen Herzschlag, bevor sie den gleichen Weg zurückverfolgte. Knapp über seinen Lippen stoppte sie.
"Ich liebe dich", hauchte sie so leise, dass sie Bedenken hatte, ob er es überhaupt gehört hatte.
Zwar wusste er das schon, aber der Moment in dem sie es ihm gestanden hatte, war nicht wirklich der Beste gewesen.
Das genügte, mehr Ansporn brauchte er nicht mehr. Er hob seinen Kopf und küsste sie. Aber das war ihm zu wenig, daher rollte er sie auf den Rücken und presste seine Lippen leidenschaftlich auf ihre. Jeglicher Schmerz verflog in diesem Moment, als seine gesamte Konzentration auf diesen sinnlichen Körper unter sich gerichtet war. Er wollte ihre Haut spüren, daher suchte er den Saum ihres T-Shirts und zog es nach oben. Als Feycon die seidige Haut auf ihrem Bauch berührte, stöhnte er auf. Langsam schob er den Stoff immer höher, bis er ihn über ihren Kopf streifte. Er blickte auf sie hinab, nur mehr ein Spitzen-BH verbarg ihre Brüste vor seinem Blick. Sanft strich er mit seinem rauen Finger von ihrem Hals zwischen ihren Brüsten hinab zu ihrem Bauch. Er hätte nicht gedacht, dass seine Erregung noch größer werden könnte, aber dieser erotische Anblick in dem dämmrigen Licht war für ihn unglaublich. Nie hatte er eine Frau sosehr begehrt wie Mavea in diesem Augenblick. Er folgte mit dem Mund der Spur seiner Hand und als er bei der edlen Spitze angelangt war, kostete es ihn einige Kraft, sie nicht mit einem Ruck runter zu reißen. Ihre Brust hob und senkte sich rasch und eigentlich wollte er weiter zu ihrem süßen Bauchnabel wandern, aber sein Verlangen machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Er legte die Stirn auf ihr Brustbein und atmete ein paar Mal tief durch, bis er sich wieder einigermaßen in der Gewalt hatte. Fast in Zeitlupe fuhr er mit der Zunge am Rand des BHs entlang und senkte dann seinen Mund auf eine erregte Brustspitze herab. Der Stoff behinderte ihn nicht bei seinem sanften Knabbern. Seine Hose war ihm schon längst zu eng und die süße Qual des Verlangens steigerte sich bei dem Anblick ihrer verschleierten Augen. Er presste sein Becken in rhythmischen Bewegungen gegen ihres und beobachtete sie angespannt.
"Ich liebe dich mehr als mein Leben!", sagte er berauscht.
Lächelnd zog sie seinen Kopf wieder zu sich herunter und küsste ihn stürmisch. Seine Liebe war ein unfassbares Geschenk und nie wollte sie diese verlieren. Ihre Hand wanderte seinen Rücken hinunter, ertastete harte Muskeln und Wölbungen, nichts blieb ihren neugierigen Fingern verborgen. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als mehr von seiner Haut zu spüren, mehr von ihm berührt zu werden. Von ihrem Verlangen angetrieben, machten sich ihre Hände schon bald an seinem Hosenbund zu schaffen. Mavea unterbrach den innigen Kuss, um kurz Luft zu holen, von der sie momentan reichlich wenig bekam.
Als er ihre Finger an seinem Hosenbund spürte, wurde Feycon noch heißer und er musste sich beherrschen, dass er die Hose nicht gleich selbst herunterriss. Doch er wollte sie nicht erschrecken, daher bemühte er sich um Kontrolle. Er ließ sie gewähren und schloss bei ihrem quälend langsamen Ausziehmanöver verzweifelt seine Augen. Jede ihrer Berührungen brachte ihn dem Himmel ein Stück näher. Als sie ihn endlich aus der engen Hose befreit hatte, konnte er sich nicht mehr zurückhalten. Er fiel förmlich über Mavea her, riss ihr die restlichen Kleider vom Leib und stöhnte verlangend auf, als ihre nackten Körper sich berührten.
Ihre gesamte Konzentration richtete sich auf den Krieger. Leidenschaftlich reagierte sie auf den intensiven Hautkontakt. Endlich waren alle Barrieren zwischen ihnen abgefallen und es gab nur noch ihre Leidenschaft zueinander. Jede seiner Berührungen jagte heiße Stromschläge durch ihren Körper. Die Gefühle waren so stark, dass sie schon bald ihre Magie nicht mehr unter Kontrolle hatte. Sie konnte bereits den Nebel spüren, der sich wie eine zweite Schicht über ihren Körper legte. Er umhüllte zuerst sie und kroch dann langsam an Feycons Körper empor, bis das ganze Zimmer mit dem hellen grauweißen Nebelschwaden durchzogen war. Mavea bemerkte es nur am Rande, da es ihre Sicht nicht weiter beeinträchtigte. Die Magie war ein Teil von ihr und in solchen Momenten, wie ihr Verlangen nach dem Krieger, unkontrollierbar.
Der dichte Nebel überraschte den Krieger und ließ ihn kurz schmunzeln. Ihre unruhigen Bewegungen brachten ihn um den Verstand und er konnte nicht mehr länger an sich halten. Hitzig vereinte er sich mit der Frau die er liebte und brachte sie beide zum Gipfel der Lust. Im Schutz des Nebels verloren sie jegliches Zeitgefühl und sie lebten ihre lang zurückgehaltene Leidenschaft vollkommen aus.
Texte: Viel Spaße beim Lesen wünschen
maroy&bella123
Tag der Veröffentlichung: 25.07.2010
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