Prolog
Feycon war ein Krieger. Sein Leben lang hatte er auf dem Schlachtfeld verbracht und dem Tode ins Antlitz geblickt. All diese Kämpfe waren nicht seine gewesen, denn er diente dem Kriegsdämon Abigor und war aufgrund seiner Fähigkeiten rekrutiert worden. Feycon wurde nicht großartig gefragt, seine Dienste einfach in Anspruch genommen und es war für ihn lebensnotwendig zu dienen. Seine Härte und Unbarmherzigkeit auf dem Schlachtfeld führten dazu, dass er ziemlich rasch zu einem der sechzig Legionenführer des Höllenherzogs wurde. Töten oder getötet werden, waren seine einzigen Optionen und daher fiel ihm die Entscheidung nicht sonderlich schwer. In der Anderswelt herrschten, aufgrund seiner Größe, immer irgendwo Unruhen oder Kriege. Feycon konnte sich an keine Zeitspanne der letzten 100 Jahre erinnern, wann es ruhig um ihn gewesen war. Die Erdwelt war der einzige neutrale Boden, welcher von Abigor gemieden wurde, da er den Zorn Gottes fürchtete.
In der Nähe von London gab es eine große Gemeinschaft von unterschiedlichen Andersweltwesen, die sich dort ein eigenes Leben aufgebaut hatten, unbemerkt von den Menschen und abseits ihrer Völker. Dort wuchs Feycon bei seiner Mutter Ashalij, einer Dunkelelfe, auf. Diese hatte ihr Volk verlassen, als sie von einem Warlock schwanger wurde. Das Aussehen seiner Mutter war für die Erdwelt außergewöhnlich. Ashalij hatte einen schlanken und agilen Körper, und spitz zulaufende Ohren. Aufgrund des langen Lebens in tiefschwarzer Dunkelheit, waren Gehör- und Geruchssinn besser ausgebildet. Leider ging dies ebenfalls mit einer starken Verschlechterung der Sehfähigkeit einher, sodass ihre Augen äußerst lichtempfindlich waren und eine hellrote Iris aufwiesen. Diese Färbung, in Verbindung mit ihrer dunklen Hautfarbe und langem silbernen Haar, wirkte auf Menschen äußerst angsteinflößend, daher verließ sie das Habitat der Gemeinschaft selten. Seinen Vater kannte Feycon nicht, aber dessen Gene, was das Aussehen betraf, hatten sich bei dem Krieger stärker durchgesetzt. Er sah mit seinem durchtrainierten, athletischen Körper menschlich aus, die Hautfarbe glich einem Südländer und seine Ohren waren nicht ganz so spitz, wie bei seiner Mutter. Einzig seine Augenfarbe stach ungewöhnlich hervor, sie erinnerte an leuchtend rotes Blut.
Als Mischwesen hatte Feycon es nicht leicht unter den Gemeinschaftskindern, daher lernte er früh zu kämpfen und die Ehre seiner Mutter zu verteidigen. Auch lenkte er den Hass in all seinen Kämpfen auf seinen Vater, welcher seine Geliebte und ihn im Stich gelassen hatte. Und so fand ihn Abigor, als wilden, halbstarken Jüngling und griff zu.
Kapitel 1
Feycon kehrte müde und angeschlagen, siegreich mit seinen Kriegern, von einer Schlacht zurück. Er schleppte sich in sein Quartier in der Unterwelt und fiel, mit samt seiner Rüstung und Waffen, auf das Bett und schloss die Augen. Er trug ein engmaschiges Kettenhemd, darüber einen hellgrauen Stoffüberwurf, welcher mit weißen Ornamenten bestickt war, in gleicher Farbe bedeckte eine weiche Kapuze seinen Kopf. Niemand konnte dadurch seine ungewöhnlichen Augen sehen, welche sich im Schatten der Kopfbedeckung wohler fühlten. Hinten reichte ihm der Waffenrock bis zu den Kniekehlen, vorne endete er bereits an den kräftigen Oberschenkeln. Eine blutrote breite Schärpe war um seine Mitte gewickelt und hielt seine Waffen versteckt. Seine Arme bedeckte nur ein weites, weich fallendes, weißes Hemd, da er für den Kampf Bewegungsfreiheit brauchte. Eine schwarze Lederhose und lange weiche Stiefel rundeten sein Erscheinungsbild ab. Es kümmerte ihn nicht, dass das Blut seiner Feinde noch an ihm klebte. Sein Atem wurde langsam ruhiger und er nickte ein.
Ein lautes Klopfen ließ Feycon in die Höhe fahren, was ziemlich ungewöhnlich für ihn war, da er sich schon lange nicht mehr in einen tiefen Schlaf wagte. In der Unterwelt herrschten raue Sitten, oft geschah ein heimtückischer Mord in seinen Reihen und nicht alle Übeltäter konnte er zur Rechenschaft ziehen.
„Herein!“, bellte er und stand auf, da er gegenüber dem Eintretenden nicht im Nachteil sein wollte. Ein kriecherischer Diener kam herein und verbeugte sich mehrmals und blieb in gebückter Haltung stehen.
„Herr, Lord Abigor wünscht Euch zu sprechen … sofort!“ Bei dem letzten Wort wurde seine Verbeugung noch tiefer, der hinterhältige Diener wusste genau, dass Forderungen in der Gegenwart des Legionenführers ungesund sein konnten.
„Verschwinde!“, knurrte Feycon, er wollte sich an dem Stück Scheiße nicht die Hände schmutzig machen.
Erbost ging der Krieger zur Audienzhalle, Abigor empfing dort gerne seine Untergebenen, damit er seine Vormachtstellung zelebrieren konnte. Feycon war es völlig gleichgültig, dass er verdreckt vor dem Kriegsdämon erschien und blieb hocherhobenen Hauptes, nach einer leichten Verbeugung, vor ihm stehen.
„Feycon!“, rief der Höllenherzog erfreut. „Deine ruhmreiche Rückkehr macht in der Unterwelt bereits die Runde.“
Der Krieger verzog nur verächtlich seine Lippen und blieb stumm, er wusste, dass Abigor sich selbst gerne reden hörte und dazu einfach nur Publikum brauchte.
„Gab es Schwierigkeiten?“, fragte Abigor neugierig und wollte eindeutig blutige Details hören.
„Nein, mein Lord! Zumindest keine mit denen ich nicht fertig geworden wäre“, antwortete Feycon gleichmütig.
Plötzlich erwärmte sich die Luft und ein hohes Summen erschall hinter dem Krieger. Rasch drehte sich Feycon um, da er mit einem Angriff rechnete. Doch niemand war hinter ihm, der Ton wurde zu einem lauten Rauschen. Der Krieger drehte sich im Kreis und sah, wie Abigors amüsierte Maske herunterfiel und Entsetzen sich auf seinem Gesicht spiegelte. Was ging hier vor? Um Feycon herum begann es zu schimmern und ein Sog bildete sich in der Mitte. Der Krieger wurde langsam hineingezogen, trotz seiner Gegenwehr verschluckte ihn die Erscheinung.
Feycon stolperte in einen dunklen Raum, er war vollkommen orientierungslos und blickte sich hektisch um. Er war alleine, weder der Höllenherzog noch ein anderes Mitglied der Unterwelt hatten seine ungewöhnliche Reise begleitet. Das jäh auftretende Portal hatte ihn einfach mitgenommen und irgendwo ausgespuckt. Nach dem Gesichtsausdruck von Abigor konnte dieser nichts damit zu tun haben. Auch war er selbst kein Dämon, also war er nicht abrufbar, wie viele seiner Krieger. Was zur Hölle hatte das zu bedeuten?
***
Nervös machte sich Mavea in der Dunkelheit auf dem Weg nach Hause, zu dieser späten Stunde war sie nur ungern draußen unterwegs. Keine Minute durfte sie unachtsam sein und sie musste immer auf der Hut bleiben, um jeden kleinen Fehler zu vermeiden. Oft grübelte die junge Frau darüber nach, weshalb es überhaupt soweit kommen konnte. Sie hatte Fehler begangen, schwerwiegende Fehler, aber dennoch konnte sie nicht behaupten, ihre Tat zu bereuen. Auch wenn Mavea dadurch wie eine Kriminelle verfolgt wurde und immer damit rechnen musste, entdeckt zu werden. Die Tradition und ihre Leute hielten ihre Handlung für gesetzwidrig, aber ihr mitfühlendes Herz hatte Mavea einen anderen Weg gezeigt. Angst durchflutete ihre Seele, bei dem Gedanken gefunden zu werden. Was würde passieren? Unaufhörlich dachte sie über mögliche Konsequenzen nach, aber sie endete immer bei einer einzigen These und diese handelte von ihrem bevorstehenden Tod. Mit großer Wahrscheinlichkeit würde die junge Frau nicht mit dem Leben davon kommen, doch davon durfte sie sich nicht unterkriegen lassen. Ihre Flucht war eindeutig kopflos gewesen, aber sie hatte sich trotzdem ein Leben aufgebaut, welches ihr Schutz bot. Mavea glaubte, alles dafür getan zu haben, um nicht aufzufallen. Schließlich lebte sie schon länger in London und bis jetzt gab es keine Angriffe, worüber sie mehr als froh war. Alleine würde die junge Frau niemals gegen ihre Verfolger ankommen, Flucht war die einzige Option und Verstecke suchen ihre neue Lebensaufgabe, ob sie nun wollte oder nicht. Es war feige und gleichzeitig mutig, sich seinem Schicksal entgegen zu stellen. Ob Mavea auf Dauer damit klar kommen würde, wusste sie nicht.
Bald schon erreichte sie das große Gebäude, in dem ihre kleine aber gemütliche Wohnung lag. Hastig joggte sie die vielen Stufen in den zweiten Stock hinauf, um schnell den vertrauten und schützenden Bereich zu erreichen. Die junge Frau fühlte sich nur in ihren eigenen vier Wänden sicher. Mit einem erleichterten Seufzer schlüpfte sie schnell in das dunkle Vorzimmer und versperrte gewissenhaft die Eingangstüre. Ihre Jacke und Tasche landeten auf der Kommode, während Mavea durch das Guckloch schaute und sich vergewisserte, dass ihr niemand gefolgt war. Im Dunkeln machte sie sich auf dem Weg in die Küche, um ihren Hunger zu stillen, als sie plötzlich Geräusche aus dem Wohnzimmer vernahm. Hatten die Jäger sie etwa gefunden? Heiße Angst stieg in ihr auf, der Herzschlag begann zu rasen und alle Farbe wich aus ihrem Gesicht. Ergeben fasste sie allen Mut zusammen, nahm ihren Regenschirm als Waffe und schlich auf Zehenspitzen zur Wohnzimmertür. Für eine Flucht war es eindeutig zu spät, Angriff war die beste Verteidigung, hatte sie irgendwann einmal gehört. Vorsichtig lugte sie ins Wohnzimmer und schalte sich eine Närrin, als ihr der Schirm in ihrer Hand bewusst wurde. Wen wollte sie damit verjagen? Aber dieser nützliche Gebrauchsgegenstand bot trotzdem eine trügerische Sicherheit.
Da sie nicht viel erkennen konnte und sich auf alles gefasst machte, drehte Mavea nach einigem zögern das Licht auf. Ihr Mund klappte nach unten und sie blieb wie angewurzelt im Türrahmen stehen, als sie einem groß gewachsenen Mann gegenüber stand. Nicht, dass die junge Frau noch keinen solchen Mann gesehen hätte, viel mehr war sein gesamtes Erscheinungsbild für den Schock verantwortlich. Es stand definitiv keiner ihrer Verfolger im Raum, aber Mavea konnte sich keine Erleichterung leisten, denn seine Kleidung war fremdartig und erinnerte an einen Waffenrock. Schmutz und Blutflecken verunstalteten den weichen Überwurf. Alleine der Gedanke an das Blut ließ sie aufkeuchen und somit erlangte Mavea endgültig seine volle Aufmerksamkeit. Der Fremde trug eine Kapuze, die fast vollständig sein Gesicht bedeckte. Seine Größe und Ausstrahlung flößte ihr Respekt ein und brachte sie dazu einen Schritt zurückzuweichen. Es war zu spät um wegzulaufen, daher hob sie trotzig das Kinn.
***
Feycon wurde von dem plötzlichen Licht geblendet und zog sich in den nächsten dunklen Winkel zurück, damit seine Augen besser sehen konnten. In der Tür stand eine junge Frau und sah ihn entgeistert an. Er kam zu dem Schluss, dass dieser Mensch alleine war, warum sollte sie ihn sonst mit einem Regenschirm bedrohen? Feycon neigte neugierig seinen Kopf zur Seite und musterte aufmerksam die Frau vor ihm. Sie hatte dunkelbraunes langes Haar, ihre Augen wirkten fast schwarz und das Gesicht war von überirdischer Schönheit. Die Frau hatte feine Gesichtszüge und eine glatte helle Haut, ihr Mund zeigte einen störrischen Ausdruck, doch ihr Blick wirkte gehetzt.
„Äh … wo bin ich?“, fragte Feycon mit leiser, tiefer Stimme, er wollte sie nicht noch mehr erschrecken, da ihre Antwort für seine Orientierung wichtig war.
Mavea ließ den Schirm sinken und klammerte sich am Türrahmen fest. Überrascht runzelte sie, angesichts seiner Frage, die Stirn, mit dieser hatte sie am wenigsten gerechnet.
“In meiner Wohnung”, antwortete sie verwirrt. Zumindest griff er nicht an, dies beruhigte Mavea aber keinesfalls, sie traute ihm nicht über den Weg und blieb misstrauisch.
"Danke für diese ausführliche Information!" Seine Stimme troff vor Sarkasmus. Mit vorsichtigen Bewegungen trat er auf das nächste Fenster zu und sah hinaus. Überrascht keuchte er auf. "Wir sind in London?", fragte er perplex.
“Ja und falls das wieder zu wenig Information ist, das liegt zufällig in England!”, rutschte es Mavea spöttisch heraus. “Da dies nun geklärt ist, würde ich gerne wissen was Sie hier machen, bevor ich die Polizei rufe!” Mutiger als es in ihrem Inneren aussah, schob Mavea ihre Hände in die Jeans und sah ihn herausfordernd an. Trotz seines kriegerischen Aussehens, hielt sie ihn nicht für einen Auftragskiller, dafür war er zu auffällig gekleidet. Sie entspannte sich langsam in seiner Gegenwart und starrte auf seinen breiten Rücken.
Feycon sah mit gierigem Blick aus dem Fenster, wann hatte er zuletzt diesen Anblick genossen? Die hell beleuchtete Fassade des Westminster-Palastes spiegelte sich im dunklen Wasser der Themse. Ein monumentales Bauwerk der Menschen, geschaffen für die Ewigkeit. Ein plötzliches Heimweh nach dem Habitat in der Nähe überkam ihn und ließ ihn fast die Frau hinter ihm vergessen. Erst nach einigen Augenblicken nahm er ihr Spiegelbild in der Fensterscheibe wahr und drehte sich seufzend um.
"Verzeiht mein plötzliches Eindringen ... äh ... ich habe mich wohl im Domizil geirrt." Er versuchte damit zu erklären, dass er nicht durch ein Portal hier gelandet war. Für Menschen gab es keine Pforten in andere Dimensionen, geschweige denn eine Anderswelt. Auch wurde ihm zu spät bewusst, dass seine Ausdrucksweise nicht ins heutige England passte.
Mavea zog eine Augenbraue nach oben. An dem Mann war alles seltsam, seine Sprache, die Kleidung und sein Auftreten. Ohne Schlüssel konnte er unmöglich hier hereingekommen sein, das Schloss hatte keine Beschädigungen aufgewiesen. Die junge Frau kam zu dem Entschluss, dass kein Mensch vor ihr stand. Der Aufruhr in ihrem Inneren hatte sich bereits gelegt, die Angst wich der Neugierde. Trotz dieser unrealistischen Situation begann Mavea zu glauben, dass er ihr nichts tun wollte.
“Sie haben sich also in der Wohnung geirrt?”, fragte sie nach einer Weile nachdenklich. “Und wie sind Sie ohne Schlüssel herein gekommen?”
Verdammt, was sollte er jetzt antworten? Was würde ein Mensch jetzt sagen? Plötzlich fiel ihm auf, dass sie keine Angst mehr vor ihm zeigte. Er sah an sich herunter und dachte grimmig, dass jede normale Frau schreiend vor ihm davon gelaufen wäre. Sie wird doch nicht zu diesen neumodischen Sekten gehören, in welcher jedem eine Gehirnwäsche aufgezwungen wurde.
"Wie heißen Sie?", fragte er argwöhnisch.
“Wow, das nenn ich mal freundlich”, murmelte Mavea und überlegte, ob sie ihm einen falschen Namen sagen sollte. “Mavea und Sie sind?” Sie entschied sich dagegen, scheinbar kannte er sie sowieso nicht.
"Man nennt mich Feycon! Wer seid I... äh ... sind Sie?" Mann, er sollte besser aufpassen was er sagte. Unruhig begann er auf und ab zu gehen, unklar über sein weiteres Handeln. Warum war er hier gelandet? Er musste mehr über diese Frau erfahren, vielleicht hatte sie ihn doch gerufen. Feycon musterte sie, starr stand Mavea noch im Türrahmen und sah, trotz TShirt und Jeans, erhaben aus.
“Ich wüsste nicht was Sie das angeht”, erwiderte Mavea trotzig. “Sie sind der Eindringling, sollte ich da nicht die Fragen stellen?” Die Frau beobachtete wachsam seine ruhelose Wanderung. “Also, wie sind Sie hier herein gekommen?” Mavea stellte sich Feycon in den Weg, sie brauchte keinen Graben in ihrem Teppich.
Er ging langsam auf Mavea zu und blieb nah vor ihr stehen. Sie war einen Kopf kleiner als der Krieger und rückte keinen Millimeter zurück. Ihre Augen waren dunkelbraun, man konnte fast keinen Unterschied zwischen Iris und Pupille erkennen.
"Warum haben Sie keine Angst vor mir?", fragte er leise. Feycon wollte gar nicht wissen, in welch desolatem Zustand seine Kleidung war. Nicht nur Blut und Feuergeruch hafteten an ihnen, auch sein Schweiß musste ihre Nase beleidigen.
Mavea dachte einen momentlang über seine Frage nach. Eigentlich wusste sie es selber nicht so genau, ihr Instinkt schlug keinen Alarm und auf diesen konnte sie sich verlassen. Wahrscheinlich sollte sie Angst vor ihm haben, immerhin war Feycon blutbefleckt und wenig entgegenkommend. Eher überwog die Neugierde, was er hier zu suchen hatte. Sie schüttelte kurz den Kopf und sah Feycon nachdenklich an. “Eigentlich sollte ich ihnen gar nicht antworten, Sie ignorieren ja meine Frage auch. Aber ich tue es trotzdem! Ich habe keine Ahnung, weshalb meine Angst vor Ihnen verschwunden ist.”
"Ich kann Ihre Frage nicht beantworten, da ich es selbst nicht weiß. Ich wurde ohne meine Zustimmung hierher geführt." Feycon nahm Abstand von ihr und sah sich im Wohnzimmer um. Es war eher spartanisch eingerichtet, aber trotzdem gemütlich. Ihm fiel auf, dass weder Fotos zu sehen waren, noch persönliche Dinge herumlagen. Er unterdrückte ein ironisches Auflachen, fast fühlte er sich wie in seinem Quartier in der Unterwelt. "Vielleicht können Sie mir sagen, was ich hier mache?" Er griff unauffällig nach seinen versteckten Waffen, um zu kontrollieren, ob sie auf seiner Reise nicht abhanden gekommen waren.
Mavea riss die Augen auf. “Woher soll ich den wissen, was Sie in meiner Wohnung zu suchen haben?” Sie seufzte resigniert und machte sich auf dem Weg in die Küche, diese Unterhaltung führte zu nichts. Kurz blieb sie noch einmal stehen und drehte sich zu Feycon um. “Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Eine Cola oder Wasser?” Verwundert über ihre Gastfreundlichkeit ihm gegenüber, schalte Mavea sich eine Närrin. Sie durfte in ihrer Wachsamkeit nicht nachlassen und sich von der trügerischen Sicherheit, die sie inzwischen empfand, einlullen lassen.
Erst jetzt fiel Feycon auf, dass seine Kehle ausgetrocknet war. Er hatte das letzte Mal etwas vor dem Kampf getrunken und das musste eine Ewigkeit her sein.
"Ja, Wasser!" Mit den menschlichen Getränken konnte er sich nicht anfreunden, nicht einmal der Alkohol hatte genug Geschmack, um seinen Gaumen zu befriedigen. Der Krieger folgte Mavea in die Küche und hatte das Gefühl, eine Schuhschachtel zu betreten. Leicht gebeugt ging er durch den Türrahmen und blieb auch schon stehen, da er sonst die Frau zerquetscht hätte.
Vollkommen entspannt gab sie dem Fremden ein Glas Wasser und schenkte sich selbst Cola ein. Mit dem Glas in der Hand lehnte sie sich mit dem Rücken gegen den Kühlschrank und beobachtete Feycon aus dem Augenwinkel. “Sie wissen also selber nicht, weshalb Sie hier sind?!”, stellte Mavea überflüssigerweise noch einmal fest. “Woher kommen Sie den eigentlich?”
"Meine Mutter lebt in der Nähe von London", sagte er ausweichend, schließlich hörte sich die Wahrheit in den Ohren eines Menschen lächerlich an. In einem Zug trank er das Glas leer und wollte sich nachschenken, aber in dem kleinen Raum war es unmöglich, Mavea dabei nicht zu berühren.
“Wollen Sie noch etwas?” Sie sah Feycon fragend an und deutete auf das leere Glas in seiner Hand. Ihr war bewusst, dass in ihrer Küche nicht gerade viel Bewegungsfreiheit herrschte, für sie alleine reichte der Platz und mit Besuch hatte sie bei Gott nicht gerechnet. Schließlich war für die Frau jeder Kontakt zu andere Personen gefährlich. Mit ein paar Menschen hatte sie dennoch oberflächliche Freundschaft geschlossen, aber selbst diese wussten nichts über ihre Vergangenheit.
"Danke, das wäre sehr hilfreich, ich möchte hier nichts zerstören!" Feycon überlegte fieberhaft, was er als nächstes tun sollte. Weder konnte er hier bleiben, noch einfach bei seiner Mutter auftauchen.
Mavea zog eine Augenbraue nach oben, während sie Feycons Glas ein weiteres Mal füllte.
“Das will ich auch schwer hoffen, die Einrichtung war teuer.” Sie überreichte ihm das Wasser. “Also und … äh ... was genau wollen Sie jetzt machen?“
"Gute Frage!", sagte er leise und leerte ein zweites Mal das Glas in einem Zug.
Plötzlich spürte Mavea die unverkennbare Energie ihrer Verfolger, ein Prickeln breitete sich auf ihrer Haut aus und brachte die inneren Alarmglocken zum Läuten. Die Intensität konnte nur bedeuten, dass die Jäger bereits im Gebäude waren.
“Scheiße.” Mavea quetschte sich an Feycon vorbei, schnappte sich ihre Tasche und packte das Notwendigste zusammen. Verstört drehte sie sich zu Feycon um, der sie neugierig beobachtete. „Es gibt ein Problem, ich muss hier sofort verschwinden”, erklärte sie hektisch. Sie wusste zwar noch nicht, wie sie hier rauskommen sollte, wenn ihre Verfolger bereits im Haus waren, aber es musste ihr schleunigst etwas einfallen.
Feycon sah, wie Mavea völlig kopflos ihre Sachen zusammensuchte und panisch einen Fluchtweg suchte. Sofort ging der Krieger in seinen Kampfmodus über. Allein sein Geschick im Schwertkampf war schon legendär, aber wenn Feycon von seiner Magie Gebrauch machte, dann war er eine fast unüberwindbare Hürde. Mit den Handflächen nach oben, hielt er seine Hände auf die Seite und konzentrierte sich auf seine Umgebung. Tatsächlich konnte er mehrere nicht menschliche Wesen wahrnehmen, nicht nur außerhalb der Wohnung, sondern auch darin. Seine Augen begannen zu glühen, das machten sie immer, wenn er für den Kampf bereit war.
Mavea öffnete leise und bedächtig die Eingangstür und hörte Stimmen auf dem Flur, diesen Weg konnte sie also vergessen. Kämpfen wäre vielleicht eine Möglichkeit gewesen, aber gegen mehrere Jäger hatte sie nicht die geringste Chance. Sie schloss zitternd die Tür und lehnte sich mit ihrem Körper dagegen. Ihre Wohnung hatte die junge Frau immer als eine Festung betrachtet, die unauffindbar war und nun wurde diese gestürmt.
“Feycon, so wie ich das sehe, haben Sie doch bestimmt Kampferfahrung, oder?” Sie sah ihn schon fast flehend an. Wenn er ihr jetzt nicht helfen konnte, dann wäre das Versteckspiel vorbei. Aus dieser aussichtslosen Lage schaffte Mavea es alleine niemals heraus.
Feycon knurrte zustimmend und deutete ihr, von der Tür wegzugehen. Außer ihnen beiden war noch kein Eindringling in der Wohnung und trotzdem zeigte seine Magie etwas Ungewöhnliches an.
Mavea hatte bis jetzt nur die untere Hälfte seines Gesichtes gesehen, weder wusste sie, wie er aussah, noch was er war. Aber nun konnte sie deutlich einen roten Schimmer im Schatten der Kapuze erkennen. Sie trat ein paar Schritte zur Seite, Feycon wirkte momentan noch bedrohlicher als ihre Verfolger, er sah richtig unheimlich aus. Aber er war ihre einzige Überlebenschance, daher nahm sie dankbar seine Hilfe an.
“Egal was da gleich reinkommen sollte, unterschätz sie nicht”, erklärte Mavea und wich noch weiter von der Tür weg, bis sie hinter ihm stand.
Die Frau war auf den ersten Blick ein Mensch, aber wenn Feycon sie mit seiner Magie betrachtete, dann hatte sie eine ungewöhnliche Aura um sich, als ob zarte Nebelschwaden sie umhüllten. Bei keinem Menschen oder Andersweltwesen hatte er je diese Signatur wahrgenommen. Plötzlich flog die Tür aus ihren Angeln und fünf Männer stürzten in den Raum. Feycon stand gelassen da, im Kampf ließ er immer seinem Gegner den Vortritt, da er durch das Beobachten der Bewegungen, den nächsten Schritt voraussehen konnte. Die Magie wies ihm den Weg, sein Körper folgte dem Muster und der Geist analysierte den Ablauf. Für ihn war es eine Choreografie des Todes und diese beherrschte er wie kein anderer.
"Mavea, du Verräterin!", sagte einer der Männer vorwurfsvoll.
Bedächtig teilten sich die Eindringlinge auf und kamen näher. Langsam wurde Feycon klar, warum er hier war und weshalb er noch immer seinen Waffenrock an hatte. Eine Jungfer in Not hatte er noch nie gerettet, geschweige denn seine Macht für etwas Gutes eingesetzt.
"Komm lieber freiwillig mit, oder willst du deinen Freund auch auf dem Gewissen haben?", sprach derselbe Mann, anscheinend war er der Anführer.
“Raban!” Mavea sprach den Namen mit Verachtung aus. “Lieber würde ich mich selbst umbringen, als freiwillig mit euch zugehen.” Trotzig machte sie ein paar Schritte auf ihn zu, blieb aber hinter Feycon. “Es ist wahr, ich habe vielleicht etwas getan, was von unserem Volk nicht geduldet wird, aber ich habe gehandelt, wie jedes fühlende Wesen gehandelt hätte.” Mit Ausnahme ihres Volkes, aber das spielte für sie momentan keine Rolle. “Feycon, du hast gehört was er gesagt hat, es ist deine Entscheidung, ob du mir helfen willst oder nicht”, wandte sich Mavea an ihren momentanen Beschützer.
Feycon konnte nicht glauben, dass sie fünf Männer ausgesandt hatten, um ein Mädchen einzufangen. Ein Mädchen, das wunderschön war und ihn um Hilfe bat. Er hatte, außer seiner Mutter, noch nie jemandem geholfen, weil er einfach nie die Freiheit dieser Entscheidung hatte. Der Kriegsdämon verlangte von ihm Gehorsam und Treue, Freizeit war Mangelware. Diese verbrachte er hauptsächlich bei seiner Mutter, denn unter seinen Kriegern hatte er keine Freunde.
„Wenn Ihr und Eure Männer hier lebend raus wollen, dann rate ich euch zu verschwinden!" Die tiefe, drohende Stimme von Feycon, hörte sich vollkommen anders an, als bei dem vorigen Gespräch mit Mavea.
Die Männer lachten und Raban sagte: "Mavea, sag deinem Freund, dass er sein letztes Gebet sprechen soll und dann bist du dran!"
Die Worte von Feycon jagten ihr Schauer über den Rücken. Mavea ahnte, weshalb er so ein Selbstvertrauen an den Tag legte und zu ihrem Glück hatte er sich dazu entschieden, ihr zu helfen. Mavea sah Raban unverwandt an.
“An deiner Stelle würde ich nicht so große Töne spucken. Ich bezweifle wirklich, dass ihr gegen ihn eine Chance habt.” Mutige Worte für eine Frau, die überhaupt keinen Schimmer hatte, ob Feycon wirklich so gut kämpfen konnte, wie sie gerade behauptet hatte. Aber etwas besseres, als auf ihn zu vertrauen, blieb ihr sowieso nicht übrig.
Kapitel 2
Feycon spürte die Macht im Raum, welche sich immer mehr aufbaute. Mavea hatte ihn bereits vorgewarnt, auch seine Magie zeigte ungewöhnliche Signaturen bei den Männern an, deshalb zog er langsam seine beiden Bastardschwerter aus dem Rückenhalfter. Vor ihm verdichtete sich die Luft immer mehr zu einer Nebelmasse und ließ die Angreifer darin verschwinden, der Krieger stutzte. In all seinen Schlachten hatte er diese Kampfstrategie noch nie gesehen, aber er wäre nicht ein Legionenführer des Kriegsdämons, wenn er keine Antwort darauf wüsste. Er schloss seine Augen und verließ sich auf seinen ausgeprägten Hörsinn und den Instinkt langjähriger Erfahrung. Auf keinen Fall würde er zulassen, dass dem Mädchen hinter ihm, ein Haar gekrümmt wurde.
Der Angriff von zwei Männern gleichzeitig kam plötzlich. Feycon wehrte sie mit geschmeidigen Bewegungen seiner Schwerter ab und drückte die Jäger in den Nebel zurück. Er wusste, dass dies ein vorsichtiges Herantasten seiner Fähigkeiten war, aber dies beruhte auf Gegenseitigkeit. Die kleinen Details des Angriffes erzählten ihm eine Geschichte, welche sich zu einem genauen Bild, über ihr Verhalten im Kampf, zusammenfügte. Sein Vorteil lag nicht nur darin, dass Dunkelelfen hinterhältig kämpften und er als solcher nicht erkannt wurde, auch seine Waffen hatten versteckte Mechanismen.
Bevor der Angreifer noch zu erkennen war, sprang Feycon in die Höhe. Mit einer Rolle flog er über den Näherkommenden hinweg und stieß ein Schwert tief in dessen Rücken. Ein überraschtes Röcheln erklang, Ungläubigkeit malte sich auf den Zügen des Sterbenden ab, als Feycon seine Waffe herauszog und ihn aus glühenden roten Augen fixierte. Der Legionenführer drehte sich im Kreis, als der nächste Angriff erfolgte. Nach einigem Schlagabtausch, blockte er zwei Gegner gleichzeitig ab, seine Schwerter wurden dicht an ihren Kehlen festgehalten. Mit einem bösartigen Grinsen drückte Feycon die Hebel an seinen Waffen, sofort sprangen Kurzdolche aus dem Heft und landeten in den Hälsen der Jäger. Plötzlich wurde es still im Raum, Feycon konnte keine Geräusche vernehmen, selbst Mavea hielt hinter ihm den Atem an.
Langsam zog er sich wieder zurück, er wollte in der Nähe der Frau sein, falls ihn doch noch etwas überraschen würde. Im Krieg war es Tradition einen Soldaten laufen zu lassen, damit dieser die Kunde vom Untergang überbringen konnte. Solche Nachrichten hatten unglaubliche Kraft, welche dem Sieger mehr halfen, als die Toten auf dem Schlachtfeld. Aber in diesem Fall hatte er den Eindruck, dass keine Überlebenden den Zweck eher erfüllten, daher machte er sich nun seinerseits für einen Angriff bereit. Systematisch tastete er mit seiner Magie den Raum ab und konnte die beiden übrigen Männer in einer Ecke ausmachen. Er schüttelte den Kopf, wie konnte man nur so dämlich sein? Jetzt wusste er, warum sie fünf Männer ausgesandt hatten, um ein Mädchen einzufangen. Kurz blickte Feycon hinter sich und sah Mavea völlig erstarrt da stehen.
Er hatte sie doch tatsächlich alle drei innerhalb weniger Minuten erledigt. Noch nie hatte Mavea jemanden gesehen, der mit einer solchen Leichtigkeit die Jäger ihres Volkes besiegen konnte und so wie es aussah, musste er sich dafür nicht einmal großartig anstrengen. Sie versuchte die Leichen und das viele Blut zu ignorieren, der Schock dürfte ihr großteils dabei helfen. Sie warf einen Blick auf die Nebelwand vor sich, in der sich immer noch zwei Verfolger versteckten, nervös wandte Mavea sich dann wieder an Feycon. Er beschützte sie und das war der einzige Grund, nicht vor Angst laut loszuschreien. Stumm deutete sie auf die Nebelwand, sie würden weiter kämpfen, die Verfolger gaben erst auf, wenn Mavea in ihren Händen war.
Feycon verstand ihren Wink und setzte sich in Bewegung. Zielstrebig ging er auf die beiden Jäger zu, obwohl die Nebelwand für menschliche Augen undurchdringlich war. Feycon überraschte die beiden Männer, da er sich ihnen vollkommen lautlos genähert hatte. Rot glühten seine Augen und erst jetzt wurde den Verbliebenen klar, dass sie es hier nicht mit einem normalen Menschen zu tun hatten. Sie pflegten keine Kontakte außerhalb ihres Volkes, daher waren sie ahnungslos, wer da vor ihnen stand. Doch die Gewissheit ihres baldigen Todes ließ sie verzweifelt angreifen.
Mavea kniff fest ihre Augen zu. Sie hörte die Kampfgeräusche und dann eine jähe Stille. Langsam öffnete sie die Lider. Feycon kam auf sie zu und baute sich vor ihr auf.
"Was bist du? Was habe ich hier gerade fünf Mal getötet?" Seine Stimme duldete kein Ausweichmanöver.
Die junge Frau biss sich nervös auf die Unterlippe. Zu verraten, wer sie wirklich war, könnte schwerwiegende Folgen mit sich tragen, dieses Gewissen saß tief in ihrem Wesen. Ihn anzulügen, wäre wahrscheinlich leichter, aber Mavea glaubte nicht wirklich, dass Feycon sie an ihr Volk verraten würde. Seufzend entschloss sie sich für die Wahrheit.
“Ich stamme vom Volk der Nimbatu, wir leben … ziemlich abgeschnitten von allem und bleiben lieber unter uns”, erklärte sie ihm zögernd.
Er neigte überrascht den Kopf.
"Erstaunlich! Vom Nebelvolk habe ich bereits gehört, aber ich dachte, das wären nur Legenden. Dass ihr unter euch bleibt, ist wohl stark untertrieben, niemand weiß etwas über die Nimbatu."
“Und so soll es auch bleiben, wir wollen nicht, dass jeder über uns Bescheid weiß”, antwortete sie vorsichtig.
Feycon brummte etwas unverständliches, drehte sich um und sah die toten Körper. Normalerweise kümmerte ihn das herzlich wenig, aber Mavea dachte da bestimmt anders darüber.
Sie vermied es instinktiv, seinem Blick zu folgen.
“Wir sollten hier weg, es wird nicht lange dauern, bis die nächsten auftauchen, wenn die Jäger sich nicht zurückmelden”, bemerkte sie zitternd und schnappte sich abermals ihre Tasche.
Er sah an sich herunter und runzelte die Stirn. So konnte er sich unmöglich unter Menschen begeben, die Kleidung alleine war auffällig genug, aber die Blutspuren würden die ganze Aufmerksamkeit auf ihn lenken.
"Haben Sie für mich etwas anderes zum Anziehen?", fragte er wenig hoffnungsvoll. Außerdem brauchte der Krieger für seine Waffen ein Behältnis, die Polizei würde es nicht gerade tolerieren, wenn er mit den Bastardschwertern auftauchte.
Mavea seufzte. Wo sollte sie jetzt neue Kleider für ihn herbekommen? Sie hatte natürlich zufälligerweise keine Männersachen ihrem Schrank, schließlich lebte sie sehr zurückgezogen.
“Ich befürchte nicht.” Nachdenklich warf sie einen Blick aus dem Fenster. Draußen war es dunkel, sie könnten also Glück haben und unterwegs niemandem begegnen, stellte sich nur die Frage, wo sie überhaupt hin sollten. Ein Hotel wäre vielleicht eine Option, ihr Geld würde dafür vermutlich noch reichen, aber niemand würde Feycon in diesem Aufzug hinein lassen. Sie seufzte ein weiteres Mal und wandte sich wieder vom Fenster ab. “Wir könnten dich ja in Frauenklamotten stecken, aber ich glaube, du hast nicht meine Größe, es sei den du willst nackt herumlaufen.” Bei dieser Vorstellung musste sie grinsen. “Na ja, ich glaube damit würdest du für noch mehr Aufruhr sorgen”, murmelte sie mehr zu sich selbst.
Feycon zog überrascht eine Augenbraue in die Höhe. Offensichtlich konnte Mavea nur unter Schock stehen, wenn sie ihm diesen Vorschlag machte. Nie im Leben würde er sich Frauenkleider anziehen, aber nackt war er schon öfters unterwegs gewesen, aber nicht im heutigen London.
"Verdammt!", fluchte er und begann nach einem Umhang zu suchen. Er riss Kästen und Schubladen auf, und wischte mit einem gefundenen TShirt das Blut von den Schwertern.
Ungläubig beobachtete Mavea das Geschehen, bis sie realisierte, was er da gerade in den Händen hielt.
“Sag mal, spinnst du!” Sie riss ihm das TShirt aus der Hand und klemmte es sich unter den Arm, während sie ihn wütend anfunkelte. “Was verstehst du eigentlich unter Anstand? Hör gefälligst auf meine Wohnung zu durchwühlen”, keifte sie hysterisch und die Bedrohung, die von ihm ausging, war ihr momentan herzlich egal, zumal annehmbare Kleidungsstücke hier wirklich teuer waren. Sie hielt ihr Seidentop hoch und stellte stöhnend fest, dass es schon hinüber war und dabei war es eines ihrer Lieblingsstücke! Gewesen. “Erinnere mich daran, dass du mir ein neues Oberteil schuldest, sobald wir in Sicherheit sind.” Sie warf es ihm wieder zu und stolzierte in die Abstellkammer.
Feycon verstand die Aufregung um das Stück Stoff nicht, was sollte daran ein Kleidungsstück sein?
Mavea kam mit ihrem braunen Kunstpelzmantel zurück und hielt ihm diesen wortlos unter die Nase.
Er nahm den gehäuteten Hund entgegen und erkannte, dass dies ein Mantel sein sollte. Nie im Leben würde er da hinein passen, daher hängte er ihn sich um. Achtlos warf er den blutigen Stoff weg, verstaute seine Waffen wieder im Gurt und machte sich auf dem Weg zur Türe. Der Krieger verschwendete keine weiteren Gedanken an die Leichen und ging bereits die Treppen nach unten.
“Jetzt schweigt der Herr dazu!” Immer noch sauer folgte Mavea ihm und schloss leise ihre Wohnungstür. Dieses Leben war nun zu Ende, es war Zeit weiterzuziehen. Der Mantel verdeckte kaum die Blutspuren und der Waffenrock war noch zu sehen, so würden sie wohl kaum in ein Hotel hineinkommen. Vielleicht war er gelenkig genug, um durch ein Fenster zu klettern, sobald Mavea ein Zimmer organisiert hatte. Kopfschüttelnd verwarf sie diesen Gedanken wieder. “Hast du eine Idee, wo wir die Nacht verbringen könnten?”, fragte sie Feycon nachdem sie ihn eingeholt hatte. Und zum ersten Mal fiel ihr auf, dass sie dauernd an WIR dachte. Seit wann gab es kein ICH mehr? Was hatte die geändert?
Seine Gedanken rasten. Er benötigte ein Portal, um wieder in die Unterwelt zu kommen und das nächste befand sich im Habitat. Außerdem hatte er kein Zahlungsmittel bei sich, daher war sein logisches Ziel die Gemeinschaft. Auf der Straße angekommen, sah er sich um.
"Hast du ein Transportmittel?", fragte er und ging ebenfalls zum Du-Wort über.
Mavea schüttelte den Kopf.
“Nein, ich kann mir kein Auto leisten.” Sie ließ ihren Blick über die Straße wandern, um sich zu vergewissern, dass sie von niemandem beobachtet wurden und steuerte dann zielstrebig den weniger beleuchteten Weg an. Jeder normale Mensch, der Feycon mit den ganzen Waffen und dem Blut sah, würde die Polizei rufen und Mavea war nun wirklich nicht scharf darauf, den Rest ihres Lebens in einer Zelle zu verbringen, oder womöglich auch noch in einer geschlossenen Anstalt.
"Warte!", rief er ihr nach. Zielstrebig ging der Krieger auf einen PickUp zu und konzentrierte seine Magie auf das Schloss, kurze Zeit später sprang die Verriegelung auf. Feycon setzte sich hinter das Steuer und startete mit derselben Energie den Motor. "Wenn du mitfahren willst, dann steig ein!" Es behagte ihm zwar nicht, sie mitzunehmen, aber hier lassen wollte er Mavea auch nicht. Seine Mutter würde sich schon um sie kümmern.
Sie sollte da mitfahren? Er hatte soeben ein Auto gestohlen, das erhöhte natürlich die Chancen, dass die Polizei hinter ihnen her sein würde. Nun ja, für dieses Vergehen konnte sie wirklich nichts dafür. Okay, sie hatte also zwei Optionen, entweder schlug sie sich alleine durch, oder sie stieg ein. Mavea hatte im Grunde bereits eine Entscheidung getroffen, zum ersten Mal seit ihrer Flucht war sie nicht alleine. Sie vertraute sich einer völlig fremden Person an, weder hatte sie sein Gesicht bisher gesehen, noch kannte sie seine Herkunft. Auch ignorierte sie dabei völlig, was dieser Krieger alles mit ihr anstellen könnte, aber schließlich hatte er sie gerettet. Und das zählte. Sie kletterte auf den Beifahrersitz des PickUps und kämpfte mit dem Sicherheitsgurt.
„Wohin fahren wir?“, fragte Mavea unsicher.
Er sah ihr eine Weile bei ihren hektischen Bewegungen zu und nahm ihr dann den Gurt aus der Hand, mit einem leisen Klick rastete er ein. Feycon musste grinsen, was ihm nicht ganz leicht fiel, da er in seinem Leben nicht viel zu lachen hatte. Der Krieger stieg aufs Gaspedal und fuhr mit überhöhter Geschwindigkeit durch die dunklen Straßen.
"Zu meiner Mutter." Sollte er sie eventuell vorwarnen? Schließlich war Mavea selbst kein Mensch, daher nahm er an, dass sie Andersweltwesen kannte und verzichtete auf nähere Informationen zu seiner Mutter oder ihrer Abstammung.
Mavea sah ihn entgeistert an.
“Zu deiner Mutter?” Damit hatte sie nun wirklich nicht gerechnet. Dieser verschlossene Krieger hatte also eine Mutter, bei der sie die Nacht verbringen konnte. Mavea war angeschlagen, hatte Hunger und sie konnte sich morgen überlegen, wie es mit ihr weiter gehen sollte. Auf jeden Fall würde sie alleine weiter machen, denn er hatte seinen Kram zu erledigen und sie ihren. “Sag mal ... wo warst du eigentlich, bevor du bei mir in der Wohnung gelandet bist?” Sie war ehrlich neugierig, da sie immer noch nicht verstand, weshalb er plötzlich bei ihr aufgetaucht war.
Feycon konzentrierte sich auf die Straße, es war schon eine Weile her, als er das letzte Mal ein Fahrzeug gelenkt hatte.
"Es ist für dich sicherer, dies nicht zu wissen und gefährlich genug, wenn du in meiner Nähe bist." Er traute dem ganzen noch immer nicht. Er rechnete jederzeit mit einem Angriff, deshalb hatte er auch die Waffen nicht auf den Rücksitz geworfen, der Krieger wollte sie griffbereit haben. Wenn Mavea nicht das Portal geöffnet hatte, und davon ging er aus, dann konnte vom dem Verursacher noch eine große Gefahr ausgehen. Es wäre mehr als unerfreulich, wenn dabei die Frau ums Leben kam, die er in einer Hauruckaktion gerettet hatte.
“Verstehe.” Sie lehnte den Kopf an die kühle Fensterscheibe und schloss die Augen. “Ab morgen sollte das wohl kein Problem mehr darstellen, ich werde in eine andere Stadt ziehen, irgendwo ein neues Leben aufbauen.” Neue Stadt, neuer Job, neue Wohnung. Mavea hatte schon lange aufgehört mitzuzählen, wie oft sie in den letzten Jahren schon umgezogen war. Dies hatte die junge Frau den strengen Regeln ihres Volkes zu verdanken und jetzt musste sie mit den Folgen ihres Handelns klar kommen.
Feycon blickte kurz zu Mavea hinüber und sah eine müde junge Frau, die ihre Illusionen verloren hatte. Diese Phase in seinem Leben war schon längst vorüber, er hatte bereits das Stadium der völligen Hoffnungslosigkeit erreicht. Mavea war die erste Frau seit ... Ewigkeiten, die er ansah, geschweige den mit ihr sprach. Etwas rührte sich in seiner Brust, als er diese Schönheit betrachtete. Sie sah verloren aus. Ein Hupen riss seine Aufmerksamkeit wieder auf die Straße und er lenkte im letzten Moment wieder auf seine Fahrbahnseite. "Verfluchte Dämonenscheiße!", schimpfte er.
Mavea die schon im Halbschlaf war, riss angesichts des Manövers und Feycons Flüchen die Augen auf. Sie hatte nicht vor, bei einem Autounfall zu sterben, nachdem sie den Angriff von fünf Jägern überlebt hatte. Das wäre wohl wirklich Ironie gewesen.
“Wann bist du das letzte Mal Auto gefahren?”, fragte sie ihn entsetzt und klammerte sich vorsichtshalber am Sitz fest. “Ich will ja nichts sagen, aber zum Sterben bin ich noch zu jung.” Okay, blöder Spruch, wenn man mal über ihre Situation nachdachte, aber sterben wollte sie wirklich noch nicht.
"Niemand stirbt in meiner Obhut!", knurrte er und das meinte Feycon auch so. "Außerdem war der andere schuld", nuschelte er leise vor sich hin. Der Krieger beließ lieber seine Augen auf der Straße, einen Drachen konnte er blind fliegen, aber an dieses Höllengefährt der Menschen, würde er sich nie gewöhnen.
Der Wagen lag ruhig auf der Landstraße und fuhr mit gleich bleibendem Tempo dahin, als Feycon plötzlich die Unterhaltung wieder aufnahm.
"Was zur Hölle hast du überhaupt angestellt? Doch nicht etwa bei einem Festessen laut gerülpst?" Er konnte sich absolut nicht vorstellen, das Mavea zu einer schrecklicheren Tat fähig war. Sie strahlte Wärme und Güte aus, auf seine Wahrnehmung konnte er sich immer verlassen, diese hatte noch nie falsch gelegen.
“Auf einem Festessen gerülpst? Wenn es nur das wäre!”, seufzte sie. Das was sie getan hatte, war bei ihrem Volk strengstens untersagt und damit das Schlimmste was sie hätte tun können, dabei war es lediglich menschlich, jemand anderem zu helfen. “Ich habe einem Menschen das Leben gerettet und die Regeln unseres Volkes besagen, dass wir uns niemals bei einer anderen Rasse einmischen dürfen, egal was passiert”, erklärte sie ihm zögernd. Und sie hatte gegen diese eisernen Gesetze verstoßen. Töricht, wie alle in ihrem Volk gesagt hatten, aber sie hatte unmöglich den Menschen einfach seinem Schicksal überlassen können. “Tja ... und jetzt bin ich anscheinend zum Tode verurteilt.”
Feycon sah sie entgeistert an.
"Bei Satans Braut, wo lebt denn dein Volk? In der Unterwelt gleich neben Luzifer?" Also mit dieser Antwort hatte er absolut nicht gerechnet. Viele Andersweltwesen mischten sich nicht in die Angelegenheiten der Menschen ein, da sie mit sich selbst genug zu tun hatten, aber Hilfe verweigerten nur Bewohner der Unterwelt, so auch er. Verdammt, er wird doch jetzt nicht von Abigor verstoßen, nur weil er dieser Frau geholfen hatte? Ein sarkastisches Lächeln stahl sich bei dieser wunderbaren Vorstellung auf seine Lippen.
Mavea lachte freudlos auf.
“Manchmal kommt es mir so vor”, gestand sie ihm zögernd. “Wie auch immer, ich bereue es nicht dem Menschen geholfen zu haben.” Und das stimmte sogar, auch nachdem was sie deshalb durchmachen musste. Mavea konnte es einfach nicht bereuen, vielleicht war sie ein wenig zu freundlich und hilfsbereit, aber dass sie deshalb von ihrem Volk verstoßen und gejagt wurde, stimmte sie traurig.
Der Krieger verfiel wieder in Schweigen. Abigor würde ihn nie für ein solches Vergehen töten, dafür diente er einfach zu gut. Immer schickte der Kriegsdämon gerade ihn in die aussichtslosesten Schlachten, da sein Überlebenswille sehr stark ausgeprägt war. Einmal hatte Feycon seinen Lord gefragt, wann der Dienst als Legionenführer enden würde, die Reaktion darauf erschütterte ihn noch heute. Abigor hatte zuerst laut losgelacht und dann, mit einer drohenden Fratze, seine Magie auf ihn losgelassen. Er konnte sich genau daran erinnern, wie er keine Luft mehr bekam und Blut aus seinen Augenwinkeln trat. Der Schmerz der folgte, war unbeschreiblich. Nie wieder hatte er seinem Lord widersprochen. Feycon kämpfte jeden Tag gegen seine Hoffnung auf Freiheit, Herr seiner eigenen Entscheidungen zu werden und ein Leben außerhalb der Unterwelt zu führen. Auch musste er an seine Mutter denken, die ein leichtes Ziel für Racheanschläge wäre.
“Wie lange dauert es den bis zu deiner Mutter?”, erkundigte sich Mavea nach einiger Zeit, schon alleine deshalb, damit sie wach blieb. Sie hatte keine Lust jetzt im Auto einzuschlafen, nachdem sie miterlebt hatte, dass es nicht ganz sicher war, solange Feycon am Steuer saß.
"Eine Weile!", antwortete Faycon abwesend. Ihm fiel gar nicht auf, dass die nächste Stunde kein Wort gesprochen wurde, so sehr war er in Gedanken versunken. Endlich kam er in die Nähe des Habitats. Feycon fuhr das Auto nicht direkt zur Gemeinschaft, da er Polizisten nicht zu ihnen führen wollte. Der Krieger bog in einen nahe gelegenen Wald ab und versteckte den Wagen im überwucherten Unterholz. Als er sich zu Mavea wandte, schlief diese tief und fest. Feycon wunderte sich, dass sie bei dem holprigen Weg nicht aufgewacht war, anscheinend fehlte ihr der Schlaf. Er blieb eine Weile sitzen und betrachtete sie im Dunkeln. Ihre Atemzüge strömten gleichmäßig aus der Lunge, der Mund war leicht geöffnet und es juckte Feycon in den Fingern, ihr langes Haar aus dem blassen Gesicht zu streichen. Aber er ließ es sein, zärtliche Gesten gehörten nicht in seine Welt. Mit einem Brummen stieg er aus, schulterte ihre Tasche und hob Mavea vorsichtig aus dem Fahrzeug. Sie war ein Fliegengewicht und wachte keine Sekunde auf. Der Krieger bekam große Augen, als die Frau in seinen Armen mit einem Seufzer sich tiefer an seine Brust kuschelte. Nach dem ersten Schock rührte sich wieder das leichte Ziehen in seiner Brust, er drückte sie fester an sich und trug Mavea mehrere Kilometer bis zum Habitat.
Mavea träumte davon, auf Händen getragen zu werden und verfluchte das Auftauchen in die Wirklichkeit, sie wollte sich an der schönen Illusion festkrallen. Langsam wurde sie munter und fand sich in einer engen Umarmung wieder. Besser gesagt, sie riss Feycon fast den Waffenrock vom Leib, so dermaßen hielt Mavea sich an ihm fest. Sie fuhr zurück, als ob sie sich die Finger verbrannt hätte, kam aber nicht weit, da starke Arme sie schützend umfingen. Nachdem sie sich einigermaßen gefangen hatte, blinzelte sie nach oben. Feycon hatte seinen Blick auf die Straße vor ihnen geheftet, weshalb Mavea sich nicht sicher war, ob er überhaupt gemerkt hatte, dass sie wach war. Vielleicht sollte sie sich bemerkbar machen, schließlich konnte sie auch selber laufen. Es war schon peinlich genug, wenn sie daran dachte, wie sie sich an ihn geklammert hatte. Weshalb sie das allerdings getan hatte, konnte sie sich selbst nicht erklären. Mavea schluckte einmal, bevor sie das Wort ergriff.
„Ähm … tut mir leid, dass ich eingeschlafen bin, ich kann jetzt wieder selber laufen“, bemerkte sie stockend und versuchte wieder ein wenig Abstand zwischen sie zu bringen. Mavea wollte gar nicht wissen, was er jetzt über sie dachte, vielleicht hatte sie sogar im Schlaf geredet, das passierte ihr früher oft.
Feycon ließ Mavea runter, da sie bereits das Habitat erreicht hatten. Nicht jeder konnte die Grenze passieren, denn das Areal war von Schutzzaubern umgeben und nur nichtmenschliche Wesen aus der Anderswelt konnten eintreten. Spezies der Unterwelt wurden ebenfalls geblockt, bei seiner Mutter und ihm hatte die Gemeinschaft eine Ausnahme gemacht. Beim Durchgehen spürte man einen kurzen Widerstand mit einem nachfolgenden Ziehen. Zielstrebig ging Feycon durch die Straßen und musste sein Tempo bewusst drosseln, damit er Mavea nicht verlor. Er hatte seine Mutter vor 10 Jahren das letzte Mal gesehen, eine lange Zeit und sie hätte sich noch ausgedehnt, wenn ihm diese Gelegenheit nicht geboten worden wäre.
Noch ein wenig benommen von dem unglaublichen Schutzzauber, taumelte Mavea hinter Feycon her. Sie hatte keine Ahnung, wo sie hier gelandet war und wollte ihn nur ungern aus den Augen verlieren, schließlich wusste sie rein gar nichts über diesen Ort und geheuer war er ihr auch nicht. Mit dem Krieger Schritt zuhalten, glich jedoch fast einer Meisterleistung und er hatte es scheinbar ziemlich eilig. Nach einer Weile schaffte sie es dann doch, ihn einzuholen und lief ruhig neben ihm her, während ihr Blick immer wieder die Umgebung musterte. Mavea war ein wenig unruhig, aber das war für sie in letzter Zeit schon fast ein Normalzustand.
Als Feycon in die Straße einbog, in welcher seine Mutter wohnte und das Haus sah, blieb er abrupt stehen. Es sah noch genauso aus, ein ebenerdiges kleines Häuschen im L-Format mit kleinem Garten. Für ihn war es mit den prächtigen Pflanzen und Blumen eine Oase der Farben und Gerüche. Ashalij pflegte seinetwegen diese außergewöhnliche Pracht, da ihn in der Unterwelt nur Dunkelheit und Verdammnis umgab. Gierig zog Feycon den Anblick auf und genoss den Augenblick.
Da Mavea erst nach ein paar Schritten bemerkte, dass Feycon stehen geblieben war, hatte sie das Haus mit den prachtvollen Blumen fast erreicht. Sie drehte sich zu Feycon um und sah ihn fragend an. Sie konnte sich nicht erklären, wieso er so plötzlich stehen geblieben war, gerade noch schien er auf der Flucht und jetzt stand er einfach mitten auf der Straße. Der Mann warf wirklich mehr Fragen auf, als es Antworten gab.
“Stimmt was nicht?”, erkundigte sie sich.
Feycon wurde von Mavea aus der Versunkenheit gerissen, verlegen räusperte er sich und ignorierte ihre Frage. Der Krieger ging an ihr vorbei und bevor er noch die Tür erreichte, wurde sie von innen aufgerissen. Der Krieger hatte sie noch nie überraschen können. Ehrfürchtig blieb er vor ihr stehen und überkreuzte die Arme vor der Brust, als Zeichen der Begrüßung, aber seine Mutter wartete nicht länger und fiel ihm um den Hals. Fest drückte er sie an sich und Ashalij rannen Tränen die Wangen hinunter, liebevolle Begrüßungsworte wurden leise ausgetauscht. Es dauerte einige Augenblicke, bis sich Feycon der Frau hinter sich wieder bewusst wurde.
Mavea beobachtete das Geschehen schweigend. So sah es aus, wenn man sehnsüchtig von seiner Mutter erwartet wurde. Sie selber würde wohl nie wieder so empfangen werden, weder von ihrer Mutter noch von ihrem Vater. Schon alleine wegen ihrem Vergehen. Mavea konnte es ihnen nicht übel nehmen. Wenn sie auf der Seite ihrer Tochter wären, würden sie wahrscheinlich genauso gejagt werden. Ihr Volk hatte in diesem Punkt wirklich raue Sitte. Aber dass Feycons Mutter eine Dunkelelfe war, hätte sie nun wirklich nicht gedacht. Er hatte eine helle Haut, soweit sie das unter der Kapuze erkennen konnte, entweder war er adoptiert, oder sein Vater gehörte einer anderen Rasse an. Okay, ihr Interesse war eindeutig geweckt. Sie schob diese überraschenden Gedanken in die hinterste Ecke ihres Kopfes und starrte weiterhin Feycons Mutter an. Sie schien ihren Sohn wirklich vermisst zu haben, wenn sie sogar weinte und man konnte förmlich sehen, wie sie sich freute, ihn wieder bei sich zu haben.
Ashalij richtete ihre unheimlichen Augen auf Mavea, die sich bemühte, keinen Schritt zurück zu machen.
"Mutter, das ist Mavea!" Feycon war die Situation etwas unangenehm, da er noch nie eine Frau nach Hause gebracht hatte, wer weiß, was seine Mutter glaubte. An Mavea gewandt sagte er: "Meine Mutter, Ashalij."
Ashalij löste sich von Feycon und kam mit anmutigen Schritten auf die kleinere Frau zu. Sie neigte etwas den Kopf zur Seite und musterte Mavea.
"Willkommen!", sagte Feycons Mutter mit einem rauen Ton, reichte ihr aber nicht die Hand.
“Äh … danke!” Mavea war ein wenig überrumpelt, bemühte sich aber, ihre Unsicherheit nicht zu zeigen. Eines konnte sie schon jetzt sagen, die Augen dieser Frau waren mehr als unheimlich. Diese helle, intensive rote Farbe bereitete ihr Unbehagen und Mavea hatte das Gefühl, hypnotisiert zu werden.
Feycon räusperte sich nach einer Weile, da er endlich aus dem Waffenrock wollte und Ashalij lächelte die junge Frau an. Mavea ballte ihre Hände zu Fäusten, als sie die spitzen Zähne von Feycons Mutter sah, das Lächeln eines Kampfhundes. Geschockt wandte Mavea ihren Blick ab und versuchte sich so normal wie möglich zu geben.
Mavea wurde das Gästezimmer gezeigt, das über ein eigenes Badezimmer verfügte und die Vereinbarung getroffen, sich in einer halben Stunde in der Küche, zu einem kleinen Mitternachtsimbiss, zu treffen. Nachdem Feycon und seine Mutter das Gästezimmer verlassen hatten, ließ sich Mavea erschöpft auf das große Bett fallen und starrte an die weiße Zimmerdecke. Sie hatte nicht allzu viele Sachen eingepackt, aber eine Dusche wäre mehr als hilfreich, daher sprang sie kurz entschlossen auf und ging duschen. Sie hatte lediglich eine Tasche und ihr ganzes Geld dabei. Damit musste sie durchkommen. Sie konnte nicht noch einmal zu ihrer Wohnung zurück. Ein Taxi und eine neue Unterkunft standen als nächstes auf ihrem Plan. Aber erst morgen. Heute würde sie erst mal eine Nacht hier verbringen. Bei Feycons Mutter. Sie schien ... nett zu sein, auch wenn ihr Äußeres einen dazu bringen konnte, schreiend wegzulaufen. Was einem wieder einmal vor Augen hielt, dass die inneren Werte zählten. Kopfschüttelnd drehte Mavea das Wasser ab und sie machte sich wieder salonfähig. Nachdem sie im Auto ein wenig geschlafen hatte, waren ihre Nerven wieder um einiges strapazierfähiger und der Hunger ließ sie pragmatisch denken, daher ging sie in die Küche hinunter.
Feycon stand unter der Dusche und ließ sich das Wasser mit Genuss über seinen Rücken laufen. Er lehnte mit dem Kopf an den Fliesen und musste ein Stöhnen unterdrücken, welches sich, bei den heißen Wassertropfen auf seinen verspannten Muskeln, in seiner Kehle gebildet hatte. Seine Gedanken wanderten zu Mavea, ihre Schönheit hatte etwas exotisches an sich, das lange, dunkle Haar reichte bis zu ihrem süßen Hinterteil und die Augen waren offene Türen zu ihrer Seele. Diese teilte ihm unmissverständlich mit, dass sie bereits zuviel in ihrem kurzen Leben ertragen musste. Leid, Verfolgung und Hass. Wahrlich keine Eigenschaften, mit denen man tagtäglich konfrontiert sein möchte. Ein warmes Gefühl breitete sich in seiner Brust aus, bei näherem Betrachten kam es ihm sogar bekannt vor. Bei ihrem Aussehen war es eigentlich kein Wunder, dass sich sein Beschützerinstinkt regte. Maveas niedliche Stupsnase und ihr weicher Mund, der zum Küssen einlud, entstand vor seinem inneren Auge. Auch der wohlgeformte, schlanke Körper, mit den richtigen Proportionen zum Anfassen, stahl sich in seine Gedanken. Abrupt stellte er die Wassertemperatur auf eiskalt, unruhig räusperte er sich und stieg, nach einiger Zeit, verlegen aus der Dusche. Der Krieger entschied sich für Jeans und TShirt. Seine Muskeln zeichneten sich deutlich unter dem weichen Stoff ab. Er verzichtete darauf, seine Augen zu schützen, da es seine Mutter sicher misstrauisch machte, wenn Feycon sich zu Hause ungewöhnlich verhielt. Mit nassen Haaren, welche er zurückgekämmt hatte, betrat er den großen Wohnraum und sah Mavea bereits bei Tisch sitzen. Seine Mutter arbeitete noch in der offenen Küche, sie richtete Brot, kaltes gebratenes Fleisch und Milch her. Ashalij lächelte ihn an, als er kurz zu ihr ging und sich ein Stück Fleisch stibitzte. Feycon setzte sich mit einem Grinsen gegenüber von Mavea, sah sie fragend an und kaute genüsslich an seinem Bissen.
Mavea sah auf, als Feycon sich ihr gegenüber setzte und verschluckte sich glatt an dem Schluck Wasser, mit dem sie soeben ihre Kehle befeuchten wollte. Himmel Herr Gott noch mal, wieso hatte sie nicht vorher schon gesehen, wie gut er aussah. Na ja, es lag vermutlich daran, dass er bis vor kurzem noch vermummter als eine Mumie war und jetzt die schlichte Kleidung seinen Körper sehr vorteilhaft zur Geltung brachte und zwar so richtig. Ob er das mit Absicht gemacht hatte? Wohl kaum, schließlich waren das alltägliche Sachen, die das Spiel seiner Muskeln echt faszinierend zeigten. Aber davon einmal abgesehen. Seine Augen waren es wohl, die Mavea am meisten aus der Fassung brachten. Sie waren blutrot, dunkler als bei seiner Mutter. Jetzt wusste sie, warum er seine Augen bis jetzt bedeckt gehalten hatte, sie zeigten sofort, dass er kein Mensch war. Zugegeben, sie waren angsteinflößend, aber Mavea fühlte sich bereits zu Feycon etwas hingezogen, daher hielt sich ihre Furcht in Grenzen. Kopfschüttelnd holte sich die junge Frau aus ihrer faszinierten Betrachtung und wandte den Blick ab. Wenn sie ihn weiterhin so anstarrte, konnte es peinlich für sie werden und das hatte mit seinen Augen dann wohl nichts mehr zu tun.
Feycon amüsierte ihre Reaktion auf ihn und wenn sie alleine gewesen wären, dann hätte er Mavea gefragt, was sie gerade dachte. Aber die Situation war eine andere und das war gut so, da er sich keinen Flirt leisten konnte, geschweige denn mehr. Bevor er duschen gegangen war, hatte er seiner Mutter die Vorkommnisse der letzten fünf Stunden berichtet und wenn er geglaubt hätte, sie damit zu beunruhigen, dann wäre er weit daneben gelegen. Ashalij brachte die Platten zum Tisch und setzte sich zu ihnen.
"Esst, es ist reichlich vorhanden. Mavea, ich darf dich doch so nennen, möchtest du eine Milch?", fragte Ashalij freundlich.
“Ja gerne, danke.” Mavea schenkte Ashalij ein kleines Lächeln und sah begierig auf das Essen vor ihr. Das letzte Mal hatte sie heute Vormittag etwas gegessen, lediglich eine Schnitte Brot. Mavea konnte sich keinen Luxus leisten, sie musste sich mit Nebenjobs über Wasser halten. Heutzutage war das Leben als normaler menschlicher Bürger wirklich schwer.
"Äh ... vielleicht sollte ich dich vorwarnen, die Milch ist aus der Anderswelt und könnte etwas zu scharf für dich sein", sagte Feycon vorsichtig und warf seiner Mutter einen bösen Blick zu.
Mavea zog eine Augenbraue hoch und sah Feycon fragend an.
“Aus der Anderswelt?” Scharfe Sache mochte sie nicht, aber vielleicht war dies hier die einzige Möglichkeit, diese besondere Milch zu trinken. “Egal, ich möchte sie einmal probieren.”
Feycon sah Mavea zweifelnd an und blickte ihr intensiv in die dunklen Augen. Er verlor sich in diesem Anblick, da ihre Erwiderung nur wieder bestätigte, wie viel Mut und starker Wille in diesem zarten Persönchen steckte. Der Krieger wusste, dass dies Eigenschaften waren, die in der Unterwelt nicht existierten. Als seine Mutter sich räusperte, riss er sich zusammen und schenkte Mavea einen kleinen Schluck Milch in sein Glas ein. Feycon schob es ihr hinüber und fragte sich zum ersten Mal, warum er so auf diese Frau reagierte? Was war an ihr so verführerisch, dass er immer mehr in ihren Bann gezogen wurde.
Irritiert von diesem kurzen Augenblick, griff Mavea verlegen zu dem angebotenen Glas, da sie nicht weiter darüber nachdenken wollte, stürzte sie die Milch in einem Zug hinunter. Keine gute Idee, wie sich bereits eine Sekunde später herausstellte. Das Getränk war mehr als nur scharf und brannte im Hals wie Feuer. Sie versuchte zwanghaft nicht von ihrem Stuhl aufzuspringen und direkt zum Wasserhahn zu laufen. So ruhig wie möglich, stellte sie mit zitternden Fingern das Glas wieder auf den Tisch und griff stattdessen nach ihrem Wasser. Kalte Schweißtropfen bildeten sich auf Maveas Stirn und das kühle Nass linderte das Brennen nicht wirklich.
“Okay, ich denke das war das erste und letzte Mal, dass ich Milch aus der Anderswelt getrunken habe!”, krächzte sie und griff sich an den Hals. Ashalij brachte Mavea eine undefinierbare braune Flüssigkeit und sah sie vielsagend an. Schlimmer konnte es nicht werden, daher schluckte die junge Frau mit geschlossenen Augen die dickflüssige Sauce hinunter und verspürte sofortige Linderung, erleichtert lehnte sich Mavea in ihrem Stuhl zurück.
Der Krieger grinste, holte sich sein Glas wieder zurück und schenkte nach. Als er ein paar Schlucke trank und es wieder hinstellte, fing er den Blick seiner Mutter auf. Diese sah ihn fragend an, aber er konnte keine Erklärung für sein Verhalten abgeben. Es war ihm wichtig gewesen, aus dem gleichen Glas wie Mavea getrunken zu haben. Bei den Dunkelelfen hatte dies eine Bedeutung, welche er sich jetzt nicht bewusst machen wollte.
"Du hast dich gut gehalten, andere haben sich ihre Seele aus dem Leib gekotzt und da hat es gleich noch mal gebrannt!" Er entblößte beim Lächeln seine weißen, makellosen Zähne.
Tapfer schmunzelte Mavea zurück, Feycons Lächeln nahm ihr mehr den Atem, als die Milch. Sie wandte sich an Feycons Mutter.
“Könnte ich ... vielleicht noch ein Glas Wasser haben?”, fragte sie vorsichtig, das Brennen hatte immer noch nicht ganz aufgehört und Wasser würde vielleicht den ekligen Geschmack von ihrer Zunge vertreiben.
"Aber natürlich!" Ashalij stand auf und schenkte ihr noch einmal nach. "Hast du eine Bleibe? Weißt du, wohin du gehen kannst?", fragte sie Feycons Mutter unerwartet.
Mavea nahm das volle Glas dankend an und nahm einen kräftigen Schluck, bevor sie auf Ashalijs Frage einging.
„Nun, eine Bleibe direkt habe ich noch nicht, aber morgen werde ich London verlassen und mir etwas passendes suchen.“ Sie lächelte gezwungen und nippte an ihrem Glas, um zu verbergen, dass der Gedanke morgen schon wieder in eine andere Stadt zu müssen, schlimmer war, als sie zugeben wollte. Sich stark zu zeigen, war eigentlich gar nicht so schwer, dies lag vermutlich auch daran, dass die meisten nicht genau hinsahen. Viele nahmen nur das wahr, was sie sehen wollten und jemand der Sorgen und Kummer hatte, gehörte nicht in ihre tolle und fantastische Welt. Ein kleines Lächeln und ein „Mir geht’s gut“ wurden einem ohne Kommentar gerne abgekauft.
***
Nachdem alle Speisen zusammen gegessen waren, begleitete Feycon Mavea zu ihrem Zimmer. Vor der Tür blieb er stehen und lehnte sich lässig an den Türstock. Im Haus brannte das Licht nur schwach, da es auf die empfindlichen Augen der Bewohner abgestimmt war. Der Krieger konnte im dunklen Flur die junge Frau deutlich vor sich erkennen und bemerkte eine gewisse Nervosität an ihr. Er beugte sich mit verschränkten Armen etwas zu Mavea herab und fragte leise: "Alles in Ordnung bei dir?" Ihr Duft stieg ihm in die Nase, Feycon atmete tief ein und sein ausgeprägter Geruchssinn zerpflückte diesen in seine Bestandteile. Die Mischung ihres Aromas war einzigartig, er fragte sich, ob ihre Haut wohl genauso schmeckte wie sie roch. In dem Legionenführer begann alles zu vibrieren, seine Muskeln spannten sich an und er begann flacher zu atmen. Ihre Nähe und Wärme brachte ihn langsam um den Verstand.
Mavea war mit ihren Gedanken beschäftigt. Irgendwie konnte sie sich nicht damit anfreunden, Feycon ab morgen nie wieder zu sehen, aber sie wusste, dass es wohl oder übel so kommen würde. Schon komisch, wenn man bedachte, dass sie sich gerade mal ein paar Stunden kannten. Momentan war ihr Leben kompliziert genug, da brauchte es nicht auch noch ein Mann auf den Kopf zu stellen.
„Ähh … alles super“, stammelte Mavea durcheinander, als sie Feycon so nah vor sich sah. Nie würde sie ihm sagen, was gerade durch ihre Gedanken raste, mit welchen Gefühlen sie kämpfte. Schließlich verwirrte sie sich selbst schon genug, da musste sie nicht noch ihn mit hieinziehen. Trotz allem, Mavea blieb wo sie war. Sie hatte nicht das Bedürfnis jetzt in ihr Zimmer zu gehen. Genieße den Augenblick, hatte ihre Mutter früher immer gesagt, jetzt wusste sie wenigstens, was sie damit gemeint hatte.
"Was denkst du gerade?", fragte Feycon interessiert und seine Stimme rutschte um eine Oktave tiefer. Die Spannung im Flur nahm zu, der Krieger spürte das Knistern in der Luft und rührte sich keinen Millimeter.
“Was ich denke?”, wiederholte Mavea unsicher. Die Stimmung die sich um sie ausbreitete, half ihr nicht wirklich dabei, sich zu konzentrieren. Es war schon schwer genug gewesen, Feycon in der Küche nicht wie eine Bescheuerte anzustarren, aber hier alleine mit ihm, in dem schwach beleuchteten Flur, war es sogar noch um einiges schwieriger. Vor allem konnte sich Mavea einfach nicht von seinem intensiven Blick losreißen. Sie hatte das unheimliche Bedürfnis, ihn zu berühren und das verunsicherte sie noch mehr, als die Tatsache in seinen Augen das gleiche Verlangen lesen zu könnte. Was eigentlich absurd war. Sie befeuchtete kurz ihre Lippen und atmete dann tief durch.
“Ich weiß nicht, momentan verwirren meine Gedanken mich selbst“, gab sie schließlich zögernd zu. „Wenn ich wieder klar denken kann, sag ich dir Bescheid.”
Kapitel 3
Feycons Augenbraue ging in die Höhe und ein verschmitztes Lächeln trat auf seine Lippen. Überrascht bemerkte der Krieger, dass er in den letzten Stunden mehr Mundwinkelbewegungen gemacht hatte, als in fünf Jahrzehnten. Vielleicht sollte er gleich die Gelegenheit nutzen und probieren, ob er überhaupt noch zum Küssen fähig war.
"Tu das", flüsterte er und kam Maveas Gesicht immer näher.
Mavea schluckte. Wenn er noch dichter heran kam, würden bei ihr sämtliche Gehirnzellen aussetzten und sie war sich nicht sicher, ob das so gut wäre. Es verunsicherte sie schon genug, was er ohne seine Nähe bei ihr auslöste und ihre Wege trennten sich morgen. Wenn Mavea es also zuließe, dass Feycon auch noch die letzten Zentimeter die sie trennten überbrückte, fiele ihr der Abschied noch schwerer. Aber wie könnte Mavea ihn abweisen, wenn sie nicht einmal ihren Blick von seinen Lippen abwenden konnte, die ihren schon so nahe waren. So einladend und unwiderstehlich. Jedoch selbst wenn sie gehen wollte, glaubte sie nicht daran, dass ihre Beine ihr gehorchen würden, dafür war es mittlerweile zu spät. Mavea war bereits in seinem Bann und so leicht würde sie wohl nicht wieder heraus kommen.
Er stieß sich von der Wand ab, langsam und vorsichtig näherte er seine Hände ihrem Gesicht. Als seine rauen Finger ihre Haut berührten, hatte er das Gefühl zu brennen. Maveas Wangen waren so zart und glatt wie Seide. Der Krieger befürchtete, ihr mit seinen ungeschickten Händen Schmerz zuzufügen. Sie waren Waffen, Leder und Metall gewohnt und keine feinen Frauenglieder. Feycon fuhr zu ihrem Kinn und strich dann sanft mit einem Finger über ihre zitternde Unterlippe. Sein Atem kam stoßweise, sein Blut raste durch die Adern und in seinen Lenden sammelte sich Hitze. Das Verlangen wollte ihn übermannen, aber sein Herz hielt ihn zurück. Die Versuchung war unsagbar groß, dieser ungewöhnlichen Frau einen Kuss zu stehlen, aber Feycon wollte mehr und das konnte er ihr nicht geben. Sein Blick streifte von ihren Lippen zu den dunklen, verschleierten Augen, in welchen sich sein Verlangen spiegelte. Diesen Augenblick mit ihr konnte ihm keiner nehmen und er wollte ihn selbst nicht mit seiner immensen Lust zerstören. Deshalb ließ er sie seufzend los und sah Mavea bedauernd an.
Fast hätte Mavea frustriert aufgestöhnt, als er so abrupt von ihr abließ. Sie hatte sich seiner Berührung völlig hingegeben, das war schon fast schockierend. Was hatte sie denn erwartet? Das er über sie herfallen würde? Und selbst wenn, wie hätte es dann weiter gehen sollen? Es war so absurd und trotzdem konnte sie das Gefühl in ihrem Inneren nicht abstellen. Die Vorstellung ihm wieder so nahe zu sein, war verlockender, als alles was sie bis jetzt in ihrem Leben erlebt hatte, aber auch genauso hoffnungslos. Wie schön dieser Augenblick auch gewesen sein mochte, jetzt war er vorbei und sie sollte wohl schleunigst das Weite suchen, bevor sie ihre Gefühle nicht mehr unter Kontrolle halten konnte. Tief durchatmend entfernte Mavea sich einen Schritt von Feycon und stieß an ihre Zimmertüre.
“Ich werde jetzt wohl besser schlafen gehen. Gute Nacht”, flüsterte sie so leise, dass Mavea schon befürchtete, er würde es gar nicht hören. Ohne eine Antwort abzuwarten, verschwand sie im Zimmer und ließ sich an der Tür zu Boden gleiten. Vermutlich hätten ihre Beine sie sowieso nicht länger getragen. Mavea sehnte sich sosehr nach Feycons Nähe, dass es schon fast schmerzte und doch musste sie sich zusammenreißen. Immerhin hatte sie von Anfang an gewusst, dass solche Gefühle tabu waren. Nicht nur weil Feycon seinen eigenen Weg ging, sondern Mavea konnte sich in ihrer momentanen Lage keine Ablenkung erlauben.
Das leise Klicken der Tür machte ihm die Endgültigkeit seiner Entscheidung bewusst. Feycon ballte die Hände zu Fäusten, die Erinnerung an ihre zarte Haut ließ ihn aufstöhnen. Frustriert schlug er auf den Türrahmen und lehnte sich mit seiner Stirn an ihre Tür. Der Krieger nahm die raschen Atemzüge dahinter wahr und schloss die Augen. Er wusste warum er so gehandelt hatte. Ihre Sicherheit nahm immer mehr an Bedeutung zu und jegliche Verbindung zu ihm, konnte Maveas Leben massiv gefährden.
"Verdammte Scheiße!" Es war unglaublich, dass seiner Seele damit nur noch mehr Schmerz zugefügt werden konnte.
Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, die sie zuerst gar nicht bemerkt hatte und rappelte sich langsam wieder auf. Mavea konnte gar nicht mehr genau sagen, wann sie das letzte Mal geweint hatte und nun schaffte sie es überhaupt nicht aufzuhören. Sie warf sich auf das Bett und drückte ihr Gesicht in eines der weichen Kopfkissen. Wie sehr sie es auch versuchte, die Gedanken an Feycon und seine Berührungen zu verdrängen, ganz schaffte sie es nicht. Immer wieder tauchte sein Gesicht in ihren Gedanken auf und sie hätte das unschuldige Kissen am liebsten gegen die Wand geschleudert. Nur um ihren ganzen Frust rauszulassen.
***
Nach einer kurzen Nacht kam Feycon in die Küche und begrüßte seine Mutter.
"Sohn, wie siehst du den aus?", fragte Ashalij amüsiert und betrachtete sein schwarzes, verwuscheltes Haar. Sichtlich hatte er sich nicht viel Mühe damit gemacht, trotzdem musste sich der Krieger mit seinem Äußeren nicht verstecken, allein die blutroten Augen würden manche als Manko betrachten. Mürrisch nahm er sein Frühstück entgegen und setzte sich an den Tisch. Sehr wohl war ihm bewusst, dass seine Mutter das Wort Sohn betont hatte und damit ihre Freude zum Ausdruck brachte, ihn endlich wieder im Haus zu haben. Feycon musste sich zusammenreißen, denn er wollte seinen Frust nicht an ihr auslassen. Die restliche Nacht hatte Feycon im Garten verbracht und darum gekämpft, nicht das Zimmer von Mavea zu stürmen. Zurückhaltung war auf dem Schlachtfeld fehl am Platz, sein Instinkt leitete ihn durch die auswegslosesten Situationen, Nichtstun war gegen seine Natur.
Die Seele des Kriegers hatte hohe Wände errichtet, welche alle Angriffe abwehrten und ausgerechnet ein Mädchen durchbrach mühelos seine Mauern. Nie hatte er sein Herz verloren, es war gut eingebettet und verborgen in seiner Brust gewesen. Jetzt strahlte es mit außerordentlicher Helligkeit und diese drang nach draußen. Feycon hatte Mühe Freude und Glück im Zaum zu halten, da diese Gefühle mehr als trügerisch waren. Es gab keine Zukunft mit ihr! Diese Worte musste sich der Krieger immer wieder bewusst vorsagen.
Zart streichelte Ashalij ihrem Sohn über sein Haar.
"Wann musst du gehen?", fragte sie bekümmert.
"Bald!" Im Prinzip sollte er schon längst beim Portal sein, aber Feycon wollte Mavea noch einmal sehen, ein letztes Mal.
"Ich habe dir deine Sachen gewaschen und bevor du jetzt dagegen protestierst, es hat mir Freude gemacht!", schluchzte Ashalij.
"Wir sehen uns wieder Mutter, ich lasse mich nicht unterkriegen! Viel wichtiger ist, dass du auf dich selbst gut aufpasst!" Feycon blickte ihr ernst in die Augen.
"Du magst sie!" Seine Mutter fragte nicht, ihr Instinkt kannte bereits die Antwort. Und darauf gab es auch nichts zu erwidern.
Noch ziemlich verschlafen sprang Mavea am nächsten Morgen unter die Dusche. Das hatte sie zwar gestern Nacht schon erledigt, aber sie brauchte Hilfe um richtig wach zu werden. Sie war immer noch hundemüde. Fast die halbe Nacht hatte Mavea damit verbracht, ihre Gefühle und Gedanken zu ordnen. Das ist ihr allerdings nicht wirklich gelungen. Am Ende hatte sie einfach versucht alles zu verdrängen und war doch irgendwann eingeschlafen. Jetzt jedoch, während das heiße Wasser über ihren Körper rann, kam alles wieder an die Oberfläche. Mit Mühe und Not unterdrückte Mavea die unerwünschten Regungen. Heute würde sie wieder ihren eigenen Weg gehen, und zwar alleine! Von Feycon würde sie sich heute verabschieden müssen. Seufzend drehte Mavea das heiße Wasser ab, sie hatte ihn schon viel zu sehr ins Herz geschlossen, das war keine gute Idee für jemanden, der flüchten musste. Mit ihrer Tasche machte sich die junge Frau auf dem Weg in die Küche, wo bereits Feycon und seine Mutter waren.
“Guten Morgen”, begrüßte sie die beiden und blieb unsicher im Türrahmen stehen.
Feycon sah auf und spürte, dass ihre Anziehung auf ihn nicht nachgelassen hatte.
"Guten Morgen, hast du gut geschlafen?", fragte er, damit die entstandene Stille durchbrochen wurde. Seine Mutter kam in Bewegung und brachte Mavea ein Frühstück zum Tisch.
"Hier Kindchen, setz dich und iss etwas." Ashalij zog sich dann mit einer fadenscheinigen Ausrede zurück, sie wollte den beiden Zeit für ihren Abschied geben.
“Ja, sehr gut”, log Mavea und setzte sich ohne ihn anzuschauen an den Tisch. Sie vermied den direkten Blickkontakt, denn sie wusste, wie sie auf ihn reagieren würde. Also stocherte sie mit wenig Appetit in ihrem Essen herum und überlegte schon jetzt, wie der Abschied ohne großes Tränen vergießen ablaufen sollte.
“Ach ja … ich wollte dir noch einmal danken ... für gestern. Ohne dich wäre ich wohl aufgeschmissen gewesen.” Mavea legte ihre Gabel beiseite und sah lächelt hoch. “Also danke!”
"Wo gehst du hin?", rutschte es aus ihm heraus. Eigentlich wollte der Krieger es gar nicht wissen, wer weiß was er mit dieser Information anstellte. Der Appetit war ihm vergangen, sein Magen verweigerte jede weitere Nahrung.
“Ich weiß noch nicht, vielleicht nach Hailsham, oder in einen anderen Teil von Europa. Nach Italien wollte ich schon immer.” Das stimmte teilweise. Nachdem sie hauptsächlich in England gelebt hatte, wollte sie auch einmal etwas anderes sehen und jetzt schien dafür der richtige Moment gekommen zu sein. Außerdem würde das die Versuchung, noch einmal hierher zurückzukommen, einschränken. Im Grunde kannte Mavea den Weg zum Habitat nicht, aber Feycon wäre auf jeden Fall eine Suche wert. Im Laufe der Jahre würden die Erinnerungen an ihn verblassen und alles wäre so wie früher. “Du wirst wieder zurückkehren, woher du auch immer gekommen bist, nicht wahr?” Die Antwort kannte sie bereits, trotzdem wollte Mavea sie noch einmal von ihm hören.
Er nickte ernst.
"Ja, mir bleibt nichts anderes übrig." Feycon stand auf und begann unruhig im Raum auf und ab zu gehen. Er hatte das Gefühl, etwas Wichtiges zu verlieren. "Glaub mir, wenn meine Situation anders wäre, dann ...", der Krieger brach ab. Er hatte schon zuviel gesagt.
Mavea sah Feycon eine Weile nachdenklich an, schließlich räusperte sie sich und stand ebenfalls auf. “Was wäre dann?”, nahm sie das Gespräch von eben wieder auf. Sie wollte ihn verstehen, aber irgendwie gelang ihr das nicht wirklich. Er verwirrte sie. Ich welcher auswegslosen Situation steckte er und wohin musste Feycon unbedingt wieder zurück?
"Diese Zukunft existiert für uns beide nicht!", sagte er mit großem Bedauern. Der Krieger nahm ihre Hand und hauchte einen sanften Kuss auf die Innenfläche. Feycon sah noch einmal in diese dunklen, verführerischen Augen und verabschiedete sich schweren Herzens. "Leb wohl! Du kannst noch hier bleiben, wenn du möchtest." Auf jeden Fall würde sich der Krieger wohler fühlen, wenn er wüsste, dass sie in Sicherheit war.
“Nein, es ist besser, wenn ich gehe”, sagte sie, ohne den Blick von ihren Händen abzuwenden. Was auch immer seine Worte von der Zukunft oder dieser Kuss auf ihre Hand zu bedeuten hatten, es durfte ihr nicht zu Kopf steigen. Wenn Mavea jetzt nicht ging, würde es noch schwerer werden. “Leb wohl Feycon. Bitte richte deiner Mutter meinen Dank aus.”
***
Die Wochen vergingen nur langsam, Feycon hatte das Gefühl, noch tiefer in einem Sumpf der Hoffnungslosigkeit zu versinken. Seit der Krieger sich von dem Mädchen getrennt hatte, dachte er häufig an sie. Wo war sie? Ging es ihr gut? Diese Fragen rauschten immer wieder durch seine Gedanken und Feycon musste sich zusammenreißen, um bei der Sache zu bleiben. Ein kleiner Fehler und er war seinen Kopf los. In der Unterwelt herrschte rege Betriebsamkeit, Legionen kamen und gingen. Der Krieger selbst bereitete sich gerade für den Aufbruch vor, eine weitere Schlacht stand ihm bevor. Er saß in seinem Quartier und schärfte die Klingen seiner Breitschwerter. Früher hatte ihn diese eintönige Tätigkeit vor einem Kampf beruhigt, aber heute brannte er bereits darauf, dass er das Signal zum Aufbruch gab. Er vertraute niemanden hier, deshalb kümmerte sich Feycon immer selbst um seine Waffen. Er zwang sich zu seinen üblichen Ritualen. Er legte alle Waffen, die er mitnahm, auf sein Bett. Sie waren sauber und geschärft. Zwei Breitschwerter und vier gekrümmte Dolche. Seine Männer waren unterschiedlich bewaffnet, manche schleppten sich mit einem ganzen Arsenal ab, aber diese erwischte es immer zuerst. Wer mit wenigen Waffen nicht umgehen konnte, der überlebte auch mit einer Unmenge davon nicht. Feycon zog das Kettenhemd über den weichen Stoff seines Hemdes, ein Schutz der lebensrettend sein konnte und dafür nahm er gerne das zusätzliche Gewicht in Kauf. Es folgte der hellgraue Waffenrock, der noch den Waschmittelgeruch seiner Mutter verströmte. Tief zog er diesen Duft ein und seufzte bei der Erinnerung an diesen Tag. Dem Tag des Abschiedes. Ihre dunklen Augen und die zitternde Unterlippe beherrschten seine Träume. Immer wieder kehrte er in seinen Gedanken an den Abend zurück, als er ihr so nah war. Heute verfluchte er sich dafür, dass er einen Rückzieher gemacht hatte. Warum hatte er sie nicht einfach genommen? Dann würden ihn die gleichen Fragen nicht immer wieder quälen, wie sie schmeckte, wie sie sich anfühlte und wie sie bei einem Höhepunkt aussah. Er stöhnte auf und schlug mit der Faust gegen die nackte Felswand. Der Schmerz lenkte ihn ab und er konnte sich wieder auf seine eigentliche Tätigkeit konzentrieren. Er setzte sich die Kapuze auf, band die breite, rote Schärpe um seine Hüften und versteckte die Dolche darin. Zuletzt legte er den Rückengurt an und verstaute seine beiden Schwerter unter dem Umhang. Es wurde Zeit.
„Abmarsch!“, knurrte er, als er vor die wartende Legion trat. Feycon durchschritt als erster das geöffnete Portal und zog seine Waffen.
***
Müde und erschöpft vom heutigen Tag ließ sich Mavea auf ihr altes Sofa fallen und schaltete gelangweilt den Fernseher ein, während ihre Gedanken praktisch wie jeden Abend zu Feycon abschweiften. So ging es nun schon seit Wochen. Sie konnte einfach nicht anders, immer wieder fragte sie sich was er wohl gerade machte und wie es ihm ging. Schließlich wusste sie ja noch nicht einmal, wo genau er momentan war. Es war zum Verzweifeln. Mavea schüttelte den Kopf. Das war doch absurd, ihre gesamten Gedanken waren grotesk. Aber Feycon ging ihr einfach nicht mehr aus dem Kopf, egal wie sehr sie auch versuchte, sich abzulenken. Seufzend erhob sie sich wieder vom Sofa, um sich etwas zu essen zu machen, als sie plötzlich diese unverkennbare Energie wahrnahm. Das erste was ihr durch den Kopf ging, war die Frage, wie sie so schnell ihren neuen Aufenthaltsort gefunden hatten. Mavea ließ alles stehen und liegen, und rannte zur Haustür, vielleicht konnte sie noch entkommen, doch es war bereits zu spät. Als Mavea die Tür aufriss, stand ein Jäger bereits vor ihr und bevor sie jeglichen Fluchtversuch unternehmen konnte, packte er sie grob am Arm. Er zog sie mit sich die Treppe hinunter, ohne auf ihre kläglichen Befreiungsversuche zu achten und zwang sie vor dem Anführer auf die Knie. Mavea brauchte nur einen kurzen Blick auf ihn zu werfen und sie wusste, um wen es sich diesmal handelte. Chase, einer der drei gefürchtetsten Krieger ihres Volkes. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen, bis sie ihn auf die Suche nach ihr schicken würden.
„Ach, da bist du ja!“ Chase beugte sich ein Stück zu Mavea hinunter und sie musste den Drang unterdrücken, ihm ins Gesicht zu spucken. Schon bevor Mavea zum Freiwild erklärt wurde, hatte sich Chase keine Situation entgehen lassen, um sie in irgendeiner Form zu provozieren. „Du hast ja für einen ganz schönen Wirbel gesorgt, aber jetzt ist das Versteckspiel vorbei. Du weißt, dass du zum Tode verurteilt wurdest?“
„Ihr habt kein Recht zu bestimmen, wann oder wo ich sterben werde!“ Tapfere Worte für eine Frau, die heute vielleicht zum letzten Mal überhaupt etwas sagen würde. „Tötet mich für eine Tat die niemanden geschadet hat, aber glaubt ja nicht, dass ihr euch danach besser fühlen werdet!“ Ihre Stimme kippte etwas weg, als Chase sie grob am Kinn packte.
„Oh doch, ich werde mich danach viel besser fühlen, glaub mir! Los, führt sie ab!“, befahl er mit kalter Stimme. Mit diesen Worten drehte er sich um und stolzierte hocherhobenen Hauptes davon, während sie einen scharfen Stich im Hals spürte und ihr gleich darauf schwarz vor Augen wurde.
Als Mavea erwachte, hatte sie in sämtlichen Körperteilen schreckliche Schmerzen. Sie fühlte sich, als wäre sie gerade von einem Laster überfahren worden. Unsicher setzte sie sich auf und ließ ihren Blick durch den Raum schweifen. Er war nicht wirklich groß, es gab kein Fenster und eine schwach leuchtende Lampe erhellte ihr Gefängnis. Die Wände waren kahl, einfache Steinmauern die kalt und abweisend wirkten, genauso wie der Boden auf dem sich Mavea momentan befand. Ihr gegenüber war eine Stahltür, vermutlich war sie abgeschlossen. Doch sie wollte alles versuchen, um hier wieder heraus zukommen, also rappelte sich Mavea vorsichtig vom Boden hoch und torkelte auf die Tür zu. Jeder Schritt schmerzte, aber sie versuchte dies zu verdrängen, sie wollte noch nicht sterben. Zumindest nicht bevor sie wenigstens noch einmal Feycons Gesicht sehen konnte, oder ihn sogar küssen.
In den letzten Wochen hatte Mavea gemerkt, dass ihr Leben eigentlich nur aus Leere bestand. Jeder Tag war ein Kampf ums Überleben. Doch seit sie diesen Krieger getroffen hatte, gab es plötzlich wieder einen Sinn, etwas was sie hielt. Mühsam erreichte Mavea die Tür. Ihre Beine drohten nachzugeben, schnell griff sie nach dem Türgriff und zog daran, doch nichts geschah. Die Tür bewegte sich keinen Millimeter. Verzweifelt ließ sich Mavea an der Wand neben der Tür zu Boden gleiten und vergrub das Gesicht in beiden Händen. Das war es wohl. Hier würde sie niemals rauskommen, noch nicht einmal, wenn sie ihre ganze Kraft hätte. Mavea wollte erst gar nicht darüber nachdenken, wie viele Tage oder Stunden ihr noch blieben.
***
Klirr. Klirr. Die Schwerter schlugen aufeinander, Feycon kämpfte seit über zwei Stunden in diesem Durcheinander, welches sich Schlacht nannte. Die Übermacht der Gegner hatten seine Arme bereits zum Ermüden gebracht. Er verteidigte sich nur mehr, von Angriff war keine Rede mehr. Konnte es sein, dass er das erste Mal versagte? Kurz sah sich der Legionenführer um, seine Männer standen noch aufrecht, sie orientierten sich immer an ihm. Würde er jetzt Schwächen zeigen, dann wäre der Kampf verloren und Niederlagen konnte Abigor nicht ausstehen.
Ein Gesicht bildete sich vor seinem inneren Auge, verdammt nicht jetzt! Er durfte nicht an sie denken, dass konnte seinen Tod bedeuten. Plötzlich ließen die Gegner von ihm ab. Verblüfft vergaß er, ihnen zu folgen und sah erstaunt zu, wie sich einer nach dem anderen zurückzog und sie in einiger Entfernung eine Linie bildeten.
"Hey, junger Mann!" Ein älterer, großgewachsener Mann löste sich aus dieser Linie und winkte ihn zu sich. Feycon blickte sich um, er konnte doch unmöglich mit „junger Mann“ ihn meinen. Aber seine Männer blieben wo sie waren. Seufzend nahm der Krieger die Herausforderung an, vielleicht konnte er Zeit herausschinden, damit alle eine Verschnaufpause bekamen. Aufrecht ging er in die Mitte, wo der Feind bereits auf ihn wartete. Neugierig musterte Feycon sein Gegenüber, irgendetwas kam ihm bekannt vor.
"Kennen wir uns?", fragte er direkt.
"Vielleicht!"
"Was wollt Ihr?" Feycon mochte zwar Zeit herausholen, aber irgendetwas war ihm nicht ganz geheuer. Sein Instinkt schrie ihn regelrecht an.
"Die Frage ist eher, wie kann ich Euch helfen?"
Der Legionenführer hob eine Augenbraue. "Ergebt euch?", fragte er sarkastisch.
Sein Gesprächspartner lachte laut auf. "Den Humor könnt Ihr nur von Eurer Mutter haben."
"Lasst meine Mutter aus dem Spiel, sonst seid ihr Euren Kopf schneller los, als Euch lieb ist!", knurrte Feycon und aktivierte seine Magie, es war hier etwas oberfaul.
"Nennt mich Arien und verzeiht, falls ich Euch beleidigt habe." Er zwinkerte belustigt mit seinen Augen.
Feycon dachte, dass er eine Schraube locker hatte, was war das für ein Gespräch mitten auf dem Schlachtfeld? Es würde nur noch fehlen, dass sie Kochrezepte austauschten. Die Aura des Mannes war dunkel, ein eindeutiges Indiz, dass er der Unterwelt angehörte. Doch ein verräterischer heller Schimmer um die Dunkelheit, passte nicht ganz in dieses Bild und warf noch mehr Fragen auf.
"Junger Mann, ..."
Feycon ließ ihn nicht ausreden. "Nennt mich nicht junger Mann, verdammt! Ich heiße Feycon und jung bin ich schon lange nicht mehr!" Er fuhr sich mit der Hand über seine Kapuze und vergewisserte sich, dass sie seine Augen verdeckte.
"Okay Feycon! Ich hätte da eine Information für Euch!" Wachsam wartete Arien ab.
***
Mavea überlegte verzweifelt, was sie tun sollte, als die Tür aufgerissen wurde und drei Jäger den Raum betraten. Einer von ihnen war Chase, was anderes hatte Mavea auch nicht erwartet. Sie rappelte sich so gut es ging vom Boden auf und schaute ihnen abwechselnd ins Gesicht.
“Ist es jetzt Zeit mich umzubringen, oder was?”, fragte sie patzig.
Chase grinste. “Keine Panik, du wirst noch früh genug sterben.” Er ging nachdenklich im Raum auf und ab und sah sich dabei aufmerksam um. “Nett hast du es hier. Willst du vielleicht noch etwas Wasser und Brot?” Mavea antwortete nicht, es war sinnlos Chase zu provozieren.
“Nein?” Er seufzte übertrieben und blieb dicht vor ihr stehen. “Nun gut, wenigstens kann niemand behaupten, dass ich meine Gefangenen nicht gut behandle.”
“Du würdest mich doch am liebsten persönlich umbringen!”, knurrte Mavea und musterte Chase aus zusammengekniffenen Augen.
“Der Gedanke wäre entzückend”, überlegte er. “Aber ich glaube, das Oberhaupt will sich selbst um dich kümmern.”
“War ja klar.” Mavea machte ein paar Schritte zurück, da es ihr nicht geheuer war Chase so nahe zu sein und wandte den Blick ab. “Wie lange bleibt mir noch?”
“Wer weiß, vielleicht ein oder zwei Tage?!”
Scheinbar zögerte ihr Volk nicht lange.
“Ich wollte dir auch nur einen kleinen Besuch abstatten, da du hier sonst noch vor Einsamkeit eingehst und das wollen wir ja nicht. Schließlich will das gesamte Volk sehen, wie du hingerichtet wirst.” Laut lachend verließ er wieder den Raum und die Krieger folgten ihm. Die Tür wurde wieder verriegelt und Mavea sackte in sich zusammen. Sie wusste, dass ihr Volk sie hasste, aber so sehr? Konnte man jemanden aus seinen eigenen Reihen so verachten, nur weil er einen Fehler begangen hatte? Scheinbar ja.
***
Feycon wurde unruhig, er hatte noch immer seine Waffen in den Händen und Arien stand locker vor ihm. Seelenruhig wartete er eine Antwort ab und diese wollte der Krieger ihm auch nicht vorenthalten.
"Doch nicht etwa Kochrezepte?", fragte Feycon höhnisch. Der Typ, der ungefähr seine Größe hatte, zeigte keine Angst vor ihm. Das alleine war schon ungewöhnlich, aber dieses Selbstbewusstsein musste von wo herkommen, wieder fragte sich Feycon, was hier los war.
"Nein, es geht um Eure kleine Freundin!" Kaum hatte Arien den Satz ausgesprochen, lag er bereits am Boden. Niemand hatte mit freiem Auge die schnelle Reaktion von Feycon gesehen. Mit glühend roten Augen hielt er die Klinge seines Bastardschwertes auf den Hals von Arien und nur mit Mühe konnte sich der Krieger beherrschen, nicht den versteckten Hebel zu drücken.
"Sag ein falsches Wort und du bist Geschichte!" Mit den Höflichkeiten war es nun vorbei, Feycon presste den Mann mit seinem gesamten Gewicht zu Boden. Die Angst um Mavea schnürte ihm die Kehle zu. Er hatte befürchtet, dass früher oder später der Kontakt zu ihr, zum Problem werden könnte. Der Zeitpunkt war anscheinend gekommen. Arien rührte sich keinen Millimeter, er hatte gehört, dass der Legionenführer schnell war, aber mit dieser Geschwindigkeit übertraf er alles Gesagte. Feycon brauchte eine Weile, bis er sich wieder halbwegs im Griff hatte und nicht besinnungslos auf den Unterlegenen einstechen wollte, was er ja noch immer machen konnte, wenn er keine zufrieden stellenden Antworten bekam.
"Was weißt du?", knurrte der Krieger durch zusammengebissene Zähne.
"Sie ist in Gefahr", krächzte Arien und versuchte seinen Kehlkopf beim Schlucken nicht an das Schwert zu verlieren.
"Wo ist sie?" Panik machte sich in Feycon breit.
"In der Erdwelt." Unter diesen Umständen zu sprechen, war direkt eine Meisterleistung für Arien, dem bereits langsam der Schweiß die Stirn hinunter rann.
"Zur Hölle, rede du Bastard, oder brauchst du mehr Ansporn?" Feycon drückte noch mehr zu, ein dünnes Rinnsal Blut floss den Hals hinab und die Augen drohten Arien aus den Höhlen zu springen.
"Sie wird von den Nimbatu in Italien festgehalten, in Rom. Es bleibt ihr nicht mehr viel Zeit, dann nehmen ihre Leute sie mit in ihre Heimat." Arien beeilte sich mit seinen Worten, wollte er doch seinen Kopf behalten. "Ích kann dir helfen!", fügte er noch leise hinzu.
In Feycons Kopf rotierten die Gedanken, er konnte unmöglich von hier fort. Er war mitten in einer Schlacht, welche es für Abigor zu gewinnen galt. Der Krieger blickte sich um, beide Seiten sahen ihm interessiert zu und seine Männer jubelten schon verhalten. Anscheinend dachten sie, dass hier Bedingungen ausgehandelt wurden für den Rückzug des Feindes. Wie dämlich konnten Dämonen eigentlich sein? Unklar über sein weiteres Vorgehen nickte er Arien zu, damit er ihm seinen Vorschlag unterbreitete.
"Ich kann meine eigenen Portale öffnen, egal wo und wann." Diese Macht konnte mehr als nützlich sein. Feycon ließ von Arien ab und stand auf. Nervös ging er hin und her und überlegte, was er nun machen sollte. Sein Herz zeigte eindeutig in eine Richtung, aber sein Verstand erklärte ihm vor allem die Konsequenzen eines solchen Handelns. Langsam reifte eine Idee in dem Krieger heran.
"Seth!", schrie er und nahm Arien beim Kragen. Sofort löste sich sein Hauptmann aus den Reihen und kam zu ihm. "Dieser Spion hier hat mir wertvolle Informationen zugespielt, übernimm den Befehl über die Legion, ich muss weg! … Schlachtet sie alle ab!" Drohend sah Feycon seinen Hauptmann an, der keinen Widerspruch wagte. Der Krieger zog Arien mit sich und verschwendete keinen weiteren Gedanken an das Schlachtfeld. "Los, bring mich zu ihr und wenn du mich bescheißt, stirbst du langsam und qualvoll!"
Kapitel 4
Waren Tage, oder nur Stunden vergangen? Mavea wusste es nicht, sie trug keine Uhr. Sie sah an sich herab und ein kleiner Seufzer begleitete die Begutachtung ihrer Kleidung. Vollkommen zerknittert und verdreckt waren diese nicht gerade für ein großes Publikum geeignet. Vermutlich brachte man ihr auch keine neuen Sachen, das wäre aufgrund ihres nahen Todes eine Verschwendung.
Nachdenklich ging ihr Blick durch den Raum. Mittlerweile hatten sich ihre Augen an das trübe Licht gewöhnt und sie konnte alles besser erkennen. Besonders viel gab es jedoch nicht zu sehen. Die Zelle war bis auf ein paar Spinnweben in den Ecken vollkommen leer. Mavea seufzte leise. Vielleicht sollte sie die Zeit bis zu ihrer Hinrichtung überbrücken, wenn man das so nennen konnte, indem sie ein wenig schlief. Zumindest würde sie sich keine sinnlosen Gedanken über den Tod machen können. Entschlossen wollte sie gerade die Augen schließen, als die Tür erneut aufging und Chase diesmal alleine in den Raum spazierte.
“Was willst du jetzt schon wieder?”, fragte Mavea. Sie hörte sich mutiger an, als ihr zumute war.
Chase zog sie grinsend auf die Beine. “Mir war langweilig und da dachte ich mir, starten wir doch ein ... kleines intimes Verhör!”
Mavea ahnte schreckliches, sein gehässiges Grinsen sprach Bände. Mit letzter Kraft riss sie sich los und flüchtete an die Wand.
“Ein Verhör ist ja wohl überflüssig, ich bin schuldig, reicht das nicht?”
“Vielleicht willst du mir erzählen, warum du dem Menschen geholfen hast, obwohl dir die Folgen klar waren.” Langsam kam Chase näher.
Mavea schnaubte. “Das würdest du nie verstehen!”
“Das kannst du doch gar nicht wissen.” Er neigte seinen Kopf und musterte sie gierig. “Los, versuch es doch einfach!”, forderte er sie heraus.
“Ich denk gar nicht dran!”
Sein Grinsen verschwand und wich einer verächtlichen Fratze. “Willst du mich etwa herausfordern? Eigentlich könnten wir uns noch miteinander vergnügen, damit du noch etwas Schönes erlebst, bevor du stirbst.” Er drängte sich lüstern an sie und presste Mavea gegen die Wand. Verzweifelt suchte sie einen Ausweg, doch von hier gab es kein entrinnen. Schließlich spuckte sie ihm ins Gesicht. Diese niveaulose Form der Verteidigung zeigte Mavea deutlich, in welcher Bedrängnis sie sich befand.
“Du willst es wohl nicht anders, was?” Chase wischte über sein Gesicht, fasste sie grob am Kinn und fragte provokant: “Weißt du, was ich mit bösen Mädchen mache?”
Mavea schwieg eisern. Sie konnte es sich lebhaft vorstellen und hoffte, dass ihre Fantasie nicht übertroffen wurde. Seine Hände wanderten hastig zu ihrer Bluse, mit einem Ruck riss er die Vorderseite auseinander und entblößte ihren BH. Wimmernd versuchte Mavea seine Hände abzuschütteln, kam aber nicht gegen seine Kraft an. Sein übel riechender Atem, der jetzt stoßweise kam, reizte zusätzlich zu ihrer Panik den Würgereflex.
“Genau, wehr dich! Dann ist es noch schöner!” Chase stöhnte Mavea ins Ohr.
Mit einem Summen kündigte sich das Portal an, welches zu einem Rauschen wurde. Die Luft begann in einer Ecke der Zelle zu flimmern. Chase stutzte, aber die Ablenkung durch seine Gefangene war zu groß. Daher bekam er nicht mit, dass hinter ihm zwei Männer den Raum durch eine spiralartige Spiegelung betraten.
Feycon sah die schmierigen Hände auf Maveas weicher Haut und drehte durch. Der Krieger sprang den Peiniger an und zog gleichzeitig sein Schwert. In dem hintersten Winkel seines um Rache schreienden Hirns, leuchtete noch der letzte Rest von Vernunft auf, Chase nicht direkt vor Mavea zu töten. Mit einer Hand riss Feycon ihn von ihr weg und stieß ihn brutal gegen die nächste freie Wand. Dieser war von dem Angriff vollkommen überrascht und brauchte einen Augenblick, bis er sich orientieren konnte. Und diese Zeit gab ihm Feycon auch. Er wollte, dass Chase wusste, warum er starb.
"Das war dein letzter Fehler, du Bastard! Entschuldige dich bei der Lady!", sagte Feycon drohend und ließ seine Waffe im Halfter verschwinden, diesen Drecksack wollte er eigenhändig erledigen.
Chase sah einen Krieger mit blutigem Waffenrock vor sich. Wo zur Hölle war er hergekommen? Sein Blick flog zur Tür, die noch immer geschlossen war und dabei fiel ihm der zweite Mann in der Zelle auf.
"Arien!", keuchte Chase überrascht auf.
"Das nennst du eine Entschuldigung?", fragte Feycon sarkastisch.
Mavea traute ihren Augen nicht und brauchte einen Moment um zu realisieren, was gerade geschehen war. Vor allem konnte sie nicht glauben, wer da vor ihr stand. Feycon! Nicht im Geringsten hatte sie damit gerechnet, ihn je wieder zu sehen. Noch nie hatte Mavea sich so über ein Wiedersehen gefreut. Mit äußerster Willensanstrengung musste sie sich davon abhalten, Feycon um den Hals zu fallen. Mavea richtete ihren tränenverschleierten Blick auf den Rücken des Kriegers und hielt sich krampfhaft ihre Bluse zusammen. Sie war vollkommen aus ihrem inneren Gleichgewicht und kämpfte um Fassung.
Arien blieb im Hintergrund, weder wollte er sich einmischen, noch Partei ergreifen. Dies wurde nun auch Chase bewusst und langsam begann sich seine unmittelbare Umgebung mit Nebelschwaden zu füllen.
"Das hat deinen Kumpels auch nichts genützt!" Feycon nahm seine Kapuze ab und gab somit das unheimliche rote Leuchten seiner Augen zu erkennen.
Chase zog scharf den Atem ein, er wusste sofort wer vor ihm stand. Der Mörder seiner Männer und er sah nicht gerade so aus, als ob er sich lange mit ihm spielen wollte.
"Was willst du hier?", fragte Chase unsicher. Er verstand sein Interesse an Mavea nicht.
"Dich töten!" Feycons ganzer Focus richtete sich auf diesen einen Wunsch. Immer wieder kam das Bild von Chase und Mavea hoch. Er wagte es nicht, sich umzudrehen. Seine Mordlust würde Mavea noch mehr erschrecken und vielleicht eine unnötige Angst aufkeimen lassen. Angst vor ihm, das könnte er nicht ertragen.
Ungläubig keuchte Chase auf. "Warum Mann, ich habe dir nichts getan!" Unbewusst nahm er eine Verteidigungshaltung ein.
"Falsch, du hast dich an etwas vergriffen, was mir gehört!", knurrte Feycon und damit war seine Geduld am Ende. Ohne Vorwarnung sprang er in den inzwischen dichten Nebel. Der Krieger brauchte keine Magie, da der Raum einfach zu klein war, um großartig ausweichen zu können. Als er Chase zu fassen bekam, wehrte sich dieser mit aller Kraft. Feycon schlug mit der Faust zu und mit jedem Schlag wurde er noch wütender. Chase konnte ebenfalls ein paar Schläge platzieren, aber der Krieger spürte sie in seiner blindwütigen Raserei kaum. Blut rann Chase aus einer Platzwunde am Kopf, als Feycon ihn an die Wand drückte. Starr vor Angst blickte er in diabolisch glühende Augen. Der Krieger schloss die Hände um den Hals des Jägers, fletschte seine Zähne und knurrte dabei. Chase rann der warme Urin an seinen Beinen hinab, als mit einem leisen Knacken sein Leben endete.
Wie gebannt starrte Mavea auf den sich langsam verziehenden Nebel und hielt den Atem an. Langsam sank Chase zu Boden und blieb als grotesker Haufen liegen. Feycon versuchte sich mit aller Macht wieder in den Griff zu bekommen. Er keuchte und der Schweiß rann ihm den Rücken hinunter. In all seinen Schlachten hatte er sich noch nie so in einen Kampf hinein gesteigert gehabt. Erst als er sich sicher war, dass er seine Gesichtszüge wieder unter Kontrolle hatte, drehte er sich um. Erst als Mavea sah, dass Feycon unverletzt war, hielt sie nichts mehr zurück und sie stürmte auf ihn zu. Ohne darüber nachzudenken, warf Mavea sich ihm an den Hals und ihre Tränen benässten seinen Waffenrock. Trotz der bitteren letzten Stunden fühlte sie beim ersten Kontakt sofort eine große Freude in sich aufsteigen. In diesem Moment wollte Mavea nichts anderes, als bei ihm zu sein.
Feycon fing Mavea auf und wusste im ersten Augenblick nicht, was er machen sollte. Ihre Reaktion überraschte ihn und er sah Arien über ihren Kopf hinweg an. Dieser zuckte nur mit den Achseln und grinste dämlich. Daraufhin verfinsterte sich Feycons Miene, da er ohne ihn genau so viel gewusst hätte. Der Krieger konzentrierte sich nun auf den warmen Körper in seinen Armen und endlich realisierte er, was das bedeutete. Trotz ihrer Schluchzer, klammerte sich Mavea fest an ihn und dies würde keine Frau machen, wenn sie voller Abscheu wäre.
"Du hast keine Angst vor mir?", fragte er vorsichtig.
Mavea schüttelte ohne aufzublicken den Kopf.
“Nein”, flüsterte sie und atmete einmal tief durch. Sie hob den Kopf und sah Feycon in sein besorgtes Gesicht. Seine dunklen Augenbrauen waren zusammengezogen, das Feuer in seinen Augen erwärmte ihre erstarrte Seele. Falls sie das leuchtende Rot jemals abgeschreckt haben sollte, empfand Mavea nun Trost darin. “Danke. Ohne dich wäre ich ...”
Ihre dunklen Augen schwammen in Tränen, dieser Anblick rührte sein Herz. Er schloss seine Arme fest um sie und drückte Mavea an seinen Körper. Feycon legte sein Kinn auf ihren Kopf und atmete erleichtert auf. Dankbar für ihr Vertrauen, wollte er diese Frau nie wieder loslassen. Diese Wochen waren hart gewesen, ein stetiger Kampf gegen seine Gefühle. Dieses Wiedersehen machte ihm noch mehr bewusst, wie trostlos eigentlich sein Leben in der Unterwelt war.
"Bist du verletzt?", fragte er leise, ließ sie aber nicht los.
“Nein, mir geht’s gut”, murmelte sie und schloss die Augen. Solange Feycon bei ihr war, konnte es ihr nicht schlecht gehen. Wie lange würde er diesmal bleiben? Darüber wollte Mavea sich lieber keine Gedanken machen, in diesem Augenblick gab es keinen Platz für trostlose Überlegungen. Seine Arme fühlten sich viel zu gut an, als dass sie an etwas Schlimmes denken wollte.
Arien räusperte sich. "Äh ... wir sollten dann mal wieder!"
Feycon sah ihn an und wusste, dass er tief in Ariens Schuld stand. Ohne ihn wäre Mavea ... er durfte nicht daran denken!
"Ja!" Der Krieger nickte und löste sich langsam von Mavea. "Bring uns an einen sicheren Platz, damit wir dort reden können!", befahl Feycon dem älteren Mann.
Mavea musterte den Fremden misstrauisch. “Wer ist er?” Erst jetzt brachte sie die Kraft auf, ihn bewusst wahrzunehmen. Der Fremde hatte eine beachtliche Größe und sah für sein Alter attraktiv aus. Sie schätzte ihn auf ungefähr Fünfzig.
"Tja, das ist eine gute Frage und die wird er uns auch beantworten!" Feycon ging zu Arien und sah ihn herausfordernd an. Dieser öffnete mit Leichtigkeit ein Portal und Sekunden später lag nur mehr eine Leiche mit gebrochenem Genick in der Zelle.
***
Arien wollte wohl sterben, wenn man bedachte, was er unter einem sicheren Platz verstand. Feycon konnte ein Knurren nicht unterdrücken, als er die vielen Kleider und dünnen Frauen sah. Aufgeregt rannten Friseure, Kosmetiker und Modeschöpfer durcheinander. Hektik pur wohin das Auge sah. Der Krieger zog sofort die Kapuze über den Kopf, als er die vielen Menschen wahrnahm.
"Warum bettelst du um deinen Tod?", zischte Feycon zwischen den Zähnen hervor. Er musste sich sehr zurückhalten, dass er Arien nicht an die Gurgel sprang. Alle Nackenhaare standen ihm zu Berge. Die bunten Stoffe, das Schminkpuder in der Luft und vor allem die bunten Menschen waren für den Legionenführer ein Horror. Dieser krasse Gegensatz zur Unterwelt brachte ihn völlig aus dem Konzept.
Mavea nickte nachdenklich, als sie das bunte Treiben sah.
“Ich glaube, er will wirklich sterben”, stimmte sie Feycon zu. “Also wie sollen wir uns hier unterhalten?” Sie sah den Fremden fragend an. “Feycon fällt hier auf wie ein bunter Hund.” Sie schenkte dem Krieger als Entschädigung ein kleines Lächeln und wandte sich dann wieder den Leuten zu. Sie hatte noch nie viel für solche Veranstaltungen übrig gehabt und diese Frauen hier waren einfach extrem aufgetakelt, einige dürften sogar in einen Farbeimer gefallen sein. Aber sie musste auch zugeben, dass manche wunderschön waren. Eine Augenweide für jeden Mann. Verstohlen sah sie zu Feycon und atmete erleichtert auf. Dieser schien keine Notiz von den Models zu nehmen. Gott ... wieso machte sie sich darüber überhaupt Gedanken, sie hatte wirklich Wichtigeres zu tun. Zum Beispiel herauszufinden, wer dieser Fremde war, der sie begleitete und wieso er sie hierher gebracht hatte, darauf musste sie sich jetzt konzentrieren. Nicht auf Feycon und seine Reaktionen auf die Frauen hier!
Ein dünner Mann, komplett in Schwarz gekleidet, trat hektisch auf sie zu und fragte Feycon mit französischem Akzent: "Sind Sie Aurie? Be´eilen Sie sisch mit dem umkleide´n! Oh ... da ´aben sie aber ein Luxusmode´l geschickt!" Seine Augen wollten ihm herausspringen, als er den Körper des Kriegers musterte. Bevor der Franzose Feycon auf den Hintern fassen konnte, hatte er bereits sein Schwert quer über dem Hals liegen.
"Ich scheiß auf deinen Henry und wenn du deinen Kopf behalten willst, dann verzieh dich!" Feycon sprach mit seiner tiefsten Stimme, das Vibrieren in ihr verursachte bei jedem eine Gänsehaut.
Das war ganz schlecht! Er konnte ihn doch nicht einfach vor versammelter Mannschaft sein Schwert an die Kehle halten, wollte er etwa das sie sofort aufflogen?
“Nicht!” Mavea berührte sanft Feycons Arm. “Du kannst doch nicht jeden mit einer Waffe bedrohen, wir sind hier in der Erdwelt!”, flüsterte sie aufgebracht und wandte sich mit einem gezwungenen Lächeln an den Franzosen. “Sie müssen ihn entschuldigen, er ist ... in einem Land mit sehr rauen Sitten aufgewachsen.” So wie Feycon sich benahm und kämpfte, musste er wohl in der Hölle wohnen, dachte sie.
Mit weit aufgerissenen Augen starrte der Mann das Schwert an und eine zittrige Hand glitt an seinen Hals. Langsam ging er Schritt für Schritt rückwärts, bis er an einen Tisch stieß und fast einen Salto rückwärts darüber gemacht hätte. Hastig rappelte er sich auf und rannte davon.
"Arien, soll ich dich gleich hier aufschlitzen?", knurrte Feycon mit Blick auf den Flüchtenten.
“Wir sollten etwas gegen deine Aggressionen machen”, murmelte Mavea und sagte laut: “Du kannst ihn von mir aus umbringen, wenn er uns erzählt hat, wer er wirklich ist und was er hier überhaupt macht. Falls du ihn dann noch umbringen musst!” Sie runzelte die Stirn. “Übrigens würde ich gerne wissen, wie ihr beide mich gefunden habt?” Das war für Mavea immer noch ein Rätsel. Woher hatte Feycon gewusst, dass sie in Gefahr war und wo sie versteckt gehalten wurde? “Würdest du bitte das Schwert wieder wegstecken und versuchen ein wenig normal zu wirken?”, fragte sie vorsichtig. Es war unangenehm von allen angestarrt zu werden, weil er sich wie ein Barbar benahm.
Feycons Blick flog über die Umstehenden, die ihn mit offenen Münder anstarrten. Der Krieger neigte seinen Kopf und wünschte, er wäre auf dem Schlachtfeld. Dort war sein zuhause. Seine Nasenflügel bebten, als er langsam sein Schwert in das Rückenhalfter gleiten ließ.
"Okay, okay! Ende der Vorstellung, Leute! Ich hoffe, euch hat die kurze Darstellung unseres Robin Hoods hier gefallen, beehrt ihn in Kürze in dem gleichnamigen Theaterstück." Arien ging nun auf die gaffende Menge zu und als allen der Sinn seiner Worte klar wurde, fingen sie begeistert zu klatschen an.
"Oh Mann, ich hätte mir fast mein Höschen nass gemacht, so unglaublich echt hat die Darstellung gewirkt!", rief eine schlanke Blondine.
"Habt ihr seine Muskeln gesehen? Wenn sein Gesicht auch so gut aussieht, dann kann das Stück ja nur der Renner werden!", seufzte eine andere.
"Am besten fand ich seine Stimme, mir vibriert noch immer meine Gucciunterhose!" Ein junger Mann mit gezupften Augenbrauen winkte Feycon verführerisch zu.
"Äh, ja ... wir müssen dann! Schönen Abend noch!" Bevor Feycon komplett ausrasten konnte, zog Arien den Krieger und Mavea mit sich zu einer Garderobe. Die Tür war verschlossen, aber der ältere Mann hatte dazu den Schlüssel und sperrte auf. Schnell brachten sie sich aus dem Sichtfeld der neugierigen Zuschauer und Arien machte mit einem erleichterten Seufzer die Tür zu.
Mavea nickte anerkennend.
“Wow, diese Ausrede hätte sogar ich Ihnen abgenommen”, lobte sie Arien und sah sich dabei nachdenklich um. Die Garderobe war nicht gerade groß, bot aber genug Platz für alle. Zumindest für kurze Zeit. “Wie habt ihr mich gefunden? Woher wusstet ihr wo ich war? Wer sind Sie? Ich hätte gerne Antworten auf meine Fragen! Bitte”, platzte es förmlich aus ihr heraus.
Mit einer raschen Bewegung griff Feycon Arien an, indem er dessen Hals schnappte und zudrückte.
"Ich werde nicht darum bitten! Wer bist du?" Das Leuchten in den Augen des Kriegers ließ Arien angestrengt schlucken, trotz des Hindernisses am Kehlkopf.
"Ein Freund deiner Mutter!", brachte er krächzend hervor.
Überrascht zog Feycon eine Augenbraue hoch. "Ich kenne die Freunde meiner Mutter, du bist keiner von ihnen!"
"Das war vor deiner Zeit, mein Junge!"
"Ich bin nicht dein Junge, zur Hölle! Woher wusstest du, dass Mavea in Gefahr war und wie du mich findest?" Grollend dachte Feycon, dass der Typ ein Problem mit seinem Alter hatte, warum ritt er sonst immer darauf herum?
“Ich glaubs nicht! Jetzt geht das schon wieder los!”, stöhnte Mavea und verdrehte die Augen. Sollte sie eingreifen? Sie bezweifelte das Feycon Arien umbringen würde, solange dieser seine Fragen noch nicht beantwortet hatte, daher behielt sie die beiden lediglich im Auge. “Denk bitte daran, ihn loszulassen, bevor er erstickt!”, erinnerte sie den Krieger ironisch.
Feycon sah Arien noch einen Augenblick stur an, bevor er ihn frei gab.
"Bedank dich bei der Lady. Wenn es nach mir gehen würden, dann ..." Er ließ den Rest seiner Fantasie über.
Arien massierte sich vorsichtig die gerötete Stelle und räusperte sich einige Male. Der Krieger sah während dessen zum ersten Mal Mavea richtig an. Sein Herz machte einen Satz, als er ihren elenden Zustand bemerkte. Ihre Bluse war zerrissen, die Haut schmutzig und sie hatte eine kleine Wunde am Kopf. Sofort ging er zu ihr und untersuchte diese.
"Verdammt, wenn ich den Drecksack nicht schon erledigt hätte! Er ist viel zu schnell gestorben!
Hast du Schmerzen?", fragte er besorgt und untersuchte den kurzen Schnitt.
Mavea runzelte die Stirn. Ungläubig nahm sie seinen schnellen Stimmungsumschwung zur Kenntnis. Ihr war schleierhaft, wie er von einem Moment auf den anderen so ... anders sein konnte. Gerade eben wollte er Arien in Stücke reißen und jetzt stand der Krieger mit diesem sorgenvollen Blick vor ihr und betastete mit sanften Fingern ihre Wunde. Langsam schüttelte sie den Kopf.
“Nein, ich habe nichts bemerkt”, gestand sie leise. Vielleicht lag das daran, dass der Schmerz im Vergleich zu jenen beim Aufwachen, untergegangen war. Aber wenn sie es realistisch betrachtete, überlagerten ihre Glücksgefühle seit dem Auftauchen von Feycon jede Pein.
Arien versuchte sich nützlich zu machen und kramte in den herumliegenden Kleidungsstücken herum.
"Hier, vielleicht findest du irgendetwas Passendes."
Wortlos beobachtete Feycon sein Treiben, da er ihm immerhin zugestand, dass er wirklich brauchbar war.
Dankbar schob Mavea Arien zur Seite und wühlte selbst in den Sachen, bis sie etwas gefunden hatte. Eine romantisch aussehende, langärmliche Bluse, in zarten silber und grau Tönen ließ ihre Augen vor Entzücken aufleuchten. Unsicher sah sich Mavea in dem Zimmer um.
“Männer mit Anstand würden genau in diesem Moment den Raum verlassen.” Ihr war klar, dass Feycon draußen wieder auffallen würde, aber nach den heutigen Ereignissen wollte sie beim Umkleiden keine Zuschauer.
Feycon zog eine Augenbraue in die Höhe und sagte mit einem spitzbübischen Grinsen: "Hast du jemals bemerkt, dass ich Anstand besitze?" Herausfordernd verschränkte er seine Arme und blitzte sie belustigt an. Sehr wohl gönnte er Arien keinen Blick, dafür würde er schon sorgen.
“Nein und genau das ist ja das Problem”, erwiderte sie gespielt empört. Er wollte es ihr anscheinend nicht leicht machen, daher stemmte sie die Hände an ihre Hüfte und holte einmal tief Luft. “Ich werde mich jetzt umziehen und wünsche allen die hier bleiben viel Spaß beim Spannen und bin jenen dankbar, die rausgehen.” Der Gedanke, dass Arien raus ging und Feycon bleiben würde, war ihr schon gekommen, sie wusste aber nicht so recht, ob sie ihm das zutraute.
Der Krieger ging langsam auf sie zu und fragte sinnlich: "Brauchst du Hilfe?" All seine Sinne waren sofort auf die Frau vor sich gerichtet, Arien hatte er plötzlich vergessen. Trotz ihres desolaten Zustandes sprang alles in ihm auf ihre Ausstrahlung an. Er hatte bereits Maveas Körper gespürt, aber ihn zu sehen! Er schluckte und wurde etwas nervös.
Mavea keuchte verblüfft auf. Zumindest war die Frage, ob sie ihm das zutraute, damit wohl geklärt. Aber sie musste sich zusammenreißen. Sie durfte nicht auf seine Stimme, Worte und vor allem nicht auf seine Nähe reagieren, sonst würde sich ihr Verstand wieder verabschieden. Dann konnte sie für nichts garantieren. Und nur fürs Protokoll, Arien war auch noch da.
“Feycon, ich hoffe du weißt … dass Arien hinter dir steht?”, flüsterte sie leise. Mit Sicherheit hätte sie der Versuchung seine Hilfe auch noch anzunehmen nachgegeben, wenn ihr nicht bewusst gewesen wäre, dass sie nicht alleine waren.
Die Spannung zwischen ihnen war deutlich zu spüren, aber Maveas Worte drangen durch sein benebeltes Hirn. Mit einem leisen Brummen ließ er von ihr ab. Feycon atmete einmal tief durch und drehte sich dann zu Arien um. Dieser klebte förmlich an der Wand und seine Augen waren weit aufgerissen.
"Verzieh dich!", knurrte der Krieger und ging bereits auf die Tür zu. Arien reagierte augenblicklich, sperrte schnell auf und schlüpfte mit Feycon hinaus.
Vor der Tür sah sich der Legionenführer misstrauisch um und fragte Arien sarkastisch: "Wo zur Hölle bin ich hier gelandet?"
"Das ist nicht wichtig, Hauptsache hier findet euch keiner und damit meine ich beide!" Nachdrücklich betonte Arien das letzte Wort.
"Weißt du eigentlich, dass ich Rätsel nicht mag? Und noch weniger jene, die sie erzählen?" Feycon verlor langsam die Geduld. Eigentlich hatte er heute davon mehr bewiesen, als für ihn üblich war. Der Alte konnte wirklich seinem Schutzengel danken, dass Mavea den Krieger zurückhielt.
Mavea brauchte noch ein paar Minuten um wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzukommen. Das war wirklich knapp, weder sie noch der Krieger hätten wahrscheinlich lange an sich halten können. Sie hatte noch nie solch eine Intensität gespürt, welche sich gerade zwischen ihnen aufgebaut hatte. Auf jeden Fall fragte sie sich abermals, wieso alles so kompliziert sein musste. Ihr Leben wäre bedeutend einfacher, wenn sie nicht dauernd flüchten müsste. Obwohl nein, dann hätte sie Feycon wahrscheinlich nie kennen gelernt und das wäre noch viel schlimmer. Entschlossen schlüpfte Mavea aus ihren zerrissenen Sachen und zog sich hastig die neue Bluse mit dazupassender Hose an. Alles saß perfekt. Sie tapste zur Tür, atmete noch einmal tief durch, damit auch alles in ihrem Kopf wieder klar wurde, und öffnete diese schwungvoll. Niemand stand draußen.
Kapitel 5
Plötzlich kamen mehrere Leute auf die beiden zugelaufen und sprachen durcheinander auf sie ein. Feycon wurde sofort wieder erkannt und begeisterte Hände schoben ihn Richtung eines Vorhanges. Der Krieger stemmte sich sofort dagegen und griff nach seinem Schwert, als er Ariens warnenden Blick auffing.
"Nicht hier und nicht jetzt!", sagte dieser bloß.
Völlig überrumpelt, da Feycon sich nicht auf seine gewohnte Weise wehren durfte, schaffte ihn die Meute zu diesem dicken, schweren Vorhang. Dieser wurde mit einem Ruck aufgerissen und hell leuchtende Scheinwerfer trafen auf seine empfindlichen Augen. Ein scharfer Schmerz durchzuckte sein Hirn, vollkommen geblendet, verbarg Feycon sein Gesicht in den Händen. Gierig wurde der Krieger weiter gezogen. Rufe und Applaus vermischten sich in ein lautes, konstantes Geräusch, die Sensationslust des Publikums nahm kein Ende. Sein guter Hörsinn konnte die einzelnen Stimmen nicht mehr wahrnehmen, selbst Arien verlor er in der Menge.
"Meine Damen und Herren! Heißen Sie mit mir den Hauptdarsteller des gleichnamigen Theaterstückes, Robiiiiiin Hoooood herzlich willkommen!", laut rief der Moderator diese Worte durch sein Mikrofon.
Feycon keuchte überrascht auf, ist der Typ von allen guten Geistern verlassen? Was redete er da für einen Schwachsinn?
"Sein schauspielerisches Talent ist unfassbar, sein Aussehen lässt die Damen reihenweise in Ohnmacht fallen und seine Schwertkunst übertrifft alle Mantel- und Degenfilme!" Der Sprecher redete sich immer mehr in Fahrt.
Trotz seiner Hände hatte Feycon das Gefühl, als ob das Licht noch immer seine Sehnerven bombardierte. Langsam kroch die Wut spiralenförmig hoch, unweigerlich nahm der Zorn immer mehr an Kraft zu. Ein leises Knurren entrang sich seiner Kehle.
"Geschmeidigkeit und Souveränität zeichnen seine Bewegungen aus. Völlig authentisch gekleidet, könnte man fast glauben, dass die Flecken echtes Blut sind. Unglaublich, wie täuschend echt heutzutage die Effekte gemacht werden!"
Langsam zog der Krieger mit fest zusammengepressten Augen sein Schwert und konzentrierte sich auf die eine Stimme. Für diesen Menschen brauchte er seine Sehkraft nicht, den fand er sogar blind. Langsam bewegte er sich auf die Quelle der nervigen Stimme zu, die jeden seiner Schritte kommentierte. Oh ja, Feycon freute sich schon auf jeden einzelnen Schnitt, den er ihm verpassen würde, dann wusste der Idiot wenigstens, dass es echtes Blut war.
***
Verwundert ließ Mavea ihren Blick durch den leeren Flur gleiten. Wo waren die beiden hin? Da passte sie eine Minute nicht auf und schon stand sie alleine da. Irritiert wartete sie an der Tür, als plötzlich lauter Jubel und Klatschen zu hören war. Misstrauisch folgte Mavea den Stimmen und fand sich auf einem Laufsteg wieder. In dem riesigen Raum wimmelte es von gigantischen Scheinwerfern und Menschen. Links und rechts von ihr erstreckten sich Sitzreihen und in der Mitte des erhöhten Laufsteges stand, sie traute ihren Augen nicht, Feycon.
In der Hand hielt er wie so oft sein Schwert. Das alleine wäre nicht ungewöhnlich, eher seine angespannte Körperhaltung und der zielstrebige Gang zu dem Mann mit dem Mikro in der Hand. Schnell erfasste Mavea die Situation, der Krieger war eindeutig im Kampfmodus. Sie ahnte was er vor hatte und rannte los. Einige Scheinwerfer richteten sich nun auf sie, der Sprecher unterbrach sich überrascht und die Menge starrte gespannt auf die Bühne. Mavea konnte darauf keine Rücksicht nehmen, wenn sie nicht sofort etwas unternahm, würde der Kommentator bald keinen Ton mehr von sich geben.
“Feycon nicht!”
Sie ergriff den Arm des Kriegers und versuchte ihn aufzuhalten, versagte aber auf ganzer Linie. Er ignorierte sie einfach und ging unbeirrt weiter. Fluchend platzierte sich Mavea direkt vor ihm, atmete tief durch und stellte sich auf ihre Zehenspitzen. Kühn schloss sie die Augen und küsste ihn.
Mitten im Blutrausch spürte Feycon ihre weichen Lippen und blieb überrascht stehen. Der zaghafte Druck und ihr süßer Duft umgarnten seine Sinne. Sein Herz schlug schneller und ein Kribbeln erfasste seinen ganzen Körper. Alle Stimmen und Geräusche verstummten in dem Augenblick, als ihm die Bedeutung ihrer Berührung schlagartig klar wurde. Als ob die Zeit still stehen würde.
Er wollte sie sehen, doch seine Augen verweigerten ihm den Dienst, zu hell war seine Umgebung. Er wusste mit Sicherheit, dass nur Mavea die Macht hatte, ihn dermaßen zu fesseln. Vergeblich versuchte er einen klaren Gedanken zu fassen, spürte nur noch sein Verlangen nach ihr.
Vorsichtig ließ er sein Schwert sinken, immer darauf bedacht, ihr keine Verletzungen zuzufügen. Sein gesamtes Sein konzentrierte sich auf ihre Lippen. Unerwartet entfesselte sich seine Magie und alle Schranken fielen. Mit der linken Hand umschloss er ihre schlanke Mitte und presste sie an sich. Sein Kopf senkte sich auf Maveas Höhe herab und sein Mund glitt über ihre geschlossenen Lippen, die sich warm und einladend anfühlten. Das Blut rauschte durch seine Adern und die Atmung wurde hastiger. Sachte streichelte er mit seiner Unterlippe über ihren Mund und ersuchte um Einlass. Feycons Gefühle waren in einem maßlosen Aufruhr und drängten ihn nach mehr. Er erhöhte den Druck und verlor fast die Beherrschung, als ihre Lippen sich leicht öffneten. Sein Atem vermischte sich mit ihrem und endlich konnte er den Geschmack Maveas kosten. Dieser übertraf bei weitem alle Genüsse, welche er mochte. Seine Zunge drang sanft in ihren Mund. Als der Krieger ihre berührte, war er verloren. Stürmisch nahm er sie leidenschaftlich in Besitz.
In dem Moment als der Krieger sie an sich zog und ihren Kuss so voller Erregung erwiderte, war für Mavea alles um sie herum vergessen. Das einzige was sie noch wahrnahm, waren Feycons verführerische Lippen und das herausfordernde Spiel seiner Zunge. Ein angenehmes Prickeln breitete sich in ihrem Körper aus. Gierig inhalierte sie den Duft seiner Haut und drängte sich noch näher an ihn. Eine Hand fuhr unter die Kapuze in sein weiches Haar, während sich die andere um seinen Nacken schlang. Maveas Verstand verabschiedete sich mittlerweile vollständig und machte Platz für berauschende Empfindungen. Eine unerwartete Intensität von Sinnesreizen ließ ihre Beine schwach werden. Ein Glück das seine leidenschaftliche Umarmung sie förmlich an ihn presste, sonst wäre sie wohl unsanft am Boden gelandet.
Unbewusst hatte Mavea sich nach diesem Mann gesehnt. Nie hätte sie gedacht, einmal so von ihren Gefühlen übermannt zu werden. Alles in ihr verzehrte sich buchstäblich nach Feycon und dessen Berührungen. Sie ließ ihre Zunge über seine Unterlippe gleiten und biss neckend hinein. Versöhnlich öffnete sie sich ganz seinen Zärtlichkeiten. Niemals hatte Mavea annähernd auf einen Mann reagiert und sie hatte zum ersten Mal wieder das verloren geglaubte Gefühl, zu leben.
Weder Feycon noch Mavea bekamen das Gejohle der Zuschauer mit. Applaus brandete auf und anzügliche Zwischenrufe wurden laut.
"Lady Marian, küss doch lieber mich!", schrie ein Typ aus der Menge.
"Verdammt, wenn Robin Hood mich so küssen würde, dann bekäme ich gleich einen Höhepunkt!", schmachtete eine Rothaarige und seufzte laut.
Arien bekam ein richtig schlechtes Gewissen, da er diese Situation zugelassen hatte. Natürlich wusste er, dass diese beiden für einander bestimmt waren, aber nicht mit soviel Publikum im Rücken. Wenn er Feycon nicht sofort stoppen würde, dann bekamen sie hier alle bald noch viel anregenderes zu sehen. Schon jetzt trieb es ihm die Röte ins Gesicht beim Anblick von soviel Leidenschaft. Die Frage war nur, wie konnte er den Krieger unterbrechen, ohne seinen Kopf zu verlieren? Der einzige Ausweg war seine Kunst als Hexenmeister, nur so konnte er von der Ferne auf Feycon einwirken. Arien schloss die Augen und konzentrierte sich auf seine Umgebung. Leise begann er eine Formel zu murmeln und zusehends wurde es kälter im Raum. Eine kleine Abkühlung würde den beiden gut tun.
Ihre Hingabe hätte ihn sofort überwältigt und seine Triebe die Oberhand gewinnen lassen, wenn nicht plötzlich Eiskristalle seine Haut berührten. Feycon stutzte und nahm eine große Menge Energie im Raum wahr. Im ersten Moment wollte er es ignorieren, da die Frau in seinen Armen mehr als willig war und er dieses Geschenk unbedingt annehmen wollte. Aber sein Kriegerinstinkt brach mit voller Macht hervor und er beendete gereizt den Kuss. Mühsam machte er sich von ihren Lippen los, brauchte aber einige Anläufe, bevor er endgültig Abstand zwischen sie brachte. Mavea machte es ihm nicht gerade leichter, da sie seiner Bewegung folgte. Stöhnend hielt er sie demonstrativ von sich weg, was sich aber als ein großer Fehler heraus stellte. Denn endlich konnte er seine Augen öffnen und das Bild welches Mavea abgab, ließ ihn aufkeuchen. Ihr verschleierter Blick sagte mehr als Worte und die geröteten Lippen schimmerten feucht und einladend. Feycon biss die Zähne zusammen und fluchte in mehreren Sprachen.
Mavea wusste nicht was los war. Sie spürte die plötzliche Kälte auf ihrer Haut, auch die Veränderung im Raum und dennoch wollte sie am liebsten lautstark protestieren, als Feycon sie von sich schob. Normalerweise hätte in einer solchen Situation ihr Misstrauen die Oberhand gewonnen, aber jetzt ... gab es keine Spur davon, eher konnte sie ihren Blick nicht von Feycons Gesicht abwenden. In seinen Augen spiegelte sich das gleiche Verlangen und sie war mehr als versucht, den Abstand zwischen ihnen zu überbrücken. Zittrig zog Mavea die kalte Luft ein und riss sich zusammen. Schweren Herzens beendete sie den Blickkontakt und bemerkte augenblicklich die totale Stille im Raum. Ihr Blick flog verblüfft in den Zuschauerraum auf die Menschen, die in ihrer Bewegung eingefroren waren. Die Kälte hatte inzwischen eine unnatürliche Temperaturgrenze erreicht, fröstelnd rieb sich Mavea über die Arme.
„Was ist hier los?“, fragte sie Feycon verwirrt, ohne ihn anzusehen.
In ihrem Innern herrschte ein heilloses Durcheinander, nur langsam kehrte der Verstand wieder zurück. Verlegen versuchte sie wieder die Kontrolle über ihre Gefühle und vor allem über ihren Körper zu bekommen.
Feycon brauchte noch einen Augenblick, bis er sich halbwegs auf seine Umgebung konzentrieren konnte. Arien kam auf sie beide zu und machte ein peinlich berührtes Gesicht. Der Krieger traute seiner Stimme nicht, daher wartete er mit hochgezogener Augenbraue auf eine Erklärung.
„Äh … entschuldigt mein Eingreifen, aber … es sind auch Kinder im Raum.“ Ariens Stimme wurde immer leiser.
In sicherer Entfernung blieb er stehen und sah Feycon dabei zu, wie dieser sein Schwert verstaute.
„Warst du das?“, fragte der Krieger mit rauer Stimme.
Deutlich wurde ihm nun das ganze Ausmaß der letzten Minuten klar und er war über Ariens Einschreiten mehr als froh. Er hatte sich wie ein hirnloser Dämon benommen, total durchgedreht Mavea gegenüber. Sie musste ihn für einen kompletten Lustmolch halten.
Mavea sah von Arien zu Feycon und wieder zurück. Er hatte vollkommen Recht. Sie war doch tatsächlich über Feycon hergefallen, während mindestens hundert Zuschauer im Raum saßen. Aber wenn sie so darüber nachdachte, dann tat ihr nichts leid. Verträumt berührte Mavea ihre Lippen und lächelte bei der Erinnerung an den Kuss. Seufzend richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf Arien.
"Ja und wenn wir gehen, wird sich der Zauber von selbst wieder auflösen. Sie sind nur ein bisschen ... ruhiger", meinte Arien und blickte über die Menge. Die Menschen sahen aus, als ob sie in ihrem jeweiligen Tun plötzlich angehalten worden wären. Die Kälte spürte man zwar überall im Raum, aber niemand war mit Eis überzogen. "Ich bin euch noch eine Erklärung schuldig, vielleicht wollt ihr euch setzen?", fragte er vorsichtig.
Die beiden waren mehr als neugierig, daher nahmen sie auf dem Laufstegboden in sicherer Entfernung von einander Platz. Arien begann nachdenklich vor ihnen auf und ab zu laufen.
"Eigentlich beginnt die Geschichte mit deiner Geburt, Feycon. Aber ich möchte nicht zu weit ausholen, daher beschränke ich mich auf das Wesentlichste."
Kurz sah Arien auf und vergewisserte sich, ob er ihre Aufmerksamkeit hatte. Die knisternde Spannung zwischen den beiden war für ihn deutlich spürbar.
Aber der Krieger und Mavea musterten ihn neugierig und er fuhr fort. "Vor ungefähr zwei Jahren hatte ich zufällig geschäftlich mit den Nimbatu zu tun und lernte eine hoch angesehene Familie kennen. Die Familie Saing."
Maveas scharfes Einatmen verursachte in der allgemeinen Stille ein unnatürliches Geräusch. Sie starrte Arien mit offenem Mund an und Tränen traten aufgrund des unerwarteten Namens in ihre Augen. Mitfühlend sah der Sprecher sie an. Er fuhr fort, damit die junge Frau Zeit hatte, sich zu fangen.
"Diese Familie erzählte mir eine sehr traurige Geschichte über ihre einzige Tochter. Es fielen Wörter wie Verrat, Urteil und Flucht. Beide lieben ihre Tochter über alles, daher hielten sie ihre Flucht solange wie möglich geheim und hinterfragten das System von Grund auf. Sie zettelten im Untergrund eine Revolution gegen die alten Gesetze an, da bereits genug Nimbatus deswegen ihr Leben verloren hatten. Sie meinten, dass in der Erdwelt die Vermischung der Rassen vorhersehbar war und daher die Gesetze überarbeitet gehörten."
Der Krieger saß still da, er wusste nicht was er machen sollte. Wenn er Mavea in die Arme nehmen würde, dann könnte er für nichts garantieren. Irgendwie schien ihm eine wichtige Information zu fehlen, aber langsam dämmerte ihm aufgrund ihrer Reaktion, dass es wohl ihre Eltern sein mussten.
Verzweifelt versuchte Mavea wieder ihre Fassung zu gewinnen, konnte aber die Flut der Tränen nicht stoppen. Ihre Eltern brachten sich ihretwegen in Lebensgefahr. Das wollte sie nicht, ihre Entscheidung war bewusst gewesen und durfte keinem anderen schaden. Niemals hätte Mavea gedacht, dass ihre Eltern gleich eine Revolution ins Leben rufen würden. Natürlich fand sie eine Änderung des Systems gut, aber mussten ausgerechnet ihre Mutter und ihr Vater sich in so große Gefahr begeben? Den Gedanken die beiden dadurch zu verlieren ertrug sie einfach nicht.
“Ich muss zu ihnen!“
Mavea rappelte sich vom Boden auf und wischte achtlos ein paar Tränen aus dem Gesicht.
“Mir ist egal was mein Volk mit mir anstellt. Ich will nach meinen Eltern sehen, ob es ihnen gut geht und vor allem klar stellen, dass sie nichts damit zu tun hatten!”
Fest entschlossen trat sie auf Arien zu. “Du kannst doch Portale öffnen, bring mich bitte zu ihnen!”
Es war dumm und viel zu riskant, aber das war ihr momentan egal. Sie musste ihre Eltern sehen, mit ihnen sprechen und sie umarmen. Später konnte sich Mavea noch immer über ihr Handeln Kopfzerbrechen machen.
Feycon sprang ebenfalls auf und fluchte. Gerade hatte er sie aus einer brenzligen Situation gerettet, da wollte Mavea sich schon wieder in die Nächste stürzen. Eigentlich erbat sie einen direkten Flug in die Höhle des Löwen und das konnte er nicht zulassen.
"Verdammt Mavea, du bleibst hier!", fuhr er sie aufgebracht an.
Die plötzliche Angst um sie lähmte seinen Verstand.
"Feycon hat Recht! Die Geschichte geht noch weiter", sagte Arien leise.
Die junge Frau sah beide eine Weile schweigend an. Schließlich ließ sie sich wieder auf den Boden nieder und legte ihre Hände in den Schoss.
“Na schön, aber danach will ich zu meinen Eltern und wenn ich alleine gehe!”
Sie war angespannt und gleichzeitig in hellem Aufruhr, jetzt ruhig sitzen zu bleiben, war fast ein Ding der Unmöglichkeit. Dennoch versuchte sie ihren Verstand einzuschalten und die Gefühle zu ignorieren. Anscheinend war das heute ihre Dauerbeschäftigung. Mavea schielte unauffällig zu Feycon und bemerkte seine angespannte Haltung.
Arien sprach ruhig weiter. „Sie hatten alles versucht, aber sie scheiterten. Es gab zwar einige Verfechter ihrer Meinung, doch niemand konnte sich gegen die starren Richtlinien durchsetzen. Verzweifelt wandten sie sich an andere Rassen und irgendwann sind sie bei mir gelandet. Deine Eltern hielt nichts mehr bei den Nimbatu, ihrem eigenen Volk. Sie begannen ein neues Leben in meiner Gemeinschaft, wir boten ihnen Schutz. Im Prinzip waren sie genauso auf der Flucht wie du, nur dass sie keine Regeln verletzt hatten. Ihr Volk musste es akzeptieren, aber ihr Wirken wurde streng beobachtet. Als sie zum ersten Mal erfuhren, dass du aufgespürt worden bist, drehten sie fast durch. Wir hatten einige Mühe sie aufzuhalten und schmiedeten einen Plan. Die Nimbatu kannten mich aus früheren gemeinsamen Geschäften, daher ging ich zu ihnen und nistete mich ein. Ich sammelte alle Informationen, welche ich über dich bekommen konnte und fand dich endlich in London. Zum gleichen Zeitpunkt wie die Jäger und da musste ich verdammt schnell handeln, da es sonst zu spät gewesen wäre. Deshalb hatte ich kurzerhand Feycon zu dir geschickt.“
Arien machte eine kurze Pause und räusperte sich.
Entgeistert sah ihn der Krieger an.
„Du warst das beim ersten Mal! Woher zur Hölle wusstest du, wo ich war? Und außerdem warum hast du ausgerechnet mich gewählt?“
“Dann sind sie also in Sicherheit!”, warf Mavea erleichtert ein.
Für diesen Moment stellte die Freude darüber, dass ihren Eltern nichts passiert war, alles andere in den Schatten.
“Danke, dass du sie aufgenommen hast, Arien!”
Am liebsten hätte sie ihn dafür umarmt, aber sie hielt sich zurück. Arien stand auf ihrer Seite, somit durfte Feycon ihn nicht töten. Mavea würde alles unternehmen, um den Krieger davon abzuhalten.
"Ja Mavea, deine Eltern sind in Sicherheit und ich habe Feycon ausgewählt, weil er in der Anderswelt eine Legende ist. Der Ruf seiner Unbesiegbarkeit eilt ihm weit voraus, also fiel meine Wahl auf ihn und er hat mich nicht enttäuscht", schmunzelte Arien. "Die Frage ist eher, was ihr beide jetzt machen wollt?"
Feycon brauchte nicht lange zu überlegen, sein Schicksal war besiegelt.
"Ich habe keine große Wahl, mein Weg führt zurück in die Unterwelt!", sagte der Krieger und sah Mavea dabei wachsam an. Was würde sie denken, wenn sie jetzt hörte, dass er aus der Welt des Bösen kam. Resigniert stellte er sich auf Ablehnung ein.
Unterwelt.
Das Wort kreiste eine Weile in Maveas Kopf herum. Stirnrunzelnd dachte sie darüber nach, warum Feycon in der Unterwelt lebte. Alles was sie bis jetzt über diese Welt hörte, passte so gar nicht zu dem Krieger. Na ja bis auf seinen außerordentlich starken Drang jedem an die Kehle zu springen, aber das taten auch normale Menschen. War er also deswegen böse und grausam, wie Bewohner der Unterwelt immer beschrieben wurden? Dies war schwer vorstellbar für jemanden, der bereits mehrmals von ihm gerettet worden war. Im Grunde spielte es auch keine Rolle, woher er kam. Schlimmer war eher die Tatsache, dass er anscheinend vorhatte, schon sehr bald wieder zurückzukehren. Natürlich musste sie damit rechnen. Leider weigerte sich das Herz zu verstehen, was der Kopf bereits wusste. Sie musste damit irgendwie klar kommen.
"Ich möchte unbedingt meine Eltern sehen!“ Bewusst ging sie nicht auf Feycons Worte ein, hielt jedoch seinem Blick stand.
"Hmm ... wie wäre es, wenn Feycon dich begleiten würde?", fragte Arien nachdenklich.
Der Krieger verengte seine Augen und nahm die Kapuze ab. Er hatte den Blickkontakt zu Mavea abgebrochen und fuhr sich resigniert durch sein Haar. Dieses stand nun in alle Richtungen und ließ ihn jünger, fast unschuldig aussehen. Sie hatte kein Wort über seinen Bestimmungsort verloren, vermutlich weil es darüber nichts mehr zu sagen gab.
"Guter Mann, du weißt das ich gebunden bin und nicht so einfach gehen kann. Wahrscheinlich lässt er mich bereits suchen, da ich das Schlachtfeld unerlaubt verlassen habe. Inzwischen wird er wissen, dass es keinen Spion gegeben hat."
"Niemand kann dich aufspüren, solange du in meiner Nähe bist und durch die Sprünge bist du sowieso unauffindbar", versuchte Arien ihn zu locken.
Feycon stutzte. Wer zum Teufel war Arien? Und warum war er sich da so sicher?
"Okay, wer bist du?", fragte der Krieger ihn nun misstrauisch.
"Ich bin ein Warlock!"
Diese Bombe platzte mit verheerender Wirkung. Feycon sprang Arien fast ins Gesicht, aber Mavea reagierte geistesgegenwärtig genug, um sich schützend vor ihn zu stellte. Damit baute sie für den Krieger ein unüberwindbares Hindernis. Niemals würde er sie verletzen, egal wie sehr er ihn Rage war.
"Nur weil er ein Warlock ist, musst du ihn doch nicht umbringen, schließlich hat er uns geholfen!", versuchte Mavea den Krieger wieder zu beschwichtigen. Warlocks galten allgemein als heimtückisch, aber Arien hatte ihren Eltern geholfen und damit stand fest, dass sie Feycon keinesfalls erlauben würde, ihn umzubringen. "Denk doch mal nach, was hast du davon, wenn du ihn jetzt tötest? Gar nichts, außer wieder ein Leben weniger."
Über ihren Kopf hinweg starrte der Krieger den Älteren noch eine Weile an. Warlocks war nicht zu trauen. Er konnte nur etwas im Schilde führen, denn sie machten nichts ohne ihren persönlichen Vorteil. Abrupt wandte sich Feycon ab und entfernte sich einige Schritte.
Ariens Worte gingen ihm durch den Kopf ... begleite sie ... er kann dich nicht finden ... was wollt ihr beide.
Was wollte er eigentlich wirklich? Feycon musste unbedingt alleine mit Mavea sprechen. Frustriert strich er sich noch einmal durchs Haar und drehte sich um.
"Mavea, kann ich dich kurz sprechen? Allein!"
Mavea zögerte einen Moment. Der Gedanke daran, dass sie alleine wären, ließ ihr Herz schneller schlagen. Da es Feycon jedoch ernst zu meinen schien, nickte sie zaghaft und drehte sich zu Arien um.
"Wir sind gleich wieder da, okay?"
Arien nickte. "Es ist auf jeden Fall besser, wenn ich hier warte, sonst haben wir gleich wieder die ganze Meute am Hals! Ihr könnt euch ruhig Zeit lassen. Ich möchte, dass ihr zu einer zufriedenstellenden Einigung kommt." Mit einem breiten Grinsen hüpfte er vom erhöhten Laufsteg und setzte sich gemütlich zwischen die erstarrten Menschen.
Feycons Instinkt warnte ihn, dass er diesem Warlock nicht trauen durfte. Er nahm Maveas Arm und führte sie zurück in die Garderobe und schloss nachdrücklich die Tür.
Texte: Viel Spaß beim Lesen wünschen
maroy&bella123
Tag der Veröffentlichung: 17.07.2010
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