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Und hier fängt die Geschichte an:

Ostern ist die schönste Zeit des Jahres, denn an Ostern hat sich mein Leben verändert. Also wollt ihr die Geschichte hören oder nicht?

Nun gut fangen wir an:

Es war letztes Jahr, eine Woche vor Ostern. Mein Vater, unser Hund Janko und ich saßen an eine Mauer vor dem großen Einkaufszentrum gelehnt im Schatten, denn es war schon frühlingshaft warm. Damals war ich, Sabine, 12 Jahre. Mein Vater nannte mich immer Biene, weil ich nie still sitzen konnte.
Ob ich eine Mutter habe? Ehrlich gesagt weiß ich das nicht genau. Er hat noch nie von ihr erzählt. Auf jeden Fall ist sie nicht bei mir und ich will auch gar nicht wissen, wo sie ist.
Warum wir in der Stadt waren? Nein, ganz bestimmt nicht, um ein wenig einkaufen zu gehen, nein, die Stadt war mein Zuhause.
Mein Vater hatte, als ich gerade mal ein Jahr war, unsere Wohnung durch einen Brand verloren. Er war nicht versichtert und hat keine Arbeit gefunden. Auch war er kein großer Anhänger von Behörden. Er liebte die Freiheit und die hatten wir tatsächlich. Wir schafften es 11 Jahre auf der Straße zu leben.

Also saßen wir so da im Schatten der Bäume, hatten den Hut, den ein Mann beim Aussteigen aus einem Bus verloren hatte, vor uns aufgestellt und starrten in den Himmel. Der Himmel war klar und die Sonne glitzerte durch die Bäume hindurch. Janko lag neben mir und schnarchte glücklich. Manche Leute warfen uns verstohlene Blicke zu. Ich hatte mich schon daran gewöhnt, aber in so einer Situation dachte ich mir immer:" Die haben es gerade nötig...sie sollten sich mal vorstellen, wie es ist, wenn man in eisiger Kälte draußen unter einer Bahnüberführung schlafen muss." Naja, vielleicht denken manche Leute auch, dass wir aus eigener Schuld auf die Straße mussten, weil mein Vater nichts Gutes gelernt hätte. Ich gebe ja zu, dass wir hin und wieder, wenn gar nichts mehr ging, auch etwas gestohlen haben, aber was soll man machen? Er hat es dann auch irgendwann aufgegeben, einen neuen Job zu suchen, weil seine Kleidung nach der Zeit auf der Straße so zerschlissen war, dass er sich nirgendwo mehr hätte blicken lassen können. Mein Vater hat mir alles beigebracht, was ich wissen muss. Lesen und ein wenig mit Geld rechnen. Aber es gibt auchz nett Leute, die wie heute zum Beispiel sehr großzügig seind. Als wir nämlih so im Schatten lagen, hörte ich Schritte näher kommen und eine etwas ältere Frau kam auf uns zu und warf uns ganze fünf Euro in den Hut. Ich war das shcon gewohnt, dass mich die Leute die an uns vorbeigingen mit mitleidigen Augen ansahen und uns drei Euro gaben, aber fünf Euro hatte no niemand in den Hut geworfen. Auch mein Vater war erstaunt und sehr freudig überrascht. Dann sagte er zu der Frau: "Vielen Dank, gute Frau, wir wisssen gar nicht, wie wir Ihnen danken sollen." Die alte Frau nickte nur freudig und warf mir ein Schokoladenosterei zu! Man sollte sich vorstellen - ich habe in meinem ganzen Leben nur einmal Schokolade gegessen und das war vor sechs Jahren auf dem Weihnachtsmarkt. Eigentlich wollte ich mir das Ei aufheben, aber ich habe mir dann gedacht, irgendwann werde ich es sowieso essen. Ich wollte mich gerade bedanken und der Frau noch einen schönen Tag wünschen, doch als ich zu ihr hochsehen wollte, war sie verschwunden. Ich sah sie gerade noch, wie sie unter den alten Buchen um eine Straßenecke bog. Erstaunt sah ich meinen Vater an und gab ihm ein halbes Schokoei. Mein Vater war in Gedanken versunken und murmelte, dass es auch noch nette Menschen auf dieser Welt gäbe. Wer denkt meine Geschichte wäre hier zu Ende hat falsch gedacht. Es geht noch weiter.

Als mein Vater und ich nach einer kalten Nacht wieder an userem Stammplatz unter den alten Buchen saßen und der aufgehenden Sonne dabei zusahen, wie sie den Nebel verscheuchte, sahen wir jemanden uns wohl Bekannten - die alte Dame. Wie auch gestern sagte sie nichts, sondern warf, ungelogen 10 Euro unseren ledernen Hut. Meinem Vater und mir blieb der Mund offen stehen und wir konnten nichts sagen, konnten die alte Frau mit ihren Mitleid erfüllten Augen nur ansehen und ihr ohne große Worte danken.

Als wir uns wieder etwas beruhigt hatten, war die Dame schon wieder um die Straßenecke unter den alten Buchen gebogen. Auch den Zehneuroschein steckte mein Vater behutsam beseite. Am nächsten Morgen saßen wir wieder dort und hoften, dass die alte, nette Dame wiederkommen würde, doch es kam niemand. Plötzlich stand mein Vater auf und sagte, er werde etwas zum Frühstück für uns besorgen - Er ginge nur kurz zum Bäcker, um uns zwei Brötchen mitzubringen. Außerdem für Janko ein wenig Dosenfleisch. Wasser sammelten wir in einer leeren Dose, die wir einstmals auf einem Marktpltz gefunden hatten. Dieses Wasser war hauptschächlich für Janko bestimmt. Wir tranken aus dem Brunnen in dr Nähe. Als mein Vater jedoch zu mir zürck kam, hielt er zwei Dosen Hundefutter, vier Körnerbrötchen und Aufstrich in der Hand.Die erste Frage, die mir durch den Kopf ging, war wo er das Geld herhatte. Als wenn mein Vater meine Gedanken gelesen hätte antwortete er: "Du kommst nie drauf, wer mir das hier bezalt hat." Ich konnte es mir schon denken, aber ich sagte nichts und lies ihn erzählen. Er fuhr fort: "Die alte Frau hat es getan. Gott segne diese Frau." Eigentlich mag ich den Spruch nicht, denn ich glaube nicht an Gott, sondern an Schicksal.
Also machten mein Vater und ich es uns gemütlich udn genossen die Brötchen, auch Janko schien glücklicher denn je zu sein, doch wir hoben jeweils ein Brötchen, etwas Aufstrich und eine Dose Hundefutter für den nächsten Morgen auf. Nur noch zwei Tage und dann würde Ostern sein, dachte ich mir. Mein Vater meinte, dass Ostern noch ein Wunder geschehen werde. Als ich ihn daraufhin frage, woher er das wisse, gab er mir keine Antwort. Er schien zu spüren, dass sich etwas verändern würde.
Am nächsten Morgen, es war der Tag vor Ostern und in der Stadt entsprechend viel los, wachten mein Vater und ich erfrischt auf. Die Nacht war nicht mehr so kalt gewesen und die Sonne stand schon hoch am Himmel. Wir hatten wohl gestern vergessen den Hut zu verstauen, aber es hatte in der Nacht nicht geregnet oder gestürmt, sodass der Hut nicht in Mitleidenschaft gezogen werden konnte. Außerdem war ja das Geld gut verstaut. Der Hut hätte also leer sein müssen. Falsch gedacht, denn in dem Hut lag jetzt ein Brief mit einem roten Siegel. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie ich den Brief öffnete und die blauen verschnörkelten Buchstaben ansah. Er war in Sütterlin-Schrift verfasst und ich konnte ihn nicht lesen, also bat ich meinen Vater. Er las:

Liebe Sabine, lieber Gregor,



ich habe gesehen wie schlecht es euch geht, nachdem meine Tochter nicht mehr bei euch ist und ihr eure Wohnung verloren habt. Ich habe euch die ganzen Jahre lang beobachtet, aber ich konnte euch nicht helfen, da es mir finanziell auch nicht gut ging. Sabine und du habt mich bisher jetzt nur zwei Mal gesehen, als ich euch etwas Geld zukommen lies. Ich möchte euch helfen, denn vor gut einem Monat, liebe Sabine, starb dein Großvater und hat mir sein Erspartes hinterlassen. Es ist alles organisiert, damit ihr wieder ein neues Leben anfangen könnt. Wenn ihr möchtet, können wir drei in meinem kleinen Gartenhäuschen noch viele Jahre zusammen verbringen. Wenn es euch
Recht ist, hole ich euch gegen 11 Uhr ab.



In Liebe Oma Frieda


Weder mein Vater noch ich vermochten etwas zu sagen. Wir fielen uns in die Arme und machten uns gleich daran unsere wenigen Habseligkeiten zusammenzupacken. Wir waren gerade fertig, als Frieda um die Straßenecke unter den alten Buchen gebogen kam und wir wussten, alles würde wieder gut werden.

Das war meine Geschichte.

Meine Oma ist der netteste Mensch, den man sich wünschen kann und sie hat tatsächlich ihr eigenes kleines Gartenhäuschen mit Küche, einem gemütlichen Wohnzimmer, zwei Schlafzimmern und ... ein Dach über dem Kopf.

Als ich die erst Nacht in weißen Federn verbracht hatte, war Ostern. Ich kannte es damals noch nicht, dass man Schokoostereier im Garten versteckt, aber es war das Schönste, was ich in meinem Leben bisher erlebt habe. Ich durfte zur Schule gehe, mein Vater hat einen Job als Postbeamter bekommen und eine weibliche Bekanntschaft gemacht, die unsere Geschichte sehr berührt hat. Und wer weiß...vll. sind wir ja bald zu viert in unserem Haus.
Eines Tages gingen meine Oma, Janko und ich in die Stadt, um neue Kleidung für mich zu kaufen. Plötzlich blieb ich stehen. Ich blieb stehen an dem Platz an der Straßenecke unter den alten Buchen. Ich sah zwei jungen Menschen zu, wie sie sich mit Wolldecke und einer Mütze vor ihren Füßen niederließen. Janko bellte, ich ging auf die Leute zu und gab ihnen ein Schokoladenei, sagte nichts und warf ihnen 5 Euro in den Hut.

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Tag der Veröffentlichung: 02.08.2010

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