Klingeling. Das Telefon klingelte durch die ganze Wohnung. Klingeling. Mehrmals schallte das Klingeln des Telefons durch die Wohnung. Durch die Wohnung, die in Dunkelheit gehüllt war. Immer wieder schallte das Geräusch des Telefons. Doch keiner ging ran. Nach mehreren Minuten wurde trotzdem nicht abgenommen. Das Telefon wollte nicht aufhören. Es nahm kein Ende. Ohne Pause hörte man es. Klingeling, klingeling. Nach langer Zeit, ungefähr zehn Minuten hörte es dann doch auf. In der Wohnung war es nun wieder ruhig- zu ruhig. Totenstill. Ganz leise ertönt dann ein Laut. Keuchen. Langsames, von Angst erfülltem Keuchen. Schweren Atmen. Tropfen. Tropfen, Tränen, Tränen der Angst und der Furcht.
Im Schlafzimmer sitzt sie. Sitzt sie ganz allein. Marlena hat Angst. Sie war erst 16 Jahre alt. Sie saß neben der Bettkante. Normalerweise würde sie um diese Uhrzeit in dem Bett liegen und in ruhe schlafen. Sie hockte dort. Ihren Kopf auf die Beine gelegt. Die Augen vor der Welt verschlossen, die Ohren vor den Lauten der Welt versteckt. Doch sie wusste, dass die hier nicht sicher ist. Sicher sein? Nein, das konnte sie in dem Moment nirgends wo. An keinem Ort hätte sie es können. Überall hin wäre die Angst ihr gefolgt. Und das, wovor die Angst hatte erst recht.
Wenn Marlena daran denkt, wie das alles passiert ist. Kaum vorstellbar. Es begann alles so normal. Wie immer eigentlich. Nichts besonderes war los. Doch eines schon. Das Datum. Es war Freitag der 13. Aber normalerweise dachte Marlena nicht an so was. Aber daran konnte es nicht liegen. Oder doch? Sie wusste es nicht. Sie schaffte es den Kopf zu heben, ihre Augen der Welt zu zeigen, das Unheil jetzt vielleicht mit eigenen Augen zu sehen. Sie schaute zu ihrer rechten Seite. Dort stand der Wecker. Fast drei Uhr morgens. Draußen war es noch stockdunkel. Nichts war zu erkennen. Die Uhrzeit konnte sie auch nur sehen, da ihr Wecker die Uhrzeit in der Dunkelheit leuchtend zeigte. Mit Hilfe von Glühlampen. Außer dem Licht des Weckers war alles dunkel. Sonst hatte die Dunkelheit alles verschluckt. Marlena war schon lange verschluckt. Verschluckt in der Dunkelheit. In der Dunkelheit und Angst. Und da kommt sie nicht mehr heraus.
Sie dachte daran wie alles Anfing. Gestern Nachmittag. Am 12. und nicht am 13. Denn da war alles noch ok. Alles war schön und gut. Vor ihrem inneren Auge spielte sich der vorgestrige Tag ab. Alles wie immer:
„Marlena“, rief eine Stimme die 16 jährige. „Marlena komm schon. Wir müssen los.“ Einige Schritte waren zu hören. „Ja da bin ich schon. Was ist?“, fragte sie. Marlena, die 16 jährige. Ihr braunes Haar trug sie in einem Pferdeschwanz. Das trug sie gerne so. „Deine kleine Schwester, dein kleiner Bruder und ich wollen jetzt los. Benimm dich in der Zwischenzeit, ok?“, fragte Marlenas Mutter. Die drei wollte zu Verwandten. Marlena musste nicht mit. Schließlich war sie ja schon 16 Jahre alt und brauchte nicht bei jedem Zeug mitzumachen. Das gefiel ihr sehr. Endlich durfte sie wieder ganz alleine zu Hause sein. Das ihre beiden kleinen Geschwister nicht da waren, gefiel ihr am besten. „Bis dann“, sagte Marlena, bevor die Tür zuging und sie alleine war. Zuerst atmete Marlena aus. Endlich allein, dachte sie sich. Als erstes rief Marlena ihre Freundin Dajana an und erzählte ihr von dem Glück:
„Endlich habe ich das Haus für mich allein“
„Tja Glück muss man haben. Schade das heute Verwandte bei uns sind. Sonst könnte ich bei dir übernachten“
„Ja blöd.“
„Sag mal Marlena, hast du keine Angst alleine zu Hause?“
„Ach Quatsch Dajana. Früher ja, aber jetzt nicht mehr. Wovor denn?“
„Mmh. Keine Ahnung. War nur so ne Frage.
Oh ich muss los Marlena. Meine Mutter braucht Hilfe. Vielleicht reden wir später noch mal, ok? Bis dann“
„Ja tschüss Dajana“
„Bye“
Marlena legte den Hörer auf. Als sie gerade zurück ins Wohnzimmer wollte, klingelte das Telefon wieder. Marlena nahm den Hörer wieder in die Hand und fragte: „Hallo?“
Niemand antwortete. Marlena fragte noch einmal: „Ähm Hallo? Wer ist da?“ Wieder kam keine Antwort. Marlena dachte: Bestimmt nur ein Klingelstreich. Mega lustig. Sie wollte gerade auflegen, als sich der Unbekannte doch zu Wort meldete.
„Du hast Zeit bis morgen.“, sagte eine Stimme. Sie konnte nicht sagen, ob Mann oder Frau, ob jung oder alt. Die Stimme klang nur angsteinflössend. Dann hörte Marlena ein schreckliches Geräusch aus dem Telefon. Zuerst ein dumpfes Geräusch, dann ein qualvoller Schrei, das Lachen der Stimme, die immer lauter und schrecklicher wurde, und dann nur noch ein Tut tut. Die Verbindung war abgebrochen. Einfach weg.
Marlena stand da. Bewegungsunfähig. Gelähmt. Gelähmt vor Angst, vor Schreck. Sie wusste nicht genau warum oder weshalb. Sie hatte Angst. Sie Stimme glich dem Teufel. Eine schreckliche Stimme. Voller Boshaftigkeit. Marlena ging langsam zurück ins Wohnzimmer. Ihre Beine waren schwer. Sehr schwer. Auf einmal. Seit eben. Nach dem Anruf.
Schwer setzte sie sich auf das Sofa. Was soll ich jetzt machen, schoss es Marlena durch den Kopf. Dann dachte Marlena nach. Schnell sprang sie hoch. „Ach was soll das“, sagte Marlena zu sich selbst, „das war ein blöder Streich. Seine Stimmeverstellen ist nicht das schwerste auf der Welt. Ein blöder Scherz. Genau so wird’s gewesen sein. Genau“
Marlena stand auf und holte sich aus dem Regal die Fernsehzeitschrift. Sie blätterte durch um zu sehen, was heute im Fernseher läuft. Marlena wollte sich so ablenken. Auf einmal zuckte sie zusammen. Ein merkwürdiges Gefühl durchströmte ihren Körper. „Was war das?“, sagte Marlena. Sie fühlte sich beobachtet. Sie spürte förmlich den Blick. Er stach in sie. Doch das drang sie zur Seite. „Einbildung“, sagte sie leise, fast flüsternd zu sich selbst. Dann ging sie in die Küche. Bis zum Film den sie sehen wollte, war noch genug Zeit um sich was zu Essen warm zumachen. Zum Glück hatte ihre Mutter etwas vorbereitet. Mit der Zeit achtete sie nicht mehr auf den Anruf vorhin. Ihr ging es wieder gut. Doch im Hinterkopf blieb dieser Gedanke an die Worte des Gespräches.
Am späten Abend, als die Uhr fast halb 12 Uhr schlug, schlief Marlena bereits auf dem Sofa. Sie war sehr müde und blieb deshalb auf dem Sofa liegen. Sie hatte sich vom Schrank im Schlafzimmer eine Decke geholt und hat sich im Wohnzimmer schlafen gelegen. Dort fand sie es sehr gemütlich.
Mitten in der Nacht konnte man vom Obergeschoss Schritte hören. Schwere Schritte. Doch Marlena schlief und bemerkte gar nicht, dass über ihr jemand entlang lief. Kurz nach jedem zweiten Schritt konnte man etwas dumpfes hören. Als würde die Person etwas hinterher ziehen. Etwas schweres. Wahrscheinlich auf Metall oder Eisen. Stark und schwer. Dann wurden die Schritte lauter. Marlena merkte von all dem nicht das geringste.
Am nächsten Tag wachte Marlena auf. Es war erst halb neun. So früh stand Marlena kaum auf. Sie frühstückte, schaute Fern und dachte nicht mehr an den Anruf. So ging es ihr über Stunden. Alles war ok. Plötzlich hört sie wieder das Telefon klingeln. Marlena hatte ein ungutes Gefühl dabei. Zuerst wollte sie nicht rangehen, da sie keine Lust hatte das Ende des gestrigen Anrufs zu erleben. Sie bekam Gänsehaut. Dann dachte sie sich, dass es ihre Mutter oder Dajana sein könnte und nach kurzem Zögern nahm sie doch ab. Sie schluckte erst mal, bevor sie etwas sagte: „Hallo?“ Es war nichts zu hören. Marlenas Augen wurden größer. Der Anrufer von gestern. Gerade wollte sie auflegen, als sie ein Geräusch hörte. Sie nahm das Telefon wieder an Ohr, doch es war bereits vorbei. „…Hallo?“, fragte Marlena wieder. Sie hörte ein Keuchen. Als hätte jemand etwas anstrengendes getan. Das reichte Marlena. Sie legte auf. Als sie gerade zurück ins Wohnzimmer gehen wollte, klingelte es wieder. Sie ging ran. Diesmal war es ihre Mutter.
„Hallo Marlena. Alles ok?“
Marlena wollte die merkwürdigen Anrufe ihrer Mutter nicht erzählen, also log sie ihre Mutter an.
„Klar was soll den nicht ok sein?“
„Ich weiß nicht. War auch nur ne Frage. Hast du gut geschlafen?“
„Klar Mama alles in Ordnung. Und bei euch?“
„Auch alles ok. Wir kommen morgen Vormittag wieder, ok?“
„Klar. Bis morgen. Bye“
Marlena legte auf. Sie schaute auf die Uhr. Es war bereits kurz nach ein Uhr nachmittags. Sie hörte ein wenig Musik, malte, schaute Fern, lenkte sich ab. Sie hatte seit dem Anruf wieder ein ungutes Gefühl. Oft spürte sie Blicke, die sie durchbohrten. Einmal hörte sie auch Geräusche vom Dachboden. Nach langer Zeit hörte sie wieder ein Geräusch.
Es war bereits Abend, als das Telefon wieder klingelte. Wieder der unheimliche Anrufer. Diesmal brauchte Marlena nicht lange warten. Noch bevor Marlena „Hallo?“ sagen konnte, nahm er sich das Wort.
„Bist du bereits?“
Marlena hatte ein ungutes Gefühl, dass seit gestern anhielt. Doch sie wollte sich nicht länger einschüchtern lassen. Sie fasste sich Mut und redete.
„Bereits? Wofür? Wer sind sie überhaupt?“
„Bereits zu sterben“
Die Stimme klang so als würde sie es ernst meinen. So als wäre der Anrufer hier, er sie gleich umbringen würde. Es war kein Klingelstreich, wie Marlena zu erst vermutete. Es war bitter Ernst.
„..Was?“
Tut tut. Der Anrufer hat aufgelegt. Die Worte gingen ihr nicht mehr aus dem Sinn. Dann hörte sie ein Geräusch. Sie wusste nicht woher es kommt. Wieder klingelte es. Marlena ging ran.
„Bist du bereit?“
Noch bevor Marlena antworten konnte sagte die Stimme:
„Bereit oder nicht, es geht los“
Aufgelegt. Marlena hatte ein schreckliches Gefühl. Das Gefühl, als würde man vor einer Klippe stehen und man ganz genau weiß man stürzt gleich in die Tiefe, das Gefühl das jemand eine Waffe auf die richtet und jeden Augenblick abdrückt, ein Gefühl als wüsste man ganz genau, dass das Ende vor einem steht. Marlena wollte raus. Einfach weg. Weg von dem Gefühl, weg vor dem, womit der Anrufer drohte. Sie lies das Telefon zu Boden fallen und lief in Richtung Tür. Als sie gerade auf die Tür zurannte, hörte sie ein schreckliches Lachen. Schneller lief sie, immer schneller, ihr Atem war schwer. Gerade hatte sie die Tür erreicht, als die Stimme wieder erklang. Sie konnte aber nicht sagen, was die Stimme sagte. Es klang wie eine merkwürdige Sprache. Sie griff nach dem Türknauf und sie aufzumachen und loszurennen, doch die Tür ging nicht auf! Sie versuchte es mit ganzer Kraft, aber es brachte nichts. Die Tür wollte nicht aufgehen! Mist, dachte sie. Sie spürte wie ihr heiße Tränen die Wangen runterliefen. Sie weinte. Stärker drückte sie gegen die Tür um sie aufzumachen.
Auf einmal hörte sie einen Knall. „Ah“, schrie Marlena und duckte sich aus Reflexe. Dort hockte sie. Schritte kamen aus dem Wohnzimmer. Schnell lief sie in ihr Zimmer, als das Lachen und die Schritte ihr folgten. Im Zimmer angekommen schließte sie die Tür ab, stellte ihren Tisch mit ganzer Kraft vor die Tür und hockte sich neben ihr Bett auf den Boden. Den rücken hatte sie zur Tür gerichtet, ihr Gesicht in den Knien versteckt. Sie schaffte es mit Mühe zu atmen.
Dort blieb sie. Sekunden, Minuten, Stunden vergingen. Nichts passierte. Es war wie die Ruhe vor der Schlacht. Marlena wollte nicht raus. Das Wesen hätte vor der Tür stehen können. Es hätte lauern können.
Dort blieb sie sitzen. Bis jetzt saß sie dort. Ab und zu hörte sie Geräusche vor der Tür. Bei jedem Geräusch fuhr sie zusammen und die Angst wurde stärker. Vor Angst keuchte sie, stark und schwer war ihr Atem. Zitternd saß sie dort. Sie schaute kurz hoch. Ihr Blick führte durch ihr Zimmer, dass nur vom Fenster mit einem leichten Licht des Mondes erleuchtet war. Sie schaute zur Decke, wo die Uhrzeit zu erkennen war. Fast drei Ur. Wieder klingelte es. Wieder diese seltsame Gestalt, dachte Marlena. Sie wollte nicht rangehen. Das Telefon stand im Flur. Sie war in ihrem Zimmer. Nein, rausgehen würde sie nicht.
Sie ließ ihren Kopf wieder zu ihren Knien fallen. Wieder wurde es vor ihren Augen pechschwarz. Das Telefon klingelte weiter. Ununterbrochen klingelte es. Als würde es sie verspotten.
Klingeling, klingeling.
Marlena schaute nicht auf. Voller Angst war sie in ihrem Zimmer. Sie keuchte vor Angst. Zitternd saß sie dort. Wieder schaute sie auf die Uhr. Fast halb vier. Immer noch klingelte es. Sie ging trotzdem nicht ran.
Plötzlich hörte sie eine Stimme in sich: Geh ran. Nein, dachte Marlena. Niemals. Doch die Stimme wurde immer lauter, doch es war nicht die, die immer am Telefon war. Ohne es selber zu bemerken stand Marlena auf. Sie wollte es nicht, doch es geschah. Als wäre sie hypnotisiert. Sie ging langsam zur Tür. Die Tür öffnete sich langsam. Niemand war da. Sie ging zum Telefon, obwohl alles in ihr Nein schrie.
Sie nahm den Hörer ab. Langsam führte sie das Telefon zum Ohr. Sie brauchte länger um endlich etwas herauszukriegen. „Hallo?“
Niemand sagte etwas. Es war wie beim ersten dieser Gespräche, dass Marlena wie eine Ewigkeit herkam, obwohl es erst gestern war. Dann hörte sie jemanden schwer atmen. Jemand sagte etwas. Sie konnte nicht verstehen was. Auf einmal fuhr ein Wort durch ihre Gedanken. Wohnzimmer. Sie sollte ins Wohnzimmer gehen! Sie legte den Hörer nicht auf, sondern auf das kleine Tischchen, worauf das Telefon lag und ging langsam ins Wohnzimmer. Auf dem Tisch lag ein Zettel, der vorher nicht dort lag. Darauf standen nur drei Worte, die Marlena sich aber sehr Nahe nahm.
„Deine letzte Chance“
Dann hörte sie vor der Wohnungstür Schritte, schnell fuhr sie herum, als sich die Tür öffnete. Eilig rannte sie in den Flur. Auf alles gefasst stürmte sie in den Flur: Ihre Mutter und ihre Geschwister.
Marlena ließ sie zu Boden fallen. Ihre Mutter ging gleich zu ihr. „Marlena was ist den los?“ Marlena schaute zur Tür, die noch offen stand. Sie sah ins Flurgelände. „Marlena?“, fragte ihre Mutter noch mal. „Was?… Warum seit ihr schon hier?“, fragte sie und sah ihre Mutter an.
„Deine Schwester wollte wieder zurück. Außer dem hatte ich ein komisches Gefühl. Ist etwas vorgefallen?“, fragte sie. Dann stand ihre Mutter auf und ging in die Küche. „Deine Geschwister wollen essen. Du auch?“
„Ähm ja“, sagte sie. Marlena stand auf, schaute aber immer noch ins Flurgelände. Ihr Bruder machte die Tür zu und Marlena konnte sofort den Blick abwenden. Ihrer Mutter oder ihren Geschwistern erzählte sie nichts. Weder von den Telefonaten, noch vor den Schritten oder dem Zettel, der spurlos verschwunden war. Auch von dem, was sie auf dem Flurgelände sah, erzählte sie niemanden etwas.
Den im Flurgelände sah sie eine Gestalt im schwarzen Mantel. Nur leuchtende Augen schillerten heraus. Die Gestalt lachte, was außer ihr niemand bemerkte. Spurlos verschwand die Gestalt auch wieder. Und kam nie wieder.
Als Marlena genau überlegte, erinnerte sie sich vor ein paar tagen, dass sie sagte sie glaubte weder an Hokuspokus noch an Zauberei oder Unglück. Sie wusste das es das bedeutet. Sie wusste nicht genau woher, doch sie war sich sicher,
denn wer sich mit Übernatürlichem Einlässt, hat schnell verloren.
Ende
Gefährlicher Anruf in der dreizehnten Nacht- gewidmet an Marlena K.
Tag der Veröffentlichung: 25.11.2008
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
an meine Freundin Marlena