Eine kleine Geschichtswanderung durch Halloween
Was seht ihr zuerst vor eurem geistigen Auge wenn ihr an Halloween denkt? Wahrscheinlich einen ausgehöhlten Kürbis, in den ein richtig gruseliges Gesicht geschnitzt wurde. Dabei bedeutete Halloween einst mehr als nur eine leuchtende Fratze und kostümierte Kinder, die von Haus zu Haus ziehen und heutzutage mehr oder weniger aggressiv Süßigkeiten fordern.
Halloween hat eine sehr lange Geschichte - sie ist gute sechstausend Jahre alt, und nun frage ich mich, wie diese vielen Jahrtausende hier vernünftig unterzubringen sind. Die Lösung, alles kürzen und zusammenhauen, ungefähr auf das Volumen eines Kürbishirns und wir werden mal sehen, was dabei herauskommt. Wie bitte, hat da jemand Kürbissuppe gesagt? Also, ich kenne da ein Rezept … aber lassen wir das und schauen uns mal die Historie an!
Halloween geht dem Ursprung nach auf die Kelten zurück, die ein Unterstamm der Indogermanen waren. Sie waren ganz schön reisefreudig und kamen weit herum, vom östlichen Mittelmeer bis tief in den Süden aber auch nach Spanien. Als es dort langweilig wurde, übersiedelten sie ungefähr 350 v.Chr. nach Irland und ins westliche Britannien. Vor allen Dingen von dort aus sind teilweise ihre religiösen Feste überliefert worden und wir wollen uns jetzt speziell mit Halloween befassen, das auch Samhain genannt wurde. Übrigens, die Kelten feierten ganz bestimmt nicht mit Kürbisgesichtern, das ist eine amerikanische Erfindung, da ja auch der Kürbis selbst vom amerikanischen Kontinent stammt.
Im Internet kann man lesen, dass Samhain zu Ehren des Totengottes gleichen Namens gefeiert wurde und die berühmten Feuer sollten Hexen und Dämonen verjagen. Also, das alles wird archäologisch angezweifelt. Der Name des keltischen Totengottes lautete Gwynn ap Nudd und war nicht Teil des Glaubenssystems. Außerdem hatten Hexen und Dämonen keinen Platz in Religion und Mythologie der Kelten. Diese Wesenheiten waren ihnen völlig unbekannt. Aber auf jeden Fall befindet sich im schottisch-gälischem Wörterbuch der Hinweis: Samhain = Ende des Sommers.
Und das war es dann auch - das Ende des Sommers. Das Vieh wurde von der Weide geholt, die Ernte war eingefahren, die Vorräte eingelagert, der Winter konnte kommen und zugleich das keltische Neujahrsfest. Das wurde gebührend gefeiert und zwei Themen herrschten hier vor. Zunächst die Ehrung der Toten und die Vorhersage der Zukunft.
Die Kelten fürchteten ihre Toten nicht, sie ehrten sie und stellten ihnen zu Samhain etwas von den Speisen zur Verfügung, was eine Willkommensgeste war. Sie kannten keinen Himmel und keine Hölle und hatten anstatt einer linearen eine zyklische Auffassung von der Zeit. Die Ordnung im Universum zog sich in das ursprüngliche Chaos zurück um sich neu zu formieren. Dadurch wurden die Tore zu den Anderswelten geöffnet. Samhain war für sie eine Nacht, die außerhalb der Zeit existierte und man konnte einen Blick in die Zukunft werfen.
Ja, und wenn die Toten schon kommen, um die Lebenden zu besuchen, konnte man ihnen auch gleich Informationen über frühere und zukünftige Ereignisse entlocken. Auch glaubte man, die Geister könnten den Lebenden in spirituellen und alltäglichen Angelegenheiten helfen. Und wenn die Toten einem Lebenden einen Gefallen taten, brachte sie das in ihrer Entwicklung im Jenseits weiter. So profitierten beide Seiten von einer einvernehmlichen Kommunikation.
Der Glaube an ein Leben nach dem Tod war für die Kelten ein fester Bestandteil ihres Lebens und sie gaben einander das Versprechen, Schulden im nächsten Leben abzubezahlen. Dämonen und Teufel, die im Christentum und ähnlichen Religionen zu finden sind, waren ihnen fremd. Dafür glaubten sie an die Existenz von Feen, die im Land der Toten, der Zwischenwelt wohnten. Diese Wesen hegten einen Groll gegen die Menschen, weil diese ihnen ihr Land gestohlen hatten und sie nun gezwungen waren, im Totenreich zu hausen.
Wenn sich an Samhain die Tore zur Zwischenwelt öffneten, zog nun mach feindselig gesinnte Fee übers Land um Unheil zu stiften und Menschen zu entführen. Diese Menschen kehrten nie wieder zurück. Dieser Glaube könnte also der Ursprung für all die gruseligen Geschichten sein, die man heute mit Halloween in Verbindung bringt.
Während des vierten und fünften Jahrhunderts n.Chr. breitete sich das Christentum in Irland aus. Die keltischen Völker waren anderen Religionen gegenüber sehr tolerant und die Christen wurden von ihnen anfangs willkommen geheißen. Dann ergab sich jedoch ein Problem für die Kirchenführer. Die Kelten weigerten sich, ihre Feiertage und Traditionen aufzugeben. Immerhin praktizierten sie diese seit Jahrhunderten und waren fester Bestandteil ihres Lebens. Also kam man auf die Idee, einige Tage kurzerhand umzubenennen. Das germanische Julfest wurde zu Weihnachten, aus dem keltischen Oimelc wurde Ostern und aus Samhain Allerheiligen.
Damit die Heiden der christlichen Religion besser gehorchten, erklärten die Priester, dass die Feen in Wahrheit Dämonen und Teufel wären und die geliebten Ahnen schreckliche Geister und Unholde. Diese Vorstellung war den Kelten zuvor völlig fremd gewesen. Außerdem brachten die Christen das Land der Toten mit der Hölle in Verbindung und so hielt die Vorstellung des Bösen und der Furcht Einzug in den Glauben.
Die Einführung des Allerheiligen-Festes wird Papst Bonifatium IV. zugeschrieben. Dieser Tag sollte zu Ehren der Christen begangen werden, die für ihren Glauben gestorben waren.
Später, im siebten Jahrhundert, wurde Allerheiligen von Papst Gregor II. auf den 1. November verlegt, weil die verstockten Heiden sich weigerten, ihr Samhain-Fest aufzugeben. Am 31. Oktober feierten sie den Samhain-Abend, am 1. November den Samhain-Tag. Trotz des praktizierten Christentums fanden in Europa weiterhin heidnische Erntedankfeste statt. Durch Papst Gregor IV. wurde Allerheiligen im Jahr 835 offiziell als Feiertag gebilligt. Der Tag sollte dazu dienen, Gott und alle Heiligen zu ehren. Weil dieser Tag auch schon zuvor der Ehrung der Toten gewidmet war, und weil es den Kirchenoberen schwerfiel, dem Volk das Samhain-Fest auszutreiben, verlegte man das Allerheiligenfest auf den 1. November, um damit die heidnischen Glaubensvorstellungen nach und nach zu verdrängen. Aus dem englischen Namen für den Abend vor Allerheiligen All Hallows entwickelte sich das Wort Halloween.
In den folgenden Jahrhunderten wurden zu Halloween zahlreiche Bräuche neu eingeführt, andere aufgegeben, ganz wie es die gesellschaftliche Entwicklung der Zeit und die religiösen Vorschriften erforderten. Vermutlich wäre Allerheiligen für die verschiedenen Richtungen der europäischen christlichen Religionen ein Fest geblieben, bei dem man für die Toten betete und die Landbevölkerung das Ende der Erntezeit feierte, hätten nicht einige historische Ereignisse zur Entwicklung des heutigen Halloween geführt, wie es in Amerika gefeiert wird.
Es ist eine wirkliche Ironie, dass die Kirche selbst dem Fest seinen Namen gab und damit die alten heidnischen Bräuche sanktionierte, die Ehrung der Toten, die Umzüge, die Kostüme und Freudenfeuer – all das, was bis heute zur beliebten Symbolik dieses Festes gehört. Auch wenn es der Kirche ursprünglich darum ging, damit Furcht zu erzeugen und nicht für Unterhaltung und Spaß zu sorgen.
Jede Kultur entwickelte ihre eigene Art des Umgangs mit dem Tod, wozu Rituale zu Ehren der Verstorbenen und eine Vorstellung über das Jenseits gehörten. Das ursprüngliche Samhain diente den Heiden als Weg dazu, mit dem Mysterium des Sterbens umzugehen.
Die ersten Hinweise auf Halloween in Amerika lassen sich nicht auf eine bestimmte Volksgruppe zurückführen. Es hing wohl eher damit zusammen, wie sich die Kolonien entwickelten. In Virginia behielt man den Glauben an Astrologie, Handlesekunst, Lose und andere Methoden der Weissagung bei. Christliche Religion und Magie wurden nicht streng getrennt. Zusätzliche Unterstützung erhielt Halloween von William Penns bunter Truppe von Flüchtlingen aus ganz Europa. Irische und deutsche Siedler verfügten dabei über ein gemeinsames keltisches Erbe und viele ihrer Bräuche ähnelten sich, wozu auch Halloween und das Erntedankfest zählten.
Im Laufe der nächsten Jahrhunderte gab es immer wieder ein reges Auf und Ab für Halloween. Die Puritaner wollten es zunächst ganz abschaffen. Das gelang ihnen aber nicht, weil sie nicht wie geplant die Macht in allen Kolonien übernehmen konnten. Also galt Halloween von 1684 an weiterhin als Fest, wobei jetzt auch andere Elemente in den Vordergrund traten. Man darf dabei nicht das bunte Völkergemisch vergessen, aus dem sich die Nation der Amerikaner letztendlich zusammensetzt, und jede Gruppe versuchte, ihre ethnischen Elemente hinzuzufügen.
So ungefähr ab 1845 spielten Erwachsene und auch Kinder anderen Leute Streiche in der Halloween-Nacht. Bunte Partys waren in Mode und die allseits beliebte Wahrsagerei kam auch nicht zu kurz.
Richtig kommerziell wurde das Fest so etwa ab 1910. Mehrere amerikanische Unternehmen vertrieben eine breite Produkpalette für das Halloween-Fest. Damit ließ sich viel Geld verdienen, da sich das ganze Land zu der bestimmten Jahreszeit im Halloweenfieber befand. Auch Umzüge mit Blasmusik gehörten zu einem festen Bestandteil des öffentlichen Lebens.
Immer mehr entwickelte sich der Tag nun zu einem Fest für Kinder und fand schließlich auch den Weg nach Deutschland. Obwohl die Basis früher auch hier gefeiert wurde, waren doch die fremden Elemente, die hinzugefügt worden waren für Kinder und Jugendliche sehr viel interessanter.
Auf jeden Fall hat Halloween heute einen gesellschaftlichen Charakter und ist nicht mehr religiös geprägt. Ist es nicht herrlich gruselig, nach einer durchfeierten Nacht, durchsetzt von Gespenstergeschichten, an leuchteten Kürbisfratzen vorbei zu spazieren und sich bei jedem Schritt durch raschelndes Laub Gestalten vorzustellen, die umhüllt von Nebelfetzen in der Dunkelheit auftauchen? Und wer weiß, vielleicht sind es ja doch die Ahnen, die durch die Risse zwischen den Welten geschlüpft sind, die in dieser einzigartigen Nacht entstehen.
Tag der Veröffentlichung: 29.10.2012
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Quellennachweis: An American Holiday, An American History. Bannatyne, Lesley Pratt
German-American Folklore - Barrick, Mac E.
Halloween -Its Origins, Rites and Ceremonies in the Scottish Tradition. - Albyn Press, 1970
Dictionary of Faiths & Folklore Beliefs - Hazlitt, W.C.
The Celts. Inner Traditions - Markale, Jean
Halloween - Silver RavenWolf, Llewellyn Publication, St. Paul, Minnesota