Es lebte einmal eine Prinzessin, die war so wunder- wunderschön, dass ihre Eltern sie Tausendschön tauften. Leider war sie, gerade wegen ihrer Schönheit, sehr stolz und überheblich. Ihre Eltern waren darüber sehr traurig. Sie konnten mit ihr reden, so viel sie wollten, Tausendschön änderte sich nicht.
Nach einiger Zeit kam die Prinzessin in das heiratsfähige Alter. Ihre Eltern ließen überall bekannt geben, dass ein Prinz gesucht werde, der Tausendschön heiraten solle.
Da ihre übergroße Schönheit über alle Grenzen hin bekannt war, kamen aus allen Ländern die Königssöhne, die um die Hand der Prinzessin werben wollten. Sie wies aber hochmütig alle ab. Keiner war ihr gut genug.
Eines Tages kam ein junger Prinz aus einem weit entfernt liegenden Land an den Königshof. Er wollte nicht um Tausendschön werben, sondern eine Nachricht von seinem Vater an den Vater von Tausendschön überbringen.
Er sah die Prinzessin neben ihren Eltern sitzen und sie gefiel ihm recht gut. Er hatte aber bereits von ihrem Hochmut und ihrem Stolz gehört und interessierte sich deshalb nicht weiter für sie. Sollte er sich einmal eine Frau suchen, so sollte sie gutherzig und bescheiden sein. Das hatte er sich geschworen.
Am nächsten Tag machte er sich wieder auf den Weg in sein Reich. Dieser Prinz gefiel der Prinzessin aber so gut, dass sie ihren Stolz vergaß. Sie sehnte sich nach ihm und wünschte, er käme zurück um sie zu seiner Frau zu machen. Sie wartete und wartete. Er kam aber nicht wieder zu ihr.
Eines Tages konnte sie es vor lauter Sehnsucht nach dem jungen Prinzen nicht mehr aushalten. Sie machte sich auf den Weg, um ihn in der großen, weiten Welt zu suchen.
Viele Monate war sie schon gewandert. Ihre seidenen Schuhe waren schon längst zerfetzt und sie lief barfuß. Immer weiter wanderte sie. Eine dicke, harte, graue Schmutzkruste überdeckte ihren ganzen Körper, vom Kopf bis zu den Füßen. Kein Mensch konnte ihre Schönheit jetzt noch erkennen.
Eines Tages kam sie doch wirklich an den Hof, an dem der ersehnte Prinz lebte.
Sie bat darum, vor den Prinzen treten zu dürfen. Sie wurde aber nur ausgelacht und man wies ihr einen Platz im Kuhstall zu. Hier konnte sie als Magd arbeiten. Sie war unter allen Mägden diejenige, die die niedrigsten Arbeiten zu verrichten hatte. Sie musste den Stall ausmisten und die Kühe melken und anstatt, wie sie es gewohnt war, in einem Himmelbett zu schlafen, hatte sie für die Nacht nur ein Bett, in dem es statt einer Matratze nur Stroh gab. In aller Herrgottsfrühe wurde sie von dem Krähen des Hahnes geweckt.
Hin und wieder sah sie den Prinzen aus der Ferne. Aus dem Grund blieb sie an diesem Hof.
Sie erzählte den anderen Mägden, dass sie eine Prinzessin wäre. Die aber lachten sie nur aus und nannten sie Bettelprinzessin.
Manchmal saß sie abends traurig im Schlossgarten und sang ein wehmütiges Lied vor sich hin. Eines Tages hörte der Prinz diesen Gesang. Er fragte seine Diener, wer das sei, denn das Lied und die wunderschöne Stimme hatten sein Herz berührt. Ach, das ist nur die Bettelprinzessin, die im Stall bei den Kühen arbeitet, bekam er zur Antwort.
Bald darauf hörte er wieder diesen wundervollen Gesang. Am nächsten Tag ließ er die Bettelprinzessin zu sich holen. Eine zieliche junge Frau, die über und über mit einer grauer Kruste bedeckt war, trat vor ihn hin. Er fragte sie wer sie sei, und sie antwortete ganz bescheiden, dass sie die Bettelprinzessin an seinem Hof sei und dankbar dafür, ihn hin und wieder einmal sehen zu dürfen. Der Prinz war gerührt. So hatte er sich das Wesen seiner zukünftigen Frau vorgestellt. Er beachtete ihr Äußeres nicht, sondern sah ihr nur in die Augen, die ihn voller Liebe anblickten. Sein Herz ging ihm auf und er fragte sie, ob sie seine Frau werden wolle.
Tausendschön konnte es nicht fassen und ihr kleines Herz klopfte so laut und stark, dass die schmutzig graue Kruste einen Riss bekam, in der Mitte durchbrach und an beiden Seiten von ihr abfiel. Da stand sie ganz still vor ihm.
Er erkannte sie sogleich und nahm sie zärtlich in die Arme. Dass aus Tausendschön eine bescheidene und demütige Prinzessin geworden war, machte ihn sehr glücklich. Bald darauf wurde die Hochzeit mit großer Pracht gefeiert.
Als der Prinz zum König und Tausendschön zu seiner Königin geworden waren, regierten sie gemeinsam gerecht und gütig über ihr Reich.
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann regieren sie noch heute.
Texte: Helga Hauch
Tag der Veröffentlichung: 09.11.2012
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