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Captain Kitty lag träge in seiner Hängematte und ließ sich genussvoll die Sonne auf das Fell scheinen. Seine braunweiße Zeichnung speicherte die Wärme der Strahlen und ließ ihn richtig entspannen. Ein Leben lang hatte er sich danach gesehnt einfach nur faulenzen zu können. ohne dass er seinen Arbeitsplatz verlieren würde, oder finanzielle Einbußen hinnehmen musste. Er arbeitete gerne, doch mindestens genauso lieb war ihm die Urlaubszeit. Leider gingen die Tage der Erholung immer viel zu schnell vorüber, dabei ließ ihn der Eindruck nicht los, dass ihm etwas in seinem Urlaub fehlen würde. Doch er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, was es sein möge. Seufzend fragte er bei anderen Katzen nach wie diese ihren Urlaub verbrachten, aber deren Antwort war auch nicht besonders hilfreich. Die meisten besuchten ihre Eltern, Geschwister oder andere Verwandten. Freudestrahlend berichteten sie von den großartigen Begrüßungen, mit denen sie empfangen wurden. Captain Kitty hatte keine Familie mehr und bedauerte es überhaupt nicht. Er liebte seine Eigenständigkeit. Es hätte ihn sehr gestört, wenn sich jemand erlauben würde sich in sein Leben einzumischen, bloß weil sie denselben Stammbaum hatten. Auf der Suche nach Familienanschluss war er also nicht, aber worauf denn sonst? Etwas fehlte In seinem Leben und dem würde er sich hauptsächlich in seiner freien Zeit widmen können. Doch was war es? Er durfte sich einer beneidenswerten Gesundheit erfreuen, besaß ein schönes Haus, Ansehen bei Jedem, den er kannte und die Katzen wiesen ihn auch nicht ab, wenn er ihnen seine Aufwartung machen wollte. Er hätte ein rundum glücklicher Kater sein können, wenn ihn nicht das bohrende Wissen quälen würde, etwas im Leben zu verpassen. Wie ein Kern in einer Kirschtorte deren unbeschwerten Genuss störte, so versuchte er herauszufinden an was es ihm mangelte. Das Beispiel war ungeeignet um sein wahres Empfinden zu beschreiben, denn Kirschtorten mochte Captain Kitty überhaupt nicht. Mittlerweile hatte er sich damit abgefunden und akzeptiert. Seiner Arbeitszeit ging er weiterhin energiegeladen nach und versuchter voller Tatendrang jeden Wunsch zu erfüllen, der an ihn herangetragen wurde.
In die Berufswahl lag sein Geheimnis. Er hatte sein Hobby zur Lebensaufgabe gemacht und war bis zum Captain der Mäusepolizei aufgestiegen. Die Aufgabe schien nicht besonders schwierig zu sein. Hauptsächlich musste er darauf achten, dass unerwünschte Nager keine Vorratsspeicher mit ihren scharfen Zähnen aufbrachen und anfingen den kostbaren Inhalt zu beschmutzen. Hätten sie nur davon gefressen, wäre das noch hinnehmbar gewesen, aber sie beschmutzten den Inhalt zusätzlich mit Kot und Urin, so dass unter Umständen ganze Container der Lebensmittelindustrie entsorgt werden mussten. Das kostete viel Geld und da hörte bei allen Unternehmern der Spaß auf. Solche Verbrechen wurden mit dem sofortigen Tod der gefassten Eindringlinge bestraf. Weil der Captain aber nicht zu gleicher Zeit in jedem Winkel des zu überwachenden Geländes anwesend sein konnte, war er zum Anführer einer großen Horde von Katzen geworden, die sich gerne von ihm leiten ließen. Humorvoll nannten sie sich die Gruppe Mäusepolizei, sie trugen aber keine Uniformen. Jedoch beschäftigten sie ein Sekretariat, damit sie immer erreicht werden konnten. Auch Vögel, wie zum Beispiel Bussarde, halfen ihnen zuweilen, wenn sie sich einen Vorteil davon versprachen.
Nicht immer war es einfach Frieden unter all diesen Individualisten zu gewährleisten, doch Captain Kitty konnte auf eine langjährige Erfahrung im Umgang mit seinen Helfern zurückgreifen. Schließlich hatten alle das gleiche Ziel: Mäuse fangen und verspeisen. So lange dieses Ziel nicht außer Acht gelassen wurde, konnten alle anderen Probleme gelöst werden.
Der Kater war bei den übrigen Raubtieren sehr beliebt, weil er keinen seiner Mitarbeiter bevorzugte und manchmal, - auch das konnte vorkommen, - sich schützend vor dem jeweils Schwächeren stellte. Eiserne Regeln mussten eingehalten werden, dafür sorgte Captain Kitty mit vollem Körpereinsatz. Zum Beispiel durften unachtsame Vögel nicht getötet werden, auch wenn sie auf der Speisekarte mancher erfahrenen Katzen standen. Im Gegenzug dazu, landeten auch keine Jungkätzchen im Horst eines voreiligen Jägers der unverhofft aus heiterem Himmel herabstürzte. Wer sich an dieses einfache Friedensabkommen nicht halten wollte, der wurde mit vereinten Kräften aus der ganzen Gegend vertrieben.
Keiner konnte sich einen besseren, vertrauenswürdigeren und zuverlässigeren Chef der Mäusepolizei vorstellen. Nicht nur aus diesem Grund flossen Tränen, als er in seinen wohl verdienten Ruhestand ging. Egal wie mutig, kräftig und erfahren ein Tier ist, einmal kommt der Tag, an dem es nicht mehr gebraucht und abgeschoben wird. Jeder war ersetzbar, auch wenn man diese Tatsache nur allzu gerne verdrängte. Augenblicklich beschäftigte sich die Gruppe mit dem Gedanken, wer war als sein Nachfolger vorgesehen war. Hatte jemand einen geeigneten Kater im Sinn? Konnte man sich für die frei gewordene Stelle bewerben und wenn ja, wo? Oder würde ein neuer Captain gewählt werden? Er musste auch so gut mit den Mitarbeitern umgehen können und durfte kein arroganter Postenreiter sein, der es nicht verstand genügend Nachfolgeaufträge an Land zu ziehen. Oder löste sich die Mäusepolizei nun ganz auf? Fragen über Fragen häuften sich auf. Alle waren gleich wichtig, doch keiner konnte sie beantworten.
„Ach Captain Kitty, was sollen wir nur ohne Sie anfangen?“, schluchzte seine ehemalige Sekretärin Lady Carmen beim Abschied. Sie war eine echte Kathäuser Katze mit wunderbar blauem Fell und hellgelben Augen, die wie Bernsteine funkelten. Eine richtige Dame eben, die ihre vornehme Herkunft nicht verleugnen konnte, ohne arrogant zu werden. Lange schon war sie in Captain Kitty verliebt und hatte immer gehofft, dass er mehr in ihr sehen würde, als eine bloße Schreibkraft. Doch da sie keine Kinder bekommen konnte und den unwiderstehlichen Duft nicht verströmte, war sie trotz ihres hinreißenden Aussehens für ihn uninteressant geblieben.
„Kopf hoch meine Liebe, macht einfach weiter wie bisher“, tröstete der Angesprochene die treue Seele. Sie wird ihn vermissen, das ließ ihre zittrige Stimme eindeutig erkennen.
Solch wehmütige Erinnerungen an seine Amtszeit ließen ihn nicht mehr los. Viel zu früh musste er in Rente gehen, dabei strotze er immer noch vor Saft und Kraft.

Stürmisches Klingen riss Captain Kitty aus seinen Gedanken heraus.
„Nicht so eilig mit den jungen Pferden, ich komm ja schon“, rief er auf dem Weg zur Haustür.
Ein Mitarbeiter der Mäusepolizei begehrte Einlass. Verwundert öffnete sein ehemaliger Vorgesetzter die Tür.
„Was ist denn jetzt schon wieder los Carlos. Warum können Sie mich keinen einzigen Tag in Ruhe lassen? Gestern noch war ich im Büro anzutreffen und hätte mich gerne mit Ihren Problemen befasst. Aber ab heute bin ich nur noch Privat- Kater, wenn auch gezwungener Maßen.“, sagte er bedauernd.
„Tut mir leid Sir, aber wir brauchen Sie dringend. Was geschehen ist duldet keinen Aufschub. Nur Sie haben die richtigen Verbindungen, um eine Katastrophe zu verhindern.“, stammelte der junge Sergeant aufgeregt.
Captain Kitty wollte schon darauf hinweisen, dass ihn die Belange seiner früheren Dienststelle nichts mehr angingen, war aber war dann doch geschmeichelt, trotz seines Ruhestandes, von den früheren Kollegen gebraucht zu werden. Bereitwillig hörte er sich an, welches Problem ohne ihn nicht gelöst werden konnte.
„Ach Captain, es ist etwas furchtbares Geschehen.“
„Sagen Sie bloß, die Mäuse wären ihrer Opferrolle leid geworden und fangen an sich zu wehren?“, fragte der Kater mit breitem Schmunzeln.
„Nein, nein, das meinte ich nicht. Es sind Menschen, die uns Sorgen bereiten.“
„Nanu. Darauf wäre ich jetzt wirklich nicht gekommen. Menschen hegen und pflegen uns in diesem Land seit wir denken können. So manches Milchschälchen stellen sie nur hin, damit wir in ihrer Nähe bleiben. Wenn sie uns antreffen, dann möchten sie uns immerzu streicheln.“
Captain Kitty geriet ins Schwärmen.
„Sagen Sie Carlos, sind Sie schon einmal von einer Menschenhand ausgiebig gestreichelt worden?“
„N… Nein. Na ja, nicht so richtig. Eine Frau fuhr mir Mal mit ihrer Tatze über den Rücken, als ich nicht schnell genug weggerannt bin.“
„Und, was haben Sie dabei empfunden?“
„Angst habe ich gehabt, schreckliche Angst.“
„Hatte diese Frau Sie bedroht, einfangen wollen oder laut ausgeschimpft?“
„Nein, das tat sie nicht.“
„Warum fürchteten Sie sich dann vor ihr?“
„Weil Menschen so groß sind und enorm viel können. Sie sind meiner Meinung nach einfach unberechenbar.“
„Aber nicht böse.“
„Oh doch. Sie wissen noch nicht, was sich Menschen erst vor Kurzem ausgedacht haben. Die ganze Mäusepolizei gerät deswegen in Gefahr, wir werden alle arbeitslos. Auch Ihre Rente kann bald niemand mehr auszahlen, wenn wir zu Hause bleiben müssen und keine Gelder von zufriedenen Kunden mehr eingehen. Wenn das nicht böse ist was dann?“
Neugierig geworden fragte Captain Kitty nach, von was er eigentlich sprechen würde.
„Von einem Gesetzesentwurf, der in Vorbereitung ist.
Zum Schutze aller Tiere und Autofahrer, sollen Katzen nicht mehr frei herumlaufen dürfen. Sie hätten Mal sehen sollen, welche Feste Mäuse feierten, als unter ihnen bekannt wurde, was Menschen vorhaben. Gesang und Trommelfeuer erklang aus jeder Häuserecke. Obwohl wir immer noch jagten, versteckte sich keine Maus mehr vor uns. Schlimmer noch, sie sind furchtbar frech geworden und strecken uns die Zunge raus, wenn wir angreifen wollen. Mich kannst Du vielleicht kriegen, aber meine Kinder sind vor Dir in Sicherheit. Es leben die Tierschützer, riefen sie schadenfreudig und lachten uns aus. Keine Katz mag, wenn sie ausgelacht wird, egal von wem. Aber das wissen Sie ja selbst. Ich sage Ihnen, es gibt keinen Respekt mehr unter den Mäusen. Manche Kollegen mussten bereits ärztlich behandelt werden, sie hielten die ungeheuerlichen Demütigungen ihrer ehemaligen Opfer einfach nicht mehr aus. Haben Sie denn gar nichts davon mitbekommen?“
„Das ist ja zum Mäusemelken!“, rief Captain Kitty in höchster Erregung. Mäusemelken war der schlimmste Ausdruck den er sich vorstellen konnte. Nur wenige Mitarbeiter hatten ihn jemals in diesen Tönen schimpfen hören. Doch dieses Mal musste er seine Entrüstung zum Ausdruck bringen. Während seines gesamten Dienstes hatte er so etwas Unglaubliches nicht erleben müssen. Immer waren Katzen gefürchtete Feinde von Mäusen und nun sollte diese naturgegebene Ordnung auf einmal nicht mehr gelten? Nein! So etwas war undenkbar. Dem musste unbedingt ein Riegel davor geschoben werden.
„Sie haben ganz richtig gehandelt, mich um Hilfe zu bitten, mein lieber Carlos.“, meinte der Captain anerkennend und klopfte dem schüchternen Sergeant wohlwollend auf die Schultern.
„Niemand hat bisher so viele Beziehungen zu Menschen aufbauen können, wie ich. Da sämtliche Gesetze, auch die an denen wir uns halten müssen, allein von Menschen gemacht werden, können auch nur sie dieses Vorhaben verhindern. Wir werden bei der Gesetzgebung nicht gefragt, sondern müssen hinnehmen was kommt.“
„Aus Ihrem Mund klingt das gerade so, als hätten Sie eine Idee?“, fragte Carlos hoffnungsvoll. Ihm war anzusehen wie sehr er darunter litt, von seinem Lieblingsfutter nicht mehr gefürchtet zu werden.
„Hab ich auch, doch zuvor benötige ich alle Informationen, die Sie mir geben können.“
„Die haben Sie doch schon. Was wollen Sie denn noch wissen?“
„Zum Beispiel weiß ich immer noch nicht, was es mit Autofahren zu tun hat, wenn wir eingesperrt sind.“
„ Ganz einfach. Nehmen wir einmal an, unser Bruder oder Schwester rennt über die Straße und ein Autofahrer hat es gesehen. Dann kann es zu einem Unfall kommen, weil er ausweichen will. Rast er gegen ein Hindernis, ist sein Auto kaputt.“
„Die Katze aber ist schwer verletzt, oder im schlimmsten Fall tot.“
„Ich sehe, Sie wissen, was ich meine.“
„Nein weiß ich nicht. Helfen Sie mir bitte auf die Sprünge?“
„Die Tatsache, dass Unfälle von freilaufenden Katzen ausgelöst werden können, wird zum Anlass genommen unsere Freiheit zu verbieten. Bei Hunden war ein ähnliches Gesetz schon sehr erfolgreich. Heute läuft kein Hund mehr ohne von seinem Herrchen an der Leine geführt zu werden herum. Dieses Gesetz will man nun auch auf Katzen anwenden. Zu allem Übel halten sich solche Leute auch noch für wahre Tierfreunde. Nichts anderes, als die Unversehrtheit von Lebewesen haben sie im Sinn. Dagegen ist schwer etwas zu sagen.“
„Dabei wurde jedoch ganz vergessen, dass manche Hunde Menschen angefallen haben und fürchterlich verletzten, ohne dass es einen Grund dafür gab. Oft genug endeten solche Attacken im Hospital. Haben Sie schon einmal gehört Kinder oder ältere Leute wären von einer Katze Krankenhausreif gebissen worden?“
„Nein, niemals. Mehr als ein paar Kratzer dürfte noch keiner davongetragen haben, wenn wir uns gegen allzu grobe Behandlung wehren mussten und solche Schrammen heilen schnell.“
„Trotzdem sind manche Menschen ganz begeistert von diesem Entwurf. Sie wollen gleiche Bedingungen für ihre Haustiere. Dass sich nur Hundebesitzer dafür stark machen halten sie für reinen Zufall. Alles Andere sei üble Nachrede.
„Hm. Mal sehen, was Betreiber von Getreidemühlen und Großbäckereien dazu sagen. Diese Unternehmer waren bisher unsere besten Auftraggeber und haben in der Menschenwelt hohes Ansehen. In dieser Angelegenheit ist das letzte Wort noch lange nicht gesprochen worden, darauf können Sie sich verlassen.“
Einigermaßen beruhigt verließ Sergeant Carlos das Haus. Er hatte getan was er konnte, mehr ging nicht.
Kurz nach dem Besuch machte sich Captain Kitty auf den Weg zur Mäusepolizei und stürmte ins Sekretariat.
„Hallo Lady Carmen können Sie mir eine Verbindung mit Herrn Schneider von der Ebenhardter Mühle herstellen? Ich könnte auch von zu Hause aus anrufen, aber wenn Sie das für mich tun, dann klingt das viel offizieller.“
Gern erklärte sich die Sekretärin dazu bereit. Den ganzen Tag lang hatte sie noch nichts zu tun gehabt und ihr war langweilig.
„Eilt es?“, fragte sie mit wissendem Lächeln.
„Wie immer. Lassen Sie sich um Himmels Willen nicht vertrösten. Erzählen Sie etwas von traumatisierten Mitarbeitern und dem Versprechen, das Herr Schneider mir einst gab. Ich bleibe hier bis Herr Schneider Ihnen gesagt hat, wann er mich empfängt.“
Routiniert hob Lady Carmen den Hörer ab und sprach einige Minuten darauf mit der gewünschten Person.
Welch eine Stimme. So eine charmante Katze würde ich auch nicht abwimmeln. Warum habe ich nicht früher bemerkt, was für ein wunderbares Wesen im Vorzimmer sitzt? Lady Carmen ist die Seele der ganzen Dienststelle und ich blöder Schnurrbartwackler bildete mir immer ein, ich wäre es.
„Wenn Sie sich sofort auf den Weg machen könnten, hätte Herr Schneider Zeit für Sie“, riss Lady Carmen den verwunderten Kater aus seinen Gedanken heraus.
„Sagen Sie ihm, dass ich komme.“
Mit einem Kuss auf der Stirn wollte er sich bei ihr bedanken und aus dem Büro herauseilen, drehte sich an der Tür jedoch noch einmal um.
„Sagen Sie Lady Carmen, kennen Sie Herrn Schneider eigentlich von Angesicht zu Angesicht?“
„Nein, nur von Telefon her. Er muss aber sehr sympathisch sein, das erkenne ich daran, wie er mit mir redet aber warum fragen Sie?“
„Ach Nichts, ich hatte nur den Eindruck, weil Sie so vertraut miteinander reden. Wollen Sie ihm einmal persönlich gegenüberstehen?“
„Meinen Sie das wäre möglich?“
„Warum nicht? Vorausgesetz, Sie können hier weg.“
„Ich denke es wird niemand merken, wenn ich nicht am Telefon sitze. Seit Sie nicht mehr da sind ist im Büro sowieso nichts mehr los. Wenn ich den Anrufbeantworter einschalte, reicht das völlig aus.“
„So schnell macht sich bemerkbar, dass ich in Rente gegangen bin? Kaum zu glauben. Worauf warten wir dann noch? Die Arbeit ruft. Los geht’s, auf zu Herrn Schneider!“
Lächelnd streckte Captain Kitty seine Pfote der aufgeregten Sekretärin entgegen und verließ mit ihr im Schlepptau das Gebäude der Mäusepolizei.

Die Ebenhardter Mühle lief auf Hochtouren. Lastwagen standen Schlange, um feinstes Mehl in ihre Spezialbehälter geblasen zu bekommen. Goldene Griffe an Bürotüren verrieten Luxus pur. Lady Carmen war tief beeindruckt. In dieser modernen Anlage sollten sich Mäuse herumtreiben? Das war kaum vorstellbar und doch mussten auch dort diese Nager bekämpft werden.
Herr Schneider ging hocherfreut auf Captain Kitty zu. Mit ihm hatte er immer gerne Geschäfte gemacht. Selten fand er einen Partner, der so zuverlässig war.
„Was musste ich von traumatisierten Katzen hören?“, fragte er schmunzelnd. Daraufhin klagte der Mäusepolizist sein Leid. Erst hörte der Geschäftsmann nur mit halbem Ohr zu, denn was ging ihn der Seelenzustand von fremden Katzen an. Als der Captain aber die unmittelbaren Konsequenzen zur Sprache brachte und den Ausfall ganzer Produktionstage in Aussicht stellte, weil sich Mäusedreck im Mehl befand, war Herr Schneider wie elektrisiert.
„Sie haben Recht Captain, so ein Gesetz muss unbedingt verhindert werden. Ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen und dass Sie zu mir gekommen sind.“
Danach entschuldigte sich Herr Schneider, er hätte einige dringende Anrufe zu tätigen. Captain Kitty und seine Begleitung wollten sich schon diskret zurückziehen, wurden aber mit Handzeichen zurückgehalten.
„Bleiben Sie nur hier, dann kann ich Ihnen sofort berichten, was gegen wir in dieser Angelegenheit tun werden.“
„Wir?“, fragte de Mäusepolizist.
„Selbstverständlich wir. Ich muss doch auch andere Firmeninhaber von einer drohenden Mäuseplage unterrichten. Gemeinsam sind wir stark. Lassen Sie mich nur machen. Zusammen bekommen wir das schon hin.“
Dann rief Herr Schneider seine Sekretärin.
„Frau Klein, bieten Sie doch bitte unseren Gästen eine kleine Erfrischung an.“
Eine junge, hochgewachsene Frau mit blonden kurz geschnittenen Haaren betrat den Raum und wandte sich den beiden Katzen zu.
„Was darf ich Ihnen bringen Tee oder Kaffee?“
„Nein Danke, aber wenn Sie etwas Milch für uns hätten, das wäre nett.“, schaltete sich Lady Carmen ein. Die Sekretärin entschuldigte sich wegen ihrer Gedankenlosigkeit und kam zehn Minuten später mit einem Tablett wieder, auf dem zwei Glasschälchen standen, die randvoll mit leckerer Milch gefüllt waren.
Die beiden Katzen hatten ihre Milch noch nicht richtig aufgeleckt, da kam Herr Schneider mit zuversichtlicher Miene auf sie zu.
„Ich kann Sie beruhigen, der Gesetzesentwurf wird verworfen werden. Wo kämen wir denn hin, wenn Politiker ihre Vorstellungen vor wirtschaftlichen Notwendigkeiten stellen könnten? In welchem Land leben die eigentlich? Noch ist zum Glück nichts passiert, denn es war ja nur von einem Entwurf die Rede. Der wird zurückgezogen, darauf gebe ich Ihnen mein Ehrenwort. Die Öffentlichkeit erfährt davon nichts, wie immer.“
Nachdem die Anspannung von Herrn Schneider gewichen war, schaut er bewundernd auf Lady Carmen.
„So edle Begleitung habe ich Ihnen gar nicht zugetraut Captain Kitty, Sie überraschen mich immer wieder.“
Lady Carmen fragte er, welcher Familie sie angehören würde. In dieser Gegend hatte er noch nie so eine Schönheit gesehen.
„Ich bin eine Kathäuser Katze russisch blau“, antwortete sie geschmeichelt.
Es entwickelte sich ein Gespräch aus Nettigkeiten, bei dem Lady Carmen den Unternehmer gekonnt um ihre eingezogene Kralle wickelte.
Plötzlich spürte der Captain einen Stich in der Herzgegend, den er noch nicht kannte. Er war eifersüchtig geworden. Was wollte seine ehemalige Sekretärin mit einem Menschen anfangen? So etwas konnte doch niemals gut gehen und das wusste sie auch. Doch warum flirtete sie mit ihm dann so hemmungslos mit ihm herum? Er konnte sich das Geturtel der Beiden nicht länger anhören und gab vor, an diesem Tag noch einen wichtigen Termin wahrnehmen zu müssen. Augenblicklich verabschiedete sich Herr Schneider von seinen Besuchern.

Auf dem Weg nach Hause, beglückwünschte ihn Lady Carmen zu dem großen Erfolg. Eine große Last war von den Schultern des Captains gefallen. Er hatte die Katzenwelt vor großem Schaden bewahrt und konnte zu Recht stolz darauf sein.
Wie gewohnt legte sich Captain Kitty gemütlich in seiner Hängematte und genoss den Sonnenschein. Dass Lady Carmen in sein Leben getreten war, sah er als gütige Fügung des Schicksals an. Sie kümmerte sich rührend um ihn und öffnete ihm die Augen, Endlich wusste der Captain wonach er immer gesucht hatte. Es war Kultur gewesen, von der er bisher nichts wissen wollte. Doch dass sie sich mit solcher Macht bei ihm melden würde, hätte er nicht gedacht. Gemeinsam mit seiner neuen Partnerin gingen sie in Museen, lasen Bücher, die gebildete Katzen kennen sollten, sie gingen ins Konzert und zur Not auch in die Oper. Opernbesuche waren für Captain Kitty ein Graus, er konnte diese Katzenmusik nicht leiden. Sie tat ihm in den Ohren weh. Aber um Lady Carmen einen Gefallen zu tun, ließ er auch das über sich ergehen. Lady Carmen war Kultur- besessen und er ihr williger Schüler. Damit sein Leidensdruck nicht zu groß wurde, besuchten sie auch historische Baudenkmäler, Burgen oder Schlösser.
Hey, war das ein Spaß in und um diese Gebäude herumzuklettern. Am liebsten waren Captain Kitty Ruinen, auch wenn er ständig aufpassen musste auf keinem lockeren Stein zu treten und sich zu verletzen. Als Wegzehrung fingen sie sich schnell ein paar Mäuse, die auch dort zu finden waren. Herr Schneider hatte sein Ehrenwort gehalten, von rebellischen und angstfreien Mäusen war keine Spur mehr zu sehen. Hatte es sie jemals gegeben, oder gehörte diese Geschichte auch nur zu den vielen Legenden, die sich um Captain Kitty rankten? Er wusste es nicht, ihm war keine freche Maus begegnet. Alle rannten um ihr Leben wenn sie ihn sahen und das war auch gut so.
Von Lady Carmen wollte er sich nie mehr trennen. Sie war gerade dabei ihm eine vornehmere Ausdrucksweise anzugewöhnen. Wenn er diese letzte Hürde meistern konnte, dann öffneten sich Türen zur besseren Gesellschaft, die zuvor immer für ihn geschlossen blieben. Liebevoll schaute er seine Partnerin an. In Anbetracht seiner Verdienste wird sie darauf hinwirken, dass man ihn an höchster Stelle zum Sir Captain ernennt.
Lady Carmen spürte seinen Blick. Ein leichtes Kribbeln durchfuhr ihren ganzen Körper. Danach hatte sie sich immer gesehnt. Wie es sich für eine Dame geziemt, ging sie zu ihrem Angebeteten und ergriff schüchtern seine Pfote.
Zu zweit konnte das Leben wundervoll sein.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 28.05.2012

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Vielen Dank an Marianne Schäfer und Katharina Männl. Ohne Eure Unterstützung hätte ich dieses Buch nie so detailliert geschrieben, wie es nun am Wettbewerb teilnimmt.

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