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8.
Wie von der Tarantel gestochen sprang Linda aus dem Bett. Sie musste sich noch einmal umdrehen, um sich zu vergewissern, dass sie nicht geträumt hatte. Tatsächlich! Es war kein Traum. Da lag wirklich ein nackter Piet in ihrem Bett und sie war bis vor kurzem daneben gelegen. Das gab es doch nicht. Nein, das konnte beim Besten Willen nicht sein. Einen richtigen, tief sitzenden Schock bekam sie erst, als sie bemerkte, dass auch sie komplett nackt war. Sie war doch lesbisch, oder? Sie rannte nervös im Zimmer auf und ab und starrte dabei unablässig den zufrieden, schnarchenden Piet an. Sie riss sich schließlich von dem Anblick los, streifte sich einen Bademantel über und hastete auf den Balkon ihres Zimmers. Sie brauchte frische Luft. Fieberhaft versuchte sie sich an den gestrigen Abend zu erinnern. Wie war das noch gleich? Als ihr endlich eine vage Ahnung kam, erschrak sie fast zu Tode, als Piet plötzlich seine Arme von hinten um sie legte und ihr ins Ohr flüsterte: „Guten Morgen, Süße!“ Geschickt wand sie sich aus der Umarmung und knallte ihm eine. Sie war außer sich, denn sie wusste wieder wie es gewesen war. Nachdem Piet sie am Flughafen gerade noch abfangen hatte können, hatten sie gemeinsam beschlossen, los zu ziehen und auf Lindas Rückkehr etwas zu trinken. Als das Gepäck wieder zum Hotel gebracht worden war und sie wieder eingecheckt hatte ging es gleich los in die erste Kneipe. Den ganzen Nachmittag ging das so weiter, bis in den späten Abend hinein. Sie beide waren so besoffen gewesen, wenn man sie gefragt hätte, wie viel 1+1 machte, hätten sie vermutlich 4 geantwortet. Und irgendwie waren sie dann in Lindas Zimmer im Bett gelandet. Piet schaute verdutzt drein. „Womit habe ich DAS bitte verdient?“ „Das weißt du doch ganz genau, du Schuft!“, antwortete Linda, deren Wut sich inzwischen in Verzweiflung gewandelt hatte. Langsam spürte sie auch die Kopfschmerzen, die der gestrige Rausch verursachte. „Was bildest du dir überhaupt ein, so mit mir zu spielen. Du weißt ganz genau, dass ich das nie gemacht hätte, wäre ich nüchtern gewesen!“, schimpfte sie weiter. „Ich habe nicht mir dir gespielt!“, war das einzige, das Piet erwidern konnte. Er war immer noch ziemlich baff, wegen der Ohrfeige. „Außerdem bist du immer noch nackt, zieh dir gefälligst etwas an!“, sagte sie noch, als sie ihn zur Seite schob, ins Zimmer ging und sich im Bad verschanzte. Im Moment war es Piet egal, dass einige Passanten von der Straße her, belustigt musterten. Ja sie waren betrunken gewesen. Aber gestern war ihm eines klar geworden: Er liebte Linda. Er liebte sie wirklich. Ja, vielleicht hatte er ihren Rausch wirklich ein bisschen ausgenutzt, aber wenn dann nur um ihr nahe zu sein. Er hatte nicht bloß mit ihr schlafen wollen, um dann sagen zu können, dass er es getan hatte. Er hatte ihr gewissermaßen seine Liebe auf diesem Weg gestehen wollen und gehofft, dass sie auch aufwachen würde und sich in ihn verliebte. Aber das war eine dumme Hoffnung gewesen. Er hätte es wissen müssen. Das ganze war ein Fehler gewesen. Aber dennoch hatte er sich so sehr gewünscht, dass es ihr auch etwas bedeutet hatte. Ja, er hatte gewusst, dass sie lesbisch war. Vielleicht wollte er es einfach nicht wahrhaben. Vielleicht konnte er es einfach nicht verkraften, dass sich Linda nie in ihn verlieben würde, solange er sein Geschlecht nicht änderte. Er fand jetzt, dass er die Ohrfeige durchaus verdient hatte. Es war dumm von ihm gewesen. Er war den Tränen nahe. Was heißt er war nahe, er heulte sich bereits die Seele aus dem Leib, als er seine Klamotten vom Boden aufsammelte, sich anzog und anschließend in SEIN Zimmer ging.
Inzwischen heulte auch Linda unter der Dusche. Wenn Piet gewusst hätte, wie sehr er sie durcheinander gebracht hatte. Erst jetzt gestand sie sich ein, dass es ihr doch gefallen hatte, mit Piet zu schlafen. Sehr sogar. Aber war sie nicht lesbisch? All die Jahre war sie nur mit Frauen im Bett gewesen und jetzt? Was war los? Es waren Fragen, die Linda nicht beantworten konnte. Sicher, sie waren besoffen gewesen. Aber es hatte ihr gefallen. Es tat ihr leid, dass sie Piet geohrfeigt hatte. In Wirklichkeit konnte er ja genauso wenig dafür wie sie. Es war einfach passiert. Oder waren da Gefühle im Spiel gewesen? Hatte Piet etwas gefühlt? Die wichtigste Frage war: Hatte sie selbst etwas gefühlt? Die Antwort war komischerweise sehr simpel: Ja. Aber wieso? War sie etwa bisexuell? Sah so aus. Was fühlte sie jetzt für Piet? Was zum Teufel? Insgeheim, hatte sie seine Umarmung am Balkon genossen. Er hatte sich so warm an gefühlt. Sie war sich so geborgen vorgekommen. Immer noch hatte sie seinen wunderbaren Geruch in der Nase. Es war der Geruch, der nur Piet gehörte. Plötzlich wollte sie mehr davon. Sie wollte bei ihm sein. Wieso verdammt, fuhren ihre Gefühle Achterbahn? Aus der Pubertät war sie doch schon. Sie konnte es nicht definieren, was sie im Moment fühlte. So hatte sie eigentlich schon am Balkon gefühlt, wenn auch nur für einen winzigen Augenblick. Sie war doch nicht etwa....?? Nein oder?? Sie hatte sich doch nicht etwa verliebt?? Mit einem Mal drehte sie das Wasser ab, stieg aus der Dusche und sah in den Spiegel. „Linda, die Lesbierin, hat sich in einen Jungen verliebt, der noch dazu ihr bester Freund ist!“, sagte sie zu ihrem Spiegelbild, als ob sie es nicht fassen konnte. Plötzlich wusste sie, was zu tun war: Sie streifte sich wieder ihren Bademantel über, stürzte aus ihrem Zimmer geradewegs auf das Piet´s zu. Es war ihr im Moment so egal, wie sie aussah: nasse Haare, ungeschminkt, nur im Bademantel. Sie hämmerte mit beiden Fäusten gegen die Zimmertür. „Mach schon auf! Bitte!“, flehte sie. Als ihr nach endlosem Bitten und Flehen endlich die Tür geöffnet wurde, stürzte sie sich auf Piet, wahrlich sie fiel über ihn her wie ein wild gewordenes Tier und küsste ihn leidenschaftlich. Zwischen den folgenden, innigen Küssen rang sie sich einen Satz ab: „Ich liebe dich!“ „Ich dich noch viel mehr.“, beteuerte Piet. „Das glaubst aber auch nur du!“, neckte Linda und stürzte sich erneut mit einem verschmitzten Lächeln auf Piet. Diesmal schuppste sie ihn aufs Bett. Er grinste dreckig und öffnete ihren Bademantel. Auch sie machte sich an seiner Kleidung zu schaffen. Ihr erstes Opfer war seine Gürtelschnalle. Leidenschaftlich schliefen sie schließlich wieder miteinander. Danach sahen sie sich noch lange in die Augen und schliefen dann zufrieden Seufzend ein.

Drei Wochen später in Heidelberg:
Ein Schrei gellte durch die Wohnung. „Was ist den Schatz?“, rief Piet erschrocken und rannte zur Toilette, auf der sich Linda vor einer Viertelstunde eingeschlossen hatte. „Ich bin schwanger, verdammt!“


Impressum

Tag der Veröffentlichung: 05.09.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für Anna, wen sonst......!!! Hab dich dolle lieb!!

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