Gott zeigt mir schließlich ein Foto des Mädchens. „Auch noch ein Goth!“, rufe ich entkräftet. Ich stehe kurz vor einer innerlichen Apokalypse. „Es hilft nichts!“, sagt der Chef. „Du musst sie finden!“ Ich nicke und verlasse kurz darauf völlig verstört das Büro. Ich versuche mir selber vergeblich Mut zuzusprechen und begebe mich mit dem Foto in der Hand wieder auf irdischen Boden. Warum ich mich eigentlich nicht freue? Worüber soll ich mich freuen? Glaubt ihr etwa meine Mission ist dadurch leichter geworden? Im Gegenteil. Ich hasse es mit so widerspenstigen Gören zu arbeiten. Vor allem sind sie so schnell, weil sie noch jung sind. Kurz gesagt: EINE EINZIGE KATASTROPHE. Ich werde nie verstehen, wieso gerade ich immer diese Aufträge bekomme.
Phase eins meiner „aufregenden“ Suche nach dem Rotzgör beginnt. Es ist natürlich mitten in der Nacht, denn nur im Schutz der Dunkelheit werden Satansmessen abgehalten. Meist auf verlassenen Äckern, alten, verfallenen Industriegeländen oder in unbewohnten Häusern. Ich kann mir immer noch nicht vorstellen, dass ein 16jähriges Mädchen einen Packt mit dem Teufel geschlossen hat. Tja, aber was will man machen. Der Beruf des Engels ist eben ein anstrengender. Ich überfliege die Stadt um nach genannten Plätzen Ausschau zu halten. Äcker kann ich hier nicht finden und um unbewohnte Häuser auszumachen müsste ich näher ran, aber alte Industriegelände kann ich von hier oben zu Hauf entdecken. Ich fliege weiter hinunter. Es ist äußerste Vorsicht geboten. Wenn sie mich sieht ist alles vorbei. Schließlich lande ich leise und sanft auf einem der vielen Dächer eines Geländes. Ich spitze meine Ohren. Es sind ganz deutlich Stimmen zu vernehmen. Ich fliege leise aufs nächste Dach um näher an die Stimmen heranzukommen und vielleicht auch zu sehen wem sie gehören. Plötzlich sehe ich eine kleine Gruppe von Leuten um die Ecke gehen. Es ist aber kein Racheengel zu entdecken. Wahrscheinlich nur ein kleiner Nachtschicht – Trupp. Als die Leute verschwunden sind, begebe ich mich auf festen Boden und schleiche, dicht an die Mauer gepresst um die Gebäude. Ich höre wieder Stimmen, aber diesmal kommen sie hunderprozentig von einer Göre die, wie in Trance, ein Loblied an den Satan singt und ein paar anderen Leuten, die vermutlich gezwungenermaßen mit einstimmen. Suchend lasse ich meinen Blick schweifen. Mich jetzt wieder in die Lüfte zu begeben, um von oben noch einmal das Gelände abzusuchen, wäre ein mehr als fataler Fehler. Außerdem wenn ich sie beim Ersten Mal nicht gesehen habe, müssten sie doch in einem Gebäude... . Bevor ich überhaupt zu Ende denken kann, greift mich irgendjemand von hinten an. Ich schlage wie ein wild gewordenes Tier um mich, um meinen Gegner abzuschütteln. Es gelingt mir und als ich mich umdrehe sehe ich ein höchstens ein Meter fünfundsechzig großes Mädchen, mit kohlrabenschwarzen Haaren, stechend roten Augen, einem schwarzen Top und Minirock und einer zerissenen Netzstrumpfhose. Auf den Ersten Blick sieht sie mehr als harmlos aus, aber ich beschließe, mich nicht auf meinen Eindruck von ihr zu verlassen, sondern einfach erstens mein Leben zu verteidigen und zweitens sie zu töten. Auch wenn es schwer fällt ein junges Mädchen zu töten, man darf da keine Skrupel haben. Wieder zu viel nachgedacht. Schon hat sie sich wieder auf mich gestürzt, nur diesmal erfolgt es für mich „etwas“ schmerzhafter, da mir die Rotznase in die Schulter gebissen hat. Ich schreie auf vor Schmerz. Schließlich hohle ich zum Gegenschlag aus und verpasse ihr so eine Ohrfeige, dass sie gegen die Mauer eines Gebäudes fällt. Inzwischen sind die Leute, die sie bei sich gehabt habt schon geflüchtet, denn ich sehe sie gerade vom Gelände laufen. Nun konzentriere ich mich voll und ganz auf den Kampf. Sie hat sich wieder aufgerappelt und ein Messer unter ihrem Rock hervorgezogen. Sie stürzt sich mit der Waffe auf meine Flügel und ihr gelingt es sogar mich ein wenig zu verletzen, aber ich habe sie dann mit einem gekonnten Schlag in die Magengegend wieder gegen die Mauer geschleudert. „Gib es auf!“, rufe ich ihr zu. Ich weiß was ich zu tun habe: Ich muss ihr zuerst die schwarzen Flügel vom Körper abtrennen, damit sie keine, oder, zumindest kleinere Chancen hat, mir zu entwischen. Sie wird verdammt wütend. Ihre roten Augen blitzen nun mehr, als jeder Blinker, den ich je in meinem Leben gesehen habe. Die Zähne fletschend greift sie wieder an, doch diesmal bin ich schneller und packe sie bei den Flügeln. „Ich sagte doch: Gib es auf!“ So wie ich sie jetzt zu fassen bekommen habe, kann sie mir nicht entwischen. Ich weiß nicht wieso, aber irgendetwas hemmt mich nun ihr die zwei schwarzen Flügel abzutrennen. Ich habe zwar ihr Messer schon in der Hand, aber ich zögere. Was ich da festhalte, ist doch eigentlich noch ein Kind, oder? Ich beschließe meine Bedenken dem Chef zu melden. Zuerst rufe ich aber mal Verstärkung, denn alleine bin ich nicht in der Lage, dieses, sich immerzu windende und strampelnde, Gör in den Himmel zu transportieren.
Tag der Veröffentlichung: 23.08.2010
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