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Hoffest

Es hatte den ganzen Tag kleine Hunde geregnet und ich wurde mit vorgerückter Stunde immer unsicherer, ob wir tatsächlich hingehen sollten. Die Plätze drinnen waren sehr begrenzt und es war eng. Draußen konnte man, des Wetter wegens, nicht sitzen. 

Ausgemacht war 18.00 Uhr und so machten wir uns in Regenjacken und mit Schirm, auf den Weg zum Lieblingswinzer. Der Regen hatte nachgelassen, aber die Luftfeuchtigkeit war immer noch sehr hoch. 

Tatsächlich, der Hof wirkte leer. Alle Gäste hatten sich einen Platz im Trockenen gesucht. Direkt links vom Eingang war der Grill und die Getränkeausgabe. Dort wimmelte es von Helfern. Sie standen trocken und die Herren am Grill sogar sehr warm. Unter den Helfern war der Herr Bürgermeister, der allerdings heute nicht Bürgermeister war, sondern einer unter Vielen. In wenigen Stunden würde er mit der Familie in Urlaub fahren, ließ es sich allerdings nicht nehmen, heute Abend hier zu helfen. Fiel ihm eher leicht, denn seine Frau war an seiner Seite. 

Die erste Entscheidung des Abends war die Schwerste: Welchen Wein wollen wir trinken? Die Auswahl groß und lecker. Nicht alle, im ofiziellen Verkauf befindlichen Weine fanden auf der heutigen Preisliste Platz, allerdings noch genug, um mich zweifeln zu lassen. All die Namen, die anderen Menschen wohl eher nichts sagen, bzw. sie in Verwirrung brachten, waren mir bekannt und ich wusste sie zuzuordnen. Sollte es jetzt ein Sauvignon Blanc, Riesling Spätlese, Grüner Silvaner, Weißburgunder, Grauburgunder Classic, oder doch lieber Regent, Spätburgunder, Dornfelder, sein? Letztendlich war es keiner der genannten, sondern ein Weißherbst

Jetzt kam die Suche, nach einem freien Platz. Eine Bekannte meinte, wir sollten auf die Terasse kommen, dort würden sie sitzen. Wir schauten weiter und sahen noch freie Plätze bei Onkel und Tante. Sie warteten bereits auf weitere vier Personen, die, wie man es von ihnen gewohnt war, etwas spät dran waren. Wieder eine Entscheidung, Terasse, oder Onkel? Wir entschieden uns für die Terasse und zogen von dannen. Durch die Gaststube, die, wie konnte es anders sein, bis auf den letzten Platz gefüllt war, auf die Terasse.

Na, toll! Die Bekannte hatte nicht gesagt, dass der Tisch, an dem sie sitzt, den großen Clan ihrer Familie aufgenommen hatte. Sie hatte gar nichts von freien Stühlen gesagt.  Auch hier also keine Chance auf ein Plätzchen im Trockenen.

Wieder zurück zum Onkel, wir würden zusammenrücken, wenn die beiden anderen Päärchen noch kamen.  Da erblickte ich sie auch bereits. Meine Mutter und ihr Gatte H., der natürlich nicht fehlen durfte. Wusste er doch, wer im Ort den besten Wein hatte. Die Freundin und ihr Mann, waren zu Hause geblieben, da kurzfristig Besuch gekommen war. So waren wir, als ein kleiner Teil der Familie, untereinander. Jetzt mussten wir uns aber zuerst einmal stärken. Onkel und Tante teilten sich einen Teller Allererlei, das bestand aus Schinken, Käse, Brot, Bronchips, Oliven, kleinen Brettern und Spundekäse. Meine Frau hatte eine Quellkartoffel mit  Schmand , meine Mutter und H. jeweils eine Wildbratwurst und ich einen Schwenkbraten mit Kartoffelsalat. Während des Essens bemerkte ich,  dass Gäste mit leeren Gläser in die Probierstube gingen und mit vollen Gläser wieder heraus kamen. Sorry, aber dafür hatte ich kein Verständnis. Gerade, als es sich drei Herren  es sich um den Probiertisch wieder bequem gemacht und sich ihre Gläser, auf Kosten des Winzers, gefüllt hatten, ging ich zu ihm,  und informierte ihn darüber. Erfreut war er nicht. Mit seiner freundlichen, aber bestimmten Art, bittete er die Herren, ihre, für sie kostenloses,Trinkgelage, zu unterlassen. Daraufhin verließen die Herren den Probierraum. 

Ein Duo baute für die Musik auf. Ein paar kleine Scheinwerfer, zwei Verstärker und dem übliche Kabelsalat,  samt Mikros. Eine Freundin von uns trudelte auch ein und da wird nicht wollten, dass sie alleine saß,  verließen wir die älteren Herrschaften und setzten uns draußen hin. Wir fanden Platz am Tisch meines Bruders, nebst Gattin, der mit seiner zukünftigen Schwiegertochter und deren Eltern einen Platz unter einem Schirm gefunden hatte. Der Hof hatte sich zwischenzeitlich auch sehr gefüllt und die Massen ströhmten immer weiter auf das Grundstück. Sogar der geschäftstüchtigen Frau des Winzers, wurde es langsam zu viel des Guten. 

Die Musik spielte auf, dezent, allerdings doch hörbar.  Er auf der Gitarre und sie sang dazu. FIELDS OF GOLD, DANCING QUEEN, IN THE GHETTO... ließen manche Zuhörer träumen.  Die Frauen hatten sich eine Flasche Prosecco  geholt und der Winzer, der am Nachtisch seine Produkte anpries, fragte, ob er kurz die Flasche haben könnte.  Aber klar doch. Er erklärte dem neuen Kunden,  was dieser anhand des Etikettes alles erkennen kann,  was überhaupt in der Flasche ist.  Als er fertig war, reichte er die Flasche an die Mädels zurück.

Es fing wieder an zu regnen. Der Hof gefüllt mit Menschen und die Schirme,  die eigentlich Sonnenschirme waren, schützten nur die Wenigsten. Kurzerhand zauberte der Winzer drei Pavillons hervor,  die unter tosenden Beifall  von einem paar Helfern aufgebaut wurde. Berieseln von der Musik, angeheitert vom Wein schaute ich mich um und lauschte dem Gebrummel der Gäste. Das Alter war hier egal, sie fühlten sich alle sichtlich wohl. Keine bösen Worte. Nur die Bekannte, die zwischenzeitlich den Weg von der Terrasse zu uns an den Tisch gefunden hatte merkte man den erhöhten Konsum des Weines an ihrer Sprache an. Nicht, dass sie mit "runder" Zunge sprach, nein, sie verfiel leider in Fikalsprache. Unbeeindruckt davon fühlte ich die Harmonie. Das Ehepaar, das als "Rest" noch an der Essenausgabe stand und sich in den Arm nahm. Die vielen lachenden Menschen, die glücklich mit dem Weinglas in der Hand, den Sommerabend genossen. 

Der Winzer hatte den Frauen an unserem Tisch eine weitere Flasche Prosecco hingestellt. Auf Kosten des Hauses. Nun ging er zu seinen Helfern,  reichte jedem ein Glas Prosecco und bedankte sich bei jedem,  der dieses Fest möglich gemacht hatte. Allein diese Geste zeigt, welcher Herzmensch er ist. Mit rotem Kopf, der durch sein rotes Haar noch extremer wirkte,  mischte er sich wieder unter das Volk. 

 

Im Wein liegt Wahrheit  - so ein altes römisches Sprichwort.

Ich liebe diese Art von  Wahrheit.  

Zusammen mit Freunden und einem guten Wein,  an einem schönen Ort zu sein.  

Das ist  wahre Freude.

Das ist  Freiheit.  

Genuss pur.

Impressum

Texte: Alexander Markus
Bildmaterialien: Die Rechte am Bild liegen bei der Familie Butz
Tag der Veröffentlichung: 04.07.2017

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Ich widme dieses Buch allen Winzern, die aus Traubensaft ein schönes Getränk mit Namen Wein zaubern. Ein Winzer ist mir dabei ganz besonders ans Herz gewachsen. Gerne verbringen wir dort unsere Zeit. Die ganze Familie ist herzallerliebst. Zu jeder Zeit bereit sein für Kunden und (fast) immer mit einem Lächeln auf den Lippen. Guter Wein, zu günstigem Preis, den findet man hier. Dieses Buch ist ein kleines Dankeschön für so viel tolle Stunden bei und mit euch.

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