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Der Jogger Peter Senkel hüpfte mit seinen superweichen Gel-Sportschuhen durch den Park. Sein Arzt hatte gemeint, falls er mit seinen Enkeln noch Fußballspielen wolle, müsse er etwas für seine Gesundheit tun. Natürlich mußte Peter auch etwas dafür tun, daß er überhaupt Kinder bekam, aber das hatte nichts mit einem Kardiologen zu tun.
Plötzlich bemerkt er, daß wie aus dem Nichts ein weißer Hund auftauchte, der ihn mit einer Mischung aus Bewunderung, Überraschung und Hypnose anstarrte. Peter zog sein Shirt strafft und machte für den Hund einen besonders großen Sprung. Dabei schlug er sich den Kopf an einem Ast ein. Sein Weltbild änderte sich von weißem Hund zu schwarzer Nacht.
Als er wieder erwachte, erblickte er eine blonde Frau mit Zöpfen und gab ihr den Namen Antje.
„Antje!“, rief er. „Ich muß sie malen.“
„Cordula“, sagte sie mit gekonntem Augenaufschlag. „Das geht nicht, denn ich habe nicht das richtige Kleid an.“
„Aber nein!“, rief Peter. „Sie! Die Hündin, ich muß sie malen. Ich nenne es >>Das Morgenschaf<<.“
„Es ist aber ein Rüde“, flüsterte Cordula mit hoffnungsvoller Stimme ihre Brust hervorstreckend.
„So?“
„Ja, aber ich hab´ es am Anfang auch nicht gewußt, bis ich herausfand, wer zu Hause immer die Brille oben läßt.“
„Und wie heißt er?“
„Sybille.“
„Gut!“, rief Peter. „Ich will Sybille malen. Kommt doch morgen bei mir vorbei, ihr beiden.“
Er hüpfte davon und Cordula sah sehnsuchtsvoll auf den wippenden Hintern, während Sybille ihre Hand leckte.

Am nächsten Tag kam Cordula mit Sybille zu Peter.
„Zieht Euch aus“, sagte Peter, nachdem er sie hereingebeten hatte.
Cordula machte sich an den Trägern ihres Kleides zu schaffen, verhedderte sich aber an Peters neoklassizistischer Korridorplastik und fiel nach hinten in eine Topfpflanze, die gehofft hatte, sie käme mit dem Schrecken davon.
„Ach Sweetie“, rief Peter und half ihr, die Kaktusstacheln aus dem Hintern zu ziehen. „Du sollst doch bloß Deine Straßenschuhe ausziehen, wegen meinem Perser und Sybille bitte das Halsband.“
„Wegen dem Perser?“
„Wegen dem Bild!“
Dann vertiefte er sich ins Auspacken der Farben, mit denen er sich zwei Stunden zuvor im Malerbedarf eingedeckt hatte.
„Hier steht: Nur im Freien verwenden. Also raus!“
Cordula, die sich gerade optimal auf dem Canapé drapiert hatte, rappelte sich seufzend hoch und rief Sybille, der nur wiederstrebend vom Perser abließ.
Der Kaktus ging in Deckung, aber diesmal lief alles glatt.

Sie gingen zur Haltestelle doch es fuhr keine Bahn, denn seit Tagen wurde mit Hochdruck daran gearbeitet, dem Gleisbett ein neues Kopfkissen zu verschaffen.
„Da mal´ ich Sybille eben hier“, beschloß Peter und kniete sich nieder, um die Beutel mit den Farben und dem Malbuch abzulegen. „Ob der Hund sitzen bleibt, wenn Du ihm das Halsband abnimmst?“
„Ich müßte ihn hypnothisieren“ gab Cordula bekannt und begann vor Sybille eine rituellen Tanz aufzuführen.
Die Bewegung ihrer Hüften war derart kompliziert, daß dem Hund sofort die Augen zufielen. Gerade, als das Tier sich auf die Seite legte und begann hingebungsvoll zu schnarchen, stieß Peter einen Schreckensschrei aus.
„Meine Pinsel“, rief er. „Ich hab´ sie vergessen!“ Sein Blick glitt auf den schlummernden Hund.
„Ich hab´s! Ich nehm´ einfach seinen Schwanz und tauch´ ihn in die Farbe.“
„Das wird aber kompliziert“, murmelte Cordula. „Wie willst Du ihn dann malen?“
„Du mußt ihn einfach immer hin- und hertragen“, verkündete Peter. „Und einige Stellungen kann man ja auch mit Dir improvisieren.“
Nun begann ein frohes Schaffen, das oft durch das Auswaschen des Schwanzes und Cordulas Ächzen unterbrochen wurde. Der Hund schien immer schwerer zu werden und sie nahm´ sich vor, mit Sybille einen Ernährungsberater aufzusuchen. Als es dunkelte trat Peter von der Staffelei zurück und meinte:„Fertig. Schau es Dir an!“
Cordula, die gerade in einer wachsamen Stellung mit hängender Zunge gehockt hatte, krabbelte auf allen Vieren zu Peter.
„Du hast das Haltestellenschild gemalt!“, entfuhr es ihr.
„Naja, war leichter“, murmelte Peter. „Sind bloß zwei Farben.“
„Und nicht mal die stimmen!“
„Was kann ich denn dafür, daß die nur rot und blau im Sonderangebot hatten!“
Sie begannen sich zu streiten. Cordula beschimpfte Peter als verhinderten Surrealisten, der sich nicht seinen wahren Gefühlen hingab und nur in Metaphern malte, während Peter sich mit Otto Holms Malfibel herausredete.
Inzwischen erwachte Sybille und wankte zum Bild. Dort versuchte er schwanzwedelnd dem Gespräch der beiden zu folgen. Leider war noch Farbe am Schwanz, so das Sybille begann, bestimmte Konturen, zu verwischen. Je nach Intensität des Wortgefechts schwankte der Schwanz in verschiedene Richtungen.
„Du wirst es nie schaffen, van Gogh aus den Hitlisten zu tilgen“, ereiferte sich Cordula.
„Weil du nicht in der Lage bist, mir die entsprechende intellektuelle Basis zu schaffen“, verteidigte sich Peter, bevor er den Hund erblickte.
„Mein Bild!“, stöhnte er. „Mein Kunstwerk. Mein Erstling. Oh! Wer soll denn sowas jetzt kaufen?“
„Ich“, sagte ein Stimme. Es war der Rentner Schmidt von schräg gegenüber.
„Wieviel?“, fragte Peter.
„7777 Euro und 77 Cent.“, sagte Schmidt und blätterte die Rubel in der Hand.
„Woher haben sie soviel Geld?“, schaltete sich Cordula ein.
„Hab´s gewonnen“, sagte Schmidt. „Beim Spiel 77. Kann das Geld aber nicht mit nach Hause bringen, sonst denkt meine Frau, ich hätte wieder gesoffen und den ganzen Pfand zurückbekommen.“
„Ich will 9999 Euro 99 Cent“, meldete sich Peter.
„Bist du übergeschnappt“, zischte Cordula.
„Ich finde das unverschämt“, Schmidt begann die Taschen seines Mantels zu durchsuchen.
„Na hört mal“, Peter deutete auf die bunten Linien. „Das ist allerbestes Active-Painting mit Hund durch Hund und „Hund“ ist ja auch der Titel, weil ich ja durch den Hund inspiriert wurde.“
„Ich kann keinen Hund sehen“ sagte Schmidt. „Es sieht aus, wie eine schwedische Zuggans, die ihren Schwarm verloren hat und jetzt vor Kälte zitternd von Tür zu Tür wandert, immer der latenten Gefahr ausgesetzt, als Weihnachtsbraten zu enden.“
„Ich seh´ einen Sonnenuntergang mit Palmen und einen muskulösen Mann, der sich mit Sonnencreme eincremt.“
„Du betrachtest die Rückseite“, stieß Peter hervor und versuchte das Bild zu drehen.
Doch irgendwie war seine Koordination nicht mehr die feinste und er blieb mit dem Rahmen an Schmidts Nasenspitze. Der Rentner ging KO und landete in den blauen Farbtöpfen
„Oh“, sagte Cordula.
Ein Streifenwagen hielt mit quietschenden Reifen.
„Was ist hier los?“ donnerte der Beamte.
„Der Mann ist gestürzt und blutet aus der Nase“, wimmerte Cordula.
„Tatsächlich“, der Polizist, blickte entsetzt auf den Rentner Schmidt, „und er blutet blau!“
Mit geübtem Griff entsicherte er das Funkgerät.
„Achtung bin hier an der Oberen Gasse und wir haben hier einen klassischen Zwo-Vier-Strich-Achtzehn. Kommen.“
Einen Augenblick herrschte Stille.
„Besoffner, der seinen Schlüssel im Gulli sucht?“
„Negativ“
Man hörte es blättern.
„Restalkohohl über Zimmertemperatur?“
„Rotscher“, sagte der Polizist zwischen die Zähne und drehte sich etwas weg. „Ich bin hier von zwei Null-Acht-Eins-Fünf-Alphas umgeben.“
„Zwei Durchschnittszivilisten?“
„Rotscher!“, der Polizist hob entschuldigend die Arme und grinste schief. Cordula sah mit geübtem Blick, daß der rechte Schneidezahn nicht echt war.
„Vertuschen und mit Verdächtigem das Feld räumen“ kam es aus dem Gerät.
„Rotscher und aus“, der Polizist steckte das Gerät ein und kramte nach dem Portemonaie. „Wieviel?“
„2222 Euro und 22 Cent“ sagte Peter sofort.
„Ganz schön viel.“
„Tja die Inflation, Kommissar. Und unsereins muß sich ja jetzt bei der Krankenkasse gegen Zahnfaulnis extra versichern“, Peter wippte mit seinen Gel-Sportschuhen und betrachtete fasziniert das Geldbündel, das der Polizist ihm in die Hand zählte.
Dann wuchtete sich der Wachmann den Rentner Schmidt über die Schultern, natürlich mit Hilfe von Peter und Cordula, die noch wußten, wo das Geld des Rentners steckte.
„Aber schön die Mehrwertsteuer verrechnen“ rief zum Abschied der Polizeimeister, bevor er sich mit Blaulicht in Richtung Quarantänestation davon machte.
„Sehr gut", jauchzte Peter. „Wir haben ein Bild verkauft.“
„Aber Du hast es ja noch“ widersprach Cordula.
„Noch besser“, frohlockte Peter. „Was machen wir zwei Süßen jetzt?“
„Ich nehm´ heute abend ein Hörspiel auf“, flüsterte Cordula erregt. „Vielleicht könntest du mir helfen, das Band zurückzuspulen und den Sender zu finden.“
„Kleinigkeit“, Peter winkte ab, dann sah er, wie der Hund dabei war, sich über die rote Farbe herzumachen. Die Schnauze war vollkommen rot, der Körper weiß und der Schwanz noch blau.
„Aus welchem Land kommt Dein Hund eigentlich?“
„Jugoslawien“, Cordula hakte Peter unter. „Aber er hat ein gültiges Visum.“

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Tag der Veröffentlichung: 20.12.2008

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