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Kapitel 1

Es gab Zeiten da hätte ich mein Leben als total normal, langweilig und durchschnittlich bezeichnet, aber jetzt, konnte ich das Wort ‚normal’ nicht einmal mehr Buchstabieren, so verrückt war mein Leben jetzt. Nicht gerade das was ich erwartet hatte aber besser als zuvor, viel besser. Naja anfangs war das leider nicht der Fall gewesen.

Alles fing damit an, dass ich zur falschen Zeit am falschen Ort war. Ich sah etwas, was ich nicht hätte sehen sollen. Wenn es ein Film gewesen wäre, hätte ich es als typischen Fantasy-Film abgetan, aber es war kein Film gewesen, es war mir wirklich passiert.

 

Ich hatte gerade Feierabend und lief wie immer, natürlich wusste ich, dass es nicht schlau war, durch ein altes Industriegebiet. Der Vorteil dort hindurch zulaufen, bestand größtenteils darin, schneller nach Hause zu kommen. Ungefähr eine Viertelstunde laufen blieb mir dadurch erspart, aber ich litt jedes Mal pure Höllenqualen vor Angst.

Als ich lief hörte ich meine Schritte sehr laut, obwohl ich keine hohen Schuhe an hatte. Die Geräusche hallten von den Wänden wieder, wie ein Echo. Ich steckte meine Hände tiefer in meine Taschen und zog den Kopf ein, weil es ein wenig kalt war. Wie immer ließ ich meinen Blick in alle dunklen Ecken fallen und glaubte bei jedem zweiten Blick etwas erkennen zu können, aber es war nur immer wieder mein eigener Schatten oder eine Katze. Mein Herz pochte immer schneller, weshalb ich meine Schritte daran anpasste und wie fast jedes Mal versuchte durch das Industriegebiet zu rennen. Sehr unauffällig. Doch plötzlich hörte ich Stimmen und lief langsamer, weil ich analysieren wollte von wo die Stimmen kamen um ihnen aus dem Weg zu gehen falls es nötig war. Ich glaubte sie von links hören zu können und ging nach rechts. Den Blick nach links geheftet lief ich weiter und hielt Ausschau nach den Personen zu denen die Stimmen gehörten. Nur wurden die Stimmen nicht leiser sondern lauter und irgendwann blickte ich mich um und sah in einer Gasse ein paar Typen stehen. stocksteif stand ich da. Ich hatte Angst eine falsche Bewegung zu machen, also blieb ich wie angewurzelt stehen und hoffte auf eine Gelegenheit mich unauffällig wieder aus dem Staub machen zu können.

Nach den ersten Wortwechseln wusste ich, dass ich milde ausgedrückt total am Ar*** war. In unserer Gesellschaft war es so, dass es drei Klassen gab. Vampire, Werwölfe und Menschen. Die Vampire und die Werwölfe teilten sich beide die Spitze, aber jeder Idiot wusste, dass beide Spezies darauf aus waren den anderen von der Spitze zu stoßen. Diese vorgespielte Freundlichkeit konnte nicht auf Ewig standhalten und dieses Gespräch vor mir bestätigte alles. Anscheinend gab es einen Verräter unter den Werwölfen und dieser unterhielt sich gerade mit den Vampiren über einen Schlachtplan. Die Menschen spielten dabei gar keine Rolle. Wir waren Minderwertig und nicht voll zu nehmen, weshalb wir uns ‚nie’ in ihren Kram einmischten, weil wir sonst gleich einen Kopf kürzer gemacht wurden. Oh man, ich war ja so ein Glückpilz. Ausgerechnet ich musste zwischen die Fronten geraten. Ich war sonst immer jemand gewesen, der allem Übernatürlichen aus dem Weg ging, das hatte ich ja super hinbekommen.

Ich sah wie er ihnen Pläne gab. Ich musste keine Professorin sein um zu wissen, dass darauf höchstwahrscheinlich alles eingezeichnet war, was wichtig war um die Schutzwalle der Werwölfe zu zerstören. Ich schluckte hart, obwohl ich diese Wesen alle verabscheute hatte ich Mitleid mit den Werwölfen. Ihr Rudel, ihre Familie bedeutet ihnen alles, griff man dieses an dann hatte man sich auf jeden Fall einen Feind gemacht, aber es war auch eine Schwäche der Werwölfe und das nutzten die Vampire natürlich knallhart zu ihrem Vorteil aus. 

Viele Menschen fanden sie aufregend, spannend, sexy und gefährlich, aber ich hatte einfach nur Angst vor ihnen, weil sie als so perfekt angesehen wurden. Mensch sein, reichte in unserer Welt leider nicht aus, weshalb man gleich abgestempelt wurde. Ich hatte Glück gehabt, dass ich überhaupt einen Job in einer Werbeagentur bekommen hatte. Tag und Nacht schuftete ich für diesen Job, damit sie mich nicht feuerten.

Da sie uns verabscheuungswürdig fanden, machte ich das Gleiche bei ihnen, deshalb verabscheute ich sie genauso abgrundtief.

Mein Blick konzentrierte sich wieder auf die Männer vor mir und langsam wurde mir zu deutlich bewusst, dass das mein letzter Abend sein konnte an dem ich lebte. Mein Herzschlag beschleunigte sich bis ins unermessliche, als ich den Männern zuhörte.

Und du bist dir ganz sicher, dass das klappt?“, fragte einer skeptisch.

„Aber sicher doch!“

„Wenn diese Papiere gefälscht sind, dann stirbst du“

„Wir haben einen Deal und ich bin ein ehrlicher Mann! Ich halte mein Wort!“

„Das kann ich dir nur Raten“, ein Mann trat zu ihnen.

„Seit mal alle still!“, rief er den Männern zu und blieb ganz ruhig stehen. „Hört ihr das?“, alle lauschten. Mein Herzschlag beschleunigte sich noch weiter und dann plötzlich wurde mir bewusst, was sie gehört hatten. Ich hörte mein Herz selbst sehr laut schlagen. Bubumm…bubumm…bubumm. Dröhnte es in meinen Ohren.

„Ja, allerdings“, ich trat unbewusste einen Schritt zurück und der Kies knirschte unter meinen Schuhen. Alle Köpfe fuhren gleichzeitig zu mir herum. Langsam blickte ich von dem Kies am Boden auf.

„Scheiße“, brachte ich hervor. Sie kamen alle langsam näher und ich ging weiter zurück. „Ich habe nichts gehört okay? Ich vergesse alles und tu einfach so, als wäre ich nie hier gewesen. Ich kümmere mich um meinen Kram und was ihr macht ist mir völlig egal, also dann tschau“, ich drehte mich um und rannte um mein Leben. Ich hörte ihre Schritte hinter mir, genauso bemerkte ich entsetzt, dass sie sehr schnell näher kamen. Meine Lungen protestierten, indem ich nur noch keuchen konnte. Normalerweise machte ich keine Sprints und diese Kleinigkeit kostete mir jetzt das Leben. Jemand holte mich ein und warf sich auf mich. Unsanft knallte ich auf dem Boden auf und schlitterte drei Meter über den Beton. „Nein! Bitte ich hab wirklich nichts gehört!“, er drehte mich zu sich herum und ich nutzte die Gelegenheit um ihm in die Weichteile zu treten. Er stöhnte vor Schmerz auf und sah mich aus hasserfüllten Augen an. Ich schluckte schwer.

„Das war ein Fehler du kleine Schlampe“, er schlug mir heftig ins Gesicht, sodass ich Blut schmeckte, dann legte er seine Hände um meinen Hals und wollte gerade meinem Leben mit einem einzigen Rück ein Ende setzen, als er plötzlich anfing zu Fluchen, von mir abließ und sich meine Tasche krallte, dann riss er sie auf und holte meinen Geldbeutel hervor, holte die Karten heraus und hob sie mir vor die Nase.

„Wenn du denen auch nur ein Wort erzählst, weiß ich wo du wohnst und wie du heißt und so wird es ganz leicht sein, deine Familie zu finden oder deine Freunde und ich schwöre dir, ich werde jeden einzelnen von ihnen umbringen“, nach diesem Satz flüchtete er und ich konnte nur noch seinem Rücken hinterher starren. Die anderen rannten ebenfalls weg, die wie ich vermutete ihm zugesehen hatten. Ich runzelte die Stirn und fragte mich wieso er weggerannt war. Langsam stand ich auf wackligen Beinen auf und inspizierte mich. Meine Knie waren abgeschürft und bluteten, genauso wie meine Handflächen. Mein Gesicht pochte immer noch von seiner Ohrfeige, aber sonst war ich heil. Ich atmete erleichtert auf und drehte mich um. Innerhalb von einer Sekunde wich alle Farbe aus meinem Gesicht. Ich sah schwarze Geländewagen näher rücken, bei allen waren die Scheiben verdunkelt. Es war nicht zu übersehen, dass sie nichts Gutes verhießen. Anscheinend waren sie so schlimm, dass der Vampir lieber meine Tasche gepackt hatte und während er rannte mir die Dinge noch an den Kopf geschrien hatte, als mich zu erwürgen. Ich sah mich nach einer Fluchtmöglichkeit um. Viel Zeit hatte ich nicht mehr. Ohne zu überlegen rannte ich weg und hörte kurz darauf Autos die beschleunigten und mir folgten. Meine Kraft neigte sich langsam dem Ende zu, aber ich biss meine Zähne zusammen und rannte, wie ich noch nie gerannt war. Dann hörte ich wie mehrere Autos quietschend zum stehen kamen und Türen auf und zu geschlagen wurden. Ich bekam so viel Panik, dass ich unregelmäßig zu atmen anfing. Ich rannte in ein leer stehendes Gebäude und suchte nach einem Versteck, fand aber nichts was mich ausreichend geschützt hätte. Mein Blick fiel auf eine alte Kellertreppe, aber in mir schrie alles danach, dass ich lieber nicht da runter ging, sonst kam  ich wahrscheinlich nie wieder heraus und ich hatte Angst vor der Dunkelheit, was noch ein Grund war mir irgendwo anders ein Versteck zu suchen, aber als ich die Tür hörte durch die ich gerade eben noch gerannt war, beschloss ich, dass ich keine andere Wahl hatte. Blind wie ein Maulwurf tapste ich die Treppe hinunter und entschloss mich nach kurzem Zögern doch mein Handydisplay als Taschenlampe zu benutzen. Zittern hielt ich das Handy vor mich und leuchtete auf den Boden, dann rannte ich los, darauf gefasst irgendwann in etwas oder jemanden hineinzulaufen.

„Könnt ihr etwas entdecken?“, hört ich jemanden von oben rufen. Es hörte sich gedämpft an, also vermutete ich, dass noch niemand im Keller war.

„Negativ!“, schrie jemand. Plötzlich hörte ich Schritte weiter oben am Absatz.

„Ich habe eine Spur! Hier ist Blut! Ich glaube er ist in den Keller!“, er? Hielten die mich für einen verdammten Vampir? Ich rannte schneller und lief durch Gänge in denen ich nicht einmal in meinen schlimmsten Albträumen durchgerannt war.

„Lass mich nachsehen, du gibst mir Deckung!“

„Aber Rhys…“

„Tu was ich dir sage!“, hörte ich eine tiefe Männerstimme sagen. Die Brutalität und Macht in dieser Stimme bereitete mir am ganzen Körper eine Gänsehaut. Als ich Schritte nach unten gehen hörte, legte ich noch einen Gang zu und als ich sie auf gleicher Höhe wie ich hörte, steckte ich mein Handy wieder in meine Hosentasche und tastete an der Wand entlang. Ich spürte Holz unter meinen Händen und registrierte erst wenig später, dass es eine Tür war. Ich versteckte mich dahinter und harrte mich pochendem Herzen aus. Meine Angst entdeckt zu werden, steigerte sich bis ins unermessliche. Ich musste mich beherrschen um nicht zu schluchzen. Die Dunkelheit machte alles noch viel schlimmer. Ich hatte zwar keine Phobie, aber die Vorstellung auf ewig nichts mehr sehen zu können bereitete mir Übelkeit und Kopfschmerzen. Ich würde Verrückt werden, wenn ich länger so verharren müsste. Es war erwiesen, dass ein Mensch, der sich in einem völlig abgedunkelten Raum befand, der zudem noch Schallisoliert war, sodass kein Geräusch nach innen dringen konnte, nach wenigen Minuten anfing zu halluzinieren. Plötzlich hörte ich die Schritte der Männer ganz nah. Ich hielt den Atem an und hörte das leise Knirschen von ihren Schuhen. Als sie vorbei waren stand ich langsam auf und tastete mich bis zum Gang. Ich hatte den Plan, den gleichen Weg zurückzugehen und nach draußen zu Flüchten. Doch plötzlich kam alles anders. Ich hatte sie hinter mir vermutet, doch plötzlich hörte ich eine rasche Bewegung rechts von mir und dann wurde ich auch schon an die Wand befördert. Eine kräftige Hand hielt meinen Hals wie einen Schraubstock, sodass ich kaum noch Luft bekam. Meine Finger krallten sich in den Unterarm meines Angreifers. Ich hatte nicht genug Kraft um auch nur zu erreichen, dass er locker ließ. „Ich sollte dich eigentlich sofort umlegen, aber dann würde ich nicht an die gewünschten Informationen herankommen. Außerdem glaube ich nicht, dass du dich sehr zur Wehr setzen kannst, du bist ja kaum stärker als eine Frau“, wenn ich nicht unter Sauerstoffmangel gelitten hätte, hätte ich ihm jetzt eine Bemerkung an den Kopf geworfen, aber in meiner Lage war das etwas schwierig. Er löste seinen Griff von meinem Hals und klammerte sich meinen Arm. Ich sank auf den Boden. Ich war nicht in der Lage auch nur zu sprechen. Viel zu sehr war ich damit beschäftigt meine Lungen mit Sauerstoff zu füllen. Als ich genügend Kraft geschöpft hatte, versuchte ich mich loszureißen, aber ohne Erfolg. Ich flog über etwas und fiel mit voller Wucht auf den Boden. Der Mann, der mich festgehalten hatte flog auf mich drauf. Ich keuchte auf und verkrampfte mich unter ihm. Sein Körper presste meinen hart auf den Boden. Er  bewegte sich kurz, hielt dann aber inne.

„Was zum Teufel?“, er ließ mein Handgelenk los und tastete mit der Hand meinen Körper ab. Ich schrie auf.

„Fass mich nicht an!“, ich schubste ihn von mir herunter.

„Eine Frau?“, fragte der andere Mann.

„Ja allerdings ihr Vollidioten!“, keiner sagte etwas, aber dann schnappte sich jemand mein Handgelenk und zerrte mich mit sich, als ich mich wehrte und meine Füße in die Erde stemmte seufzte er auf und hievte mich auf seine Schulter. Ich schrie auf und fluchte. Als wir in das durchflutete Gebäude traten fühlte ich mich schon wohler, aber die Männer die mich jetzt anstarrten war ein anderes Thema. Als mich der Mann herunter ließ, schlug ich ihm auf die Brust.

„Was fällt dir eigentlich ein mich zu tragen wie einen verdammten Sack!?“, danach trat ich ein paar Schritte zurück, denn er sah mich als erstes perplex und dann stink wütend an. Ein Mann löste sich von den anderen und sah mich hasserfüllt an.

„Hast du eigentlich eine Ahnung mit wem du gerade sprichst?“, ich sah ihn kalt an und wandte meinen Blick wieder demjenigen zu, den ich angeschnauzt hatte. Mein Blick glitt über seine sehr ausgeprägten Wangenknochen, über seine dunklen Augen, wanderte weiter zu seiner geraden Nase, zu seinem sinnlichen Mund und zu guter Letzt über seinen eindeutig männlichen Körper. Es war nicht zu übersehen, dass er kein Gramm Fett an seinem Körper hatte und seine Muskeln stahlhart waren. Ich verzog meinen Mund und zuckte mit den Achseln und sah dann den Typen wieder an der mich das gefragt hatte.

„Seid ihr vom FBI?“, der Mann raufte sich die Haare und lachte, dann drehte er sich weg.

„Ich fass es nicht. Die weiß nicht wer wir sind, geschweige denn ‚was’ wir sind“, das ließ mich aufhorchen. Ich studierte die Männer genauer. Vampire konnten es schon einmal nicht sein. Es gab zwar Vampire die auch sehr kräftig waren aber das war eher selten. Sie waren auch so stark genug, also blieb nur noch eine Spezies. Werwölfe. Ganz langsam trat ich einen Schritt zurück, dann noch einen und noch einen, bis ich gegen jemanden stieß. Genauso langsam drehte ich mich um und sah in zwei brutal wirkende Augen.

„Ich geh dann jetzt mal“, ich wandte mich zur Tür und rannte darauf zu, wurde aber einfach um die Mitte gepackt und wieder genau dorthin befördert wo ich gerade schon gewesen war.

„Was sollen wir mit ihr machen Boss?“, ich sah ihren Boss an. Er ließ seine Augen über mich wandern und dann kam die Antwort auch schon kurz und knapp aus seinem Mund geschossen.

„Einpacken und mitnehmen“, in Sekundenbruchteilen wurde mir ein Sack über den Kopf gezogen, meine Hände vor meinem Körper gefesselt und auf eine Schulter verfrachtet. Ich schrie auf und wehrte mich, aber er schlug mir einfach auf meinen Po. Ich stöhnte auf vor Schmerz, das hatte wehgetan. Ich ließ mir das nicht schon wieder gefallen, ich ballte meine zusammengebunden Hände zu Fäusten und schlug ihm auf dem Rücken herum. Irgendwann verlor er seine Beherrschung. Er hievte mich von seiner Schulter herunter, zog mir den Sack vom Kopf und wollte gerade zuschlagen, aber jemand packte seine Hand. „Ich hab gesagt einpacken und mitnehmen, nicht einpacken und zuschlagen! Beherrsch dich einfach mal“

„Verzeih mir Rhys, ich wollte dich nicht verärgern“, Rhys warf mir kurz einen Blick zu, den ich nicht zu deuten wusste und sah dann noch kurz den Mann an und lief weiter. Der Mann zog mir wieder den Sack über den Kopf und trug mich wieder. Kurze Zeit später befanden wir uns in einem Auto.

Es kam mir vor wie Stunden, als wir endlich langsamer wurden und letztendlich anhielten. Türen wurden wieder auf und zugeschlagen und dann wurde ich herausgezerrt. Ich spürte wieder Kies unter meinen Schuhen, dann wurde ich eine Treppe hoch gezerrt und spürte kurz darauf, dass wir jetzt in einem Gebäude waren. Die Stimmen der Männer hallten durch die Gänge und ich spürte Fließen und Teppiche unter meinen Füßen. Es roch sehr angenehm, aber ich würde mich nicht mit glücklichen Erinnerungen an diesen Geruch erinnern. Ich schätzte vielmehr, dass sie mit Schmerzen und Scham verbunden werden würden. Ich verkrampfte mich als ich spürte, dass es kälter wurde. Das konnte entweder bedeuten, dass wir uns wieder im freien befanden oder im Keller, aber dem Geruch nach zu urteilen tippte ich auf einen Keller. Es roch nicht modrig, aber doch anders, als wenn man an der frischen Luft war. Mit einem lauten Geräusch wurde eine Türe geöffnet und mit einem metallisch klingenden dröhnen wieder geschlossen. Ich zuckte bei dem Lärm zusammen, kurz danach wurde ich auf einen Stuhl gedrückt und atmete hektisch aus und ein. Mit einem Ruck wurde mit der Sack vom Kopf gezogen und endlich konnte ich wieder frei atmen.

Ich blickte mich schnell um, um die Situation einzuschätzen und dachte im ersten Moment dass sie mich verarscht hatten und sie doch nur das FBI waren. Alles war kahl. Graue Wände, grauer Boden, ein Tisch, ein paar Stühle und sonst fand man hier nichts. Zwei Männer saßen mir gegenüber und betrachteten mich prüfend. Ich erkannte den Mann wieder, der mich getragen hatte und den der anscheinend Rhys hieß und der Anführer war.

„Was wollen sie von mir?“, ich versuchte stark zu klingen, aber die Unsicherheit und die Angst die in meiner Stimme mitschwang war kaum zu überhören.

„Informationen“, meinte Rhys knapp und ich sah sie mit verschlossener Miene an.

„Ich habe keine Informationen für sie“, die Augen des Mannes, der neben Rhys saß wurden schwärzer vor unterdrückter Wut, aber Rhys sah mich weiterhin prüfend an. Er beugte sich ganz dicht zu mir vor.

„Wir können das auf mehrere Arten machen. Erstens du sagst uns alles was du weißt, danach lassen wir dich gehen. Zweitens du tust es nicht und es wird sehr unangenehm für dich werden bis du uns die Informationen sagst und dann lassen wir dich gehen und drittens, du sagst uns gar nichts, dann wirst du sterben. Such es dir aus, die Auswahl ist sehr groß“, ich sah sie an und lächelte.

„Wisst ihr was ich glaube?“, er zog eine Augenbraue hoch. „Das es bei allen drei Optionen zu einem Ergebnis kommt. Bei der ersten Option, werdet ihr glücklich sein die Information zu haben und ich werde tot sein. Bei der Zweiten werdet ihr genervt sein, aber dann trotzdem glücklich sein die Informationen zu haben und ich werde tot sein und bei drittens werdet ihr ziemlich sauer sein und ich wieder tot sein. Das Ergebnis ist bei allen dreien mein tot. Wisst ihr was? Ich entscheide mich für das letztere, weil ich es am besten finde euch beleidigt auf euren Stühlen sitzen zu sehen mit nichts weiter als einer Leiche, die ihr entsorgen müsst“, ich wusste nicht woher ich meinen Mut nahm, das auszusprechen was ich dachte, aber ich hatte plötzlich so eine Wut  in meinem Herzen verspürt, dass ich nicht anders konnte. Rhys lächelte mich an und sah auf den Tisch.

„Du hast keine Ahnung davon wie lange man dem Tod nah sein kann, ohne wirklich zu sterben“, er sah mich mit einem funkeln in den Augen an. Ich schluckte schwer.

„Ich kann es mir vorstellen, aber weißt du was? Es ist mir egal. Wenn ich bis morgen früh nicht Zuhause bin, hat mein Leben sowieso keinen Sinn mehr. Ich würde mich dann sowieso selbst umbringen“, ich zuckte leichthin mit den Schultern. Es stimmte was ich sagte. Ich musste wie jeden Morgen pünktlich zur Arbeit erscheinen, sonst würde ich gefeuert werden. Werwölfe und Vampire hatten viele Vorteile. Sie hielten länger durch, waren immun gegen alle Krankheiten und lebten ewig. Menschen waren dagegen leicht kaputt zu kriegen. Ich hatte meinen Arsch aufgerissen um diese Stelle zu halten um wenigstens so viel zu verdienen, dass ich davon leben konnte. Mein Boss war ein gottverdammter Vampir. Um diese Stelle zu erhalten hatte ich betteln müssen und als ich sie erhalten hatte, kam er irgendwann einmal nach Feierabend zu mir und bedrängte mich. Er zwang mich Dinge zu tun, die ich niemals hatte tun wollen und drohte mir falls ich es nicht tat, wieder gekündigt zu werden. Natürlich hatte ich es tun müssen, das war meine einzige Chance gewesen auf eine Arbeitsstelle. Alle anderen hatten mich abgelehnt. Diese Arbeitsstelle hätte meinen Lebensstandard sichern sollen und von jetzt auf nachher würde ich sie verlieren, wenn ich nicht sofort hier heraus kam. Mir liefen Tränen am Gesicht hinab. Ich sah auf meine gefesselten Hände, damit sie es nicht bemerkten, aber sie tropften unaufhaltsam hinunter und sickerten in meine Jeans.

„Tja, dann würde ich dir raten, die erste Option zu wählen, dann hast du es hinter dir und kannst gehen“, meinte er kalt. Wenn der Vampir meine Familie nicht bedroht hätte, hätte ich ihnen alles gesagt, aber jetzt konnte ich es nicht mehr.

„Tut mir leid, ich habe keine Informationen. Ihr vergeudet eure Zeit mit mir“, ich hörte den anderen Mann seufzen.

„Wir verschwenden wirklich unsere Zeit mit ihr, bringen wir sie einfach schnell um. Ich will nach Hause Rhys. Es ist offensichtlich, dass sie zu den Vampiren gehört, sie wird dichthalten“, ich schnaubte und sah den Mann an.

„Ich. Hasse. Vampire. Nie und nimmer würde ich mit denen gemeinsame Sache machen“, ich sah wie Rhys die Stirn runzelte.

„Wieso hilft du uns dann nicht indem du uns die Informationen gibst?“, eine begründete Frage. Ich sah wieder auf meine Hände. Ich konnte ihnen ja schlecht sagen, dass ich Angst hatte, dass die Vampire meine Familie und meine Freunde töten würden. Sie würden versuchen mir die Informationen zu entlocken mit der Versprechung meine Familie und meine Freunde zu beschützen, was sie dann natürlich nicht tun würden.

„Ich kann einfach nicht“, ich sah diesem Rhys direkt in die Augen und bewunderte kurz danach schon wieder seinen männlichen Körper uns seine ausgeprägten Wangenknochen. Er sah wirklich verdammt gut aus und ich erinnerte mich vage daran, ihn irgendwo schon einmal gesehen zu haben. Plötzlich hörte ich eine Frauenstimme nach Rhys rufen und kurz danach trat eine Frau herein, bei deren Anblick ich mir wie eine graue Maus vorkam. Sie hatte wunderschöne Dunkelbraune Haare, die lockig an ihrem weiblichen Körper herunter flossen. Sie trug ein dunkelgrünes Oberteil, das ihre großen Brüste und ihre schmalen Hüften betonte. Ihre langen schmalen Beine, die in einer Röhrenjeans steckten hätten jedes Model vor Neid erblassen lassen. Sie sah einfach bezaubernd aus. Rhys stand abrupt auf und schloss sie in seine Arme, als er sich von ihr löste strich er so liebevoll über ihre Wange, dass sich in mir alles verkrampfte. Ich hatte nur Brutalität, Skepsis, Wut, Zorn, Kälte und Aggression in seinem Gesicht gesehen und von einem Schlag auf den anderen war alles Negative aus seinem Gesicht verschwunden und hatten allen warmen Gefühlen Platz gemacht. Es deprimierte mich das zu sehen, zumal ich niemals so viel Wärme erfahren hatte. In meiner Familie grenzte es schon an ein Wunder, wenn mich jemand an meinem Geburtstag umarmte.

Sie lächelte ihn strahlend an und dann wanderte ihr Blick zu mir. Sie sah mich an wie jemanden, bei dem man nicht wusste, was man von demjenigen halten sollte. Ich sah auf meine Hände und fühlte mich plötzlich unwohl, weil ich einen Familienmoment miterlebt hatte. Ich kam mir wie ein Eindringling vor und das obwohl sie mich hierher geschleppt hatten.

„Weiß sie irgendetwas?“, fragte die Frau nun kalt und sah beide Männer an.

„Ja, aber sie will nichts sagen. Misha, geh wieder zu den Kindern, wir bekommen das schon hin“, Rhys strich ihr liebevoll über die Wange. Sie schob Rhys beiseite, kam zu mir und beugte sich herunter.

„Wenn du etwas weißt sag es. Das leben unserer Kinder hängt davon ab“, in ihren Augen bildeten sich Tränen und sie wendete sich ab.

„Misha, bitte lass das uns machen, okay?“, sie seufzte schwer und lief zur Tür, drehte sich aber nochmals zu mir um.

„Bitte“, fügte sie noch hinzu und ging. Ich verstand sie gut,  ich dachte in erster Linie auch nur an meine Familie.

„Sagst du uns jetzt was du weißt?“, ich sah die beiden Männer von unten herauf an und schüttelte den Kopf. Dann knallte Rhys die Hand auf den Tisch. „Wir wenden nicht gerne Gewalt an, aber wenn du so weiter machst bleibt uns nichts anderes übrig!“, fügte er bedrohlich hinzu. Ich sah wie der Mann neben ihm immer wütender wurde und ich vermutete, dass er bald explodierte. „Also sag schon etwas!“

„Nein“ sagte ich knapp. Der Mann neben Rhys stand plötzlich auf und schlug mir heftig ins Gesicht. Ich hatte es kommen sehen, aber ich war trotzdem nicht auf den Schmerz gefasst gewesen. Ich verharrte ein paar Sekunden um die Schmerzen ohne ein Stöhnen zu ertragen und blickte auf den Boden.

„Was haben sie dir geboten, dass du den Mund hältst? Vielleicht, dass sie dich zu einem Vampir machen oder vielleicht Geld? Egal was sie dir für eine Summe angeboten haben, wir werden dir mehr geben, also wie viel verlangst du?“, ich sah ihn fassungslos an. Es stimmte, dass ich das Geld brauchte, aber nicht für mich. Ich hatte das alles in der Marketingfirma nur ertragen, weil ich wusste, dass ich meiner Familie etwas Gutes tat. Als damals mein Vater starb, hatten wir niemanden mehr, der uns ernähren konnte. Meine Mutter war schon zu lange im Ruhestand. Niemand hatte sie mehr angenommen, also hatte ich dafür hinhalten müssen, aber das war noch nicht alles. Meine einzige Oma, brauchte Unterstützung, weil sie ihren Haushalt nicht mehr bewältigen konnte und musste in ein Altersheim, aber ihre Rente war so gering, dass sie dafür nicht allein aufkommen konnte. Im Grunde genommen hieß das, dass ich meine Oma, meine Mutter und mich selbst ernährte. Auf meinen Schultern lastete viel Verantwortung. Wenn ich diesen Job verlor, verloren meine Mutter und meine Oma ihre Existenz. Aber so sehr ich das Geld auch brauchte, ich glaubte nicht das Geld annehmen zu können, ohne ein schlechtes Gewissen zu bekommen. Es fühlte sich falsch an.

„Ich will das Geld nicht“, flüsterte ich so leise, dass er es gerade noch so verstand.

„Also haben sie dir doch versprochen aus dir eine Vampirin zu machen“, er sah mich kalt an.

„Nein, nichts dergleichen. Das wäre das Letzte was ich wollen würde“, Rhys runzelte die Stirn, dann wurde er ernst, griff in seine Tasche und holte Fotos heraus und schmiss sie vor mir auf den Tisch.

„Das haben sie als letztes angerichtet mit unseren Kindern. Sie haben irgendwie herausbekommen wo unser Schutzbunker ist, wo wir unsere Kinder hinschicken, wenn Gefahr droht“, ich sah mir die Bilder an und zog die Luft ein. Auf den Fotos lagen lauter Kinder tot auf dem Rasen. Ihre Augen vor Angst und Schock aufgerissen und blickten ins leere. Auf einem weiteren waren sie mit den Händen aufgehängt, nur noch leicht bekleidet und hatten überall Einstichstellen von Reißzähnen. Ihre Körper hatten alle unzählige Blaue Flecken und waren zum Teil verstümmelt worden. Ich schloss meine Augen und wendete den Blick ab.

„Die Mütter haben sie übrigens in einen Käfig gleich nebenan eingesperrt, damit sie zugucken mussten, wie ihre Kinder langsam sterben, gefoltert werden und am ende getötet wurden“, ich blickte ihm in die Augen und sah reinen Hass darin aufblitzen. Was sollte ich nur tun? Natürlich konnte ich nicht, nichts sagen, sonst würden wieder Kinder sterben und ich war nicht blöd. Die Pläne, die dieser Werwolf den Vampiren gegeben hatte waren sicher weitere Schutzbunker gewesen. Würden sie meine Mutter und meine Oma herholen? Ich hatte sonst niemanden mehr in meinem leben außer ein paar Freunden, aber da mussten sie sehr genau graben um herauszufinden wer diese waren. Ich seufzte schwer.

„Wenn du nicht in zehn Sekunden etwas gesagt hast, werde ich dich wieder Ohrfeigen und diesmal halte ich mich nicht zurück“, sagte der Mann neben Rhys und ich sah ihn geschockt an. Wenn das sein leichter Schlag gewesen war, wie würde sich dann der Harte anfühlen? Ich dachte kurz an meine Mutter und meine Oma, an meine Freunde und das ich sie sehr enttäuschen würde, wenn ich ihnen sagen müsste das ich meinen Job verloren hatte. Ich senkte meinen Blick und erhielt prompt eine Antwort auf meine Reaktion. Ich flog vom Stuhl und landete hart auf dem Boden, dann spürte ich Hände an meinem Kragen und sah auf. Rhys hatte mich gepackt und schnürte mir die Luft zu.

„Rede jetzt verdammt noch mal! Die Schläge waren noch nichts zu dem, was wir sonst bei den Vampiren machen. Menschen kotzen mich einfach nur an!“, ich schnaubte.

„Wer hat denn gesagt, dass ich euch nichts sage? Ich habe nur eine Bedingung“, er sah mich ausdruckslos an.

„Du stehst nicht gerade in der Position um Bedingungen zu stellen!“, schrie er mich an.

„Gut dann eben nicht. Tötet mich, dann habt ihr’s hinter euch“, er zog mich mit einem Ruck wieder auf den Stuhl. Zuerst dachte ich, er wollte mir eine Ohrfeige verpassen, tat es aber dann doch nicht und schlug stattdessen auf meine Stuhllehne.

„Was für eine Bedingung?“, fragte er aggressiv und sah mich an.

„Ich will nur, dass meine Mutter und meine Oma in Sicherheit sind“, er sah mich an, als hätte ich den Wunsch geäußert, den Mond auf die Erde zu holen. Ich reckte mein Kinn vor und sah ihn an. „Hab ich vielleicht irgendetwas Blödes gesagt?“, fragte ich genervt.

„Du willst nur, dass deine Mutter und deine Oma in Sicherheit sind? Das ist alles?“, ich nickte stumm und sah ihn unter Tränen an. Er richtete sich auf und sah den Mann neben ihn an. „Sie ist total unschuldig und nur zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen“, er sah mich wieder an. „Wie heißt du mit vollem Namen? Dann werden wir deine Mutter und deine Oma hierher holen und sie beschützen, da gebe ich dir mein Wort drauf“, ich sah ihn aus zusammengekniffenen Augen an.

„Woher weiß ich, dass du meine Familie nicht als Druckmittel benutzt?“, er sah genauso zurück.

„Du hast mir eben gesagt, dass du mir sagen wirst, was du weißt, wenn ich sie hierher bringe und sie beschütze. Wieso sollte ich sie also benutzen oder sogar töten? Ich habe schon einmal gesagt, dass wir es gerne vermeiden, Gewalt anzuwenden und wenn ich mich entscheiden soll, ob ich jemanden beschützen oder ihn als Druckmittel benutze, dann fällt meine Antwort einfach aus“, ich war trotzdem nicht ganz überzeugt. Er seufzte. „Ich verspreche dir, das ihnen nichts passiert und jetzt sag schon wie du heißt“, ich blieb ruhig auf meinem Stuhl sitzen und sah ihn dann an.

„Sophie Johnson“

„Freut mich dich kennen zulernen“, meinte er mit einem grinsen im Gesicht, bei dem ich ihn nur mit einer Grimasse angucken konnte, weil er gerade so wunderschön ausgesehen hatte. Er kam zu mir und schnitt meine Fesseln durch. Ich rieb mir die schmerzenden Stellen. Als ich halbwegs stand, sah er mich an. „Ich bin Rhys Nightingale, aber alle nennen mich hier Rhys, ich will nicht, dass mich jemand bei meinen Nachnamen nennt. Namen haben immer Macht und dieser Name schüchtert alle ein“, meinte er gelassen und dann kam mir mit einem Schlag die Erinnerung zurück. Normalerweise war ich jemand, der sofort alle Zeitungen wegschmiss, wenn sie in meinen Briefkasten geworfen wurden, aber das Cover hatte mich so gefesselt, dass ich es nicht weggeschmissen hatte. Jetzt wusste ich wer das vor mir war. Zögernd streckte ich eine Hand aus und schüttelte seine leicht. Als er meinen Gesichtsausdruck bemerkte grinste er.

„Du weißt jetzt wer ich bin?“, ich nickte. „Und genau wegen solchen Reaktionen lasse ich meinen Nachnamen meist weg“, dann wurde er wieder ernst. „Ich bringe dich jetzt in ein Zimmer und das wirst du nicht verlassen bis jemand vorbeikommt. Wir werden es aber auch abschließen. Dort wirst du aber alles haben was du brauchst. Wir sagen dir bescheid, wenn deine Mutter und deine Oma hier sind“, ich nickte nur schweigend. Danach folgte ich ihm mit einem unangenehmen Gefühl im Magen. Ich hätte fast gestöhnt, als ich sah, dass es endlich nach oben ging, raus aus diesem verdammten Keller. Wir liefen bis wir an einer massiven Holztür halt machten. Er wies mit seiner Hand hinein und ich motzte nicht und ging hinein. Ich drehte mich nicht um, ich hörte nur noch wie die Tür zugemacht und der Schlüssel im Schloss herumgedreht wurde.

Ich konnte es kaum fassen, dass der mächtigste Rudelanführer der Gestaltwandler an meine Informationen wollte. In was war ich da nur wieder hineingeraten?

 

 

Kapitel 2

Nachdem ich eine gute Stunde Kreisrunden im Zimmer gedreht hatte wurde die Türe aufgeschlossen und meine Mutter und meine Oma sahen mich schockiert an.

„Sophie. Was hat das alles zu bedeuten? Diese Männer“, sie wies auf die Muskelpakete hinter sich „haben nur gefragt ob wir die Verwandten von dir sind und dann haben sie uns einfach mitgenommen! Ich war gerade bei meiner Mutter zu Besuch! Was soll das Sophie?“

„Ich…“, begann ich zögerlich, aber dann erschien Rhys im Türrahmen.

„Das wird sie ihnen später erklären. Sophie?“, ich sah ihn an und nickte. Meine Mutter und meine Oma starrten Rhys an, als wäre er ein Geist. Im Gegensatz zu mir wussten sie besser über die Werwölfe und Vampire Bescheid.

„Ich komme bald zurück und erkläre euch alles. Es wird alles gut“, ich ging zu Rhys und folgte ihm anschließend in ein Zimmer weiter hinten im Gang. Der andere Mann, den ich schon kannte war auch wieder da.

„Das ist übrigens Luke“, Rhys wies auf seinen Freund und setzte sich neben ihn. Ich sah ihn nur kurz an und nickte. „Also und jetzt erzähl mal was du weißt. Du hast die Vampire ja sicher belauscht oder?“

„Ja, aber es waren nicht nur Vampire. Informationen haben sie von einem Werwolf erhalten“, ich sah wie Luke und Rhys blass wurden und dann plötzlich ihre Augen anfingen vor Wut zu funkeln. „Er hat ihnen Unterlagen gegeben auf denen alle Schutzbunker eingezeichnet waren. Außerdem haben sie darüber geredet ein Ablenkungsmanöver zu starten in einem der Bunker weit entfernt von dem Ursprungslager, also hier um dann ungehindert hier eindringen zu können. Alle Wachen würden schließlich in die Bunker eilen um den anderen zu helfen und währenddessen wäre das hier“, ich machte eine Bewegung, die das ganze Gebäude erfassen sollte „schutzlos und sie könnten es zerstören“, als ich fertig erzählt hatte lehnten sich beide zurück und sahen sich an. Luke sagte als erstes etwas.

„Ein Verräter in unseren eigenen Reihen, ich kann es kaum fassen, aber wir hätten früher darauf kommen können“, Rhys nickte nachdenklich, dann sah er mich an.

„Würdest du den Werwolf wieder erkennen, wenn wir dir Fotos zeigen?“

„Nein, es war zu dunkel und er stand die ganze Zeit mit dem Rücken zu mir gewandt, tut mir Leid“

„Hast du gehört, welcher Bunker das sein sollte“

„Nein“

„Sonst noch irgendwelche Informationen?“, ich schüttelte verneinend den Kopf.

„Ich wünschte ich hätte euch mehr erzählen können, aber sie hatten mich leider schon bemerkt“, er musterte mich und sein Blick blieb an meiner Wange und meinen Knien hängen. Ich fragte mich jetzt unweigerlich, ob sie mich jetzt genauso töten wollten wie die Vampire und senkte meinen Blick. Schließlich hatten sie jetzt alle Informationen und somit war ich jetzt nutzlos für sie. Ich fand es eine höhere Chance, dass meine Mutter und meine Oma überlebten, wenn sie hier sind, denn ich dachte, die Vampire hätten sie so oder so umgebracht. Hier hatten sie vielleicht wenigstens eine Chance gehen zu dürfen, weil die Werwölfe im Gegensatz zu den Vampiren wussten, dass ich ihnen nichts gesagt hatte. Sie waren also unschuldig und wussten von nichts, ich dagegen wusste eine Menge, was ich locker gegen sie verwenden konnte.

„Gut, dann war’s das wohl, falls dir noch etwas einfallen sollte, kannst du es uns jederzeit mitteilen“, ich grinste innerlich über seinen Satz. Sie standen beide gleichzeitig auf und Rhys flüsterte Luke etwas zu und verschwand dann. Luke sah mich kurz an, holte tief Luft, trat einen Schritt auf mich und dann machte ich schon die Augen zu.

„Wieso machst du deine Augen zu? Ich wollte nur sagen, dass ich dich jetzt in dein neues Zimmer bringe. Du, deine Mutter und deine Oma, werdet so lange bei uns bleiben, bis wir die Schuldigen gefasst haben“, verblüfft machte ich meine Augen auf. Mich überkam unendliche Erleichterung. Gemeinsam verließen wir das Zimmer und er führte mich die Treppe hinauf in ein wunderschönes, hell beleuchtetes Zimmer mit Balkon. Ich konnte kaum den Mund zu machen. Luke stand im Türrahmen und sah mir dabei zu, wie ich mich im Kreis drehte.

„Du hast geglaubt ich würde dich umbringen, oder?“, ich hielt mitten in meiner Bewegung inne und sah ihn zögernd an.

„Ja“, flüsterte ich und seine Miene wirkte bedrückt.

„Das kann ich verstehen. Ich habe dich schließlich auch geschlagen, dafür will ich mich bei dir entschuldigen“, ich sah ihm in die Augen, die mir verrieten, dass er es ehrlich meinte. „Ich habe einfach angenommen, dass du mit den Vampiren unter einer Decke steckst und uns nichts verraten willst. Ich war wütend, weil viele Frauen immer noch darunter leiden, was mit ihren Kindern passiert ist und das wird auch dauerhaft so bleiben. Das noch einmal mit ansehen zu müssen wäre grausam und den Gedanken konnte ich einfach nicht ertragen, dass so etwas Schreckliches wieder passiert“, in meinen Augen bildeten sich Tränen. 

„Ist schon in Ordnung, ich bin nicht nachtragend“, er nickte dankbar. „Achso…inwieweit, darf meine Familie und ich uns bewegen?“

„Ihr könnt hingehen wohin ihr wollt, solange ihr in den Räumen bleibt wo auch alle anderen sind und nicht irgendwo etwas ausspioniert. Sobald ihr das Gelände verlasst, seid ihr selbst für euch verantwortlich. Der Schutz gilt also nur auf dem Grundstück“, ich nickte.

„Klingt fair. Wo sind meine Mutter und meine Oma untergebracht?“

„Deine Mutter ist im gleichen Stock wie du und deine Oma in dem Trakt in dem auch alle anderen älteren Leute von uns sind, die allein nicht mehr zurrecht kommen“, ich sah ihn verdutzt an.

„Ihr habt hier also so etwas wie ein Altersheim?“

„Ja, überrascht dich das?“

„Irgendwie schon…naja…ich hab aber auch nicht so wirklich drüber nachgedacht“, meinte ich grinsend und er grinste zurück. Anscheinend war er nicht so grob und brutal, wie ich anfangs geglaubt hatte.

„Sonst noch irgendwelche Fragen?“, ich schüttelte den Kopf „Okay, dann geh ich mal“

„Luke?“, er sah mich abwartend an.

„Es tut mir Leid, dass ich dir auf den Rücken gehauen hab“, er lächelte.

„Ich hab schon schlimmeres erlebt“, meinte er grinsend. „Achso, falls du zu deiner Mutter oder deiner Oma willst, dann besser morgen, weil die schlafen schon, hab ich zumindest gehört, aber ich glaub die haben ein paar Beruhigungspillen bekommen“, ich nickte.

„Okay, tut denen vielleicht auch mal ganz gut, in letzter Zeit war kaum mehr an schlafen zu denken“, murmelte ich und drehte mich zum Bett um. Plötzlich merkte ich wie müde ich wirklich war. „Gute Nacht“, sagte ich noch und wartete bis er antwortete.

„Gute Nacht“, die Türe wurde geschlossen. Ich sah kurz aus dem Fenster. Was würde wohl die Zukunft für mich bereithalten? Ab morgen früh, würde ich meinen Job los haben, die Miete für die Wohnung meiner Mutter und mir nicht mehr bezahlen können, ich könnte ebenfalls das Altersheim für meine Oma nicht mehr bezahlen können. Eine Träne rollte meine Wange hinab. Und jetzt stand ich auch noch auf der Abschussliste auf Platz eins bei den Vampiren, aber ich hatte es nicht nur geschafft mich zu gefährden, sondern auch meine Mutter, meine Oma und meine Freunde. Ich war für alle nur eine Last, die zu nichts taugte.

Erschöpft ging ich ins Bett, es kümmerte mich nicht, dass ich meine Klamotten anhatte und versuchte einzuschlafen. Nachdem ich geweint hatte bis nichts mehr kam, konnte ich endlich einschlafen.

Irgendwann wachte ich wieder auf und musste mich erst einmal daran erinnern, wo genau ich mich befand, aber die Erinnerung kam schnell zurück. Ich sah auf die Uhr. Es war gerade einmal 4 Uhr morgens. Ich stöhnte und wälzte mich herum, bis es mir irgendwann zu blöd wurde. Ich musste auf die Toilette und hatte durst. Ersteres erledigte ich gleich nachdem ich aufgestanden war und das zweite, naja, das musste ich erst einmal im Haus finden. Mein Ziel war die Küche. Ganz langsam schlich aus meinem Zimmer und machte mich auf die Suche. Lange Zeit irrte ich auf Zehenspitzen umher und dann fand ich endlich was ich gesucht hatte. Es war nur eine andere Küche als ich erwartet hatte. Diese Küche hätte ich vielmehr in einem fünf Sterne Restaurant erwartet. Das Haus musste ein Schloss sein. Bis jetzt hatte ich es nur von innen gesehen, aber ich war mir ziemlich sicher, dass es entweder ein Schloss oder eine Villa war, was fand ich am Ende auf das Gleiche hinauslief. Ein Glas hatte ich schnell gefunden und den Kühlschrank ebenfalls. Ich sah die Milch und grinste glücklich. Genau das brauchte ich jetzt. Entschlossen schnappte ich mir die Milchpackung.

„Eigentlich hatte ich gedacht du versuchst dich aus dem Staub zu machen oder herumzuschnüffeln. An ein Glas Milch hätte ich niemals gedacht“, hörte ich plötzlich jemanden hinter mir sagen. Ich erschrak fast zu Tode und presste die Milch fest auf meine Brust und quiekte erschrocken auf. Als ich denjenigen gefunden hatte klopfte mein Herz noch schneller als es sowieso schon tat. Rhys stand ein paar Meter entfernt von mir und sah mich grinsend an.

„Hab ich dich geweckt?“, war das Erste was ich herausbekam.

„Nein, ich hab wache gehalten“, ich sah ihn an und dachte nach.

„Du vertraust uns nicht“, sein Gesichtsausdruck wurde ausdruckslos.

„Es ist schwer jemandem zu vertrauen bei der jetzigen Situation, ich hoffe das verstehst du“

„Ja, das verstehe ich“, ich senkte meinen Blick und konzentrierte mich nur darauf die Milch in das Glas zu schütten. Ich vertraute ihnen schließlich auch nicht. Er kam näher und ich wich automatisch ein Stück zurück. Als er nur noch zwei Meter von mir entfernt stand, konnte ich ihn nur mit offenem Mund anstarren und das Glas in der Hand halten. Er sah so gut aus. Ein paar dunkle Strähnen seiner Haare waren ihm ins Gesicht gefallen. Und das Licht in der Küche, das aus einer Ecke des Raums kam, brachte seine hohen Wangenknochen und seine wunderschönen Augen perfekt zur Geltung.

„Luke hat mir erzählt, dass du dachtest, er würde dich töten“, ich wurde blass, aber ich hoffte er konnte es durch das Licht nicht gut erkennen. Ich konnte in seinen Augen lesen, dass ihm das nicht gefiel. Ich senkte meinen Blick und schwenkte das Glas Milch in meinen Händen.

„Ich…ich dachte, da ihr jetzt die Informationen habt, bin ich für euch wertlos und mehr eine Bedrohung und eine zusätzliche Last“, ich zuckte leichthin mit den Schultern um nicht so angespannt zu wirken, aber anscheinend nahm er mir das nicht ganz ab, denn er trat noch einen Schritt auf mich zu.

„Ich bin ehrlich und wenn ich jemandem etwas verspreche, halte ich das auch ein. Außerdem bist du unschuldig, wehrlos und noch dazu eine Frau“, ich grinste und schüttelte den Kopf.

„Wenn ihr nicht mit euren Geländewagen aufgetaucht wärt, dann hätte er mich erwürgt, ihn hat es nicht im geringsten interessiert das ich eine Frau bin“, ich sah ihm in die Augen, genauso wie er es gerade tat.

„Vergleich uns nicht mit diesen Vampiren“, gab er hart zurück.

„Für mich seid ihr alle gleich“, ich musste wieder an diesen Vampir denken, was er von mir verlangt hatte und ich schloss meine Augen vor Scham und wendete mich ab. Als ich mich ein Stück von ihm entfernt hatte, sah ich wie er mich nachdenklich musterte.

„Nur weil wir übernatürliche Wesen sind, heißt das noch lange nicht, dass wir genau das Gleiche tun oder die gleichen Ziele verfolgen“, ich sah ihn einfach nur an. Ich holte tief Luft und stieß mich von der Küchenanrichte ab.

„Wie auch immer, ich…danke dir, dass du mich nicht töten lassen hast und meine Mutter und meine Oma beschützt und gut behandelst“, er nickte nur. Ich trank meine Milch aus und stellte sie in die Spülmaschine, als ich mich umdrehte stand er vor mir und ich zog die Luft ein. Nur mühsam hatte ich mich davon abhalten können vor Schreck zu schreien.

„Wieso hasst du Werwölfe und Vampire?“

„Ich…“, ich sah ihm in die Augen und kam mir doch sehr bedrängt vor und wurde prompt sauer. „…das geht dich gar nichts an!“, gab ich schroff zurück. Als ich sah, dass sich sein Mund zu einem Lächeln verzog, konnte ich ihn nur umso wütender anfunkeln, was er anscheinend noch witziger fand.

„Es ist wirklich erfrischend, einmal keine Antwort auf meine Fragen zu erhalten. Jeder macht immer genau das was ich sage und du widersetzt dich mir und bist auch noch frech“, er brachte mich etwas aus der Bahn und ich sah ihn nur verdutzt an.

„Und jetzt?“, ich zog eine Augenbraue hoch, als er nichts sagte wurde ich unruhig. „Ich geh dann mal wieder ins Bett und versuche zu schlafen“, ich fühlte mich mies. Schließlich hatte er gerade mit mir geflirtet, obwohl er eine Freundin hatte, die am Rande auch noch aussah, wie eine Gottheit. Ich dagegen war äußerlich die totale Durchschnittsfrau. „Lass mich vorbei“, sagte ich und sah ihm dabei aber nicht in die Augen.

„Ich befolge keine Befehle“, sagte er knapp und blieb wo er war. Ich sah zu ihm auf und musterte ihn. Er beugte sich ganz dicht zu mir herunter, sodass ich seinen Atem auf meinen Lippen spüren konnte. Ich schluckte den Kloß hinunter, der sich vor Angst in meinem Hals gebildet hatte und sah ihn kalt an.

„Ich auch nicht“, ich hatte oft genug, das getan was die verdammten Vampire in der Firma von mir gewollt hatten.

„Tja, damit musst du dich aber abfinden. Ich bin das Alphatier und auch wenn wir unsere Frauen sehr schätzen, sind es trotzdem nur Frauen, die niemals die Autorität des Rudelanführers oder eines anderen Werwolfes höheren Ranges in Frage stellen dürfen“, ich presste meine Lippen zusammen und sah kurz nach unten, was ich fand ein Fehler war. Jetzt konnte ich deutlich die Muskeln unter dem engen T-Shirt sehen, das er trug und augenblicklich spielte sich ein Film in meinem Kopf ab, der ganz gewiss eine Altersbegrenzung gehabt hätte, wenn er veröffentlicht worden wäre. Ich erschrak über mich selbst und sah sofort wieder nach oben, aber das war noch schlimmer. Er musterte mich ganz genau und schien zu erraten was ich gedacht hatte und wo mich vorher noch die kalten Alphatieraugen angesehen hatten, sahen mich jetzt zwei männliche Augen an, die voller Begierde steckten. Er streckte ganz vorsichtig eine Hand nach meinem Gesicht aus, strich mit den Fingerspitzen meine Wange hinab und sah abwechselnd auf meine Augen und meinen Mund. Mir wurde knallheiß und mein Körper verlangte urplötzlich nach männlicher Nähe, nach Händen die besitzergreifend meinen Körper umschlangen. Und dann erschien plötzlich das Bild von der wunderschönen Frau vor meinem inneren Auge und ich wendete mein Gesicht ab und zog seine Hand von meinem Gesicht. Es fiel mir schwer und es tat weh, als ich mich von ihm entfernte und zwischen ihm und mir die Küchenanrichte stand, aber ich musste es tun. Niemals würde ich einer anderen Frau etwas wegnehmen was sie liebte und brauchte. Er sah mich erst verblüfft und dann enttäuscht an, fasste sich aber schnell wieder. Ich musste ein paar Mal tief Luft holen und das Thema fallen zu lassen und so zu tun, als wäre nichts passiert.

„Ich wollte noch einiges fragen…ähm…wo ich telefonieren kann, ich brauche die Adresse von hier, einen Computer und einen Drucker…achso und einen Fotoapparat“, er sah mich an mit einem Gesichtsausdruck bei dem ich hätte meinen können er würde gleich fragen, ob das vielleicht ein Witz sein sollte, aber dann sah ich ihn nur nicken.

„Es wird alles gebracht werden, ihr seid hier keine Gefangenen, ihr könnt gehen, aber dann seid ihr auf euch allein gestellt“, ich nickte.

„Danke, ich geh dann mal wieder ins Bett“, ich biss mir auf die Lippe, drehte mich um und lief die Gänge zurück in mein Zimmer. Was war das denn? Wenn er keine Freundin gehabt hätte, hätte ich mich von ihm küssen lassen! War ich vielleicht langsam dabei verrückt zu werden? Ich schlug mir mit der flachen Hand auf die Stirn und verfluchte mich selbst dafür. Aber Rhys sah so gut aus und mit ihm konnte man sogar reden, wenn es nicht über das Autoritätsding hinaus ging zumindest, aber wieso machte ich mir überhaupt Gedanken darüber. Er hatte eine Freundin und bei dieser Frau wäre jeder Mann glücklich. Naja, er anscheinend nicht, wenn er sich an mich heranmachte, aber das war ein Minus Punkt für ihn. Angenommen, er hätte keine Freundin und wäre noch zu haben und ich würde mich mit ihm einlassen , würde er mich doch sowieso wieder fallen lassen. Ich war ein Spielzeug. Genau das hatten die Vampire immer zu mir gesagt.

Ich schlief sofort ein, kaum dass ich mich aufs Bett gelegt hatte und diesmal schlief ich sehr lange.

 

Geräusche weckten mich aus meinem Tiefschlaf. Ich musste mehrmals gegen das grelle Licht anblinzeln, bis ich klarer sehen konnte. Ein paar Sekunden später wusste ich endlich wo ich war und danach von wo sie kamen und was die Geräusche waren. Ich stand auf und lief zum Fenster, machte die Balkontür auf und trat hinaus. Kühle Luft wehte mir entgegen und ließ mich kurz frösteln, aber ich gewöhnte mich schnell daran. Dann sah ich mich nach dem Lärm um. Ich glaubte Kinder gehört zu haben die spielten. Mein Blick glitt über die grüne Wiese und dann sah ich sie, wie sie fangen spielten. Ich musste unwillkürlich grinsen bei deren Anblick. Eines der Kinder sah mich und winkte mir zu. Zögerlich hob ich die Hand und winkte zurück.

Als ich hinein ging suchte ich mir erst einmal etwas anderes zum anziehen, was ich auch in dem großen Kleiderschrank fand, dann schlüpfte ich schnell unter die Dusche. Es tat gut mal wieder etwas Gewohntes, Alltägliches zu tun und wenn ich meine Augen schloss konnte ich mir sogar vorstellen, das alles wieder beim Alten war, aber das dauerte auch nur so lange, bis ich das Wasser abstellte. Da ich keine Lust hatte einen Föhn zu suchen, trocknete ich nur schnell meinen Körper ab und machte einen Zopf. Die Haare würden auch so trocknen, dachte ich mir. Bis ich endlich aus dem Bad kam, war eine halbe Stunde vergangen und ich fragte mich wie viel Uhr es wohl war.

Unschlüssig trat ich auf den Gang hinaus und sah mich nach jemandem um, der mich kontrollierte, aber ich sah niemanden. Also ging ich den ganzen Stock durch um meine Mutter zu finden, aber in dem Zimmer in dem ich ihre Sachen fand war sie nicht, also machte ich mich auf die Suche nach dem Altersheim, von dem mir Luke erzählt hatte.

In den unteren Stockwerken fand ich endlich jemanden, der mir vielleicht weiterhelfen konnte. Kaum dass er mich sah, starrte er mich auch schon an.

„Äh entschuldigen sie, aber könnten sie mir vielleicht sagen, wo die älteren…“, Menschen hatte ich schon sagen wollen „…Leute untergebracht sind?“, der Mann sah mich kurz prüfend an und wurde dann aber offener.

„Du gehst einfach den Gang entlang bis zu der großen blauen Tür auf der linken Seite und wenn du durch die durch gehst befindet sich das Haus auf der rechten Seite. Das kannst du nicht verfehlen“, ich lächelte dankbar.

„Dankeschön“, meinte ich lächelnd, was ihn noch mehr starren ließ und dann entfernte ich mich. Ich konnte aber immer noch seine Blicke in meinem Rücken spüren. Ich folgte seiner Beschreibung. Als ich durch die riesige blaue Tür ging klappte mein Mund auf. Die Tür war nicht so spektakulär, aber über der Tür war die Decke so hoch wie in einem Schloss und bildete eine Art Kuppel aus Buntglasfenstern, die das Sonnenlicht auf den Boden und an die Wände warf, dass alles in verschiedenen Farben strahlte und dem ganzen Raum etwas magisches verlieh. Als ich mich umdrehte sah ich eine riesige Treppe aus dunklem Holz, die sich genauso wie in einem Schloss in der Mitte teilte. Ich konnte nur staunen.

Kaum das ich aus der Tür trat hörte ich von überallher Stimmen, aber etwas weiter weg. Ich sah nach rechts und entdeckte ein riesiges Gebäude und konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass ein Altersheim so riesig sein konnte. Wenn das schon so große war, wie große war dann das Gebäude aus dem ich gerade gekommen war?! Ich ging die Treppen hinunter am Eingang und entfernte mich ein Stück vom Gebäude und drehte mich um.

Wenn jemand mich in diesem Moment fotografiert hätte, hätte er wahrscheinlich gedacht King Kong würde vor mir stehen, aber ich kann euch beruhigen. Es war bloß ein riesiges Schlossartiges Haus, von deren Größe ich einfach nur überwältigt worden war. Damit ich nicht dastand wie eine Idiotin drehte ich mich schnell um und ging zu dem Altersheim hinüber.

Ich konnte kaum fassen wie viel Leben in diesem Haus steckte. Altersheime waren sonst eher ruhig und gemütlich, aber dieses hier steckte so voller Leben, dass mir mein eigenes total langweilig vorkam. Die älteren Leute lächelten, spielten, schwammen, gingen spazieren und taten so viel das ich mir faul vorkam. Das Haus war sehr hell und offen gestaltet worden. Eine riesige Terrasse war um einen riesigen Pool herum von wo aus lauter Pfade in ein kleines Wäldchen führten um spazieren gehen zu können. Weiter hinten sah ich einen großen See. So etwas hatte ich noch niemals in meinem ganzen Leben gesehen. Ich lief wieder ins Haus und entdeckte einen Innenbereich mit einem Hallenbad, Whirlpools, Saunen, Massage und noch anderen Dinge, die ich noch nie gesehen hatte. Drinnen fand ich meine Oma nicht, also ging ich wieder hinaus ins Freie.

Als ich aufgab sie selbst finden zu wollen, sah ich eine Gruppe hinten am See sitzen mit einer Picknickdecke samt Picknickkorb, Stühlen und Sonnenschirm. Ich näherte mich langsam und beobachtete sie an einen Baumstamm gelehnt. Ich hatte sie noch nie so glücklich gesehen. Sie strahlte über das ganze Gesicht und sah plötzlich zehn Jahre jünger aus. Sie unterhielt sich mit ein paar Frauen und Männern, ebenfalls natürlich in ihrem Alter, mit denen sie sich anscheinend schon angefreundet hatte. Gemeinsam aßen, lachten und spielten sie und unterhielten sich fröhlich. In meinem Magen bildete sich ein so riesiges Loch, dass ich mich am liebsten zusammengekrümmt hätte vor Schmerzen. Es tat ihr so gut hier, aber wir würden nicht bleiben können. Wenn sich alles geklärt hatte mit den Vampiren, mussten sie uns nicht mehr schützen und schmissen uns hinaus und da ich meinen Job wahrscheinlich verloren hatte standen wir auf der Straße. Ich könnte ihr das Altersheim nicht mehr bezahlen, geschweige denn irgendetwas. Plötzlich spürte ich wie mir Tränen am Gesicht hinab rannen und wischte sie schnell weg, aber immer wieder neue Tränen stahlen sich aus meinen Augen.

„Wieso weinst du liebes?“, ich drehte mich ruckartig herum und sah auf eine ältere Frau hinunter, die in einem Rollstuhl saß und mich mit einer typischen mütterlichen besorgten Miene ansah. Ich wischte schnell die Tränen fort und lächelte sie an.

„Es ist nichts…“, sie legte grinsend den Kopf schief und sah mich an, so als ob sie wüsste, dass ich gelogen hatte. „Es ist kompliziert“ gab ich zu. Sie kam näher zu mir gerollt und nahm meine Hand in ihre und tätschelte diese leicht.

„An einem so schönen Tag, sollte eine so schöne Frau wie du es bist nicht weinen“, meinte sie lächelnd.

„Manchmal passieren traurige Dinge auch an einem schönen Tag“

„Das stimmt, aber ich sehe es nicht gern“, meinte sie leichthin. „Ich will dich lachen sehen. Mein Enkel lacht auch viel zu wenig. Er grinst und lächelt, aber er hat schon lange nicht mehr von Herzen gelacht, aber ich warte auf den Moment, an dem sich das ändern wird und dieser Moment wird eines Tages kommen, da bin ich mir sicher und ich bin mir auch sicher dass dieser Moment bei dir auch kommen wird“, sie tätschelte nochmals meine Hand und rollte zurück ins Haus, ich konnte ihr nur grinsend hinterher starren. Diese Frau war wirklich nett gewesen. Ich spürte immer noch ihren Händedruck und mir fiel auf, dass diese Menschen mehr Körperkontakt zu anderen herstellten als wir Menschen es taten.

Ohne zu meiner Oma zu gehen, ging ich wieder zurück zum…ähm…Schloss. Ich wollte sie nicht stören, weil sie so unbeschwert wirkte und ich wusste sie würde mir Fragen stellen, die dieses unbeschwerte Lächeln verblassen lassen würden und das konnte ich einfach nicht zulassen.

Ich ging wieder ins Schloss und sah Luke auf mich zu kommen.

„Gut dass ich dich treffe. Dein neuer Laptop steht im Zimmer, es gibt WLAN und die Adresse von hier steht auf dem Zettel und ich kann nur hoffen, dass du nichts Blödes vorhast. Ein Handy konnte ich auf die Schnelle nicht auftreiben, aber in der Küche gibt es ein Telefon“, ich sah ihn kurz an, registrierte was er gerade gesagt hatte und konnte nur verdutzt nicken.

„Äh, danke Luke“, er lächelte. „Ach, kannst du mir vielleicht noch Briefumschläge und Briefmarken besorgen? Das wäre sehr wichtig, ich wäre dir wirklich dankbar, achso, du weißt nicht zufällig wo meine Mutter ist?“

„Klar kann ich machen. Die ist in der Küche und unterhält sich mit Rhys“, meinte er leichthin. Ich konnte nur schockiert gucken, als ich mich von ihm wegdrehte und machte eine Grimasse. Was zum Teufel ging hier vor?! Ich lief gedankenverloren in die Küche und fand sie zusammen an der Küchentheke sitzen. Meine Mutter trank Kaffee und Rhys aß Cornflakes. Als mich meine Mutter sah lächelte sie.

„Morgen Schatz“

„Morgen“, meinte ich nur verwirrt und sah Rhys an, aber der grinste auch bloß. Ich sah mich nach dem Telefon um.

„Suchst du das hier?“, Rhys sah mich mit dem Telefon in der Hand fragend an.

„Ja“ sagte ich gleich und lief zu ihm, schnappte mir das Telefon und wählte die Nummer meiner Nachbarin. Nach dem dritten Klingeln ging sie endlich ran.

„Smith?“

„Hei Lisa“

„Oh hallo. Gut dass du anrufst. Hier ist Post für dich abgegeben worden von der Firma wo du arbeitest“, ich zuckte zusammen und umklammerte das Telefon noch fester. „Holst du es heute noch bei mir ab?“

„Genau deshalb ruf ich an. Ich wohne gerade zurzeit woanders, deswegen wollte ich dich fragen ob du die Post an die Adresse schicken könntest die ich dir gleich nennen werde. Geht das? Und stell bitte keine Fragen“

„Aber sicher doch, kann ich machen. Gut ich halt den Mund. Wie lautet die Adresse?“

Ich diktierte ihr schnell die Adresse und sie stellte keine Fragen, wie sie es versprochen hatte. Nachdem ich mich bedankt hatte legte ich auf und atmete aus. Meine Mutter sah mich fragend an.

„Was war das denn? Mit wem hast du telefoniert?“, ich sah sie an.

„Mit niemand wichtiges“, log ich. Ich lief aus der Küche, aber ich drehte mich nochmals um, und so wie meine Mutter aussah, hatte Rhys ihr ein paar Dinge erzählt. Sollte mir nur recht sein, dann musste ich es nicht tun.

Als ich im Zimmer war sah ich den Laptop auf dem Tisch liegen und machte mich daran, einen Lebenslauf von mir zu verfassen und suchte schon einmal im Internet potenzielle Firmen, bei denen ich mich um eine neue Stelle bewerben könnte. Ich suchte und verfasste Briefe, bis mir langsam die Augen zufielen, aber bevor ich ganz einschlief hörte ich es an meine Türe klopfen. Zögernd hievte ich den Laptop von meinen Beinen, stand vom Bett auf und lief zur Tür. Rhys stand im Türrahmen und sah mich an.

„Hab ich dich geweckt?“, er musterte mich.

„Nein, nein!“, ich fuhr mir mit den Händen über meinen Zopf und als ich merkte, dass sich ein Teil meiner Haare aus dem Zopf gelöst hatten, machte ich ihn schnell auf.

„Ich wollte nur mal sehen, was du so machst. Du hast dich den ganzen Tag nicht mehr blicken lassen“

„Ja ich hab gearbeitet“, er lief ohne zu fragen ins Zimmer. Bevor er das Bett erreichte mit dem Laptop darauf, lief ich schnell hin und klappte ihn zu, bevor er hineinsehen konnte.

„Was tust du da?“, ich verkrampfte mich.

„Nichts was dich etwas angeht. Keine Sorge, ich gefährde niemanden. Ich hab nur zu tun. Nur weil ich jetzt für eine Weile hier bin, kann ich nicht alles vernachlässigen“, er sah mich lange an, nickte dann aber und gab sich damit zufrieden.

„Deine Oma und deine Mutter sind der nett und scheinen sich sehr wohl bei uns zu fühlen, was mich um ehrlich zu sein sehr überrascht. Alle scheinen zufrieden zu sein, außer dir“, ich sah auf den Boden.

„Ja sie wirken glücklich. Habt ihr die Vampire schon gefasst?“, ich lenkte vom Thema ab, das wusste ich, aber ich wollte nicht über meine Gefühle sprechen. Ich merkte, dass es ihm nicht passte, dass ich seiner Frage ausgewichen war, aber das war mir egal.

„Nein, haben wir noch nicht, aber wir haben die Bunker alle räumen lassen und neue errichtet. Wir haben vor, die Standorte öfter als gewöhnlich zu wechseln, sodass sie es nicht leicht haben werden“, ich sah ihm in die Augen und nickte. Sein Blick durchbohrte mich.

„Was ist?“, fragte ich gereizt.

„Irgendetwas hast du doch“, ich sah ihn kalt an.

„Selbst wenn ich etwas hätte, würde ich es ganz bestimmt nicht dir sagen. Schließlich sind wir nur hier weil du Informationen von mir wolltest. Das hier ist alles rein geschäftlich“, er trat vor mich und sah mich mit funkelnden Augen an.

„Falsch. Ihr seid hier, weil ihr beschützt werden wollt, was verständlich ist bei den Informationen die du weißt“, ich lächelte und verschränkte meine Arme vor der Brust und sah ihn herausfordernd an.

„Und wieder Falsch. Das einzige was ich will ist, dass meine Mutter und meine Oma beschützt werden“, das stimmte im Grunde schon was ich zu ihm sagte, aber ich konnte mir es genauso wenig leisten zu sterben, weil sonst niemand mehr da war, der meine Mutter und meine Oma versorgte. Meine Sorgen wuchsen immer mehr und langsam machte ich mir wirklich ernsthafte Existenzsorgen. Ich spürte seinen Blick auf mir und plötzlich spürte ich tatsächlich, dass er mich am Arm berührte und behutsam hinauf und hinunterfuhr, wie um mich zu beruhigen oder zu trösten. Ich sah ihn an. „Was tust du da?“, ich trat einen Schritt zurück. Er sah mich perplex an.

„Sorry, bei uns ist es normal, dass wir uns anfassen um Trost zu spenden oder zu unterstützen“, ich sah ihn lange an. Ich wollte diese Berührungen, aber nicht von ihm, er hatte eine Freundin, ich konnte das nicht zulassen.

„Ich habe gedacht, dass das nur fürs Rudel gilt und nicht auch bei Außenstehenden“, ich sah, dass ihn diese Frage genauso überraschte.

„Ich muss euch beschützen und deshalb gehört ihr kurzfristig auch zum Rudel dazu“, ich nickte und wendete mich ab. Es tat gut zu hören, dass wir nicht allein waren und zu einem großen Teil gehörten, was uns schützte, aber das ‚kurzfristig’ bereitete mir große Magenschmerzen. Bald mussten wir diesen sicheren Hafen wieder verlassen und waren wieder auf uns allein gestellt, ohne Schutz und Unterstützung. Umso wichtiger war es, dass ich so schnell wie nur möglich einen neuen Job fand. Rhys sah mich an, als würde er genau wissen was ich dachte. Gerade wollte er zu mir und etwas sagen, aber dann hörte ich es Klopfen.

„Sophie, bist du noch wach? Ich bin’s Luke“, ich sah, dass sich Rhys verkrampfte. Ich ignorierte diese Tatsache einfach mal und riss die Türe auf. Luke lächelte, aber als er Rhys sah, wurde daraus nur ein Grinsen. Er hob mir die Briefumschläge und die Briefmarken hin.

„Danke Luke, du bist wirklich ein Schatz“, meinte ich lächelnd und drehte mich zu Rhys um, der das ganze kritisch beobachtete. Ich drehte mich zu Luke um und sah, dass er leicht gerötete Wangen hatte. Wieso hatte ich das auch noch sagen müssen? Ich wendete mich ab und ging zum Bett, legte die Briefumschläge und die Briefmarken darauf und drehte mich wieder zu den zweien um. „Ich würde dann jetzt ganz gern weiterarbeiten“, beide sahen mich an, als wäre ich verrückt.

„Es ist 23 Uhr Sophie“, meinte Luke. Ich zuckte mit den Achseln.

„Es ist wichtig“

„Schlafen ist auch wichtig“, brummte Rhys. Ich sah ihn an.

„Bevor ich damit nicht fertig bin, kann ich sowieso nicht schlafen, also geht jetzt bitte“, ich scheuchte sie mit den Händen aus dem Zimmer. Sie konnten nur den Kopf schütteln. Als ich sie endlich los hatte machte ich mich sofort daran alles auszudrucken. Ich sah mein Werk an und war zufrieden. Sogar ein schönes Passfotobild von mir hatte ich oben an die Ecke des Lebenslaufs gedruckt. Als ich alles in die Briefumschläge getan und die Briefmarken darauf geklebt hatte war es 3 Uhr morgens. Dann konnte ich endlich einschlafen.

 

Kapitel 3

Ich schlief durch bis 10 Uhr morgens und sprang dann aus dem Bett. Ich musste die Briefe Luke geben, damit er sie für mich wegschickte. Ich hatte zwar immer noch die Hoffnung, dass ich nicht gefeuert wurde, aber ich glaubte die Chancen standen nicht sehr gut. Nachdem ich mich frisch gemacht hatte, ging ich mit meinem Stapel Briefe in die Küche und fand unter anderem Rhys, meine Mutter und Luke vor und noch ein paar andere, die ich noch nie gesehen hatte. Rhys Freundin befand sich auch unter ihnen.

„Morgen!“ rief ich, dann ging ich schnell zu Luke. „Luke? Kannst du die für mich abschicken?“, er betrachtete als erstes den Stapel Briefe und dann sah er mich an.

„Was ist das denn?!“, fragte er entsetzt.

„Äh, ist ja egal, schick es für mich ab, bitte“

„Na schön, ich schick es ab“, sagte er seufzend.

„Danke!“, als ich mich in der Küche umsah, bemerkte ich, dass mich alle ansahen, also senkte ich meinen Blick.

„Ach Schatz. Hier ist ein Brief gekommen von Frau Smith“, meine Mutter hob mir den Brief hin und ich schluckte schwer. Mit zitternden Händen nahm ich ihn ihr aus der Hand und drückte ihn an meine Brust, dann drehte ich mich um und wollte gerade aus der Küche laufen, aber Rhys hielt mich am Arm fest. In meinem Bauch zog sich bei seiner Berührung gerade alles zusammen und für ein paar Millisekunden fühlte sich mein Gehirn wie Pudding an.

„Hast du keinen Hunger?“, ich schüttelte den Kopf und ging aus der Küche.

Als ich in meinem Zimmer war, setzte ich mich aufs Bett und machte ganz langsam den Brief auf.

In dem Brief stand genau, das was ich schon befürchtet hatte. Das ich mit sofortiger Wirkung entlassen wurde, aber was mich am meisten schockierte war, dass mein Exboss selbst noch etwas dazu geschrieben hatte und zwar, dass er sehr enttäuscht von mir war und er gewusst hatte, dass ich es nicht packen würde. Als ich weiter las wurde ich immer blasser. Er hatte geschrieben, dass ich gar nicht glauben sollte, dass ich noch in irgendeiner Firma angestellt werden sollte, weil er meine Arbeitsunfähigkeit an andere Firmenchefs weitergegeben hatte, dann schrieb er noch, dass er mir aber noch eine zweite Chance geben würde, aber ich mich gefügig machen müsste und springen musste wann er wollte. Das hieß klar und deutlich ausgedrückt, dass ich zu seiner persönlichen Blutbank werden musste um den Job zu behalten. Ich ließ den Brief fallen und schluchzte los, ich konnte nicht mehr, ich konnte es einfach nicht mehr zurückhalten. Wenn ich das tun würde, würde ich zugrunde gehen, das wusste ich, aber wenn nicht, dann würden meine Mutter, meine Oma und ich zugrunde gehen und was war jetzt schlimmer? Das brachte mich noch mehr zum heulen. Ich entschied mich dafür abzuwarten, ob ich Erfolg hatte mit meinen Bewerbungen und danach konnte ich immer noch entscheiden ob ich mich selbst kaputt machen wollte für meine Familie.

Ich hörte jemanden leise an die Tür klopfen, dann öffnete derjenige die Türe. Es war Rhys und augenblicklich wurde mir klar, dass ich wahrscheinlich völlig verheult aussah. Verzweifelt versuchte ich noch mir die Tränen von den Wangen zu wischen, aber es war bereits zu spät, er hatte mich schon gesehen und war entsetzt mit einem Tablett voll essen an der Tür stehen geblieben. Er kam zu mir, stellte das Tablett auf den Nachttisch und sah mich dann an.

„Ich weiß, dass  ich der Letzte bin, dem du irgendetwas erzählen willst, das hast du ja gesagt, aber ich kann es nicht ignorieren, wenn du weinend auf dem Bett sitzt, also sprich endlich mit mir oder tu es mit Luke, du scheinst dich ja sehr gut mit ihm zu verstehen“, er sah zu dem Brief der auf dem Bett lag. Instinktiv schnappte ich ihn schnell und legte ihn so weit weg von ihm wie es nur ging.

„Was stand drin?“, fragte er mich direkt. Ich schwieg und zog meine Knie an meine Brust und schlang meine Arme darum. Ich spürte heiße Tränen an meinem Gesicht hinab rinnen.

„Ich will nicht darüber reden und du hast sowieso andere Sorgen, als das ich dir das auch noch aufbürden würde“, er seufzte.

„Das ist schon okay Sophie, ich halte deine Sorgen auch noch aus oder sehe ich für dich so schwach aus?“, ich musste lächeln als ich mir seine Muskeln ansah und den starken Ausdruck seiner Augen und schüttelte den Kopf.

„Also kannst du mir ruhig sagen was dich so beschäftigt“, ich seufzte tief.

„Ich wurde gefeuert“, er sah mich mitfühlend an.

„Das ist noch nicht der Weltuntergang. Du wirst einen neuen Job finden und nach dem ganzen hier wird mir auch langsam klar, was du getrieben hast. Du hast Bewerbungen geschrieben, oder?“

„Ja“

„Na also, dann wirst du das auch schaffen, glaube an dich“, ich konnte nur nicken. Er wusste nicht die ganze Wahrheit und das war auch besser so. Dann stand er auf. „Ich muss dann jetzt los, ich bekomme noch Besuch“, ich sah, dass er gerade eine Hand nach mir ausstrecken wollte, es dann aber sein ließ und einfach das Zimmer verließ. Das war meine Schuld. Ich hatte ihm zu verstehen gegeben, dass ich keine Berührungen wollte. Aber genau jetzt hätte ich diese Berührung gerne angenommen. Es war schon sehr deprimierend, dass Rhys zu mir kam um nach mir zu sehen anstatt meiner Mutter. Es kümmerte sie nicht im Geringsten ob sie jetzt mit mir sprach oder nicht.

Ich ging ins Bad und schminkte mich, damit ich nicht zu verheult aussah, dann ging ich aus dem Zimmer. Ich musste ein bisschen hinaus und mich bewegen, also ging ich zurück in die Küche. Alle waren weg außer Misha. Die saß an Küchentresen und trank Kaffee. Sie lächelte mich herzlich an als ich näher kam.

„Setz dich zu mir Sophie“, sie wies auf den Hocker gegenüber. Ich lächelte, nahm mir ebenfalls eine Tasse Kaffee und setzte mich zu ihr. „Ich wollte mich schon lange bei dir entschuldigen, dass ich dich so angefahren habe bei dem Verhör, aber ich hab dich nie zu Gesicht gekriegt“ sie sah mich entschuldigend an.

„Ist schon okay, ich hätte wahrscheinlich genauso reagiert. Ich hab die Bilder gesehen“

„Furchtbar, nicht wahr?“

„Ja“, ich umklammerte die Kaffeetasse und starrte darauf. Wir schwiegen eine Weile.

„Weißt du eigentlich, dass dich alle hier mögen?“, ich sah sie überrascht an.

„Aber niemand kennt mich doch, wie kann jemand mich dann mögen? Zumal ich ein Mensch bin“, fügte ich ausdruckslos hinzu.

„Es spricht sich einiges herum, vor allem bei den älteren“, meinte sie grinsend. „Ivy fand dich anscheinend sehr nett“

„Ist das die ältere Frau im Rollstuhl vom Altersheim?“, Misha musste lachen.

„Altersheim?“, meinte sie noch immer lachend. „Ja genau“, dann wurde ihr Miene nachdenklich. „Ich hab aber auch bemerkt, dass Rhys sich sehr für dich interessiert“, sie sah mich an und ich wurde blass.

„Nein, nein, das kann nicht sein“, sie zog die Brauen zusammen.

„Oh doch, da bin ich mir ziemlich sicher. Er hat noch nie so viel Aufmerksamkeit einem weiblichen Wesen geschenkt wie dir“, meinte sie schmunzelnd, sodass ich sie verwirrt ansah.

„Misha, ich werde ihn dir nicht wegnehmen. Bald bin ich sowieso wieder weg, du brauchst dir also keine Sorgen machen“, sie sah mich verwirrt an.

„Wie meinst du das? Ich gebe ja zu, dass ich mich ungern für immer von ihm trennen würde, aber wenn mein Bruder jemanden findet, dann ist das schon in Ordnung Sophie“, jetzt sah ich sie fassungslos an.

„Rhys ist dein Bruder? Ich hab gedacht ihr wärt zusammen“, sie sah mich belustigt an, bevor sie anfing zu lachen.

„Oh Gott nein, er ist mein großer Bruder“, ich musste jetzt ebenfalls grinsen. „Warst du deshalb so abweisend zu ihm? Das hat er mir nämlich erzählt“, ich sah sie überrascht an. Er hatte mit ihr über mich gesprochen?

„Ja, ich wollte niemandem etwas wegnehmen, deshalb war ich so, ja, aber das ist nicht der einzige Grund“, sie berührte meinen Arm.

„Ich mag dich Sophie, dass du das getan hast beweist, dass du ein guter Mensch bist. Viele hätte es nicht interessiert ob er eine Freundin hat. Die denken nur an sich, die andere Frau an seiner Seite wird dabei ignoriert, aber was ist denn der andere Grund?“, ich sah den Kaffee in meiner Tasse an.

„Darüber kann ich nicht so offen sprechen“

„Verstehe“, nach kurzem Schweigen sah sie mich lächelnd an. „Komm ich zeig dir mal ein bisschen was vom Grundstück“, sie hüpfte vom Hocker und zog mich mit sich.

Nachdem sie mich in jedes erdenkliche Eck geführt, wir mit den Kindern gespielt, mit den alten Leuten geredet und sie mich allen möglichen Werwölfen zu meinem Leidwesen vorgestellt hatte, gab sie mich endlich frei, damit ich mich ausruhen konnte. Zu meiner Überraschung, gefiel es mir hier sehr gut und die Leute hier waren wirklich sehr nett. Keiner behandelte mich wie einen Eindringling, wie ich zunächst angenommen hatte.

Misha hatte mir außerdem ein paar Dinge genannt, die ich machen konnte, wenn es mir langweilig sein sollte und einer davon ging ich jetzt nach. Nicht, dass mir langweilig war, aber ich war neugierig auf die Bibliothek. Entschlossen lief ich auf der Suche nach ihr, durch die Gänge und begegnete mal wieder keiner Seele. Dann endlich fand ich die Tür, die mir Misha beschrieben hatte und machte ganz leise auf. Drinnen hörte ich nichts, also war wohl niemand da, aber das war mir lieber. Staunend trat ich ein und sah mich um. Sie war so riesig, ich hatte noch niemals in meinem Leben so viele Bücher auf einmal gesehen. Die Bücherwände erstreckten sich bis in den zweiten Stock. Die Bücher konnte man durch Leitern erreichen, aber ich stellte mir das ziemlich gefährlich vor. Überall standen Regale und weiter hinten im Eck sah ich eine Sitzgruppe, die ungefähr so aussah, wie wenn mitten in der Bibliothek ein Wohnzimmer wäre. Ich schlenderte Ziellos durch die Gänge und blieb hin und wieder stehen um mir Bücher mit interessanten Titeln oder Einbänden genauer anzusehen. Dann schlenderte ich zu einer langen Kommode, auf der feinsäuberlich ein paar Bücher aufgestellt und aneinandergereiht standen. Ein Titel sprach mich an und ich griff ohne zu überlegen danach, was eine Kettenreaktion in Gang setzte und somit alle Bücher auf der Kommode wie im Domino umschmiss.

„Scheiße“, brachte ich noch heraus, dann beeilte ich mich und stellte sie schnell auf und prüfte ob sie auch wirklich stehen blieben, dann drehte ich mich aufatmend schwungvoll herum und erstarrte. Ein Mann saß in einem Sessel genau vor mir und sah mich schmunzelnd an. Ich wurde rot wie eine Tomate. Da ich seinem Blick nicht länger standhalten konnte, sah ich zur Seite und bemerkte das Weinglas in seiner Hand. Die Flüssigkeit die dort drin war, konnte jedoch unmöglich Wein sein, dafür war sie zu dunkel und dann wurde mir mit einem Schlag klar was dort drin war. Meine Gesichtsfarbe wechselte von Rot zu Weiß. Er bemerkte meinen Stimmungswandel, aber da war ich schon los gerannt. Ich hatte es gerade aus der Tür der Bibliothek geschafft, als ich gegen jemanden prallte.

„Langsam“, meinte derjenige und ich erkannte die Stimme sofort.

„Rhys, da…da ist ein Vampir drin!“, schrie ich und klammerte mich an ihn. Er sah nicht überrascht oder sauer aus, im Gegenteil, es hatte eher den Anschein, dass er meine Reaktion völlig absurd fand. Plötzlich sah ich den Vampir ganz gelassen aus der Bibliothek kommen. Ich wollte abhauen, aber Rhys hielt mich unerbittlich fest.

„Sophie beruhig dich wieder okay? Das ist ein alter Freund von mir und er wird dir nichts tun“, ich hörte auf mich gegen seinen Griff zu wehren und sah den Vampir genau an. Er hatte nicht diesen entsetzlichen Gesichtsausdruck wie mein Boss. Im Gegenteil, er sah mich sehr freundlich an.

„Hallo, ich bin Julian“, ich sah in seine Augen und wartete darauf, ob er sich vielleicht doch noch in ein Bluttrinkendes Monster verwandelte, aber es geschah nichts. 

„Hi, tut mir Leid, dass ich gerade das perfekte Beispiel von Vorurteilen gewesen bin“, ich grinste entschuldigend und er lachte amüsiert.

„Ist dann wieder alles in Ordnung?“, fragte mich Rhys.

„Ja wieso?“, ich sah nicht auf, als er mich das fragte, ich sah immer noch Julian an. Rhys räusperte sich.

„Naja, du krallst immer noch deine Finger in mein Hemd“, augenblicklich ließ ich ihn los und trat ein paar Schritte von ihm weg.

„Entschuldige“, ich lief ein Stück weg und drehte mich nochmals um. „Rhys?“, er sah auf.

„Sind Briefe für mich gekommen?“

 „Nein, bis jetzt noch nicht. In einer halben Stunde gibt es Abendessen, ich würde es schön finden, wenn du auch einmal mitessen würdest“, ich lächelte schwach.

„Mal sehen“, ich drehte mich um und ging den Flur entlang. Es überraschte mich, dass Rhys einen Vampir als Freund hatte, da  die Vampire seinem Rudel doch so viel Schmerz und Leid zugefügt hatten. Dieser Julian schien aber doch aus der Reihe zu tanzen. Er wirkte freundlich und offen, aber vielleicht waren es auch gerade die anderen Vampire, wie mein Boss, die aus der Reihe tanzten und nicht umgekehrt. Schließlich gab es auch unter Menschen Psychopaten, wieso dann nicht auch bei den Vampiren? Plötzlich hörte ich meine Mutter nach mir rufen und sah überrascht auf.

„Sophie! Da bist du ja!“, sie kam mit schnellen Schritten auf mich zu weswegen ich dachte irgendetwas Schlimmes sei passiert. Als sie bei mir war, umarmte sie mich stürmisch und ließ mich erst los, als ich versuchte wieder Luft zu bekommen.

„Ist etwas passiert? Ist etwas mit Oma?!“, sie sah mich aus großen Augen an.

„Nein, nein, ich hab mir nur Sorgen um dich gemacht“, verblüfft sah ich sie an.

„Um mich?“

„Ja um dich, stell dir mal vor!“, ich musste lachen bei ihrem empörten Tonfall. Ich hatte das Gefühl, dass ihr die Umgebung gut tat, denn ich schätzte ihre plötzliche Fürsorge kam davon, dass sich hier alle mehr um ihre Familie kümmerten als es bei den Menschen der Fall war. Meine Mutter schaute sich anscheinend etwas davon ab, aber ich war natürlich sehr gerührt, dass sie ihre Gefühle mir gegenüber so offen zeigte. Normalerweise hielt sie ihre Gefühle immer unter Verschluss, was mich als ich noch Klein war sehr deprimierte. Mit der Zeit hatte ich gelernt damit umzugehen, aber natürlich blieb der Wunsch nach einer fürsorglichen Mutter, wie sie die anderen Kinder immer hatten, stets erhalten. Mein Vater stand immer im Gegensatz zu meiner Mutter. Er hatte sich ständig Sorgen um mich gemacht, hatte mich offen geliebt und viel mit mir unternommen. Somit hatten sich meine Eltern ausgeglichen. Mein Vater mit seiner warmherzigen und offenen und meine Mutter mir ihrer distanzierten und eher verschlossenen Art. Als mein Vater urplötzlich an einem Herzinfarkt starb, blieb mir als Trost nur meine Mutter, aber sie hatte mir nicht den Trost und die Wärme geben können die ich eigentlich brauchte, aber zu dieser Zeit war ich glücklich eine Oma zu haben. Das Problem war nur, dass ich keine Zeit hatte sie ständig zu besuchen, weil ich plötzlich für alles verantwortlich zu sein schien, aber auch das hatte ich überlebt.

Ich sah meine Mutter vor mir an und lächelte, was sie erwiderte.

„Komm mit, wir besuchen jetzt deine Oma“, sie hakte sich bei mir unter und zusammen verließen wir die Villa. „Sie wird sich freuen dich zu sehen. Ständig fragt sie nach dir“, ihr letzter Satz klang wie ein Vorwurf gegen mich.

„Ich hatte viel zu tun“

„Das hab ich gesehen“, sie warf mir einen wissenden Seitenblick zu. Was meine Mutter wohl wieder dachte, dass ich Stundenlang mit Rhys flirtete? Wo hatte sie nur immer ihre Augen und Ohren? Unglaublich!

 

„Sophie Kleines, komm her und drück mich. Ich hab dich so lange nicht gesehen!“, lächelnd lief ich zu meiner Oma und umarmte sie lange, bevor ich sie wieder los ließ. Sie hob meine Hand fest während sie mich von oben bis unten ansah.

„Eigentlich waren es ja nur ein paar Tage“

„Ein paar Tage, Wochen oder Monate das ist alles dasselbe“, sie tätschelte liebevoll meine Hand. „Aber jetzt erzähl mal, wieso wir eigentlich hier sind“, ihre Augen funkelten mich an.

„Ich glaube nicht das, dass so eine gute Idee ist, wenn ich dir das sage“

„Nichts da. Du erzählst mir sonst auch immer alles“

„Schon, aber…

„Sophie ich will sofort die Wahrheit wissen und deine Mutter auch!“, ich sah in die Himmelblauen Augen meiner Oma und wusste in dem Moment, dass ich verloren hatte. Also erzählte ich ihnen knapp was vorgefallen war und sie hörten alle beide schweigend und konzentriert zu. „Ich verstehe“, meinte meine Oma und strich mir behutsam über den Arm. „Du hast das Richtige getan Kleines“, ich nickte.

„Ich muss euch aber noch etwas sagen. Ich…hab meinen Job verloren“, meine Mutter sah entsetzt auf und meine Oma wirkte nur bedrückt und in ihren Augen sah ich Mitgefühl.

„Das kriegen wir schon hin“, meinte meine Mutter zu meiner Überraschung und schlang ihre Arme um mich. „Weißt du, wir sind zwar erst ein  paar Tage hier, aber diese Leute haben meine Sicht auf die Dinge geändert und mir wird langsam auch klar, dass ich dir viel zu viel zugemutet habe und das tut mir leid“, mir standen die Tränen in den Augen und zum ersten Mal fühlte ich mich nicht, wie das einzige Zahnrad dass die Familie noch in Gang hielt, ich fühlte mich als Teil von einem großen Ganzen.

 

Als ich mit meiner Mutter zurück in das Hauptgebäude lief, kam es mir so vor, als könnte ich wieder besser atmen, als wäre eine riesige Last von meinem Schultern genommen worden und zum ersten Mal seit dem Tod meines Vaters fühlte ich eine innere Ruhe.

Zum ersten Mal erschien ich beim Abendessen und für einen kurzen Moment glaubte ich, das gesamte Rudel würde am Tisch sitzen. Von Überallher erklang Gelächter oder wurden anregende Diskussionen geführt. Ich wusste gar nicht wohin ich mich gesellen sollte. Misha stand ganz hinten bei einer Gruppe von Frauen und diese schienen sich über den Bauch der Schwangeren Frau zu unterhalten. Rhys stand bei Luke und noch ein paar anderen, die ich noch nie gesehen hatte. Darunter befand sich auch der Vampir. Er schien meinen Blick zu spüren, denn er hob seinen Kopf und sah zu mir hinüber. Sofort senkte ich meinen Blick und sah mich gehetzt um. Schnell holte ich mir ein Getränk, damit ich beschäftigt aussah. Bloß nicht hyperventilieren dachte ich mir. Gerade als ich mich umdrehte hörte ich Misha meinen Namen durch den ganzen Speisesaal rufen. Völlig schockiert stand ich dort und sah mich wie ertappt um, als wäre das Glas in meiner Hand oder meine Anwesenheit bis gerade eben noch streng geheim gewesen. Sie wedelte mit den Händen als wolle sie einen Hund zu sich rufen. Ich konnte sie nur dümmlich grinsend ansehen und mich mit einem etwas eingerosteten Gang in Bewegung setzen.

„Hast du Sarah schon kennen gelernt? Sie ist jetzt schon im 9 Monat schwanger!“, ich sah die Frau vor mir ganz baff an.

„Oh, äh herzlichen Glückwünsch“, sagte ich zögerlich. Sarah zog mich ohne widerrede in eine Umarmung, sodass ich schon Angst hatte bei ihrer kräftigen Umarmung das Baby zu zerquetschen.

„Freut mich dich kennen zu lernen Sophie! Keine Sorge dem Baby passiert nichts“, winkte sie leichthin und legte demonstrativ ihre Hand auf den Bauch, ich konnte nur schwach lächeln.

„Hast du auch Kinder?“, fragte mich Sarah gleich.

„Nein“

„Das ist aber schade, aber ich kann dich auch gut verstehen, denn danach siehst du deinen Körper in einem ganz neuen Licht und das nicht nur zum besseren glaub mir und die Schmerzen erst“

„Aha“, kam nur über meine Lippen und ich klammerte mich an mein Wasserglas. Sie plapperten alle fröhlich weiter und kamen in so heikle Themen in Punkto schwangerer Frauen, dass ich langsam schon ganz blass um die Nase wurde und ich mir in dem Moment gedanklich eine Notiz machte niemals schwanger zu werden. Plötzlich spürte ich wie sich ein kräftiger Arm um meine Schulter legte.

„Was erzählt ihr denn der armen Sophie alles? Sie ist schon ganz grün im Gesicht“, ich warf einen scheuen Blick in Rhys Richtung und dieser sah mich nur amüsiert an. Anscheinend wusste er das ganz genau. Ich wurde knallrot im Gesicht. Sein Geruch drang in meine Nase ein und machte meine Beine ganz weich. Immer und immer wieder dachte ich mir, dass ich jetzt keine Ausrede mehr hatte, weshalb ich ihn zurückgewiesen hatte, denn Misha hatte mein gesponnenes Netz einfach zerstört und jetzt musste ich meinen Standpunkt wieder erneuern. Im einen Moment war er noch der unnahbare, an eine Frau gebundene Mann und nun war er ganz offensichtlich ein Mann, der eindeutig mit mir flirtete. „Sag bloß du willst keine Kinder!“, meinte er gespielt entsetzt und an den Gesichtern der anderen Frauen sah ich, dass keine Kinder zu wollen genauso schlimm war wie wenn ich gesagt hätte ich würde eine Ein-Zimmer-Wohnung einer Villa vorziehen. Diese Blamage blieb mir glücklicherweise erspart, weil eine Köchin lautstark zum Essen rief. Aufatmend zwängte ich mich aus Rhys Arm und warf ihm einen bösen Blick zu, der ihn eigentlich zeigen sollte wie wütend ich war, aber der Idiot grinste bloß.

Das Essen schmeckte einfach himmlisch, auch wenn ich mich die meiste Zeit mehr auf Rhys konzentrierte als auf mein Essen. Als der Nachttisch kam war es um mich geschehen. Mit einem leisen Aufseufzen schob ich einen Löffel von dem Tiramisu in meinen Mund, was Rhys mit einem unterdrückten Lachen vernahm.

 

Nach dem Essen räumten wir alle die Teller weg und ich gönnte mir noch eine heiße Schokolade. Während ich in der Küche stand gesellte sich Rhys zu mir, beugte sich ganz dicht an mein Ohr und flüsterte mir etwas ins Ohr.

„Der Nachttisch hat es dir ja richtig angetan und ich dachte, du hättest am liebsten mich vernascht“, ich wurde knallrot und drehte mich wütend herum.

„Ich glaube du leidest an Einbildung“, er grinste nur.

„Tatsächlich?“, fragte er gespielt und sah mich belustigt an.

„Ja“, sagte ich stur.

„Wenn es stimmt was du sagst, dann müsste ich mir deine Röte auf den Wangen wohl auch nur einbilden“, wie um das zu bestätigen wurde ich noch röter und hasste meinen Körper dafür, dass er mich ständig verriet.

„Ich werde ständig rot, das ist ganz normal. Außerdem ist es hier drin sehr warm“

„Na klar“, wütend rührte ich in meine heißen Schokolade herum und rauschte dann aus der Küche. Seit wann hatte sich Rhys bloß in diesen Scherzkeks verwandelt? Seufzend ging ich in mein Zimmer, suchte mir ein Buch und fing an zu lesen. Irgendwann musste ich eingeschlafen sein.

Laute Geräusche weckten mich aus meinem Schlaf. Benommen sah ich auf, blinzelte ein paar Mal um mich an die Helligkeit zu gewöhnen und sah dann auf die Uhr. Gähnend rieb ich meine brennenden Augen und setzte mich schläfrig auf dem Bett auf. Mein Blick fiel auf den Wecker, der mir deutlich zeigte, dass es noch früh am Morgen war. Ich hob das Buch auf, das ich wohl hatte fallen lassen, als ich eingeschlafen war. Gerade als ich es auf dem Nachttisch gelegt hatte, wurden die Geräusche wieder laut und ich hörte Türen auf und zu schlagen. Irritiert und etwas beunruhigt lief ich zur Tür, öffnete diese und spickelte auf den Flur hinaus. Ich sah viele Leute umher rennen. Alle wirkten gehetzt und in ihren Gesichtern sah ich so etwas wie Panik und Sorge. Für einen kurzen Moment glaubte ich, das Anwesen würde angegriffen werden. Schnell rannte ich zum Fenster und sah hinaus, aber was ich sah, war kein Angriff sondern ein Aufrüsten. Dutzende Männer machten sich dort draußen fertig zum Kampf. Hunderte Schatten konnte ich im Hof erkennen, wie sie hektisch umherliefen und Befehle gaben. Jetzt konnte ich nicht mehr tatenlos hier herumstehen. Ich zog mir schnell etwas Frisches an und hastete dann aus der Tür. Auf dem Weg begegnete ich ein paar Männern, aber als ich sie fragte was los sei gaben sie mir keine Antwort, aber an ihren Gesichtern konnte ich erkennen, dass es nichts Gutes war. Auf dem Weg nach unten lief ich meiner Mutter über den Weg.

„Weißt du was hier los ist?“, ich sah sie fragend an, aber sie schüttelte nur den Kopf. „Geh du am besten wieder ins Zimmer ich schau mal nach“, ich schob sie sanft ins Zimmer und sie ließ es sogar zu.

„Sophie, pass auf dich auf!“, ich sah sie ein paar Sekunden schweigend an, dann nickte und lief mit schnellen Schritten weiter zur Treppe.

Nach wenigen Minuten fand ich Misha und sah sie erleichtert an.

„Misha was ist hier los?“, ich sah, dass ihre Augen glitzerten und die Wut stand ihr ins Gesicht geschrieben.

„Diese verdammten Vampire haben einen von unseren Schutzbunkern wieder angegriffen“

„Oh Gott“, brachte ich nur heraus und berührte sanft ihren Arm.

„Wir fahren jetzt dorthin“, meinte sie, schnappte sich ebenfalls ihre Ausrüstung und wendete sich zum gehen.

„Warte! Ich komme mit“, rief ich ihr nach. Sie drehte sich schon protestierend um. „Und sag mir jetzt nicht, dass es zu gefährlich für mich ist. Ich will helfen und du kannst mich nicht aufhalten“, ich sah sie entschlossen an. An ihrem Gesichtsausdruck konnte ich erkennen, dass sie die Risiken abwog, aber ich sah in ihren Augen auch Bewunderung angesichts meiner Entschlossenheit und so hatte ich schon gewonnen, bevor sie etwas sagte.

„Du weißt schon, dass Rhys mich umbringt, wenn ich dich mitnehme?“, sie sah mich scharf an.

„Ja“

„Na dann lass uns gehen“, ich grinste schwach und folgte ihr nach draußen.

Ich sah etliche Transporter wegfahren und sah mich nach Rhys um. Misha bemerkte meine suchenden Blicke.

„Er ist schon mit der ersten Truppe mit“, er klärte sie mir, dann stieg sie in den nächsten Transporter und ich ebenfalls.

 

Nach einer ganzen Stunde Fahrt in einem Tempo, dass sogar Rennfahrer beindruckt hätte, erreichten wir endlich den Stützpunkt. Wir stiegen sofort aus und die Truppe scherte auch sofort aus. Misha blieb direkt an meiner Seite. Von weitem kam jemand auf uns zugerannt.

An seiner Mimik konnte ich ablesen, dass alles schief gelaufen war.

„Wir sind zu spät gekommen“, er sah bedrückt auf den Boden. „Sie sind alle tot“

„Keiner hat überlebt?“, fragte Misha ungläubig. Der Mann schüttelte den Kopf und wir schweigen alle. Misha nahm mich bei der Hand und zog mich mit. „Wir suchen am besten mal nach Rhys und Luke“

Wir betraten jetzt das Gelände und ich sah mich um. Immer wieder entdeckte ich Blutspuren auf dem Boden oder an den Wänden und in meinem Bauch zog sich alles zusammen. Ich spürte wie Misha ihren Griff um meinen Arm verstärkte. Es nahm sie schwer mit.

„Wie viele haben hier gelebt?“

„Etwa 50 Erwachsene und 20 Kinder. Es ist nur ein kleiner Schutzbunker. Er ist erst hier errichtet worden nachdem das Rudel von Vampiren angegriffen worden war und sehr viele dabei getötet wurden und jetzt wurden sie wieder angegriffen!“, sie schniefte und versuchte ihre Fassung zu bewahren. Rechts und links befanden sich Wohnungen. Alle Türen waren geöffnet oder vollkommen aus den Angeln gerissen worden. Es war alles zerstört worden, aber man sah keine Leichen. Es war wirklich gruselig. Alles war so ruhig. Es war nichts zu sehen von den ganzen Leuten, die vorher noch mit den Transportern hier angerückt waren. Wir erreichten ein großes Gebäude und hier fanden wir auch die ganzen Truppen wieder. Misha und ich zwängten uns an ihnen vorbei und was ich sah, traf mich wie ein Schock. Die Bilder die ich vor einigen Tagen noch gesehen hatte waren nichts im Vergleich zu diesem Bild. Es sah grotesk aus. Überall lagen Leichen verstreut herum, manche saßen noch auf den Stühlen, manche hatten sie aufgehängt. Überall tropfte das Blut von den leblosen Körpern. Diejenigen die sie aufgehängt hatten wurden abgeschlachtete wie Tiere und ausgeblutet. Das Entsetzen stand in allen Gesichtern. Diejenigen die schon länger hier waren, hatten sich schon zur Aufgabe gemacht, die Leichen abzuhängen und zu verpacken, alle anderen mussten erst einmal mit der Situation zurechtkommen, ich eingeschlossen. Wie eine Statue stand ich dort, meine Augen weit aufgerissen und nicht imstande auch nur einen Schritt zu machen geschweige denn zu atmen. Ich spürte eine Hand an meiner Wange.

„Sophie? Ich glaube ich bring dich besser wieder hinaus“, ich kam langsam wieder in die Realität zurück und das Erste was ich sah war Rhys, wie er gerade Anweisungen an jemanden weitergab. Als derjenige ging wirkte er niedergeschlagen, aber der Zorn in seiner ganzen Haltung überwog alles andere. Wie wenn er meinen Blick bemerkt hätte sah er auf und sein Blick traf mich, hart und erbarmungslos. Er sah mich erst ungläubig an, kam aber kurz darauf bedrohlich zu uns.

„Was macht sie hier?!“, fuhr er Misha an und diese zuckte zusammen.

„Sie wollte helfen“, versuchte sie sich zu verteidigen.

„Helfen? Sie ist ein Mensch! Sie hat hier nichts verloren. Sieh sie dir doch an, sie steht unter Schock, wie soll sie damit jemandem helfen?“, erst nachdem mich Misha ansah realisierte ich, dass er mich gerade wirklich beleidigt hatte. Ich presste meine Zähne hart aufeinander und funkelte ihn an.

„Du hast vollkommen recht. Am besten gehe ich jetzt und packe meine Sachen. Wenn du zurückkommst bin ich weg“, sagte ich verächtlich, drehte mich um und verließ das Gebäude. Mit schnellen Schritten lief ich den Weg zurück, blieb aber abrupt stehen als ich plötzlich etwas hörte. Es war ein kratzendes Geräusch. Ich bog ab und folgte dem Geräusch. Hinter mir hörte ich jemanden meinen Namen rufen, aber es war mir egal. Ich rannte zwischen den Häuserblocks entlang und sah mich um, horchte auf das Geräusch. Es dauerte ein paar Sekunden bis ich es wieder hörte. Gebückt schlich ich weiter und stoppte vor einem kleinen Schuppen, der ziemlich verratzt aussah. Suchend sah ich mich um und entdeckte ein Loch in einer der Wände. Etwas Schweres war davorgeschoben worden um es zu verdecken. Beherzt packte ich zu und stemmte meine Beine in den Boden um es zur Seite zu hieven. Als ich es endlich geschafft hatte hörte ich etwas leise wimmern. Ich bückte mich um in dem kleinen Loch etwas erkennen zu können. Da sah ich zwei Augen aufblitzen.

„Ihr könnt ruhig heraus kommen. Ich tue euch nichts, versprochen“, sagte ich sanft. Meine Augen gewöhnten sich langsam an die Dunkelheit und ich konnte zwei kleine Gestalten ausmachen. Anscheinend getrauten sie sich nicht, aber wer konnte ihnen das auch verdenken. „Ich bin kein Vampir, ich bin ein Mensch“, sagte ich und streckte zaghaft meine Hand hinein, denn ich war mir sicher, dass sie es riechen konnten. Ich spürte eine kalte Nase an meiner Hand und sah verwirrt ins Loch. Ich zog meine Hand wieder heraus und dann sah ich endlich mehr. Es waren zwei kleine Wolfsjungen. Beide waren gleich groß. Sie sahen mich aus ihren funkelnden Augen an und mein Herz wurde mir schwer. Einer nach dem anderen kamen sie aus dem Loch heraus. Sie waren kaum größer als eine Katze. Beide sahen völlig verängstigt aus und zitterten wie Espenlaub. Ich streckte ganz langsam meine Hand aus und sie schmiegten ihre kleinen Köpfe dagegen. Unwillkürlich musste ich lächeln. Tränen brannten in meinen Augen und kurz darauf wollten beide auf meinen Schoß. Ich nahm beide auf meine Arme und trug sie den ganzen Weg zurück, als ich wieder jemanden meinen Namen schreien hörte. Als ich wieder auf dem ursprünglichen Weg war sah ich Rhys.

„Sophie! Gott sei Dank, ich hab mir Sorgen um dich gemacht“, sein Blick fiel auf die Welpen in meinen Armen.

„Wo hast du sie gefunden?“, er kam zu mir und strich behutsam über die kleinen Köpfe. In seinem Gesicht lag so viel Wärme, dass es mich ganz sprachlos machte. Meine Augen waren nun nicht mehr auf die Welpen in meinen Armen gerichtet, sonder nur noch auf Rhys, aber es dauerte nicht lange da war der Moment auch schon wieder vorbei. Ein paar Frauen kamen herbeigeeilt und ich gab ihnen die Kleinen. Sie sahen mich alle an, als wäre ich ein Engel, der von Gott persönlich geschickt worden war. Ich sah den Kleinen nach und war zufrieden mit mir, wenigstens etwas geholfen zu haben. Danach wanderten meine Augen wie von allein wieder zu Rhys und ich sah Stolz, Sorge und ein schlechtes Gewissen in seinen Augen.

„Es tut mir leid, ich hätte das nicht sagen sollen“, er seufzte. „Es ist nur so, dass ich mir Sorgen um dich gemacht habe und deshalb bin ich etwas wütend geworden“

„Weißt du Rhys, ich bin niemand der sich gern etwas vorschreiben lässt. Nach allem was ich mitbekommen habe, konnte ich einfach nicht tatenlos in meinem Zimmer herumsitzen und Däumchen drehen“, er seufzte.

„Ich weiß, aber du bist…“

„Ein Mensch, schon klar Rhys, das bedeutet aber noch lange nicht, dass ich zu nichts zu gebrauchen bin“

„Das wollte ich nicht sagen“, ich sah ihn fragend an. „Ich wollte sagen, dass du mir wichtig bist und ich deswegen nicht will, dass du dich in Gefahr bringst“

„Oh“, ich wurde rot, weil ich nicht wusste was ich dazu sagen sollte. „Ich bin trotzdem niemand, der brav Zuhause bleibt“, er grinste und streckte seine Hand aus. Ganz sanft fuhr er über meine Wange.

„Ich weiß, genau aus diesem Grund mag ich dich so“, er trat noch einen Schritt näher an mich heran und sah zu mir herab. Jetzt nahm er auch noch die andere Hand und legte sie an meine Wange. Sein Blick ruhte erst auf meinen Augen, dann sah er zu meinen Lippen. Er kam mir näher, sah abwechselnd zu meinen Augen, dann wieder meinen Mund an. Ich konnte jetzt seinen Atem auf meinem Gesicht spüren. Fast hatte er meine Lippen erreicht.

„Rhys!“, kam es um die Ecke geschossen. Derjenige kam um die Ecke und blieb abrupt stehen, als er uns so sah. Rhys seufzte genervt auf und ließ mich los, dann sah er zu dem anderen Mann. Dieser fühlte sich sichtlich unwohl in seine Haut und ich musste darüber grinsen, auch wenn ich etwas enttäuscht war, dass wir gestört wurden. In Gedanken, hatte ich seine Lippen schon auf meinen gespürt, ihn geschmeckt und mein Hände in seinen vollen Haaren vergraben.

„Was?“, kam es genervt von Rhys und ich grinste noch breiter. Wenigstens wusste ich, dass er genauso enttäuscht war, gestört worden zu sein.

„Ähm, wir brauchen noch ein paar mehr Transporter“

„In Ordnung, ich kümmere mich darum“

„Und du solltest dir noch etwas ansehen“

„Ich komme sofort“, der Mann nickte und verschwand mit schnellen Schritten. Rhys drehte sich zu mir herum und betrachtete mich entschuldigend.

„Geh nur, ich suche Misha“, sagte ich gleich. Er berührte mich schnell an der Wange und lächelte.

„Das holen wir nach“, sagte er eindringlich und verschwand dann um die Ecke. Ich konnte ihm nur sehnsüchtig hinterher starren. Bei dieser Hinteransicht war das aber auch nicht gerade fair. Mit einem kleinen Lächeln im Gesicht machte ich mich dann auf die Suche nach Misha.        

          

Kapitel 4

 

Mit einem Grinsen im Gesicht lief ich über den Parkplatz, wo Misha gerade mit vor der Brust verschränkten Armen dastand und mit ein paar anderen Leuten redete. Als ich bei ihr angelangt war sah sie zu mir und musterte mich grinsend.

„Anscheinend hat sich mein Sturkopf  von einem Bruder bei dir entschuldigt“

„Ja das hat er“, sie musterte mich genau, dann grinste sie, als ich unter ihrer Musterung rot wurde. Sie packte meinen Arm und schob mich etwas von den anderen weg.

„Ihr habt euch geküsst?“, fragte sie schon ganz begeistert und  ich sah sie abrupt an.

„Nein“, wehrte ich sogleich heftig ab und sie machte ein enttäuschtes Gesicht und sah dabei aus wie ein Kind, das seinen Lolli nicht bekommen hatte.

„Schade,  du wärst die erste Freundin von ihm, mit der ich mich verstehen würde“, meinte sie lachend und ich horchte auf.

„Wieso? Wie waren denn seine anderen?“, sie sah mich nachdenklich an und ich fragte mich gerade, ob sie mir etwas vorenthalten wollte. So sah sie nämlich gerade aus.

„Ja weißt du…“, sie fuhr sich nachdenklich durch ihre Haare.

„Misha, spuck es schon aus, bitte“, sie seufzte.

„Bis jetzt hatte er immer Werwölfinnen als Freundinnen und die sind immer gleich gestrickt gewesen“, ich sah sie abwartend an, weswegen sie seufzte. „Total selbstbewusst, von sich eingenommen, total die Tussis eben“, na super ich war das genaue Gegenteil davon. Ich sah an mir herunter. Ich war jetzt nicht mit einem Traumkörper ausgestattet, aber meine Maße waren vollkommen okay. Mein Klamottenstil war nicht so auffällig aber auch nicht zu gammelig. In Punkto schminken konnte ich auch nicht viel Kreativität und Können nachweisen, ich war schon zufrieden, wenn ich mir mal nicht mit der Wimpertusche ins Auge stach. Wie konnte ein Mann wie Rhys es war von einer Frau wie mir etwas wollen? Ich war bestimmt nicht diejenige an die er dachte, wenn er sich eine sexy Frau vorstellte. Ich biss mir auf die Unterlippe. „Hei Sophie, guck nicht so. Du bist wunderhübsch“, ich grinste schwach.

„Danke für deine Aufmunterung, aber ich weiß selbst, dass ich kein Model bin“, seufzend wandte ich mich ab, sah aber noch wie Misha, ihre Hand zur Faust ballte, auf ihren Schenkel schlug und Mist rief.

 Den Rest des Tages sah ich Rhys nur von weitem zu. Er war damit beschäftigt alles zu regeln und neue Sicherheitsmaßnahmen zu treffen, weswegen ich ihn auch nicht weiter störte. Mit Misha zusammen hatten wir den fleißigen Helfern etwas zu Essen und zu Trinken besorgt. In der anderen Zeit hatten wir die Beisetzungszeremonie vorbereitet. Ich hatte erfahren, dass es bei den Werwölfen keine Friedhöfe gab, weil die Toten nach einer alten Tradition verbrannt wurden und die Asche über einer Klippe verstreut wurde um ihnen die letzte Ehre zu erweisen.

Wir brauchten also Unmengen an Holz um die Zeremonie vorzubereiten, aber zum Glück hatten uns ein paar Männer geholfen. Ich war schon an einem mitteldicken Baumstamm gescheitert. Anscheinend musste ich ziemlich verzweifelt ausgesehen haben, denn ein Mann hatte den Baumstamm genommen und mich dann auf eine Bank gesetzt. Von wo aus ich ihnen jetzt wieder total nutzlos zugucken konnte.

Kurz bevor es Nacht wurde waren wir fertig mit den Vorbereitungen und alle versammelten sich wieder. Mittlerweile war das gesamte Areal durch Fackeln beleuchtet und die Toten auf dem Holz platziert worden. Überall um das Holz herum wurde gerade noch alles mit Blumen verziert und die letzten Feinschliffe gemacht.  Misha legte mir einen Arm um die Schulter und so standen wir da und warteten darauf dass es anfing. In dem Moment als sich alle einfanden und sich im Kreis um die Toten versammelten, kam ich mir irgendwie fehl am Platz vor. Ich hatte von dieser Zeremonie und den Bräuchen keinen blassen Schimmer. Als Rhys anfing zu sprechen löste ich mich von Mishas Umarmung und wollte wieder Richtung Villa laufen, aber Misha hielt mich am Arm fest.

„Wo willst du denn hin?“, ich sah sie ernst an.

„Ich gehöre nicht hierher“, ich sah wie sie mich nachdenklich musterte.

„Es ist vielleicht besser wenn du es dir von drinnen anguckst“, stimmte sie mir zu. Eigentlich hatte ich es locker nehmen wollen, aber es von Misha bestätigt zu bekommen, war wieder eine andere Sache. Ich drehte mich wieder herum und ging gekränkt zurück in die Villa. Mein Weg führte mich direkt in die Küche. Das Gefühl nicht dazu zu gehören war wirklich beklemmend und im Moment würde ich alles tun, damit ich mich nicht so einsam fühlen würde.

Nach einer halben Stunde hörte ich plötzlich Wölfe heulen und erschrak zu Tode. Schnell rannte ich ans Fenster und sah hinaus, aber die Zeremonie war zu weit weg. Ich sah nur den roten Schein der Fackeln am Waldrand und kurz darauf, wie ein Feuer aufloderte. Das Holz war angezündet worden. Die Wölfe stimmten ein Lied an, das klagend und voller Trauer war, sodass ich eine Gänsehaut bekam und meine Arme um den Körper schlang. Eine Träne rollte über meine Wange und tropfte lautlos auf den Boden. Plötzlich war ich froh allein zu sein, selbst das Licht hatte ich ausgelassen, damit ich draußen wenigstens das Feuer erkennen konnte. Ich saß Stunden am Fenster und wartete. Sie verbrachten den ganzen Abend draußen, warteten bis alles verbrannt war und warteten dann darauf bis die letzte Glut aus war. So hatte es mir Misha erklärt. Irgendwann war ich allerdings so müde und kaputt, dass ich mich dazu aufraffte nach oben in mein Bett zu gehen. Es war ein langer und anstrengender Tag gewesen und für heute versuchte ich meine Gedanken an Rhys und seine Exfreundinnen ruhen zu lassen. Morgen konnte ich mir schließlich immer noch den Kopf darüber zerbrechen.

 

Ich hatte grottenschlecht geschlafen und meine Versuche krampfhaft meine Augen zu schließen um wieder ins Reich der Träume abzutauchen schlug jedes Mal fehl, also stand ich widerwillig auf. Seit gestern Abend fühlte ich mich hier irgendwie unwohl. Ich war zwar hier willkommen, aber ich würde nie dazu gehören und genau das würde ein dauerhaftes Problem sein. Seufzend ging ich ins Bad um zu duschen, das hatte ich nach der Schweißarbeit von gestern bitter nötig.

Als ich aus der Dusche trat fühlte ich mich wie ein neuer Mensch. Schnell zog ich mich an und lief leise hinunter, weil ich niemanden wecken wollte, schließlich war es gerade einmal 7 Uhr morgens. Die meisten würden nach dem gestrigen Tag also bestimmt noch schlafen.

Meine Beine führten mich schon von ganz allein in den Wald. Ich brauchte heute diese angenehme und beruhigende Stille, die einem nur die Natur geben konnte. Wenn man die Augen schloss, sich auf die Geräusche, den Geruch von feuchtem Moos, den intensiven Duft von Tannen und den Wind konzentrierte, der einem sanft über das Gesicht strich, konnte ich mir nichts Schöneres vorstellen. Vorsichtig lief ich durch das Unterholz und versuchte meine Füße nicht um die nächstbeste Wurzel zu wickeln. Es dauerte eine Weile, bis ich endlich zu einer Lichtung kam, aber der lange Marsch hatte sich definitiv gelohnt. Seufzend setzte ich mich an einen Baumstamm, damit ich im Schatten war und sah auf den kleinen See direkt vor mir. Es war Traumhaft. Die Morgensonne ließ das Wasser wunderschön glitzern und der Wind trug kleine Wellen über das Wasser. Zufrieden schloss ich die Augen und musste wohl eingeschlafen sein, denn das Geräusch spritzenden Wassers weckte mich aus meinem schönen Schlaf. Ganz langsam lehnte ich mich nach vorne um ins Wasser gucken zu können. Ich sah etwas dunkelbraunes, doch dann wurde es plötzlich heller. Ich runzelte die Stirn und dann brach es aus dem Wasser in einiger Entfernung heraus. Mir blieb das Herz stehen, es war Rhys! Oh scheiße! Ich sah mich nach einem Versteck um, schnell schlüpfte  ich hinter den Baumstamm und versuchte mein wild klopfendes Herz wieder zur Ruhe zu bringen. Okay Sophie beweg dich einfach ganz langsam rückwärts, du wirst nicht nochmal einen Blick riskieren.  Mein Fuß bewegte sich schon in Richtung Rückzug, aber ich mein Unterbewusstsein wollte etwas anderes. Ganz langsam lugte ich hinter dem Baum hervor und mein Mund klappte bei dem Anblick auf. Er war vollkommen nackt in dem See und schwamm. Gut dass das Wasser so hoch war, denn wenn ich das unter der Wasseroberfläche auch noch gesehen hätte, wäre mein Herz wohl ganz zum Sillstand gekommen. Gut ich hatte das gemacht was ich nicht lassen konnte und trat einige Schritte zurück, dann drehte ich mich ganz um, blieb, der Teufel hatte es gesehen, an einer verdammten Wurzel hängen und fiel mit lautem Geknackse auf den Waldboden. Ich stöhnte auf, weil die Äste alles andere als gemütlich waren, setzte mich auf und schlug mir den Dreck von der Kleidung, als ich plötzlich zwei Füße in meinem Blickfeld sah. Oh nein.

„Sophie?“

„Ähm nein?“, er lachte und zog mich nach oben. Meine Augen weiteten sich bei seinem nackten Körper und ich konnte nicht verhindern, dass ich einen kurzen Blick auf sein bestes Stück warf, aber das konnte mir bestimmt niemand übel nehmen, ich war auch nur eine Frau. Als ich endlich stand und zu ihm hochblickte hatte mein Kopf wahrscheinlich schon einen Ton angenommen, der jede Tomate vor Neid erblassen lassen würde. Er musterte mich amüsiert.

„Was genau tust du hier?“, er zog eine Augenbraue nach oben, aber ich sah, dass er sich ein Grinsen verkneifen musste.

„Ich…ich hab…“, er sah mich fragend an, dann sah er an sich herunter und schien sich an etwas zu erinnern.

„Ich bin gleich wieder da, bleib genau dort stehen“, er verschwand um den Baum herum. Ein paar Sekunden später stand er angezogen wieder vor mir. „Geht’s jetzt wieder besser? Ich hab vergessen, dass du daran nicht gewöhnt bist, bei uns ist das halb so wild nackt vor jemand anderen zu stehen“

„Ich hab einen Spaziergang gemacht und bin am See eingeschlafen, nicht dass du denkst, ich hab dich beobachtet“, versuchte ich ernst zu sagen.

„Nein, natürlich nicht“, meinte er grinsend, ich seufzte.

„Du glaubst mir nicht“, stellte ich fest.

„Mir gefällt die Vorstellung, dass du mich heimlich beobachtet hast“, er trat einen Schritt näher an mich heran und sah mich wieder mit diesem Blick an, der in meinem Gehirn alle Synapsen außer Kraft setzte. Ich konnte nur noch an ihn, an seinen Mund, an seinen Duft und seine schönen Augen denken. Ganz langsam hob er seine Hand, legte sie an meine Wange und strich sanft darüber. Mir fuhren Schauer über den ganzen Körper und meine Atmung geriet ins Stocken. Für einen kurzen Moment schloss ich die Augen und genoss, das Gefühl, dass er mich berührte. Als ich sie wieder öffnete sah ich ihm genauso in die Augen, wie er mir immer. Intensiv und voller Emotionen. Er hatte mich blitzschnell im Nacken gepackt und an sich gepresst, dass ich mein Gleichgewicht verlor und auf ihn flog. Den Blickkontakt hatten wir kein einziges Mal unterbrochen und dann endlich nach so langer Zeit des Wartens, legte er seine Lippen auf meine. Seine Lippen waren genauso weich, wie ich sie mir immer vorgestellt hatte und so warm. Ich schmiegte mich enger an ihn und schlang meine Arme um seine Mitte. Ich spürte mein wild schlagendes Herz und in meinem Kopf drehte sich alles. Seine Lippen nahmen meine in Besitz und ich spürte seine Zunge, wie sie sanft über meine Lippen strich und um Einlass bat. Ganz langsam öffnete ich meine Lippen und sofort drang er in mich ein. Schlang seine heiße Zunge um meine, spielte mit ihr und trieb mich damit in den Wahnsinn. Es war der beste Kuss, den ich jemals hatte und das bei weitem. Ich konnte nicht genug bekommen und so küssten wir uns bis ich mich irgendwann von ihm löste. Sein Blick, als ich zu ihm aufsah verschlang mich mit Haut und Haaren und wieder hatte ich dieses unersättliche Verlangen ihn zu küssen. Er schlang grinsend seinen Arm um mich.

„Lass und wieder zum Anwesen gehen und was essen, was hältst du davon?“, ich lächelte.

„Das hört sich super an“, ich lehnte mich mit dem Kopf an seine Brust und genoss zum ersten Mal das Gefühl glücklich zu sein. Hoffentlich war es nicht nur ein flüchtiges Gefühl. Mein Blick fiel auf Rhys, der genauso glücklich zu sein schien und so versuchte ich meine Zweifel in die hinterste Ecke meines Bewusstseins zu drängen, denn dass dort das Thema mit seinen Ex-Freundinnen auch noch saß, war mir immer noch Bewusst.

 

Während wir gemeinsam frühstückten, warf mir Rhys immer wieder diese heißen Blicke zu, die mich rot werden ließen. Es war so verrückt. Passierte das gerade wirklich mir? Wahrscheinlich wachte ich gleich allein in meinem Bett auf, aber es geschah nicht. Nicht beim Essen, nicht nach dem Essen und als dann auch noch Misha herein kam, die Situation erfasste und kreischend auf uns zugehüpft kam, hatte ich kurz den Gedanken, dass es sich vielleicht auch um einen Albtraum handeln konnte. Es sprach sich also schnell herum, dass wir zusammen waren und ich wusste nicht, was ich davon halten sollte, denn einen Rückzieher konnte ich jetzt nicht mehr machen. Nicht dass ich daran gedacht hatte, aber ich hielt mir doch gerne immer alle Möglichkeiten offen und man wusste ja nie, wie sich das Ganze entwickelte. Schließlich wusste ich auch nicht, wie ernst Rhys das Ganze hier war und was es für ihn bedeutete, aber ich hatte mir erst einmal vorgenommen, mir darüber nicht allzu viele Gedanken zu machen. Trotzdem beschäftigte mich die ganze Zeit das Thema mit seinen Exfreundinnen. Machte es ihm nichts aus, dass ich kein Werwolf war? Das konnte ich mir einfach nicht vorstellen, denn Werwölfe waren einfach von Grund auf Familienorientiert. Stellte sich also die Frage, ob er mit mir überhaupt eine Familie gründen konnte oder wollte?

„Sag mal, für diese riesen Sorgenfalte auf deiner Stirn bin hoffentlich nicht ich schuld", meinte Rhys schmunzelnd und strich mit dem Daumen darüber. Erst jetzt kam ich wieder ins Hier und Jetzt zurück. Ich lächelte.

„Nein, nein, das sind nur Denkfalten", er zog eine Augenbraue nach oben und kam mir ganz nah. Ich musste meinen Kopf in den Nacken legen um ihm in die Augen sehen zu können. Mit einem Lächeln auf den Lippen sah ich zu ihm auf. Er sah mich dagegen ernst an.

„Dann lass uns mal dafür sorgen, dass du bald an gar nichts mehr denkst", ich sah ihn gespannt an, dann packte er mich blitzschnell im Nacken und küsste mich wild und hart auf den Mund. Es war aufregend und er hatte recht. Meine Gehirnzellen verwandelten sich gerade gefühlsmäßig in Matsch. Ich konnte nichts mehr denken, ich war nur noch imstande ihn zu fühlen, zu riechen und mich meinen Gefühlen ausliefern zu lassen. Die Kontrolle zu verlieren war keineswegs angsteinflößend, sie war berauschend und machte mich süchtig. Seine Hände wanderten von meinem Nacken zu meiner Taille und weiter. Er packte meine Oberschenkel und hob mich auf die Küchentheke. Instinktiv schlang ich meine Beine um seine Hüfte und drückte mich näher an ihn. Obwohl zwischen uns nicht einmal mehr ein Blatt Papier durch gepasst hätte, packte er meinen Hintern und drückte mich noch fester an sich. Zwischen uns knisterte es elektrisierend und um nichts in der Welt, hätte ich diesen Kontakt jetzt abgebrochen. Er war mehr als ich mir jemals erträumt hatte. Gedanklich hatte ich mich schon in einem langweiligen Leben mit einem langweiligen Ehemann gesehen, aber das hier, hatte so gar nichts mit Langeweile und Alltagstrott zu tun. Rhys war das pure Leben und ich war jetzt ein Teil davon und das würde ich auskosten.

„Ach du heilige Maria...", hörte ich plötzlich meine Mutter sagen und Rhys und ich fuhren augenblicklich auseinander. Mein Kopf schnellte herum und ich sah meine Mutter knallrot an.

„Ich hab mich ja schon gefragt, wann ihr übereinander herfallt, aber dass es so schnell geht hätte ich jetzt auch nicht gedacht", meinte meine Mutter und sah uns an, als erwartete sie eine Rechtfertigung von uns. Ich sah Rhys an, der einfach nur grinste.

„Musste der Kommentar jetzt sein?", genervt sah ich sie an. Sie zuckte leichthin mit den Schultern und grinste süffisant.

„Wenn es stimmt spricht nichts dagegen es auch auszusprechen", ich sah sie einfach nur an und schüttelte den Kopf. „Wie auch immer. Ich wollte dich eigentlich nur fragen, ob du mit mir in die Stadt gehst. Ich brauche neue Klamotten. Die Sachen von hier passen mir nicht richtig", ich holte gerade Luft um etwas zu sagen, aber Rhys kam mir zuvor.

„Auf gar keinen Fall geht ihr in die Stadt. Wir wissen nicht ob es schon sicher ist. Das Risiko können wir einfach nicht eingehen", meine Mutter sah ihn total überrascht an, denn er war nun richtig wütend. Mein Blick huschte über seine angespannte Haltung und ich fragte mich, ob es ihm wirklich nur um unsere Sicherheit ging oder ob etwas Anderes dahinter steckte, denn ich dachte schon lange nicht mehr wirklich daran, dass die Vampire sich noch für mich interessierten. Gut, vielleicht dachte ich das auch, weil ich ebenfalls schon länger wieder das Bedürfnis hatte mal wieder nach draußen zu gehen. Ich vermisste es selbst zu entscheiden, wo ich hin ging oder mit wem ich mich traf. Meine Freunde hatte ich schon lange nicht mehr zu Gesicht bekommen. Vor dem ganzen Theater war ich öfter am Wochenende mit ihnen in ein Kaffee, ins Kino oder Essen gegangen, aber das war auch schon der einzige Luxus den ich mir angesichts meines Gehaltes, das für uns so wichtig gewesen war gegönnt hatte. Die aufgebrachte Stimme meiner Mutter brachte mich wieder zurück und ich sah sie an.

„Aber was soll ich denn dann anziehen?"

Um ihren Ärger noch zu unterstreichen, verschränkte sie die Arme vor der Brust und sah ihn mit vor Wut funkelnden Augen an. Ich musste mir ein Grinsen angesichts des Anblicks den die beiden boten verkneifen. Denn meine Mutter war zwar älter als Rhys, aber mit seiner Größe überraget er sie bei weitem. Trotzdem ließ sie sich von ihm nicht mehr einschüchtern, was anfangs der Fall gewesen war. Ich hatte beobachtet, wie ehrfürchtig sie ihn angesehen hatte, aber nun seit ja ihre Tochter mit diesem Alphatier zusammen war, hatte sie ihre Scheu verloren.

„Bestell doch über das Internet!", warf Rhys ein, aber meine Mutter sah ihn nur verständnislos an.

„Über das was?", er wirkte verwirrt. Ich sah zu meiner Mutter.

„Wir haben dort doch auch mal was bestellt. Weißt du nicht mehr?", ich sah die Erkenntnis in ihren Augen, aber dann sah sie wieder stur aus.

„Ich werde nicht irgendwelche Klamotten bestellen ohne sie anprobiert zu haben", ich hob mir den Kopf und stöhnte.

„Wir sind gerade nicht in der Situation um uns darüber sorgen zu machen. Rhys hat recht, wenn uns etwas passiert nur weil du unbedingt eine Jeans in der Stadt kaufen wolltest, wäre das doch irgendwie dämlich ", ihr Mund öffnete sich und Schloss sich wieder, dann gab sie kleinlaut nach.

„Na gut, aber du bestellt. Ich kenn mich mit dem Teil nicht aus. Nachher kauf ich noch ausversehen was anderes"

„Keine Sorge ich helfe dir", sie lief voraus und ich warf einen letzten Blick zu Rhys. Wir sahen uns beide schmunzelnd an, dann folgte ich meiner Mutter den Gang entlang.

 

Mittlerweile war schon wieder eine ganze Woche verflogen, seit Rhys und ich zusammen gekommen waren. Wir unternahmen viel zusammen, zumindest wenn Rhys die Zeit dafür hatte. Er war öfter unterwegs gewesen um an den Treffen der Rudeln im Umkreis teilzunehmen. Dort wurde beraten wie es nach dem Angriff auf die Schutzbunker weitergehen sollte, aber leider wurden die Schuldigen immer noch nicht gefasst. Ich hatte ihn jedes mal wahnsinnig vermisst, aber natürlich hatte ich versucht es nicht nach außen zu zeigen, aber Misha hatte es durchschaut und alles dran gesetzt um meine Sorgen wegblasen zu können. Es war wirklich zum Teil urkomisch gewesen, aber man musste es ihr lassen, sie war sehr kreativ gewesen. Ich musste immer noch grinsen wenn ich daran dachte. „Wieso grinst du so?", fragte mich Rhys und lächelte mich von der Seite an. Ich schmiegte mich enger an ihn und lächelte. „Ach...nicht so wichtig", wir saßen gerade wieder an unserem Lieblingsplatz am See. Ich liebte es auf das Wasser zu sehen. Es sah einfach wunderschön aus, wie das Wasser durch die untergehende Spätsonne glitzerte. Um nichts in der Welt hätte ich diesen Moment gegen etwas Anderes eingetauscht. „Hab ich dir eigentlich schon gesagt, das morgen eine Zeremonie stattfindet?", ich drehte mich um und sah ihn an. „Nein hast du nicht", ich sah ihn abwartend an. „Jedenfalls möchte ich, dass du auch dabei bist und an meiner Seite teilnimmst", ich lächelte gerade bis über beide Ohren. Er wollte dass ich mit ihm zusammen an der Zeremonie teilnahm? Es war ein gutes Gefühl, dass er mich in die Bräuche der Werwölfe einführen wollte, denn ich hatte schon Bedenken gehabt, dass es ihm etwas Ausmachen könnte, dass ich eben ein Mensch und keine Werwölfin war. Und wieder musste ich blöderweise an seine Exfreundinnen denken. „Wieso findet die Zeremonie statt?", fragte ich neugierig und hoffte inständig, dass es sich nicht um irgendein Opferritual handelte. „Guck nicht so kritisch. Wir werden nichts töten", er lachte und fuhr mir spielerisch durch mein Haar. „Um dich zu beruhigen, es geht um die Aufnahme eines neuen Mitgliedes im Rudel" „Wie kann man sich denn dafür bewerben?", fragte ich grinsend. „Bewerben ist das falsche Wort. Er muss mir gegenüber seine Ehre erweisen und ich entscheide dann, ob er würdig ist bei uns aufgenommen zu werden" „Verstehe", Rhys löste sich von mir und ich richtete mich auf, doch im nächsten Moment wurde ich umgeworfen. „Hei, was soll denn das?", fragte ich lachend. Er stützte seine Arme rechts uns links neben meinem Kopf ab und sah mich grinsend an. Dann beugte er sich zu mir herunter und küsste mich Besitz ergreifend. Er presste mich mit seinem Körper auf den Boden, drang mit seiner Zunge in meinen Mund ein und raubte mir damit nicht nur meine Bewegungsfreiheit, sondern auch meinen Verstand. Ich schlang meine Arme um seinen Nacken und zog ihn noch näher zu mir heran. Als er meine Schenkel packte und an seine Seite presste stöhnte ich unterdrückt auf. Es war schon wieder so intensiv zwischen uns, dass ich Angst hatte vollkommen die Kontrolle zu verlieren. Für ihn war es völlig natürlich sich seinen Gefühlen und Instinkten hinzugeben, aber für mich war es schon schwieriger, denn ich konnte einfach nicht aufhören zu denken. Denn als ich spürte, dass er sich an meiner Bluse zu schaffen machte, war mir alles zu viel. Ich beendete den Kuss und er sah mir in die Augen um herauszufinden, was in mir vorging, aber ich sah ihn nur stumm an. Bei seinem Blick bekam ich nun mal nichts mehr raus. In seinem Blick lag so viel Verlangen, dass seine Augen wirkten, als würden sie von innen heraus glühen und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass meine nicht so aussahen, wahrscheinlich eher etwas verängstigt. Er beugte sich an mein Ohr. „Ich halte es kaum mehr aus. Gib dich mir hin Sophie", ich runzelte die Stirn. Ich sollte mich ihm hingeben? Wie sich das anhörte?! Als ob ich dadurch alles offen legte und meine Freiheit verlieren würde. In meinem Magen bildete sich ein Kloß. Bei den Vampiren hatte ich mich damals auch bis auf die Unterwäsche ausziehen müssen. Ich hatte mich so schäbig und ausgeliefert gefühlt. Wenn ich daran zurückdachte überkam mich die Scham von neuem. Aber das war kein Vampir der mich jetzt ansah, das war Rhys und er wollte mich, aber war ich schon so weit? Anscheinend nicht, wenn ich erst Stunden darüber nachgrübeln musste. Jetzt wollte er bestimmt eine Antwort, zumindest sah er mich abwartend an. Mein Mund öffnete sich, aber mir fiel einfach nichts ein, was ich hätte sagen sollen. Ja? Nein? Vielleicht...irgendwann? Wohl eher nicht. Er musterte mich intensiv, dann sah er mich mit gerunzelter Stirn an. „Was ist los? Wieso schaust du mich so komisch an?" „Ich schau dich nicht komisch an", versuchte ich mich zu verteidigen. Er zog eine Augenbraue nach oben und sah mich zweifelnd an. Ich verschränkte meine Arme vor der Brust, aber das brachte ihn nur zum Grinsen. Gut, ich gab es ja zu, auf dem Boden liegend, sah das bestimmt nicht so aus wie ich mir das vorstellte. Er lachte und beugte sich wieder zu mir herunter. Seine Lippen nahmen meine schon wieder in Besitz und ich hatte das Gefühl einen Stromschlag zu bekommen. Und wieder ging alles von vorne los. Wir umschlangen uns mit Händen und Füßen und konnten gegenseitig nicht genug vom anderen bekommen. Ohne dass ich es bemerkt hatte, hatte er die Knöpfe meiner Bluse geöffnet und strich über meinen Bauch bis zu meinem Rücken. Er presste mich an sich und vergrub sein Gesicht an meinem Hals. Als er mich dort küsste erschauerte ich. Das hatte sich gut angefühlt. Seine Hände wanderten weiter zu meiner Hose und versuchten meinen Gürtel zu öffnen, aber ich hielt ihn auf. Ich starrte auf meine Hände, die seine umklammerten um ihn aufzuhalten und erst jetzt wurde mir bewusst, dass er eine Erklärung verlangen würde. Aus diesem Grund konnte ich jetzt meinen Blick nicht heben. Ich wollte nicht seinen fragenden Gesichtsausdruck sehen und auch nicht diese Stirnfalte, die er immer hatte wenn er angestrengt über etwas nachdachte. „Sophie?", ich sah von den Händen zum Gras neben uns. Oh man, wie kam ich da jetzt wieder heraus? Es lag nicht daran, dass ich es nicht wollte. Ich wollte es ja, aber irgendetwas hinderte mich daran es einfach zu tun. Gut ich hatte schon eine Vermutung, aber daran dachte ich nicht so gerne zurück. „Schau nicht das Gras an, schau mich an", ich presste meine Lippen aufeinander. „Ich hab gesagt du sollst mich ansehen!", ich zuckte zusammen, jetzt war er wütend. Ich seufzte und hob meinen Blick. Als mich seine Augen trafen, sah ich allerdings keine Wut. In seinem Blick sah ich, dass er sich sorgen machte. „Rede mit mir. Ich kann keine Gedanken lesen", ich nickte, setzte mich auf und schloss die Knöpfe meiner Bluse, dann sah ich ihn wieder an. Wo sollte ich bloß anfangen?

 

Ich atmete tief durch. Sein Blick ruhte auf mir, das spürte ich, aber irgendwie fand ich meinen Mut gerade nicht mehr. Bei diesem Thema war ich sehr zurückhaltend, das wusste ich. Denn es war das einzige Thema bei dem ich mich irgendwie hilflos fühlte und es war mir unangenehm. Plötzlich spürte ich seine Hand unter meinem Kinn. Er hob meinen Kopf an, damit ich ihn ansehen musste. „Du kannst mit mir über alles reden", ich lächelte schwach. „Ich weiß gar nicht wie ich es dir sagen soll", ich sah ihn gequält an. Er musterte meine Gesicht und schien über etwas nachzudenken. „Sag mal, kann es sein, dass du noch nie...?", ich sah ihn erst verwirrt an, bevor ich begriff, was er mich da gerade fragen wollte. „Oh Gott nein, das ist es nicht", er nickte, sah aber jetzt irgendwie noch nachdenklicher aus. „Was dann?", er wurde ungeduldig, ich konnte es ihm kaum verübeln, also seufzte ich noch einmal und sah ihm in die Augen. „Ich habe nicht gerade die besten Erfahrungen gesammelt oder wohl eher viele schlechte", er zog die Brauen zusammen. „Was genau meinst du damit?", ich räusperte mich und strich mir nervös durch die Haare. „Können wir nicht später darüber reden? Mir ist gerade eingefallen, dass ich Misha noch bei etwas helfen muss", ich sprang auf und wollte schon los laufen, als mich zwei Arme von hinten packten. „Du glaubst doch wohl nicht, dass du so einfach aus der Sache heraus kommst", ich versteifte mich. Einen Versuch war es Wert gewesen. Er drehte mich zu sich herum und nahm ganz sanft mein Gesicht in seine Hände. Behutsam strich er über meine Wange und blickte mich vertrauensvoll an. „Du erzählst mir jetzt alles und keine Ausreden mehr, okay?", er sah mich abwartend an, dann nickte ich. „Okay", wir setzten uns wieder ins Gras und so wie es aussah musste ich da jetzt durch, auch wenn es peinlich werden würde. „Ich fange am Besten mal am Anfang an. Vor ein paar Jahren als ich bei meiner ehemaligen Firma angefangen habe, war es für mich anfangs sehr schwer einen Platz in dieser Firma zu finden, aber ich lernte dort jemanden kennen, der wirklich nett zu mir war. Er half mir bei meinen Aufgaben und erklärte mir die wichtigen Abläufe. Nach ein paar Wochen sind wir das erste Mal ausgegangen und es lief wirklich gut. Wir sind uns näher gekommen und ich dachte er wäre mein Traummann, aber da hatte ich mich schwer getäuscht...", ich hielt inne und beobachtete Rhys' Reaktion, aber er sah mich nur mit diesem ernsten Blick an. „Erzähl weiter", ich atmete tief ein und aus und fuhr fort. „Ich habe meinen Fehler erst bemerkt, als er seine Fangzähne in meinen Hals gebohrt hatte. Natürlich habe ich Panik bekommen und wollte ihn von mir stoßen und ihn aus meiner Wohnung schmeißen, aber gegen einen Vampir hab ich nun mal keine Chance gehabt. Er hat zu meinem Boss gehört und so wussten am nächsten Tag natürlich alle bescheid. Es war wirklich demütigend und so nahm das Ganze seinen Lauf. Ich musste ihnen ständig als Blutbank zur Verfügung stehen und sie wollten mich überall beißen. Es war schrecklich", ich senkte meinen Blick und spürte kurz darauf, wie Rhys seine Arme fest um mich schlang und mich an seine Brust drückte. Ich krallte mich an ihn und versuchte meine aufkommenden Tränen zurück zu halten. „Jetzt verstehe ich endlich warum du so einen Hass gegenüber allem Übernatürlichen hattest, aber ich verspreche dir, das dir niemand mehr etwas antun wird, dafür werde ich sorgen", es tat mehr als gut, dass endlich jemand erzählt zu haben, auch wenn ich eine Kleinigkeit ausgelassen hatte. Der Vampir hatte mir nämlich nicht nur in den Hals gebissen, aber das konnte ich Rhys unmöglich erzählen. Er sah jetzt schon so wütend aus. Also konnte das auch noch warten. Für mich war es jedenfalls schon ein großer Schritt gewesen, ihm dieses dunkle Kapitel aus meiner Vergangenheit anzuvertrauen und die andere Sache würde ich früher oder später auch noch erzählen können. Wir saßen noch eine Zeit lang am See, aber irgendwann hatte mein Magen geknurrt und so machten wir uns auf zur Küche. „Was möchtest du?", ich sah an Rhys vorbei in den Kühlschrank. „Da drin ist ja nur Fleisch!", ich sah Rhys enttäuscht an. Er lachte bei meinem Gesichtsausdruck. „Wir sind Werwölfe und wir lieben Fleisch" „Ja, das ist nicht zu übersehen", sagte ich schmunzelnd. „Also ich verzichte. Mir ist Toastbrot lieber", ich wandte mich um. Kurze Zeit später saßen wir am Esstisch, aber die Stille hielt nicht lange. Ich hörte Misha meinen Namen schreien und sah Rhys fragend an. Er zuckte nur mit den Schultern und kaute weiter an seinem Steak. Dann kam auch schon Misha in die Küche gestürmt. „Da bist du ja! Ich hab dich überall gesucht!", sie stemmte ihre Hände in die Hüfte und sah mich tadelnd an. Ich konnte nur grinsen. „Was gibt es denn so wichtiges?", sie sah mich mit einem Blick an, der die pure Unglaubwürdigkeit darstellte. „Hast du etwa nicht mitbekommen, dass morgen die Zeremonie stattfindet?" „Doch, schon, wieso?", ich biss von meinem Toast ab und sah sie fragend an. „Ich glaub es nicht! Was wolltest du denn anziehen?", ich schluckte mein Essen herunter und warf einen Blick auf meine Klamotten, dann sah ich wieder Misha an. „Oh nein! Auf gar keinen Fall!", sie kam zu mir gestapft, schnappte sich meinen Teller und meinen Arm und zog mich mit sich. Sie wandte sich an Rhys. „Du bekommst sie später wieder!", Rhys konnte uns nur noch verblüfft hinterher starren.

 

 

Ich stand in Misha's Zimmer oder sollte ich besser Wohnung sagen? Es war genau so eingerichtet wie ich es mir vorgestellt hatte. Es war sehr stylisch und modern und man konnte genau erkennen, welche Farben hier dominierten. Pink und lila. Nicht gerade meine Lieblingsfarben, aber zu Misha hätten keine anderen gepasst. Sie war eben doch eine Vollblutfrau. Kritisch beobachtete ich Misha nun, wie sie in ihrem Kleiderschrank nach dem perfekten Outfit für mich suchte, zumindest hatte sie das so gesagt, bevor sie vor zehn Minuten in ihren begehbaren Kleiderschrank gestürzt war. Nun sah ich die Kleider und Schuhe nur so durch die Gegend fliegen, begleitet von ein paar Flüchen ihrerseits. Wenige Sekunden später kam sie mit einem Haufen Kleider über dem Arm auf mich zu und lächelte schon voller Freude. Ich zog nur die Augenbrauen nach oben und begutachtete was sie mir gerade hin hielt. „Hast du auch etwas mit weniger Ausschnitt?", sie funkelte mich mich an. „Ach komm schon Sophie, wir sind doch hier nicht im Kloster! Zieh das jetzt an. Du wirst sehen, dass es gar nicht so nuttig aussieht", ich seufzte und nahm ihr zweifelnd eins der Kleider ab. Schnell zog ich mich aus und schlüpfte in das Kleid. Ich kam hinter der Ecke hervor und Misha betrachtete mich wie ein Gemälde, legte den Kopf schief und tippte sich immer wieder auf die Lippen, als würde sie nachdenken. „Und?" „Hm, also blau ist nicht so deine Farbe. Versuch es mal mit dem hier", sie reichte mir ein knallgelbes, was mich eher daran erinnerte, dass ich lieber draußen in der Sonne sitzen würde, als hier drin zu sein und Modenschau zu spielen. Trotzdem zog ich es brav an und führte es vor. Sie schüttelte gleich den Kopf. „Nein, das ist auch nicht das Richtige für dich", und schon reichte sie mir das Nächste. Nach dem fünften konnte ich meine miese Laune wegen der Anprobe nicht mehr verbergen. „Okay, okay, okay, ich glaub ich hab jetzt das Richtige für dich", sie gab mir ein Olivgrünes, was mir von der Farbe her schon ziemlich zusagte. Es fühlte sich wunderbar auf der Haut an und als ich nun vor Misha trat hellte sich urplötzlich ihr Gesicht auf. „Das ist es!", na Gott sei Dank. Noch ein Kleid und ich wäre nackt gegangen. Zufrieden zog ich es aus und lief erleichtert zu ihr. „Und jetzt die Schuhe!", schrie sie erfreut. Oh nein.

Zwei Stunden später...

Mittlerweile waren wir bei meiner Frisur für morgen und ich hatte langsam mühe meine Augen offen zu halten so anstrengend fand ich das Ganze. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie es wäre, wenn ich Misha die Planung meiner Hochzeit überlassen würde, aber dazu musste es erst einmal kommen. Plötzlich klopfte es an der Tür. Kurz darauf lugte Rhys hinter der Tür hervor. „Ich wollte nur mal sehen was ihr so lange treibt", als er mich fand und meine Stimmung wahrnahm, musste er sich das Lachen verkneifen. „Du wirst morgen deine Freundin nicht wiedererkennen!", meinte Misha stolz mit einem Funkeln in den Augen. Rhys und ich tauschten Blicke aus und ich wusste was er dachte. Hoffentlich übertrieb sie es nicht. „Da bin ich ja mal gespannt, aber jetzt musst du dich leider von deinem Projekt trennen", Misha ließ seufzend die Bürste fallen und sah mich an. „Bis morgen", meinte sie lächelnd und schon war ich aufgesprungen, schnappte mir Rhys und schob ihn nach draußen. „Da hat es jemand aber eilig wegzukommen!", sagte er lachend und musterte mein Gesicht amüsiert. „Du brauchst gar nicht so blöd lachen. Ich will dich sehen, wenn du Stundenlang irgendwelche Kleider und Schuhe anprobieren musst", er sah mich einfach nur an und strich mir dann über die Wange. „Sobald die Zeremonie anfängt, wirst du an so etwas gar nicht mehr denken. Es wird dir bestimmt gefallen", jetzt lächelte ich auch und nur eine Sekunde später lagen seine weichen Lippen auf meinen. Oh Gott, dass hatte ich jetzt gebraucht. Ich schmiegte mich an ihn, wollte den Kuss noch weiter vertiefen, aber er ließ von mir ab und sah mich wieder so gierig an. „Wir sollten ein bisschen langsamer machen, sonst kann ich mich bald nicht mehr bremsen", ich sah ihn verwirrt an. Er fing meinen Blick auf und seufzte. „Ach Sophie, wenn wir uns so intensiv küssen dann bekomme ich Lust auf mehr und kann mich eventuell nicht mehr zurückhalten. Wir Werwölfe werden mehr von Trieben gesteuert und ich will dich zu nichts zwingen oder dich vielleicht sogar dadurch verletzen", ich nickte, fand es aber dennoch schade, dass er auf Abstand ging. Wieso musste es auch immer so kompliziert sein? Wir liefen den Gang weiter und ich griff nach seiner Hand, verflocht meine Finger mit seinen und sah ihn dann an. Er grinste natürlich und ich wurde rot. „Du bist so süß", Gott war das kitschig, aber ich war so glücklich, dass ich gar nicht anders konnte als den Moment zu genießen und langsam freute ich mich sogar auf das Fest. Mit einem Mann wie Rhys an meiner Seite konnte ja kaum etwas schief gehen, oder?

 

 

 

Impressum

Texte: Ally M.
Bildmaterialien: Die Bilder sind aus Google und von mir bearbeitet worden:)
Tag der Veröffentlichung: 05.06.2013

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