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Der Traumleser



Ich bin 44 und Teilhaber einer gut gehenden Hochzeitsagentur in New York. Genau gesagt bin ich Hochzeitsmanager, sozusagen ein professioneller Tafelmajor. Sie hören ganz recht. Meine Geschäftspartnerin und ich organisieren alles rund um den schönsten Tag im Leben, machen damit viele Menschen glücklich und verdienen auch noch reichlich unseren Lebensunterhalt. Früher hätte ich gesagt, ich sei durch eine Reihe von Zufällen zu diesem privilegierten Job gekommen. Nachdem ich Ihnen aber meine Geschichte erzählt haben werde, werden Sie mir sicher zustimmen, dass man es durchaus auch als Vorsehung bezeichnen könnte.

Meine Geschichte beginnt im Sommer 1999 mit dem Ende eines BusinessSeminars in einem Indianer-Reservat irgendwo in der Prärie. Ich erinnere mich daran als wäre es gestern gewesen. Wir sassen um ein riesiges Lagerfeuer zusammen mit einem alten Indianer, der eine Pfeife mit traditionellen indianischen Schnitzereien rauchte. Nachdem er einige Minuten schweigend daran gezogen und uns reihum einer nach dem anderen gemustert hatte, nahm er die Pfeife aus dem Mund. Es war ein sonderbares Gefühl, in die Augen des Greises zu blicken. Man tauchte in ein Meer von Weisheit und Wissen. Gleichzeitig schien er regelrecht einen Scannerblick zu haben, mit dem er in uns lesen konnte, wie in einem Buch – eine sonderbare aber überaus faszinierende Erfahrung.

Wir sassen schon eine ganze Zeitlang um dieses Feuer, dessen fliegende Funken sich nahtlos in den Sternen auflösten. Ich spürte, wie jeder von uns die Stille genoss, in der nur das Knistern des Feuers und in der Ferne einige tierische Laute aus der Prärie zu hören waren. Diese Ruhe hatte für uns alle etwas Befremdliches, kannten wir doch sonst nur unseren hektischen Alltag mit Meetings, Cocktailpartys, Businessplänen, Umsatzzahlen und all’ dem Kram rund ums Geschäft. Schliesslich war dies letztlich der Grund, der uns hergeführt hatte: Business. Hier draussen in der Wildnis sollten wir unser Strategie-Seminar beenden. Mal was anderes, hatte es geheissen. Wir waren erstaunt gewesen, als uns Rayon bekannt gegeben hatte, wo unser Seminar enden sollte – in diesem Indianer-Reservat, immerhin fast 200 km von unserem Seminarhotel entfernt. Wir witzelten über die Idee unseres Chefs, der uns ankündigte, mit dem alten Weisen des Stammes zusammenzutreffen, um „seine Weisheit in unseren beruflichen Alltag“ einbinden zu können. Was sollte so ein alter Indianer denn schon wissen über das Business der Telekommunikation. Da waren schliesslich wir die Profis. Wir, das waren die Mitglieder der Geschäftsleitung von Intercom, einer Firma, die sich auf Nischenprodukte in der Telekommunikation spezialisiert hatte und damit gutes Geld verdiente. Ich selbst leitete damals den Verkauf. Da sich die Firma ständig neue Märkte erschloss, führte Rayon zweimal im Jahr diese Business-Seminare durch, die jeweils eine Woche dauerten und dazu dienten, unsere Strategien zu überprüfen. Diese Seminare fanden immer in einem anderen Hotel statt und waren randvoll mit Meetings, die oft bis in die späten Abendstunden dauerten. Es waren also reine Stresswochen. Dass wir jetzt in Lagerfeueratmosphäre und in Angesicht eines alten Indianers sassen, war für uns alle zu Beginn der Woche noch undenkbar gewesen. Doch nun schienen wie gesagt alle von uns diese mystisch anmutende Szene zu geniessen.

Bis jetzt hatte der Indianer geschwiegen und in die Tiefe des Feuers geblickt, als könnte er dort die Zukunft sehen oder aus der Vergangenheit lesen oder weiss ich was finden. Sein Alter war kaum zu schätzen. Seine Haut schien aus gegerbtem Leder zu sein und die zahlreichen Narben verrieten, dass seine Zeit nicht immer so ruhig und sanft gewesen war, wie gerade in diesem Augenblick. Nun begann er zu sprechen mit einer Stimme, die einen unweigerlich in ihren Bann zog und die das Feuer noch heller erscheinen liess, als es ohnehin schon war.

„Ich erzähle Euch die Geschichte eines Mannes, der über eine Gabe verfügte, über die nur ganz wenige Menschen verfügen. Er war ein Traumleser. Er konnte sein Leben in seinen Träumen lesen, noch bevor es überhaupt passierte. Wenn immer er eine wichtige Entscheidung zu treffen hatte, ging er sobald die Sterne am Himmel leuchteten, hinaus in seinen grossen Garten, zündete ein Feuer an und bat seine Träume darum, sie mögen ihm Antworten auf seine Fragen schenken, damit seine Entscheidung weise ausfalle. Manchmal träumte er daraufhin in der nächsten Nacht und wusste am Morgen, was zu tun war. Oft aber waren es viele Abende hintereinander, an denen er in seinem Garten Feuer machen musste, bis er in seinen Träumen eine weise Antwort lesen konnte. Wenn der Mann von anderen Menschen träumte, passierte es häufig, dass ihm diese irgendwann später im Leben tatsächlich begegneten. Da der Mann oft und gerne auch anderen von seiner Gabe erzählte, dauerte es nicht lange, dass Menschen ihn aufsuchten, um ihn um Rat zu fragen, wenn sie eine wichtige Entscheidung zu treffen hatten. Der Mann half diesen Menschen auf die gleiche Art und Weise, wie er selbst Entscheidungen zu treffen pflegte. Er bat seine Träume um Antworten, seine Träume lieferten sie ihm. So wurde der Mann schnell in der Umgebung bekannt für seine weisen Ratschläge, mit denen er schon vielen Menschen zu einem besseren Leben verholfen hatte. Durch seine Arbeit mit den Menschen stellte der Mann eines Tages voller Verwunderung fest, dass er noch über eine zweite, ausserge-wöhnliche Begabung verfügte: Er erkannte Menschen, die einen guten Geist in sich trugen. Er sah es einerseits an ihrem Lächeln, welches etwas heller schien als jenes gewöhnlicher Menschen und andererseits am Lichtschimmer, den sie alle gemeinsam um ihre Schultern trugen, als hätte ein Engelsschlag sie dort berührt, noch bevor sie geboren worden waren. Der Mann erkannte die guten Geister unabhängig des Geschlechts, der Hautfarbe oder des Alters. Ein zehnjähriger Chinesenjunge gehörte genauso dazu wie die Serviertochter einer Frühstücksbar, ein arabischer Gemüsehändler genauso wie ein Tamilenmädchen und sogar ein wegen kleinerer Delikte vorbestrafter junger Mann, der mit seinem Leben trotz seiner Gabe nicht zurechtzukommen schien. So unterschiedlich all’ diese Menschen sein mochten, eines hatten sie alle gemeinsam: Sie trugen einen guten Geist in sich. Der Mann sah schnell, dass sich daraus viel positives Potential gewinnen liesse und er begann, diese besonderen Menschen zusammenzuführen. Erstaunlich für ihn zu sehen war, wie gut sich diese Menschen auf Anhieb verstanden und gegenseitig ergänzten. Es geschahen die erstaunlichsten Dinge: Es entstanden Paarbeziehungen und ewige Freundschaften, Kameradschaften und lose Verbindungen, ja sogar Chat-Rooms, die sie sich einrichteten, um miteinander in Kontakt zu bleiben. Gleichzeitig begann sich das phänomenale Potential dieser Menschen zu entfalten. Daraus entwickelten sich unzählige Ideen und Taten, welche alle dasselbe Ziel verfolgten: Die Welt ein kleines bisschen zu verbessern. Es entstanden Hilfsaktionen für Bedürftige, organisierte Freundschaftsdienste, Teams für Lebensberatungen, Kreativgruppen für Problemlösungen aller Art und vieles mehr. Noch viele Jahre setzte der Mann seine Arbeit mit den Menschen fort. Als er schliesslich diese Erde verliess, hatte er viel Licht ins Leben zahlreicher Menschen gebracht.“

Inzwischen war das Lagerfeuer so weit niedergebrannt, dass rotgolden leuchtende Glut die nur noch spärlich lodernden Flammen überwog. Gebannt hatten wir dem Häuptling bis jetzt zugehört. Der Indianer beendete seine Erzählung damit, dass er seine Pfeife wieder in den Mund steckte und mit einem Ast, der zur Hälfte in der Glut gesessen hatte anzündete. Wir schwiegen eine Weile, bis einer schliesslich fragte: „Und jetzt, was sollen wir damit anfangen?“ Wir alle sahen den Indianer fragend an. Dieser nahm einen kräftigen Zug und antwortete: „Achtet auf Eure Träume und Ihr werdet Antworten finden.“ Dann stand er auf, verabschiedete sich mit einer kleinen Verneigung und verschwand in der Dunkelheit. Etwas ratlos blieben wir noch einige Augenblicke am Feuer sitzen, ohne dass jemand ein Wort sprach. Auch auf der Rückfahrt zum Hotel hing jeder schweigend seinen Gedanken nach. So endete dieses Business-Seminar. Damals wusste ich noch nicht, welche ungeahnten Folgen dieser Abend am Lagerfeuer für mein weiteres Leben haben würde.

Ich verlor in der folgenden Zeit nicht allzu viele Gedanken über die Geschichte des alten Stammesführers. Einzig auf meine Träume begann ich zweifellos mehr zu achten. Ich begann sogar, mir ein paar Notizen zu machen, wenn mich ein Traum besonders beeindruckt hatte. Je mehr ich mich mit meiner Traumwelt befasste, desto intensiver und bildreicher wurde sie. Dies ging so weit, dass ich mich abends mit Freude auf das nächtliche Geschehen in meinem Unterbewusstsein ins Bett legte. Es wäre mir damals fern gelegen, meine Träume auf irgendeine Art und Weise zu interpretieren oder gar zu deuten. Ich beschränkte mich darauf, die Inhalte kurz zu notieren, damit ich mich auch später wieder daran erinnern würde. Einer dieser Träume wiederholte sich in regelmässigen Abständen und lief bis in alle Details jedes Mal identisch ab. Er begann jeweils damit, dass ich mit meinen Kindern den Zoo besuchte, wohl als Folge eines weiteren Vorsatzes, mir mehr Zeit für sie zu nehmen. Wir standen vor dem Gehege der Pandabären, die meine Kinder und auch mich besonders fesselten. Die sanften Bewegungen dieser Kolosse, der friedliche Ausdruck ihrer Gesichter und die wunderschöne Zeichnung ihres Pelzes begeisterten uns, nicht nur in der Traumwelt, sondern auch in Wirklichkeit. Ich stand also mit meinen Kindern am Rande dieses Freilaufgeheges und wir beobachteten die Pandas beim Fressen frischer Bambusblätter. Plötzlich tauchte mitten aus dem Dickicht aus Bambuspflanzen und anderen tropischen Gewächsen eine kleine Gestalt auf, die ein langgeschnittenes Seidengewand trug, welches um die Hüfte mit einem Gürtel aus goldenem, feinstem Seidenstoff zusammengebunden war. Auf dem Kopf trug sie einen breiten, geflochtenen Strohhut, wie ihn asiatische Reisbauern bei der Ernte als Sonneschutz verwenden. Zu meinem Erstaunen rief die Gestalt meinen Namen und deutete mir mit einer Geste an, ich solle zu ihr rüberkommen. Ich zögerte, da uns ja die Umrandung des Geheges und ein rund fünf Meter tiefer Graben voneinander trennten, auf dessen Innenseite allerdings eine Leiter nach oben ins Gehege führte. Ausserdem hatte ich keine Ahnung, welche Reaktion ich bei den Pandas auslösen würde, wenn ich einfach in ihr Territorium eindringen würde. Die Gestalt, die in meinem Traum jeweils auf einem kleinen Felsen Platz nahm, nachdem sie aus dem Dickicht getreten war, deutete mir nochmals energisch an, ich solle zu ihr rüberkommen. Ich suchte den Blick meiner Kinder und zu meinem Entsetzen wiesen mich alle drei mit unmissverständlicher Geste an, der Aufforderung Folge zu leisten. Also sprang ich voller Respekt über die Begrenzung des Geheges hinunter in den Graben. Der Aufprall aus gut fünf Metern Höhe konnte mir nicht das Geringste anhaben. Über die Leiter erreichte ich den Auslauf der Pandas und im Nu stand ich vor der Gestalt im seidenen Gewand. An ihrer Haltung merkte ich, dass es sich um einen älteren Mann handelte. Den Strohhut hatte er weit ins Gesicht gezogen, weshalb es im Schatten lag, der so dunkel war, dass ich es nicht sehen konnte. Ich merkte aber, dass mich der Alte musterte und mir sehr freundlich gesinnt war. Wortlos überreichte er mir ein kleines Päckchen aus altem Zeitungspapier, welches mit einer verfilzten Bastschnur zusammengebunden war. Ich blickte kurz auf das kleine Paket, wollte dem Alten einen fragenden Blick zuwerfen und stellte erstaunt fest, dass dieser zusammen mit den Pandas verschwunden war. Ich sass auf dem kleinen Felsen und öffnete neugierig das Paket. Darin fand ich eine alte Uhr mit einem Lederarmband. Ich blickte auf die Uhr und sah, dass sie weder ein Ziffernblatt noch Zeiger hatte. Ich drehte sie um und bemerkte eine in kleinen Lettern eingeprägte Inschrift. Ich polierte das Metall, um sie besser lesen zu können: „Wer Meister seiner Zeit ist, ist nie mehr zeitlos.“ Damit endete jeweils mein Traum und ich erwachte.

In dieser Zeit des Träumens begann es in der Telekommunikation zu kriseln. Nahezu von heute auf morgen sahen wir uns mit massiven Einbrüchen im Auftragseingang konfrontiert. Das Business wurde härter. Die Verkaufszahlen purzelten in den Keller und meine Abteilung verfehlte zwei Jahre hintereinander die Budgetvorgaben bei weitem. Ich stand enorm unter Druck. Als auch die folgenden Quartalsergebnisse weit unter den Erwartungen zurückblieben, eröffnete mir Rayon das Unausweichliche: Ich würde als Verkaufsmanager abgelöst und nach Europa versetzt, wo ein Posten in einer leitenden Marketingfunktion neu zu besetzen war, was für mich aber schon wegen meiner Familie keine echte Alternative war. Rayon gab mir zwei Wochen Bedenkzeit.

Wenige Tage danach, es war ein nasskalter Herbsttag, blieb ich mit meinem Wagen mitten in Chinatown auf irgendeiner Kreuzung hängen. Der Regen prasselte auf meine Windschutzscheibe, mein Auto machte keinen Wank mehr, sehr zum Ärger der anderen Verkehrsteilnehmer. Es blieb mir nichts anderes übrig, den Wagen mit Hilfe einiger chinesischer Marktfahrer von der Kreuzung zu schieben und mich zu Fuss auf den Weg zur nächsten U-Bahn-Station zu machen. Da in der Nähe gerade der chinesische Wochenmarkt stattfand, war die Strasse trotz des miesen Wetters voll von Menschen. Hauptsächlich waren es Chinesen, die auf dem Markt ihre Besorgungen tätigten. Inmitten dieses Getümmels musste ich zudem eine Telefonzelle finden, da ich zu allem Überfluss auch noch mein Handy im Auto hatte liegen lassen. Ich wollte meine Frau anrufen und ihr sagen, dass ich wegen der Autopanne später zu Hause sein würde. Als ich endlich eine Zelle fand, warteten mindestens schon drei Chinesen vor mir darauf zu telefonieren. Ich schlug den Kragen meines Mantels hoch und vergrub die Hände in den Taschen. Der Regen plätscherte auf mein Gesicht und tropfte von den Haaren, der Nase und dem Kinn. Ich beobachtete das geschäftige Treiben um mich herum, das mich sehr an einen Ameisenhaufen erinnerte. Und dann wie aus dem Nichts, stand da plötzlich dieser Mann. Inmitten von plärrenden Marktschreiern und nervös handelnden Marktbesuchern, stand er da und strahlte eine Ruhe aus, die diesen Trubel um ein Vielfaches zu verlangsamen schien, so ruhig als hätte er sein ganzes Leben nichts anderes getan, als einfach so dazustehen. Der Mann trug einen Regenmantel aus feinem Tuch, in einer ungewöhnlich hell leuchtenden Farbe, was für einen Regenmantel unpassend war. Um die Hüfte war der Mantel mit einem breiten Seidengürtel zusammengebunden. Auf dem Kopf trug der Mann einen Strohhut mit breiter Krempe, der sich besser als Schattenspender denn als Regenhut geeignet hätte. Mich durchzuckte es wie ein Blitz als der Mann seinen Arm hob und mir andeutete, ich solle zu ihm rüberkommen. Ich blickte mich um, um sicher zu gehen, dass er niemand anderen meinte. Als er seine Geste daraufhin wiederholte ging ich zu ihm. Obwohl der grosse Hut sein Gesicht in Schatten hüllte, erkannte ich einen alten Chinesen, der mich freundlich anlächelte, ein Päckchen aus seiner Manteltasche zog und es mir reichte. Ich staunte nicht schlecht, als ich das Päckchen aus meinem Traum erkannte. Auf meinen fragenden Blick antwortete er: „Frage nicht – du wirst die Antwort selbst finden.“ Ich nahm das Päckchen, worauf er sich mit einer Verbeugung verabschiedete und genauso plötzlich im Getümmel verschwand, wie er aufgetaucht war. Verwirrt betrachtete ich das Päckchen und setzte mich, nachdem ich mich wieder gefasst hatte, in eine dunkle Ecke der nächsten Bar. Ich konnte nicht wirklich glauben, was da eben passiert war. Aber das Päckchen, eingewickelt in altes Zeitungspapier, gebunden mit einer verfilzten Bastschnur war zweifellos echt und mit jenem aus meinem Traum identisch. Nervös wie ein Schuljunge am ersten Schultag öffnete ich behutsam die Schnur und entfernte das Papier. Ich fand darin die Uhr ohne Zifferblatt und Zeiger und auch die Inschrift auf der Rückseite. Dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Mit einem Mal begriff ich und wusste, was zu tun war. Bevor ich meine Frau anrief, um ihr mitzuteilen, dass ich ab sofort sehr viel Zeit für sie und die Kinder haben würde, teilte ich Rayon mit, dass ich auf den Posten in Europa pfeifen und bei Intercom aussteigen würde.

Alles Weitere geschah wie von selbst. Ich verbrachte viel Zeit mit meiner Familie, las eines Tages eine Annonce in der Times mit der Gelegenheit, in diese Hochzeitsagentur einzusteigen, was ich daraufhin getan habe. Seither sind viele Paare bei uns ein und aus gegangen. Für die meisten waren wir eine gute Starthilfe auf dem Weg ins Glück, indem wir ihnen eine tolle Party organisiert haben. Wenn die Paare jeweils bei uns auftauchen, werden alle Details besprochen. Man kommt sich da sehr nahe und tauscht auch private Dinge aus. Ich frage dann jeweils, was ihnen denn am wichtigsten sei neben der grossen Liebe natürlich. Da kommen dann die verschiedensten Antworten. Von Familie gründen über Karriere machen bis hin zu einem schönen Eigenheim oder tollen Flitterwochen. Ich gebe dann jeweils allen einen guten Rat mit – so ganz aus eigener Erfahrung – indem ich ihnen sage: „Nehmt Euch Zeit, Zeit füreinander, Zeit für Euch, Zeit für Eure Familien. Lasst Euer Leben nicht von der Zeit bestimmen, sondern bestimmt in Eurem Leben die Zeit, denn ein altes chinesisches Sprichwort lautet: „Wer Meister seiner Zeit ist, ist nie mehr zeitlos...“ Die meisten nicken etwas verständnislos. Für mich aber hat diese Weisheit voll hingehauen. Ich habe neben dem Hochzeitsgeschäft jede Menge Zeit für mich und meine Familie, da meine Partnerin und ich uns die Arbeit aufteilen. Ach ja, und die Uhr habe ich übrigens immer noch. Und immer wenn ich Zeit mit meiner Familie verbringe und ich auf diese Uhr blicke, sehe ich auch ein Zifferblatt und Zeiger und dahinter -undeutlich, aber doch klar zu erkennen- das Gesicht des alten Indianers am Lagerfeuer. Und manchmal, wenn ich mit den Brautleuten den schönsten Tag ihres Lebens plane, glaube ich da und dort ein Lächeln zu erkennen, das etwas heller ist als bei anderen, besonders dann, wenn dieses Leuchten über ihren Schultern steht...

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Tag der Veröffentlichung: 16.10.2009

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