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Kanada, das Land der Weite.

"Oh Gott, Ruth. Ruth! Ruth!", nein, meine Freundin Chloe hatte keinen Orgasmus bekommen. Nein, sie war nur total aus dem Häuschen, da ich für ein Jahr nach Kanada, Stratford ziehen sollte. Ich hatte gerade die Schule beendet und wollte nun Fotografie studieren. Ich hatte ein freies Jahr, da ich noch auf der Warteliste stand. Meine Tante hatte sich schrecklich gefreut, als ich vorschlug, für ein Jahr bei ihr einzuziehen. 
Alle schiehen sich zu freuen, nur ich war noch etwas unentschlossen. 
"Ruth! Vergiss das Autogramm nicht! Und vielleicht ist eine Audionachricht auch drin?". fragte Chloe immer noch aufgeregt. Wir saßen in meinem Lieblingscafee "French". Der französische Stil gefielt mir. Beige und Cremetöne schmücken das Cafee. Ich nimmte an meinem Capuchino, ich versuchte ihn zu genießen, denn morgen würde es schon los gehen. 
"Keine Sorge, ich werde daran denken, wenn ich ihn sehe", ich lachte auf. Die Wahrscheinlichkeit das Idol von Chloe zu treffen war so gering wie der Gewinn im Lotto. Justin Bieber, hieß er, daran konnte ich mich erinnern. Ich kannte ihn. Ich meine, wie konnte man ihn heutzutage nicht mehr kennen? Es war der berühmteste Teenie - Star der Welt. Kreischende, hysterische Mädchen und Tonnen von Tränen. 
Für so etwas war ich nicht der Typ. Ich war ruhig, geduldig und hatte ein Herz für die kleinen, schönen Dinge im Leben. Die Fotografie war mein Leben, nicht irgendein eingebildeter, von Geld geblendeter Teenieschwarm. 

"Ruth, ich werde dich vermissen. Wirklich. Ruf mich an, texte mir, was auch immer, aber melde dich!", schluchzte Chloe. Ihre blonden Haare waren schon ganz vom Wind zerzaust, ich wollte gar nicht wissen, wie meine aussahen. Aus ihren kristallblauen Augen liefen Tränen. Ich hatte plötzlich Mitleid mit ihr. Chloe war schon immer unsicher gewesen. Was sollte sie nun ohne ihre beste Freundin machen? Sie war wirklich hübsch, doch ihre pummelige Figur ließ sie verunsichern, wozu ich keinen Grund sah. 
"Gib Lucy, Heath und Emelie einen Kuss von mir", sagte ich. "Es ist kein Abschied für immer. Ein Jahr, Chloe, es ist nur ein Jahr", meine Stimme versagte. Lucy, eine Freundin mit brasilianischen Wurzeln, Heath, der nicht ganz hetero war und Emelie, die manchmal sehr oberflächlich sein konnte, aber uns wirklich sehr lieb hatte würde ich auch sehr vermissen. Doch Chloe, sie würde mir fehlen. 
"Es fühlt sich an wie das vierfache", schluchzte Chloe. Sie war schon immer nah am Wasser gebaut gewesen, doch nun fing auch ich an zu weinen. Das war zu viel für mich. An wen sollte ich mich wenden, wenn ich Probleme hatte? An meine Tante? 
"Ich werde dich auch vermissen, Süße", sagte ich zu Chloe und stieg ins Taxi, was mich zum Bahnhof bringen sollte. 

Die Fahrt war lang gewesen, doch die Zeit im Flugzeug war erdrückend. Die Hälfte der Passagiere waren Mädchen, die im Gesicht "Justin" oder "I love you" oder sontistige Merkmale für das allzubekannte Bieberfieber hatten. Ich musste mir stundenlang das Gequatsche anhören, wie toll er doch sei und wie gut er doch zu seinen Fans wäre. Na, jeder dem seins.
"Ruth! Lange nicht mehr gesehen! Gewachsen bist du!", meine Tante Caroline umarmte mich zur Begrüßung. 
"Hey, Tante Caroline!", sagte ich und erwiederte ihre überschwängliche Umarmung. Ihre Haare, deren Farbe sie immer als Straßenköterblond bezeichnete, kitzelten mich im Gesicht. 
"Stratford wird dir gefallen! Du bist doch sicherlich auch ein Belieber geworden, nicht war?", fragte sie. 
"Herr im Himmel, nein! So viel Würde habe ich noch!", rief ich. 
"Ist schon gut, naja, es wird dir trotzdem gefallen", lachte sie. Ihre grünen Augen leuchteten, sie schien sehr glücklich zu sein, mich wieder zu sehen. 
"Ich denke schon."

Das Häuschen meiner Tante Caroline war bescheiden. "Weniger ist mehr" bestätigte sich, es war klein, aber wunderschön. Ich liebte es von anfang an, es war wie mein Cafee in einem Haus. Ich war absolut begeistert. 
Caroline begleitete mich zu meinem neuen Zimmer und ließ mich dann in aller Ruhe auspacken. 
Viel hatte ich nicht dabei, weswegen ich schnell fertig war. Ich sprang unter die Dusche und rannte dann die Treppe hinunter zum reichlich verspäteten Abendessen. 
"In dieser Gegend wohnt kaum jemand in deinem Alter, und ich muss morgen arbeiten, also musst du leider allein die Stadt erkunden gehen. Es gibt nicht viel zu sehen, aber genieße die Stille und die Schöhnheit der Natur", sagte Caroline während sie sich Nudeln in den Mund schob. 
"Das ist kein Problem, ich schaff das schon. Ich werde es genießen, glaub mir", erwiederte ich.

Nice to meet you.

"Ruth? Ich bin dann mal weg, bis heute Abend!", rief meine Tante die Treppe hinauf. "Bye!", rief ich. 
Mein Frühstück war ein armseliges kleines Brötchen, mehr hatten wir leider nicht daheim. Wie schon gesagt, ich würde jetzt in bescheidenen Verhältnissen leben.
Obwohl mein Magen immer noch knurrte, trank ich noch einen Schluck Milch, schnappte mir meine Jacke um dann die Tür hinter mir zu schließen. "Wo hin?", war meine erste Frage. Ich kannte mich hier nicht aus. Also stieg ich in meinen alten Käfer und fuhr einfach drauf los. Viel konnte mir hier nicht passieren. 
Eine Weile fuhr ich einfach umher, bis ich auf eine Einbahnstraße fuhr. Es war eine kleine schmale Straße, auf der ein Auto fahren konnte. Das edle, schwarze Auto direkt vor mir fuhr so langsam, dass ich irgendwann anfing zu hupen. Da keiner reagierte wurde ich langsam sauer, doch als es auch noch stehen blieb und sich nach einer viertel Stunde immer noch nicht bewegte, hupte ich wie eine Verrückte drauf los. Als immer noch niemand reagierte, stieg ich schließlich aus meinem Auto und klopfte an die Scheibe, des nicht reagierenden Fahrers. 
Endlich ließ der Fahrer die Scheibe hinunter und guckte mich an. "Ich würde Sie bitten weiter zu fahren. Ich warte hier schon eine viertel Stunde und würde sehr gern mehr von Stratford sehen als die Rückseite eines schwarzen Wagens, danke", sagte ich. 
Der Mann ließ das Fenster wieder hoch, was mich total empören ließ, doch kurze Zeit später ließ er es wieder herunter und sagte:"Kein Problem, wir werden so schnell es geht weiter fahren."
"Danke", sagte ich knapp und stieg wieder in mein Auto. Ich seufzte erleichtert und wartete darauf, dass sich der Wagen in Bewegung setzte. Und ja, ich wartete und wartete. Und wartete. 
Ich wurde wirklich wütend und rannte zu dem schwarzen Wagen. Erwartungsgemäß ließ der Mann das Fenster wieder hinunter und ich guckte das erste Mal wirklich in den Wagen. Ich konnte es nicht glauben, der Beifahrer war Kenny. Ich kannte ihn aus den zahlreichen Schwärmereien meiner Freundinnen. Der Bodyguard von Justin Bieber, der selber einen Bodyguard braucht, da er auch schon seine Fans hat. 
"Kenny? Nein, wirklich?", ich seufzte entnervt. 
"So, Mädchen. Du wirst nicht losschreien, du wirst es nicht in irgendwelche Netzwerke verbreiten und du wirst niemandem etwas sagen, hast du verstanden?", sagte der Fahrer, der dunkel gekleidet war. 
"Ts, da brauchen Sie sich nun wirklich keine Sorgen zu machen. Ich bin keines dieser verückten, kreischenden Mädchen", sagte ich genervt. 
"Wie auch immer. Kannst du uns helfen eine gewissen Caroline Smith zu finden?", fragte der Fahrer. 
"Caroline? Sie ist meine Tante, Sie werden sie jetzt nicht finden können, sie ist auf der Arbeit", berichtete ich. 
"Ruf sie an, wir brauchen sie jetzt. Sag, Harold schickt sie."
"Na gut, wenn Sie meinen."
Ich rief sie also an, und tatsächlich ging meine Tante ran. "Caroline? Harold braucht deine Hilfe, ich weiß nicht worum es geht, ich wollte eigentlich nur weiter fahren", erzählte ich.
"Ich bin sofort da, keine Sorge!", sie schien sich beruhigen zu müssen, denn sie atmete ein paar mal tief durch bevor sie auflegte. Ich zuckte die Schultern, das Ganze war merkwürdig, doch es ging mich nichts an. Ich interessierte mich nicht für Justin oder seine Crew. Ich war noch nie der Typ von Mädchen gewesen, das alles wissen wollte und überall ihre Nase reinsteckte. 
Ich überbrachte dem Fahrer nur noch die Nachricht, dass meine Tante auf dem Weg sei, dann beschloss ich zu Fuß weiter zu gehen. Ich wollte die, noch mir verbliebene Zeit nutzen, um mehr von Stratford zu sehen.

Nach einem langen Tag kehrte ich wieder nach Hause zurück. Meine Jacke warf ich achtlos in die Ecke, ich würde sie später aufhängen müssen. Ich lief ins Wohnzimmer und hatte vor, mich erschöpft auf die Coach zu legen, als ich merkte, dass da schon jemand lag. Als ich genauer hinsah, stöhnte ich auf. Das konnte doch nicht wahr sein! Justin Bieber lag dort und schlief. Zugegeben sah er schon niedlich aus wenn er schlief, doch ich hatte keine Lust auf sein überhebliches Getue, bei dem ich mir sicher war, dass es noch kommen würde. 
Ich hörte Stimmen, und lief ihnen nach bis ich in der Küche landete. 
"Caroline, was ist hier los?", fragte ich meine Tante, die neben dem Fahrer, Kenny und Justins Manager Scot, auch Scooter genannt, stand. 
"Beruflich bin ich Putzfrau, doch durch meine Mutter kenne ich mich in der Medizin aus. Das Geld für ein Studium in Medizin hatte ich leider nie gehabt. Seine Crew vertraut mir und schickt ihn jedesmal zu mir, wenn er erkrankt", erklärte mir Caroline. Ich konnte mir vorstellen weswegen sie nur auf sie vertrauten. Ich hatte schon davon gehört, dass Ärzte berühmte Persönlichkeiten gerne nicht gut genug behandeln, sodass sie öfters kommen müssen. 
"Muss er lange hier bleiben?", fragte ich. Ich wollte nicht unhöflich sein, aber ich war müde und meine Nerven waren am Boden. 
Scooter machte ein fragendes Gesicht und Kenny klärte ihn auf. "Sie kann ihn nicht leiden."
Daraufhin machte Scooter ein noch merkwürdigeres Gesicht, was Caroline zum Lachen brachte. 
"Eine Woche wird er wohl hier bleiben müssen. Es ist nichts ernstes, nur eine Erkältung, aber die Strapazen seines Jobs wird er nicht ertragen können", beantwortete Caroline meine Frage. 
"Das werde ich aushalten", mit diesen Worten lief ich in mein Zimmer. 
"Eine Woche, eine ganze Woche", stöhnte ich. Chloe würde ich davon wohl lieber nichts erzählen. 

Ironie des Schicksals?

Chloe hatte ich kaum etwas erzählen können, außer, wie schön Kanada doch ist. Denn hätte ich ihr von Justin erzählt, der immer noch auf der Coach lag und schlief, hätte sie es Emelie, Lucy und Heath erzählt und wäre auf der Stelle hierher geflogen. Ich hätte großen Ärger von Justins Crew und meiner Tante bekommen und meine Freunde wären dann nicht die Einzigen, die vor unserer Haustür stehen würden. 
Ich blickte schlaftrunken aus dem Fenster, durch das die Sonnenstrahlen kamen, die mich geweckt hatten. Mein Wecker zeigte 10 Uhr an, was die Stimmen von unten erklärten. Jeder war schon wach und wie ich mir vorstellen konnte, hatten Justin und meine Tante aus Höflichkeit mit dem Frühstück auf mich gewartet. 
Mir war es schrecklich unangenehm, wenn Leute auf mich warteten. Ich sah in den Spiegel und erschrack nicht im Geringsten. Ich sah aus wie eine Mischung aus Heuhaufen und Mensch. Das war nicht ungewöhnliches. 
Zwei braune Augen blickten mich aus dem Spiegel an, als ich versuchte, meine ebenso braunen Haare zu bürsten. Die leichten Locken kamen daher, dass meine Mutter Locken hatte und mein Vater glatte Haare hatte. 
Schminken tat ich mich kaum, nur etwas Maskara und dann etwas Puder über die Creme. Es lag mir etwas an meiner Natürlichkeit. Meine Stupsnase und meine großen Augen ließen mich kindlicher Aussehen, doch meine Größe und meine Ausstrahlung glichen es wieder aus. Meine Augenbrauen waren nie wunderschön schmal gewesen. Ich musste sie jede Woche zupfen, was auf Dauer nerven konnte. "So", murmelte ich, nachdem ich noch einmal etwas mehr Puder auf meine Stirn getupft hatte. Ich hatte das Gefühl, nur so von Pickeln belagert worden zu sein. 

"U lala, Ruth! Wieso so schick?", fragte Caroline keck. 
Es war so warm, weswegen ich mir ein Kleid angezogen hatte. Es war im Country Stil, was mir ganz gut stand. Ich hatte nicht vor, Justin heiß zu machen, weswegen ich rot anlief. 
"Du siehts gut aus", meinte Justin, als er aufblickte. Meine Tante und er saßen an dem kleinen Küchentisch, der schon fertig gedeckt war. Die reichlichen Lebensmittel überraschten mich nicht. Natürlich ließ man den verwöhnten Star nicht ärmlich essen. 
"Danke", sagte ich knapp und setzte mich. 
"Und? Was hast du heute wieder vor? Startford hast du ja schon gesehen", fragte Caroline.
Ich biss in mein Brot, kaute, und schluckte den Bissen schnell hinunter. "Ich habe gestern ein paar schöne Stellen gefunden, wohin ich heute meine Kamera mitnehmen möchte", antwortete ich. 
"Du fotografierst? Ich habe auch eine Kamera, die aber so langsam verstaubt. Ich benutze sie aus Zeitgründen nicht, aber ich hätte nichts dagegen sie wieder aus meinem Schrank zu holen", sagte Justin.
"Ach echt? Ich bezweifle, dass du die Geduld und das Talent hast, wirklich gute Bilder zu schießen", sagte ich. 
"Wollen wir wetten doch?", es machte ihn ganz und gar nicht rasend, dass ich so gemein zu ihm gewesen war. Das machte mich noch wütender. 
"Ich habe besseres zu tun, als meine Zeit mit Wetten zu vergeuden", zischte ich. 
"Hast du Angst?", fragte er neckisch. Damit war meine Geduld am Ende. Ich nahm mein Geschirr, spülte es ab und ging nach oben. Ich brauchte jetzt dringend meine Kamera um mich abzuregen. 

Dieses heruntergekommene, kleine Haus am Ende der Stadt inspirierte mich. Ich schoss Bilder aus den verschiedensten Perspektiven und erfreute mich an den Bildern. Das Haus stand zum Verkauf frei, doch es schien keiner kaufen zu wollen. Das Schild stand hier schon länger, das verriet der Schmutz und die Spinnenweben, dort, wo die Stange an dem Schild befestigt war. 
Zugegeben, das Haus war insgesamt wirklich nicht schön. Es war winzig, kahl und schäbig. Aber für eine Fotografin wie mich, war es ein wunderschönes Motiv. Die Löcher in den Dächern, die Spinnenweben, die im Laufe der Zeit Dreck gesammelt hatten, das Moos in den Regenrinnen. All das waren Details, die das Haus ausmachten. 
"Zugegeben, vor fünf Jahren sah das noch besser aus", sagte jemand hinter mir. 
"Lass mich in Ruhe, Justin", ich hatte mich nicht umdrehen brauchen um zu sehen, wer da hinter mir stand. 
"Weißt du, ich komme gerne hierher. Es erinnert mich an meine Kindheit und an das, was ich einmal hatte. Ich habe das geschätzt was ich hatte, ich war zufrieden", sagte Justin, als hätte er meine Abfuhr nicht gehört. 
"Vielleicht weil du damals schon alles hattest?", sagte ich. 
"Das stimmt, ich hatte alles was ich brauchte. Ein Dach über'm Kopf und eben das, was man zum Überleben braucht. In gewisser Weise vermisse ich dieses Haus."
"Warum bist du hier? Du kannst mir nicht beweisen, dass du ein Herz hast. Los, geh", sagte ich. 
"Warum ich hier bin? Es ist mein altes zu Hause", sagte er leise. 
"Das ist was? Ich lasse mich nicht belügen, in den Medien steht doch was ganz anderes." Chloe hatte mir Fotos von seinem alten Haus mitgegeben, damit ich ihn ja belagerte. 
"Mein Managment hat die Medien belogen, das ist doch wohl klar."
"Und wo bleiben überhaupt deine Bodyguards?", fragte ich.
"Die gehen mir ganz schön auf die Nerven, das dürfen sie ruhig hören. Sie sind überall. Sie bewachen mich Tag und Nacht. Es ist schlimmer, als wenn sie direkt neben mir stehen würden. Sie beobachten mich heimlich", sagte er.
"Ach, von richtigen Problemen hast du ja keine Ahnung."
"Weißt du was? Mir ist es egal was du denkst, mach doch was du willst!", mit diesen Worten verschwand er.  

Chloe? Chloe?!

Es klingelte. Caroline war auf der Arbeit, wie immer und soweit ich wusste war Justin unten im Wohnzimmer und genoss seine Ruhe, oder wie man das nennen konnte. Verblödende Kindersendungen wie "Phineas und Ferb" zu gucken kam mir nicht wie Ruhe vor. Er schien diese Sendung zu lieben, ich hörte sein fröhliches Lachen bis in mein Zimmer. 
Ich öffnete mein Zimmerfenster und beugte mich etwas hinaus um zu sehen, wer da geklingelt hatte. So bedrohlich konnte die Person nun wirklich nicht sein, denn bisher hatten die Bodyguards noch nicht eingegriffen. 
Ich traute meinen Augen nicht. "Chloe. Scheiße, Justin", dachte ich. Ich schloss schnell das Fenster, rannte ins Wohnzimmer und sagte:"Justin, schnell, versteck dich!" Zu meiner Überraschung flitzte er schnell ins Bad und schloss dann die Tür ab. In solchen Fällen vertraute er mir also. 
Chloe wurde ungeduldig und klingelte jetzt schon pausenlos. "Ich komme!", rief ich und öffnete die Tür. 
"Hey, Ruth!", sagte meine beste Freundin fröhlich. 
"Chloe! Ich freu mich wirklich dich zu sehen, aber was zur Hölle machst du hier? Du solltest bei uns in Philadelphia sein!", sagte ich. 
"Mein College hat mich doch abgelehnt, es war wohl ein technischer Fehler oder sowas und da mein anderer Platz noch auf sich warten lässt, habe ich mir gedacht ich besuch dich mal. Die Kosten haben meine Eltern übernommen, die haben sowieso zu viel Geld", erzählte Chloe aufgeregt vor Freude. 
"O - okay. Hast du deine Bleibe?", fragte ich besorgt um meine etwas verpeilte Chloe. 
"Oh, äh, nein. Also, naja, ich war so unhöflich zu denken, dass ich hier bleiben könnte. Naja..", stotterte sie. 
"Ich werd Caroline fragen, aber ich bin mir sicher, dass du bleiben kannst", verdammt, was sollte ich tun? Justin hockte noch immer im Bad und er würde nicht lange unentdeckt bleiben, wenn Chloe hier bleiben würde. Sie war meine beste Freundin seit dem Kindergarten, ich konnte sie einfach nicht hängen lassen. Wie ging ich das nur am besten an? Sie würde ausrasten, sie ist schließlich ein waschechter Belieber. 
Während ich noch so überlegte, war sie einfach in den Flur gekommen und lachte nun, da sie einen Blick ins Wohnzimmer erhascht hatte und den laufenden Fernseher mit "Phineas und Ferb" sah. 
"Echt jetzt, Ruth? Ich glaub's nicht", lachte sie. 
"Chloe, komm jetzt für einen Moment runter. Ich muss dir was erzählen, wenn du hier bleiben willst und das wird nicht einfach. Du musst mir versprechen nicht zu kreischen, in Ohnmacht zu fallen, oder wegzurennen oder aber auch jemandem etwas davon zu erzählen. Ansonsten werde ich dich fesseln und deinen Mund mit Klebeband zukleben müssen", sagte ich hektisch. 
"Ruth? Was ist hier los?", sie lachte nicht mehr, sie wurde panisch. 
"Justin, kommst du?", rief ich. Die Badtür öffnete sich und er trat heraus. 
"Hey", sagte er und lächelte leicht. Wie ein kleines Kind, dass bei einer bösen Tat erwischt wurde. 

Chloe hatte lange Zeit einfach nichts gesagt. Sie stand stumm da und hatte ihn angestarrt. Dann kreischte sie einmal kurz und schlug sich dann die Hand vor den Mund. Sie hatte wohl an meine Ansprache von vorhin gedacht. 
"Ruth. Das ist unglaublich. Oh mein Gott, wirklich, ich raste aus", sie war aus der Starre gewichen und weinte nun. 
"Chloe, nicht weinen. Warum weinst du?", fragte ich. 
"Nur eine typische Reaktion auf mich", meinte Justin. 
"Chloe, du darfst niemandem, wirklich niemandem etwas erzählen. Klar?", sagte ich eindringlich. 
"Geht klar. Das ist wirklich das beste, was mir je passiert ist", schluchzte sie. So stark weinen hatte ich sie noch nie gesehen. 
"Chloe, hey, hör auf zu weinen", beruhigte sie Justin. 
Sie atmete hektisch und schluchzte immer mal wieder auf. Es dauerte Minuten, bis sie sich wieder beruhigt hatte. 
"Ein Autogramm, ein Foto, eine Umarmung?", fragte sie schnell. 
"Na klar", Justin zwinkerte ihr zu. 
Nachdem Chloe's sehnlichste Wünsche in Erfüllung gegangen waren, musste ich ihr alles erklären. 
Sie konnte ihr Glück kaum fassen, und das wiederum machte mich gücklich. Ich hatte ihren sehnlichsten Wunsch erfüllt, wenn auch indirekt und nicht mit Absicht. 

Es klingelte erneut und ich hatte wieder keine Ahnung, wer das sein könnte. 
"Das sind bestimmt Chaz und Ryan, ich habe ihnen gesimst, dass ich hier bin", erklärte Justin, während er aufstand und die Tür öffnete. Und tatsächlich es waren Chaz und Ryan, wie Chloe lautstark deutlich machte. 
"Groupies?", lachte Ryan und nickte in unsere Richtung. 
"Darf ich vorstellen? Sie, mit den braunen Haaren ist Ruth, die Nichte von Caroline, meiner Ärztin. Ruth ist der größte weibliche Hater, den ich je kennen lernen durfte. Und ihre Freundin dort ist Chloe, ihr Gegenteil. Eine meiner größten Fans. Und Ruth, Chloe, das sind Chaz und Ryan, meine besten Kumpels", stellte Justin uns gegenseitig vor. 
Chaz und Ryan stellten sich zu uns. "Justin, Lust Basketballspielen zu gehen?", fragten sie. "Deine Mädels kannst du gerne mitnehmen. Mädels? Lust auf ein Spiel?"
Ich war nicht sein Mädel! Doch trotzdem ließ mich das rot werden. Chloe sagte natürlich zu, was nicht verunderlich war und auch ich sagte zu. Was konnte ich schon machen? Und außerdem spielte ich gerne Basketball, und hatte große Lust, die Jungs und vor allem Justin zu überraschen. 

Verfolger.

"Ruth, ich wusste gar nicht, dass du so gut spielst", lobte mich Ryan. Justin wollte es nicht zugeben, dazu war er zu stolz, doch er schmollte und war leicht angepisst, dass ich besser war als er. Er hatte mich beeindrucken wollen, und das hatte nicht geklappt. Wir hatten lange gespielt, doch irgendwann mussten Ryan, Chaz und Justin einsehen, dass Chloe und ich einfach besser waren. Sie gaben auf und ich musste zuegeben, dass sie gute Verlierer waren. Naja, bis auf Justin. 

Ich hatte mich schon fast daran gewöhnt, dass Justin bei meiner Tante zu Hause rumgammelte, doch es war schon Samstag, und morgen sollte Justin wieder fahren. 
"Hey, ich hab heute nichts vor und . . . naja, da das unser letzter gemeinsamer Tag ist, wollte ich dich fragen, ob du ... naja mit mir spazieren gehen willst?", nanu, Justin konnte ja richtig schüchtern sein. 
"Ne, lass mal", meinte ich. Ich konnte ihn nach wie vor nicht leiden, und das Angebot wollte ich absolut nicht annehmen. 
"Klar, wieso auch", murmelte er. In dem Moment platze Caroline herein und sagte:"Ruth, tu ihm den Gefallen. Mach's für mich, he?"
Ich hatte meiner Tante viel zu verdanken. Ich durfte bei ihr wohnen, obwohl sie knapp bei Kasse war. Sie hatte sogar Chloe und Justin aufgenommen. Da konnte ich nicht "nein" sagen. 
"Na, meinetwegen", sagte ich. 

Wir liefen am Waldrand entlang. Wir unterhielten uns, doch so richtig konnte ich mich nicht öffnen. Der Gedanke, dass da ein Haufen Bodyguards hinter uns herschleichen machte mich krank. 
Und plötzlich ging alles ziemlich schnell. Justin wurde langsamer und hielt plötzlich meine Hand, dann knackte es im Gebüsch, eine Kamera blitzte und wir zogen unsere Hände schnell auseinander. Er, weil er den Kamerablitz gehört hatte und ich, weil ich unter keinen Umständen mit ihm Händchen halten wollte. Das alles dauerte kaum eine Sekunde, ich hatte einfach nicht schneller reagieren können.  
"Wie konnte das passieren? Ich dachte, deine Bodyguards währen immer um dich herum und passen auf dich auf", fragte ich. 
"Das kann ich mir gerade auch nicht erklären", sagte er. Er war sichtlich geschockt, denn er wusste genau, dass dieses Bild heute noch im Internet kursieren würde. 
"Und wieso zur Hölle hast du meine Hand gehalten, du weißt, wie sehr ich dich hasse. Lass mich einfach in Frieden, verstanden?!", flüsterte ich wütend. Für den Fall, dass die Paparazzi uns immer noch auflauerten, sprach ich leise. Ich wollte nicht noch mehr Gerüchte in die Welt setzen. Es wäre ein riesen Drama. 
"Es, es tut mir leid", stammelte er. 
Ich machte einen abfälligen Ton und stapfte wütend in Richtung zu Hause. 

Scooter (Scott) Braun

Justin

Ich musste mich eigentlich um Ruth kümmern, denn ich hielt es nicht aus, wenn sie wütend auf mich war, denn sie war mir wichtig, doch im Moment musste ich mich um dieses Foto kümmern. 
"Scooter? Da waren gerade Paparazzi, die ein Foto von Ruth und mir gemacht haben. Shit, ich sitzte echt in der Scheiße", ich hatte die Nummer von meinem Manager auf der Kurzwahltaste 2, denn er war die zweit wichtigste Person in meinem Leben. Wenn es Probleme gab, wendete ich mich immer an ihn. Er wusste alles. Über Ruth, über meine Gefühle. Er war der Vater, den ich nie hatte. Doch in letzter Zeit hatte er öfter zu Mitteln gegriffen, die mir nicht gefielen. Ich liebte mein Fans und die Bühne, ich war dafür geboren, aber Scooter liebte das Geld und das Ansehen, was wir dadurch erlangten. Er hatte schon häufiger Gerüchte in die Welt gesetzt, damit ich in den Schlagzeilen blieb. Er hatte Angst, dass sein Traum, den ich lebte, bald enden sollte. 
"Justin, du weißt doch, dass das sein musste. Du bist jetzt schon seit einer Woche weg und deine Fans vermissen dich. Sie brauchen Neuigkeiten, etwas, dass sie an dich denken lassen. Die Paparazzi kamen von mir. Deswegen waren dort auch keine Bodyguards. Sie mussten mir gehorchen, und die Paparazzi durchlassen", sagte Scooter am anderen Ende des Handys. 
"Scooter, ich denke wir müssen darüber reden. Das ist mein Leben. Du bist ein Teil davon, klar, du hast mich zu dem gemacht, der ich jetzt bin, aber das geht zu weit. Ich möchte im Rampenlicht bleiben, weil ich Talent habe, nicht weil du mir Paparazzi oder neue Gerüchte hinterherjagst. Ich bin mir sicher, dass meine Fans mir treu bleiben, und mich wegen meines Talents und meiner Persönlichkeit lieben", erklärte ich. Ich war erneut enttäuscht von meinem Manager, aber ich machte mir auch langsam Sorgen um ihn. Was ist, wenn er sich zu sehr rein steigert, und irgendwann anfängt zu übertreiben. Ich wollte nicht sein Objekt sein. 
"Ach, du wirst mir irgendwann noch danken", sagte er und legte auf. Einfach so. Nun machte ich mir endgültig Sorgen. Und wie sollte ich das Ruth erklären? Der Gedanke, dass sie in den Medien sein sollte, würde sie rasend machen. 

Über Nacht eine Berühmtheit.

"Justin, kannst du mir das erklären?", fragte ich ihn. Ich hatte, kaum war ich zu Hause angekommen, meinen Laptop aufgeklappt und Facebook und Twitter aufgerufen. Ich hatte erwartet, dass so ein Drama wegen dem Foto von Justin und mir Händchen haltend bei den Fans entstehen würde und Hass Nachrichten hatte ich ebenso erwartet, doch soetwas hatte ich noch nie in meinem Leben zu spüren gekriegt. Hunderte, Tausende, nein, Millionen Nachrichten hatte ich bekommen und ich brauchte keine zu lesen, um zu wissen, dass da nichts nettes drin stand. Das Bild war nicht unscharf oder verwackelt wie gehofft. Man konnte ganz deutlich zwei Personen sehen, die Händchen hielten. Und dass es sich dabei um Justin und mich handelte war nicht zu übersehen. Ich war nicht berühmt, doch ich hatte Klassenkameraden, die mich erkannt hatten und die Nachricht überall verbreiteten. 
Ich hatte keine Ahnung, warum ich Justin das nun fragte, denn höchstwahrscheinlich hatte er selber noch keine Ahnung, denn er erschrack, als der Papparazzi das Foto machte. Aber ich war verzweifelt, durcheinander und es nahm mich mehr mit, als ich gedacht hatte. 
"Es war Scooter, okay. Und du musst mir glauben, dass es mir leid tut", antwortete er. 
Ich war überrascht. Scooter war sein Manager, sollte er nicht eigentlich soetwas verhindern? Jetzt war ich wütend. Wie konnte er nur? Mich kannte er nicht, aber ich war schließlich Carolines Nichte! Nun war ich mir zu hunderprozent sicher, dass er alles tat nur um Geld zu verdienen. 
"Was tut dir leid? Dass du so einen beschissenen Manager hast, oder dass du nicht von einem anderen Arzt behandelt werden konntest, oder dass du meine Hand gehalten hast, oder dass du überhaupt in mein Leben getreten bist oder dass du keine geringste Ahnung hast, was um dich herum passiert und keine Kontrolle über dein Leben hast?", schrieh ich ihn an. 
"Es tut mir leid okay? Aber ich konnte nichts für den Papparazzi, das war nicht meine Idee!", rief er. 
"Du konntest nichts für den Papparazzi? Ja, aber für das Bild, was entstanden ist schon! Wärst du nur nich auf die dumme Idee gekommen, meine Hand zu halten, wäre Scooter auch nicht darauf gekommen, einen Papparazzi loszuschicken!"
"Ich weiß selber nicht, warum ich das getan habe, okay? Ich war wahrscheinlich einfach nur allein. Du gefälltst mir nicht einmal! Dein "Ich hasse dich" Getue geht mir so auf die nerven! Du bist so lächerlich. Du regst dich über eine Person auf, die du nicht einmal kennst und als du die Chance hattest mich kennen zu lernen, hattest du nur lauter Vorurteile und hast mich für etwas gehasst, von dem du dir nicht einmal sicher warst, dass es existiert. So was ist armselig und weißt du was? Wenn ich das gestern wiederholen könnte, würde ich es lassen! Und ich könnte jedes Mädchen auf diesem verdammten Planeten kriegen und ich bin mir sicher, dass 90 Prozent von denen hübscher sind als du! Und hör auf diese lächerlichen Kleider zu tragen, das machst du sicher nur, um mich zu beeindrucken. Es beeindruckt mich aber nicht im Geringsten! Es lässt mich innerlich über dich lachen!" Seine Worte verletzten mich mehr, als er dachte. Ich fühlte mich auf einmal sehr klein und verletzlich. Und das war nicht alles. Ich fühlte mich hässlich und als wäre ich nichts wert. 

Ich hatte Justin wirklich gehasst. Er lag falsch, als er sagte ich hätte ihn beeindrucken wollen. Aber vielleicht hatte er sogar Recht? Vielleicht hatte ich mich insegheim in ihn verliebt ohne es zu wissen. Ich habe ihn nicht gekannt, das stimmt und als ich ihn kennen lernte, redete ich mir immer ein, wie er ist. Doch so war er nicht. Ich hatte das Gefühl, dass seine Berühmtheit ihn belasten würde und dass er überfordert war. Ich glaube, er hatte sich das alles anders vor gestellt. Er lebte schon lange nicht mehr den Traum, den er einmal als kleiner Junge hatte. Auf irgendeine verrückte Weise begann er mir leid zu tun. 

Was mache ich hier?

Am nächsten Morgen war er weg. Einfach so. Caroline konnte mir nur sagen, dass er von seiner Crew abgeholt wurde. Natürlich hatte ich gewusst, dass er heute wieder fahren würde und trotz allem, was gestern passiert war, hatte ich einen Abschied erwartet. Wenigstens von Caroline. 
Aber ich war von nun an von ihm und seiner Welt vollkommen abgetrennt. Caroline hatte aus Sicherheitsgründen die Telefonnummer von ihm und seiner Crew nicht erhalten dürfen. Bei normalen Menschen hätte ich mich bei Facebook eingeloggt und hätte ihnen eine Nachricht geschrieben, aber Justin würde meine Nachricht sowieso nicht lesen. Es waren zu viele Menschen, die ihm täglich über irgendwelche Netzwerke Nachrichten schrieben. 

Ich hatte drei Tage nur im Haus verbracht. Meine Tante ließ mich allein, sie ahnte, dass ich allein sein wollte. Ich musste nachdenken. Über das, was zwischen Justin und mir war. Falls da berhaupt was war. 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 03.05.2013

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Ich widme dieses Buch 47 Millionen Menschen.

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