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17. Kapitel




Der Schrei einer Eule riss Miranda aus ihren Gedanken. An diesem Ort bekam sie eine Gänsehaut.
Lilly setzte sich auf ein großes, abgebrochenes Stück des ehemaligen Mauerwerks und sah Miranda verschmitzt an.
„Na geh schon, ich warte hier.“

Miranda hatte kein gutes Gefühl bei dieser Sache. Viel lieber wäre sie jetzt zu Hause in ihrem Zimmer wo es warm, hell und trocken war. Das genaue Gegenteil zu diesem dunklen Wald und dem zerfallenem Kloster. War Connor wirklich da drin? Sie fröstelte und schlang mürrisch die Arme um sich. Genervt stampfte sie auf den Eingang des Klosters zu, blieb davor stehen und trat nach kurzem Zögern doch ein.

Es war fürchterlich dunkel und ihre Augen mussten sich erst gewöhnen. Doch dann konnte sie ein schwaches Licht am Ende des Flures zu ihrer Linken erkennen und folgte ihm. Sie kam zu einer großen Holztür durch deren Ritzen das flackernde Licht einer Kerze schien. Ihr Herz schlug vor Aufregung schneller und ihr Magen verkrampfte sich. Vorsichtig drückte sie die Tür ein wenig auf und spähte durch den schmalen Spalt . Der Raum war riesig und nur durch wenige Kerzenleuchter in der Mitte des Raumes spärlich beleuchtet. Sie konnte das andere Ende des Raumes nicht sehen.
Auf einmal bewegte sich die Tür. Miranda wich erschrocken zurück, stolperte über ihre eigenen Füße und landete unsanft auf ihrem Hintern.
„Miranda? Alles in Ordnung?“
Connor stand verwirrt in der Tür und sah sie auf dem Kalten Fliesenboden sitzen. Schnell stand sie wieder auf und zupfte ihre Kleidung zurecht.
„Ja,“ stammelte sie,“Alles Okay.“
Wie angewurzelt stand Connor da. Es herrschte drückende Stille.
Miranda wusste nicht recht wie sie anfangen sollte. Bis er überaschenderweise das Wort ergriff und sie bat, ihm zu folgen.
Zögerlich kam sie dieser Aufforderung nach.
Sie staunte nicht schlecht, als sie den Riesigen Raum betrat. Alles andere an dem Kloster schien langsam in sich zusammen zu fallen , nur dieser Raum war noch ziemlich intakt. Aber das war nicht das merkwürdigste. Die Wände waren mannshoch mit fremdartigen Zeichen und Symbolen bemalt. Und abgesehen von ihr und Connor war in dem Raum nichts. Nur die wenigen Kerzen, die den Raum etwas zu wenig erleuchteten.
„Connor wo sind wir hier?“ fragte Miranda erstaunt.
„Was soll das alles?“
Connor wandte sich ihr zu und überlegte. Bis er begann:
„Wir sind hier an einem Ort, den ein alter Freund von mir lange als Versteck benutzte um Magie zu studieren und erlernen. Er hat seine Aufzeichnungen an die Wände geschrieben, da ihm nach einiger Zeit das Papier ausging.“
Lächelte Connor etwa?
„Jedenfalls,“fuhr er fort,“ Hat er unter anderem einen Weg gefunden, sich vor übernatürlichen Mächten abzuschirmen. Er war ein wenig paranoid, musst du wissen.“
Miranda wusste nicht, worauf er hinaus wollte und wurde langsam ungeduldig. Warum musste er nur immer drum herum reden?
„Connor, das ist ja alles sehr interessant, aber warum erzählst du mir nicht lieber, warum du z.B. nicht auf meine Nachrichten reagiert hast? Und warum du mich von einer wildfremden hier her schleppen lässt?“
Connor hatte den Faden verloren und sah sie verwirrt an. Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Auf ihrer Stirn hatten sich kleine Zornesfalten gebildet. Sie war wütend.
„Okay,“ tief durchatmend sah er sie an und versuchte einen neuen Anlauf.
„Ich konnte dir nicht antworten. Es tut mir leid. Es ist einem Schutzengel untersagt, mit seinem Schützling zu sprechen.“
Er konnte sehen, wie sie zu verstehen versuchte was er gerade gesagt hatte.
„Moment, du bist doch gar nicht mein Schutzengel. Du hast doch vorher auch mit mir gesprochen, was soll jetzt diese Geheimnistuerei?“
„Miranda, ich habe darum gebeten, den Schutzdienst für dich übernehmen zu dürfen, und diese Bitte wurde mir erfüllt. Ich bin jetzt für dein Wohlergehen zuständig. Ab jetzt bin ich dein Schutzengel.“
„Und?“ Sie sah ihn zornig an.
„Lass mich zu Ende erklären,ja?“
Sie gab ihm mit einem Blick zu verstehen, dass er fortfahren sollte.
„Also schön. Wie ich bereits erwähnte, hat mein alter Freund einen Zauber gefunden sich von übernatürlichen Mächten abzuschirmen. Er hat die Formeln an diese Wände geschrieben und den Raum somit 'abhörsicher' gemacht. Was ich meine, ist. Hier kann ich ungestraft mit dir sprechen, ohne, dass jemand von oben zuhört. Ich habe die letzten Tage damit verbracht, die Formeln an den Wänden zu suchen und zu notieren. Du glaubst gar nicht was der alte da alles dran geschrieben hat. Da die richtige Formel zu finden dauert halt etwas. Nun möchte ich dich bitten, diese Symbole in deinem Zimmer an die Wände zu übertragen, damit ich auch dort mit dir sprechen kann. Wenn du das nicht möchtest kann ich das verstehen, aber du wirst mich dann weder sehen noch hören können. Ich bin dann wie jeder Schutzengel: Unsichtbar, unhörbar, aber immer da. Die Entscheidung überlasse ich dir.“



18. Kapitel




Connor reichte Miranda einen zusammengefalteten Zettel. Sie sah ihn verdutzt an.
Connor ist jetzt mein Schutzengel? Und ich soll für ihn meine Wände mit Zeichen bemalen, damit er dort mit mir reden kann? Warum? Warum möchte er weiterhin mit mir reden? Das tun andere Schutzengel doch schließlich auch nicht? Man hätte bestimmt schon einmal davon gehört.


Stumm nahm Miranda Connor den Zettel aus der Hand. Dabei berührten sich leicht ihre Fingerspitzen und sie zuckte erschrocken zurück. Nachdenklich faltete sie das Papier auseinander, kaute dabei auf der Unterlippe und sah sich Connors krakeligen Schriftzeichen an. Pro Wand sollte sie drei Zeichen nebeneinander malen. Das würde sich leicht hinter Bildern oder Postern verstecken lassen. Nur war sie sich noch nicht sicher, ob sie es nun überhaupt tun sollte oder nicht.
Sie faltete den Zettel wieder zusammen und steckte ihn sich in die hintere Hosentasche.
Bekümmert sah sie Connor an. Im Kerzenschein funkelten seine braunen Augen golden, genau wie sein Haar. Er wirkte so menschlich auf sie. Und sie wusste nicht, ob sie den Gedanken ertragen könnte, dass er stets bei ihr war und sie ihn nicht sehen konnte, seine Stimme nicht mehr hören würde. Sie fühlte eine Sehnsucht in sich. Sie sehnte sich nach... ja wonach?Ihre Gedanken verwirrten sie und das Atmen fiel ihr schwer. Schnell versuchte sie dieser Gefühle Herr zu werden und schob ihnen einen dicken Riegel vor. Nachdem sie sich einigermaßen gefasst hatte sagte sie: „Ich möchte nach Hause.“
Connor hatte den Gefühlswirrwar in ihren Augen sehen können. Am liebsten hätte er sie in den Arm genommen, doch er wagte es nicht. Aber warum eigentlich nicht? Hier an diesem Ort konnte er sich nicht damit herausreden, dass er bestraft werden würde, weil er gegen Regeln verstieße. Diese Situation war ihm neu. Er konnte genau in diesem Moment einfach Mensch sein, wenn er es wollte. Und genau das verwirrte ihn, ängstigte ihn.
Mit einem Mal verspürte er ein seltsam unbekanntes Gefühl von Freiheit.
Er sah ihr in die Augen, sah Sehnsucht und unendliche Traurigkeit. Würde sie ihn gewähren lassen, wenn er versuchte sie zu trösten?
Sacht streckte er eine Hand nach ihr aus, machte einen Schritt auf sie zu. Sanft legte er seine Hand an ihre Wange, spürte die Wärme ihrer Haut die sich über seine Finger bis tief in sein Inneres schlich, sein Herz schneller schlagen ließ. Sie wich nicht vor ihm zurück. Ihre Augen schienen in seine Seele zu blicken.Ganz langsam, ohne großen Druck auszuüben zog er sie näher an sich.

Ihre Füße bewegten sich wie von selbst. Seine Hand lag warm auf ihrer Wange, ein angenehmer Schauer rann ihr Rückgrat hinab und wieder hinauf bis zu ihrem Scheitel. Sie hatte Angst und gleichzeitig wünschte sie sich, er würde sie einfach festhalten, seine warmen, beschützenden Arme um sie legen und sie die Welt vergessen lassen.
Ihr Herz klopfte schneller, als sie die Augen schloss und müde die Stirn an seine starke Brust lehnte. Sie war so müde, wollte nicht mehr an die lauernden Gefahren von Vampiren und ähnlichem denken müssen. Sie nahm seinen angenehmen beruhigenden Geruch war. Seine warmen Hände legten sich zärtlich auf ihren Rücken und zogen sie in seine tröstende Umarmung. Fest schloss er seine Arme um sie, hielt sie schweigend, während sie sich an ihn schmiegte.

Es lag ein Zauber in diesem Moment, den wohl beide nicht ganz verstanden, doch das brauchten sie wohl auch nicht. Der Verstand hatte hier nichts zu suchen. Das Herz war das einzige was hier zählte. Und ihre Herzen waren sich für diesen einen Moment einig.

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Tag der Veröffentlichung: 11.03.2012

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