11.Kapitel
„Willst du schon gehen?“ flüsterte Anthony Miranda ins Ohr.
Miranda hatte am ganzen Körper eine Gänsehaut. Ihr Herz hämmerte gegen ihren Brustkorb. Wurde ihr doch gerade schlagartig wieder bewusst, was Anthony war. Er war ein Vampir, ein Killer! Innerhalb weniger Sekunden könnte er sie direkt hier an Ort und Stelle töten!
Wie eine Puppe führte Anthony Miranda an den Rand der Tanzfläche. Ihre Füße bewegten sich wie von selbst. Die laute Musik nahm sie schon nicht mehr war, nur noch ihren eigenen Herzschlag und das Blut welches ihr in den Ohren rauschte. Jetzt verfluchte sie sich dafür, dass sie so trotzig gewesen war und nicht bei Connor geblieben war. Wie hatte sie nur so dumm sein können?
Inzwischen hatte Anthony sich mit Miranda in eine dunkle Ecke verzogen. Er drückte sie mit dem Rücken zur Wand, welche sich an Mirandas Händen feucht und kühl anfühlte.
Soll das hier wirklich mein Ende sein?
dachte sie verzweifelt.
Sanft strich Anthony ihr Haar zur Seite, wie er es schon bei ihrer ersten Begegnung getan hatte. Langsam beugte er seinen Kopf zu ihr herunter bis Miranda seinen Atem auf ihrer Haut spürte. Verängstigt machte sie sich auf stechenden, brennenden Schmerz gefasst.
Ob es überhaupt einer bemerken würde, wenn er mich hier tötete? Wahrscheinlich halten uns alle bloß für ein Liebespaar. Und wenn er mich dann tot hier liegen lässt, halten mich alle bloß für betrunken....
Erschöpft schloss sie die Augen und wartete. Doch dann passierte etwas Unerwartetes. Sie spürte nicht, wie er seine Zähne in ihren Hals schlug. Stattdessen bedeckte er ihre Haut mit brennenden Küssen. Und sie fühlte sich wieder in ihren Traum zurückversetzt. Konnte förmlich den dunklen Wald um sich herum wahrnehmen. Vergaß für einen Moment, dass sie gerade eben noch Todesangst hatte.
Anthony wusste nicht recht warum, aber aus irgendeinem Grund verlangte sein Körper nicht nur nach Mirandas Blut sondern nach etwas anderem. Dementsprechend verblüfft war er über sein eigenes Verhalten, als er sie nicht wie jede andere junge Frau blindlings aussaugte, sondern sie viel lieber küssen wollte. Was sollte an ihr anders sein, als an anderen Frauen? Letztendlich waren sie doch alle gleich und er hatte nur an ihnen Interesse, wenn er hungrig war. Aber dieses Mädchen weckte ein seltsam menschliches Gefühl in ihm, dass er schon längst vergessen hatte. Als er ihren Hals mit seinen Lippen liebkoste kämpften in ihm der Vampir, der er war und der Mann, der er vor langer Zeit gewesen war. Er war sich noch nicht sicher, welcher die Oberhand gewinnen würde. Sie hatte so leidenschaftlich mit ihm getanzt und nun stand sie wie ein zittriges Reh vor ihm. Sein innerer Kampf sie einerseits töten und andererseits verführen zu wollen schien ihn fast von innen heraus zu verbrennen.
Miranda versuchte einen klaren Kopf zu bekommen. Anscheinend hatte Anthony nun doch nicht vor sie zu töten, oder er versuchte es heraus zu zögern. Da sie allerdings auf keinen Fall als Mitternachtssnack enden wollte wartete sie auf eine Chance sich ihm zu entwinden. Achtete genau auf seine Bewegungen. Sein Griff um ihre Schultern schien sich zu lockern, jedoch nur weil er seine Hände nun an ihre Wangen legte. Verwirrt sah sie ihm in die sonst so blauen Augen. Bei dem bunten, flackernden Licht schienen sie in Regenbogenfarben zu leuchten. Sie konnte seinen Blick nicht deuten. War er wütend? Etwas schien ihn zu verärgern. Er musterte sie eindringlich. Miranda wusste nicht recht was sie davon halten sollte. Plötzlich sah sie seine scharfen Vampirzähne aufblitzen, als er ihr verführerisch zulächelte. Sie wusste nicht, ob sie ihm entkommen konnte, er wäre ihr auch ohne ein Vampir zu sein körperlich überlegen gewesen. Schließlich war sie nur knapp über eins-sechzig und recht zierlich gebaut. Mal abgesehen davon, dass sie auf ihren hohen Schuhen nicht besonders schnell laufen konnte, ohne hinzufallen.
Sie versuchte an Anthonys breiten Schultern vorbei zu spähen. Jemanden zu entdecken, den sie kannte. Bis sie endlich ein vertrautes Gesicht entdeckte: Connor!
12. Kapitel
Miranda sah noch, wie Anthony die Augen schloss und sich ihrem Gesicht näherte, als sie ihm mit aller Kraft mit ihrer Hacke auf den Fuß trat. Sie riss sich von ihm los und stolperte in die Menge. Hinter sich hörte sie ihn noch fluchen und rannte vor Schreck alle möglichen Leute um. So schnell sie konnte lief sie auf Connor zu, welcher ihr entgegen kam und warf sich ihm so stürmisch in die Arme, dass sie ihn beinahe zu Boden gerissen hätte. Panisch sah sie sich um, aber an der Wand, an der sie vor ein paar Sekunden noch mit Anthony gestanden hatte, war niemand mehr.
„Connor, es tut mir so leid!“ wimmerte sie, „Bitte verzeih mir!“
Natürlich würde Connor ihr helfen. Und in gewisser Weise hatte er auch mit schuld an der ganzen Sache. Und natürlich hatte sie ihn damit verletzt, als sie so verführerisch mit Anthony getanzt hatte. Aber hätte sie sich nicht von selbst befreien können, hätte Anthony sie womöglich getötet. Nur weil er wegen seiner verletzten Gefühle nicht hatte eingreifen wollen. Beinahe hätte er sie verloren. Das sollte nicht noch einmal geschehen. Er würde noch einmal alle Hebel in Bewegung setzen, dass er endlich sie als Schützling zugeteilt bekam.
Lara und Jelana waren schnell gefunden, sie suchten bereits nach Miranda. Auch Jason war bei ihnen. Lara war mal wieder betrunken und hing an ihm. Während Jelana Miranda nur verschwörerisch zuzwinkerte von wegen 'Du erzählst mir nachher doch noch wer der coole Typ vorhin war?'
Miranda nickte nur und lächelte kurz zurück. Connor verabschiedete sich kurz von ihr. Aber Miranda hielt ihn noch am Ärmel fest und zog ihn zurück. Dankbar umarmte sie ihn zum Abschied. „Vielen, vielen Dank Connor.“
Er sah den Mädchen noch nach, wie sie in Jasons Auto stiegen und vom Parkplatz fuhren. Miranda winkte ihm noch durch die Autoscheiben zu bis sie Connor nicht mehr sehen konnte.
Jetzt wollte Jelana es aber genau wissen: „Nun erzähl mal! Wer war der coole Dunkelhaarige vorhin? Und wer war der Süße von eben? Du bist ja ganz schön begehrt heute bei den Männern!“
Miranda war müde antwortete aber trotzdem: „ Also, der Dunkelhaarige, Anthony... er ist ein Arsch. So ein typischer Bad-Boy. Von dem hab ich erst einmal die Schnauze voll, das sag ich dir!“
„Und der andere?“ drängelte Jelana weiter.
„Der andere? Das ist Connor, er ist... wie soll ich das erklären? Er passt gern auf mich auf. Ich glaub ich bin wie eine kleine Schwester für ihn.“
„Hm,“ überlegte Jelana,“ Wenn du diesen Anthony nicht willst, kann ich ihn dann haben? Der ist doch echt heiß, oder Lara? Wir waren schon fast neidisch auf dich,“ neckte sie.
„Ach weißt du,“ seufzte Miranda, „ Jelana, du hast echt was besseres verdient als diesen Anthony, glaub mir, soooo cool ist der gar nicht.“
„Ach schade,“ murmelte Jelana, „Nur son' Aufschneider, was? Naja dann hast du wohl recht, Miranda.“
Den Rest der Fahrt über waren alle bedächtig still. Nur die leise Musik aus Jasons Radio und das Motorengeräusch durchbrachen die Stille. Miranda konnte sich nur mit mühe wach halten und war froh als sie endlich zu Hause war.
Hoffentlich träume ich nicht wieder von Anthony. Das kann ich jetzt echt nicht gebrauchen.
Und zum Glück war Miranda in dieser Nacht sogar zum Träumen zu müde.
Connor stand in einem gleißend hellen Licht in einem unendlichen Raum ohne Wände. Er hatte um eine Audienz beim großen Rat der Engel gebeten. Nun durfte er seine Bitte vortragen.
„Bei allem Respekt erbitte ich, den Schutzdienst für das Menschenmädchen Miranda übernehmen zu dürfen. Aus unerfindlichen Gründen hat sie keinen eigenen Schutzengel. Mein jetziger Schützling würde von meinem Kollegen Duncan übernommen werden, sein Schützling starb vor einigen Tagen. Miranda schwebt im Moment in großer Gefahr, da es ein Vampir auf sie abgesehen hat, deshalb bitte ich um eine rasche Entscheidung.“
Wie ein Donnergrollen hallte es aus allen Richtungen wieder: „Wir geben dir in einiger Zeit Bescheid. Erst einmal muss darüber beraten werden. Und nun entferne dich.“
Es wurde dunkel um Connor und er fand sich auf der Erde wieder. Das einzige, was er nun tun konnte war warten.
Tag der Veröffentlichung: 26.09.2011
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