Cover

7. Kapitel




Ein paar Nachtfalter flogen um eine Straßenlaterne, deren Licht leicht flackerte. Im Schatten einer großen Eiche stand Anthony. Er sah noch, wie Connor davonflog, dann schwang er sich wieder auf den dicken Ast, von dem er gerade herunter gesprungen war.
Leider hatte Miranda nun die Jalousie runter gelassen, sodass Anthony nicht mehr in ihr Zimmer schauen konnte. Dieser Engel war doch tatsächlich in die kleine verliebt. Wer hätte das gedacht?
'Der einzige den du liebst bist du selbst!' hallte es in Anthonys Kopf wieder.
Na ja, dass stimmt so ja nun auch nicht, dachte er, Es ist nur schon ein Weilchen her, dass ich für jemanden solche Gefühle gehegt habe. Ach, was rege ich mich überhaupt über die Aussage von so einem Trottel auf?! Ich sollte besser auf die Jagt gehen um auf andere Gedanken zu kommen.



Seit er dort vor Mirandas Fenster gesessen hatte brannte sein Kiefer, er verspürte dieses vertraute Ziehen in seinen Zähnen. Sein Körper verlangte unverzüglich nach Blut.
Ein paar Straßen weiter, entdeckte Anthony eine junge Frau. Es war halb fünf in der Früh. Sie wartete wohl auf den ersten Bus.
Die Frau war nicht gerade eine Schönheit, eher Durchschnitt, aber Anthony konnte in dieser Nacht nicht wählerisch sein.
Es brauchte nicht viel, um sie zu verführen: ein paar gezielte Blicke, hier und da ein paar Schmeicheleien und schon bekam Anthony was er wollte. Gierig grub er seine Zähne in ihren schlanken Hals, und trank, bis nicht ein Tropfen Blut mehr in ihrem Körper war.

Irgendetwas stimmte nicht. Anthony fühlte sich seltsam unzufrieden. Sonst war er nach solch einem Mahl gesättigt und wohlig gelaunt, aber diesmal war es anders. Es war als hätte er Appetit auf einen knackigen, süßen roten Apfel, bekam aber stattdessen nur eine saure Zirtone serviert.
Verstimmt ließ er die Leiche der jungen Frau achtlos am Straßenrand liegen und ging seiner Wege.

Die Sonne schien hell durch Mirandas Badezimmerfenster. Es war Samstag Mittag. Miranda hatte nicht aufstehen wollen, sie hatte sich so lange es ging mit der Decke über dem Kopf in ihrem Bett verkrochen. Dort kam sie sich einigermaßen sicher vor.
Aber irgendwann musste sie dann doch aufstehen, da ihr Magen so laut anfing zu grummeln, dass sie ihn nicht länger ignorieren konnte. Nach einem kurzen Frühstück war sie dann unter die Dusche gehüpft. Das warme Wasser tat gut auf ihren verspannten Gliedern. Wenn sie könnte würde sie ewig hier in diesem herrlich warmen Regen stehen und einfach alles vergessen. Sie strich sich das Haar zur Seite, schloss die Augen und ließ sich das Wasser auf den Nacken prasseln. Für diesen einen Moment konnte Miranda ihre Sorgen loslassen, ließ sie mit dem Wasser den Abfluss hinunter rauschen. Genau in diesen paar Minuten fühlte sie sich einfach nur wohl.
Ihre Gedanken flogen dahin und sie erinnerte sich an ihren Traum der vergangenen Nacht. Sie hatte geträumt Connor wäre zu ihr gekommen. Er hatte sie sanft in den Arm genommen und zärtlich geküsst. Bei dieser Erinnerung wurde ihr warm ums Herz.
Wenn dieser Traum doch nur die Wirklichkeit wäre,

schwärmte Miranda. Bei dem Gedanken musste sie lächeln.
Sie erinnerte sich an Connors Worte von letzter Nacht: „Ich werde sie vor dir beschützen!“


Langsam drehte Miranda das Wasser zu, trockne sich ab und zog sich frische Sachen an.
Ich frage mich,

dachte sie, Warum Connor mich unbedingt beschützen will? Warum sollte er sich dafür so einsetzen, dass mir nichts passiert? Dass er sogar irgendeine schlimme Strafe auf sich nehmen würde? Geht es ihm wirklich um mich, oder ist das so ein Männerstolz-Ding? Dass er nur nicht will, dass Anthony mich bekommt, weil er ihn einfach nicht mag?
Wenn er nur mit mir reden würde!



Erschöpft ging Miranda zurück in ihr Zimmer, legte ihre Lieblings-CD ein.
Titel 03....- Teardrop... - Play...
Der tranceartige Rhythmus machte sie schläfrig. Sie wünschte sich in ihren wundervollen Traum zurück.
Sie legte sich auf ihr zerwühltes Bett zurück und schloss die Augen, ließ die Musik sie davontragen und ließ ihre Gedanken sich einen Weg bahnen, bis sie in einen leichten Dämmerschlaf fiel.

Miranda fand sich in einem riesigen Himmelbett. Sie trug ein herrliches rotes Kleid. Um ihren Hals trug sie noch immer das kleine Silberkreuz. Sie setzte sich auf und sah sich um. Verschwommen nahm sie die Umrisse des riesigen Raumes war. Unter ihren Fingern konnte sie den fließenden leichten Stoff der Bettdecke spüren. Von weit her konnte sie immer noch die Musik aus ihrem Zimmer wahrnehmen. Federleicht setzte sie ihre nackten Füße auf den kalten Marmorboden. Sie ging einige Schritte durch den hell beleuchteten Raum. Wie von unsichtbaren Fäden gezogen zog es sie zu einer großen Flügeltür. Diese öffnete sich vor ihr wie von selbst und sie trat hinaus in einen verwilderten viktorianischen Garten.
Vorsichtig setzte sie einen Fuß auf die kühlen Steinstufen und ging die Treppe hinab, durchschritt den Garten. Er war durchzogen von großen Eichen, Trauerweiden unter denen verwitterte Mamorstatuen einsam warteten.
Miranda konnte den weißen Hauch ihres Atems in der Luft hängen sehen als sie weiter ging bis sie an den Rand eines dunklen Waldes kam. Es herrschte eine bedächtige Stille als sie weiterging. Nach wenigen Schritten kam sie an eine alte weiße Holzbrücke. Das Wasser des Flusses war an den Ufern gefroren.
Am anderen Ende der Brücke konnte sie eine dunkle Gestalt erkennen. Er hielt eine kleine Laterne in der Hand und sah zu ihr hinüber.
Plötzlich konnte sie seine Stimme in ihrem Kopf hören. Sie kam ihr vertraut vor als er sprach.
„Miranda Liebes, kannst du zu mir herüberkommen? Ich kann den Fluss nicht überqueren, aber du kannst es.“


Sie hatte keine Bedenken als sie ohne zu zögern seiner Aufforderung nachkam.
Die morschen Bretter der alten Brücke knarrten bei jedem ihrer Schritte, doch sie ging tapfer weiter.
Am anderen Ufer angelangt blickte sie in funkelnde blaue Augen die sie durchdringend ansahen. Der dunkelhaarige Mann stellte die Laterne zu ihren Füßen ab und stand nun dicht vor ihr.
Miranda hatte keine Angst vor ihm und trotzdem schlug ihr Herz schneller als gewöhnlich. Er nahm ihr Gesicht in beide Hände und anders als erwartet waren sie nicht kühl sondern angenehm warm. Genau wie sein Atem der sich mit ihrem vermischte kurz bevor er sie leidenschaftlich küsste. Sie gab sich ihm völlig hin und schloss wohlig die Augen bis plötzlich.....

Miranda erwachte atemlos. Erleichtert stellte sie fest, dass sie in ihrem eigenen Bett lag. Ihr ihr Puls raste noch immer von der Erinnerung dieses sehr lebendigen Traums. Krampfhaft versuchte sie sich zu beruhigen was ihr nicht so recht gelang. Der Mann in ihrem Traum, … sie konnte es selbst nicht glauben. Warum träumte sie ausgerechnet von ihm? Der Mann in ihrem Traum war Anthony.



8. Kapitel




Was war nur in sie gefahren? Miranda saß aufgeregt auf ihrem Bett, die Wangen waren noch immer leicht gerötet, das Herz hatte sich fast beruhigt.
Was dachte sich ihr Verstand nur dabei ausgerechnet von Anthony zu träumen?
Er ist furchteinflößend, grausam und kaltherzig. Er spielt mit mir wie die Katze mit der Maus! Außerdem will er mein Blut, was unweigerlich dazu führt, dass ich sterbe, wie alle seine Opfer! Warum träume ich ausgerechnet von ihm? Warum nicht von Connor? Der ist wenigstens nicht darauf aus mich zu töten....


Miranda verstand sich selbst nicht mehr. Am besten war es wohl, diesen Traum erst einmal zu vergessen.
Und um das zu erreichen, musste sie raus hier.

Die Sonne schien sanft durch das grüne Blätterdach des großen, alten Baumes unter dem die kleine Holzbank stand auf die sich Miranda gesetzt hatte. Der kleine „Park“ war einmal ein Friedhof für Soldaten aus dem letzten Krieg gewesen. Jetzt standen hier und da nur noch vereinzelt ein paar Grabsteine und ein großes Denkmal mit einer Inschrift auf der alle Namen der gefallenen Soldaten aufgelistet waren.
Miranda schloss die Augen. Sie konnte die Vögel in den Bäumen singen hören. Verträumt gab sie sich dem Moment hin und ließ ihre Gedanken schweifen.

Nicht weit entfernt stand Connor halb hinter dem Stamm eines dicken Baumes. Er zerbrach sich noch immer den Kopf darüber, was er tun konnte um Anthony von Miranda fern zu halten. Es war ihm noch nichts Gescheites eingefallen.
Wie er sie so vor sich hin träumend auf der kleinen Bank sitzen sah, fiel ihm die letzte Nacht sehr deutlich wieder ein. Sollte Anthony am Ende recht haben, und er empfand mehr für sie als er durfte? Er konnte sich sonst sein Handeln nicht erklären. Noch nie hatte er versucht ein anderes Mädchen vor Anthony zu beschützen. Nur Miranda wollte er nicht sterben sehen.
Miranda trug ein weißes Kleid, welches im Sonnenlicht leuchtete. Der leichte Sommerwind spielte mit ihrem Haar und ließ einige Locken tanzen. Wenn Connor es nicht besser wüsste, hätte er sie auch für einen Engel gehalten.
Er wollte bei ihr sein, ihr nahe sein, doch wusste er, dass er schon letzte Nacht fast zu weit gegangen war. Es war ihm als Engel einfach verboten sich auf einen Menschen einzulassen.
Bei diesem Gedanken spürte er einen Stich im Herzen. Er würde ihr nie wieder so nahe kommen wie in dieser einen Nacht, sonst würde er vermutlich beim nächsten Mal doch die Regeln brechen. Was zur Folge hätte, dass er sie niemals wieder sehen würde. Und das wollte er auf keinen Fall riskieren.
Sehnsüchtig wandte er sich ab und ließ Miranda allein.

Miranda öffnete die Augen, als sie Stimmen hörte. Ein junges Paar lief händchenhaltend an ihr vorbei. Die beiden scherzten und lachten, neckten sich. Sie sahen einfach sehr glücklich aus. Bei diesem Anblick wurde Miranda leicht wehmütig. Sie seufzte und sah den beiden noch eine Weile nach.
Dann holte sie ihr kleines Skizzenbuch und einen Stift aus ihrer Tasche. Miranda wollte sich im nächsten Frühjahr an einer Kunstuniversität bewerben, doch dafür brauchte sie noch ein paar Zeichnungen, da man zur schriftlichen Bewerbung noch eine Mappe mit Bildern abgeben musste.
Etwas lustlos blätterte sie durch das kleine Büchlein auf ihrem Schoß. Es waren größtenteils Bleistiftzeichnungen darin, die Miranda so nebenbei gezeichnet hatte. Ihre liebsten Motive für Bilder waren Menschen. Landschaften fand sie schlichtweg zu langweilig.
Doch heute wollte ihr einfach nichts einfallen, was sie zeichnen konnte. Sie setzte den Stift an, zeichnete ein paar Augen, einen Mund, bis das Gesicht eines traurigen Mädchens entstand, welches sie vorwurfsvoll ansah.
Mit einem lauten Seufzen klappte sie das Büchlein zu und packte es schnell wieder in die Tasche.
Was soll ich denn machen?

, dachte sie, ich fühle mich einfach so schrecklich allein. Außerdem ist es sehr ermüdend ständig vor einem gutaussehendem Vampir auf der Hut zu sein. Und Connor lässt mich auch hängen. Schön und gut, dass er mich beschützen will, warum auch immer, aber es nervt, dass er ansonsten anscheinend nichts mit mir zu tun haben will. Dann kann er auch ganz wegbleiben. Ich brauche keinen Aufpasser! Schließlich bin ich ja vorher auch ohne ihn klar gekommen.


Trotzig stand Miranda auf und ging Richtung Innenstadt, sie hatte jetzt Lust ein bisschen zu Shoppen.
Die Geschäfte hatten Samstags immer bis achtzehn Uhr geöffnet und es war gerade einmal sechzehn Uhr. Also noch genug Zeit um noch das ein oder andere hübsche Teil zu finden.
Miranda schlenderte an den Schaufenstern vorbei, wich dabei dem einen oder anderem Passanten aus. Tauchte ein in die Menge.
Ein Schaufenster erregte ihre besondere Aufmerksamkeit. Dort hing ein zauberhaftes, knielanges, rotes Kleid.
Es ist genau so schön, wie das aus meinem Traum,

dachte Miranda.
Eigentlich wollte sie ja nicht mehr an den Traum mit Anthony denken, aber sie war gerade nicht in der Stimmung vorsichtig zu sein und sich zu verstecken.
Warum nicht?

, überlegte sie, Spiele ich mal ein bisschen mit dem Feuer.


In Gedanken rechnete sie kurz und kam dann zu den Schluss, dass der Rest von ihrem Lohn noch ausreichte um das Kleid zu kaufen.
Voller Vorfreude betrat sie nun den Laden und verließ ihn kurze Zeit später mit einer Großen Plastiktüte.
Mal sehen ob Connor mich jetzt immer noch ignoriert

, grinste sie und machte sich auf den Heimweg.
Und ob es Anthony wohl gefallen würde?


Impressum

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /