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5. Kapitel



Es war halb vier in der Nacht, als Miranda von dem Geburtstag nach Hause kam. Nach dem Zusammenstoß mit Anthony war sie schlagartig wieder nüchtern gewesen. Lara war dadurch schnell gefunden. Miranda weichte an dem Abend nicht mehr von deren Seite. Sie wollte bloß nicht mehr allein sein, aus Angst Anthony würde sie erneut ansprechen.
Abgesehen davon wurde es dann allerdings doch noch eine recht fröhliche Party.
Ein Junge namens Jack war auch da, Miranda wusste, das er in sie verknallt war. Nur leider hegte sie nicht dieselben Gefühle für ihn. Sie mochte ihn trotzdem ganz gern und war froh, dass sie sich ungezwungen mit jemandem unterhalten konnte. Das lenkte sie ein wenig von ihren Sorgen ab.

Doch als sie nun so allein in ihrem Zimmer stand, kamen alle Gefühle der Einsamkeit und der Angst zurück, legten sich wie ein schwerer Mantel über sie. Ihre Augen füllten sich mit Tränen und ihr Atem ging schneller. Sie konnte nicht verhindern, dass die Tränen über ihre heißen Wangen rollten und auf ihr schwarzes Kleid fielen. Ihre Beine waren zittrig, sie musste sich auf ihr Bett setzen um die hohen Schuhe aus zu ziehen.
Es war dunkel und still in ihrem Zimmer. Man konnte nur ihr leises Schluchzen hören.
Zu kraftlos um sich umzuziehen lies sie sich aufs Bett sinken. Sie wusste nichts mehr, sie fühlte nur noch und weinte hemmungslos.
Connor, hilf mir, bitte.


Nach und nach beruhigte sie sich und fiel in einen tiefen Schlaf.


Connor saß auf dem Dach des Nachbarhauses. Von dort aus konnte er Mirandas Fenster gut sehen. Er hatte gewartet, bis sie nach Hause gekommen war. Und als er endlich das Auto von Laras Mutter vor Mirandas Haustür halten gesehen hatte, war er sehr erleichtert gewesen. Noch hatte er nicht herausfinden können, warum Miranda keinen eigenen Schutzengel hatte, aber er wollte versuchen, dass er diese Aufgebe übertragen bekam.
Als er sie dann ihr Zimmer betreten sah brach es ihm fast das Herz. Er konnte fühlen, wie verzweifelt sie war. Irgendetwas musste auf dieser Party geschehen sein. Doch traute er sich nicht zu ihr zu gehen. Abgesehen davon, dass es ihm verboten war, hatte er Angst, dass sie ihn vielleicht gar nicht sehen wollte.
Er wollte sich schon wieder auf den Weg machen, als er ihre Gedanken laut und deutlich hören konnte.
Connor, hilf mir, bitte!


Sein Herzschlag beschleunigte sich, und sein Atem ging stockend. Sie hatte ihn gerufen. Was sollte er jetzt tun? Ihm waren die Hände gebunden. Wollte er es auch noch so sehr, er konnte jetzt nicht zu ihr gehen. Verzweifelt rang er mit sich, versuchte sich zu beruhigen. Er atmete ein paarmal tief durch, bis es ihm wieder besser ging.

Als er dann sicher war, dass sie eingeschlafen war, wagte er es nun doch.
Ich will nur kurz sehen, ob es ihr gut geht

, redete er sich ein.
Vorsichtig stieg er durch Mirandas Fenster in ihr Zimmer. Mit geschlossenen Fenstern und Türen hatte er als Engel ja keine Probleme. Er konnte einfach durch sie hindurchgehen.
Eine Weile stand er einfach nur da und beobachtete, wie sie ruhig schlief. Wie sich beim ein- und ausatmen ihre Brust hob und senkte.
Sie lag auf dem Rücken, hatte ihren Kopf jedoch zur Seite geneigt. Ihre braunen, seidigen Locken lagen federleicht auf ihrem Kissen, umspielten ihr feines Gesicht mit den geröteten Wangen.
Connor berührte flüchtig ihre tränennasse Haut.
Anthony wird ihr doch nichts angetan haben?

dachte er.
Mit zittrigen Fingern strich er ihr Haar zurück, welches ihren Hals bedeckte. Dabei roch er einen Hauch ihres Parfüms. Vanille vermischte sich mit dem Duft von Jasmin.
Connor fiel es schwer einen klaren Kopf zu behalten. Dieses Mädchen war einfach zu faszinierend, ließ ihn Dinge tun, die er sich selbst nicht erklären konnte.
Sein Puls beschleunigte sich. Er hatte einen Kloß im Hals.
Sie rührte sich. Erschrocken wich er ein Stück zurück. Sie drehte ihren Kopf ein wenig zur Seite und schlief dann ruhig weiter.

Ich sollte jetzt besser gehen. Es war ein Fehler von mir hierher zu kommen, schalt sich Connor, Nun gut, jetzt weiß ich wenigstens, dass er ihr gut geht.
Sein Verstand zwang ihn zum Gehen, aber etwas anderes in ihm wollte, dass er blieb.
Vorsichtig näherte sich Connor ihr wieder. Lehnte sich leicht über sie und spürte ihren warmen Atem auf seiner Haut. Sie roch ein wenig nach Alkohol und nach Kirschen. Fast fühlte er sich, als wäre er selbst betrunken.
Flüchtig streiften seine Lippen die ihren. Wie ein sanfter Hauch, ein Kuss der keiner war.
Ihm war leicht schwindelig, trunken von diesem stillen, innigen Moment.

Und plötzlich hörte er ein dumpfes Kichern aus der Dunkelheit.
Erschrocken richtete er sich auf und spähte aus dem Fenster. Aber außer den Schatten der Bäume konnte er nichts erkennen.

„Kostest du von der verbotenen Frucht, mein lieber Connor?“

Und da sah er ihn. Lässig auf einem Ast vor Mirandas Fenster sitzend und ihm amüsiert zulächeln: Anthony.





6. Kapitel



Anthony erhob sich und stand federleicht, wie ein Seiltänzer auf einem dicken Ast.
„Lässt du mich auch einmal probieren?“ neckte er.
Connor war entsetzt. Fast hätte er Anthony laut zum Teufel gejagt, als ihm einfiel, dass neben ihm Miranda seelenruhig schlief. Er wollte sie auf keinen Fall wecken.
Er bedachte den Vampir lediglich mit einem Blick, der hätte töten können. Vorsichtig schwebte Connor durch das geschlossene Fenster und hielt kurz vor Anthony an.
„Ich will mich nicht mit dir anlegen, Vampir,“ erklärte er, „Ich weiß, ich kann dich nicht gänzlich vom Töten abhalten, aber lass deine Finger von Miranda! Ist das klar?“

Anthony schmunzelte, „Sonst was? Was willst du tun Connor? Du weißt genau so gut wie ich, dass die da oben es nicht gern sehen, wenn sich einer ihrer Flattermänner zu sehr in das Leben eines Menschen einmischt. Und du weißt genau, was passiert, wenn du dich nicht an die Regeln hältst. An deiner Stelle würde ich die Kleine ganz schnell vergessen. Nachher verliebst du dich noch in sie.“
Bei diesen Worten zuckte Connor unweigerlich zusammen. Er sah wie sich ein belustigter Ausdruck in Anthonys Augen schlich.

„Oh,“meinte dieser, mit gespieltem Mitgefühl, „Oder sollte es dafür vielleicht sogar schon zu spät sein?
„Du weißt doch überhaupt nicht wovon du da sprichst!“ explodierte Connor, „Selbst wenn dem so ist. Jemand wie du kennt solche Gefühle doch überhaupt nicht! Der einzige den du liebst bist du selbst!“

„Hoppla!“ Anthony legte sich theatralisch eine Hand aufs Herz. „Habe ich da etwa einen wunden Punkt getroffen? Das tut mit aufrichtig leid!“
„Verschwinde einfach von hier,“ zischte Connor.

Miranda würde aus dem Schlaf gerissen. Sie hörte Männerstimmen dicht an ihrem Fenster.
Müssen die Nachbarn sich immer mitten in der Nacht lauthals unterhalten?


Ihr war kalt und sie zog sich die Decke bis unters Kinn, mummelte sich gemütlich ein.
Doch die Stimmen waren so eindringlich, dass sie nicht weiterschlafen konnte.
Als sie genauer hinhörte kamen ihr die Stimmen der Männer bekannt vor.
Miranda schlug die Augen auf und wühlte sich aus ihrer Decke. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie sich weder umgezogen, noch ihre Jalousie runter gelassen hatte.
Sie schlich ans Fenster und konnte deutlich Connors Umrisse erkennen. Er stritt sich mit jemandem.
Anthony!


Eigentlich sollte man ja nicht lauschen, aber Miranda war einfach zu neugierig. Sie konnte jetzt jedes Wort verstehen. Damit die beiden Männer sie nicht entdeckten lehnte sie sich an die Wand neben dem Fenster und spähte das ein oder andere mal verstohlen um die Ecke. Sie kam sich ein bisschen vor wie ein Spion in einem Krimi. Aber hier ging es nicht um irgendwelche Mafia Geschäfte sondern um ihr Leben.


„Meinetwegen, dann verschwinde ich eben,“ sprach Anthony, „Ich hab alle Zeit der Welt. Hm, … Aber irgend etwas muss die kleine ja an sich haben, dass du dich für sie sogar in Gefahr begibst. Das macht sie für mich ja nur noch interessanter.“

„Du wirst sie niemals bekommen! Auch wenn ich dafür die schlimmste Strafe auf mich nehmen muss! Ich werde sie vor dir beschützen!“ Connor war von seinem Vorhaben Miranda zu beschützen nun nicht mehr abzubringen.
„Glaub mir mein Freund, das letzte Wort ist noch nicht gesprochen,“ prophezeite Anthony düster, schwang sich lautlos in die Schatten und verschwand.


Mirandas Herz pochte vor Aufregung wie wild.
Wie soll ich denn jetzt noch schlafen? Ich bin viel zu aufgewühlt dafür.


Sie spähte noch einmal vorsichtig durchs Fenster und konnte gerade noch Connor verschwinden sehen.
Erschöpft lies sich Miranda wieder auf ihr Bett sinken. Sie war sogar zum weinen zu müde. Der einige klare Gedanke, der sich in ihrem Kopf noch formte war: Morgen besorge ich mir erst einmal Knoblauch....


Und obwohl es ihr wie eine Ewigkeit vorkam, schlief sie dann doch relativ schnell wieder ein.

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Tag der Veröffentlichung: 18.09.2011

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