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Dumme Schafe und eingebildete Ziegen

 

Dumme Schafe und eingebildete Ziegen

 

Einst lebten Schafe und Ziegen gemeinsam, Pferch an Pferch , in der großen Herde eines Viehzüchters auf fruchtbarem Weideland. Sie folgten dem Schäfer von Flur zu Flur, jeweils dahin, wo das frischeste Gras austrieb, wo der saftigste Klee stand.

Die gut ausgebildeten , wachsamen Hunde hielten die Tiere zusammen, so dass keines verlorenging, und schützten sie vor Angriffen von Raubtieren.

Im Winter, wenn es überall gefroren war und in den Tälern und auf den Almen kein frisches Grün mehr wuchs, waren sie im großen warmen Schafstall auf Streu untergebracht und wurden vom Schäfer mit Heu, Körnern und Kartoffeln versorgt. Sie mussten keinen Hunger fürchten.

Dafür wurde ihnen zweimal im Jahr die Wolle geschoren und zu feinem Garn für Kleidung versponnen. Aus ihrer Milch bereiteten die Besitzer Käse und Butter.

Doch eines Tages wollten die Schafe Ihre Wolle nicht mehr hergeben, wollten ihre Milch für sich und ihre Lämmer behalten. Von jetzt an wollten sie selbstbestimmt leben.

Sie hielten sich für schlau genug, ihr Leben selbst zu organisieren und sich zu versorgen.

"Wir werden unsere Wolle nicht mehr hergeben für diese Ausbeuter."

"Aber dann werden wir kein Futter mehr bekommen."

"Das holen wir uns selbst in Feld und Flur." Sie verließen das Gehege und verschwanden im Freien.

Die Ziegen nebenan zweifelten an der Idee und meckerten: "Wer weiß, wie das ausgeht, mä-ä-äh". Aber sie sprangen mit den Schafen davon.

Gemeinsam verließen sie den Pferch, den Schäfer und ihre Besitzer und suchten sich auf der Heide und im freien Gelände ihr Futter.

Solange Sommer war, hatten sie es gut. Sie fanden reichlich junge Gräser und Knospen. Bald aber kam der Herbst und es wuchsen keine frischen Kräuter und Büsche nach. Noch rupften und zupften sie die spärlichen dürren Halme und Blättchen. Davon wurden sie aber nicht mehr satt. Über Nacht wurde es eisig kalt: Der Winter war da.

Und der Hunger nahm ständig zu. Da begannen sie, sich um die wenigen verdorrten und vereisten Halme Steppengras zu streiten, gingen gegeneinander los, und die Böcke schlugen mit ihren starken Hörnern aufeinander ein. Sie blökten und schrien ööh-äääh über ihre Lage.

Das hörte ein Maultier, das aus dem Nachbarland kam. Dem klagten sie ihr Leid. Es versprach, ihnen zu helfen, ihr Leben auf eine eigene, bessere Basis zu stellen. Es sei weit in der Welt herumgekommen, könne sie in ein paradiesisches Leben führen. Sie müssten ihm nur folgen, in seiner Sprache reden. Das wollten sie tun.

"Wozu braucht ihr neues Futter?", rief es. "Ihr habt doch Reserven. Ich zeige euch, wie es geht. Schließlich seid ihr Wiederkäuer. Ich gebe vor, ihr käut einfach wieder!"

So wollten sie es machen. In der Hoffnung auf eine paradiesische Zeit käuten sie wieder, was der Neue ihnen vorgekaut hatte. Immer wieder blökten sie: "Ööhö, möääh, möhö-öö"

Dabei verlernten und vergaßen sie, selbst für Nahrung zu sorgen.

Alles wurde durchgekaut. Aber der Hunger und die Unzufriedenheit waren nicht zu stillen, wurden von Tag zu Tag stärker.

Bald erkannten sie, dieser Weg ins Paradies - nur wiederzukäuen, was andere vorgekaut hatten - war ein Irrweg.

"Du Großmaulesel hast uns belogen und betrogen! Jetzt geht es uns schlechter als bei den früheren Herren. Scher dich zum Teufel!", riefen sie und jagten den Vorsprecher aus dem Land.

Sie würden keinem mehr hinterher laufen und ließen sich nichts mehr vorkauen!

Doch jetzt war in der Herde jedes Schaf des anderen Feind. Sie konnten nicht mehr miteinander reden, fanden kein gemeinsames Ziel, keinen Plan für ihr Zusammenleben, für eine gemeinsame Zukunft.

So fristeten sie weiter - jedes für sich allein - ihr jämmerliches Dasein, indem sie dürre Steppenhalme rupften und immer magerer und schwächer wurden.

Sie hatten keine schützende Umzäunung, keinen sorgenden Schäfer und keine wachsamen Hunde mehr. Die Wölfe hatten leichtes Spiel mit ihnen.

Die Ziegen, die sich für etwas Besseres hielten, meckerten :

"Ä-äh-äh, wir haben gleich gesagt, dass das nicht gutgeht. Ihr dummen Schafe seid ja nicht einmal in der Lage, gute Futtergründe zu suchen. Was wir hier vorfinden, ist ungenießbar; das ist eine Zumutung, mä-äh, ä-äh! Außerdem lauern hier überall Wölfe!“ Und sie sprangen davon, einen felsigen Bergweg hinan in dem Glauben, dort oben frischeres Grün zu finden.

Seitdem kann man im Hochgebirge, wenn man Glück hat, noch heute an steilen Felshängen ihre Nachkommen beobachten, wie sie aus schmalen Felsspalten harte Gebirgskräuter zupfen.

Späte Schwäne

 

Späte Schwäne

 

Ein herrliches Paradies für Wasservögel! Inmitten eines weiten Laub-und Mischwaldes liegt ein schöner großer Teich mit einer kleinen Insel in der Mitte, die mit dichtem Gebüsch und ein paar Bäumen bestanden ist.

Genau dieses Fleckchen suchte sich ein verliebtes Schwanenpaar für seine Familiengründung aus. Aus der Luft hatte das junge Paar diesen schönen Ort entdeckt. Die beiden waren glücklich, sich nach der langen Reise hier niederlassen zu können. Sie herzten und liebkosten sich, sammelten fleißig Schilf, Zweige und Riedgras für ihre zukünftige Kinderstube am Ufer des Teiches. Zuletzt polsterte die Braut das Nest noch mit Federn aus ihrem Kleid aus.

 

Als die Zeit gekommen war, legte das Weibchen fünf Eier in das Nest und nahm ihren Platz zum Brüten ein. Etwa vierzig Tage lang müsste sie geduldig ausharren, bis die Jungen schlüpfen würden. Der Bräutigam erkundete in dieser Zeit den großen Raum des Teiches oder graste auf den angrenzenden Wiesen, ohne dabei das Nest aus den Augen zu lassen. Durch seine Haltung: gekrümmter Hals und die Flügel wie gespannte Segel aufgestellt, machte er jedem klar, dass es nicht klug sei, sich mit ihm anzulegen.

Natürlich musste auch die junge Schwänin zwischendurch Nahrung aufnehmen, um nicht Hungers zu sterben. Aber sie verließ das Nest immer nur für kurze Zeit und blieb stets in der Nähe, damit den Eiern nichts geschehe.

Doch eines Tages hatte ein Räuber - der Marder – das Gelege entdeckt. Er sprang direkt vom Ufer auf das Nest, schob seine schmale Schnauze von hinten unter den Körper der Schwänin und schnappte sich ein Ei. Das machte er drei Nächte hintereinander. Auch der Otter hatte von der Beute Wind bekommen. Er kam durch das Wasser von unten an das Gelege und griff sich ein frisch geschlüpftes Kücken, steigerte so das Leid des Schwanenpaares ins Unermessliche. Die Schwänin hatte keine Chance gegen den starken Räuber. Sie war machtlos. Hackend und um sich schlagend konnte sie schließlich ein Junges retten.

Diesem einzelnen Kleinen widmete das Paar seine ganze Liebe und Aufmerksamkeit, während andere Schwanenfamilien mit mindestens vier, mitunter sechs oder sieben Kindern übers Wasser zogen. Traurig wünschte sich das Paar, auch eine große Familie zu sein. Und da noch Frühsommer war, legte und brütete das Weibchen noch einmal. Der Schwanenmann war jetzt besonders wachsam und aggressiv, niemand und nichts ließ er in die Nähe des Nestes. Selbst den harmlosen Karpfen hackte er in die Rückenflosse.

Diesmal hatte das Paar Glück. Aus vier Eiern schlüpften gesunde kräftige Kücken. Die Eltern waren überglücklich. Fünf Kinder – ein großes und vier frisch geschlüpfte – umfasste ihr Wasserzug.

 

Es folgten ein herrlicher Sommer und ein warmer Herbst, und sie fanden reichlich Futter. Die Jungen wuchsen schnell und waren nach kurzer Zeit fast so groß wie die Altvögel. Ihr Gefieder allerdings war noch fleckig braun-weiß. Nur das älteste Jungtier hatte im Spätherbst genau so ein herrlich weißes Kleid wie die Eltern.

Aber inzwischen war bereits Dezember. Es gab Nachtfröste. Der Rand des Teiches war schon über einen Meter breit gefroren. In mehreren Schüben waren Dutzende von Schwänen zur gemeinsamen großen Reise nach Süden gestartet. Außer unserer Familie waren nur noch wenige Tiere auf dem Schwanenteich. Wie lange würden sie es hier noch aushalten? Hoffentlich würde der Winter nicht zu grimmig.

 

Noch einmal kam ein herrlich sonniger winterlicher Tag. Da hörte man vom Wasser das laute, aufgeregte Schreien und Rufen der Schwäne. Einer nach dem anderen erhob sich mit langgestrecktem Hals, Schwingen schlagend von der Wasserfläche und stieg in die Luft. Sie formierten sich als kleiner Zug – die letzten zehn Tiere - und flogen dreimal einen Kreis, um, wie es schien, Abschied zu nehmen von der allein zurückbleibenden siebenköpfigen Gruppe – drei weiße Schwäne und vier flugunfähige Jungtiere - bevor sie Richtung Südwesten in die Sonne stiegen.

Vom nächsten Tag an zeigte der Winter seinen wahren Charakter. Der Wind blies scharf über das Wasser. Es schneite, graupelte und hagelte. Die zurückgebliebenen Schwäne drückten sich am Südufer dicht an die Wurzelstöcke des Gebüsches. Hier oder im Inneren der Insel wollten sie ausharren, bis die Sonne wieder höher stieg und sie im Frühjahr ihre Kameraden von der langen Flugreise zurückerwarteten. Nach und nach wurde das Gefieder der letzten Jungtiere weiß.

Mit Hilfe der Altvögel lernten auch sie schließlich fliegen.

 

Aber dann kam der Februar, ein harter Mann mit grimmigem Frost, wenn es auch windstill war und die Sonne schien. Er ließ die kleineren Teiche in der weiten Umgebung komplett zufrieren. Hier konnten die Wasservögel nicht mehr schwimmen und fanden keine Nahrung mehr. Die große Fläche unseres Gewässers aber blieb am Quellzufluss trotz strengster Kälte immer offen und das Futter für die Tiere war gesichert. So fanden sich innerhalb weniger Tage weitere Schwanenfamilien mit Jungtieren ein und bildeten hier eine kleine Kolonie.

 

Der Schwanenteich macht seinem Namen alle Ehre!

 

 

 

 

 

 

Die Vogelschar und die Nachtigall

 

Die Vogelschar und die Nachtigall

 

Es ist Mai und die Vögel, die über den Winter ihre Quartiere in wärmere Länder verlegt hatten, kehren in ihre Sommer wohnungen zurück. Überall ist Bewegung und Leben, Flattern und Schwingen, Pfeifen und Zwitschern. Sie wollen sich am Frühling und an der Liebe erfreuen und das Familienleben neu organisieren.

Doch bevor sie darangehen, ihre Nester herzurichten, findet im Wald ein Treffen aller hier lebenden Vogelarten statt.

Der Specht gibt mit seinem morgendlichen Klopfen das Zeichen zum Sammeln und alle folgen zur großen Begrüßung.

Jeder tut mit ein paar Tönen seine Meinung kund. Manche stellen sich zur Schau, um sich bewundern zu lassen. Der Grün - und der Buntspecht wetteifern miteinander, wessen Kleid wohl in der Gunst der anderen Gäste den ersten Platz einnimmt. Der Eichelhäher breitet stolz seine Schwingen, um seine blau gebänderten Flügel zu zeigen.Die Rotschwänzchen wippen mit ihren Schwanzfedern auf und ab, der Pirol reckt seine Brust, damit auch jeder sein leuchtend goldgelbes Kleid wahrnimmt. Besonders stolz ist der Gimpel auf seine purpurrote Vorderseite.

Die Nachtigall in ihrem bescheidenen bräunlichen Kleid wird mit manch spöttischer Bemerkung bedacht. Der Grünfink stichelt: “Grün trägst du wohl noch immer nicht?“

Die Gelegenheit nutzt der Wiedehopf und spottet: „ Ach, und eine Kopfbedeckung hast du auch nicht?“ Dabei dreht er stolz seinen Kopf mit der aufgerichteten Federhaube. Dem stimmt die Haubenlerche mitleidsvoll zu .Die so Verspottete zieht sich still in ihr dorniges Gebüsch zurück.

Zu nächtlicher Stunde, als alle anderen endlich verstummt waren, erscholl ihr Schlagen und Klagen. Sie schluchzte und schluchzte sich allen Kummer von der Seele. Mit ihrem Sound füllte sie die ganze Nacht. Alle lauschten ergriffen. Das klang so herzzerreißend schön...Und manche Vogelseele schmolz dahin.

Diejenigen aber, welche den Schnabel vorher besonders voll genommen hatten, verstummten als erste. Diesem wundervollen Gesang hatten sie, trotz ihrer tollen Kleidung, nichts entgegen zu setzen.

Der Hass des Hirsches

 

Der Hass des Hirsches

 

 

Regelmäßig traf sich auf den fruchtbaren Wiesen am Waldrand zu bestimmten Zeiten das Rot-und Rehwild zur Äsung. Das war Tradition und förderte das friedliche Miteinander der Tiere. Sie bildeten über Jahre eine harmonische Gemeinschaft.

Eines Tages, als alle wieder friedlich grasten, rastete ein älterer Hirsch plötzlich total aus und attackierte zur Überraschung der Herde eine harmlose Ricke. Er verpasste ihr von der Seite Hiebe mit seinem Geweih, verleumdete sie und warf den anderen vor, ihr Vorteile beim Äsen zu gewähren.

„Immer geht es nur um die „Goldricke“! Goldricke hinten, Goldricke vorn.“

Doch die Tiere waren sich keiner Schuld bewusst. Sie konnten sich diese Haltung nicht erklären. Fragend schauten sie einander an.

Die Ricke schwieg. Schlagartig war ihr der Grund für das Verhalten des Hirsches bewusst geworden. Sie zog sich, nachdem sie gegrast hatte, schweigend in ihr Unterholz zurück. Vor Jahren hatte es begonnen...

 

Im großen Mischwald hatte sich ein junges Rehlein mit goldblondem Fell verirrt. Hier traf es auf einen jungen, gut aussehenden Hirsch. Es sprach ihn an, flirtete ein wenig und erzählte ihm von seiner Suche nach dem Pfad zu den Futtergründen. Der Hirsch war von dem goldigen Reh fasziniert und begleitete es auf dem Weg zu den Wiesen, die es suchte.

Seit diesem Tag begegneten sie sich oft beim Äsen hier an dem guten Weidegrund.

Gemeinsam mit den anderen Tieren der Herde durchstreiften sie das Gelände, grasten nach dem besten Futter, tauschten Erfahrungen aus und spielten manches Spiel miteinander.

Der Hirsch machte sich große Hoffnung auf das schöne Tierlein,

welche im Laufe der Zeit zu einem starken Verlangen anwuchs.

Das Reh war weiterhin freundlich zu ihm, ging aber keine Bindung mit ihm ein. Es hatte sein Zuhause bei einem Rehbock am anderen Ende des Waldes.

Das machte den Hirsch wütend. Und obwohl er sich bald eine junge Hirschkuh zur Frau nahm, vergaß er die Kränkung, die er empfunden hatte, nie...

 

Keines der ahnungslosen Tiere konnte sich den Hassausbruch erklären.

Die Ricke aber mied von diesem Tag an die Zusammenkünfte der Gruppe. Wohl oder übel schloss sie sich einem anderen Rudel an.

Impressum

Texte: All rights by Marlies Kühr
Bildmaterialien: Marlies Kühr, alle Rechte vorbehalten
Tag der Veröffentlichung: 16.02.2014

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Meinen Enkelkindern, für die Tiere dem Menschen noch gleichwertig sind.

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