Leon war schon groß. Das fand er jedenfalls. Leon war froh, dass nun bald die Sommerferien zu Ende waren. Dann durfte er endlich in die 1. Klasse. Seine Eltern taten immer sehr geheimnisvoll, wenn es um die Schule ging. Leon ging ja eigentlich gerne in den Kindergarten. Er hatte dort viele Freunde. Am liebsten spielte er immer mit Katrin. Sie hatte tolle rot gelockte Haare. Leon und Katrin spielten oft in der Bauecke zusammen.
Jetzt waren es nur noch wenige Tage, bis zum Schulanfang. Wo gehen aber nur seine ganzen Freunde hin?, überlegte Leon. Paul, mit dem er immer auf der großen Wiese hinterm Haus Fußball spielte, zieht leider in eine andere Stadt. Katrin geht auf eine andere Schule. Ob er neue Freunde finden würde? Er dachte viel darüber nach.
Draußen wurde es schon dunkel und Leon sollte ins Bett. Er ging zuerst ins Badezimmer und wusch sich dort. In seinem Zimmer zog er sich noch schnell den schönen bunten Schlafanzug an und verschwand unter seiner Bettdecke. Seine Mutter kam herein. Sie gab ihm einen Gute-Nacht-Kuss, setzte sich auf die Bettkante und sagte zu Leon:“Du bist doch nun schon so groß. Ab heute schläfst Du mal ohne Gute-Nacht-Geschichte ein. Was hältst Du davon?“ Leon machte große Augen und dachte angestrengt nach. Ihm wurde etwas mulmig zu Mute. Er antwortete:“Ich kann aber ohne ein Märchen nicht einschlafen.“ Es klopfte an der Tür. Sein Vater kam herein und sagte zu Leon:“Das ist doch für dich kein Problem. Du bist doch schon so groß.“ “Gute Nacht und träume etwas Schönes,“ sagten beide, knipsten das Licht aus und verließen das Zimmer. Einen Spalt breit war die Zimmertür noch geöffnet. Sein großes Märchenbuch blieb auf dem kleinen blauen Hocker liegen.
Leon dachte nach. Er könnte Schäfchen zählen, so wie es ihm seine Oma mal beigebrachte hatte. Er fing also an: Ein Schaf, zwei Schafe, drei Schafe. Aber jetzt waren es ja schon? Er versuchte zu rechnen: Ein Schaf plus zwei Schafe sind drei Schafe. Jetzt noch drei Schafe dazu rechnen. So sind das zusammen? Leon überlegte lange und kam leider zu keinem Ergebnis. Es war ihm zu doof die Schafe zu zählen. Es war einfach zu schwer zu rechnen. Dann kam ihm eine Idee! Er könnte doch die Schafe zu einer Herde zusammen führen. Genauso machte er es. Er stellte sich einige Schafe in einer Herde vor. Jetzt konnte er vielleicht besser zählen, dachte er sich. Er fing also an, aber die Schafe tummelten unruhig umher. Nein, so geht das auch nicht. Es war zu schwierig. Was nun? Leon dachte nach, aber nach einer Weile fielen ihm die Augen zu und er schlief ein.
Am nächsten morgen wachte er schon früh auf. Er dachte sofort an die Schafherde. Toll, ich bin ganz alleine eingeschlafen, sagte er sich. Er lief in die Küche und erzählte stolz seiner Mutter davon. Sein Vater lobte Leon sehr dafür. Leon ging wieder in sein Zimmer zurück und zog seinen schönen bunten Schlafanzug aus. Seine Mutter hatte ihm schon frische Anziehsachen heraus gelegt. Schnell zog er sie an und verschwand im Badezimmer. Er wollte unbedingt am nächsten Abend wieder alleine einschlafen. Vielleicht sieht er die Schafherde wieder. Der Vater brachte Leon mit dem Auto in den Kindergarten. Leon verschwand schnell in der Malecke. Er wollte unbedingt ein Bild von seinem Einschlaftraum malen. Aber wie malt man eine Schafherde? Katrin kam herbeigeeilt und half ihm. Das Bild sah toll aus. Viele weiße Schafe konnte man erkennen. Leon legte das Bild sorgfältig in seine Zeichenmappe. Viel zu schnell ging der Kindergartentag vorbei.
Am Abend saßen Leon und seine Eltern am Tisch und aßen Nudeln mit Hackfleischbällchen. Leon konnte es kaum erwarten in sein Bett zu kommen. Sein Vater fragte ihn:“Gehst Du heute wieder ohne Märchengeschichte ins Bett?“ Leon antwortete:“Ist schon in Ordnung. Ich bin ja schon groß.“ Nachdem er seinen Teller leer gegessen hatte, stand er auf und ging in sein Kinderzimmer. Er zog sich seinen Schlafanzug an und putzte sich im Badezimmer die Zähne. Nun nahm er Anlauf und hüpfte mit einem riesigen Sprung auf sein Bett. Leon deckte sich mit seiner grünen Kuscheldecke zu. Wie war das noch mal?, überlegte er. Also, Schafe zählen war doof, das stand fest. Er erinnerte sich an das Bild, was er heute im Kindergarten zusammen mit Katrin gemalt hatte. Genau – eine Schafherde soll es sein. Er stellte sie sich vor und versuchte doch noch einmal die Schafe zu zählen. „Es gelingt mir einfach nicht!“, murmelte Leon vor sich hin. Dann kam ihm eine Idee. Er stellte sich vor, dass die Schafe auf einer saftig grünen Wiese stehen. Dahinter soll ein Bretterzaun hin. Genau so. So soll es sein. Leon dachte bei sich, dass vorne noch ein schmaler Weg besonders gut wäre. Und wie er so grübelte gähnte Leon und seine Augenlider wurden schwer und senkten sich. Leon war eingeschlafen.
Morgens früh wurde Leon von seiner Mutter geweckt. „Hast Du gut geschlafen?“, fragte sie. Leon antwortete mit einem noch müden: „Ja.“ Er dachte sofort wieder an seine Schafherde. Schnell zog er sich an und ging ins Badezimmer. Dort machte er sich schnell für den Kindergarten fertig. In der Küche aß Leon zum Frühstück sein Müsli und trank einen Kakao. Um zehn Minuten vor acht, machte sich Leon auf den Weg zum Kindergarten. Unterwegs traf er auf Katrin. Katrin freute sich sehr und fragte Leon nach seinem Einschlaftraum. Leon erzählte ihr von seinen Schafen. Im Kindergarten angekommen gingen Katrin und Leon sofort in die Malecke. Sie beide wollten das Bild weiter malen. Katrin freute sich sehr, dass sie die saftig grüne Wiese zeichnen durfte. Als sie fertig waren, sahen sie sich das Bild noch einmal genauer an. Gut ist es geworden. Nach einer Weile meinte Katrin:“ Die Schafe brauchen noch einen Trog mit was drin.“ Leon antwortete:“ Ich überlege mir das mal.“
Zu Hause erwartete ihn schon seine Mutter. Sie war einkaufen und packte gerade die Tüten aus. Leon half mit und entdeckte eine Packung mit Paniermehl. „JA, ich hab's! Ein Trog mit Paniermehl!“ schrie er durch die Küche. Seine Mutter drehte sich herum und fragte verdutzt:“ Wie bitte?“. Leon aber sagte nichts mehr und räumte noch die Milch weg. Es klingelte und Paul stand vor Tür. Er wollte mit Leon noch ein bisschen Fußball spielen, aber Leon hatte keine Lust. Er ging lieber in sein Kinderzimmer und spielte noch eine Weile mit seinen Autos. Die Zeit zum Schlafen gehen rückte immer näher und Leon machte sich schon mal bettfertig. Nach dem Abendessen, ging er schnell ins Bett, denn seine Geschichte sollte ja weitergehen.
Er kuschelte sich ganz tief in seine Bettdecke und dachte nach. Zuerst war da die Schafherde mit ihrem weißen Fell. Danach kamen eine saftig grüne Wiese, ein Bretterzaun und ein schmaler Weg hinzu. Das Zählen der Schafe hatte Leon längst aufgegeben. Katrin hatte doch die Idee mit dem Trog. Also stellte er vor die Schafherde einen großen Trog, der aussah wie eine Badewanne. Jetzt konnte er das Paniermehl in den Trog füllen. Nun tummelten sich die Schafe vor dem Trog und drängelten. Sie hatten wohl großen Hunger. Vielleicht kann ich jetzt doch die Schafe zählen, dachte er sich. Aber das Herumgeschubse war zu wild. Er versuchte es noch einmal, aber die Augen fielen ihm zu.
Am nächsten Tag im Kindergarten erzählte Leon seiner Freundin Katrin von dem Trog und dem Paniermehl. Toll, rief sie. Leon und Katrin eilten in die Malecke und zeichneten einen großen Trog. Katrin durfte dann das eingestreute Paniermehl malen. Es war nicht leicht, die richtige Farbe zu finden. „Fertig!“, sagte Leon. Stolz legte er sein Bild wieder in die Zeichenmappe. Am Nachmittag spielte Leon mit Paul Fußball. Paul und Leon hat es sehr viel Spaß gemacht. Nach dem Abendessen ging Leon zeitig ins Bett. Sein Vater schaute noch kurz durch den Türspalt und wünschte eine Gute Nacht. Er fragte noch:“ Soll ich dir aus deinem großen grünen Märchenbuch etwas vorlesen?“ Leon verneinte, denn er hatte doch sein eigenes Märchen. Aber wie wird sie weitergehen? Er stellte sich wieder alles einzeln vor. Zuerst die Schafherde, dann die saftig grüne Wiese, mit dem Bretterzaun und dem schmalen Weg. Dann kam noch der Trog mit dem Paniermehl hinzu. Eigentlich perfekt, dachte er, aber plötzlich tauchte vor der Herde ein schwarzes Schaf auf. Was will das denn hier? Da es das einzige schwarze Schaf in der Herde ist, kann es auch einen Namen bekommen.
„Hm?“, murmelte Leon leise. Vielleicht Berta? Nein, so heißt meine Tante. Dann Herbert. Nein, der Name ist zu altmodisch. Ich nehme einen Mädchennamen.“, beschloss Leon. Also, nenne ich es Lisa. Lisa oder doch? Leon war beim Nachdenken eingeschlafen.
Am nächsten Morgen, erzählte Leon Katrin von dem schwarzen Schaf und dass ihm kein Name eingefallen sei. Sie gingen in die Malecke und Leon holte seine Zeichenmappe hervor. Katrin und Leon betrachteten das Bild und fingen an ein Schaf vor die Herde zu zeichnen. Katrin durfte das Schaf schwarz ausmalen. Fertig! Jetzt fehlte nur noch ein Name für das Schaf.
Als Leon abends zu Bett ging, beachtete er gar nicht mehr sein großes blaues Märchenbuch. Er stellte sich wieder seine eigene Geschichte vor. So, da war nun das schwarze Schaf. Diesmal versuchte Leon es mit Petra. Oder sollte er das schwarze Schaf Hilda nennen? Leon dachte dann doch über einen Jungennamen nach. Hans ist doch schön, grübelte er und gähnte. Leon drehte sich im Bett herum und bald vielen ihm die Augen zu.
Der nächste Tag begann mit freundlichen warmen Sonnenstrahlen. Im Kindergarten erwartete ihn bereits Katrin. Er erzählte ihr von dem vergeblichen Versuch, einen Namen für das schwarze Schaf zu finden. Katrin machte ihm den Vorschlag, das schwarze Schaf Leon zu nennen. „Hm?“, machte Leon und dachte: Warum eigentlich nicht?
Am Abend unterhielten sich die Eltern über den nächsten Morgen, denn da sollte Leons letzter Kindergartentag sein. Als Leon schon ziemlich müde ins Bett ging, kam sein Einschlaftraum wieder zum Vorschein. Das schwarze Schaf stand da vor seiner Herde ohne Namen. Also gut, dann nenne ich es eben Leon. Und plötzlich raste das schwarze Schaf der Herde davon. Leon wollte das nicht und holte das schwarze Schaf schnell wieder zurück vor die Herde. Puh! Das ist noch mal gut gegangen!, dachte er. Leon, das schwarze Schaf, drehte sich zu den anderen Schafen um. Dann ging das schwarze Schaf ganz langsam, einen Schritt nach dem anderen, den schmalen Weg entlang. Er drehte sich nochmals um und verschwand. Leon setzte sich aufrecht aufs Bett und sagte zu sich:“Komisch!“. Er legte sich wieder hin, aber sein ganzer Einschlaftraum war verschwunden. Nichts war mehr zu erkennen. Alles weg. Leon schlief ein.
An seinem letzten Kindergartentag freute sich Leon, Katrin zu sehen und Paul und alle seine anderen Freunde. Stolz präsentierte er sein und Katrins Bild. Dazu erzählte er dann sein eigenes Märchen. Als der Kindergartentag zu Ende war, verabschiedete sich Leon von all seinen Freunden. Jeder freute sich nach den Ferien in die Schule zu gehen – so auch Leon. Leon wird bestimmt viele neue Freunde kennen lernen. Vollen Mutes ging er nun nach Hause.
Bildmaterialien: eigenes Bild
Tag der Veröffentlichung: 04.03.2012
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