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Geschichten

Lesen, Schreiben und Geschichten gehören für mich zusammen, bedeuten für mich vor allem Ausdruck von Gefühlen, ...

Noch bevor ich lesen lernte, war ich fasziniert von Geschichten. Es gab für mich keinen schöneren Moment, als wenn wir Kinder wie Orgelpfeifen nebeneinander auf dem einfachen Sofa meines Onkels in der Küche saßen. Er machte dort nach dem Essen immer seinen Mittagsschlaf und Punkt halb drei durften wir ihn besuchen. Er richtete sich auf, wir setzten uns neben ihn und dann wartete er. Vier kleine Kinder brauchen eine Weile, bis sie ruhig sind. Und er fing nie an, bevor wir nicht mucksmäuschenstill waren. Kehrte Stille ein in die schlichte Küche, dann begann er zu erzählen. Er las nicht aus einem Buch vor, er hatte die Gabe, Geschichten frei erzählen zu können. Er gab den Charakteren Leben, Dialekte und wir lauschten atemlos und still. Er erzählte vor allem Märchen und ich habe noch heute den Klang von „Buttje Buttje in de See“ im Kopf oder „Mäh, Mäh, es gab nur Gras und Gräselein ...“. Meine Begeisterung für Geschichten ist in einer einfachen Küche geboren worden.

Ich weiß, dass ich schon lesen konnte, als ich in die Schule kam. Meine Mutter erzählte mir später, dass ich es über die Werbung gelernt hatte. Ich wollte immer wissen, was dort stand: PERSIL oder OVOMALTINE. Den Rest hatte ich mir dann alleine abgeleitet. Die Schule inspirierte mich erst einmal nicht weiter, aber dann führte mich meine Mutter in die kirchliche Bücherei des Ortes. Dort gab es im Keller mehrere Regale voller Kinderbücher, und ich durfte ein paar davon mit nach Hause nehmen. Jetzt begann eine lebenslange Sucht nach neuen Geschichten. Als ich alle Fünf Freunde ausgelesen hatte, kamen die Geheimnis um-Bücher dran, dann Hanni und Nanni, und so weiter, bis ich alle Enid Blyton Bücher durch hatte. Danach las ich alle Kinderbücher der Reihe nach durch, war von manchen enttäuscht, von anderen berührt oder entsetzt, musste lachen, aber auch weinen.

Jede Woche las ich an die sieben Bücher und ging mir am Wochenende der Lesestoff aus, dann lief ich wie ein Tiger im Käfig durch die Wohnung und suchte in jedem Winkel nach unbekanntem Geschriebenen. Ich las ungern eine Geschichte noch einmal, obwohl ich doch die Märchen meines Onkels immer wieder hören konnte, ich weiß nicht warum. Auch heute noch habe ich sehr wenig Lieblingsbücher, die ich mehr als einmal gelesen habe.

Das soll nur ein kurzer Vorlauf zur Geschichte meines Schreibens sein. Die erste bewusste Erinnerung an eine selbst geschriebene Geschichte geht in die dritte Klasse zurück. Wir hatten die Aufgabe, eine Geschichte zu schreiben, die uns echt passiert ist. Hm, ich wollte nichts Langweiliges schreiben, also überlegte ich: Was war das Aufregendste, das ich erlebt habe? Ich konnte mir nichts Spannenderes vorstellen, als der mehrmals wöchentlich anfallende Gang in den Keller. Wir lebten in einem sehr altem Haus mit 12 Mietwohnungen. Das ganze große Haus war unterkellert und in einzelne Kammern für die Mieter aufgeteilt, meist mit einfachsten Bretterverschlägen. Wir holten hier Kartoffeln, Marmeladegläser und Eingemachtes hoch und im Winter kannenweise Öl für die Öfen. Wenn ich mal wieder dran war, den Kellergang machen zu müssen, ging ich schon innerlich zitternd die Treppenstufen des Hauses hinunter ins Erdgeschoss. Dann öffnete ich mit einem mulmigen Gefühl die alte Holztüre zum Keller, der Durchgang war niedrig, sogar wir Kinder mussten uns bücken. Ein Drehschalter, gleich links, wenn man die Tür geöffnet hatte, zauberte ein düsteres Licht in den Keller, nur zwei kleine Lampen erhellten die langen, verwinkelten Kellergänge. Es gab nichts, vor dem ich als Kind mehr Angst hatte, als den regelmäßigen Kellergang, aber ich durfte mich nicht herausreden, jede von uns musste diese Aufgabe durchführen. Meine Sinne waren hellwach, wenn ich durch die düsteren Gänge schlich, ich versuchte, alle vermuteten Gefahren frühzeitig wahrzunehmen! Unser Kellerraum war natürlich der letzte in der Reihe, wie konnte es auch anders sein. Dort, wo die kleinen Lampen kaum noch hinschienen - eine Taschenlampe besaß ich nicht - ich konnte kaum das Vorhängeschloss sehen, das ich nun aufschließen musste ...

Von diesem Kellergang, von den Spinnen in den Kartoffelkästen, von Kellerasseln und komischen Geräuschen schrieb ich in meiner Geschichte und bekam ein großes Lob vom Lehrer dafür.

Das wirklich Besondere aber war, dass der Keller durch das Niederschreiben meiner Angst und meiner Gefühle für mich seinen Schrecken verlor. Ab diesem Zeitpunkt ahnte ich um die heilende Kraft des Schreibens und habe sie immer wieder für mich genutzt, ich habe nicht mehr aufgehört zu schreiben. Anfangs für mich selbst: im Tagebuch, kleine Geschichten zum Spaß oder weil mir wieder mal der Lesestoff ausgegangen war, Listen oder Diagramme zur Planung, Gedichte aus Langeweile im Deutschunterricht, ein kleines Theaterstück für meine Jugendgruppe, Briefe an nie gesehene Brieffreundinnen und so weiter.

Als ich dann in Stuttgart Bibliothekswesen studierte, schrieb ich lange Briefe nach Hause, an meine Freundinnen, Geschwister und Eltern. Immer wieder bekam ich zu hören, dass meine Briefe so lustig wären, was ich befremdlich fand, da ich ja nur von meinem Alltag erzählte.

Dann habe ich eine ganze Weile nicht viel Privates geschrieben, eher Dienstliches: Pressemitteilungen, Presseberichte, Konzepte, Strategien und ähnliches. Vor allem durch die Presseberichte schrieb ich erstmals an ein mehr oder weniger unbekanntes Publikum und ich habe viel dadurch gelernt. Was könnte jemand interessieren, den ich gar nicht kenne? Was ist das Besondere, das Spannende an der Veranstaltung gewesen, die ich gerade beschreibe und wie kann ich das Geschehene durch Worte ausdrücken? Hier hatte ich das Erfolgserlebnis, jeden Bericht, den ich an die Presse schickte, nahezu unverändert abgedruckt zu sehen. Was war ich stolz! Es ging mir immer flotter von der Hand ...

Der nächste Schritt in meinem schreibenden Leben war, dass ich in der Bibliothek immer wieder gefragt wurde, ob ich ein Mädchenbuch empfehlen kann, das eine starke, selbstbewusste Heldin hat, die aber nicht gleich verliebt ist. „Die rote Zora“ und ein paar andere fielen mir ein, aber es waren so wenige. Also schrieb ich einen Mädchenkrimi mit zwei starken Freundinnen. Nach der Hälfte des Buches, ich schrieb es ohne Plot und Verstand, erschien Harry Potter. Ich las Harry Potter und ließ mein Buch liegen, es war so viel schlechter, dass es mir peinlich war. Das heißt nicht, dass ich nicht mehr geschrieben habe, aber ich wagte mich nicht mehr an eine längere Geschichte. Okay, ein Kindertheaterstück hatte ich mit einer Freundin zusammengeschrieben, das heute noch aufgeführt wird. Aber komischerweise sah ich mich nicht als Schriftstellerin ...

Zehn Jahre später habe ich ein Buch über das Schreiben gelesen, von Julia Cameron, ich weiß den Titel nicht mehr und es war, als ob ein Vorhang weggezogen wurde. Ich weiß auch nicht mehr, ob dieses Buch gut oder nicht gut geschrieben war, aber für mich war es eine Offenbarung. Es ging um Schreibblockaden, um Selbstzweifel, aber vor allem um die Leidenschaft des Schreibens. Ich erkannte mich überall wieder, kramte meinen Mädchenkrimi wieder heraus und arbeitete ihn von Anfang an intensiv durch. Mit viel mehr Erfahrung. Und ich hatte sehr große Freude am Schreiben, es gab mir so viel. Noch bevor ich das Buch ganz fertig geschrieben hatte, bekam ich mein zweites Kind und es begann eine harte Zeit. Das ist eine andere Geschichte, aber auf jeden Fall hatte ich sehr wenig Kraft, aber den Wunsch, trotzdem etwas zu schreiben. Also setzte ich mich jeden Abend, die Kinder waren ins Bett gebracht, zehn Minuten an den Schreibtisch und schrieb in winzigen Kapiteln die Geschichte der Katze meiner Kindheit auf. Nach einem halben Jahr war das Buch fertig. Ich habe es meinen Eltern und Geschwistern und Freunden zu lesen gegeben und es ein halbes Jahr später auch veröffentlicht. Und ab da habe ich nicht mehr aufgehört, Geschichten zu schreiben, ...

Und vor fünf Monaten habe ich bookrix ausprobiert, diese Plattform wurde mir von einer Freundin empfohlen, deren Tochter hier aktiv unterwegs ist. Ich probierte es einfach mal aus, weil ich experimentierfreudig bin. Mit autobiografischen und erfundenen kurzen Geschichten nahm ich an ein paar Wettbewerben teil, las hunderte von Geschichten und fand zwei Dinge besonders hilfreich: die Kommentare zu meinen und anderen Texten und dass ich hier ein paar echte Freunde gefunden habe. Schreibende Freunde, das tat gut! Sich über Schreiben und Geschichten auszutauschen, statt immer alleine zu arbeiten.

Vor ein paar Tagen ist mein erster Roman erschienen, das war fast vergleichbar damit, ein Kind zu bekommen. Ich bin so stolz auf mich, dass ich eine Schreibende bin!

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 11.06.2013

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für alle, die Geschichten lieben!

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