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Titel

Der rechte Pfad

Vergebung

 

M.B.Lillium

 

 

 

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Texte:               © Copyright by M.B.Lillium
Umschlag:        © Copyright by M.B.Lillium
Verlag:              M.B.Lillium

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Kapitel 1

 

 

„Schlafmütze!“ Das gleißende Licht schmerzte furchtbar in den Augen und Andy wandte sich murrend von ihm ab. Kurz darauf wurde ihm die Decke weggezogen und ein kalter Schauer huschte über seinen Rücken.

„Andy…steh auf!“ Andy brummte missmutig und hielt sich die Hände vor die Augen.

„Andy!“, sagte die Mädchenstimme energisch, worauf der Knabe endlich seine Augen öffnete.

„Toll jetzt sehe ich überall schwarze Punkte“, knurrte er, während er seinen Oberkörper hochhievte und sich auf den Rand des Bettes setzte. Er streckte sich ausgiebig, um daraufhin seine gesamten Glieder wieder sinken zu lassen und vor sich hin zu dösen.

„Heute scheint einmal die Sonne, schau!“ Andy sah benommen zu dem kleinen Mädchen auf, das freudig vor ihm auf und ab hüpfte. Gelangweilt sah er aus dem Fenster. Die Sonne zu sehen war wirklich selten in dieser Gegend. Der schädliche Rauch, den die Fabriken aufsteigen ließen, verdunkelte meistens den Himmel, sodass man sie nicht erblicken konnte. Rundherum schäbige, verfallene Häuser, so wie dieses, indem sich Andy befand.

„Ist das nicht toll?“ Das kleine Mädchen hatte die gesamte Zeit gequasselt, in der Andy sich seinen Gedanken hingegeben hatte.

„Du übertreibst wieder mal, Michelle“, meinte Andy kühl und Michelle machte einen Schmollmund und

verschränkte ihre Arme trotzig.

„Du bist so gemein!“ Andy seufzte und erhob sich vom Bettrand.

„Reg dich ab“, beschwichtigte er und wuschelte Michelle durch ihre blonden Haare, während er an ihr vorbeischritt. Sie hüpfte ihm freudig hinterher und beobachtete ihn, wie er zu einem Eimer mit abgestandenem Wasser schlurfte und sich sein Gesicht wusch. Er tastete nach dem schmuddeligen Handtuch, trocknete sich ab und angelte nach seinem Hemd, das hinter den Nachttisch gefallen war. Das Kleidungsstück besaß keinen einzigen Knopf mehr, aber da Andy nicht mit nacktem Oberkörper durch die Gegend rennen wollte, trug er noch ein graues Trägertop, das eigentlich für eine wuchtige Frau gedacht gewesen wäre, aber es fiel nicht sonderlich auf. Wieder entfuhr Andy ein schwermütiges Seufzen, als er nochmals aus dem verdreckten Fenster starrte.

-Heute ist kein guter Tag- dachte er bei sich. Er verließ mit Michelle das Schlafzimmer und trottete die Stufen hinunter. Es war schließlich Frühstückszeit, deshalb hatte ihn Michelle geweckt. Alle Kinder, die hier wohnten, gingen um Punkt neun frühstücken. Das war nun einmal so, in einem Waisenhaus. Wenn man es

Frühstück bezeichnen konnte, es gab nicht immer etwas zu essen, eigentlich fast nie, aber die Heimleitung zählte die Kinder gerne durch, damit keines abhandenkommen konnte. Andy war damals mit sieben Jahren hier völlig aufgelöst angekommen. Er war aus einem anderen Waisenhaus fortgelaufen. Madame Kalier hatte sich liebevoll um ihn gekümmert, so etwas war er gar nicht gewohnt gewesen. Er flehte sie an ihn nicht wieder wegzuschicken und sie tat es natürlich nicht.

„Es muss doch toll sein Geburtstag zu feiern, wenn die Sonne scheint, nicht wahr Andy?“, sagte Michelle und lächelte ihm zu. Andy antwortete ihr nicht.

-Nicht, wenn es bedeutet zu gehen-

Alle Kinder saßen an einem länglichen Tisch, der sehr wackelig war. Heute gab es trockenes Brot, etwas ganz Besonderes für die Kinder. Normalerweise gab es nur ein bescheidenes Abendessen und kein Frühstück. Kohl oder Grießsuppe, beides immer sehr gestreckt, damit auch alle etwas abbekamen. Somit verursachten die Suppen keine Geschmacksexplosion, sondern schmeckten einfach nach warmen Wasser und Salz. Madame Kalier brachte zwei Krüge mit trübem Wasser und stellte sie auf den Tisch. Besorgt blickte sie zu Andy, der vor sich hin sinnierte. Er zuckte zusammen, als sie ihm die Hände auf die Schultern legte.

„Hast du keinen Hunger, Andy?“, wollte sie wissen, worauf Andy nur seinen Kopf schüttelte.

„Nicht wirklich“, murmelte er. Madame Kalier lächelte traurig.

„Jetzt bist du also…erwachsen…ein erwachsener junger Mann! Es kommt mir wie gestern vor, als du hier aufgetaucht bist. Verängstigt und allein.“

„Bald bin ich wieder allein“, unterbrach Andy sie leise. Madame Kalier strich ihm über sein braunes Haar.

„Sieh es doch bitte ein wenig positiv. Dir öffnen sich neue Türen…du kannst neue Wege gehen, die…“

„Nirgendwo hinführen“, beendete Andy Madame Kaliers Satz.

„Du wirst… zu Recht kommen“, prophezeite sie, aber Andy konnte aus ihrer zittrigen Stimme heraushören, dass sie dies nur gesagt hatte, um sich selbst zu beruhigen, um diese Gewissensbisse zu vermeiden, die so unerträglich sein konnten, einen verrückt machten. Sie wünschte, dass sie mehr für die Kinder tun könne, aber es waren so viele. So viele leidende, allein gelassene Seelen, die Hilfe brauchten. Madame Kalier wusste, welch schreckliche Einrichtungen noch existierten. Getarnt als Waisenhäuser, wo sadistische Menschen ihre Aggressionen an den unschuldigen Geschöpfen Gottes ausließen. Madame Kalier entfernte sich, Andy sah ihr nicht nach, stattdessen fühlte er Michelles Blick. Ihre kugelrunden Augen musterten ihn, sie hatte das Gespräch mit großem Interesse mitgehört.

„Was heißt das Andy?“, wollte sie wissen. Andy starrte zu ihr, sie nuckelte an ihrem harten Brotstück und wartete, bis er ihr endlich Auskunft gab. Michelle war erst vor zwei Jahren hierhergekommen, ihre Mutter hatte sie abgegeben. Michelle war heute noch davon überzeugt, dass ihre Eltern sie abholen würden und alle ließen sie in dem Glauben. Gerade Andy musste die Tür öffnen, als sie mit verweintem Gesicht draußen stand. Sie klammerte sich erbärmlich an seinen Arm und schluchzte vor sich hin. Von da an, hatte Michelle beschlossen, dass Andy ihr großer Bruder sein sollte. Es störte ihn nicht wirklich, dass ihm dieses kleine achtjährige Mädchen überall hin folgte, sein Tun genau beobachtete und immer Schutz bei ihm suchte, wenn einer der anderen Jungen, es ärgern wollte. Alle hatten ziemlichen Respekt vor Andy, er war der Größte und dem Körperbau nach auch der Stärkste, aber diese Stärke musste er nur nutzen, wenn er Arbeiten verrichtete, damit das Waisenhaus wenigstens ein bisschen Geld erhielt. Von der Stadt selber bekam keine Hilfsorganisation auch nur einen Cent. Jeder musste sich selbst durchschlagen, so etwas wie Hilfsbereitschaft und Mitgefühl kannten die Wenigsten. Es drehte sich alles um das liebe Geld und um Macht, egal wer dafür leiden musste. Raub, Korruption, Mord, vor nichts wurde Halt gemacht und bald würde Andy in diese Welt geschickt, ohne das Waisenhaus als Rückhalt zu haben. Michelle wusste nicht, dass die Kinder, sobald sie achtzehn wurden, fortgeschickt werden mussten, um Platz für ein anderes Kind zu machen. Der Letzte der gegangen war, war Bird gewesen. Niemand wusste wie er wirklich hieß, man gab ihm diesen Spitznamen, da seine Nase an den Schnabel eines Vogels erinnerte. Man hatte ihn, nachdem er fortgeschickt wurde, nie mehr wiedergesehen. Und heute würde Andy gehen. Heute war sein Geburtstag, sein achtzehnter Geburtstag. Zwar wusste er nicht sicher, ob er an diesem Tag überhaupt geboren war, aber Madam Kalier hatte diesen Tag gewählt. Nachdem Andy weg war, würde man in einem Monat kein Wort mehr über ihn verlieren, keine Gedanken an ihn verschwenden.

„Was ist los? Du siehst so traurig aus, ich mag es nicht, wenn du traurig bist ich…“

„Michelle, ich werde heute fortgehen und nicht wieder kommen“, unterbrach er sie plötzlich. Das Brot fiel klirrend auf den Teller.

„Was?“, hauchte das Mädchen mit glasigen Augen. So lange hatte Andy darüber nachgedacht wie er es ihr beibringen sollte. Er wollte einfühlsam sein, mit ihr allein darüber sprechen, ihr Hoffnung geben, obwohl er wusste, dass es keine gab. Und jetzt hatte er es ihr so kaltschnäuzig hineingewürgt, so als ob sie ihm nicht das Geringste bedeuten würde.

„Du hast schon richtig gehört“, sprach er gleichgültig weiter.

„Aber…aber…“, stotterte Michelle.

„Es wird Zeit für mich endlich mein eigenes Leben zu leben.“ Andy kam es vor, als würde eine fremde Person für ihn sprechen, er stand nur daneben und horchte zu, versuchte nicht diese böse Zunge zu stoppen.

„Ich kann nicht ständig auf eine kleine Göre wie dich Acht geben, werd erwachsen…ich bin es schon“, mit diesen Worten erhob sich Andy, die Augen aller Kinder starrten ihm hinterher. Jedes hatte seine Mahlzeit unterbrochen und war nun genau so verwirrt wie Michelle, der die Tränen über das Gesicht kullerten. Als Andy gerade bei der Tür hinauswollte, erhob sich Michelle zornig und plärrte: „Wenn alle Erwachsenen so gefühllos wie du sind, dann will ich es niemals werden!“ Andy ballte die Fäuste und verließ schließlich ohne etwas zu sagen den Speiseraum. Kurz nachdem sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, preschte er los, hoch zu seinem Zimmer. Er riss die Schranktür auf, packte eine Schachtel und hastete wieder zurück. Bloß niemanden mehr über den Weg laufen. Mit keinem mehr sprechen, einfach verschwinden, sich in Luft auflösen. Erst als er vor dem Eingangsbereich stand, verharrte er schwer atmend.

„Es war doch richtig“, sagte er zu sich.

„Wenn sie mich hasst, dann…dann kann sie mich nicht vermissen.“ Andys zitternde Hand tastete nach dem Türgriff. Langsam drückte er ihn hinunter, die Tür war noch geschlossen. Andy holte tief Luft und zog sie auf. Rauch stieg ihm in die Nase, der Staub wirbelte auf, als ein Wagen auf der holprigen Straße entlangfuhr.

„Jetzt heißt es wohl Abschied nehmen, hm?“ Andy wirbelte herum.

„Ma…Madame Kalier“, stammelte er. Die alte Dame lächelte freundlich. Ohne Worte umarmte sie ihn und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.

„Pass gut auf dich auf, Andy“, flüsterte sie ihm ins Ohr. Sie ließ von ihm ab und wandte den Blick auf den dreckigen Boden. Auch Andy ließ seinen Blick sinken.

„Das werde ich“, versicherte er schließlich und wandte sich der Tür wieder zu. Ein Schritt, es war nur ein Schritt und Andy stand im Leben. Über die Schwelle des Kinderheims hinaus lag die Welt, diese bittere, grausame Welt. Madame Kalier winkte Andy, doch er konnte es nicht sehen. Sein Blick war fest auf das zerfallene Gartentor gerichtet, als er durch den vertrockneten Garten wanderte. Er drehte sich nicht wieder um, er würde nie wieder zurückblicken, er ließ alles hinter sich. Seine Freunde, Michelle, seine Kindheit. Für Andy gab es nur mehr eine Person in seinem Leben, auf die er Acht gab, die er liebte und die sein Freund war. Er selbst.

***

„Pass doch auf, Rotzlümmel!“ Andy wurde unsanft zur Seite gestoßen. Gerade rechtzeitig konnte er sich mit den Händen an der Mauer abstützen, die er ansonsten unsanft mit seinem Gesicht berührt hätte. Es war nun schon geraume Zeit her, seit er das Kinderheim verlassen hatte. Noch ein paar Tage, dann waren es bereits sechs Monate. Bis jetzt hatte er nur Mülltonnen wie ein räudiger Köter durchwühlt, um nicht verhungern zu müssen. Er war schmutzig, sein Körpergeruch überdeckte bereits den der Straßen und Andy war auch noch stärker abgemagert.

Übernachtet hatte er immer in einer verdreckten Seitenstraße unter Bergen aus Zeitungspapier, damit er nicht fror. Die Menschen hier waren so unfreundlich, so schrecklich egoistisch. Andy hatte es recht bald aufgegeben nach ein paar Münzen zu betteln. Er bekam ja nicht einmal die geringste Aufmerksamkeit der Passanten, die in der oberen Schicht lebten. 

- Lieber Gott, warum tust du mir das an? Habe ich nicht schon genug ertragen müssen? Kannst du mich nicht sehen, kannst du mich nicht hören…oder willst du es einfach nicht? – Andy starrte in den verdunkelten Himmel. Als würde ihm jemand Antwort geben, lächerliche Vorstellung. Viele Menschen hätten in so einer Situation wahrscheinlich in ihrer Verzweiflung geweint, nicht so Andy. Er hatte schon lange keine Tränen mehr vergossen. Jede Sekunde, die man mit Weinen verbrachte, war verschwendete Zeit.

Andy seufzte und trottete den Gehsteig entlang. Stinkende Autos fuhren vorbei, durch die dreckigen Pfützen auf der Straße und bespritzten den Knaben, den es allerdings nicht störte. Er bog in eine der Seitengasse ein. Andy fühlte sich so leer, so tot. Eine wandelnde Leiche, ein Gerippe von Mensch, ohne jeglichen Lebenswillen. 

„Halt!“ Andy ignorierte die Bande von Halbstarken, die ihn schroff aufgefordert hatte. Er schlurfte an ihnen vorbei, ohne sie anzusehen, was den vermeintlichen Anführer wütend machte und er brüllte: „Hey Drecksack…rück dein Geld raus!“ Andy blieb abrupt stehen. Diese Worte hatten ihn aus seinen melancholischen Gedanken herausgerissen. Er wandte sich zu der Kinderbande um und trat auf den Halbwüchsigen zu der, eingeschüchtert von Andys funkelndem Blick, zurückwich.

„Denkst du wirklich, ich würde mich hier rumtreiben, wenn ich Geld hätte? Denkst du im Ernst jemand mit Geld würde so aussehen wie ich? HÄ?!“, Andy bebte vor Zorn. Alle Kinder schüttelten heftig mit dem Kopf.

„N…nein Sir!“, stotterte der Junge, der nur wie ein Häufchen Elend vor ihm stand.

„Verschwindet besser…ich bin nämlich sehr hungrig!“ Die Bande gab Fersengeld und verschwand in einer Gasse.

„Dämliche Gartenzwerge“, schnaubte Andy und zog weiter. Er durchstreifte die Gassen der Stadt Tisdale, das hieß, nur die unteren Schichten natürlich, die Slums, die Gosse, wie auch immer man es nennen wollte. Natürlich hatte Tisdale auch eine sonnige Seite. Am Stadtrand zum Beispiel gab es keine Fabriken, die die Luft verpesteten. Dort befanden sich die reichen Villenviertel. Andy hatte nur einmal eine Villa gesehen und die war am Hafen gewesen, nahe dem Meer, es musste herrlich sein den Sonnenuntergang zu beobachten. Es sah bestimmt wunderbar aus, wenn es schien, als ob die Sonne im Meer versinken würde. Andy wäre damals gerne näher an dieses riesige Gebäude herangetreten, aber die Villa war von einem hohen Zaun umgeben, der, um zu verhindern, dass jemand darüber kletterte, mit Stacheldraht ausgestattet war.

Im Stadtzentrum waren die Geschäfte, die noblen Läden für die feinen Damen, die Schmuck, Kleidung und teure Kosmetikartikel kauften, um sich allen anderen zur Schau zu stellen und ihnen zu zeigen, dass sie etwas Besseres waren. Und dann diese hohen Wolkenkratzer, in denen die reichen Geldsäcke ihre Aktien kauften und verkauften, Geld anlegten und ihre Geschäfte per Vertrag abschlossen. Tisdale hatte wahrlich zwei Seiten, zwei völlig verschiedene Seiten.

Vor kurzer Zeit hatte Andy das Kinderheim wieder aufgesucht, in der Nacht natürlich, damit ihn niemand sehen konnte. Er hatte auf der Straße gestanden und sehnsüchtig zum Fenster hinauf gestarrt, hinter dem sich sein ehemaliges Zimmer befunden hatte. Michelle saß damals am Fensterbrett. Sie weinte, aber zu Andys Erleichterung vor Lachen, da Steven herumalberte und den Entertainer für sie spielte. Kurz hatte Andy daran gedacht einen Stein an das Fenster zu werfen, hatte den Gedanken aber gleich wieder verworfen und war davongeschlichen. Andy war völlig perspektivlos, irrte ziellos durch die Straßen. Es gab keine Garantie, dass er am nächsten Tag noch leben würde. Er hatte versucht Arbeit zu finden, aber niemand wollte ihm eine Chance geben. Nicht einmal an den Docks fand er etwas, obwohl die Leute ihn dort kannten.

Es sah hoffnungslos aus. Nicht ein Funke war da, somit lebte Andy in den Tag hinein. Er war knapp davor aufzugeben. Er stand schon einmal lange Zeit auf einem heruntergekommenen Gebäude und starrte auf die Straße hinunter. Es wäre nur ein Schritt gewesen, der alles beendet hätte. Egal was danach kam, es konnte einfach nicht schlimmer sein als diese Hölle hier. Doch war er dann doch zu feige gewesen.

Ein kleines Mädchen kauerte in der Ecke und weinte. Andy konnte Blut an ihrer Kleidung sehen. Viel Blut.

„Alles in Ordnung?", fragte er besorgt, was das junge Kind aufschrecken ließ.

„Es sind alle tot!", wimmerte es.

„Alle... nur ich bin noch da!", das Mädchen schluchzte herzerweichend. Andy hockte sich zu ihm.

„Warum? Was ist passiert?" Das Kind wischte sich mit seinem Ärmel übers Gesicht und verschmierte das Blut.

„Die Krähe war in unserem zu Hause... ich hab die Leute schreien gehört, erst wie sie weg war bin ich ins Hochhaus und es waren alle tot", die braunen Augen des Mädchens füllten sich wieder mit Tränen. Die Krähe, ein angstverbreitendes Monster, es war unklar wie viele Mörder sich hinter diesem Namen verbargen. Fakt war, dass sie nur existierte, damit die Menschen nicht daran dachten sich aufzulehnen und sich weiterhin wie Vieh behandeln ließen

„Ich bin jetzt ganz allein!"

„Komm mit!" Andy reichte dem Mädchen seine Hand. Es klammerte sich an ihn. Es suchte hilflos Schutz und vertraute ihm, als er es mit sich führte. Sehr gefährlich, er hätte mit ihr auch anderes im Sinn haben können. Es wäre doch möglich gewesen, dass irgendein Perverser sie aufgegabelt hätte. Andy brachte das Mädchen zum Waisenhaus.

„Geh nur rein, die Menschen dort drin sind nett und werden für dich da sein! Alles Gute!" Er umarmte das Mädchen und gab ihm einen auffordernden Schubs, damit es sich in Bewegung setzte. Er beobachtete, wie es an die Tür klopfte und Madame Kalier sie öffnete. Sie zog das Mädchen ins Haus und richtete ihren Blick schließlich dorthin, wo Andy sich verborgen hielt. Sie winkte, obwohl Andy dachte, dass er sich gut genug versteckt hatte. Er wandte sich um und verschwand wieder in den Seitenstraßen. Er trottete weiter und dachte über seine Zukunft nach. Hatte er denn überhaupt eine? Gab es eine Zukunft für Menschen wie ihn? Welchen Plan verfolgte Gott nur? Was hatte er denn vor mit ihm?

„Nein…bitte...“ Andy wurde durch eine hysterische Stimme aus seinen Gedanken gerissen. Die Stimme war aus einer der engen schmalen Gassen gedrungen und Andy spickte vorsichtig um die Ecke. Er erkannte zwei

Personen, die eine schien nicht aus dieser Region der Stadt zu kommen. Der Mann mit dem schwarzen eleganten Anzug, den glänzenden Schuhen und dem gepflegten Haaren und Schnurrbart, passte nicht in dieses Bild des Elends. Die andere Person, schien nicht einmal aus diesem Land zu stammen. Sie trug schwarze Kleidung, weiße Handschuhe und eine venezianische Maske, die einen Vogelkopf darstellte. Der Maskierte drückte den Mann an die Wand und umfasste mit seiner linken Hand seinen Hals. In der anderen Hand hielt er eine Pistole

„Hör auf zu winseln, es bringt dir sowieso nichts“, zischte der Maskierte. Das Opfer schwitzte und zitterte erbärmlich. Insgeheim wusste Andy was den Kerl erwartete, er wollte helfen, doch eine Stimme in ihm sagte, dass es ihn nicht zu interessieren hatte. Dieser Typ war bestimmt einer dieser reichen Säcke. Sie waren schuld an diesem Elend in diesen Vierteln, ihre Habgier brachte andere Menschen in diese Lage. In diese schreckliche unzumutbare Lage.

„Bitte…ni…nicht!“ Aber der Angreifer drückte die Mündung seiner Waffe gegen die Schläfe seines Opfers. Er drückte ab, fast lautlos löste sich ein Schuss, das Blut rann über den noblen Anzug, tropfte auf die glänzenden Schuhe. Etwas entgeistert starrte Andy auf das Opfer, das zuckend zu Boden glitt. Der Mörder beugte sich zu ihm hinab, als wollte er sichergehen, dass der Mann auch wirklich tot war. Schlagartig hob er den Kopf und stierte in Richtung Andy.

-Verdammt- Andy presste sich an die Wand. Sein Herz raste und sein Brustkorb hob und senkte sich schnell, als hätte man ihn wie ein Kaninchen bei einer Hetzjagd gescheucht.

-Er hat mich doch nicht gesehen, oder etwa doch? - Einige Sekunden vergingen, Sekunden, in denen nichts geschah. Bald schon hielt es Andy nicht mehr aus und er lugte abermals vorsichtig um die Ecke. Der Killer war verschwunden, sein Opfer hatte er allerdings zurückgelassen. Erleichtert atmete Andy auf und beschloss die gesamte Sache zu vergessen. Fast hätte er geschrien vor Schreck, als er in das gefiederte Vogelgesicht glotzte, dessen Besitzer plötzlich vor ihm stand. Verängstigt stolperte Andy zurück.

„Hey ich… ich will keinen Ärger…es ist mir egal…das da, ich…ich vergesse es einfach und d…du lässt mich…leben, ja?“, Andy stotterte furchtbar. Solche Ängste hatte er noch nie ausgestanden. Der Mörder legte den Kopf unmenschlich schief, ein wenig wie ein Kauz.

„Andy?“, sagte der Maskierte ungläubig. Andy riss die Augen geschockt auf.

„Du…du kennst meinen Namen?“, stammelte er verwirrt. Der Mörder zog sich seine Maske vom Kopf.

„Ich bin es doch!“ Andy schnürte es die Luft ab.

„Bird?“, jappte er. Birds Nase zuckte.

„Mann, ist ja ewig her, Junge, bist du vielleicht gewachsen!“ Wieder erinnerte Bird mit seinem momentanen Verhalten an einen Vogel. Und zwar an einen Geier, der um das Aas herumkreiste.

„Bist jetzt also auch erwachsen, was?“ Andy schreckte hoch, als ihm Bird freundschaftlich auf den Rücken klopfte.

„Wa…was sollte das denn eigentlich?“, fragte Andy schließlich ein wenig zögernd.

„Ach, das ist mein Job…er wurde lästig“, erklärte Bird gleichgültig.

„Trifft sich übrigens gut“, sagte er gleich darauf.

„Du kannst mir helfen den Kerl hier wegzuschaffen. Ist nicht sehr appetitlich, wenn er hier verwest.“

„Aber…“

„Kein Aber, du hilfst mir?“ Bird starrte Andy erwartungsvoll an. Andy grinste dümmlich.

„Klar“, piepste er schließlich kleinlaut, worauf sich Birds Miene glättete. Er lächelte Andy erfreut zu und sein Zinken zuckte abermals.

„Komm mit!“ Andy folgte Bird, der auf die Leiche zu trat.

„Nimm seine Beine“, befahl Bird und Andy befolgte die Anweisung. Sie schleppten den Toten durch die Gassen, doch blieben sie nicht ungesehen. Ein kleiner Junge saß gelangweilt auf einer Mülltonne und schlenkerte mit seinen Beinen. Dies stellte er aber sofort ein, als er die beiden jungen Männer vorbeikommen sah. Die kleinen Augen wurden kugelrund und das Kind schluckte.

„Was starrst du so?“, knurrte Bird.

„Wie?“ Birds Blick löste selbst in Andy Unbehagen aus, obwohl er ihm gar nicht galt.

„Hau ab, sonst mache ich mit dir das Gleiche!“ Birds Augen funkelten gefährlich. Der Knabe ließ sich nicht zwei Mal ermahnen, hopste von der Mülltonne und sah zu, dass er Land gewann.

„Du bist also ein…“

„Auftragskiller“, beendete Bird Andys Satz. Andy starrte Bird etwas verunsichert an.

„Und…wie bist du…dazu gekommen?“, wollte er schließlich wissen.

„Hm…lange Geschichte UPS!“ Die Hände des Mannes waren Bird entglitten und der Tote schlug mit seinem Kopf auf den harten Betonboden auf.

„Wäre auch was für dich. Kost und Logis, ab und zu musst du halt jemanden umlegen, aber sonst...“

„Na ich weiß nicht“, wehrte Andy ab. Bird zuckte gleichgültig die Schultern und hievte die Leiche plötzlich hoch.

„Überleg’s dir! Es wird ein neuer gesucht und ich meine mich zu erinnern, dass du ziemlich stark bist, mein Guter!“, Bird zwinkerte Andy zu.

„Ab hier…schaff ich es allein…Dank dir!“

„Öhm gern geschehen wo…wo bringst du ihn denn jetzt hin?“ Bird grinste hämisch.

„Dorthin wo er hingehört…städtische Müllhalde!“ Bird schritt los, doch bevor er in einer der zahlreichen Gassen verschwand, wandte er sich Andy noch einmal zu.

„Solltest du dich dafür entscheiden…Hafen, Hausnummer 13.“

„Okay, ist gut!“ Bird verschwand. Andy verstand nicht warum Bird so abrupt beschlossen hatte, die Arbeit allein fortzusetzen. Aber er dachte nicht lange darüber nach, vielmehr überdachte er das Angebot.

- Kost und Logis-

„Satt sieht er aus“, meinte er laut, gleich darauf lachte er trocken.

„Blödsinn!“ Andy wollte in die andere Richtung weiterziehen, aber es zog ihn woanders hin. Seine Beine bewegten sich einfach, er konnte gar nicht anders. Der Hafen, er erinnerte sich, als er als kleiner Junge dort gearbeitet hatte. Er hatte Fische aussortiert, die schlecht waren. Diesen Geruch hatte er lange nicht aus der Nase bekommen. Vom Frachtlager aus konnte man die riesige Villa sehen. Ein wirklich herrschaftliches Anwesen. Andy hatte sich oft vorgestellt dort mit seinen Freunden aus dem Waisenhaus zu leben. Ein herrlicher Traum. Lautlos wanderte er durch die Gassen und Seitenstraßen. Insgeheim wünschte er sich, dass ihn jemand aufhalten würde, aber das würde niemand tun. Es sei denn, jemand dachte er hätte etwas Wertvolles. Wertvoll, Andy war stehen geblieben. Er hatte seine Schachtel vergessen, dort wo er geschlafen hatte. Andy preschte los, es würde doch niemand eine alte Schuhschachtel mit sich nehmen, oder? Ächzend stand Andy vor einem Maschendrahtzaun, der ihm die Abkürzung, die er nehmen wollte, verwehrte.

„Seit wann…steht der denn hier?“, fragte Andy rhetorisch.

„Seit dieser Weg privat ist!“ Andy wirbelte herum, er hätte niemals gedacht, dass ihm jemand antworten würde. Fünf Männer hatten sich im Halbkreis um ihn postiert.

„Und dieser Weg gehört uns, du hast unsere Privatsphäre verletzt!“ Der große Typ mit der hässlichen Narbe quer durch sein faltiges Gesicht, versenkte seine Faust in der Handfläche der linken Hand.

„Entschuldigung“, murmelte Andy nur, was den Kerl mehr als belustigte. Er lachte schallend und sagte zu seinen Kumpanen gewandt: „Habt ihr das gehört…er entschuldigt sich.“ Der Mann trat auf Andy zu und stieß ihn gegen den Zaun.

„Memme!“ Er schlug Andy mit ganzer Kraft in sein Gesicht. Andy schmeckte Blut.

„Wehr dich doch!“, brüllte der Kerl, als Andy nicht auf seinen Angriff einging. Andy sah ihm ins Gesicht.

„Wozu?“ Die Augen des Schlägers verengten sich, er packte Andy an seinem Shirt und ließ ihn gegen die Mauer donnern. Andy verdrängte den Schmerz. Er sank auf die Knie.

„Willst du dich endlich wehren?“, fragte der Mann mit einem Hauch Ironie in der Stimme, als Andy sich wieder aufrichtete und sich ihm zudrehte. Andy lächelte, was den Schläger stutzig machte.

„Was grinst du so dämlich?“, fragte er. Andy schritt auf ihn zu. Seine Miene spiegelte etwas Geisteskrankes wider. Der Mann wollte ihn abermals schlagen, doch Andy stoppte seinen Angriff mit der linken Hand und schlug mit der rechten so fest zu, dass der Kerl zu Boden stürzte. Wütend stierte er Andy an und wischte sich das Blut von der Nase. Die anderen Männer wollten eingreifen, doch der Rüpel plärrte: „Bleibt stehn…den mach ich alle! Ganz allein!“ Er rappelte sich hoch und wollte sich auf Andy stürzen, der seinen Angreifer wieder abwehrte und ihn forsch gegen den Zaun stieß. Die anderen Typen sahen nur erschrocken zu, wie Andy die Kehle ihres Kumpels umfasste und sie ihm zudrückte. Kaum zu glauben, dass ein so hagerer Junge einen riesigen Muskelprotz mit solcher Leichtigkeit in die Mangel nahm.

„Schon mal ein Klavier in den achten Stock getragen?“, raunte Andy ihm zu und verstärkte seinen Griff, der Mann röchelte nur.

„Tja…ich schon!“ Andy ließ von dem Schläger ab. Nun sank der Mann erschöpft auf die Knie, hustete erbärmlich und hielt sich seinen Hals. Andy trottete los, die anderen Kerle wichen ihm aus. Sie sahen ihm nur mit ungläubigen Blick hinterher.

Nach einiger Zeit schlurfte Andy durch eine Unterführung, als er plötzlich ein lautes Klatschen vernahm. Jemand klatschte drei Mal verzögert in seine Hände. Es hallte in der Unterführung.

„Alle Achtung, Kleiner…alle Achtung!“ Andy wirbelte herum und erblickte einen jungen Mann in einem schwarzen Anzug. Er wirkte wie ein Agent. Er trug eine schwarze Sonnenbrille und hatte blank geputzte Schuhe. Allein seine Haare passten nicht in dieses Schema von Klasse und Charisma. Die eisblauen Haare waren etwas länglicher und verliehen ihm eine gewisse Coolness.

„Was willst du?“, fragte Andy forsch.

„Ganz ehrlich? Dich!“, entgegnete der Mann und lächelte, während er seine Sonnenbrille abnahm.

„Mit dem Ding sieht man fast gar nichts hier, aber sie sieht so cool aus.“ Andy runzelte die Stirn.

„Warum willst du mich?“, leitete Andy die Aufmerksamkeit zurück auf die eigentliche Sache.

„Erst einmal stelle ich mich dir vor…man nennt mich Muffin.“ Muffin machte eine Verbeugung vor Andy, der seine Stirn noch mehr in Falten warf.

„Und wie ist dein Name?“ Muffin hatte ein unheimlich charmantes Lächeln.

„An…“ Andy stockte. Muffin musterte ihn erwartungsvoll.

„Angel“, stellte sich Andy vor. Jeder besaß eine Art Pseudonym, wieso dann nicht auch er.

„Hm gut…die Sache ist die, in unserer Organisation ist nun ein Mitglied leider verstorben und unser Boss hat gesagt, dass ich so schnell wie möglich jemanden auftreiben muss. Und da läufst du doch gerade in diese

Sackgasse und erwürgst beinahe diesen ekligen Muskelprotz. Willst du für unsere Organisation arbeiten?“ Andy glaubte zu träumen, zuerst bot ihm Bird einen Job an, dann dieser seltsame Muffin.

„Welche Organisation ist das denn? Was müsste ich tun?“, wollte Andy wissen, denn wenn das vorhin Geschehene ausschlaggebend dafür gewesen war, dass Muffin ihn ansprach, konnte es nun wirklich nicht eine saubere Sache sein.

„Nun ja…sagen wir es so, die Fähigkeit jemanden Erwürgen zu können, ist schon sehr gut brauchbar! Sehr gut brauchbar...“ Andy nickte wissend. Also auch nicht wirklich ein rechtschaffender Beruf.

„Also…ich weiß nicht…“ Andy schüttelte leicht den Kopf.

„Mir hat schon ein Freund einen Job angeboten, ich denke ich werde diesen annehmen!“ Andy traute seinen Ohren nicht, was hatte er da gerade gesagt?

„Hm…nun kann ich dich womöglich umstimmen? Was bietet dir dein Freund?“, erkundigte sich Muffin und strich sich eine Strähne aus seinem Gesicht.

„Kost und Logis…hat er gesagt“, antwortete Andy. Muffin grinste breit.

„Ach, das kann ich dir auch bieten…was ist das denn für eine Arbeit?“ Andy starrte auf den Boden.

„Das möchte ich...lieber nicht sagen“, antwortete er leise. Muffin warf ihm einen eindringlichen Blick zu.

„Nun gut, sehr schade, kann ich dich nicht umstimmen?“ Andy schüttelte den Kopf. 

„Und damit?“ Muffin wedelte mit einem Bündel Geldscheinen vor Andys Gesicht. Andys Pupille verfolgte die Bewegung mit.

„Nein…ich…werde…den anderen...Job annehmen“, widerstand Andy Muffins Lockversuch. Muffin seufzte.

„Na gut…schade… dann auf Wiedersehen, Angel!“ Muffin verschwand in der Dunkelheit, aus der er gekommen war. Andy war das Ganze unheimlich. Wenn Muffin für eine Organisation arbeitete, wieso gab er dann sein Vorhaben so schnell auf, Andy umzustimmen. Andy durchquerte die Unterführung, durchstreifte das gesamte Stadtviertel und gelangte schließlich zu seinem ehemaligen Schlafplatz. Er durchwühlte den gigantischen Berg aus Zeitungspapier und fand das, wonach er gesucht hatte.

„Gott sei Dank“, murmelte er und öffnete den Deckel. Eine lächelnde Michelle sah ihm entgegen, Andy betrachtete das Bild. Michelle saß in einem weißen Kleidchen auf einer Reifenschaukel. Dieses Bild ist aufgenommen worden, als Michelle sechs Jahre alt war. Sie hatte das und noch ein paar andere bei sich, als sie ins Waisenhaus kam. Sie hatte es Andy geschenkt und er hatte gut darauf Acht gegeben. Michelle wäre sicher enttäuscht von ihm, würde sie erfahren, welchen Beruf Andy ausüben wollte. Sie wäre schon entsetzt darüber, dass er nur darüber nachdachte, so ein Angebot anzunehmen.

Andy schloss den Deckel und erhob sich. Auch wenn es ihr nicht gefallen würde, er würde dennoch zum Hafen gehen und sich selbst ein Bild machen. Er musste den Job ja nicht annehmen.

Schon bald schlenderte Andy am Pier entlang und starrte auf die Lagune hinab. Das Wasser war voller Müll, Andy fragte sich wozu es überhaupt eine Müllhalde gab. Irgendwie hätte er erwartet, dass der ermordete Mann vorbei trieb. Andy schlurfte weiter und suchte das richtige Haus. Der Mund blieb ihm offenstehen, als er vor dem riesigen Metalltor stand auf der eine große Dreizehn angebracht war.

- Ist es das wirklich? – Andy konnte es nicht glauben, was er sah. Würde ein kleiner Kindheitstraum etwa wahr werden und er würde in diese prächtige Villa einmarschieren dürfen? Andy zögerte als er vor der Sprechanlage stand, doch schließlich drückte er auf den Knopf, der unwiderruflich die Klingel auslöste.

Ja bitte?“ Andy war überrascht eine so freundliche Mädchenstimme zu hören.

„Ähm ja hallo…Bird schickt mich!“

Wieso denn?“

„Er sagt hier gäbe es Arbeit für mich,“ erklärte Andy.

Ach, hat er das?“, die Stimme klang misstrauisch.

„Ja!“ Andy konnte das Mädchen atmen hören, sie schien zu überlegen.

Merkwürdig“, sprach sie und er verdrehte die Augen.

„Kann ich nun rein?“

Hm, ich weiß nicht so genau.“

„Du glaubst mir nicht, oder?“

Oh doch, aber Bird plappert viel, wenn der Tag lang ist!“, entgegnete das Mädchen.

„Ja das stimmt“, stimmte ihr Andy zu. Das Mädchen lachte.

„Ich kenne ihn schon ewig“, erzählte Andy, allerdings erhielt er als Antwort ein Rauschen.

„Hallo?“ Die Sprechanlage begann zu piepsen.

„Na toll“, stöhnte Andy. Er wartete einige Minuten, doch schließlich beschloss er wieder zu gehen. Gerade als er sich umwandte, hörte er hinter sich das Quietschen des sich öffnenden Tores.

Alles klar, komm rein“, meldete sich die Stimme wieder. Andy tat wie ihm geheißen. Klirrend schloss sich das Tor hinter ihm. Andy verspürte ein mulmiges Gefühl in der Magengegend und er schluckte nervös. Er holte tief Luft und marschierte über den Schotterweg hin zur Villa. Sie wirkte etwas verfallen und sie war nicht mehr so weiß, wie Andy sie in Erinnerung hatte. Gespenstisch starrten die Wasserspeier auf den Besucher herab. Andy stieg die fünf Steintreppen hoch und stand vor einer hölzernen Tür, an der ein Klopfer hing. Andys Herz raste vor Aufregung. Er griff nach dem Türklopfer. Er hielt den metallenen Ring in der Hand und wollte ihn gerade benutzen, als die Tür aufschwang und Andy von ihr ins Innere des Hauses gezogen wurde.

„Oh nein, tut mir leid!“ Ein Mädchen versuchte Andys Hand aus dem Ring zu ziehen. Sie trug eine schwarze Schirmkappe auf die eine Pilotenbrille mit runden, getönten Gläsern geschnallt war. Der schmuddelige, schwarze Pullover mit den weißen Tribal- Zeichen an den Armen, war ihr viel zu groß, dafür lag die schwarze Leggins umso mehr an. Ihre Schuhe erinnerten ein wenig an Springerstiefel und durch die Hektik, die sie hatte, weil sie Andy befreien wollte, trat sie ihm mit den gewaltigen Tretern auf die Füße.

„Moment…lass, lass es, es geht schon“, wehrte Andy schnell ihre Hilfsbereitschaft ab, die zwar gut gemeint war, aber nur mehr Schmerzen verursachte.

„Oh ich bin so ein schrecklicher Schussel“, das Mädchen verpasste sich selbst eine Kopfnuss, die offenbar so schmerzhaft gewesen war, dass es ihr die Tränen aus den graugrünen Katzenaugen drückte. Erst jetzt bemerkte Andy ihr goldenes Glöckchen um ihren Hals.

„Ach ist schon gut, passiert jedem einmal“, grinste Andy und schloss die Tür hinter sich.

„Einmal passiert mir so was nicht… es war dasselbe mit Nightmare und Bird!“ Andy musterte das Mädchen belustigt.

„Ich bin übrigens Cat!“, stellte sie sich plötzlich mit einem strahlenden Lächeln vor. Andy war nicht sonderlich überrascht, über diesen sonderbaren Namen, hatte Cat doch viele äußerliche Merkmale, von ihrem tierischen Namensvetter.

„Angel!“ Andy hatte Gefallen an diesem Namen gefunden und er schüttelte Cat die Hand. Sie trug samtig weiche Fingerhandschuhe.

„Wow Angel…schöner Name“, staunte Cat und betrachtete Andy fasziniert. Ihre Augen waren mit schwarzem Kajal umrandet, was sie noch katzenhafter erscheinen ließ.

„Ist er schon da?“ Andy riss die Augen auf, als er Muffin die Stufen heruntersteigen sah.

„Du?“, fragte er überrascht. Muffin lächelte verschmitzt und stellte sich neben Cat, die sich an ihn schmiegte.

„Tja…wir beide haben offenbar aneinander vorbei geredet…aber jetzt denke ich sind beide Seiten befriedigt, was?“ Muffin zwinkerte Andy zu.

„Cat, du könntest Angel sein Zimmer zeigen und auch das Badezimmer!“ Cat nickte heftig und nahm Andys Hand, um ihn mit sich zu ziehen. Sie führte ihn zum Treppenansatz.

„Ich lasse dich dann zum Abendessen holen, schlaf dich inzwischen gut aus, ich stelle dir dann die anderen vor.“

„Okay!“ Muffin winkte Andy zu und ging den Flur hinunter.

„Komm Angel, hier lang!“ Cat hopste die Stufen hinauf, wie ein junges Kätzchen. Sie war wirklich niedlich und ihre Kleidung gab ihr noch mehr von dieser süßen, kindlichen Ausstrahlung. Man sah durch die Kappe nicht viel davon, aber Andy konnte darauf schließen, dass Cat dunkelbraunes Haar hatte.

„DA…“, setzte Cat gedehnt an.

„Ist dein Zimmer und DORT ist das Badezimmer, das musst du mit Crow und mir dann teilen.“ Andy nickte. Zu teilen war für ihn das wenigste Problem. Cat öffnete die Tür zu Andys Zimmer. Andy starrte erfreut auf das riesige Bett, auf die sauberen Fenster und sog diese Luft ein, diese frische wohltuende Luft.

„Es ist zwar nicht so groß, wie die anderen, aber…“

„Machst du Witze…es ist fabelhaft“, unterbrach Andy Cat.

„Schön, dass es dir gefällt ich…“ Cat schnüffelte. Sie rümpfte angewidert ihre Nase.

„Was ist das denn für ein…oh nein der Braten!“ So schnell konnte Andy ihre Bewegungen gar nicht mit verfolgen, war Cat zur Tür hinaus und den Flur wieder hinunter zur Treppe gesprintet. Andy hob eine Augenbraue, sah um sich und ein spitzbübisches Grinsen huschte über seine Lippen.

„Kost und Logis!“, rief er, schloss die Tür hinter sich und warf sich darauf überglücklich in das herrliche Bett. Die Bettwäsche roch so gut, sie war weich und kuschelig.

„Ein Traum“, seufzte Andy und schloss die Augen. Schon bald fiel er in einen tiefen Schlaf.

Kapitel 2

 

Andy stand in dem riesigen Badezimmer und stellte sich unter die Dusche. Das warme Wasser tat so gut auf der Haut. Cat hatte ihm ihr Duschbad angeboten und er hatte das Angebot angenommen. Er öffnete die Tube und wollte sich ein wenig davon nehmen.

„Verdammt!“, rief er, als viel zu viel auf seine Handfläche rann. Schnell schloss er die Tube und verschmierte sich die Seife. Er schnüffelte.

„Was zum…“ Andy nahm die Tube abermals in die Hand und las:„Besonders leichte Cremeformel mit Erdbeer- Aroma…oh nein!“ Nachdem er sich eine Zeit lang geärgert hatte, stieg er aus der Dusche und trocknete sich ab. Muffin hatte ihm frische Kleidung gegeben. Alles hielt sich einheitlich in schwarz. Schwarze Hose, schwarzes, kurzärmliges Hemd, mit steifem Kragen. Andy störte der intensive Erdbeergeruch, aber momentan musste er damit leben. Er verließ das Badezimmer und trottete die Stufen hinunter.

„Fertig?“, fragte Muffin, der auf ihn gewartet hatte. Andy nickte und Muffin lächelte. Plötzlich sog er die Luft geräuschvoll auf.

„Mhm… erdbeerig!“ Andy wurde knallrot.

„Also alle die hier wohnen sind Auftragskiller. Unser Boss, Sandman, stellt uns diese Villa zur Verfügung, hier können wir ungestört trainieren und niemand stellt Fragen, wo wir uns aufhalten“, erklärte Muffin unverwandt.

„Aha“, sagte Andy knapp. 

„Wir arbeiten ausschließlich für Sandman, der diese Organisation gegründet hat und für niemanden sonst. Mit deinem Eintritt schwörst du absolute Loyalität und verpflichtest dich unser Geheimnis zu bewahren. Du hast nicht das Recht Aufträge abzulehnen, noch ihre Sinnhaftigkeit zu hinterfragen. Hältst du dich nicht an die Regeln, dann…naja, du weißt schon “, Muffin lächelte fröhlich, während er Andy zu zwinkerte. Andy musste schlucken. Worauf hatte er sich da nur eingelassen? Er überdachte kurz die gesamte Situation, aber es gab wohl jetzt bereits kein Zurück mehr für ihn. Alles Auftragskiller, hier würde er niemals lebend rauskommen, wenn er versuchen würde zu flüchten.

„Cat“, warf Andy plötzlich ein. 

„Ähm was?“

„Cat…ist auch ein Auftragskiller?“ Plötzlich lachte Muffin auf.

„Oh, nein, nein…Cat putzt, hält die Trainingsplätze in Schuss und kocht…was sie lieber lassen sollte, aber… na ja. Sie könnte niemals jemanden umbringen, aber sie bastelt uns gern neue Waffen und Schutzausrüstungen. In der Hinsicht ist sie ein Genie!“ Muffin schnitt um die Ecke und trat auf eine zweiflügelige Tür zu, um sie sogleich zu öffnen. Sie führte in ein großes Esszimmer und Andy erblickte mehrere Personen, die entweder gelangweilt am Tisch saßen oder sich angeregt austauschten.

„Also Angel…willkommen in der Organisation D.E.A.T.H!“

Andy fiel vor allem eine junge Frau auf, mit kurzen rotvioletten Haaren. Sie hatte so eine kalte Ausstrahlung und schien überhaupt keine Mimik zu haben.

„Also das hier ist Angel, falls sich einige fragen, warum ein neuer hier ist, Duke unser Oldie ist verstorben. Möge er in Frieden ruhen. Ich schlage vor ihr stellt euch auch alle vor, um das Abendessen so weit wie möglich hinauszuschieben…“ Andy war überrascht, dass niemand eine Regung zeigte, dass ihr Kamerad gestorben war. Es schien allen gleichgültig zu sein.

„Fang du an!“ Eine Frau erhob sich, sie war der Inbegriff von hässlich. Ihre roten Haare waren ungekämmt, sie war unheimlich dünn, ihre Knochen konnte man deutlich sehen. Sie wirkte in Andys Augen, wie eine drogenabhängige Alkoholikerin.

„Ich bin Sugar!“ Sie setzte sich wieder. Muffin stemmte die Arme in die Hüften.

„Na komm schon, ein bisschen mehr darf er erfahren!“ Sugar stöhnte gereizt und erhob sich erneut.

„Achtundzwanzig und ich mag es nicht, wenn man mir zu viele Fragen stellt!“ Sie setzte sich und verschränkte genervt die Arme. Muffin seufzte und bedeutete dem nächsten sich vorzustellen.

„Crow… vierundzwanzig und…“

„Der größte Arsch hier“, wurde der junge, gutaussehende Mann von einer Frau mit langen blonden Haaren ergänzt. Ein bösartiges Lächeln huschte über Crows Lippen. Seine Haare wirkten wie die, einer dieser japanischen Manga Figuren. Sie waren schwarz mit einem leichten bläulichen Glanz. Muffin verdrehte die Augen.

„Fangt nicht schon wieder an zu streiten!“

„Ich hab doch gar nichts gesagt“, entgegnete Crow.

„Aber du wolltest bestimmt etwas sagen“, sprach Muffin. 

„Ach, ist doch scheißegal!“, knurrte Crow und setzte sich. Er warf der Frau einen feindseligen Blick zu, den sie ihm nicht minder erwiderte.

„Der nächste, bitte!“ Nun erhob sich die Dame mit den kurzen Haaren.

„Dreamer, neunzehn, Scharfschütze!“ Sie setzte sich, ihre Stimme war so monoton, als wäre sie eine Maschine. Schließlich erhob sich, sogar ohne Aufforderung von Muffin, die blonde, hübsche Frau.

„Ich bin Misery, vierundzwanzig, aber das sieht man nicht. Ein paar Eigenschaftswörter die mich beschreiben wären wohl talentiert, wunderschön, scharfsinnig…“

„Dumm, wie Brot!“, ergänzte Crow.

„HEY! Mein IQ ist so hoch, wie…“

„Der von Brot!“, Crow gluckste, während Misery ausrastete, bis Muffin sie zum Stillschweigen bewegte.

„Okay…bitte, stell du dich noch vor, dann haben wir das hinter uns!“, stöhnte Muffin entnervt. Andys Augen wurden kugelrund, als sich der nächste erhob. Ein riesiger Typ, ein Muskelpaket stellte sich als Zodiak vor. Er hatte kurz geschorenes Haar, einen Kinnbart und eine Tätowierung am Oberarm, die alle zwölf Sternzeichen des Tierkreises zeigte.

„Essen ist fertig!“ Überglücklich rannte Cat in den Raum und stellte den Braten auf den Tisch. Alle Augen sahen auf das verkohlte Fleisch, das noch ein wenig rauchte.

„Jetzt weißt du was ich meinte“, flüsterte Muffin Andy zu.

„Setz dich doch zu Zodiak“, sagte er schließlich laut. Andy tat wie Muffin es gesagt hatte.

„Hi“, sagte er zu Zodiak gewandt. Der große Kerl lächelte ihm freundlich zu und schüttelte ihm die Hand. Andy glaubte sie würde ihm abfallen.

„Du machst einen sympathischen Eindruck, Angel“, sagte Zodiak mit seiner tiefen, beruhigenden Stimme.

„Crow du isst ja gar nichts“, bemerkte Cat schließlich, worauf Crow dümmlich grinste.

„Ich…hab heute keinen Hunger!“

„Aber ich hab mir solche Mühe gegeben.“ Cats Augen wurden glasig.

„Schon gut…schon gut“, schnaubte er und langte nach einem Bratenstück und aß. Es knackte richtig und Crow verzog angewidert das Gesicht.

„Es schmeckt dir nicht, oder…es schmeckt ihm nicht!“ Alle warfen Crow einen tödlichen Blick zu.

„Nein…es ist köstlich…so schön…kross.“ Cat schluchzte und beobachtete Crow, der ihr zunickte und das Stück Braten hinunterwürgte. Sogleich als er es geschluckt hatte erhellte sich Cats Miene und sie strahlte wieder übers ganze Gesicht.

„Heute gibt es Kuchen als Nachspeise…also noch Platz lassen!“ Cat verschwand wieder in die Küche.

„Das dürfte nicht allzu schwer sein“, murmelte Crow, worauf er einen Seitenhieb von Sugar erhielt.

„Die Kleine gibt sich Mühe, ja“, zischte sie und nahm ein riesiges Stück des Bratens und aß alles Ratzeputz weg. Auch Andy langte ordentlich zu, er war schließlich schon mehr als abgehärtet und völlig ausgehungert.

„Mühe reicht da nicht“, raunte Crow genervt und schob seinen Teller weg. 

„Wie kannst du das bloß so genießen?“, fragte Muffin, der Andy zusah, wie er genüsslich das Fleisch verspeiste.

„Ich finde es nicht schlecht, ein bisschen verbrannt aber nicht schlecht“, entgegnete Andy.

„Ein bisschen?“ Muffin runzelte die Stirn und starrte den verkohlten Braten an.

„Mit Soße wäre er vielleicht nicht so trocken“, meinte er. Andy verputzte den gesamten Braten, zur Freude von Cat, die das nächste Gericht auf den Tisch stellte. Hätte man nicht gewusst, dass es ein Kuchen war, man hätte es für eine unheimlich hässliche Tischdekoration halten können.

„Mhm hervorragend!“

„Sensationell!“

„Grandios!“ Cat lächelte fröhlich und verschwand wieder in der Küche, sogleich spuckten die Bewunderer den Kuchen wieder aus.

„Mein Gott…will sie uns vergiften?“, fragte Crow und trank einen Schluck Wasser nach.

„Dieser Kuchen ist echt ungenießbar“, stimmte diesmal auch Sugar Crow zu. Allein Andy schlang ihn hinunter.

„Wahnsinn, hast du keine Geschmacksnerven oder was ist mit dir los?“, fragte Misery.

„Ich habe jetzt immer nur in Mülltonnen nach etwas Essbarem gesucht, da fällt mir im Traum nicht ein, heikel zu sein“, erklärte Andy. Irgendwie lag plötzlich eine drückende Stille über der Gruppe. Anscheinend schämten sich alle dafür, dass sie so verwöhnt waren. Cat hüpfte herein und räumte den Tisch ab. Sie sang ein Lied vor sich hin.

„Soll ich dir helfen?“ Alle Augen richteten sich auf Andy, auch Cat sah ihn verwundert an.

„Ähm…wie bitte?“ Cat blinzelte mehrmals hinter einander, doch sogleich lächelte sie fröhlich und meinte: „Nein, nein…das ist wirklich nicht nötig, das schaffe ich allein…ich…“ Mit einem Klirren zerschellte einer der Teller auf dem Boden.

„E…“ Cat holte tief Luft drehte sich zu Muffin und ratterte wie ein Maschinengewehr los: „Es tut mir leid, ich weiß nicht was heute los ist, ich werde ihn bezahlen, wirklich, das kommt nie wieder vor, ich…“ Cat keuchte, sie schien zu hyperventilieren.

„Oh Mann, Cat…beruhig dich, ist doch bloß ein Teller“,

Crow schüttelte genervt den Kopf. Cat rutschte auf ihre Knie und begann die Teile des Tellers aufzusammeln, sie schluchzte leise. Muffin hatte nichts gesagt, er beobachtete Cat nur und als sie melancholisch in die Küche trottete, folgte er ihr nach. Die anderen verließen währenddessen den Raum, nur Andy verharrte auf seinem Stuhl. Plötzlich vernahm er ein Klatschen und schließlich erschien Muffin wieder.

„Das Abendessen ist vorbei, Angel“, sprach er ohne Andy anzusehen und verließ das Speisezimmer. Andy seufzte und erhob sich, aber anstatt in sein Zimmer zu gehen betrat er die Küche.

„Cat?“, fragte er, ein leises Weinen verriet das Mädchen, das unter der Theke saß.

„Alles in Ordnung?“, fragte Andy und schenkte ihr einen mitfühlenden Blick.

 J…ja“, stotterte sie wischte sich mit ihrem Ärmel die Tränen aus dem Gesicht. Sie rappelte sich hoch und tat, als wäre sie beschäftigt. Sie wusch bereits saubere Teller noch mal ab und trocknete sie.

„Hat er dich geohrfeigt?“, fragte Andy ungestüm und Cat hielt inne.

„Es sind teure Teller…sie dürfen nicht kaputt gehen“, antwortete sie und räumte die Teller in den Schrank.

„Das ist kein Grund dich zu schlagen, Crow hat doch auch gesagt, dass es nur ein Teller war.“

„Du verstehst das nicht…Crow ist ohnehin alles egal, er zeigt auch für Menschenleben so viel Mitgefühl, wie für zerbrochene Teller.“ Als Andy sie so sprechen hörte, überlegte er, wie alt Cat wohl war. Er hätte sie für dreizehn geschätzt, aber ob sie wirklich so jung war, konnte er im Moment nicht glauben.

„Übrigens…“ Andy sah zu ihr, sie hatte wieder ihr unbeschwertes Lächeln und den kindlichen Glanz in ihren Augen.

„Einen hast du noch nicht kennen gelernt, aber der müsste heute Nacht wieder zurückkommen!“

„Wen denn?“, wollte Andy wissen.

„Nightmare, du solltest dich jetzt schlafen legen, Muffin will dir morgen alles zeigen und das wird ein anstrengender Tag!“

„Bist du überhaupt nicht wütend auf ihn?“, fragte Andy und Cat warf ihm einen verständnislosen Blick zu.

„Man verbringt so viel Zeit damit wütend zu sein und vergisst dabei oft glücklich zu leben.“ Andy sah Cat fasziniert an.

„Ich werde dann gehen“, meinte er schließlich und ging auf die offene Tür zu, nachdem er Cat eine gute Nacht gewünscht hatte.

„Angel?“ Andy drehte sich noch einmal um.

„Hm?“

„Danke d…dafür, dass du nach mir gesehen hast, du bist sehr nett.“ Andy lächelte.

„Und du kochst hervorragend!“ Cat wurde rot. Andy winkte ihr zu und verschwand.

Er stieg die Treppen hoch.

„Was hast du gemacht?“ Andy schreckte hoch, vor seinem Zimmer stand Muffin, der ihn eindringlich musterte.

„Mich mit Cat unterhalten“, erwiderte er.

„Ich werde dir morgen alles zeigen.“

„Ja, hat sie erwähnt!“ Muffin lächelte charmant.

„Gut…ich hab dir einen Wecker gestellt, schlaf gut!“ Muffin ging pfeifend den Flur entlang, öffnete eine Tür und schloss sie hinter sich. Auch Andy legte sich schlafen, noch nicht die geringste Vorstellung davon, was ihn erwarten würde, wenn er am nächsten Tag aufstand.

***

„Gu-ten Mor-gen, Gu-ten Mor-gen, Gu-ten Mor-gen!“ Andy riss die Augen auf.

„Gu-ten Mor-gen, Gu-ten Mor-gen, Gu-ten Mor-gen!“ Er sah im Raum umher und rätselte, wo diese Stimme herkam, diese nervtötende, laute Stimme.

„Gu-ten Mor-gen, Gu-ten Mor-gen, Gu-ten Mor-gen!“ Andy warf das ganze Zimmer auf den Kopf, durchsuchte Kästen und Schränke nach diesem grässlichen Wecker.

„Gu-ten Mor-gääääään…“

Wütend stampfte Andy auf das gelbe Männchen das breit grinste. Er hatte es in einer Bodendiele gefunden. Insgeheim wünschte Andy Muffin die Krätze an den Hals. Andy schnaubte und wischte sich die zerzausten Haare aus dem Gesicht. Schließlich beschloss er sich zu duschen und anzuziehen. Draußen auf dem Flur stand bereits Crow, der mit verschränkten Armen vor der Badezimmertür stand.

„Was ist denn los?“, wollte Andy wissen.

„Was los ist? Cat verbringt zwei Stunden damit sich zu duschen!“ Gereizt pochte Crow an die Tür.

„Cat! Beeil dich jetzt, ich muss weg!“

„Hey, ich muss für euch kochen und alles zusammenräumen, da darf ich mich wohl ein wenig hübsch machen“, tönte es gedämpft aus dem Badezimmer.

„Komm endlich raus!“, herrschte Crow.

„So sehr der Sturm auch tobt einen Berg wird er nie in die Knie zwingen.“

„Lass mich mit deinen dämlichen Disney- Sprüchen bloß in Frieden!“ Crow schnaubte missmutig.

„Och mir reicht’s jetzt!“, sagte er plötzlich nahm ein wenig Anlauf und rannte die Tür ein. Die Wucht war offenbar so groß gewesen, dass sie aus den Angeln hob. Cat kreischte.

„Verschwinde!“, kiekte sie und bewarf Crow mit der Seife. Sie trug nur eine Pyjamahose und einen BH. Sie kreischte noch mehr, als sich Crow sein T- Shirt auszog. 

„Ach komm, reg dich ab, als ob das neu für dich wäre“, Crow rollte mit den Augen.

„Was machst du denn?“, rief Cat entgeistert, als Crow Anstalten machte, sich auch seiner Boxershorts zu entledigen.

„Mich duschen, was denn sonst?“

„Nicht ausziehen!“, wetterte Cat, aber Crow hörte nicht.

„Musst ja nicht hinsehen, Kätzchen!“, grinste er und stellte sich Cat noch penetrant in den Weg, als sie sich mit zugehaltenen Augen durch das Badezimmer tastete und seinen Körper somit zu fassen bekam. Sie kreischte abermals auf, da sie die Hand von den Augen genommen hatte, Crow gegenüberstand und somit wusste was sie begrapscht hatte.

„Du machst auch einen Aufstand“, sprach er und schüttelte den Kopf, während er zur Dusche ging.

„Das sag ich Nightmare“, fauchte Cat.

„Was denn, dass du so lange im Badezimmer bleibst, bis die anderen durchdrehen?“

„Nein…dass du Mädchen belästigst und mit deinem…na mit deinem…deiner Gurke herum wedelst!“

„Ach halt’s Maul, Cat!“ Stürmisch zog er den Duschvorhang zu. Cat schnappte sich ihre Kleidung und verließ schnell das Badezimmer. Andy starrte sie fragend an.

„Er ist so ein...“ Cat machte ihrem Ärger Luft, allerdings ohne ein wirkliches Schimpfwort zu benutzen. Entweder verniedlichte sie es einfach oder sie benutzte ein völlig anderes Wort. So lernte Andy neue Schimpfwörter wie Wischmob und Kehrbesen kennen.

„Ach und guten Morgen, Angel“, waren Cats letzte Worte, sie hüpfte die Stufen hinunter in die Küche, um alles für das Frühstück vorzubereiten. Währenddessen hatte sich Crow schon wieder angezogen, kämmte sich seine Haare und ärgerte sich darüber, dass sie nicht so lagen, wie er es gerne hätte.

„Du kannst jetzt rein“, sagte er, als er den Türstock passiert hatte.

„Öhm danke!“

„Hm…ich sollte sie wieder einhängen, nicht?“, meinte Crow und packte die Tür, um sie mit einem gekonnten Griff wieder in die Angeln zu heben. Das Schloss war nun wohl wieder kaputt, Cat hatte es erst letzte Woche repariert. Selbst schuld, wenn sie sich mit ihrer Art immer zusätzliche Arbeit aufhalste. 

„Hast das wohl schon öfter gemacht, oder?“, sagte Andy grinsend.

„Sie braucht eben immer Stunden, das nervt!“ Crow warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Er seufzte: „Ich müsste schon längst unterwegs sein, verdammt“ Crow schritt los. Andy sah ihm noch kurz hinterher, allerdings verschwand er dann im Badezimmer, um sich flüchtig zu waschen und sich anzukleiden. Endlich stand Andy im Vorhaus und wartete darauf, dass Muffin auftauchte. Dieser ließ wirklich nicht auf sich warten.

„Ausgeschlafen? Hat der Wecker funktioniert?“

„Ja“, murrte Andy, was Muffin ein selbstgefälliges Lächeln entlockte.

„Gut, willst du noch frühstücken, bevor wir anfangen?“ Andy sah auf die große Standuhr, es war fünf Minuten vor sieben. Andy war es gar nicht gewohnt, die Möglichkeit zu haben, so viel zu essen, von daher verspürte er auch gar kein Hungergefühl. 

„Nein schon gut, fangen wir an.“ Muffin lächelte freudig.

„Schön komm mit.“ Muffin führte Andy durch die Villa.

„Dort unten ist der Keller, der ist unterteilt in mehrere Räume. In einem lagern die gesamten Waffen, jeder hat seinen eigenen Schrank, du übernimmst Dukes Schrank, aber ich muss ihn noch warten. Gleich daneben ist Cats Bastelraum…ach ich liebe dieses Wort.“ Andy hob die Augenbrauen. Er folgte Muffin hinunter in den Keller.

Muffin öffnete eine schwere Metalltür.

„Voila… das Waffenzentrum“ Andy erblickte eine riesige Sammlung von Gewehren, Pistolen, Dolchen, Messern, Wurfsternen und noch vieles mehr. Andy starrte auf einen der Schränke, in verschnörkelter Schrift stand „Nightmare“ auf dem Metall.

„Ist er schon zurück?“, fragte Andy, worauf ihm Muffin einen verwirrten Blick zuwarf.

„Wer?“

„Nightmare!“

„Woher weißt…ach Cat…ja, ja, er schläft, aber nicht lange, Cat wird ihn bestimmt aufwecken, sie ist die Einzige die dafür keine Tracht Prügel erhält.“ Muffin lachte auf.

„Damals, als er zu uns gekommen ist, wollte ich ihn aufwecken, ich öffnete die Tür und konnte gerade noch dem Shuriken ausweichen, den er nach mir schleuderte, er hat wirklich ein unbestechliches Gehör und er sieht alles.“

„Shuriken?“

„Die Wurfsterne, man nennt sie Shuriken“, erklärte Muffin.

„Jeder darf natürlich alle Waffen hier benutzen, aber die meisten…naja eigentlich alle, bevorzugen eine ganz spezielle Waffe. Cat hat die Waffen sogar für jeden graviert. Für Crow muss sie die meiste Zeit aufwenden, seine Waffen bleiben vor Ort, sie verbringt viele Stunden am Tag damit, seine Wurfsterne herzustellen…du kennst die Erzählungen vielleicht von der Krähe?“  Andy nickte, natürlich kannte er das Schauermärchen, das in den unteren Schichten verbreitet wurde. Niemals hätte Andy gedacht, diesen furchtbaren Menschen, von dessen Gräueltaten berichtet wurde, jemals persönlich kennen zu lernen. Generell dachte er, dass ein einzelner Mensch zu so etwas gar nicht fähig wäre. So viele Menschen auf einmal zu töten und das mit mickrigen Wurfsternen, war eine Leistung, die allerdings keine Anerkennung finden sollte. 

Muffin öffnete eine weitere Tür.

„Also hier gelangt man ungesehen hinaus ins Freie, das ist das Tunnelsystem, ich werde dir einen Plan aushändigen, damit du dich nicht verläufst. Von hier aus kommst du überall hin, ohne, dass dich jemand stört. Dort drüben…“ Muffin schloss die Tür und drückte eine weitere Klinke hinunter.

„Ist Cats Reich“, beendete er seinen Satz. Andys Augen weiteten sich, es schien das totale Chaos zu sein.

„Ich weiß was du denkst, aber sie hat doch tatsächlich ein System, wenn du sie um etwas bittest findet sie es sofort und muss nicht mal überlegen, gerade arbeitet sie an einer kugelsicheren Weste, die nicht so schwer ist wie die Üblichen und die Bewegungsfreiheit nicht einschränkt.“

„Und was ist dort?“, wollte Andy wissen. Er deutete auf eine Tür, die als einzige mit einem Schloss versehen war. Muffin zückte einen Schlüssel der um seinen Hals hing.

„Das darfst du Cat auf keinen Fall erzählen, ja…“

„Okay“, Andy war sich nicht mehr sicher, ob er wissen wollte, was sich hinter der Tür befand.

„Das hier ist unser persönlicher Vorrat an genießbaren Essen.“ Andy atmete erleichtert aus. Der ganze Raum war voller Nahrungsmitteln, Obst, Gemüse, Süßes und anderes.

„Gut gehen wir wieder hoch.“ Muffin versperrte die Tür wieder und steckte den Schlüssel unter sein Hemd. Er ging Andy voraus zu einem Zimmer im Erdgeschoss.

„Das hier ist mein Büro. Hier nehme ich die Aufträge von Sandman entgegen und bestimme dann einen von euch, der ihn ausführt. Natürlich nehme ich immer denjenigen, der mir für diese Mission am geeignetsten erscheint. Denn jeder hat irgendwie seine eigenen Prinzipien, auf manche nehme ich eben Rücksicht.“ Andy überlegte, was seine Prinzipien sein sollten, aber er hatte noch nicht die geringste Vorstellung von dieser Arbeit und Muffin gab ihm auch kein Beispiel von den Prinzipien der anderen.

„Wenn du etwas benötigst, hier bin ich die meiste Zeit des Tages.“ Andy nickte und lächelte leicht.

„Hm gut, die Küche, Esszimmer…kennst du schon alles, alles andere ist unwichtig…uh nein, das Wohnzimmer.“ Muffin trabte los, er und Andy schritten durch einen torbogenähnlichen Raumteiler und gelangten somit in das riesige Wohnzimmer, mit der gemütlichen Couch, einem Fernsehgerät und zahlreichen Bücherregalen.

„Dieser Ohrensessel hier, ist Crows Lieblingsplatz, als gut gemeinter Rat von mir…setz dich niemals, und ich meine wirklich NIEMALS, auf diesen Ohrensessel, okay?“ Andy nickte hastig.

„Kannst du spielen?“, fragte Muffin Andy und deutete auf den Flügel. Andy schüttelte den Kopf.

„Schade, früher hat Cat mir oft etwas vorgespielt, aber sie ist jetzt viel zu beschäftigt, vielleicht sollte ich ihr einmal jemanden zur Verfügung stellen, der ihr hilft…du kannst hier tun und lassen was du willst, auch wenn du trainieren willst, du musst weder fragen, noch Bescheid geben“ Andy zeigte Muffin abermals, dass er verstand indem er nickte.

„Gut, jetzt sehen wir uns die Trainingsplätze an!“ Andy folgte Muffin zur Eingangstür hinaus.

„Sandman hat viele Bäume pflanzen lassen, damit wir ungestört sind, obwohl auf dieser Seite keine Häuser sind und es geht auch niemand in der Pampa spazieren, aber sicher ist sicher.“ Muffin sprach die ganze viertel Stunde über die Lage der Villa, wie hervorragend sie war und der schöne Ausblick auf das verschmutzte Meer.

Endlich erreichten sie einen der Trainingsplätze. Andy erkannte Dreamer, die hinter einem Grasbüschel lag und mit ihrem Scharfschützengewehr auf etwas zielte, das Andy nicht identifizieren konnte, da es sehr weit entfernt war. Sie legte an, verharrte komplett ruhig und schließlich schoss sie. Andy blickte zu Muffin, der plötzlich einen Feldstecher in der Hand hielt. Schließlich reichte er das Utensil an Andy weiter, der ebenfalls durchblickte. Dreamer hatte genau ins Herz einer Holzfigur getroffen.

„Bravo Dreamer, aber denk daran, dass manche auch Schutzwesten tragen, ziel immer in den Kopf, ja?“ Dreamer warf Muffin einen tödlichen Blick zu, den er aber gar nicht bemerken konnte, da er sich Andy zugewandt hatte.

„Das hier ist der Trainingsplatz A. Du trainierst hier deine Fähigkeiten als Scharfschütze. Dreamer ist eine der besten, aber sie will einfach meinen Rat mit dem Kopfschuss nicht befolgen, da hatten wir schon ein paar Mal große Probleme, weil die Zielpersonen kugelsichere Westen trugen.“

„Die Trainingsplätze sind ganz schön weit entfernt voneinander, ich hätte nicht gedacht, dass das Gelände hier so riesig ist“, meinte Andy schließlich. Muffin nickte.

„Mhm, das ist zur Sicherheit von allen, wenn Dreamer zum Beispiel verfehlt und der andere Trainingsplatz wäre gleich unmittelbar daneben, könnte es passieren, dass sie jemanden trifft. Komm, wir gehen weiter!“

„Misery und Crow…hatten die mal was miteinander, oder so?“, wollte Andy plötzlich wissen.

„Ach nein…Crow ist wohl gar nicht im Stande so etwas wie Liebe zu empfinden. Andere Lebewesen sind ihm nicht wichtig, er behandelt alles wie Dreck,“

„Dich auch, obwohl es nicht klug ist“, murmelte Andy. Muffin blieb stehen und musterte Andy ernst.

„Du beobachtest gern nicht wahr?“ Andy zuckte mit den Schultern.

„Ich beobachte auch gerne, Crow kann mich behandeln wie er will, er macht seinen Job und solange seine Aufträge zur Zufriedenheit ausgeführt werden, solange ist es mir auch egal…sollte er jedoch ein einziges Mal Schwäche zeigen, dann bin ich es, der am längeren Ast sitzt und ich werd seinen absägen, glaub mir. Aber…soweit wird es nie kommen!“ Die beiden wanderten weiter. Andy versank in seinen Gedanken. Er hatte es sich selbst zusammengereimt, dass man es sich mit Muffin nicht verscherzen sollte. Der junge Mann konnte offenbar sehr gefährlich werden. 

„Muffin?“

„Hm?“

„Wie alt ist eigentlich Cat?“ Muffin lachte auf.

„Das ist wirklich lustig, genau an dieser Stelle, wurde ich von einigen gefragt, wie alt Cat ist.“

„Wie ist sie hierhergekommen?“

„Cat…sie war eigentlich schon immer hier. Ich kam an und es sollte eigentlich niemand hier sein, aber sie war da. Wie eine Katze, ja… die alte Hausherrin ist verstorben und die Katze lebt in der Villa, niemand kümmert sich um sie, bis der Erbe einmal auftaucht, den die Katze dann freudig begrüßt.“

„Und wie alt ist diese Katze?“, fragte Andy noch ein weiteres Mal.

„Wie alt schätzt du sie?“, fragte Muffin und grinste selbstgefällig.

„Der Kleidung nach und der Art wie sie sich gibt, so um die dreizehn… in manchen Situationen allerdings scheint es so, als wäre sie…“

„Eine alte erfahrene Straßenkatze“, ergänzte Muffin und nickte wissend.

„Sehr gut…“

„Achtzehn?“, riet Andy.

„Knapp…sie ist siebzehn“, entgegnete Muffin.

„Trainingsplatz B… Körperbeherrschung, Kraft, Klettern…“ Andy stand der Mund offen. Es war ein Parcours aufgebaut, mit hohen Mauern, Gerüsten mit deren Hilfe man sich über Stacheldrahtzaun hanteln musste, enge Tunnel, die man hindurch klettern sollte und fünf kleinere Hütten.

„Wofür sind die Hütten?“, fragte Andy.

„Man muss von Dach zu Dach springen, ansonsten fällt man in den Graben. Da, Bird zeigt es vor!“ Andy hätte gerne gewusst, wo Bird gewesen war, aber momentan sah er seinem Freund nur fassungslos zu. Bird sprang elegant von einem Dach zum anderen, wobei die Hütten mehr als sechs Meter voneinander entfernt waren. Bird sprang rückwärts von der Hütte hinab und machte einen Überschlag, sodass er in Richtung Andy sehen konnte.

„Na alles klar…Angel?“, Bird grinste spitzbübisch. Er fand wohl Andys Pseudonym äußerst belustigend.

„Geht so danke…ich muss wohl viel trainieren, was?“ Muffin und Bird nickten zustimmend. Plötzlich rannte ein wuscheliger, grauweißer Hund zwischen ihren Beinen hindurch und bellte, gleich darauf jagte er seinen eigenen Schwanz, obwohl man meinen hätte können, dass er gar nichts sehen konnte, durch die Haare, die ihm über die Augen hingen. Gleich darauf kamen drei Rottweiler heran geprescht. Sie sprinteten im Kreis um die drei Männer herum.

 „Cat! Verdammt noch mal sagte ich nicht, die Hunde haben hier nichts auf den Trainingsplätzen verloren!“, plärrte Muffin. Cat stand versteckt hinter einem Baum und lugte hervor.

„Tut mir leid, ich dachte, dass die Zwingertür zugesperrt ist!“ 

„Bring sie einfach hier weg“, knurrte Muffin. Andy hatte damit begonnen die Tiere zu streicheln, die sich beruhigt hatten, und um seine Gunst rangelten.

„Die sind ja niedlich“, grinste Andy. Cat schlich heran. Ihr Gesicht erhellte sich, als Andy wissen wollte, wie die Namen der Hunde waren.

„Also, das sind Alpha, Beta, Gamma und Ed!“ Der langhaarige Bearded Colli wedelte mit seinem Schwanz und bellte abermals, worauf die anderen mit einstimmten.

„Lass mich raten, du hast Ed seinen Namen gegeben.“ Cat lächelte fröhlich.

„Ja…nach der Hyäne in König der Löwen…ich liebe Disneyfilme!“

„Ja, schön für dich, aber jetzt sorg dafür, dass die Viecher hier wieder wegkommen!“

„Alpha, Beta, Gamma…Ed! Wir gehen!“ Cat stolzierte davon, die Hunde ihr hinterher, wie ein Harem.

„Cat ist Nightmare wach?“, rief Muffin ihr plötzlich nach. Sie blieb abrupt stehen.

„Nein…wieso?“

„Du hast ihn gar nicht…aufgeweckt?“ Cat verschränkte die Arme.

„Na hör mal ich weiß doch, dass er müde ist!“

„Schon gut, war doch nur eine Frage.“ Cat schnaubte abfällig und verließ den Trainingsplatz.

„Ich führe dich jetzt weiter“, äußerste Muffin und sie verabschiedeten sich von Bird, um den Trainingsplatz C aufzusuchen. Andy taten die Beine schon weh, die Zeit war rasend schnell vergangen. Es war bereits drei Uhr nachmittags, als sie alle Trainingsplätze begutachtet hatten. Platz C, war für das Muskelaufbautraining zuständig, man konnte Gewichte stemmen und vieles mehr. Muffin war erst dort eingefallen, dass er vergessen hatte zu erwähnen, dass es eine Kraftkammer auch in der Villa gab. Auf Platz D konnte man mit Shuriken und anderen Wurfmesserarten arbeiten. Dann gab es noch einen Platz E, dieser besaß allein nur eine Rennbahn, wo man seine Geschwindigkeit testen konnte. Andy war geschafft, allerdings wollte ihm Muffin noch erklären, wie es nun mit ihm weiterging und sie saßen in Muffins Büro.

„Du hast noch nie jemanden getötet, Angel, oder?“ Andy schluckte, er schüttelte den Kopf. 

„Es wäre nur manchmal schon fast passiert“, sprach er leise, als er an seine Zeit im Waisenhaus dachte. 

„Schon gut… allein kann ich dich noch nicht losschicken, deshalb wirst du einen anderen Killer begleiten, allerdings ist jeder ein Einzelgänger und die Aufträge sind meistens auch nur so gehalten, dass man nur eine Zielperson hat. Große Fische, unser Boss mag Konkurrenz nicht sonderlich, deshalb hat er diese Organisation gegründet. Aber lass das nur meine Sorge sein, im Grunde gibt es nur einen, der auch genügend Zielpersonen hat.“ Andy ahnte auch wer das war und es stimmte ihn nicht sonderlich fröhlich.

„Ähm ich weiß nur nicht, wie ich trainieren soll“, sprach er schließlich.

„Du kannst ruhig die Anderen fragen und Cat hilft dir auch, sie kennt sich so ziemlich überall aus“

„Okay danke!“ Andy lächelte und verließ Muffins Büro.

Kapitel 3

 

Cat überlegte fieberhaft, ob sie es wagen sollte, die Tür zu öffnen. Muffin hatte sie wie immer durchschaut, sie wollte Nightmare tatsächlich aufwecken. Jetzt stand sie vor seinem Zimmer und wusste nicht recht, was sie tun sollte. Plötzlich vernahm sie Schritte. Andy stapfte die Treppen hoch. Cat tat schnell so, als ob sie putzen würde.

„Was machst du denn da?“, fragte Andy verwundert, als er Cat erblickte.

„Ich putze“, entgegnete sie dümmlich grinsend. Andy hob die Augenbrauen.

„Die Türklinke oder was?“ Cat seufzte.

„Schon gut…ich will Nightmare begrüßen.“

„Dann geh doch rein.“ Cat presste ihre Lippen zusammen.

„Traust du dich nicht?“, wollte Andy wissen. Cat starrte Luftlöcher.

„Doch…“, sprach sie schließlich.

„Aber Muffin hat mich verunsichert!“

„Ach geh rein, ist doch egal!“ Andy lächelte ihr aufmunternd zu.

„Ist er dein bester Freund?“, erkundigte er sich schlagartig.

„Ähm na ja…ich weiß nicht…so recht…“, druckste Cat herum.

„Aha!“, Andy lächelte wissend. 

„Ich leg mich kurz Mal schlafen, hättest du vielleicht später Mal Zeit?“

„Wofür denn?“

„Ich hab keine Ahnung, welche Waffen ich nehmen soll, kannst du mir da helfen?“ Cat grinste fröhlich.

„Klar doch…schlaf gut, Angel!“ Andy winkte ihr und verschwand in seinem Zimmer. Cat schielte zur Türklinke. Sie griff nach ihr und drückte sie hinunter. Das Zimmer war düster, da die Jalousien heruntergezogen waren. Cat spickte durch den kleinen Spalt den sie gemacht hatte ins Zimmer. Sie erkannte eine Gestalt die im Bett lag. Nightmare hatte sich weder ausgezogen, noch hatte er sich zu gedeckt, er lag einfach auf dem Bett und schlief. Cat stand noch ewig so da und beobachtete den Schlafenden.

„Entweder du kommst jetzt rein, oder machst, dass du wegkommst!“ Cat wurde knallrot, sie schlüpfte durch die Tür ins Zimmer und schloss sie hinter sich.

„Ich dachte du schläfst“, murmelte sie.

„Wollte ich auch.“

„Hab ich dich geweckt?“ Nightmare lachte leise.

„Das machst du doch jedes Mal.“ Cat sprang durch das Zimmer und auf das Bett. Sie beugte sich über Nightmare, der seine Augen noch immer geschlossen hatte.

„Stell dir vor, wir haben einen Neuen!“, erzählte sie aufgeregt.

„Interessant“, gähnte Nightmare.

„Er heißt Angel!“

„Aha.“ Cat gab Nightmare einen Stoß.

„Erzähl, was hast du gemacht?“ Nightmare öffnete seine Augen. Noch immer fand Cat sie gespenstisch, die rote Farbe seiner Augen.

„Na was wohl…gespielt“ Cat wich vor Nightmare zurück, der seinen Oberkörper aufrichtete. Er streckte sich ganz kurz, auf seinem Unterarm erblickte Cat seine Tätowierung. Ein Totenkopf, der von einem Dolch entzwei gespalten wurde.

„Du kannst doch auch hierbleiben und mit mir spielen.“ Nightmare verdrehte die Augen und schüttelte bedauernd den Kopf. Vor allem weil Cat die Zweideutigkeit in ihren Worten gar nicht begriff, sondern schlicht und ergreifend Brett und Kartenspiele meinte.

„Kleine, süße Mädchen sollten nicht mit großen, bösen Jungs spielen!“ Nightmare zwinkerte ihr zu und setzte sich auf den Bettrand, um gleich darauf aufzustehen. Cat blieb auf seinem Bett sitzen.

„Ich bin nicht klein“, maulte Cat, was Nightmare nur ein Lächeln entlockte. Cat sprang vom Bett und postierte sich neben dem großen jungen Mann. Sie stellte sich auf Zehenspitzen, um größer zu wirken. Nightmare strich sich ein paar schwarze Strähnen aus dem Gesicht und begutachtete eine noch blutige Wunde an seinem Hals.

„Mach mal die Jalousien hoch“, forderte er Cat auf. Sie zog die Jalousien mit einem Ruck hoch. Nightmare hielt sich die Augen zu.

„Ach Cat…bist du verrückt?“

„Tschuldigung!“ Nightmare blinzelte, ein kurzes Schwindelgefühl überkam ihn. Es tat ihm nicht gut zu lange im Bett zu liegen.

„Ich hab gestern einen Kuchen gebacken und dir ein Stück übrig gelassen!“

„Wie nett von dir!“ Nightmare konnte jetzt schon ahnen, wie dieser Kuchen schmecken würde.

„Verdammt“, wisperte er, als er eine Schnittwunde an seiner Wange bemerkte.

„Jetzt ist dein hübsches Gesicht zerkratzt!“, rief Cat aufgeregt. Es schien sie mehr zu schmerzen als Nightmare.

„Ach der ist nicht tief, wird, denke ich, keine Narbe werden.“

- Na hoffentlich- Cat musterte Nightmare. Sein Anblick löste in ihr Entzücken aus, er war so groß, stark und gutaussehend. Sie war die Einzige mit der Nightmare wirklich sprach. Sonst war er immer sehr ruhig und äußerte sich nicht zu gewissen Gesprächsthemen. Er mischte sich nur ein, wenn ihm die anderen auf die Nerven gingen und Nightmare konnte sehr überzeugend sein. Selbst Crow hatte zumindest ein wenig Respekt vor ihm, der sonst so selbstbewusste, selbstgefällige Crow.

„Und was hast du sonst so gemacht?“, fragte Nightmare plötzlich, während er sich seine Wunden desinfizierte.

„Ich hab geputzt, Ed und die anderen eingefangen, einen Teller zerbrochen, du ahnst ja nicht wie wütend Muffin war…“

„Hat er dich wieder verprügelt?“ Nightmare warf Cat einen finsteren Blick zu. Sie schluckte und schüttelte den Kopf.

„Er hat sich…wahrscheinlich wegen Angel…zurück gehalten“, murmelte sie, starrte auf den Boden, damit sie Nightmares angsteinflößenden Blick nicht sehen musste. Es genügte ihn zu spüren.

„Was gibt es zum Abendessen?“

„Ist doch egal, es schmeckt sowieso niemandem“, erwiderte Cat traurig.

„Blödsinn, du gibst dir doch Mühe!“

„Mühe reicht nicht…das hat Crow gesagt“, Cat seufzte, als ob sie nicht hören könnte, was die anderen im Esszimmer sprachen. 

„Crow ist ein Idiot, weißt du doch“, beschwichtigte Nightmare.

„Ach ich hab dich vermisst!“ Cat umschlang Nightmares Oberkörper. Gemessen an ihn, war sie tatsächlich ein kleiner Wicht. Sie reichte ihm nicht mal zur Brust. Cat war ohnehin nicht sonderlich groß geraten, aber sie wurde nicht gerne damit aufgezogen. Es war schon Verhöhnung genug, wenn sie die Oberschränke in der Küche nicht erreichte und für viele Arbeiten, die von den anderen einfach mal so nebenbei gemacht werden konnten, eine Leiter heranschleppen musste.

„Schon gut, Süße! Ich war doch nur einen Tag weg!“ Nightmare tätschelte ihr den Kopf.

„Jetzt hast du schon wieder dieses Ding auf dem Kopf!“ Nightmare zog an der Pilotenbrille.

„Nicht!“, kiekte Cat.

„Wozu trägst du das denn?“

„Es gefällt mir, schau!“ Cat zeigte auf einen kleinen Stern, den sie mit Kajal auf ihr rechtes Auge gemalt hatte.

„Du bist merkwürdig!“, stellte Nightmare fest und schüttelte verständnislos den Kopf.

„Raus jetzt mit dir, ich muss mich umziehen!“

„Crow hat sich sogar vor mir geduscht“, erzählte Cat.

„Ah ja…wie lange warst du denn diesmal im Badezimmer?“

„Gar nicht so lang…“ Cat hatte das Wort „so“ in die Länge gezogen.

„Zisch ab!“

„Kommst du dann runter?“ Nightmare nickte leicht.

„Okay, bis dann!“ Cat stahl sich aus dem Zimmer. Nightmare atmete auf. Endlich konnte er seine wirkliche Wunde versorgen. Den Schmerz hatte er gut unterdrückt, als ihn Cat umarmt hatte. Er war froh sie gehört zu haben, dadurch hatte er sich schnell ein frisches Hemd anziehen können, damit sie das Zerfetzte nicht sah. Er hob sein Hemd hoch, seine gesamte linke Seite war aufgeschlitzt. Sie blutete stark und der Schnitt war sehr tief geraten. Nightmare begutachtete die Wunde skeptisch.

„Das wird allerdings…“, ächzte er, als er sie berührte und ihn ein stechender Schmerz durchfuhr.

„Eine Narbe werden.“

***

Die Krähe soll wieder einmal Angst und Schrecken verbreiten!“

„Crow wird sich bestimmt darüber freuen, Sir!“

Was ist mit dem Neuen? Der soll Crow gleich begleiten.

„Tja, dann müssen wir den Auftrag um drei, vier Tage verschieben, er müsste noch ein wenig trainieren. Er ist zwar ganz schön stark, aber ich möchte mich darauf nicht verlassen.“

Na schön, ausnahmsweise! Er hat drei Tage zum Trainieren. Wir hören uns Muffin!

„Guten Tag, Sir!“ Muffin drückte auf den roten Abbruchknopf seines Mobiltelefons.

„Puh, drei Tage, ganz schön knapp.“ Er erhob sich und schritt durch sein Büro, geradewegs auf einen Aktenschrank zu. Er nahm eine dicke Mappe heraus auf die Crow gekritzelt war.

„So, mein Lieber, mal sehen.“ Gleich zu Beginn, als Muffin die Akte öffnete, kam ihm das Bild von Crow entgegen. Muffin betrachtete es.

„Die grausame Krähe!“ Muffin blätterte die Akte von Crow durch. Durch Crows Hang zu Aufträgen, die Massenmorde beinhalteten, hatte er in seinen sechs Jahren, die er als Auftragskiller arbeitete, die meisten Opfer vorzuweisen. Nightmare stand an zweiter Stelle, allerdings weit abgeschlagen, er hatte zahlreiche hohe Tiere zur Strecke gebracht. Der Name Nightmare brachte die Geschäftswelt zum Zittern, aber Crow war eine unheimliche Legende. Crow übernahm freiwillig die Drecksarbeit, was Muffin sehr entgegenkam, allerdings beängstigte es ihn auch. Crow stillte seine Blutgier durch diese Aufträge, befriedigte seine Mordlust. 

Es gab zahlreiche Geschichten und Lehrsprüche, Kindern wurde damit Angst gemacht, dass die Krähe sie holen würde, wenn sie sich nicht benehmen wollten. Er verbreitete sogar Angst und Schrecken ohne anwesend zu sein. Muffin legte seine Notiz ganz hinten in die Akte. Häuserblock drei, Eliminierung aller Bewohner.

***

„Drück mit dem seitlichen Knopf den Zubringer nach unten und schieb die Patrone unter die Magazinlippe. Aber nicht zu kraftvoll sonst stellt es die oberste Patrone auf und dann kommt es zu einer Ladehemmung.“

„Oh Mann, das ist vielleicht kompliziert“, stöhnte Andy. Cat lächelte aufmunternd.

„Ja, am Anfang kommt es einem so vor, aber du hast es bald draußen. So jetzt ziehst du den Verschluss ganz zurück. Mit dem Durchladehebel.“ Andy starrte Cat an. Sie brummte missmutig.

„Der da. Gut und jetzt loslassen!“ Der Verschluss schnellte nach vorne.

„Und jetzt?“, fragte Andy verunsichert.

„Jetzt ist sie geladen, der Hahn ist gespannt, du solltest die Sicherung so lange drin lassen, bis wirklich erst geschossen werden soll, das ist auch für die Waffe besser!“

„Okay, danke und wie verwende ich die Dinger?

„Dolche? Du musst geradlinig angreifen. Der Dolch ist eine Stichwaffe und ist auch schlanker in der Klinge als Schnittwaffen, wie zum Beispiel das Naginata. Er ist auch beidseitig geschliffen, damit man leichter…hm ja eindringen kann, du verstehst?“

„Ja okay…oh der sieht klasse aus?“

„Ein Säbel, eine Hieb- und Stichwaffe, die sind mehr schlecht als recht zusammengemixt, um beiden Anforderungen gerecht zu werden,“

„Na schön, muss ich noch etwas wissen?“

„Momentan fällt mir nichts ein…“

„Danke Cat!“ Cat lächelte fröhlich.

„Bitte schön!“

„Das ist doch vollkommener Schwachsinn, das ist so unrealistisch!“ Cat und Andy sahen zu Crow der im Schneidersitz auf dem Ohrensessel saß und in einem Buch blätterte.

„Das ist ja auch ein Science-Fiction Roman, der hat nicht realistisch zu sein“, entgegnete Sugar genervt.

„Ja, aber der Autor müsste es doch wirklich nicht so übertreiben!“

„Crow bitte…halt die Klappe!“ Cat grinste belustigt, was sehr ansteckend auf Andy wirkte. Immer wenn Cat lächelte, überkam einen dieses Gefühl, auch lächeln zu müssen.

„Alle mal herhören!“ Muffin war ins Wohnzimmer gekommen und musterte Andy kurz, bemerkte schließlich, dass sich auch Sugar und Cat im Raum befanden und grinste verlegen.

„Das heißt nicht alle, Crow und Angel, ihr hört her!“ Crow sah gelangweilt zu Muffin.

„Was gibt’s?“, fragte Andy.

„Einen Job, in drei Tagen wird Crow einen Auftrag ausführen.“

„Fabelhaft“, Crow grinste böse.

„Und du, Angel, wirst ihn begleiten!“ Sogleich verschwand das Grinsen und Crows Miene verzog sich.

„Was? Ich brauche keinen Partner!“, schnaubte er missmutig.

„Keinen Partner, Crow, einen Schüler!“

„Mann…nicht schon wieder…“ Andy musterte Crow, der verständnislos den Kopf schüttelte.

„Angel, das wird ein Massenmord und Sandman will, dass du mitkommst. Das heißt für dich früh aufstehen, spät schlafen, du musst trainieren und die Waffen perfekt beherrschen und Crow wird dir dabei helfen!“ Crow warf Andy einen tödlichen Blick zu.

„Oh ja, ich werde dir helfen“, knurrte er, Andy schluckte.

„Ich hab ihm schon den Umgang erklärt, jetzt muss er nur üben und verbessern“, mischte sich Cat ein. Muffin nickte zufrieden.

„Gut, ich gebe euch demnächst die Adresse, gute Nacht!“ Muffin verschwand. Crow erhob sich, warf das Buch auf den Sessel und baute sich vor Andy und Cat auf.

„Wenn du mir nur im Geringsten im Weg stehst, verwechsele ich dich, ganz versehentlich mit einer Zielperson, verstanden?“ Andy nickte.

„Gut“, knurrte Crow und verließ erhobenen Hauptes das Wohnzimmer. Sugar betrachtete Andy, der Crow nach gaffte.

„Keine Angst, er hat eine große Klappe, steckt aber nicht viel dahinter?“

„Hast du schon einmal mit ihm zusammengearbeitet?“, fragte Andy.

„Machst du Witze…natürlich nicht!“

„Woher willst du dann wissen, dass er nicht hält, was er verspricht?“ Sugar starrte Andy überrascht an.

„Na…ja.“ Andy seufzte und erhob sich.

„Gute Nacht!“ Cat sah Andy mit kugelrunden Augen hinter her.

„Hoffentlich tut ihm Crow nichts“, meinte sie schließlich.

„Er ist wahrscheinlich…nur jetzt wütend, aber das legt sich meistens wieder…hoffe ich“, versuchte Sugar Cat zu beruhigen.

- Ja hoffen wir’s-

Kapitel 4

 

Andy marschierte den Flur auf und ab. Immer wieder, hin und her.

„Verdammt noch mal“, wisperte er. Schließlich öffnete sich Tür und Cat schlurfte verschlafen auf den Gang. Es war Zeit sich zu waschen, das Frühstück vorzubereiten und die Wäsche in den Trockner sowie in die Waschmaschine zu geben. Sie blinzelte und rieb sich gähnend die Augen.

„Angel?“, fragte sie darauf, als sie Andy erkannte, der ihr einen verzweifelten Blick zuwarf.

„Cat!“

„Seit wann bist du denn auf?“ Andy packte Cat an den Schultern und schüttelte sie.

„Seit halb vier…er sollte normal schon wach sein!“

„W… w… wer…d…d…denn?“, stotterte Cat. Andy ließ von ihr ab.

„Crow, gestern hat er noch gesagt ich sollte pünktlich sein…Punkt Vier, ich warte jetzt schon zweieinhalb Stunden…ich bin müde!“ Cat seufzte schwer.

„Am Sonntag steht Crow nie vor neun auf, wenn er keinen Auftrag hat!“

„Was? A…aber er sagte doch…“ Cat legte Andy ihre Hand auf die Schulter und schüttelte bedauernd den Kopf.

„Er hat dich vermobt!“

„Was hat er?“ Cat verdrehte die Augen und ging an Andy vorbei zum Badezimmer. Er sah ihr mit verwirrtem Blick hinterher.

„Cat?“, wimmerte Andy.

„Verarscht Angel… total verarscht!“ Sie zog die Tür hinter sich zu. Andy sank auf den Fußboden und neigte seinen Kopf zur Seite. Er schloss die Augen und ihn überkam die Müdigkeit.

***

„He…aufwachen Dornröschen!“ Andy öffnete seine Augen, nachdem er angestoßen wurde. Vor ihm stand Crow mit verschränkten Armen und musterte ihn grimmig.

„Wie spät ist es?“, fragte Andy und blinzelte benommen.

„Zehn vor Eins…hoffe du bist jetzt ausgeschlafen, Engelchen“, zischte Crow. Er schritt über den Flur, Andy raffte sich auf und hetzte ihm hinterher.

„Du hast mich verarscht!“

„Was meinst du?“, entgegnete Crow mit unschuldiger Miene.

„Du hast gesagt ich soll um Vier bereitstehen!“

„Ja und?“ Andy unterdrückte seine Wut.

„Wo warst du?“ Crow blieb stehen und musterte Andy ernst. Seine bernsteinfarbenen Augen funkelten.

„Ich sagte du sollst bereitstehen, von mir war nie die Rede.“ Andy beschloss es gut sein zu lassen. Mit Crow zu diskutieren hatte offenbar wenig Sinn.

„Wo gehen wir jetzt hin?“, wollte er stattdessen wissen.

„Ich gehe zum Training!“ Crow hatte darauf geachtet das Wort „ich“ sehr stark zu betonen. Andy seufzte.

„Würdest du dich herablassen und mich mitnehmen?“ Crow strahlte Andy an.

„Sicher doch!“

- Gut- dachte Andy erleichtert, Crow und er machten

Fortschritte, was die Kommunikation anbetraf. Crow und Andy wollten gerade die Villa verlassen, als Cat sich ihnen mit finsterem Blick in den Weg stellte.

„Was ist? Geh aus dem Weg, Cat“, herrschte Crow, aber Cat bewegte sich kein Stück.

„Cat?”, sagte Crow gedehnt.

„Crow?“, konterte sie in der gleichen Weise.

„Was ist denn?“, brüllte Crow gereizt.

„Du verschwindest einfach unmittelbar vor dem Mittagessen!“, warf Cat Crow plötzlich vor.

„Das hat einen ganz simplen Grund“ Andy hatte in diesem Moment wirklich erwartet, dass Crow Cat ihre schlechten Kochkünste als Grund präsentierte, tatsächlich erklärte Crow dem Mädchen, dass er mit Andy trainieren musste, damit dieser keinen Blödsinn anstellte. Und natürlich war es Andys schuld, dass sie so spät erst beginnen konnten. Schließlich habe er geschlafen, während Crow, pünktlich wie jeder wusste, um neun Uhr parat stand. 

„Aber Dornröschen wollte eben mit einem Kuss geweckt werden, hab ich Recht?“, beendete er seine Begründung. Cat nickte.

„Gut.“ Crow schob Cat zur Seite und trat aus der Villa, Andy folgte ihm, insgeheim sehr verärgert darüber, wie Crow die Situation dargestellt hatte.

„Immer dasselbe, manchmal ist sie echt anstrengend“, schimpfte Crow. Andy hatte Mühe ihm nach zu kommen. Crow besaß ein gewaltiges Schritttempo. Mit Muffin war Andy so gemütlich die Wege entlang spaziert, was Crow anscheinend nicht im Sinn stand. Innerhalb kürzester Zeit hatten sie Platz B erreicht.

„Okay, zeig mal was du drauf hast, Engelchen“, forderte Crow. Andy missfiel es, dass Crow ihn Engelchen nannte, aber er sprach das Thema nicht an.

„Was muss ich tun?“, erkundigte sich Andy.

„Na, sieh mal zu, dass du mit so wenigen Kratzern wie möglich, durch den Parcours kommst!“ Andy schluckte und schlich zum ersten Hindernis. Andy kletterte durch den engen Tunnel. Er robbte sich hindurch, doch er hatte wirklich nicht damit gerechnet, dass die kleine Röhre am Ende schmaler wurde.

„Cr…Crow“, ächzte Andy. Mit einem teuflischen Grinsen trat Crow neben Andy, der in der Röhre fest zu stecken schien. Nur sein Kopf ragte heraus.

„Wohl doch noch ein wenig zu dick?“

„Hilf…mir“, keuchte Andy und versuchte sich zu bewegen.

„Luft anhalten, Bauch einziehen, stemmen!“ Andy tat, was Crow ihm gesagt hatte und konnte sich somit befreien. Andy rappelte sich auf. Erst jetzt begann Crow herzhaft zu lachen.

„D…du hast ausgesehen, wie ein dicker Wurm“ Andy warf Crow einen finsteren Blick zu.

„Ha, ha…sehr lustig“ Crow beruhigte sich wieder und beteuerte Andy weiter zu machen. Andy hantelte sich über den Stacheldrahtzaun. Crow nickte anerkennend, als Andy ohne weitere Schwierigkeiten wieder auf dem Boden landete.

„Alle Achtung, los das Nächste!“ Andy sprang über mehrere Hürden, die alle zirka eineinhalb Meter hoch waren und balancierte über dünne Stangen. Es funktionierte alles beinahe perfekt, allerdings baute sich die Mauer schließlich vor Andy auf.

„Na was gaffst du so, klettere hoch!“

„Wie denn?“

„Indem du deine Beine und Arme benutzt“, meinte Crow ironisch.  Andy murrte missmutig, nahm Anlauf und versuchte so hoch wie möglich zu springen. Verkrampft packte er den Rand der Mauer. Kurz hing er an der Mauer, da er das Gefühl der Übelkeit erst verkraften musste. Anschließend zog er sich mit aller Kraft hoch. Erschöpft stand Andy auf der Wand und starrte hinunter. Sein Magen rumorte.

„Na klappt doch…jetzt spring runter“, rief Crow hoch.

„Und wenn ich mir das Genick breche?“, gab Andy zu bedenken, allerdings zuckte Crow nur gleichgültig mit den Schultern.

„Das nehme ich in Kauf. Spring!“ Andy sammelte sich und sprang mutig von der Mauer. Ein stechender Schmerz durchzog sein Bein, als er landete.

„Ah ich…ich hab einen Krampf“, wimmerte er.

„Wo denn?“, erkundigte sich Crow.

„Im…im kleinem Zeh!“ Crow gab Andy einen Klaps auf den Hinterkopf.

„Weiter!“, knurrte er und Andy kletterte auf eine der Hütten.

„Von Dach zu Dach springen!“

„Oh ja, vielen Dank“, murmelte Andy mit sarkastischem Unterton, allerdings war er darauf bedacht gewesen, dass ihn Crow nicht hören konnte. Andy nahm so viel Anlauf wie ihm möglich war und preschte los, um gleich darauf vom Dach zu springen. Er wäre in den Graben gestürzt, hätte er nicht rechtzeitig nach dem Dachansatz gegriffen. Er zog sich, wie bei dem Hindernis zuvor, schnaufend hoch. Er fühlte schon, dass ihn die Kraft allmählich verließ.

„Ich…sterbe“, keuchte Andy.

„Was?“, rief Crow.

„Ich sterbe!“, brüllte Andy gereizt, worauf Crow ein flüchtiges Grinsen entkam.

„Mach weiter…flieg Engelchen, flieg!“ Andy warf Crow einen tödlichen Blick zu, schließlich sprang er auf das nächste Dach, beinahe hätte er es geschafft, wäre er nicht mit seinem Fuß abgerutscht. Andy ruderte wild mit seinen Armen, aber er konnte sein Körpergewicht nicht mehr halten und er stürzte rücklings ab. Crow brach fast zusammen vor Lachen, als er Andy triefend aus dem Graben schlurfen sah.

„Luzifer…der gefallene Engel“, spottete er.

„Oh ja… wirklich sehr komisch“, knurrte Andy verärgert.

„Mann…ich hab schon lange nicht mehr so gelacht“, keuchte Crow und wischte sich die Lachtränen aus den Augen.

„Schön, dass ich dich so belustige“, entgegnete Andy.

„Ach sei nicht eingeschnappt, für den Anfang, war’s wirklich nicht schlecht!“ Andy zog sich ein Blatt aus den Haaren.

„Komm gehen wir zum D Platz“, meinte Crow schließlich und sie wanderten los. Den ganzen Weg über, versuchte Crow Andy zu verbildlichen, wie er vom Dach gestürzt war.

„Du hast ausgesehen wie eine Ente, der man in den Hintern geschossen hat.“

„Ja“, brummte Andy. Er war froh den Platz zu sehen. Crow zog seinen Kapuzenpulli hoch. Um seine Hüften trug er einen Gürtel, der mit Wurfsternen bestückt war.

Er nahm einen davon herunter und reichte ihn Andy.

„So hier hast du…Vorsicht, die sind aus meiner persönlichen Sammlung und dementsprechend scharf!“ Andy nickte und betrachtete die Waffe. In der Mitte war eine Krähe eingraviert, Crows Markenzeichen. Crow nahm einen weiteren Stern von seinem Gürtel und erklärte Andy die Handhabung.

„Den ersten Stern klemmst du immer zwischen Zeige und Mittelfinger, wenn du mehrere benutzt, jeweils einen Finger weiter darunter. Die ganze Bewegung kommt locker aus dem Handgelenk.“ Crow führte eine lässige Handbewegung aus und der Shurike zischte durch die Luft und blieb in der aufgestellten Zielscheibe, einer Puppe aus Jute, stecken.

„Verstanden?“ Andy starrte mit großen Augen auf die Puppe. Crow hatte genau in die Augenpartie gezielt.  Der Stern musste mit unglaublicher Kraft geschleudert werden, damit er die Geschwindigkeit und die Wucht aufbringen konnte, um einen Menschen zu töten. Andy konnte sich nicht wirklich vorstellen, wie das funktionieren sollte, aber Crow schien damit eben sehr erfolgreich zu sein, ansonsten könnte er nicht mit den Wurfsternen so viele Menschen umbringen. Gleich darauf versuchte sich Andy an dieser Technik. Noch rechtzeitig genug, konnte sich Crow ducken, der unmittelbar neben Andy gestanden hatte.

„Ups“, murmelte Andy.

„Hast du sie noch alle? Locker hab ich gesagt…  L-O-C-K-E-R!“

„Ja, ja!“ Andy suchte nach dem Wurfstern und versuchte es, nachdem er ihn wieder aufgetrieben hatte, noch einmal. Andy zielte ebenso auf die Augen, warf und traf die Puppe genau im Schritt.

„Hm so geht’s natürlich auch.“ Andy wurde knallrot.

„Steh nicht rum, hol ihn zurück und ziel auf den Kopf!“ Andy tat wie ihm geheißen, packte die beiden Shuriken und stellte sich wieder in Position. Andy wagte einen neuen Versuch und schoss, im wahrsten Sinn des Wortes, über das Ziel hinaus.

„Schwach“, meinte Crow und blickte in die Ferne.

„Na dann such Mal schön!“ Andy watschelte los.

„Wo bist du denn?“, flötete er, sein Gesichtsausdruck nahm gequälte Züge an, als er den Wurfstern erblickte, der im Stamm eines Baumes mehr als fünf Meter über der Erde steckte.

„Crow!“, rief Andy um Hilfe. Crow applaudierte Andy, als auch er den Shuriken sah.

„Los hol ihn runter!“ Andy schenkte Crow einen verständnislosen Blick.

„Was gaffst du so?“

„Wie bitte soll ich ihn da runterholen?“ Crow nahm ein wenig Anlauf, rannte ein Stück den Stamm hoch, packte das Wurfgeschoss und vollführte einen Überschlag, um wieder sicher auf der Erde zu landen.

„So“, sagte er. Andy starrte ihn mit offenem Mund an.

„Gesehen?“ Andy nickte langsam.

„Gut!“ Crow warf den Wurfstern wieder hoch, sodass er wieder exakt an der gleichen Stelle steckte.

„Was soll das denn?“, rief Andy fassungslos.

„Mach es nach“, forderte Crow gleichgültig. Andy musterte ihn mit verständnislosem Blick.

„Tu mir einen Gefallen, Engelchen und gewöhn dir dieses Gaffen ab, ja?“ Andy stöhnte gereizt und versuchte den Anforderungen von Crow gerecht zu werden. Er sprintete auf den Baum zu, jedoch packte ihn dieses Gefühl, das Gefühl der Angst zu versagen. Andy wich dem Baum aus.

„Na was denn, was denn…gleich noch mal!“

„Crow bitte…ich schaffe das nicht.“ Crows Augen funkelten gefährlich.

„Tut mir leid, etwas nicht schaffen, ist in meinem Wortschatz nicht enthalten…mach schon!“

„Aber…“

„LOS!“ Andy nahm Anlauf, hetzte los, sprang auf den Stamm und fiel wie ein Maikäfer auf den Rücken.

„Noch mal!“ Andy rappelte sich auf und hielt sich seinen schmerzenden Rücken.

„Noch mal!“, wiederholte Crow seine Worte. Andy versuchte es erneut mit ganzer Kraft. Er versuchte es immer und immer wieder und immer und immer wieder scheiterte er erbärmlich. Den restlichen Tag brachte er mit dieser Übung zu, schließlich stand er halb tot, vor Erschöpfung vor dem Gewächs und donnerte nur mehr gegen den Stamm. Crow sah auf seine Uhr.

„Na schön…lassen wir es gut sein, das wird ja doch nichts.“ Crow, wollte sich seinen Stern wiederbeschaffen, allerdings hielt ihn Andy zurück.

„Nur noch…ein letztes Mal“, keuchte der Junge. Crow wich zurück, Andy nahm mehr Anlauf, als er je genommen hatte, raste auf den Baum zu und rannte den Stamm hoch, er erreichte knapp den Stern und zog ihn noch rechtzeitig aus dem Holz. Allerdings konnte er nicht so elegant auf die Erde zurückkehren und er stürzte erschöpft ab. Andy lag mit dem Rücken auf der Erde und schnaufte. Crow tauchte über ihm auf und grinste breit.

„Gut gemacht, Engelchen!“ Andy lächelte erleichtert.

„Jetzt steh auf, wir müssen ja noch nach Hause gehen.“

„Oh nein!“ Andy raffte sich hoch und schlurfte hinter Crow her.

„Tja das war dann mal ein lehrreicher Tag, was Engelchen…hast dich wacker geschlagen.“

„Mhm.“

„Oh, oh, nur nicht einpennen, während du läufst!“

„Mhm“

***

„Und wie war es?“ Muffin stand im Wohnzimmer und sah Crow erwartungsvoll an, der wieder seinen Science-Fiction Roman las.

„Ganz gut.“

„Wo ist Angel?“

„Och, der schläft… er ist fix und fertig.“ Crow grinste, als er an den Sturz in den Wassergraben dachte.

„Ihr habt noch zwei Tage Zeit, nutzt sie gut“, sagte Muffin ernst.

„Ja, ja…keine Sorge, er kann ja schon einiges“, maulte Crow.

„Fordere ihn nicht zu viel…er sollte möglichst überleben, ja?“ Crow hob eine Augenbraue.

„Ach, ist nicht dein Ernst“, erwiderte er sarkastisch.

„Gute Nacht!“ Muffin drehte am Absatz um und verließ das Wohnzimmer. Cat kam gleich darauf herein gehüpft und kniete sich neben den Ohrensessel.

„Was willst du?“, knurrte Crow, als sie ihn lange ansah. Cat grinste spitzbübisch.

„Heute war es besser, nicht wahr?“

„Was denn?“

„Das Essen…heute hat es geschmeckt oder?“ Crow wirkte etwas irritiert, es war ihm heute nicht einmal aufgefallen, dass er den ganzen Teller leer gegessen hatte, ohne auch nur den Mund zu verziehen.

„Ja…woher kommt das?“, fragte er schließlich.

„Muffin hat mir ein Kochvideo geschenkt, da ist ein Mann drinnen und der sagt mir, wie ich alles machen muss, toll nicht?“

„Ja wirklich toll…ich hoffe er schenkt dir noch mehr davon!“ Cat ließ sich durch diese Aussage ihre gute Stimmung nicht im Geringsten vermiesen. Lächelnd erhob sie sich und sagte:

„Morgen koche ich dir was ganz… Extravagantes, lieber Crow!“ Crow schluckte.

„Extravagant heißt doch in deinem Wortschatz nicht roh, oder?“ Cats Lächeln wurde breiter.

„Lass dich überraschen!“ Cat hopste aus dem Wohnzimmer. Crow sah ihr hinter her.

„Ob sie mich vergiften will?“, sagte Crow zu Sugar gewandt, die ausgestreckt auf der Couch lag. Sie lachte leise.

„Ich weiß, dass Cat keiner Fliege etwas zu Leide tun könnte, aber bei einer Krähe bin ich mir nicht so sicher“

***

Ein lautes Poltern ließ Andy aufschrecken. Während sein Blick auf den Wecker fiel, der zwei Uhr anzeigte, hatte der Klopfende bereits beschlossen einzutreten.

„Los aufstehn…das Training wartet!“, brummte Crow.

„Was so früh schon?“, erwiderte Andy gequält.

„Ja, so früh schon!“, äffte Crow und warf Andy sein Hemd entgegen. 

„Na schön“, seufzte Andy und raffte sich auf. Crow wartete ungeduldig vor der Zimmertür und lauschte. Aus Cats Zimmer drang amüsiertes Lachen.

„Was macht sie denn?“, fragte Andy, als auch er den Flur betrat.

„Träumen, wie immer“, knurrte Crow. Manchmal schlafwandelte Cat auch und legte sich zu irgendjemand ins Zimmer. Auch Crow war neben ihr schon einmal aufgewacht. Crow stiefelte Andy voran durch die Villa.  Sie stiegen alte, knarzende Treppen zum Dachgeschoss hoch. Es war sehr staubig und einige Kisten standen herum, die Crow mit seinem Fuß wegschob. Vor einem Fenster blieb er stehen und öffnete es. Bevor Andy überhaupt fragen konnte, erklärte er bereits, dass sie nun dort hinaus klettern würden. Andy sah hinunter und schluckte.

„Also, naja ich weiß nicht“ Er beäugte die Dachfläche, von der man leicht abrutschen konnte. 

„Sei kein Feigling, Engelchen…raus mit dir!“ Crow scheuchte Andy hinaus und sobald er draußen war, hörte er das Klicken des Fensters. Andy wandte sich mit aufgerissenen Augen um.

„Ich warte unten“, hörte er Crow gedämpft. 

„Crow…lass mich wieder rein!“, rief Andy, aber Crow tat so, als könne er nicht hören, was Andy sagte und winkte ihm nur zu, bevor er das Dachgeschoss verließ.

„So ein Arsch!“, schimpfte Andy. Vorsichtig wagte er es einen Schritt zu setzen, bemerkte allerdings schnell, dass er auf einer losen Schindel stand. Sein Herz klopfte, wenn er abrutschte und stürzte würde er sich sein Genick brechen. Schließlich erblickte Andy Crow, der unten aufgetaucht war. 

„Hey, du hast dich ja noch gar nicht bewegt!“, stellte dieser fest.

„Das ist nicht so einfach!“ Plötzlich prallte ein Wurfstern am Fenstersims ab und hätte Andy beinahe an der Hand getroffen, hätte er sie nicht noch rechtzeitig wegziehen können. Nach einem kurzen Schreck und einer wackeligen Gleichgewichtssuche brüllte er: „Bist du irre?“ 

„Vielleicht ein bisschen…das ist dein Training! Komm runter und weich dabei den Wurfsternen aus!“ Gleich darauf blieb ein Shurike vor Andys Fuß im Dach stecken.

-Verdammt, der meint das ernst- Andy hopste unbeholfen die Dachfläche entlang. Er wollte Halt an einer weiteren Dachgaube finden, die sich nur mehr einige Meter von ihm entfernt befand. Allerdings musste er durch Crow Einfluss schnell wieder die Richtung ändern.

„Mensch, bist du vielleicht lahm!“, knurrte Crow gelangweilt und mit einem unangenehmen Geräusch zerriss ein Wurfstern Andys Hemd und verursachte eine kleine blutende Wunde. Erschrocken trat Andy auf eine der losen Schindeln, die sich sogleich löste und ihn zu Fall brachte. Andy knallte mit dem Oberkörper auf das Dach, wollte sich festkrallen doch stürzte mit weiteren Schindeln in Richtung Erdboden. Er glaubte sich schon tot, doch sein Sturz wurde von einer der hässlichen Gargoylen sehr unsanft gebremst. Andy konnte kaum atmen so sehr durchfuhr ihn der Schmerz zwischen seinen Beinen. Er saß verkehrt auf der Gargoyle, als würde er mit ihr davonfliegen wollen. 

Ein Wurfstern prallte wieder ab.

„Hör…auf jetzt…damit!“, schnaufte Andy und schaffte es mit gekrümmter Haltung sich wieder auf das Dach zu begeben. 

„Na, hast dir wohl was eingeklemmt“, lachte Crow. Andy sagte nichts, er versuchte das Ziehen weg zu atmen. 

„Schön, dann ist das Training eben vorbei!“ Andy beobachtete Crow, der wieder zurück in die Villa gehen wollte.

„Warte mal…du holst mich doch hier runter, oder?“, sprach Andy, da er glaubte etwas Schelmisches an Crow gesehen zu haben. Dieser blickte hoch und grinste.

„Ich bin in Windeseile bei dir“, versprach er. Andy stakste zum Fenster zurück und wartete. Aber Crow kam nicht. Anstatt sich darüber zu ärgern, wollte Andy versuchen das Dach doch noch zu verlassen. Ohne Crows Shuriken, fiel es ihm wesentlich leichter. Viel Schweiß durchdrang sein Hemd, bis er endlich Wiese unter seinen Füßen spürte. Es war ihm natürlich klar gewesen, dass Crow die Eingangstür versperrt hatte, aber er konnte auch auf der Veranda schlafen. 

„Ich sagte doch, dass du ihn nicht zu viel fordern sollst!“, schnaubte Muffin währenddessen, was Crow zu belustigen schien. Muffin war durch das Gezanke aufgewacht und hatte natürlich auch die Dachschindeln gehört.

„Reg dich ab, er lebt ja noch!“ Muffin seufzte entnervt. Er hätte sich wohl doch einen anderen Trainer für Angel aussuchen sollen. Er hätte sich daran erinnern sollen, als Crow Miserys Lehrmeister gewesen war. Damals war er schon grausam und doch noch sanft, da sie ja ein Mädchen war. 

„Sollen wir ihn aufwecken?“, Muffin betrachtete Andy durch das Fenster. 

Der Junge lag zusammengerollt wie ein Kätzchen auf der Veranda. Crow musterte ihn ebenfalls.

„Ach nein, er soll hier schlafen, scheint ihn nicht zu stören“, sprach er und trabte sogleich die Treppen ohne weitere Worte hoch. Muffin wandte sich um. 

„Hoffentlich übersteht er den letzten Trainingstag.“

Kapitel 5

 

„Guten Morgen!“ Ein Eimer Wasser wurde über Andy geleert. Die kalte Flüssigkeit durchfuhr Andy wie tausend spitze Nadeln. Er schreckte hoch und sah direkt in Crows Gesicht. Sogleich überkam Andy purer Hass und er packte Crow.

„Du Mistkerl! Du hast mich ausgesperrt…du hast gelogen!“ Crow riss sich los.

„Erstens, Pfoten weg und zweitens, was hast du denn erwartet?“

„Ich wär fast draufgegangen!“

„Fast eben, aber du bist noch hier also…“, Crow setzte eine künstlerische Pause.

„Bevor wir weiter trainieren…“ Crow hielt Andy etwas entgegen.

„Was ist das?“, fragte Andy und nahm es an sich. Inzwischen hatte er sich wieder gänzlich beruhigt.

„Na denkst du das Dach repariert sich von allein?“ Andys Miene nahm gequälte Züge an. 

„Ach nein“, seufzte er, was Crow sadistisch Lächeln ließ. 

„Ach doch“, spottete er.

„Es macht wohl nicht viel Sinn dich zu fragen, ob du mir hilfst, oder?“ Crow fing auf diese Frage hin schallend an zu lachen und ließ Andy so stehen. 

„Wollt ihr fleißige Handwerker sehen“, hörte Andy Crow in der Villa singen.

„War ja klar“, murrte Andy und machte sich daran, wieder auf das Dach zu steigen. Am Horizont erblickte Andy dunkle Wolken. Es würde offenbar bald regnen, was ihn unmotiviert stöhnen ließ. Es vergingen einige Stunden, bis Andy mit dem Dach fertig war. Er hatte es gerade rechtzeitig fertig gestellt, bevor es zu tröpfeln begann und es schließlich aus allen Eimern goss. 

„Na alles okay?“, hörte Andy eine tiefe Stimme hinter sich, als er gerade das leere Wohnzimmer betreten wollte. Es war Zodiak, der ihm auf die Schulter klopfte. 

„Du müffelst ein bisschen“, lachte er. Andy zuckte mit den Schultern.

„Ja hatte noch keine Zeit mich zu duschen“, erwiderte er. 

„Crow nimmt dich wohl ziemlich hart ran, was?“ Andy nickte.

„Ich hab das Gefühl er will mir nicht wirklich was beibringen, sondern sich einfach nur amüsieren und sich über mich lustig machen!“ Zodiak nickte wissend. 

„Ja, ja manche Lehrer sind einfach Sadisten…hast du Lust in die Kraftkammer mitzukommen?“ Zwar war Andy vollkommen erschöpft, aber er sagte dennoch zu.  Er folgte Zodiak nach, der ihm allerhand erzählte. 

„Wann bist du hierhergekommen?“, wollte Andy wissen.  

„Ach vor zirka zwei, drei Jahren! Ich übernehme nicht viele Aufträge, ich töte weder Frauen noch Kinder, schmierige Mafiabosse, allerdings schon…aber so langsam gehen uns die Zielpersonen aus, Sandman hat doch im Grunde schon die ganze Stadt übernommen!“ 

„Dann wird er uns womöglich nicht mehr brauchen“, meinte Andy dazu. Zodiak starrte die Gewichte an. 

„Es wird immer Menschen geben, die sich gegen ihn auflehnen wollen und es werden und dann kommen wir wieder ins Spiel… heb mal hoch!“ Zodiak deutete auf eines der Gewichte und Andy hob es von der Fixierung herunter. 

„Du bist ganz schön stark, dafür, dass du so dürr bist“, lachte Zodiak und legte sich auf die Bank, um das Gewicht zu stemmen. 

„Das ist wohl mein Vorteil“, sagte Andy.

„Hm?“

„Unterschätzt zu werden und dann alles platt zu machen.“ Zodiak lachte abermals. 

„Hattest du viele Schwierigkeiten?“ Zodiak legte das Gewicht zurück und setzte sich wieder auf die Bank, diesmal aber, um Andy einfach zuzuhören.

„Ich hab eigentlich immer in irgendwelchen Waisenhäusern gelebt. Meine ersten Lebensjahre in einem fürchterlichen Heim, wir wurden geschlagen und gedemütigt und manche Kinder mussten auf den Dachboden, zu fremden Menschen und…als Kind ist man so hilflos…so schwach…sie kamen nicht so zurück, wie sie früher waren, sie waren seelisch tot verstehst du?“ Andy schluckte, während Zodiak nickte.

„Ich war nie dort oben, ich kann mir heute vorstellen, was dort passiert ist, aber…ich will es nicht wahrhaben.“ Andy stockte.

„Ich bin weggelaufen, ich hab meine Freunde dort zurückgelassen, um mich zu retten…ich war egoistisch!“

„Du warst ein Kind und hattest Angst.“

„Ja, aber…ich hätte mehr tun müssen…jetzt ist es zu spät…ich kam in diese Stadt und Madame Kalier hat mich gefunden, sie nahm mich mit in das Waisenhaus und es war eigentlich, wie ein Stück vom Himmel, auch wenn wir viel arbeiten mussten, um Geld für uns alle zu verdienen…wir hatten es gut…ich texte dich zu…tut mir leid…“ Zodiak lächelte warmherzig.

„Schon gut…ich habe doch gefragt, also wollte ich es auch hören!“ Andy konnte ihm gar nicht in die Augen sehen.

„Ich…ich gehe jetzt besser“, er rang sich ein Lächeln ab und verließ die Kraftkammer. Er stürmte hoch und wollte in sein Zimmer, als er mit jemanden zusammenstieß.

„T…tut mir leid ich…“ Andy unterbrach sich. Ein großer, junger Mann musterte ihn mit seinen roten Augen. 

„Du bist der Neue, hm?“, sagte er und Andy nickte. Andy wusste, dass dieser Mann wohl Nightmare sein musste. Er sah blass aus, fast kränklich und doch strahlte er eine Menge Energie aus. So stellte sich Andy einen Dämon vor.

„Ich bin Angel“, stellte sich Andy schnell vor.

„Nightmare“, entgegnete der junge Mann. Andy lächelte dümmlich.

„Na dann“, Nightmare schob sich an Andy vorbei und ging die Treppe hinunter. 

„Bis dann mal!“, sprach er noch im Gehen. Andy sah ihm hinterher. Keiner der anderen Killer, hatte so eine Präsenz, so etwas Unheimliches an sich, wie Nightmare. Andy fröstelte es, er ging hoch und legte sich in sein Bett, ohne sich geduscht, noch sich entkleidet zu haben. Er war fertig. Irgendwie wusste er sich nicht zu erklären, warum er Zodiak das alles erzählt hatte. Er hatte so eine Ausstrahlung, die Andy das Gefühl gab geborgen zu sein. Lächerlich in Anbetracht dessen, was Zodiak tat und wer er war. Andy lag trotz Müdigkeit noch länger wach, als ihm lieb war. Er hätte lieber geschlafen und nicht so viel nachgedacht. Doch die Gedanken ließen ihn einfach nicht ruhen, selbst in seinen Träumen verfolgten ihn die alten Bilder, immer tiefer fiel er in dieses tiefe Loch in seiner Seele. Eine Wunde, die wohl niemals verheilen würde.

***

„Ah…mein Kreuz“, stöhnte Andy und hielt sich seinen Rücken. Weder die Dachdeckerarbeiten, noch dieses Training bekamen ihm. Mittlerweile hatte ihm Crow doch noch etwas Sinnvolles beigebracht. Da Andy sich ein Schwert als Waffe ausgesucht hatte, hatte Crow ihm die richtige Führung gelehrt.

„Schwerter…bäh, sehr mutig, muss ich dir lassen. Es kostet Überwindung jemanden so zu töten“, hatte Crow gesagt und Andy fragte sich, ob er sich damit nicht etwas übernommen hatte. Wenn schon Crow so über Schwerter sprach, gerade der, der sowas wie Überwindung doch gar nicht kannte. Könnte Andy es bewerkstelligen sein Schwert auf jemanden niederfahren zu lassen?

„Stell dich nicht so an“, knurrte Crow.

„Eigentlich verstehe ich nicht, warum wir die ganze Bude nicht einfach in die Luft jagen. Sie wird doch sowieso abgerissen, oder?“ Crow warf Andy einen seiner grimmigen Blicke zu, der einem die Nackenhaare aufstellen ließ.

„Also zunächst einmal“, setzte Crow mit ruhiger Stimme an.

„Das Gebäude soll nicht abgerissen werden, sondern für Lagerzwecke benutzt werden, Schlaukopf und zweitens, Sandman will, dass ihn die Menschen fürchten und drittens, macht es so viel mehr Spaß!“ Plötzlich zog Crow einen Dolch und warf ihn Andy zu, der ihn etwas unbeholfen, aber dennoch auffing.

„Was soll ich denn…“

„Aufgepasst! Deine Abschlussprüfung, Engelchen. Versuch mir mit einem Überraschungsangriff meine Waffe abzunehmen, dazu musst du mich nur verfolgen, ohne, dass ich dich natürlich bemerke und dann greifst du an!“

„Aber…“ Crow ließ Andy wieder keine Zeit, um etwas zu sagen.

„Du hast so lange Zeit, bis ich die Villa wieder erreicht habe.“

„Und…“

„Wenn du es packst, werde ich aufhören dich Engelchen zu nennen, wenn nicht, dann eben nicht… einverstanden?“ Andy nickte langsam, seine Augen glitzerten.

„Aber du gehst…du sprintest nicht los, sodass ich gar keine Möglichkeit habe, oder?“ Crow lächelte selbstsicher.

„Als ob ich das nötig hätte…jetzt hau ab…versteck dich!“ Andy hetzte in den Wald und schon bald verschwand er im Unterholz. Er hörte noch, wie Crow rief: „Ich werde es dir nicht leichtmachen, Engelchen“ Andy grinste, während er sich nach einem Beobachtungspunkt umsah.

- Ich dir auch nicht-

***

„If you happy and you know it, clap your hands“, Crow klatschte begeistert in seine Hände. Andy saß auf einer Tanne und beobachtete ihn. Auch wenn es nicht den Anschein hatte, er fühlte irgendwie, dass Crow genau wusste, wo er war.

„Komm schon, Engelchen, sing mit mir!“ Crow hatte Andys Vermutung bestätigt. Er winkte dem Achtzehnjährigen zu. Andy sprang stöhnend vom Baum und entschwand abermals im Dickicht.

„Verdammt!“, fluchte er.

„Woher weiß er immer wo ich bin?“ Crow veralberte Andy wirklich. Er ließ sich mehr als Zeit, um zur Villa zurück zu gehen, er schien jedes Mal unaufmerksam, dennoch wusste er immer genau, wo Andy sich aufhielt. Schließlich bemerkte Andy, dass Crow stehen geblieben war.

„Na so was“, hörte er ihn murmeln. Andy schlich näher heran und sah, wie Crow seinen Schnürsenkel zu knöpfte. Zuerst glaubte Andy, seine Chance zu sehen, aber das Gefühl, das ihm sagte, dass Crow bluffte, hielt ihn davon ab anzugreifen. Andy lehnte sich an einen Baumstamm und gab sich nur kurz, nicht mal drei Sekunden seinen

Gedanken hin. Er blickte wieder zu Crow, der plötzlich verschwunden war. Aufgescheucht trat Andy ein Stück näher und seine Augen huschten nervös hin und her.

- Wo zum Teufel- Plötzlich spürte Andy einen kleinen Stups auf seinen Arm.

„Du bist tot!“, sagte Crow unschuldig, der hinter Andy stand.

„W…was hast du gemacht?“, fragte Andy verwirrt, als er Crow mit einem roten Filzstift in der Hand erblickte.

„Rote Farbe“, grinste Crow.

„Jetzt hast du einen roten Punkt auf deinem Arm…du bist tot.“ Andy seufzte.

„Verflixt noch mal!“

„Du bist unaufmerksam geworden, aber da ich ja sehr großzügig bin, gebe ich dir noch eine Chance“ Andy nickte entschlossen.

„Na los, Abmarsch!“ Andy zog sich in das Gestrüpp zurück. Diesmal war er fest davon überzeugt, dass er Crow übertrumpfen konnte.

***

„Okay“, sagte Andy gedehnt und ließ sich auf die Wiese fallen.

„Ich gebe auf.“ Sein gesamter Körper war übersät mit roten Punkten, selbst im Gesicht.

„Lusche!“, meinte Crow abfällig.

„Du weißt immer wo ich bin, egal wie ich mich auch anstrenge, ich habe keine Chance“, verteidigte sich Andy.

„Du bist so verdammt laut, deshalb weiß ich immer wo du dich aufhältst!“

„Ja schon gut…ich bin ein Anfänger…ein Anfänger.“

„Dann gib eben auf, ist mir doch egal“ Crow gähnte und wanderte den Weg zurück zur Villa, die schon unmittelbar in ihrer Nähe lag. Andy richtete seinen Oberkörper auf und beobachtete, wie Crow seine Waffe in die Luft warf und wieder fing. Andy zückte seinen Dolch und warf diesen genau auf Crows, als dieser ihn in der Luft rotieren ließ. Andy hatte gut gezielt und getroffen, die beiden Waffen flogen gemeinsam durch die Luft und landeten weit von Crow entfernt auf der Erde. Crow drehte sich zu Andy und musterte ihn überrascht.

„Du warst unaufmerksam, schäm dich!“ grinste Andy.

„Ach was, du hast doch aufgegeben, das gilt nicht!“

„Aber ich habe dir deine Waffe abgenommen“, konterte Andy.

„Ja, ja“, knurrte Crow.

„Komm jetzt, das Training ist vorbei!“ Andy hievte sich hoch. Die beiden gingen zurück zur Villa.

„War doch scharfsinnig, bist du stolz auf mich?“

„Oh ja, so stolz, dass ich dich Engelchen nenne.“ Andy verdrehte die Augen. Während sie die Stufen zum Eingang des herrschaftlichen Gebäudes hinaufstiegen, wischte Andy an seinen Flecken herum.

„Die Farbe geht doch wieder ab, oder?“ Crow pfiff unschuldig.

„Crow?“, hakte Andy nach, aber Crow öffnete nur schnell die Tür und schlich ins Innere.

„Sag jetzt bloß nicht, dass sie wasserfest ist!“ Crow lächelte fröhlich.

„Okay, sie ist nicht wasserfest!“

„Verdammt Mann, konntest du nicht etwas Anderes nehmen, um zu zeigen wie unbegabt ich bin?“ Andy war Crow bis zu dessen Zimmer gefolgt. Crow trat in den Raum, musterte Andy geringschätzig und antwortete, bevor er Andy die Tür vor der Nase zuknallte: „Nein“ Andy stöhnte.

„Toll ganz fabelhaft!“ Andys Ziel war das Badezimmer, auf dem kurzen Weg dorthin, kam ihm Misery entgegen.

„Das ist doch nicht ansteckend, oder?“, fragte sie und wich Andy übertrieben aus.

„Keine Ahnung, frag Crow“, knurrte er missgelaunt.

„Oh, ich muss sowieso mit ihm sprechen…“ Miserys Augen glitzerten gefährlich.

„Das muss ich wirklich“, murmelte sie und ihr teuflisches Lächeln war mehr als beunruhigend.

„Na dann…viel Spaß!“ Andy trottete ins Badezimmer und ließ die Tür hinter sich geräuschvoll zu donnern. Cat hatte bereits das Schloss wieder erneuert. Misery trat stattdessen an Crows Zimmertür heran und klopfte höflich an die Tür, allerdings wartete sie nicht, bis ihr jemand Einlass gewährte, sondern stürmte gleich ins Zimmer. Crow verharrte in seinem Tun, sich dem Kapuzenpulli zu entledigen.

„Noch nie was von Privatsphäre gehört?“, maulte er.

„Ich muss mit dir reden!“ Crow zog sich den Pullover über den Kopf und warf ihn anschließend auf einen Stuhl. Er schlenderte mit nacktem Oberkörper zum Kleiderschrank, um ein dunkelgraues T-Shirt rauszuziehen, das er sich sogleich überzog.

„Wirklich nur reden, oder willst du deine verjährte Drohung nun doch endlich wahrmachen?“ Misery warf Crow einen schrägen Blick zu.

„Ich habe ein Problem“, sagte sie ernst.

„Was denn, sehe ich etwa aus wie ein Psychiater?“ Plötzlich begann Misery gespielt zu weinen und ließ sich aufgelöst auf Crows Bett nieder, der sie misstrauisch musterte. Sie schluchzte übertrieben, Crow seufzte genervt und obwohl es ihm missfiel freundlich zu wirken, reichte er ihr ein Taschentuch.

„Offenbar wirklich“, murmelte er.

„So erzähl, ich höre!“ Misery tat, als müsse sie sich sammeln.

„D…die anderen sie…sie nehmen mich nicht ernst.“ Crow sah Misery in die Augen. Plötzlich fing er zu lachen an. Ihre Augen wurden zu Schlitzen.

„Und da wendest du dich ausgerechnet an mich?“ Crow gab Misery einen unsanften Stoß. Sie rieb sich erschüttert ihren Arm.

„Du bist so ein Arsch!“

„Oh verzeih mir, Mäuschen, aber für solche Probleme, bin ich ja wohl der Letzte, bei dem du dich ausheulen kannst… normalerweise kommt man sowieso nicht zu mir, um sich auszuheulen.“

„Aber…“ Crow hockte sich vor Misery hin, die auf dem Bett saß. Er grinste breit.

„Spätzchen…tut mir ja jetzt von ganzem Herzen leid, aber…du bist generell keine ernstzunehmende Person. Weder im Beruf, noch im Privaten, find dich damit ab und lass mich mit deinen Problemchen in Ruhe!“ Misery schenkte Crow einen funkelnden Blick, sie wollte ihm etwas erwidern, aber ihr fehlten die Worte. Sie war einfach sprachlos, durch Crows kaltschnäuzige Bemerkung. Stattdessen erhob sie sich, was Crow ihr gleichtat, allerdings spielte er mit einem Lächeln um seine Lippen. Misery wollte an ihm vorbei treten, aber er stellte sich ihr ständig in den Weg und kopierte ihre Gestik und Mimik, bis sie wütend aufstampfte. Sie stürmte beleidigt aus dem Zimmer.

„Du bist der Teufel!“, plärrte sie. 

„Danke für die Blumen“, Crow verneigte sich übertrieben. Misery schnaubte und knallte die Tür hinter sich zu. Tatsächlich hatte sie sich mehr von diesem Gespräch erhofft. Würde sie es endlich schaffen, dass Crow sie nicht immer lächerlich machte, würden auch die anderen sich ihr gegenüber verändern. Sie war so dumm, sie hätte doch wissen müssen, dass es keinen Sinn hatte mit Crow zu sprechen, oder auf sein Mitleid zu hoffen, denn sowas konnte er nicht empfinden. Wie auch, er merkte nicht einmal, dass sie echtes Interesse an ihm hatte. Oder er wusste es, und es war ihm schlicht und einfach egal, wie es um ihre Gefühle stand. Dass ihr ganz mulmig wurde, wenn sie ihn in den Raum kommen sah und sie seine Anerkennung suchte. War er doch eigentlich der Hauptgrund dafür gewesen, dass sie sich überhaupt in die Organisation eingefunden hatte. Der Reiz des Bösen. Misery kam aus einer guten Gegend, dem langweiligen Leben einer wohlbehüteten Tochter. Ihre Freundin hatte ihr damals von den Geschichten erzählt, dem Typen, den man die Krähe nannte, der von Sandman beauftragt wurde. Sandman war ein Geschäftspartner ihres Vaters und natürlich wusste man in den Kreisen, in denen Misery verkehrte, dass Sandman Auftragskiller befehligte, die ihm die Steine aus dem Weg räumten. Und so war es ein leichtes in die Organisation einzutreten, auch wenn sie nicht wirklich dazu geeignet war. Dies war natürlich auch der Grund dafür, warum Sandman ihr keine Aufträge zukommen ließ, auch wenn sie Crow damals auf einen seiner Aufträge begleiten durfte. Schon beim Training hatte sie sich wahnsinnig angestrengt, um ihn nicht zu enttäuschen. Doch er blieb immer schon unbeeindruckt, war genervt von ihr und nahm sie nicht für voll. Bis heute und das machte sie wütend, aber vor allem auch unendlich traurig, denn so ungehobelt er sich ihr gegenüber verhielt, ihre Verliebtheit war immer noch da. Sie konnte einfach nicht aufhören, von Crow zu schwärmen und zu träumen. 

„Dumme Gans“, Crow schüttelte abwertend den Kopf. 

„ESSEN IST FERTIG!“, hallte es donnernd durch die gesamte Villa. Crow öffnete zum selben Zeitpunkt wie Nightmare seine Tür.

„Konditioniert“, meinte Crow.

„Mhm“, Nightmare schritt an ihm vorbei. Crow bemerkte die leicht gekrümmte Haltung des Profis, jedoch wollte er ihn darauf nicht ansprechen. Crow vernahm Fluchen und Schimpfen, aus dem Badezimmer, als er daran vorbei glitt. Er grinste hämisch. Es Andy mitzuteilen, dass die rote Farbe ganz von selbst wieder verschwand, stand nicht in seinem Abendprogramm, stattdessen klopfte er an die Tür und flötete mit lieblicher Stimme: „Abendessen, Engelchen!“

„Schnauze!“, tönte es aus dem Raum. Crow lächelte belustigt und trabte die Stufen hinunter. Er trat ins Speisezimmer, nickte Bird und Zodiak zu und setzte sich auf seinen gewohnten Platz. Cat lugte aus der Küche herein.

„Wo ist denn Angel?“, fragte sie mit kugelrunden Augen.

„Der hat noch was zu erledigen“, gab Crow zurück.

„Aha…“

„Bring das Essen trotzdem“, meinte Muffin und gähnte herzhaft. Es war irgendwie ein ungeschriebenes Gesetz, dass sich alle Killer zumindest zum Abendessen gemeinsam einfanden, es sei denn sie hatten einen Auftrag auszuführen. Cat stellte stolz einen Suppentopf auf den Tisch. Crow schnüffelte.

„Ist das Fisch?“, wollte er mit angewiderter Miene wissen. Cat nickte und lächelte fröhlich.

„Bäh…ich hasse Fisch!“ 

„Für dich habe ich etwas Anderes, wie versprochen…extravagant!“ Cats Grinsen beunruhigte Crow ein wenig. Sie hopste in die Küche und kam mit einem großen Teller zurück.

„Bitte schön!“ Crow starrte auf den Teller, ihn störte gewaltig, dass sein Gericht zurück glotzte.

„Was ist das denn?“, fragte er und stupste das Tier mit der Gabel an, als wolle er testen, ob es aufsprang.

„Kalmar… Tintenfisch“, erklärte Cat.

„Ich sagte doch, dass ich keinen Fisch mag.“

„Pardon Crow… aber Tintenfisch ist kein Fisch, sondern ein Weichtier.“

„Ist ja noch schöner“, knurrte Crow und schob den Teller weg. Cat setzte eine verzweifelte Miene auf.

„Nun probier ihn doch wenigstens…damit ich dir das kochen konnte, war ich stundenlang am Meer und hab gefischt!“ Alle hörten schlagartig auf zu essen.

„Hast du den Fisch für die Suppe auch selbst gefangen?“, fragte Sugar. Cat nickte.

„Ja warum?“ Crow riss die Augen auf.

„Du hast die Viecher aus der Müllhalde? Die sind doch mehr als verseucht!“

„Aber ich…“ Cat rannen Tränen über die Wange. Sie verwischten ihren kleinen Stern.

„Wirklich Cat, stellst du dich so dumm oder bist du es?“, zischte Misery und fuhr sich durch ihr blondes Haar. Plötzlich schlug Nightmare mit der flachen Hand auf den Tisch und brachte das Geschirr zum Klirren.

„Nun reicht es aber, Cat gibt sich sehr viel Mühe, sie lernt sogar für euch kochen und trotzdem hackt ihr auf ihr herum…ihr esst das jetzt… oder muss ich wirklich erst verdammt sauer werden?“ Dieses Risiko wollte niemand in Kauf nehmen und sie schaufelten die Suppe nur so in ihre Münder. Alle bis auf Crow, der Nightmare einen finsteren Blick schenkte. 

„Crow?“, sagte Nightmare drohend. Crow erhob sich zornig.

„Ich muss mir von dir nicht sagen lassen, was ich zu tun habe!“ Crow stieß seinen Stuhl zurück, sodass dieser lärmend umstürzte.

„Setz dich“, zischte Sugar, aber Crow horchte nicht.

„Leckt mich doch!“ Crow verschwand geräuschvoll aus dem Zimmer. So ziemlich jeder wusste, dass Crow sehr jähzornig reagieren konnte, auch Cat, aber es machte sie dennoch traurig. Nur wenige schafften es sie mit ihrer Art zu verletzen und Crow gehörte da leider dazu. Keineswegs immer, meistens konnte sie darüber hinweg lächeln, aber in diesem Moment, wo sie dachte endlich alles richtig gemacht zu haben, um gleich darauf wieder im Dreck zu landen, war es schwer.

„Dabei…hatte er doch so gute Laune“, murmelte Misery zerknirscht. Cat seufzte schwermütig und auch sie verließ den Raum. Sie schlurfte einfach davon, ohne auf die Rufe der anderen zu reagieren. 

„Na toll…sehr gut, jetzt haben wir wieder diese drückende Stille und ich hasse drückende Stille“, schimpfte Muffin und die Gesellschaft löste sich allmählich auf. Nightmare verließ die Villa und wanderte zum Strand hinab, dort sah er, im Licht der untergehenden Sonne, Cat auf einer der kleineren Klippen sitzen. Sie schlenkerte mit den Beinen und starrte auf das Meer hinaus. Sie wandte ihm den Rücken zu und Nightmare trat leise an sie heran. Kein Wort war über seine Lippen gekommen, trotzdem hatte Cat ihn offenbar gehört, denn sie sprach: „Ich wäre so gern ein Goldfisch.“ Das Meer rauschte und die Möwen sangen.

„Warum das?“, fragte Nightmare und musterte Cat, die sehnsüchtig in den Himmel sah.

„Der hat ein Erinnerungsvermögen von drei Sekunden. Drei Sekunden und ich würde mich nicht mehr an diese verdammten Tiefschläge erinnern…drei Sekunden und ich wäre wieder glücklich…drei verdammte Sekunden!“

***

Erleichtert trat Andy aus dem Badezimmer. Sämtliche dieser lästigen Flecken waren verschwunden. Gerade schnitt Muffin um die Ecke.

„Da bist du ja! Los komm mit“ Muffin zog Andy mit sich.

„W…wohin denn?“ Die Frage beantwortete sich von selbst, als Muffin Andy in sein Büro zerrte. Crow lungerte bereits auf einem Stuhl und spielte mit einem Bleistift.

Muffin deutete auf den Sessel neben Crow.

„Setz dich“, gebot er Andy, der sich darauf sinken ließ.

„Also…“, seufzte Muffin und kramte in einer der Schreibtischschubladen.

„Ich habe euch ja schon erklärt, dass Sandman die Eliminierung aller Bewohner des Hochhauses haben will, das Haus selbst hat drei Stockwerke, hier ist die Adresse…“

„Und wie viele wohnen dort?“, erkundigte sich Crow.

„Keine Ahnung, die sind alle illegal hier“, erwiderte Muffin Schulter zuckend.

„Sehr hilfreich“, knurrte Crow und verdrehte genervt die Augen. Somit konnte er nicht abschätzen, wie viele Wurfsterne er benötigte, aber Crow tötete ohnehin nicht nur mit diesen Waffen. Nein, er brachte es ganz gut fertig, Menschen einfach das Genick zu brechen, also mit bloßen Händen zu lynchen. Oder aber er bediente sich anderer Waffen. Lediglich Schusswaffen, waren nicht so sein Fall.

„Seht zu, dass ihr früh loszieht“, fuhr Muffin unbeirrt fort.

„Danke für den Tipp, ich mach das nicht zum ersten Mal!“, schnaubte Crow verächtlich.

„Angel, dir wünsche ich viel Glück und dir…“ Muffin warf Crow einen ernsten Blick zu.

„Viel Spaß“ Über Crows Lippen huschte ein böses Lächeln, er erhob sich und verließ ohne weitere Worte Muffins Büro. Auch Andy erhob sich langsam. Er holte tief Luft.

„Nervös?“, fragte Muffin.

„Mhm“, bestätigte Andy seine Vermutung nickend.

„Schon gut…wäre bedenklich wärst du es nicht, dann wärst du ja fast wie Crow, gewöhn es dir trotzdem so schnell wie möglich ab, ja?“ Andy nickte, Muffin lächelte zufrieden.

„Geh jetzt schlafen“ Andy schritt ebenfalls aus dem Büro und watschelte zu seinem Zimmer. Nachdem er die Tür geschlossen hatte, warf er sich auf sein Bett und starrte an die Decke.

„Jetzt gibt es wohl“, murmelte er und seufzte schwer.

„Kein Zurück mehr!“

Kapitel 6

 

„Du bist zu spät“, knurrte Crow, der im Türstock lehnte. Es war 3 Uhr morgens und Andy hatte kaum geschlafen. Andy sah Crow ungläubig an.

„Du hast nie gesagt, wann wir uns auf den Weg machen.“ Crow schnaubte missgelaunt.

„Los gehen wir“, befahl er und Andy folgte Crow hinunter in den Keller. Andy hatte bereits seinen Schrank erhalten und er beinhaltete die richtige Kleidung für Aufträge und eine Waffe, die sich Andy hatte aussuchen dürfen, die ihm ganz persönlich gehören sollte. Andy hatte ein sehr schön verziertes Kurzschwert gewählt, Cat hatte es ihm graviert. Ein Kreuz das mit Engelsflügel umschlungen war, zierte nun das Schwert. Crow packte alle Sachen zusammen. Er trug schwarze Springerstiefel und eine schwarze Jacke.

„Hast du alles?“

„Ähm ja, ja ich denke schon…“

„Gut!“ Crow öffnete die Tür zum Tunnelgewölbe. Andy schluckte, sein Herz klopfte. Konnte er das wirklich tun, konnte er Menschen töten, wie kam er dazu, einfach einem Lebewesen sein Leben zu nehmen, wer gab ihm das Recht dazu? Angel, Engel sollten doch Menschenleben beschützen und sie nicht auslöschen. Es war wie ein schlechter Film und Andy spielte die Rolle des fiesen, unbarmherzigen Bösewichts, der die Aufträge seines Bosses ausführte.

„Hey, nicht zurückbleiben, oder willst du dich verlaufen?“ Crow war schon weit vorangeschritten, Andy hatte das gar nicht bemerkt. Der Tunnel war kühl, es roch modrig und ab und an, tropfte Wasser von der Decke, direkt auf Andys Kopf.

„Wir sind bald da“, sagte Crow und schnitt um eine Kurve.

„Ach ehrlich?“, piepste Andy. Crow grinste.

„Angst, was?“

„Muffin hat gesagt, das wäre normal.“

„Für dich und die anderen vielleicht.“

„Er sagte, dass es bedenklich wäre, hätte ich keine Angst davor, jemanden zu töten, er sagte sonst wäre ich so wie du.“ Crow antwortete nicht darauf.

„Was hat er damit gemeint?“, fragte Andy kleinlaut.

„Ich war weder nervös, noch hatte ich Angst, dein Herz klopft bestimmt vor Aufregung, meines hat das nie getan und der Grund war eigentlich recht simpel…“

„Wirklich?

„Mhm…mein erster Auftrag hier, hatte nichts mit meinem ersten Mord zu tun… den hatte ich schon viel früher.“

„Mit wie vielen Jahren…bist du denn hierhergekommen?“

„Siebzehn!“

„Und…und dein erster Mord war mit…“ Andy wartete auf eine Ergänzung von Crows Seiten.

„Vierzehn!“ Andy schluckte. Er wollte nicht unbedingt tiefer in Crows Vergangenheit forschen, es schien Crow auch nicht sonderlich zu behagen, dass Andy so neugierig war.

„Wir sind da…klettere die Leiter hoch!“ Andy tat, wie ihm gesagt wurde und stieg die Stufen der Leiter hinauf, Crow folgte ihm, er war unmittelbar hinter Andy. Sie krochen aus einem staubigen Loch, Crow nieste heftig.

„Den Ausgang hasse ich am meisten“, verkündete er und klopfte sich den Staub ab.

„Ist es das dort?“, fragte Andy, diese Gegend kam ihm nicht bekannt vor. Crow sah zu dem Gebäude, auf das Andy zeigte.

„Ich denke, ja.“ Andy sah zu Crow.

„Na schön pass auf…du gehst in das oberste Stockwerk und beginnst mit der letzten Wohnung, von mir aus sei wählerisch, ist ja anscheinend dein erster Mord, sieh nur zu, dass du die Leute zu mir runter scheuchst. Ich bin im Parterre und beginne mit dem Hausmeister und den unteren Wohnungen, ich werde die Eingangstür versperren. Diese alten Häuser haben nur eine Treppe, die nach unten führt und keine Notausgänge, ist der untere versperrt können sie nicht raus und sie laufen mir direkt in die Arme“

„Aber sie sind doch viel mehr, als…“

„Schon mal Menschen in Todesangst erlebt? Die denken nicht daran zusammen zu arbeiten, sie wollen ihre eigene Haut retten, also keine Angst“, unterbrach Crow Andy.

„Na gut…schön…“

„Also…fangen wir an, Día de Muertos!“

***

Andy fühlte sich nicht gut. Wie konnte es bloß so weit kommen? Vielleicht hatte er es nicht verdient, aber ein wenig Hilfe von Oben hätte nicht geschadet. Doch, so sehr er auch nachdachte, es war vermutlich besser, nicht an Gott zu glauben. Immerhin würden die Gewissensbisse anschließend nicht so stark sein. Crow überprüfte seine Wurfsterne. Andy seufzte, schüttelte ungläubig seinen Kopf. Wie konnte Gott nur zu lassen, dass er so vom rechten Pfad abkam. So abrutschte, in Tiefen, in die er eigentlich nie vordringen wollte. Andys Kehle war staubtrocken, er glaubte sein Herz würde ihm jeden Moment aus der Brust springen. Crow hielt Andy die Tür auf, im Stiegenhaus war es noch ruhig, es war immerhin erst vier Uhr früh. Plötzlich schwang hinter Crow die Tür abermals auf und zwei Jungen, schätzungsweise zehn oder elf Jahre alt, liefen herein. Sie bremsten kurz ab und musterten Crow und Andy mit großen Augen. Crow hielt den Finger vor den Mund und gab den Kindern zu verstehen, leise zu sein. Die beiden schoben sich an Crow und Andy vorbei und rannten die Treppen hoch.

„Was machen diese Mistgören denn schon so früh hier?“, schimpfte Crow.

„Verdammt“, wisperte Andy. Crow sah zu ihm.

„Was denn?“  

„Das ist doch nicht richtig…oder? Wir tun nicht wirklich…das Richtige, nicht wahr?“ Crow seufzte und blickte Andy in die noch unschuldigen Augen.

„Es geht hier nicht um richtig oder falsch, sondern nur darum, ob du selbst damit leben kannst. Du vertrittst deine Prinzipien!“ Andy nickte langsam.

„Und was sind deine Prinzipien?“, fragte er anschließend. Über Crows Lippen huschte ein abscheuliches, bösartiges Lächeln.

„Na was wohl…“, setzte er an und wischte sich eine Strähne aus dem Gesicht.

„Frauen und Kinder zuerst!“

***

„Verdammt, verflucht, scheiße“, fluchte Andy leise vor sich hin, er stand im letzten Flur, vor der letzten Tür, im letzten Stockwerk und hatte keinen Plan, obwohl ihm Crow doch alles erklärt hatte.

„Reiß dich endlich zusammen, du… musst…das durchziehen!“ Andy zitterte am ganzen Körper, er holte tief Luft, er nahm Anlauf, um gleich darauf hin, die Tür ein zu rennen. Gerade als es für Andy den Anschein hatte, das Holz zu berühren, öffnete sich die Tür und bevor er sie nieder rammte, blickte er ihr erschrocken in die Augen. Andy stürzte in die kleine, verkommene Wohnung, rappelte sich allerdings schnell wieder hoch. Vor ihm lag eine zierliche, junge Frau.

„Es tut mir…“

„Bitte, bitte, Sie mich nicht töten…ich wollen leben!“ Andy musterte die verstörte Frau, die im starken Akzent, um ihr Leben bettelte. Er sah ihr in die verängstigten Augen.

„Nein…ich…ich kann das nicht“, flüsterte er kopfschüttelnd, wollte sich umdrehen, jedoch raffte sich die Frau plötzlich auf und attackierte Andy mit einem Fleischermesser. Instinktiv wehrte er ihren Angriff ab, indem er ihren Arm mit der einen Hand und ihren Hals mit der anderen umfasste und sie hart gegen die Wand stieß. Allerdings gab diese nach und Andy stürzte mit der jungen Frau in das Nebenzimmer. Erschrocken rannten die Bewohner der Wohnung herbei, um zu sehen, was vor sich ging. Andy wurde kurz unaufmerksam und die Frau, die unter ihm lag, befreite sich aus ihrer misslichen Lage. Sie rammte ihm ihr Knie in die Magengrube und als er sich zusammenkrümmte entzog sie sich seiner Gewalt.

„Lauft…Sandman hat ihn bestimmt verschickt!“ Andy lag noch immer am Boden, die Familie verließ ebenfalls Hals über Kopf ihre Wohnung, alle klopften an den Türen der Nachbarn, warnten sie vor Andy, aber wie Crow gesagt hatte, liefen sie vor einem einzelnen Mann davon, anstatt ihn zu beseitigen und den Tag weiter zu leben.

„Tonja!“ Die junge Frau mit den langen schwarzen Haaren wirbelte herum. Ein älterer Mann warf ihr etwas zu, das sie auffing und unter ihren Kittel stopfte.

„Ver…dammt“, fluchte Andy und raffte sich hoch. Die Menschen liefen vor ihm davon, obwohl er doch etwas geschwächt im Flur torkelte. Sie sprinteten die Treppen hinunter. Tonja, war nach dem Akzent zu schließen und vom Namen her, anscheinend ein russisches Mädchen. Sie war eigentlich sehr hübsch und wirkte sehr gebrechlich, doch der Schein trog. Die junge Frau hatte einen Kampfgeist der sich gewaschen hatte. Sie klopfte an die Türen, jagte die Familien hinaus und befahl ihnen das Haus sofort zu verlassen. Die Menschen hatten offenbar angefangen, sich auf solche Fälle vorzubereiten. Tonja konnte ja nicht ahnen, dass sie heute mit zwei Killern beglückt waren.

Tonja stürmte die Treppen hinunter, die anderen hatten die Leute im Erdgeschoss bestimmt gewarnt, sie waren sicherlich schon in Sicherheit, der Profi befand sich ja im obersten Stockwerk. Tonja drückte die Tür auf, sie blieb geschockt stehen, sie stand mit bloßen Füßen in einem

Meer von Blut. Die Leichen stapelten sich vor der Eingangstür, wo er stand. Das Monster, der Unglücksbringer, die Krähe. Tonja hatte ihn sofort erkannt, die Leute sprachen oft darüber.

„Die Krähe ist das Letzte was du siehst!“ Ein Wurfstern zischte auf Tonja zu.

„Mat!“, waren ihre Worte, als sie den eingravierten Vogel erblickte, bevor sich die Zacken in ihren Schädel bohrten und jeglicher Kampfgeist erlosch.

***

Andy schlurfte die Treppen hinunter und erreichte den Eingangsbereich. Er ließ die Tür aufschwingen und erblickte Crow, der lässig am Türstock lehnte und gelangweilt ein Wurfmesser hochwarf und wieder fing.

„Wo warst du denn?“, fragte er barsch.

„Oben“, murmelte Andy und ihm wurde plötzlich übel, als er die vielen Menschen sah. Diese vielen toten, gemeuchelten Seelen. Unvorstellbar, wie Crow sie alle hatte töten können, ohne seine Position zu verlassen. 

„Und alles überstanden?“ Andy wusste nicht genau, ob er die Wahrheit sagen sollte.

„Na?“, forschte Crow und hatte aufgehört mit seiner Waffe zu spielen. Andy blickte auf den Boden und erkannte Tonja, deren Augen starr an die Decke glotzten.

„Du…du meinst…ob ich…“, stotterte Andy und wandte seinen Blick nicht von der Russin ab.

„Ob du einen gekillt hast, ja…würde ich gerne wissen…denn mir scheint…“ Crow ging auf Andy zu, der erschrocken seinen Blick von Tonja abwandte und Crow musterte, dessen Augen zu funkeln schienen. 

„Du hast rein gar nichts getan!“ Andy beobachtete Crows Schuhabdrücke im Blut.

„Ich habe…“, Andy seufzte.

„Ich konnte es nicht, okay?“ 

„Okay? Nichts ist okay!“, knurrte Crow.

„Warum konntest du es nicht? Warst du etwa zu feige dazu? Du hast wirklich kein bisschen Mumm… das ist dein Job du Idiot…dein Job!“ Crow schien sehr wütend zu sein, er reagierte sich an einem der Toten ab, indem er ihm einen Tritt verpasste.

„Vielleicht will ich das nicht mehr“, hauchte Andy. Crow lachte auf, allerdings war es nicht sein belustigtes Lachen. Es war anders, böse, abscheulich. Andy wagte es kaum in seine Augen zu sehen. 

„Vielleicht willst du das nicht mehr, ach ja…“, wiederholte Crow Andys Worte. Schlagartig packte Crow Andy am Kragen und zischte: „Und ob du das noch willst…mach mich nicht…wütend!“ Crow drosch sein Messer in die Wand, anstatt Andy eine zu verpassen und plötzlich hörte man ein erschrockenes Japsen. Er legte den Kopf schief, Andy beobachtete ihn, wie er hinter einer Ecke verschwand.

„No, no… por favor Senior, por favor!“ Crow zog einen Jungen am Kragen heran. Andy erkannte ihn, er war eines der beiden Kinder, die vorhin zur Tür reingekommen waren. Der Junge sprach etwas auf Spanisch, was so viel wie bitte nicht heißen sollte. Der Kleine zitterte erbärmlich, als Crow ihn zu Boden warf.

„Wenn du dir dein erstes Opfer nicht aussuchen willst, dann mache ich es eben! Töte ihn!“ Der Junge schien Crows Worte ein wenig verstanden zu haben, er begann hysterisch zu kreischen, packte Crows Hosenbein und bettelte.

„Por favour, no, por favour no me mate, senior“, Crow stieß den Knaben von sich. Der Junge weinte bitterlich, er wusste offenbar, dass es keine Hoffnung für ihn gab.

„Das kannst du doch”, setzte Andy an, aber als er Crows funkelnden Blick bemerkte, geriet er ins Stocken. Der Junge, seine Kleider tränkten sich mit Blut, schluchzte erbärmlich.

„Crow…ich…“

„Töte…ihn“, presste Crow zwischen seinen Lippen hervor, er hatte bereits große Schwierigkeiten damit, seinen Zorn unter Kontrolle zu behalten.

„Er ist doch noch…“

„TÖTE IHN, VERDAMMT!“ Der Knabe hatte aufgehört zu weinen, er starrte Crow verschreckt an.

„El Diablo“, flüsterte der Junge und rutschte zurück.

„Ich mach euch beide kalt, wenn du’s nicht endlich tust“, drohte Crow, sein linkes Auge zuckte. Andy trat auf den Jungen zu, der nur langsam mit seinem Kopf schüttelte, Tränen

sammelten sich abermals in den unschuldigen Kinderaugen. Andy wollte den Revolver hervorholen.

„Oh nein, mein Freund…das Schwert“, bellte Crow und ignorierte Andys erschrockenen Blick. Andy zog sein Schwert, der Knabe senkte seinen Blick, schloss die Augen. Seine Muskeln verkrampften, zitternd vor Todesangst.

„Es…tut mir leid“, hauchte Andy und ließ seine Waffe mit großer Kraft auf das Kind niederfahren, damit es nicht auch noch leiden musste. Ein unangenehmes Knacken war zu hören, das Crow unverhofft grinsen ließ. Der kleine Körper sank zu Boden, sein Blut sammelte sich bei dem der anderen Toten.

„Gut gemacht, Engelchen!“ Andy unterdrückte den Wunsch einfach laut zu schreien, zu weinen, sich die Haare zu raufen, sich selbst sein Schwert ins Herz zu rammen. Er hatte gemeuchelt, gemordet, gelyncht. Was würde Michelle dazu sagen? Er hatte ein Kind in ihrem Alter getötet, ein unschuldiges, kleines Kind, das nichts dafürkonnte, dass diese Welt so war, wie sie war.

„Los wir gehen, wir sind hier fertig“, sagte Crow gleichgültig, stieg über den Jungen hinweg und verließ das Hochhaus. Andy trottete ihm hinter her. Als sie den Weg durch das Tunnelsystem zurück marschierten wusste Andy, dass er sich verirrt hatte. Er hatte einen falschen Weg eingeschlagen und war nun vollkommen, vom rechten Pfad abgekommen und so wie es den Anschein hatte, würde er auch nicht wieder dorthin zurückfinden.

 

***

 

„Cat…komm endlich runter“ Nightmare war am Verzweifeln, als Cat trotzig mit dem Kopf schüttelte und sich nur noch mehr zurückzog. Sie saß auf dem großen Schrank im Parterre und weigerte sich strikt herunter zu kommen. Immer wenn Cat schlecht gelaunt war, was sehr selten vorkam, kletterte sie auf den Kasten und niemand konnte sie davon überzeugen, freiwillig herunter zu steigen.

„So, wo ist denn die süße Katze“

„Da oben“ Nightmare nickte zu Cat hoch, Zodiak grinste und hätte sie ein Fell besessen, Cat hätte ihre Rückenhaare aufgestellt und womöglich gefaucht.

„Nein…verschwindet, lasst mich in Ruhe“, kreischte Cat und versuchte Zodiak zu kratzen, was ihr aber nicht gelang.

„Gerettet“, Zodiak ließ Cat auf den Boden gleiten und lächelte warmherzig, aber Cat verschränkte genervt die Arme und starrte auf das Parkett.

„Was bist du denn so launisch?“, fragte Nightmare, aber Cat antwortete ihm nicht. Nightmare seufzte und strich erschöpft über seine Stirn. Er hatte rasende Kopfschmerzen und es kam ihm vor, als würde er verbrühen. Sein Gleichgewicht zu halten war auch nicht mehr so einfach für ihn, das Schwindelgefühl überkam ihn des Öfteren.

„Du siehst nicht gut aus, Nightmare… vielleicht solltest du dich schlafen legen“, meinte Zodiak. Nightmares Lider waren schwer und noch hinzukam, dass die Schmerzen, die seine Wunde verursachten, ihn keine Minute in Frieden ließen.

„Ja, wahrscheinlich hast du…“ Plötzlich durchfuhr Nightmare ein unendlicher Schmerz, ein Ziehen in der Seite, das so unerträglich war, dass er auf die Knie sank.

„Was ist denn mit dir…Nightmare…Nightmare!“ Cats besorgtes Gesicht, verschwamm vor Nightmare, ihre Stimme, es klang als wäre sie weit von ihm entfernt, allerdings stand sie doch unmittelbar vor ihm, er spürte ihre Hände nicht, die ihn stützten, nur den Schmerz, diesen beißenden Schmerz. Er hörte seinen Pulsschlag, Cats Stimme verklang und die Lider nahmen an Gewicht zu, sodass er seine Augen schließen musste. Aber sie gleich darauf wieder zu öffnen, stand nicht im Sinn des Schicksals.

 

 

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Kapitel 7

 

„Wo sind wir denn?“, wollte Andy wissen, als sie auf einer Straße standen, die er noch nie zuvor gesehen hatte. Es sah hier nicht so schäbig aus, wie sonst überall und die Geschäfte, die sich hier befanden, wurden sogar betreten.

„Warte hier…ich muss…noch etwas erledigen“, murmelte Crow und schritt los, um sogleich um die Ecke zu verschwinden. Andy betrachtete die ganze Situation skeptisch und nachdem er eine Weile überlegt hatte, beschloss er Crow zu verfolgen. Andy achtete darauf, dass Crow ihn nicht bemerkte, was natürlich auf einer Straße viel einfacher funktionierte, als in einem ruhigen Wald. Wirklich alles hätte Andy von diesem blutrünstigen Scheusal erwartet, nur nicht das, was er kaum glaubte zu sehen. Crow betrat doch tatsächlich eine Kirche.

-Was macht er denn? - Andy warf seine Stirn in Falten. Crow würde doch wohl nicht einen Priester oder eine Nonne töten wollen, oder etwa doch? Auch Andy trat lautlos ein, allerdings war Crow nicht mehr zu sehen. Andy schluckte und schlenderte zur Sakristei, wo auch in der Nähe der Beichtstuhl stand. Plötzlich schwang die Tür der Sakristei auf und Andy geriet in Panik, er erblickte den Beichtstuhl und versteckte sich darin.

„Pater?“ Andy erschrak beinahe zu Tode, als er Crows Stimme vernahm.

„Ähm…ja…ja mein Sohn?“ Andy hatte seine Stimme verstellt und sah zu seinem Gegenüber, die beiden waren durch ein kleines vergittertes Fenster getrennt.

„Vergib mir Vater, denn ich habe gesündigt, ich habe gegen das fünfte Gebot verstoßen.“ Andy sah zu Crow, nie im Leben hätte er von diesem Menschen so etwas erwartet.

-Fünfte Gebot…ähm…verdammt…-

„Ich habe meine Pflicht getan und Menschen getötet“ - Du sollst nicht morden- Andys Miene erhellte sich kurz.

„Es soll dir verziehen werden“, sagte Andy darauf, was Crow plötzlich stutzig machte.

„Was?“ Andy wurde heiß.

„Ähm…verziehen werden…ich meine…“ Er geriet ins Stocken. Plötzlich wurde der Vorhang weggezogen und Crow stand vor Andy, wie der Engel des Todes höchstpersönlich.

„Ich würde dich jetzt auf der Stelle killen, aber…das wird der Herr nicht besonders gutheißen, wenn ich das in seinem Haus tue!“

„Hey…tut mir leid, aber was verlangst du denn? Ich bin ein dummer…Junge?“ Crows Augen wurden zu Schlitzen, er packte Andy am Kragen und zog ihn an sich heran.

„Wenn du auch nur ein Wort zu den anderen sagst, reiß ich dir die Zunge raus, klar?“, knurrte Crow und ließ von Andy ab, sobald dieser heftig mit dem Kopf genickt hatte.

„Sieh zu, dass du wegkommst!“ Dies ließ sich Andy nicht zweimal sagen und preschte Hals über Kopf aus der Kirche. Crow seufzte. Er setzte sich wieder in den Beichtstuhl und wartete, bis der Priester kam. Wieder begann Crow mit den Worten.

„Vergib mir Vater, denn ich habe gesündigt, ich habe gegen das fünfte Gebot verstoßen“ Pater Johnson nickte andächtig.

„Mein Sohn du hast Recht getan, dass du in die Kirche gekommen bist.“

„Ich habe…nur meine Pflicht getan…“

„Denk nach, ist es richtig diese Pflicht zu tun, wenn es bedeutet, dass Menschen sterben müssen?“ Crows Augenlid begann zu zucken, er wollte es nicht sagen, aber wie immer rutschte es ihm über die Lippen, als hätte man ihn programmiert.

„Ja!“ Pater Johnson sah durch das Fenster auf den jungen Mann, der so erbärmlich vor ihm saß. Er war wie eine Maschine, die funktionierte, einfach funktionierte, aber, wenn man ihn als Mensch betrachten würde, hätte er einen starken Defekt, da er einfach nicht das Gewissen besaß, das ein Mensch besitzen musste, um auch die Bezeichnung Mensch zu verdienen.

„Mein Junge, ich weiß du kommst regelmäßig hier her, was versprichst du dir, wenn du in das Haus Gottes kommst?“

„Vergebung, Vater.“

„Jedes Mal, wenn du kommst, bittest du um Vergebung für dasselbe Vergehen. Jedes Mal büßt du und willst, dass man dir verzeiht. Denkst du wirklich, dass dir Gott Einlass in sein Reich gewährt, wenn du nichts daran setzt etwas an deinem Leben zu ändern?“

„Vater…ich habe nie behauptet, dass ich in das Reich Gottes möchte, ich weiß, dass ich das nie im Leben verdient hätte, ich will nur, dass er mir vergibt!“

„Und das wird er, denn erst die Vergebung ist göttlich…bete auch drei Vater Unser und ein ave Maria und alle deine Sünden werden vergeben. In nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti Amen!” Crow hatte sich für den Segen hingekniet, wartete, bis der Pfarrer den Beichtstuhl verlassen hatte und schritt erst dann zum Altar, um für sich zu beten. Der Pater beobachtete Crow. Normalerweise erließ er Sünden nicht wie die Priester einst im Mittelalter. Man konnte sich nicht wirklich mit Gebeten freikaufen, aber langsam hatte er es aufgegeben, diesem jungen Mann ins Gewissen zu reden. Es fruchtete kein Versuch.

Währenddessen verharrte Andy vor der Kirche, er saß auf der ersten Treppe am Eingang und starrte auf die Straße. Eine ältere Frau ging an ihm vorbei und drückte ihm zwei Münzen in die Hand.

„Nein, ich…“, wollte Andy abwehren, aber die Frau lächelte freundlich.

„Du brauchst es dringender als ich, junger Mann.“ Andy seufzte.

„Danke“, murmelte er, die Frau lächelte abermals und betrat die Kirche. Andy konnte noch erkennen, wie sie sich mit Weihwasser ein Kreuz auf die Stirn zeichnete, bevor sich die schwere Tür wieder schloss. Andy sah um sich, er bemerkte nicht, dass ihn jemand anstarrte oder beobachtete, also zog er das Schwert heraus, mit dem er dieses Kind getötet hatte.

„Wird er auch mir vergeben? Denn ich kann es nicht“, murmelte Andy vor sich hin und fuhr über die Schneide entlang. Andy spürte, wie er nicht mehr anders konnte. Tränen rannen über seine Wange, er hatte keine Kraft mehr sie zurückzuhalten. Schließlich hörte er das Knarren der Tür und er packte die Waffe schnell wieder weg und verwischte auch seine Tränen. Crow ging an ihm vorbei.

„Na worauf wartest du denn?“, sagte, er, als Andy keine Anstalten machte ihm zu folgen.

„Auf nichts“, murmelte Andy und er und Crow wanderten den Weg zurück zum Tunnelsystem. Eine drückende Stille hing über den beiden. Stumm gingen sie nebeneinander her, ihre Schritte hallten an den Wänden wider.

„Tut mir leid“, durchbrach Andy die Stille.

„Schwamm drüber“, beschwichtigte Crow.

„Ich hätte nicht gedacht, dass du so Angst davor hast, nicht in den Himmel zu kommen.“

„Hab ich auch nicht!“ Andy sah zu Crow, der seinen Blick nicht vom Boden abwandte.

„Ich will nicht in den Himmel, das habe ich auch schon dem Priester gesagt.“

„Wie meinst du das denn?“

„Ich meine damit, dass ich schon eine Fahrkarte für die Hölle habe, sechs Jahre mache ich diesen Job…sechs verfluchte Jahre, weißt du wie viele Menschen man in sechs Jahren umbringen kann? Ich hab aufgehört zu zählen! Ich werde nie in den Himmel kommen, ich will es auch gar nicht, so wenig wie es mein Recht ist Menschen zu töten, so wenig habe ich das Recht durch das Himmelstor zu schreiten, aber ich habe mich schon lange damit abgefunden…was soll’s?“ Andy schluckte. Er überlegte, wie viele Leute er in sechs Jahren töten würde.

„Wieso hast du nicht aufgehört?“, fragte er schließlich, was Crow trocken auflachen ließ. Der Profi blieb stehen und musterte Andy von Kopf bis Fuß.

„Weißt du warum sie dich eigentlich gebraucht haben?“

„Ja, weil dieser Duke verstorben ist“ Crow nickte, seine Augen hatten etwas Verrücktes an sich.

„Richtig, Duke war schon älter und auch er wollte aufhören, darum hat ihn Sandman wegschaffen lassen. So etwas wird mit der Zeit lästig!“

„Du meinst, er hat einen von euch…“

„Auf Duke angesetzt und der hat ihn beseitigt.“ Andy starrte verstört auf den Boden.

„Wer war es?“ Crow lächelte böse und ging weiter.

„Crow…warst du es?“

„Nö“, antwortete Crow knapp und grinste breit.

„Wer denn dann?“ Crows Grinsen nahm teuflische Züge an.

„Er hat sogar erzählt, dass du ihm dabei geholfen hast!“ Andy blieb ruckartig stehen, seine Augen weiteten sich. Vor seinem inneren Auge sah er den Mord des Mannes in der Seitenstraße.

Dorthin wo er hingehört…städtische Müllhalde!“ Und wie sie alle miteinander dorthin gehörten, sie waren Abschaum, Dreck, Müll, sie hatten keine richtige Bestattung verdient. Dies war ihr los, so sollten sie wohl alle enden.

„Oh ja, du denkst richtig“, sagte Crow plötzlich und nickte langsam. Andy warf ihm einen verstörten Blick zu.

„So…werden wir alle enden…jeder Einzelne!“

***

Was hast du denn jetzt schon wieder angestellt…raus hier! Scher dich zum Teufel!“

Aber…aber Mama ich…

Hör auf zu flennen…hör auf… du Memme, du Nichtsnutz!“

Schwer atmend riss es Nightmare aus seiner Ohnmacht. Die Schweißperlen rannen über seine Stirn. Etwas benommen sah er sich um, musste sich erst in die Realität wieder einfinden. Diese Träume, diese schrecklichen, abartigen Träume. Er lag in seinem Zimmer, ein wohlriechender Thymianduft lag in der Luft, er kam unweigerlich von der Duftlampe, die aufgestellt war, die Kerze hatte allerdings schon aufgehört zu brennen, die kleine Flamme war erloschen. Langsam richtete sich Nightmare auf, stützte sich mit seinen Armen, seine Glieder schmerzten, die hämmernden Kopfschmerzen unterdrückte er so gut es ging. Plötzlich vernahm er ein leises Schnarchen. Irritiert sah er ans

Bettende. Ein Lächeln huschte über seine Lippen, als er Cat erblickte, die am Boden kniete und mit ihrem Oberkörper auf dem Bett lag. Sie war in dieser grotesken Haltung eingeschlafen. Nightmare ließ sich zurücksinken und seufzte. Schließlich schwang die Tür auf.

„Oh, du bist wach!“ Muffin trat in den Raum und schritt zum Bett, um gleich darauf Nightmare an die Stirn zu fassen.

„Du glühst“, stellte er fest.

„Cat könnte dich als Herdplatte benutzen!“ Ein lautes Grunzen entfuhr Cat und sie kuschelte sich mit dem Kopf in die Decke.

„Sie war total fertig, als du in Ohnmacht gefallen bist“, erzählte Muffin.

„Wie lange war ich denn weg?“

„Den gestrigen Tag bis jetzt.“

„Und wie spät ist es jetzt?“ Muffin sah auf seine Armbanduhr.

„Halb sechs.“ Nightmare sah ihn etwas verzweifelt an.

„Sie hat dich die ganze Nacht gepflegt, du hattest alle möglichen Zustände, schrecklich sag ich dir.“

„Sie sollte sich trotzdem nicht so hineinsteigern, ist ja nicht so, als ob ich jemand Wichtiges wäre.“ Muffin musterte Nightmare mit ernstem Blick.

„Für Cat offenbar schon“, sagte er letztendlich, Nightmare wich seinem Blick aus. Muffin seufzte.

„Ich bringe dir etwas zu essen!“

„Ich habe keinen Hunger!“

„Und ob du hast…ich bin bald wieder da!“ Muffin verließ das Zimmer.

„Nein…nein ich…“ Nightmare starrte zu Cat, die mit ihren Händen abwehrende Gesten tätigte.

„Ich will…ich will keine…“ Nightmare beobachtete das Schauspiel skeptisch. Cat wälzte sich herum und wäre beinahe über das Bett hinuntergerollt.

„Ich mag keine…“ Cat riss die Augen auf und brüllte noch im Halbschlaf: „ÄPFEL!“ Sie schnaubte entrüstet. Nightmare hob eine Augenbraue.

„Solltest du aber mal versuchen, sind gesund!“ Cat drehte ihren Kopf in Richtung Nightmare. Sie erstrahlte übers gesamte Gesicht.

„Du lebst wieder!“, rief sie erfreut.

„Ich war doch nie tot!“

„Na ja, aber fast, Sugar hat gesagt, wenn du nicht in Ohnmacht gefallen wärst, hättest du deine Schmerzen vertuscht und deine Wunde nie verarzten lassen und dann wärst du ganz langsam verreckt.“ Nightmare schluckte.

„Oh…“ Cat lächelte fröhlich.

„Weißt du, du hattest eine Blutvergiftung, weil dir ein Teil der Waffe, die dich verletzt hat abgebrochen ist und der hat sich ganz tief in deiner Seite verankert, also noch ein bisschen länger und du…“

„Ja, ja…schon gut!“ Nightmare verdrehte die Augen. Nightmare musste an den Auftrag denken. Er hatte Drew Sullivan, den skrupellosen Börsenhai, gerade schwerwiegende Verletzungen zugefügt, an denen er bald sterben würde, als er ein ekelhaftes

Kichern vernommen hatte. Nightmare wirbelte herum und sah eine Gestalt neben dem röchelnden Mann.

Wer bist du denn?“, knurrte, aber als Antwort erhielt er wieder nur ein Kichern. Die Gestalt hatte eine Maske getragen, Nightmare konnte ein Clownsgesicht erkennen. Was war denn das für ein verrückter Kerl? 

Plötzlich zog der Clown eine Waffe und richtete sie auf Drew, um ihm kurz darauf in den Kopf zu schießen. Gleich darauf ballerte er wild um sich, Nightmare duckte sich weg und entschwand, aber der irre Clown hatte gar nicht auf ihn gezielt, sondern löste lediglich die Sicherheitsanlage aus. Bevor Nightmare einen klaren Gedanken fassen konnte, hörte er schon Stimmen und Hundegebell.

Scheiße!“ Kopflos hetzte er in den zweiten Gang und bemerkte somit auch nicht den Clown, der auf ihn gewartet hatte und ihm etwas in die Seite rammte. Nightmare packte den kichernden Gnom und drosch ihm ins Gesicht, bevor ihn anschließend mit voller Wucht von sich wegschleuderte. Er sah an sich herab und zog sich, ohne den Schmerz zu registrieren, das Messer aus seiner Seite. Schnell sprang er über das Treppengeländer, landete aber etwas ungeschickt. 

Da unten!“, hatte er einen Wachmann plärren gehört und schon schoss ein belgischer Schäferhund auf ihn zu.

Nightmare konnte das Tier stoppen, aber die Krallen der Pfote kratzten ihn. Mit aller Kraft drückte er das fletschende Tier von sich und hastete weiter. Den zornigen Hund an den Fersen. Schließlich erreichte er den Schacht, durch den er ungesehen in das Gebäude gelangt war und stürzte ihn kopfüber hinab. Keuchend fand er sich in der Seitenstraße wieder, seine Augen huschten schnell hin und her, um zu prüfen, ob keine Wachleute in der Nähe waren. Ein kurzer Schmerz durchfuhr ihn, dieser verdammte Clown. Was wollte dieser Typ denn bloß von ihm? Wer war das? 

„Aber jetzt bist du ja über dem Berg, jetzt musst du dich schonen“, sprach Cat und wurde von einem Klopfen unterbrochen.

„Cat, komm doch schnell mal her“, sprach Muffin, der die Tür geöffnet hatte und winkte Cat zu sich. Cat hopste vor die Tür. Nightmare hörte die beiden irgendetwas flüstern und wurde misstrauisch, als das Mädchen wieder ins Zimmer trat, die Hände hinter dem Rücken, und dümmlich lächelte. 

„Was ist los?“, fragte Nightmare nach, allerdings trat Cat nur an ihn heran und legte ihre Hand auf seine Schulter.

„Cat?“

„Du musst jetzt ganz stark sein…“ Cat warf ihm einen mitleidigen Blick zu. Nightmare verzog seine Miene.

„Wa…warum denn?“

„Darum…“ Cat zückte eine Spritze. Man wollte meinen, dass Nightmare ein selbstbewusster, starker, gefährlicher und sicherlich auch mutiger Kerl war, aber tatsächlich hatte er panische Angst vor Spritzen.

„Mo…Moment Mal…WAH, geh mit dem Ding weg! Ich warne dich!“ Trotz der Schmerzen war Nightmare sofort aufgesprungen, als Cat ihm bedrohlich nahe mit der Spitze der Spritze gekommen war.

„Sei ein braver Junge, Nightmare, dann bekommst du auch einen Lolli!“ Nightmare warf Cat einen tödlichen Blick zu.

„Ich schwör dir, du wirst deines Lebens nicht mehr froh“, drohte er knurrend, was Cat nur ein selbstsicheres Lächeln entlockte.

„Jetzt sei kein Feigling, ein Piks und es ist vorbei!“ Sie wollte auf ihn zu gehen, allerdings packte Nightmare einen Stuhl, um sich vor ihr und der Spritze in ihrer Hand zu schützen.

„Hau ab, Cat!“

„Aber du brauchst das!“

„Oh nein, gar nicht!“ Cats Augen verengten sich, ihr wurde es mit einem Male zu lästig, mit Nightmare zu streiten.

„Doch“, wisperte sie. Nightmare konnte gar nicht so schnell reagieren, war Cat losgesprungen und rammte ihm die Spritze ins Fleisch. Es herrschte kurze Stille, durch den Schock. Nightmare standen Tränen in den Augen.

„Aua“, murmelte er und rieb sich seinen Oberarm.

„Ich…ich hasse dich“, meinte er gleich darauf. Cat grinste spitzbübisch.

„Tust du nicht, du hast mich lieb!“ Nightmare schnaubte missmutig.

„Nervensäge“, knurrte er beleidigt und trottete zurück zu seinem Bett. Cat sprang ihm hinterher und sang freudig: „Lollipop, Lollipop uhlala Lollipop…Lollipop!“ Sie formte mit ihren Lippen ein ploppendes Geräusch.

„Cat…bitte…“

„Boa, bist du vielleicht schlecht gelaunt“, meinte Cat. Nightmare legte sich ins Bett und seufzte schwer.

„Ich habe wieder geträumt“, sagte er schließlich. Cat setzte sich auf den Bettrand und musterte Nightmare besorgt.

„Und…was ist diesmal passiert?“

„Sie hat mich angeschrien, ich habe gar nichts gemacht, gar nichts, sie hat mich beschimpft und geschlagen. Sie sagte ich solle aufhören zu weinen, zu flennen.“ Cat nickte nachdenklich. Nightmare sprach nur mit ihr über seine Alpträume. Träume in denen seine Mutter vorkam und mit ihr seine schrecklichen Kindheitserinnerungen. Eine diese Erinnerungen hatte sich sehr tief in sein Herz gebrannt und mit dieser Erinnerung endeten auch alle seine Träume. Immer auf dieselbe Art und Weise.

„Was hast du gemacht, bevor du aufgewacht bist?“, fragte Cat, obwohl sie genau wusste, was Nightmare antworten würde. Er starrte an die Decke, mit leerem, verängstigtem Blick, den nur Cat zu Gesicht bekam, sonst niemand.

„Getötet…ich habe sie…getötet“

***

Nachdem Muffin ihr gesagt hatte, dass sie Nightmare schlafen lassen sollte, war Cat hinunter ins Wohnzimmer gewandert. Jetzt saß sie am Boden vor Crows bevorzugtem Ohrensessel und beobachtete ihn, wie er, während er las, nebenbei Chips hinunterschlang. Immer wenn er eine Handvoll aus der Verpackung angelte, hoffte sie, dass er ihr auch etwas überließ, allerdings schien Crow sie nicht zu bemerken. Er las bereits einen neuen Science-Fiction Roman, obwohl niemand genau wusste, warum, da er diesen Stil überhaupt nicht leiden konnte. Hin und wieder entfuhr ihm ein verächtliches Schnauben, wenn er eine Stelle erfasst hatte, die wohl unrealistischer nicht sein könnte.

„Wie überraschend“, knurrte er und Cat lief das Wasser im Mund zusammen, als sie das knackende Geräusch vernahm.

„Mann Crow, jetzt gib ihr schon was ab!“, maulte Sugar, die das Ganze schon eine Zeit lang mit verfolgte.

„Hm?“, verwundert hob Crow sein Buch hoch und erst jetzt schien ihm Cat aufzufallen, die dümmlich grinste.

„Warum sagst du denn nichts verdammt?“, fragte er genervt, während er Cat die Tüte hinhielt. Freudestrahlend nahm sich Cat ebenfalls einige Chips heraus.  

„Danke“, sagte sie entzückt und kaute geräuschvoll. Crow knurrte etwas unverständlich und widmete sich wieder dem Buch. Cat sah sich im Raum um, ihr Blick blieb bei Andy haften. Er wirkte etwas deprimiert und niedergeschlagen. Cat stand auf und schlich durch den Raum, man hörte nur die Uhr ticken, alle waren so ruhig, das konnte Cat gar nicht leiden, sie war von Natur aus ein lauter Mensch. Andy lümmelte auf der Couch und starrte auf das Gemälde, das an der Wand hing. Eine Fälschung des berühmten Werkes von Da Vinci, das letzte Abendmahl.

„Hast du den Film gesehen…Da Vinci Code?“, fragte Cat und ließ sich neben Andy auf die Couch fallen.

„Ja, und er ist unrealistisch“

„Dich hat jetzt niemand gefragt, Crow“ Cat schnaubte entrüstet. Über Andys Gesicht huschte ein kurzes Lächeln, wirklich kurz, die beste und schnellste Kamera der Welt, hätte dieses Lächeln niemals festhalten können.

„Na…hast du?“ Andy schüttelte mit dem Kopf. Fast hätte er ihr schnippisch geantwortet ala: „Ich bin in einem Waisenhaus aufgewachsen, drei Mal darfst du raten, ob ich ihn gesehen habe!“ Gott sei Dank hatte er sich doch noch zurückhalten können, woher sollte Cat denn wissen, dass er ein Waisenkind war? Woher sollte sie wissen, dass er schlecht gelaunt war, wegen dieser Sache mit dem spanischen Jungen? Unweigerlich fiel Andys Blick auf Crow, der die leere Tüte auf den Boden warf, was Sugar dazu bewegte ihm eine Predigt über Ordnung und Sauberkeit zu halten, worauf er sie wieder genervt aufhob. Eigentlich wollte Andy ihn hassen, ihm die Schuld geben, aber er konnte es nicht, denn er wusste, dass es keinen Sinn ergab, Crow als Sündenbock abzustempeln, es war doch schließlich Andys Entscheidung gewesen diesen Beruf auszuüben. Crow hatte damit nicht im Geringsten etwas zu tun, er hatte ihm lediglich den Stoß ins kalte Wasser verpasst. Das hatte man ihm schließlich aufgetragen, dass er Andy unterstützen sollte und das hatte er getan und wie er es getan hatte. Andy seufzte.

„Woran denkst du?“, wollte Cat wissen. Andy sah wieder auf das Bild.

„Wer das gemalt hat.“

„Leonardo Da Vinci hat es 1494 bis 1498 gemalt. Den Auftrag hat ihm ein Mailänder, ich glaube es war Herzog Ludovico il Moro, erteilt. Das Original ist ein Secco an der Nordwand des Refektoriums der Dominikanerkirche Santa Maria delle Grazie in Mailand!“

„Was ist bitte ein Secco?“, mischte sich Crow erneut ein, worauf Cat sofort eine Antwort wusste.

„Das kommt aus dem Italienischen al secco aufs Trockene und ist eine Wandmalerei. Man malt allerdings auf eine trockene Wand und nicht wie beim Fresco auf einen noch frischen Kalkputz.“ Crow warf Cat einen skeptischen Blick zu.

„Sag mal…lernst du Wikipedia auswendig oder was?“

„Nein wieso?“ Cat schien verwundert zu sein.

„Ach, ist ja egal, eins erklärst du mir noch…“ Cat grinste breit, es freute sie, wenn sich Crow ein wenig für diese Dinge interessierte.

„Was denn?“ 

„Refektorium.“

„Das Wort stammt aus dem Lateinischen refectio das bedeutet Wiederherstellung, Erholung, Labung, all das eben. So wird der Speisesaal eines Klosters genannt der meist südlich des Kreuzganges liegt, er dient auch als Versammlungssaal.“ Sugar stöhnte genervt.

„Woher weißt du das denn alles?“ Crow kratzte sich am Kopf.

„Ich lese auch, aber nichts Unrealistisches“, lachte Cat.

„Na jetzt weißt du, wer das gemalt hat“, meinte sie schließlich an Andy gewandt.

„Ja danke!“ Andy lehnte sich zurück. Er betrachtete die Figur im Mittelpunkt. Christus wirkte nicht, als hätte er Angst vor seiner bevorstehenden Kreuzigung. Andy kam es sogar vor, als würde er lächeln. Er belächelt die Dummheit der Menschen, wenn man es so betrachtete, bekam der Satz

„Denn sie wissen nicht was sie tun“, eine ganz andere Bedeutung. Christus, war ein guter Mensch gewesen, Andy schämte sich plötzlich ab Grund tief, er schämte sich, dass dieses Gemälde in diesem Haus an der Wand hing. Wer hatte sich denn diesen unverschämten Scherz erlaubt? Die Bibel hatte damals in Andys Schublade im Waisenhaus gelegen, er hatte sie nie angerührt, bis Michelle einmal angefangen hatte, die Passion zu lesen und sie hatte ihn gezwungen, sie auch zu lesen. Was blieb ihm anderes übrig, immerhin musste man froh sein, dass man in so einer Lage überhaupt lesen konnte, wäre schade dieses Können nicht zu nutzen. Als Andy die Passion fertiggelesen hatte, musste er viel nachdenken, es gab so viele Fragen und zu wenig Antworten.

„Puh endlich fertig…so ein Schwachsinn“ Crow erhob sich und stellte das Buch zurück in das Regal.

„Warum liest du es dann ständig?“, fragte Sugar barsch, worauf Crow nur mit den Schultern zuckte.

„Vielleicht, damit ich mich darüber ärgern kann“, gab er anschließend zurück. Er sank auf seinen Sessel und schloss kurz die Augen. Die stürmischen Schritte, die immer näherkamen, verursachten allerdings, dass er sie schnell wieder öffnete.

„Dieser Mistkerl!“, donnerte es. Dreamer war herein geprescht, blutverschmiert.

„Was ist denn passiert?“, fragte Sugar. Dreamer bebte,

Andy hatte an ihr noch nie eine Emotion gesehen, wie Fröhlichkeit, Trauer, aber Zorn schien sie perfekt zu beherrschen.

„Was passiert ist? Das hier…hin…total im Arsch!“ Dreamer zog ihr Scharfschützengewehr hervor, das vollkommen demoliert war. Es war doch tatsächlich in der Mitte auseinandergebrochen, nur der Gurt, denn Dreamer benutzte hielt die beiden Teile zusammen.

„Was hast du denn gemacht?“, wollte Crow mit abwertendem Unterton wissen.

„ICH habe gar nichts gemacht, aber dieser Typ, der plötzlich aufgetaucht ist und meine Zielperson erledigt hat, DER hat jetzt ein gewaltiges Problem mit mir. Er hat mir meine Süße abgenommen, sie auf die Straße krachen lassen und dieser LKW ist natürlich genau drüber und sie war hin“ Dreamer schien sich wieder beruhigt zu haben, wieder wurde Andy überrascht, denn eine weitere Emotion zeigte sich nun, tiefe Trauer und Verzweiflung.

„Verdammt noch mal…sie ist kaputt“ Cat sprang sogleich auf, nahm Dreamer die Waffe aus der Hand und inspizierte sie genau.

„Kaputt ja, nicht zu reparieren, nein“ Dreamers Miene erhellte sich.

„Du kannst sie…“

„Reparieren, ja…ich bin ein Genie, weißt du doch!“ Cat grinste spitzbübisch.

„Woa, total nice!“ Andy war überwältigt, über Dreamers Mimik. Sonst gab sie sich immer so kühl, gleichgültig, unnahbar, ging es allerdings um ihre heißgeliebte Waffe, verschwand das alles.

„Okay ich mach mich mal an die Arbeit“, murmelte Cat abwesend, während sie den Raum verließ. Dreamer setzte sich auf die Couch, Sugar musterte sie mit grimmigem Blick.

„Dir ist schon klar, dass du voller Dreck und sowas bist, oder?“ Dreamer zuckte gleichgültig mit den Schultern.

„Scheiß drauf!“ Sugar schnaubte gereizt. Crow legte sich quer über den Sessel, sodass seine Beine über die Lehne baumelten, sowie ein Teil seines Oberkörpers. Er sah das Zimmer verkehrt und sah direkt zu Dreamer, die ihre Beine auf den Tisch legte, die Schuhe voller Erde und anderem Schmutz. Crow legte seinen Kopf schief, sein Benehmen erinnerte an einen kleinen Jungen, ein kleiner, unheimlicher Junge.

„Crow bitte, das ist unangenehm“, bemerkte Dreamer.

„Was denn?“, Crow grinste breit.

„Wenn du einen so anglotzt… richtig gruselig!“

„Weißt du was, ich schlage vor, du sorgst jetzt dafür, dass du sauber wirst, ansonsten werde ich wirklich unangenehm!“ 

„Schon gut“, gab Dreamer, ohne weitere Wiederworte, bei. Andy war sehr überrascht. Allein Crows gehässiger Unterton, gab einem das Gefühl, dass es nicht nur leere Drohungen waren, die er aussprach. Und womöglich war auch Sugar einer der Menschen, die Crow doch tatsächlich ins Gewissen reden konnte, immerhin hatte er es vorhin auch nicht für wichtig gehalten die leere Chipstüte gleich zu entsorgen. Plötzlich verspürte Andy das Verlangen, zu erfahren, wie Crows erster Mord stattgefunden hatte. Diese schlagartige Neugierde war er von sich nicht gewohnt, es war kaum auszuhalten, diese Stimme, die Vermutungen anstellte, sie verwarf und drängte zu fragen. Zu fragen, was denn passiert war. In seinen schlimmsten Träumen, hätte sich Andy niemals diese Situation ausgemalt, die ausschlaggebend war, für Crows Handeln. Das Handeln eines Vierzehnjährigen, der in seinem Leben niemals Liebe erfahren hatte, der sich oft noch spät in der Nacht auf der Straße herumtrieb, mit Kindern um die es ähnlich stand. Aber keines dieser Kinder, das Passanten überfiel, fremdes Eigentum zerstörte oder stahl, keines musste diesen Albtraum durchleben, so wie Crow. Wenn er nach Hause kam, fand er meistens seine Mutter vor, die sich eine Dosis verabreicht hatte und völlig high in ihrem Bett lag und sich manchmal sogar übergab. Wenn er nach Hause kam, erwartete ihn sein Vater, der ihn verprügelte, nicht, weil der Junge so spät nach Hause kam, nicht, weil er sich mit solchem Gesindel herumtrieb, er tat es, weil er einfach betrunken war, alkoholisiert und wütend. Zornig auf sein Leben, seine Frau, sich selbst und offenbar auch auf seine Kinder. Er hatte alles vermurkst, alles war schiefgelaufen, er musste sich abreagieren und was war besser als ein Kind, dass sich kaum zu wehren vermochte? Crow blieb nicht wirklich etwas Anderes übrig, als es über sich ergehen zu lassen, er hatte keine Wahl, er kannte keine Geborgenheit, keine Liebe, kein Glück, er hatte also nichts, was er vermissen konnte. Nachdem sich der Ärger gelegt hatte, der Vater schlief, die Mutter halb im Koma lag, suchte Crow sein schäbiges, verdrecktes Zimmer auf. Am, Boden lag eine Matratze und eine alte, muffige Decke unter die er sich vergrub und dann erst verspürte er den Schmerz. Doch dieser wurde gelindert, sobald die kleinen Hände nach seiner Hand griffen, kleine warme Hände. Das Einzige was Crow besessen hatte, was er sich geschworen hatte zu beschützen, lag neben ihm und linderte seine Schmerzen, seine Pein, seine Qual. Seine Schwester war ein hübsches Mädchen gewesen, mit glitzernden Augen und einem Lächeln, das nicht schöner hätte sein können. Leider hatte man es nur selten zu Gesicht bekommen. Ihre schwarzen, lockigen Haare kitzelten ihn in der Nacht, wenn sie zusammenkauernd unter der Decke froren. Alles und jeden hätte Crow den Tod gewünscht, nur nicht ihr, nur nicht seiner kleinen Schwester. Doch sollte es eines Tages anders kommen, erschreckend anders.

Noch immer verharrte Andy im Wohnzimmer, um sich ganz seinen Gedanken zu widmen. Sugar war bereits gegangen, allerdings war Crow noch vor Ort und hatte einen neuen Roman ausgesucht, den er las. Diesmal einen Fantasieroman, der ihm anscheinend noch weniger zu gefallen schien, als der Science-Fiction. Andy blickte zu ihm hinüber, als er abermals ein verächtliches Schnauben vernahm.

- Der Herr der Ringe- las Andy auf dem Cover und runzelte die Stirn.

„Klingt seltsam“, murmelte er.

„Ist auch seltsam, ich verstehe fast gar nichts…wer zum

Teufel ist Legolas und da gibt es überhaupt keine Vorgeschichte, die sind Mitten in einem Krieg und keiner weiß warum“, ärgerte sich Crow. Andy ließ seinen Blick über das Bücherregal schweifen. Schließlich erhob er sich und ging zielstrebig darauf zu, um gleich darauf eines der Bücher heraus zu ziehen. Er trottete zu Crow und warf es ihm zu.

„Da hast du!“

„Was ist das?“ Andy seufzte.

„Der erste Teil.“

„Oh…das erklärt einiges…“ Crow gluckste und begann sogleich mit der ersten Seite. Andy hatte sich nicht von der Stelle gerührt, er beobachtete Crow, den es überhaupt nicht zu stören schien, dass er ihn anstarrte, vielleicht hatte er es auch nicht bemerkt.

„Crow?“

„Hm?“ Crows Augen huschten über die Zeilen, entweder wollte er angeben, oder er vermochte es wirklich so schnell lesen zu können.

„Er…erzählst du mir, w…wie es war?“ Obwohl er es nicht wirklich präzise ausgedrückt hatte, hatte Crow Andy offensichtlich genau verstanden. Er sah zu Andy hoch, sein Blick löste in diesem Unbehagen aus. Andy schluckte.

„D…du musst es natürlich nicht, wenn du nicht“

„Ich hatte eine schwere Kindheit“, unterbrach Crow Andy, der sich in dem Moment nicht von der Stelle bewegen konnte, so wie er es eigentlich vorgehabt hatte.

„Ich meine, noch schlimmer als eine Waise zu sein ist, eine Familie zu haben, die eigentlich keine Familie mehr ist. Meine Mutter war drogenabhängig, ich weiß gar nicht, was sie alles geschluckt hat, was sie sich gespritzt hat, mit welchen Giften sie die Luft in unserer Wohnung verpestet hat und mein Vater…“ Crow lachte verächtlich auf.

„Der kam nur nach Hause, um mich zu verprügeln und meine Mutter anzubrüllen, die ihn wahrscheinlich nicht mal gehört hat, so voll gedröhnt wie die war. Ich hab mich meistens draußen rumgetrieben, hab andere Menschen verprügelt, Sachen beschädigt, gestohlen…alles, was man als Teenie eben nicht machen sollte, das Einzige was ich hatte, war meine Schwester…sie…sie hieß Sophie…“ Andy hörte, dass Crows Stimme zitterte, als er diesen Namen aussprach.

„Sie war alles für mich, ich habe immer gedacht, ich sei nur auf der Welt damit ich sie beschützen konnte“

„Was ist passiert?“, Andy ahnte schon, dass Crows Geschichte ein böses Ende haben würde.

„Ich kam einmal nach Hause, fand meine Mutter wie immer im Schlafzimmer vor, halb tot und plötzlich hörte ich etwas Merkwürdiges aus meinem Zimmer. Ich öffnete die Tür und erkannte meinen Vater, wie er…er hat sich, an ihr vergangen.“ Crows Augenlid begann zu zucken, seine Muskeln verspannten sich.

„Ich war so wütend, ich habe ihn angebrüllt und bin mit dem Baseballschläger auf ihn losgegangen und hab ihm prompt den Schädel eingeschlagen, Sophie hat geschrien, wie am Spieß, als ihr das Blut ins Gesicht gespritzt ist und dann sagte sie es…ich dachte ich würde mir das Herz rausreißen…sie war zwölf, ich hab sie geliebt, verstehst du das?“, Crow hielt inne, während Andy nickte.

„Was hat sie gesagt?“

„Sie sagte: Ich…ich wollte es doch auch!“ Andys Augen weiteten sich, hatte er richtig gehört. Über Crows Gesicht huschte plötzlich ein irres Lächeln, er schien wieder genau in dieser Situation zu sein, das Verrückte an ihm war so beängstigend. Andy wagte es kaum zu fragen, aber die Worte ließen sich nicht zurückhalten: „Was hast du gemacht?“

„Anstatt mir mein Herz rauszureißen, habe ich es bei ihr gemacht…tja und dann bin ich zu meiner Mutter gegangen, ich war gerade in Fahrt, aber leider hatte sie sich schon eine Überdosis gespritzt, da war ich doch glatt zu spät!“

„Sie war doch alles für dich und du hast sie…“

„Ich fühlte mich verraten, ich hätte es nie getan, hätte sie diese Worte nicht gesagt, diese verhurten Worte…“ Crow stockte kurz. Sein Lächeln wich ihm aus dem Gesicht.

„Wir hatten nichts, nur uns und dann hintergeht sie mich so? Wie konnte sie nur so eine Schlampe sein? Und er…ein dreckiges, pädophiles Schwein!“ Er sah Andy in die großen Augen.

„Ich weiß, dass es schwer war und ich weiß was ich dir damit angetan habe, aber hättest du kein Opfer vorzuweisen, dann hätte ich dich nicht einfach gehen lassen können.“ Andy schluckte.

„Das verstehst du doch, oder? Ich hätte dich töten müssen“, Crows Blick wurde immer intensiver und Andy nickte. Crow lächelte und wandte seinen Blick nun ab.

„Weißt du, ich fühlte mich nicht schlecht, nachdem was damals geschehen war, es war so ein gutes Gefühl, ein verdammt gutes Gefühl… diese Tat, war die Einzige, die ich niemals gebeichtet habe und das ist automatisch mein Fahrschein… denn ich werde es nie bereuen…niemals!“

 

Kapitel 8

„Hast du eine Ahnung wo Cat steckt?“ Andy musterte Muffin verschlafen. Es war Frühstückszeit und Andy war gerade in das Esszimmer geschlurft, als ihn Muffin sofort mit dieser Frage überforderte.

„Öhm…nicht wirklich“, antwortete Andy endlich nach langer Atempause.

„Verdammt wo ist sie denn bloß, sie sollte doch das Frühstück machen“, schimpfte Muffin. Die anderen saßen bereits am Tisch.

„Och ist ja nicht so, als ob wir ihre Kochkünste vermissen“, bemerkte Crow, der am Tisch lümmelte.

„Hast du schon in ihrer Werkstatt nachgesehen?“, fragte Dreamer, mit den Gedanken nicht wirklich bei Cat sondern eher bei ihrer Waffe.

„Ja, ich war auch überall, wo sie sich sonst aufhält…Nightmares Zimmer, ihr Zimmer, am Meer…“ Muffin seufzte entnervt.

„Kann nicht sein, sie ist bestimmt in ihrer Werkstatt“, beteuerte Sugar.

„Bitte, dann sehe ich eben noch mal nach“, rief Muffin gereizt und verließ geräuschvoll den Raum.

„Was ist denn mit dem los?“, fragte Zodiak, der, wie alle anderen, Muffin verwundert hinterher sah.

„Ich weiß zwar nichts Genaues“, setzte Misery an. Ein selbstgefälliges Lächeln huschte über ihre Lippen, als alle Augen sie musterten.

„Red schon weiter“, knurrte Crow.

„Es soll Probleme geben“, erklärte Misery.

„Welche Probleme?“

„Der Typ, der Dreamer die Zielperson weggeschnappt hat, war jemand aus einer anderen Organisation, die so ähnlich aufgebaut ist, wie unsere!“

„Du meinst ein Konkurrent hat Sandman die Idee geklaut“, vereinfachte Crow.

„Jap…und das wird natürlich Probleme geben, also wenn euch solche Typen über den Weg laufen, dann solltet ihr sie auf jeden Fall aus dem Weg schaffen.“

„Woher weißt du das denn überhaupt?“, fragte Sugar plötzlich, worauf Misery überheblich grinste.

„Ich habe meine Quellen“, entgegnete sie.

„Und eine ist die Tür zu Muffins Büro“, witzelte Crow, was ihm einen tödlichen Blick von Miserys Seiten brachte.

Während die anderen darauf warteten, dass das Frühstück endlich zu Tisch getragen wurde, öffnete Muffin die Tür zu Cats Werkstatt.

„Wusste ich doch, dass sie hier“, ein Rascheln unterbrach Muffin. Er kniff die Augen zusammen.

„Was ist denn?“ Er trat in den Raum und näherte sich einem Stapel Pläne, die anscheinend vom Regal heruntergefallen waren.

„Cat?“, sagte er überrascht, als er das Mädchen unter dem Haufen erblickte, ein Scharfschützengewehr umklammernd.

„W…was?“, benommen blinzelte Cat mit den Augen, sie hatte den Abdruck des Gewehrs auf ihrem Gesicht.

„Du solltest doch das Frühstück vorbereiten, was hast du denn gemacht?“, fragte Muffin vorwurfsvoll.

„Ich bin wohl gestern hier eingeschlafen…ich habe Dreamers Scharfschützengewehr repariert…“ Sie blinzelte konsequent.

„Entschuldige“, bat sie um Verzeihung.

„Schon gut…komm jetzt!“ Muffin wartete bis Cat sich aus dem Haufen der Pläne befreit hatte und ging ihr anschließend voraus. Sie kamen gerade in das Esszimmer, um eine Rangelei zwischen Crow und Bird zu verhindern, die sich darum stritten, welche Fernsehserie besser war.

„Beruhigt euch jetzt…Die Ninja Turtles sind genauso gut wie Kim Possible!“

„Die Ninja Turtles sind Kult“, knurrte Crow.

„Kim Possible wird es noch“, bellte Bird.

„Ruhe!“, brachte Muffin die beiden zum Schweigen. Er rieb sich erschöpft über die Stirn.

„Ich dreh noch durch“, murmelte er. Er setzte sich an den Tisch, er wirkte nicht so wie immer. Er sah müde aus, trat auch nicht so selbstsicher auf wie sonst und es schien, als trüge er eine schwere Last auf seinen Schultern.

„Okay… Frühstück ist fertig“, Cat kam in den Raum mit einer großen Platte voller Obst. Es waren keine Teller auf dem Tisch und auch kein Besteck, Cat verschwand in der Küche und kam nicht mehr heraus.

„Okay“, sagte Sugar gedehnt.

„Wie sollen wir Kokosnüsse knacken?“, fragte sie anschließend. Zodiak nahm eine in seine Hand, schien sich zu sammeln und teilte die Kokosnuss in zwei Hälften. Sugar blieb der Mund offenstehen.

„Bah, mich überrascht du immer wieder, Zodiak?“ Zodiak lächelte geschmeichelt. So wurden auch die Mangos und Honigmelonen von Zodiak geteilt, denn Cat schien sich ihrer Aufgabe nicht wirklich bewusst gewesen zu sein. Muffin hatte nichts gegessen, ebenso wenig Andy, der nur Luftlöcher gestarrt hatte. Andy dachte zu viel nach, verlor sich in seinen Vorstellungen, Plänen, Träumen. Er bekam nicht wirklich mehr etwas von der Welt um sich herum mit. Plötzlich erhob er sich.

„Gute Nacht“, murmelte er und verließ den Raum.

„Gute Nacht?“, wiederholte Misery mit skeptischem Blick.

„Tja wie er meint…ich muss los“, erklärte Bird und auch er verschwand aus dem Esszimmer. Er hatte immerhin einen Auftrag zu erledigen, allerdings sollte dieser mehr als schiefgehen.

Denn ich werde es nie bereuen…niemals“ Andy seufzte schwer, Crows Worte waren so entschlossen gewesen, sie wurmten ihn richtig. Immer wieder stellte Andy sich vor, wie es gewesen sein musste, dieser Tag, der Crow unweigerlich zu einem verrückten Monster machte. Oder war er gar kein Monster? Vielleicht war er einfach nur noch immer der Junge, der seine Gefühle verdrängte, sie wegschloss und stattdessen eine Mauer um sich errichtete, gegen die er die anderen Menschen rennen ließ. Er war verstört, irrte in dieser Welt herum und fand nirgends Anschluss. Niemand verstand ihn, niemand wollte wissen, wie es ihm ging, er war allein. Aber war er es doch, der Schuld daran trug, dass er allein war. Er hatte seine Familie getötet, seinen Vater, seine Schwester, zugegeben, so wie Crow es erzählt hatte, klang es wirklich abartig, was damals geschehen war. Wie konnte ein Familienvater nur so abscheulich sein und seine eigene Tochter missbrauchen? Wie verstört musste ein Kind sein, dass es das noch hinzu von seinem Vater wollte? Wie psychisch gestört war wohl ein Junge, der seinem Vater deswegen den Schädel einschlug und anschließend seine Schwester lynchte? Und dieses Gefühl behagte ihm auch noch, er fühlte sich mächtig, stark, er war die Hand Gottes, denn er richtete über das Schicksal eines anderen, er nahm das Leben, doch was gab er zurück? Jeder Mensch, egal ob böse oder gut, hatte es verdient zu leben, jeder Mensch war berechtigt zu entscheiden und das hatte Crow anscheinend getan. Und jede Entscheidung führte auf einen Pfad, doch es war nicht immer der Pfad der richtige, der uns als richtig erschien.

***

 „Warte, lass gleich offen!“, Andy hielt inne. Er wollte gerade die Tür zur Villa schließen, als Dreamer heranlief, ihr Gewehr in den Händen. 

„Danke!“, lächelte sie.

„Wo gehst du hin?“, fragte sie gleich darauf. Andy zuckte mit den Schultern.

„Ich wollte nur etwas frische Luft schnappen, bisschen spazieren, wieso?“

„Ach, nur so, ich wollte meine Süße ausprobieren, Cat hat sie repariert, willst du mitkommen?“ Andy war überrascht, dass Dreamer ihn das fragte. 

„Ja…sehr gern“, sprach er schließlich. Sie lächelte abermals und die beiden gingen los.  Sie wanderten stumm neben einander her. Andy musterte die junge Frau. Heute wirkte sie nicht wie sonst, ihre Kälte schien sie nicht zu umgeben, wahrscheinlich war die Freude über ihre reparierte Waffe, der Grund dafür.

„Das Gewehr bedeutet dir wohl sehr viel“, meinte Andy plötzlich. Dreamer sah zu ihm.

„Ja…da hast du Recht, ich habe sie von meinem Vater zum Geburtstag bekommen“

„Ehrlich? Ein merkwürdiges Geschenk“, entgegnete Andy.

„Ist so ein Brauch bei uns.“ Andy runzelte die Stirn. 

„Aha!“ Unerwartet lachte Dreamer auf. 

„Das hört sich bestimmt komisch an, nicht wahr?“ 

„Ja…sehr, sehr komisch“, erwiderte Andy, musste dabei aber schmunzeln.

„Ich bin nicht ohne Grund hier, weißt du, meine Familie ist eine renommierte Scharfschützenfamilie, ich wurde von klein auf darauf gedrillt, Menschen zu töten. Der Tod des Gouverneurs ging zum Beispiel auf mein Konto, vielleicht hast du davon gehört.“ 

„Ja, das war ein riesen Aufstand…man hat lange nach dir gesucht, nicht wahr?“ Dreamer nickte. Andy erinnerte sich an die große Parade, die Straßen waren abgesperrt worden, sie durften damals nicht durch, um Lebensmittel für das Waisenhaus zu kaufen. Alles wurde abgesichert und bewacht, damit der Gouverneur seine Rede halten konnte, am großen Hauptplatz und dennoch hatte es Dreamer geschafft ihn zu erschießen und ungeschoren davon zu kommen.

„Dieser dumme Kerl“, sagte sie schließlich. 

„Weißt du, er tauchte aus dem Nichts auf, mit seiner dämlichen Clownsmaske…so ein Psycho.“  Die beiden erreichten schließlich den Trainingsplatz. 

„Jetzt werden wir sehen, ob Cat gute Arbeit geleistet hat!“

„Ich denke schon“, meinte Andy optimistisch. Dreamer legte sich ins Gras und zielte. Sie drückte ab, der Schuss, der sich löste, war lautlos. 

„Getroffen!“, rief sie.

„Cool, früher hatte sie immer ein wenig verzogen, Cat hat das auch beseitigt…das kleine Genie! Ich muss mich nochmal bei ihr bedanken, das hat sie super gemacht!“, rief Dreamer aufgeregt. 

„Sag mal…wie war das denn so, in so einer Familie aufzuwachsen“, wollte Andy plötzlich wissen. 

„Nun ja…sehr kalt, eigentlich. Es gab nie so etwas Unwichtiges, wie Umarmungen oder Gefühlsduseleien. Es zählte die Ausbildung, sonst nichts…manchmal, war ich mir nicht einmal sicher, ob das wirklich meine Familie war.“

„Wie meinst du das?“, hakte Andy nach. Dreamer seufzte und hängte sich das Gewehr über die Schulter.

„Ich meine, dass Vater und Mutter, eben nicht meine leiblichen Eltern waren und meine Geschwister nicht wirklich meine Geschwister. Keiner sah irgendwem ähnlich. Sie erzählten nicht von der Vergangenheit…es gab keine Bilder von Verstorbenen im Haus, ich meine, das alles war seltsam. Mir ging es nicht schlecht, aber trotz der Anwesenheit meiner Familie, fühlte ich mich einsam und verlassen. Zugehörig war ich nur durch das Talent, meine Waffe abzufeuern, dafür gab es Lob und Anerkennung, je besser man seine Ziele traf, desto mehr Ansehen hatte man bei uns. So war das eben…“ Dreamer starrte in den Himmel. 

„Und dann haben sie diesen Kerl herangeschafft. Einen echten Menschen, den sie an die Birke am Fluss banden. Ein lebendiger Mensch, als mein Ziel und ich hab abgedrückt, so wie immer, es war gar nicht so anders, als sonst, außer dass er eben regungslos wurde, aber mehr war da nicht.“ Sie sah Andy in die Augen.

„Mehr ist es nicht…ich sehe nicht einmal Blut. So wie Crow oder Nightmare könnte ich nicht arbeiten, die Entfernung schützt mich vor der Auseinandersetzung, dass ich jemandem Leid zufüge, verstehst du das?“ Andy nickte. 

„Ach, ich quatsche dich zu. Ich werde zurück in die Villa gehen, kommst du mit, oder gehst du noch spazieren?“ 

„Ich bleibe noch etwas draußen ja“, erklärte Andy. 

„Okay dann…bis später, Angel!“, winkte Dreamer und stiefelte zurück zur Villa. Andy sah ihr hinterher und seufzte. Er schlenderte in das kleine Tannenwäldchen, bis er nicht mehr zu sehen war.

***

- Na also da bist du ja- Birds Miene erhellte sich, als er seine Zielperson aus der Bank kommen sah. Die Gestalt mit dem schwarzen Hut, der Sonnenbrille und dem kleinen Schnurrbart, trug einen Aktenkoffer und schien es sehr eilig zu haben. Bird fuhr mit dem Wagen vor. Ein gelbes Auto mit einem schwarzen Querstreifen auf dessen Dach ein Schild angebracht war, mit der großen Aufschrift Taxi.

„Zum Flughafen…aber schnell“, sagte der Mann und wollte gerade in das Taxi zu Bird steigen, als eine Frau den Mann am Arm packte.

„Sie fahren zum Flughafen? Könnte ich da nicht gleich mitfahren, dann können wir uns die Fahrtkosten teilen, bitte ja!“ Die junge, hübsche Frau sah den Mann bettelnd an und er stimmte schließlich zu, was ihn Bird ein missgelauntes Gefühl auslöste.

„Verdammt“, wisperte er, als die junge Frau einstieg. Sie trug einen kurzen, engen, roten Minirock, hohe Stöckelschuhe und ein anliegendes Top, mit tiefem V- Ausschnitt. Böse Zungen hätten sie als Hure verschmähen können. Ihre Haare fielen in gewaltigen Locken über ihre Schulter, sie zog sich den roten Lippenstift nach. Auch auf ihrer Nase saß eine dicke schwarze Sonnenbrille.

„Und wo fliegen Sie hin?“, fragte sie plötzlich.

„In die Schweiz“, antwortete der Mann knapp.

„Privat?“

„Geschäftlich!“

„Aha…“ Die Frau hielt es wohl für eine bessere Entscheidung, dem Mann keine weiteren Fragen zu stellen. Er schien ziemlich gestresst zu sein und seine Hände waren schweißig. Er umklammerte verkrampft seinen Aktenkoffer. Bird blickte in den Rückspiegel und erfasste die junge Frau, die etwas gelangweilt aus dem Fenster sah. Sie hatte ihre langen Beine überschlagen und wippte, so gut es ihr möglich war, mit der Fußspitze. Bird beschloss, seinen Auftrag einfach auszuführen, er würde einen Umweg fahren, in eine Seitenstraße gelangen und zuerst die Zielperson und anschließend die Frau eliminieren.

„Können Sie nicht ein wenig schneller fahren?“, fragte der Mann nervös.

„Ich Beschränkung einhalten, Sir“, antwortete Bird mit einem starken Akzent, um seinen Taxischein zu bestätigen, auf dem Herkunft Indien stand.

„Ja, machen Sie trotzdem Mal Tempo!“

„Polizei sehr genau“, entgegnete Bird.

„Fahren Sie!!!“ Bird drückte unverwandt auf das Gas und fuhr eine falsche Straße hinunter.

„Sie Idiot! Wo fahren Sie denn hin?“

„Sie haben ihn nervös gemacht mit Ihrer Brüllerei, deshalb hat er sich verfahren!“, warf die Frau dem Mann vor.

„Blödsinn, diese Ausländer haben einfach nur keine Ahnung, wie man Auto fährt. Biegen Sie links ab dann…MANN! Links…ich sagte Links, verdammt!“ Der Mann schnaubte entnervt.

„Fahren Sie zurück und biegen Sie links ab!“, sagte der Mann langsam und sehr laut, was Bird wütend machte. Er hielt in einer finsteren Seitenstraße.

„Ich habe Sie schon verstanden!“ Der Mann weitete seine Augen, da Bird plötzlich ohne Akzent sprach.

„Lauter und langsamer zu sprechen hilft auch nichts, wenn jemand die Sprache nicht versteht, Sir!“

„Ich…ich dachte Sie…“ Bird stieg aus und öffnete die Tür des Wagens, an der seine Zielperson saß. Er hielt ihm eine Pistole vor die Nase.

„Aussteigen“, herrschte Bird, der Mann zitterte am ganzen Leib.

„Bitte... bitte ich…“, plötzlich stockte der Mann, Bird runzelte die Stirn. Die Augen des Mannes waren vor Schreck weit aufgerissen.

„Sir?“ Der Mann stürzte kopfüber aus dem Wagen, erst jetzt konnte Bird das Messer in seinem Rücken sehen. Er blickte zu der Frau, die ihre Brille abgenommen hatte und verführerisch lächelte.

„Mann, ich habe dir die Tour mit dem indischen Taxifahrer abgekauft…so wie er… man lernt eben nie aus, hm?“

„Wer bist du?“, fragte Bird gereizt, er hasste es, wenn ihm ein Auftrag missglückte und dieser war komplett im Eimer.

„Ist das wichtig?“ Die Frau rutschte auf den Platz, wo der Mann zuvor gesessen hatte. Bird grinste und richtete nun die Waffe auf sie.

„Ja!“ Die Dame war offenbar sehr selbstsicher, sie drückte ihren Finger auf die Mündung und schüttelte tadelnd den Kopf.

„Na, na…nicht so unverschämt“

„Schnauze!“ Bird zog seine Waffe von ihr weg.

„Wer schickt dich, Weib?“ Anscheinend merkte sie endlich, dass Bird es ernst war und sie entschloss sich, aus dieser misslichen Lage zu befreien.

„Tut mir leid, aber einem Menschen mit solchem Umgangston…“, sie kickte Bird die Waffe aus der Hand, wirbelte aus dem Wagen und trat ihm in die Kniekehle, sodass er zusammensackte.

„Antworte ich nicht“, beendete sie ihren Satz und sprintete mit klappernden Stöckelschuhen auf und davon. Bird raffte sich hoch, mit schmerzenden Gliedern.

„Scheiße!“, brüllte er und schlug auf das Autodach. Kurz darauf blickte er auf die Leiche. Schlagartig fiel ihm der Aktenkoffer ein, der Auftrag hieß Zielperson eliminieren, Aktenkoffer zum Flughafen bringen. Bird sah in den Wagen, der Aktenkoffer war nicht mehr da.

„Schlampe“, schimpfte er. Er atmete schwer, ließ kurz die ganze Sache Revue passieren. Er kam zu dem Entschluss, dass er trotzdem zum Flughafen fahren sollte. Die ganze Geschichte kam ihm faul vor. Er setzte sich ins Taxi und setzte zurück, dass er dabei die Leiche überfuhr war ihm egal.

„Overkill“, sagte er zu sich und raste los. Er erreichte nach einiger Zeit den Flughafen, parkte das Taxi allerdings in einer Seitengasse, damit neugierige Passanten nicht die Blutspuren entdeckten. Am Flughafen herrschte geschäftiges Treiben. Die Menschen hatten es eilig ihren Flieger zu erwischen. Bird sah sich um. Er hielt nach dem Typ Ausschau, dem er den Aktenkoffer übergeben sollte.

-Brauner Hut, brauner Anzug…gibt es Gott sei Dank nur fünfhunderttausend Typen die gleich aussehen- fluchte Bird und schlenderte durch die Flughalle. Da erblickte er jemanden, er hatte einfach das Gefühl, dass dieser Kerl es war, es passte einfach. Bird blieb etwas abseitsstehen, er beobachtete den Mann, der wartete und dieses Abwarten sagte Bird, dass er es einfach sein musste, denn niemand sonst stand einfach nur da und musterte die anderen Menschen und schien sie zu inspizieren. Bird seufzte, es hatte überhaupt keinen Sinn zu dem Mann zu gehen, er hatte versagt, wieso sollte er es dem Typen noch auf die Nase binden. Gerade wollte Bird verschwinden, als er sie sah. Die blonde Frau, im roten Minirock und im gepunkteten Top. Seine Nase zuckte aufgeregt.

-Wo wollen wir denn hin, Täubchen?- dachte Bird und beobachtete die Frau, wie sie zielstrebig auf den Mann zuging, der eigentlich auf Bird warten sollte. Bird traute seinen Augen nicht, die Frau übergab den Aktenkoffer. Sie schüttelten sich die Hände und sie marschierte davon.

-Spinn ich?- Bird verfolgte sie, sie kramte bereits in ihrer Tasche, um wahrscheinlich ihren Autoschlüssel zu suchen, als sie mit jemandem zusammenstieß. Ihr fiel die Tasche auf den Boden und das darin Befindliche verstreute sich. Hektisch versuchte sie alles so schnell wie möglich einzusammeln, der, mit dem sie zusammengestoßen war, war gar nicht erst stehen geblieben.

„Verdammt“, wisperte sie, als ihr Lippenstift von einer Frau weggekickt wurde. Sie stromerte hinterher, sie wollte ihn gerade aufheben, da wurde ihr der Lippenstift vor die Nase gehalten.

„Dank…Scheiße!“ Sobald sie gemerkt hatte, dass Bird es war, der ihren Lippenstift hielt, machte sie sich auf und davon.

„Bleib stehen!“, herrschte Bird und sprintete ihr hinterher. Die Frau war irrsinnig schnell, obwohl sie halsbrecherische Stöckel an den Schuhen hatte. Bird hatte einfach keine Chance ihr nach zu kommen, sie tauchte in der Menschenmenge unter. Das Einzige was Bird von ihr erfahren hatte, war, dass sie einen kirschroten Lippenstift von Lancome benutzte. Obwohl er ihr am liebsten den Hals umgedreht hätte, musste er doch zugeben, dass sie ihn doch sehr faszinierte. Sie war ein wunderschöner, herausragender, graziöser, eleganter Engel, im Geschäft des Todes.

***

 

„Na was machst du denn hier so ganz allein?“, Andy erschrak, als ihm von hinten auf die Schulter geklopft wurde. Er saß auf einem zerklüfteten Felsen am Strand und musterte Sugar, die an seine Seite getreten war. 

„Nachdenken“, antwortete Andy. Sugar musterte ihn, er sah sehr niedergeschlagen und betrübt aus. Seine braunen, großen Augen sahen auf das Meer hinaus. 

„Dein erster Auftrag, hat dich wohl mitgenommen, was?“ Andy schluckte und spürte Sugars intensiven Blick. 

„Mhm“, nickte er kurz. 

„Du darfst das nicht so an dich heranlassen, Angel! Das wird dich sonst auffressen“, sprach sie und legte ihre Hand auf seine Schulter. 

Er wandte sich ihr zu:“ Ich glaube das hat es schon!“ In seinen Augen konnte Sugar sehr viel Verzweiflung sehen. 

„Crow hat mir erzählt, was passiert ist, er war sehr wütend auf dich!“ 

„Ich weiß... wäre ich nur... ach wäre ich nur nicht zu feige gewesen, dann würde wenigstens dieser Junge noch leben... wenigstens er“, Andy vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Das Meer rauschte. 

„Und was hätte das genützt? Wie hätte sein Leben wohl ausgesehen?“, fragte Sugar worauf Andy ihr einen kurzen Blick schenkte. 

„Ich weiß es nicht“, seufzte er. Sugar kramte in ihrer Hosentasche und zog eine Zigarettenschachtel heraus. Sie öffnete die Klappe und schob sich eine Zigarette in den Mund, um sie sogleich anzuzünden. Andy beobachtete sie, wie sie den Rauch in die Luft hauchte, sogleich stieg ihm der Tabakgeruch in die Nase. 

„Weißt du, ich kam hier als erste her... ich hatte exakt vier Aufträge... eine Mission, nur für die Erfüllung, bin ich hierhergekommen. Es waren vier Männer, vier Männer, die sterben mussten“, Sugar lächelte kalt. 

„Früher Angel, da kam mein Name nicht von irgendwo her... ich war Zucker, kaum vorstellbar, hä?“ Andy wusste nicht was er darauf sagen sollte. 

„Früher sah ich gut aus, jetzt bin ich eine verbrauchte Schabracke und der Grund waren diese vier Männer“ Abermals zog eine Rauchschwade an Andy vorbei. 

„Sie haben mir alles weggenommen! Weißt du ich hatte Kinder, zwei Söhne, Max und David. Aber genug Geld für meine Rechnungen hatte ich nicht, ich hab geschuftet, kam spät nach Hause und ging früh, damit wir leben konnten... ihr Vater hatte uns ja im Stich gelassen... war aber besser so, der Drecksack hat mich ständig verprügelt, wenn ihm danach war“, Sugar lachte verbittert. 

„Was ist mit deinen Söhnen passiert?“, fragte Andy, als Sugar nicht weitersprach. 

„Sie wurden mir weggenommen, diese Dreckschweine kamen und haben mir meine Jungs einfach aus den Armen gerissen... wer kein Geld hat, muss eben mit Seelen bezahlen sagte einer dieser Schwanzlutscher“, Sugars Augen glitzerten glasig. 

„Ich hab sie nie wieder gesehn meine Jungs, aber ich wusste, wer sie mir genommen hatte und ich wusste, wohin ich zu gehen hatte, damit ich mich rächen konnte. Sandman gründete diese Organisation und ich machte mich auf, um meinen Auftrag auszuführen... natürlich hab ich dem alten Herrn eingeredet, dass diese Kerle eine Bedrohung sein würden, deshalb ließ er mir freie Hand!“

„Wie konntest du ihn überzeugen?“ Sugar lächelte. 

„Wie gesagt, Angel! Ich war Zucker. Die ersten drei Morde klappten einwandfrei, ich bin kein Fan von Splattern, ich hab sie vergiftet, allerdings, beim vierten...“, Sugar stockte. 

„Was... was ist da geschehen?“ 

„Ich wusste nicht... ich wusste nicht, dass er eine kleine Tochter hatte, ich hatte nicht genug recherchiert. Ich konnte nicht ahnen, dass sie ebenfalls von der Schorle trinken würde. Sie wurden ohnmächtig, ich bin ins Haus und hab sie geschnappt, bin mit ihr ins Krankenhaus, aber es war zu spät, sie erlag dem Gift und bis heute, werde ich das nicht vergessen. Es zehrt an mir, wie am ersten Tag“, Andy erwiderte Sugars schmerzerfüllten Blick. 

„Und jetzt sieh mich an! Ich habe zugelassen, dass es mich auffrisst und möchtest du wirklich so aussehen wie ich? Hässlich und abgehalftert, zu schwach dafür, die einfachsten Dinge zu erledigen? Möchtest du das, Angel?“ Andy seufzte. 

„Wer Hässliches vollbringt, muss nicht schön sein“, murmelte er. Sugar lachte. 

„Ich bitte dich... nimm dir das zu Herzen, ja?“ Andy rang sich ein Lächeln ab. 

„Ich nehme mir alles zu Herzen, Sugar!“

„Komm jetzt, gehen wir zurück in die Villa!“, forderte sie ihn auf und gemeinsam wanderten sie zurück.

***

„Wenn ich tot bin, wenn ich tot bin, wenn ich tot bin, dann sollst du tanzen, tanzen!“ Cat drehte eine Pirouette und zeigte auf Crow, der sie genervt musterte.

„Was ist denn das für ein Lied?“, fragte er missgelaunt.

„Tanz des Todes”, erklärte Cat fröhlich.

„Aha…“ Crow verdrehte die Augen, er blätterte eine Seite seines Buches um. Er war bereits beim dritten Band die Rückkehr des Königs.

„Hast du gewusst, dass Tolkien zuerst andere Titel verwenden wollte, es sollten insgesamt sechs Bücher werden Der Ring wandert, Der Ring geht nach Süden, Isengarts Verrat, Der Ring geht nach Osten, Der Ringkrieg und Das Ende des Dritten Zeitalters. Aber die wurden nicht verwendet, auf Wunsch des Verlegers und weil damals die Papierpreise so hoch waren in der Nachkriegszeit. Erst im siebten Band der kleine Hobbit sind diese Titel verwendet worden!“ Crow starrte Cat finster an.

„Cat, du solltest Crow nicht immer so überfordern, seine Kompetenz ist nicht so hoch“, lästerte Misery. Sie erwartete, dass Crow etwas schnippisch erwiderte, aber es schien ihn nicht wirklich zu interessieren. Er las unbeirrt weiter.

„Wo ist denn Angel?“, fragte Cat schließlich, worauf Misery nur mit den Schultern zuckte.

„Du weißt doch sonst auch alles!“ Cat seufzte, manchmal war es schwer Misery zu ertragen, aber Cat gab ihr Bestes. Sie dachte daran, dass auch Misery etwas Gutes in sich tragen musste, deshalb lächelte Cat über ihre Böswilligkeiten hinweg. Sie summte vor sich hin, sie hatte sich wieder vor Crows Sessel hingesetzt und spielte mit ihren Socken.

„Also hast du es schon gelesen“, bemerkte Crow plötzlich.

„Was?“, fragte Cat überrascht.

„Na diesen Blödsinn…Der Herr der Ringe!“

„J…ja warum?“ Crow schlug das Buch zu. Er stützte seinen Kopf leicht mit seinem Arm, der auf der Lehne lag. Er lächelte charmant.

„Dann kannst du mir ja erzählen, wie es ausgeht.“

„Aber…es ist doch viel besser…wenn man es selbst liest“, murmelte Cat kleinlaut.

„Ich will aber nicht weiterlesen, es ist so langweilig…sag mir ob sie diesen verdammten Ring zerstören!“

„Wenn es so langweilig ist, warum willst du das dann unbedingt wissen?“, mischte sich Misery ein. Crow schleuderte ihr das Buch entgegen, sie hielt sich instinktiv die Hände vor den Kopf.

„Lies es, dann weißt du was ich meine“, sagte Crow barsch, anschließend wandte er sich Cat zu, die ihn verschreckt musterte.

„Idiot!“, kläffte Misery.

„Na und?“, fragte er forsch, Miserys Worte überhörend.

„Ähm, nun ja…“ Cat erzählte Crow das Ende der Trilogie und er hob gelangweilt die Augenbrauen. Es ging ihm entschieden zu gut aus.

„Ein doofes Ende…gibt es nicht Mal Bücher die nicht mit einem bescheuerten Happy End aufhören?“

„Oh ja, zum Beispiel die Leiden des jungen Werthers von Goethe, er begeht Selbstmord, weil er die Liebe seines Lebens nicht bekommen kann, da sie schon verheiratet ist oder Romeo und Julia von Shakespeare…“

„Das sind doch alles solche Schnulzenromane…die sind ja noch öder als alles andere“, maulte Crow.

„Dann schlage ich dir Stadt der Untoten vor, von David Wellington, das geht nicht gut aus…zumindest dieser Teil nicht!“ Crow schien zu überlegen.

„Haben wir das hier?“, fragte er schließlich, Cat nickte.

„Ich hab es in meinem Zimmer, du kannst es dir leihen, wenn du magst“

„Ja, her damit, kann nicht viel schlimmer sein, als das andere Zeugs“, meinte Crow abwertend. Cat sprang auf und lief durch das Haus. Sie hopste vergnügt die Treppen hoch und öffnete ihre Zimmertür. Das Chaos kam ihr entgegen, Blöcke lagen auf dem Tisch verstreut, die Kleidungsstücke lagen schlampig im gesamten Zimmer verstreut. Die Bücher waren irgendwie übereinandergestapelt und Cat musste zuerst ein paar

Utensilien aus dem Weg schaffen, um zu ihnen zu gelangen. Sogleich fand sie das Buch, auf dessen Cover die hungrigen Augen eines Zombies thronten. Cat fröstelte es kurz und sie überlegte, wie man wohl eine Zombieapokalypse überstehen könnte. In diesem Haus wäre man wohl schon ziemlich sicher, insofern alle Killer zur Stelle waren.  Cat hetzte wieder zurück hinunter, gerade als sie an der Eingangstür vorbeirannte, öffnete sich diese und Bird trat ein.

„Du bist schon zurück?“, fragte Cat überrascht. Bird schien schlecht gelaunt zu sein, er knurrte nur etwas unverständlich und schlurfte in das Wohnzimmer. Cat trippelte ihm zögerlich hinterher. Bird blieb unter dem torbogenähnlichen Raumteiler stehen, Cat stahl sich an ihm vorbei und huschte zu Crow, um sich auf die Lehne des Sessels zu setzten und ihm das Buch zu reichen. Er nahm es ihr aus der Hand, schenkte ihr aber nicht wirklich Beachtung, sondern musterte Bird skeptisch.

„Ist was passiert?“, fragte er ihn schließlich, worauf Bird dem Anschein nach nur gewartet hatte.

„Oh ja… man hat mir meine Zielperson weggeschnappt“ Bird trat näher an Crows Sessel heran, er sah sehr Furcht einflößend aus, was nur Cat zu bemerken schien. Sie wich mit dem Oberkörper ein wenig zurück, aber die Schwerkraft zog sie sogleich hinunter, sodass sie nach hinten kollerte und quer, sobald sie gelandet war, über Crow lag.

„Tschuldigung“, nuschelte sie, wollte sich aufrichten, aber es gelang ihr nicht wirklich. Crow machte auch keine Anstalten ihr zu helfen, er hatte vielmehr Interesse an dem, was Bird passiert war.

„Wirklich? Auch so ein Kerl?“, fragte Crow, seine Augen glitzerten erwartungsvoll. Bird schluckte, kurz verschwand der Ärger.

„Ähm…nein“, antwortete er knapp.

„Aber“, Crow unterbrach sich, seine Miene verzog sich zu einem breiten Grinsen.

„Eine Frau? Eine Frau hat dich fertiggemacht? DICH?“ Crow lachte sich schlapp, was Bird rot anlaufen ließ.

„Das ist nicht witzig, sie war spitzenmäßig…die hätte dich auch fertig gemacht“, verteidigte er sich. Crow hörte schlagartig auf zu lachen.

„Ja…klar“ Endlich gab er Cat Stütze und half ihr aus dieser unbequemen Lage, allerdings ließ er sie gewähren auf seinem Schoß zu sitzen.

„Wie hat sie denn ausgesehen?“, wollte er gleich darauf wissen. Bird tat als müsste er überlegen, dabei hatte er die Dame immer noch genau vor sich.

„Blonde, gelockte Haare, sexy, lange Beine, roten Minirock, freizügiges Top… eine hübsche Frau eben…“

„Oh…die würde ich dann auch gerne mal kennen lernen“, Crow grinste als er sich die Frau vorstellte.

„Aber es geht gar nicht darum, dass sie mich fertiggemacht hat, mir kam die ganze Sache komisch vor und ich bin zum Flughafen gefahren. Sie hat den Aktenkoffer, den ich dorthin bringen sollte, genau derselben Person ausgehändigt! Sie hat meinen Auftrag ausgeführt!“

„Tatsächlich?“, Crow strich sich nachdenklich über das Kinn.

„Es ist in letzter Zeit generell alles ein bisschen merkwürdig“, stellte er schließlich fest.

„Mhm…Muffin benimmt sich auch schon seit ein paar Tagen sehr eigenartig“, stimmte ihm Cat zu. Crow strich eine Strähne ihres braunen Haares aus ihrem Gesicht. Sie hatte nicht wie gewöhnlich ihre schwarze Kappe mit der runden Pilotenbrille auf, sondern trug einen hohen Pferdeschwanz mit einer rosaroten Blume, als Haarschmuck.

„Hübsch bist du heute“, bemerkte Crow, worauf Cat rot anlief und kaum einen Dank hervorbrachte. Misery überdrehte die Augen, sowas hatte Crow zu ihr noch nie gesagt.

„Irgendetwas stimmt hier nicht“, fuhr Crow schließlich fort und sah unverwandt zu Bird, der nur stumm nickte.

„Wir sollten herausfinden was“, schlug Bird mit einem seltsamen Unterton vor, der nicht wirklich etwas Gutes zu bedeuten hatte. Er löste in Cat ein beunruhigendes Gefühl aus. Sie schluckte und starrte Crow an, der ihr sanft über die rosige Wange strich. Er war so seltsam liebevoll zu ihr, dass sie es kaum wagte sich in irgendeiner Weise zu rühren. Sein frommes Lächeln nahm gespenstische, gar bösartige Züge an und er pflichtete Bird bei: „Oh ja… das sollten wir!“

 

Fortsetzung folgt

Kapitel 9

 

Kopfschmerzen, Übelkeit, Bewegungsunfähigkeit, irgendetwas lief nicht, wie es laufen sollte. Nightmare bekam kaum Luft, der Raum war so stickig, es war heiß, kochend heiß. Das Atmen fiel so schwer, so als ob man ihm ganz langsam ein Kopfkissen auf sein Gesicht drückte. Er zitterte, die Wunde brannte unerträglich, die Glieder waren schwerer als Blei, er konnte kaum seine Arme heben. Cat hatte ihn schon seit zwei Tagen nicht mehr besucht, wollte sie nicht zu ihm, oder durfte sie nicht? Die Tür öffnete sich, ein fahles Licht fiel in den finsteren Raum, der durch die Jalousien und Vorhänge abgedunkelt war. Kein Fenster war geöffnet worden, um frische Luft zu zuführen. Langsam drehte Nightmare seinen Kopf Richtung Tür, um die Person zu identifizieren, die hereingetreten war und die Tür leise wieder schloss.

„Muffin“, ächzte Nightmare, als er den jungen Mann erkannte, der langsam an sein Bett herantrat.

„Du siehst beschissen aus“, stellte Muffin ungerührt fest.

„Ich fühl mich auch nicht besser.“ Muffin lächelte sanft.

„Keine Sorge…bald wirst du ruhig schlafen… tief und fest…lange Zeit.“ Nightmare starrte zu Muffin und erblickte erst jetzt den kleinen Koffer den er bei sich hatte.

„Wa…was machst du?“, fragte er, als er zusah, wie Muffin den Koffer auf den Tisch legte und eine Spritze mit einer gelblichen Flüssigkeit füllte.

„Die Spritze, die dir Cat gegeben hat, hat deinen Zustand herbeigeführt. Es war ein wirkungsvolles Gift, dass dich auf eine ungute Weise ruhigstellt.“

„Warum…ruhigstellen?“

„Sonst würdest du niemals zulassen, dass ich dich jetzt für immer und ewig ruhig stelle.“ Muffin ging wieder an Nightmares Bett zurück, der die Augen aufriss.

„D…du willst mich töten?“

„Gut erkannt“, entgegnete Muffin sarkastisch.

„Wa…warum?“ Muffin musterte Nightmare mit ernstem Blick.

„Der Fehler von Bösewichten in den Filmen ist es, immer dem Helden ihre Pläne auf die Nase zu binden, also werde ich das unterlassen!“ Muffin setzte sie Spritze an Nightmares Arm an, der sich so gut es ging wehrte.

„Nein…lass das!“, plärrte Nightmare hysterisch. Die Angst vor Spritzen und dem Tod war gewaltig.

„Sei ruhig, verdammt!“, knurrte Muffin, wollte die Spritze erneut ansetzten, allerdings rollte sich Nightmare mit gesamter Kraft vom Bett.

„Du Idiot! Das nützt dir gar nichts!“

„HILFE!“ Plötzlich schwang dir Tür auf.

„Was geht hier vor?“ Muffin drehte sich überrascht um, als er Andys Stimme vernahm. Andy erblickte die Spritze, sah zu Muffin, anschließend zu Nightmare, der am Boden lag.

„Was zum Teufel…hast du vor?“, die letzten Worte hatte Andy mehr gebrüllt, als sonst irgendetwas.

„Er will mich umbringen“, ächzte Nightmare, wollte sich wegrobben, aber es gelang ihm nicht. Sogleich erschienen noch weitere Personen am Schauplatz. Crow, Bird und Misery wurden von Cat angeführt.

„Oh mein Gott!“, Cat stürmte in den Raum, um Nightmare beizustehen.

„Cat nicht“, wollte Andy rufen, aber es kam wie es kommen musste, Muffin packte das Mädchen und hielt ihr drohend die Spritze an die Halsschlagader.

„Einer bewegt sich, einer macht irgendeinen Unsinn und sie stirbt…verstanden?“, Muffin schnaubte nervös. Crows Augen wurden zu Schlitzen.

„Du Drecksack! Lass sie los verdammt!“

„Halt die Klappe, Crow“, zischte Misery.

„Muffin, bitte…“, schluchzte Cat.

„Schnauze“, brachte Muffin sie sogleich zum Schweigen.

„Was hast du denn jetzt vor? Wie willst du denn aus der Lage wieder herauskommen?“, fragte Crow mit einem sehr provokanten Unterton. Muffin schluckte, er atmete schnell, die Luft war so schwül, ihm wurde heiß. Umgeben von fünf Auftragskillern, wobei einer außer Gefecht war, aber was sollte er mit den anderen machen? Drei waren kein so schwerwiegendes Problem, vor allem nicht Misery, Angel und auch Bird waren womöglich eine überwindbare Hürde, aber Crow. Crow war ein Monster, ein Irrer, wütend und gereizt, weil Muffin Cat, ausgerechnet Cat, als Geisel genommen hatte. 

„Geht zurück…m…macht schon…aus dem Weg“, stotterte Muffin. Die anderen starrten ihn ungläubig an.

„Macht schon!“, wetterte Muffin und drückte Cat die Spritze ein wenig in den Hals, sie begann zu bluten und zu weinen, jämmerlich zu schluchzten. Muffin kam es vor, als würde sein Herz zerspringen, er wollte Cat doch gar nichts antun. Niemand hätte es so wenig verdient Schmerzen zu erleiden, wie Cat.

„Oh, du Scheißkerl“, knurrte Crow, sein Lid begann zu zucken, Andy wich sofort vor ihm zurück. Niemand schenkte während Muffins Versuch, Herr über die Lage zu werden, Nightmare Beachtung, der sich mit geballter Kraft zu seinem Nachttisch gezogen hatte. Niemand hatte bemerkt, dass er ein Wurfmesser daraus entnommen hatte und jeder war überrascht, als es durch den Raum zischte und Muffin die Spritze aus der Hand schleuderte. So schnell konnte er gar nicht reagieren, war Crow zu ihm gestürzt und schlug ihm mit der geballten Faust ins Gesicht. Muffin war rücklings zu Boden gefallen durch die Wucht des Schlages. Crow zog ihn am Kragen hoch und drückte ihn gegen die Wand, um ihm nochmals eine zu knallen.

„Du bringst ihn um!“, kreischte Misery, aber keiner wollte sich momentan zwischen Crow und Muffin stellen.

„Was sollte das hä?“ Faustschlag.

„Für wen hältst du dich eigentlich?“ Kinnhacken.

„Was bist du für ein… Dreckschwein?“ Crow versenkte sein Knie in Muffins Weichteile, was den Mann zu Boden sinken ließ. 

„Tadellos entmannt“, bemerkte Bird. Crow wollte weiterhin auf ihn einschlagen, ihn töten, seinen Schädel zertrampeln. Allerdings ging Bird nun dazwischen, Andy hätte das nie gewagt.

„Stopp! Wir wollen doch Infos und kein Matschhirn!“ Crow ließ sich dadurch besänftigen. Bird widmete sich Muffin, der am Boden kniete. Blut quoll ihm aus der Nase aus dem Mund und seine Augen würden wohl sehr bald blau werden.

„Erklär Mal…was hattest du denn vor und warum?“ Muffin antwortete nicht.

„Red schon!“, herrschte Crow und trat Muffin in den Magen, was diesen zusammenkrümmen ließ.

„Lass mal gut sein, Crow!“, tadelte Bird abermals. Crow schnaubte nur abfällig und wandte sich zu Cat, die sich rührend um Nightmare kümmerte. Andy glaubte Enttäuschung in Crows Augen gesehen zu haben, verwarf diesen absurden Gedanken allerdings sofort wieder.

„Muffin“ Muffin starrte bekümmert auf den Boden.

„E…es tut mir leid“, Muffins Augen wurden glasig.

„Aber ihr versteht das doch am besten…es war ein Auftrag…ein dämlicher Auftrag“

***

Eine drückende Stille lag über der Gruppe, die im Esszimmer, am Tisch saß. Nur ab und zu konnte man Muffins Husten vernehmen, der sich einen Eisbeutel an den Kopf hielt und einen im Schritt liegen hatte. Watte steckte ihm in der Nase, um die Blutung zu stoppen, seine Augen waren dunkelblau umrandet und geschwollen. Er atmete geräuschvoll und alle beobachteten ihn, wie er langsam an einem Strohhalm nuckelte, der in einem Glas Wasser steckte. Crow musterte ihn finster und schaukelte mit verschränkten Armen mit seinem Stuhl.

„Jetzt langt es langsam…klär uns endlich auf“, knurrte er schließlich. Cat kam aus der Küche, nahm Muffin den beinahe geschmolzenen Eisbeutel aus der Hand und reichte ihm einen frischen. Sie schien weder wütend, noch enttäuscht zu sein. Sie verhielt sich wie immer, fröhlich, optimistisch, naiv.

„Danke“, nuschelte Muffin. Andy betrachtete den jungen Mann, der sich ab Grund tief zu schämen schien.

„Es gibt eine Wette“, sagte er plötzlich, Crow hörte zu wippen auf, alle lauschten.

„Sandman hat mit einem Konkurrenten eine Wette am Laufen, welche der Organisationen bessere Profis hat…d…die anderen, die euch Schwierigkeiten machen, sind ebenfalls gut ausgebildete Killer“

„Und wer ist deren Auftraggeber?“, wollte Bird wissen.

„Ich…ich hab keine Ahnung, das weiß nur Sandman“

„Diese Schweine, sie spielen uns gegenseitig aus“, schimpfte Dreamer.

„Und warum hattest du den Auftrag Nightmare zu töten?“, fragte Cat plötzlich mit leiser Stimme. Muffin sah zu ihr hoch, sie starrte auf den Fußboden. Erst jetzt wurde Andy klar, dass sich Cat nichts aus sich selbst machte, aber sie war sichtlich enttäuscht, dass Muffin Nightmare hatte töten wollen.

„N…Nightmare hat das Spiel verloren“, murmelte Muffin und atmete schwer aus.

„Wie kann man denn verlieren?“, erkundigte sich Misery.

„Indem man sich von den anderen verletzten lässt, Nightmare hätte es beinahe nicht geschafft zu entkommen, er…“

„So ein Idiot…warum hat er uns denn nichts gesagt?“, wetterte Crow, Muffin unterbrechend.

„Weil er euch nicht belästigen wollte“, verteidigte Cat Nightmare.

„Wenn ich einen dieser Typen in die Finger kriege, dann gibt es keine Jugendfreigabe mehr.“

„Also, wenn wir einen sehen, sollten wir ihn töten, oder möglichst ohne gröbere Verletzungen unseren Auftrag ausführen“, fasste Andy zusammen, Muffin nickte schwach, sein Genick schmerzte.

„Genau“, ächzte er.

„Muffin?“, Muffin sah zu Cat, die ihm einen verzweifelten Blick zuwarf.

„Er wird doch wieder gesund…oder?“

„In meinem Büro sind Tabletten, die entgiften ihn.“ Crows Augen funkelten gefährlich.

„Woher wissen wir, dass du nicht wieder lügst, Freundchen?“

„Crow bitte“, Sugar warf Crow einen schrägen Blick zu.

„Muffin hat sich entschuldigt, ich denke er sagt die Wahrheit…wir sollten das Beste aus dieser Situation machen.“ Dreamer knallte mit den flachen Händen auf den Tisch.

„Seid ihr irre? Sandman lässt uns quasi abschlachten und ihr wollt gar nichts unternehmen? Ihr wollt sogar eure Aufträge weiter ausführen…habt ihr keinen Stolz?“ Crow zuckte mit den Schultern.

„Ist doch egal ob wir nun einen mehr oder weniger töten“, meinte er gleichgültig.

„Für dich vielleicht, du bist ja ein Massenmörder, du killst alles was einen Puls hat, du schlachtest einfach nur ab, dir wird wahrscheinlich keiner dieser Typen über den Weg laufen, die haben nämlich Prinzipen, die töten keine Kinder, so wie du! Du bist der größte Abschaum, Crow, du hast doch noch nie so etwas gefühlt, wie Mitleid. Du machst mich krank, ihr macht mich krank…macht nur so weiter…ich hab die Schnauze voll… von mir aus hetzt mir einen von euch an den Hals, killt mich, aber ich habe wenigstens den Mut, zu sagen, was ich von diesem ganzen Mist halte!“ Dreamer erhob sich und verließ den Raum. Cat sah erschrocken zu Crow, dessen linkes Lid zuckte, sie wusste er würde aufstehen und Dreamer nach preschen, würde sie nicht sogleich eingreifen. Sie hetzte zu Crow und setzte sich auf seinen Schoß, umschlang seinen Nacken und begann irgendetwas über Töpferkunst zu quasseln.

- Gut gemacht, Kleine- dachte Sugar erleichtert und erhob sich langsam.

„Ich…seh mal nach ihr“, erklärte sie kleinlaut und verschwand aus dem Zimmer.

„Und wenn man die Scheibe richtig schnell dreht, dann bekommt man erst wirklich eine schöne Form hin, weil“ „ Cat“, unterbrach Crow sie mit einem dumpfen Unterton.

„Ähm…ja?“, Cat grinste dümmlich. Crow kam mit seinen Lippen dicht an ihr Ohr heran und hauchte:

„Runter von mir“ Cat schluckte.

„Und…und w- wenn man eine Vase formen will, dann“ Crow wurde unruhig, er erhob sich samt dem Mädchen, das Mühe hatte sich an ihm fest zu halten.

„Lass los“, zischte Crow, aber Cat ließ weder von ihm ab, noch hörte sie auf von der Töpferei zu sprechen.

„Ich werde ihr nichts tun, ich schwöre“, versprach Crow plötzlich, was keiner der Anwesenden erwartet hatte.

„Du machst Witze“, sagte Misery verdattert.

„Siehst du mich etwa lachen?“, entgegnete er knurrend.

„Aber sie hat dich gerade als…“

„Ich weiß! Danke Misery, du musst es mir nicht noch einmal sagen!“, plärrte Crow erzürnt. Er schnaubte wütend. Cat hatte ihn bereits losgelassen und stand dicht vor ihm auf dem Boden.

„Tut mir leid“, murmelte Misery verständnislos. Crow schritt los.

„Wo willst du hin?“, rief ihm Cat hinterher.

„Weg“, antwortete Crow knapp.

„Aber, wenn dir so ein Killer auflauert…“, Cat unterbrach sich, als Crow sich umdrehte und ihr einen finsteren Blick zuwarf.

„Hast du nicht aufgepasst, Cat?“

„Ähm…ich wollte nur…“ Sie schluckte und wandte ihren Blick schnell ab.

„Oh schon gut, bei Fragen wende dich an Misery, die hat alles genau gehört!“ Crow verließ den Raum, man hörte die Eingangstür knallen.

„Crow“, flüsterte Cat. Zodiak trat an sie heran und legte ihr die Hände auf die Schultern.

„Ich hoffe das Ganze ist bald vorbei“, sagte er, Cat nickte traurig. Muffin machte sich bemerkbar: „Tut mir leid, dir deine Träume zu zerstören, aber das Ganze, hat erst begonnen!“

***

„Schlafe tief, schlafe fest, bis zum Morgengrauen, ich wache hier, an deinem Bett, du kannst mir vertrauen“, Cat sang leise vor sich hin, während sie Nightmare mit einem feuchten Lappen über die Stirn tupfte. Nightmare schlief, er atmete schwer. Er war so erschöpft gewesen, nach allem was passiert war. Cat seufzte und erhob sich von seinem Bett. Sie hatte die Hunde bellen gehört und sah auf ihre Uhr.

„Oh, die haben bestimmt Hunger“, murmelte Cat und trat aus dem Zimmer, allerdings drehte sie sich noch einmal um, als ob sie sichergehen wollte, dass alles in Ordnung war.

„Schlafe tief…“ Sie fühlte sich schuldig ihm gegenüber. Schließlich hatte sie ihm diese Spritze verabreicht. Sie war es, die ihn so geschwächt hatte und sie hatte vorher auch schon nicht bemerkt, dass es ihm schlecht ging. Sie hätte es bemerken müssen, aber sie hat es nicht. Tränen standen in ihren Augen. 

„Cat kannst du diese Viecher abstellen? Die nerven!“ Cat wischte sich schnell über ihre Augen und wandte sich Misery zu, die am Gang stand und ihren Arm in die Hüfte stemmte. Obwohl sie lieber etwas schnippisch erwidert hätte, lächelte Cat fröhlich und nickte nur. Sie verbarg ihren Hass, Zorn, ihre Traurigkeit immer hinter diesem Lächeln, die beste Tarnung für solche Gefühle. Lächeln und nicken, lächeln und nicken. Sie marschierte die Treppen hinunter und öffnete die Eingangstür, kalte Luft strömte ihr entgegen.

„Brr“, schüttelte sie sich und schloss hinter sich die Tür. Man konnte die Möwen kreischen hören und das Rauschen des Meeres. Die Wellen waren heute besonders hoch. Cat ging um die Villa herum und näherte sich dem großen Zwinger. Eigentlich hatten die Hunde es sehr schön im Zwinger, allerdings würden sie es sicher bevorzugen im Haus mit allen anderen zu sein. Man sagte immer Hunde müssen Familienanschluss haben, aber hier lebte keine Familie. Cat seufzte, auch wenn sie es sich gerne einredete, aber sie hatte eigentlich niemanden. Die Hunde bellten aufgeregt und wedelten vor Freude mit ihrem Schwanz.

„Hallo Jungs“, begrüßte Cat ihre Lieblinge und suchte nach dem Hundefutter, das im Schuppen neben dem Zwinger sein sollte. Sie öffnete eine Dose und schüttete den gesamten Inhalt in einen großen Futternapf, an dem alle Hunde Platz fanden. Cat sperrte die Zwingertür auf und trat in das Innere, des geräumigen Käfigs, die Hunde sammelten sich um sie.

„Platz da…Ed, mach, dass du wegkommst!“ Cat stellte den Futternapf zu Boden, sogleich stürzten sich die Hunde auf das Fressen. Cat lauschte dem Schmatzen und Schlabbern.

„Tja…das einzige Gericht, bei dem nicht Mal ich was falsch machen kann“, murmelte sie und musste spitzbübisch grinsen. Als ob sie nicht wüsste, dass sie keinerlei Kochtalent besaß. Sie lehnte sich an den Zaun und wartete, bis die Hunde endlich fertig waren. Cat überlegte, wo sich wohl Crow im Moment aufhalten würde und ob Dreamer nun wirklich die Organisation verlassen würde.

Jeden Einzelnen kannte Cat, von jedem kannte sie die Lebensgeschichte, warum und wieso, warum waren sie hier, wieso wollten sie diesen Beruf ausüben. Emotionale Krüppel, ausnahmslos jeder war ein Fall für die Psychiatrie, keiner war wirklich normal, sie hatten alle einen Sprung in der Schüssel. Außer Angel, von ihm wusste Cat nun rein gar nichts, sie sprach zu wenig mit ihm. Er schien allerdings anders zu sein, irgendetwas schlummerte in ihm, doch Cat konnte nicht feststellen was. 

Angel war nett, sie konnte ihn gut leiden. Da sie aber nichts von ihm wusste, machte sie sich Sorgen. 

„Hi!“ Cat wirbelte erschrocken herum, als sie die Stimme hörte.

„Boa, du hast mich erschreckt…“, verkündete sie. Crow schmunzelte.

„Hab ich gesehen!“ Cat starrte Crow etwas verunsichert an.

„Bist du noch“, setzte sie an, aber Crow schüttelte gleich den Kopf.

„Nö... war ich nie, stimmt schon was sie gesagt hat!“

„So schlimm…bist du auch wieder nicht, finde ich“, meinte Cat und nahm Ed den Futternapf weg, den dieser noch verzweifelt versuchte auszulecken.

„Danke…aber du musst nicht lügen“ Cat verließ den Käfig, was die Hunde verleitete zu winseln und zu jaulen.

Sie schloss die Tür ab und trat an Crow heran.

„Ich lüge nicht! Wo warst du denn?“, fragte sie mit großen Augen.

„Spazieren“, antwortete dieser. Cat runzelte die Stirn.

„Dann warst du aber ziemlich lang unterwegs.“

„Ja und?“

„Nichts und, schadet dir eh nicht“, erwiderte Cat ungerührt.

„Sei nicht so frech, Kätzchen“, knurrte Crow. 

„Ich bin nicht frech…sondern ehrlich!“

„Ah ja…“ Die beiden standen sich stumm gegenüber. Cat fröstelte. Sie beobachtete Crow, wie er zum Zwinger ging und die Hunde durch das Gitter streichelte. Insgeheim tat er ihr leid. Das einzige, das er im Griff zu haben schien war das Töten. Die Entscheidung darüber, ob er jemanden das Leben nahm, oder nicht. Und wenn er die Chance hatte, dann entschied er sich wohl immer für ersteres. Cat fragte sich manchmal, ob Crow jemanden nochmal so lieben könnte, wie seine Schwester. Und selbst, wenn in ihm diese Gefühle aufkommen wollten, ob er sie nicht verdrängte, sie zurück in ihr Gefängnis sperrte. Crow kam sehr früh in die Organisation. Ziemlich am Anfang, als sie gegründet wurde. Sugar, Zodiak und natürlich Muffin waren die ersten die hier in der Villa aufgetaucht waren. Cat war damals zehn Jahre alt gewesen.

Als Crow nach einiger Zeit zur Villa gekommen war, waren alle sehr überrascht gewesen, denn Sandman höchstpersönlich brachte ihn her und lobte ihn in höchsten Tönen. Noch bevor Crow hier angefangen hatte, hatte er schon einige Menschen auf dem Gewissen. Irgendwie musste er sich ja durchschlagen. Wie es dazu kam, dass er Sandman über den Weg gelaufen war, konnte nicht einmal er recht erklären. Es war wohl ein Zufall gewesen.

Damals, sprach Crow mit ihr kein Wort und mit den anderen nur das Nötigste, allerdings hatte er sein jähzorniges Gemüt schon. Er sah manchmal Cat so an, als würde er sie auffressen wollen, versuchte sie allein mit seinem Blick nervös zu machen, was ihm auch gelang. Cat fand ihn einfach unheimlich.  Eines Tages waren alle der Killer ausgeflogen und Cat hatte einen Tag völlig für sich, dachte sie zumindest, doch plötzlich stand Crow in der Tür und wollte wissen, was es denn zu essen gäbe. Cat war damals völlig perplex gewesen, da Crow sicher über drei Monate gar nicht mit ihr gesprochen hatte. Damals hatte Cat noch gar nicht gekocht, sondern Miss Marple. Keiner wusste, wie sie wirklich hieß, denn man konnte kein einziges Wort verstehen, wenn sie sprach. Das hing damit zusammen, dass sie ein völlig entstelltes Gesicht hatte, aber kochen, kochen konnte Miss Marple. Cat war gerne mit ihr zusammen. Sie machten gemeinsam die Hausarbeit, bis Miss Marple eines Tages verschwunden war. Spurlos, ohne auf Wiedersehen zu sagen. Cat war sehr betrübt darüber gewesen. Miss Marple war die einzige gewesen, die sich mit ihr beschäftigt hatte, die anderen hatten einfach keine Zeit. An diesem einen Tag allerdings, war Crow hier und Cat fasste sich ein Herz und quetschte ihn förmlich aus und er war gar nicht so ungut zu ihr und gefressen hatte er sie auch nicht, obwohl sie ihm natürlich nichts kochen konnte. Er erzählte ihr die grauenhafte Geschichte über seine Familie, obwohl Cat so jung war. Es schockierte sie und doch blieb sie immer der Mensch, der sie schon immer gewesen war. Sie glaubte nach wie vor an das Gute in jedem Menschen, manchmal ist es einfach nur tief in ihm drin verborgen. 

„Kommst du mit rein?“, wollte Cat wissen, Crow schien zu überlegen.

„Weiß nicht, wirklich Lust hab ich nicht.“ Crow erhielt von Cat einen auffordernden Stoß.

„Komm schon, es ist doch saukalt hier!“  

„Du hast zu wenig an, deshalb ist dir kalt!“

„Bitte geh mit, du musst doch noch das Buch lesen“, bettelte Cat und zog an Crows Arm.

„Okay, okay“, gab er nach und ließ sich von einer erfreuten Cat mitziehen.

„Crow, was isst du denn am liebsten?“, erkundigte sich Cat.

„Oh lass gut sein, du musst mir nicht extra was kochen“, versuchte Crow die verschriene Köchin abzuwimmeln.

„Ich WILL dir aber extra was kochen, sag schon“, forderte Cat mit reschem Unterton. 

„Ähm…Lasagne?“ Crow grinste dümmlich. Cat nickte entschlossen.

„Hab ich zwar noch nie gekocht, aber ich werde mich bemühen!“

„Wie…reizend!“ Crow verdrehte genervt die Augen.

„Und dann kannst du das Buch lesen…es ist wirklich spannend!“ Cat hatte sich bei Crow eingehackt und kuschelte sich an seinen Arm.

„Bin ich jetzt der Ersatz für Nightmare, oder was?“, fragte er mit skeptischen Blick.

„Nein wieso?“

„Ach, nur so“, Crow stöhnte.

„Was braucht man denn für eine Lasafine?“

„Lasagne…du weißt normalerweise alles, in jedem Bereich, warum verdammt hast du keine Ahnung vom Kochen?“

„Na hör mal…ich bin doch kein Alleskönner!“ Crow warf Cat einen verständnislosen Blick zu.

„Doch, eigentlich schon.“

„Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen…ich lern das alles schon noch, bald werde ich einen Oscar für besondere Kochkunst erhalten!“

„Einen Oscar bekommen Schauspieler, obwohl du mehr Chancen hast so einen zu bekommen!“

„Wie meinst du das?“

„Eine Köchin zu spielen fällt dir ja nicht schwer!“ Über Crows Lippen huschte ein zynisches Lächeln, als er Cat schmollen sah.

„Du bist gemein!“, murrte sie.

„Uhu, das neue Traumpaar“, unterbrach Misery das Gespräch zwischen den beiden.

„Schon die Flitterwochen geplant?“, sie zog an ihrer Zigarette und hauchte den Rauch in die Luft.

„Schnauze“, knurrte Crow und wollte an ihr vorbei.

„Voll erwischt, was Crow?“, Misery grinste selbstgefällig. Crow wandte sich ihr zu, mit einem überaus charmanten Lächeln, das Cat bei ihm noch nie gesehen hatte.

„Wieso mit Prinzessin Cat tanzen, wenn ich die Königin haben kann, oder?“ Misery musterte Crow überrascht.

„Was…wie meinst du das denn?“ Crow pirschte sich nah an Misery heran. Misery wurde ganz mulmig zumute. 

„Na ja, sagen wir so ich steh mehr auf Blondinen!“ Crow nahm Misery die Zigarette aus der Hand und kam ihr mit seinen Lippen ganz nah. Misery stockte der Atem. Cat wusste nicht recht, was sie davon halten sollte, als sie sah, dass Crow die Zigarette an Miserys Haar hielt und sie somit ansengte. Auch Misery bemerkte schließlich Crows böses Spiel.

„Hey spinnst du?“, rastete sie aus.

„Ups…wie ungeschickt“, sagte Crow und zog Cat mit sich in die Villa, um dem Flüchehagel auszuweichen.

„Das war ganz schön fies…sie steht doch so auf ihre Haare“, bemerkte Cat.

„Rauchen ist schädlich“, erwiderte Crow verächtlich.

„Ja, aber doch nicht für die Haare, oder?“

„Ich hab echt keine Lust mit dir darüber zu diskutieren!“, erklärte er genervt.

„Okay… ich muss jetzt sowieso nach Nightmare sehen, lies das Buch…uh ein Kochbuch muss ich auch suchen, wegen dem Rezept!“

„Du musst wirklich nicht…“

„Ah, die Wäsche ist auch noch nicht gebügelt, ich habe echt viel zu viel zu tun… bis dann Crow“, Cat winkte Crow und sprang die Stufen hoch zu den Zimmern, um Nightmare zu besuchen.

„Ja…bis dann“, knurrte Crow und schlenderte durch den Gang. Als er Muffins Stimme in dessen Büro vernahm, blieb er stehen.

„Oh…ja, Crow? Wie Sie wollen…natürlich…nein es gibt keine Probleme…niemand...nein niemand weiß etwas… er ist…beseitigt…ja beseitigt.“ Crow wollte gerade davon stiefeln, als er bemerkte, dass Muffins Gespräch mit Sandman vorüber war, allerdings ging sofort die Tür auf und Muffin starrte Crow verwundert an.

„W…was machst du denn hier?“, fragte Muffin vorsichtig.

„Was machst DU denn hier?“, konterte Crow.

„Das ist mein Büro“, entgegnete Muffin. Crow musterte ihn. Vielleicht hatte er es doch ein wenig übertrieben. Muffin sah wirklich furchtbar aus.

„Ähm…läuft wieder alles…richtig?“, Crows Blick fiel auf Muffins Schritt, der erst dadurch verstand was er meinte.

„Oh ja…kein Thema!“

„Das ist wohl jetzt…das peinlichste Gespräch, das ich überhaupt geführt habe“, bekannte Crow, was Muffin schmunzeln ließ.

„Du hast wohl schon gehört, dass du einen neuen Auftrag hast?“

„Ähm…ja…Tschuldigung!“ 

„Schon in Ordnung, du bekommst diesmal eine Zielperson, ganz für dich allein!“

„Wow“, stöhnte Crow sarkastisch. Er konnte sich vorstellen, wie langweilig dieser Auftrag sein würde und alles nur, weil Nightmare nicht aufgepasst hatte.

„Hier…das ist sie“, Muffin reichte Crow ein Bild, der anerkennend nickte, als er es betrachtete.

„Hübsches Mädchen!“

„Sei bitte nicht zu grob…mach es schnell und schmerzlos, ja?“, bat Muffin, was Crow verleitete bösartig zu grinsen.

„Ich bin doch nie grob…“

„Das habe ich ja wohl anders erlebt“, meinte Muffin, das Blau um seine Augen war in ein Gelbviolett übergegangen.

„Tut mir leid, ich war ein wenig… aufgebracht!“

„Ja…ein wenig und ich kann verstehen warum. Ich hätte euch einfach alles erzählen sollen…ich habe Cat in Gefahr gebracht und sie enttäuscht!“ Muffin seufzte.

„Vergiss es, versuchen wir, dass alles so wie früher wird“, sprach Crow. 

„Wo finde ich sie denn am ehesten?“, wechselte Crow schnell wieder das Thema auf die Zielperson.

„Im Romanze…das ist schon eine etwas noblere Gegend, du solltest dich anpassen.“

„Gut, mach ich!“

„Fabelhaft, dann…gehe ich wieder…an die Arbeit!“

„Mach das…“ Muffin verschwand wieder in seinem Büro. Crow atmete erleichtert auf, um gleich darauf verächtlich zu schnauben: „Anpassen…tz…als ob ich nicht nobel genug wäre.“ 

Kapitel 10

 

„Jetzt halt still…so kann ich doch den Knoten nicht binden!“, schimpfte Cat und zupfte an der weinroten Krawatte um Crows Hals.

„Diese Sachen sind unbequem“, murrte dieser und wippte ungeduldig mit seinem Fuß.

„Schon mal den Spruch gehört, wer keiner Fliege was zu Leide tut, kann auch keine Krawatte binden?“, Cat kicherte leise.

„Sehr lustig“, knurrte Crow. Cat lachte.

„Oder den…höchste Vorsicht sei geboten, wenn Sie Krawatten gordisch knoten…“

„Cat“, stöhnte Crow. 

„So fertig!“, rief Cat und zog Crow noch den Kragen zu Recht.

„Wow…du siehst richtig…gut aus“, bemerkte sie. Crow trug einen schwarzen Anzug, Cat hatte ihm die Haare mit Gel fixiert, sodass er auch, sollte er in einen Regenguss geraten, perfekt gestylt war.

„Ich seh immer gut aus“, erwiderte Crow, was Cat schmunzeln ließ. Crow starrte in den Spiegel.

„Meinst du nicht, dass ich ein wenig overdressed bin?“

„Oh nein…ich hab mich erkundigt über das Romanze, ein richtiger Nobelclub, man darf nur mit Krawatte oder Fliege rein, die Frauen müssen Cocktailkleider tragen. Es ist ein großes Gebäude. Im Eingangsbereich liegt die Bar, dann gibt es eine Lounge, wo man sich ungestört unterhalten kann, bei nicht zu lauter Musik und dann gibt es auch einen Pool im Obergeschoss und eine Veranda, die zu einem Pavillon führt, der umgeben ist von einem bezaubernden Garten mit Springbrunnen. Und ganz oben sind die Zimmer für…du weißt schon was…“ Cat wurde leicht rot.

„Nein weiß ich nicht wofür denn?“, grinste Crow, da er Cat aus der Reserve locken wollte. Sie warf ihm einen tödlichen Blick zu.

„Komm, sei nicht so gemein!“ 

„Na, du wirst jetzt bald achtzehn…du musst langsam die Erwachsenensprache lernen, Cat!“ 

„Aber nicht heute“, erwiderte sie trocken. 

„Und für wen putzt du dich jetzt immer so heraus? Doch nicht etwa für mich?“, fragte Crow plötzlich und wuschelte Cat durch ihre Haare. Immer öfter sah man sie nun ohne ihre Kappe und der Pilotenbrille herumlaufen.

„Nicht…nein!“, kiekte sie und wich vor Crow zurück, um sich ihre Frisur wieder glatt zu streichen. 

„D…du hast gesagt, ich würde damit hübsch aussehen“, murmelte sie und verharrte letztendlich vor dem Spiegel, um sich zu betrachten. Crow trat dicht hinter sie. Sie sah seinem Spiegelbild in die Augen. Der Bernsteinglanz in ihnen war sehr schön, faszinierende Gold und Kupfertöne vereint. Crow war ihr so nah gekommen, dass sie seine Wärme spüren konnte. Cat schluckte, ihr wurde ganz komisch.

„Stimmt doch auch“, sprach er und grinste schelmisch, denn er liebte es Cat mit dieser Art durcheinander zu bringen. Mit so etwas konnte sie nicht umgehen.

„Du bist beinahe…“, er legte seine Hände auf ihre Schultern und beugte sich zu ihr hinab, um ihr ins Ohr weiter zu flüstern:“ Noch süßer, als sonst!“

„Oh, Crow…ich weiß genau, dass du mich nur necken willst…das ist fies von dir“, rief Cat plötzlich und wandte sich um, um Crow einen giftigen Blick zu zu werfen.

„Ach meinst du?“, entgegnete er, ohne vor ihr zurück zu weichen, was sie eigentlich erwartet hatte. Stattdessen machte Crow einen Schritt auf sie zu, worauf Cat zurück stolperte und sich gegen den Spiegel drückte. Er strich ihr sanft über die Wange. 

„Du bist…gemein“, hauchte Cat abermals und konnte Crow nun kaum in die Augen sehen. Sie wusste, dass er ihre Unsicherheit genoss. Solche Dinge hatte Crow schon öfter abgezogen, da er Cat gut genug kannte, um zu wissen, wie er sie mit Leichtigkeit aus der Fassung brachte. Kein anderer konnte das so, wie er, beziehungsweise erfreute sich sonst auch niemand daran. Cat musste sich immer wieder eingestehen, dass Crow doch eine gewisse Macht über sie besaß. Sie kannte zwar seine Spielchen, aber er erfand immer wieder neue, verwirrende Wege dafür. 

„Du wirst erwachsen, Cat! Langsam kann ich einfach nicht mehr das zehnjährige Mädchen in dir sehen, sondern eine Frau…“, er fasste ihr an die Hüfte.

„Mit all ihren Vorzügen!“ Warum Cat sich nicht rühren konnte, wie gelähmt war, wenn Crow sie anfasste, wusste sie selbst nicht recht. Wenn er es wirklich gewollt hätte, hätte sich Cat wohl nicht wehren können, sie hätte es wahrscheinlich einfach über sich ergehen lassen, so ausgeliefert war sie ihm. Aber Crow spielte nur, das war ihr klar, deshalb gab es keinen Grund, sich darüber Gedanken zu machen. 

„Wenn du dabei so blutrünstig, wie bei deinem Job bist, na dann gute Nacht!“, konterte Cat schließlich. Crow lachte kurz auf, packte Cat auch mit der zweiten Hand, um sie fest an seinen Rumpf zu ziehen.

„Na, das ließe sich hier doch ganz schnell herausfinden“, raunte er ihr zu. Crow schob seine Finger zwischen Cats Hosenbund und ihrem Gesäß. Sie sah erschrocken zu ihm auf. Seine Augen glitzerten merkwürdig. So weit war er nun noch nie gegangen und ihr steckte vor lauter Aufregung, wieder ein Kloß im Hals.

„Du könntest dich…“, seine Hände rutschten tiefer und Cat fühlte ihren Pulsschlag in der Kehle pochen.

„Gerne von meinen Qualitäten überzeugen“, Crow grinste sadistisch, als er bemerkte, wie eingeschüchtert Cat war, wie ihre Muskeln sich anspannten, wie sie kaum wagte zu atmen und ihre Augen ihn so groß und voller Ungewissheit anstarrten. Er fand es spannend, dass sie nicht mal irgendein Wort über die Lippen brachte, war sie doch sonst so geschwätzig.

„Aber leider muss ich jetzt los…“, sagte er plötzlich und ließ schlagartig von ihr ab. Cats unsichtbare Ketten und Knebel lösten sich abrupt. Sie atmete erleichtert auf, als hätte man sie aus Houdinis chinesischer Wasserfolterzelle befreit. Sie suchte nun ein wenig Abstand zu Crow, der sich nochmals begutachtete und an seinen Haaren herum zupfte. Cat beobachtete ihn scheu dabei. 

„Wie kommst du denn ins Romanze?“, fragte sie, als wäre nie etwas zwischen ihnen vorgefallen. Sie versuchte ihre momentane Aufgewühltheit zu vertuschen.

„Taxi“, meinte Crow knapp und sah auf seine Uhr.

„So…bis dann, Kätzchen, danke!“ Kätzchen, so nannte er sie immer, wenn er sie geärgert hatte. Crow grinste selbstgefällig, weil Cat seinen Blick kaum erwidern konnte.

„Gern geschehen“, murmelte sie.  

Crow ging auf die Badezimmertür zu, um es zu verlassen. Bevor er sie allerdings hinter sich schloss, öffnete er die Tür noch einmal um mit einem Augenzwinkern zu sagen:

„Aber hey…später hätte ich sehr viel Zeit für dich, um dir bei deiner Frauwerdung behilflich zu sein!“

„Oh du…verschwinde endlich!“, kläffte Cat zornig und warf den Badeschwamm Richtung Crow, der kichernd die Tür zu zog. 

Cat fröstelte es schließlich, da es ihr eiskalt über den Rücken lief. Sie hatte richtige Gänsehaut und gleichzeitig war sie wütend auf sich selbst, dass sie sich immer wieder von Crow so beherrschen ließ. Cat wollte es sich, als er seinen Spaß beendete, nicht anmerken lassen, aber wie Crow sich heute verhalten hatte, beängstigte sie doch etwas mehr. Wie weit würde er wohl das nächste Mal gehen? Sie musste endlich lernen, sich ihm zu widersetzen, seine Späße waren nicht mehr so harmlos wie einst, das hatte sie nun begriffen. Womöglich hatte er sich ein anderes Mal nicht mehr im Griff, weil ihn die Situation aufheizte. Cat merkte nun erst, wie verschwitzt sie war. Natürlich ließ sie Crows unglaublich gutes Aussehen nicht kalt. Auch seine, zwar nur gespielte, Begierde nicht, aber dennoch sagte ihr Herz, dass es falsch war, dass es lieber in die Arme eines anderen wollte.  Cat bezweifelte ohnehin, dass Crow es jemals mit einer Frau ernst meinen könnte. Sie beruhigte sich endlich, es würde nicht mehr passieren, Crow würde es nicht übertreiben. Er würde sich nun nicht wieder so schnell an sie heranpirschen, denn er ließ ihr eigentlich immer genug Zeit, sich wieder zu sammeln und zu fassen, um dann wieder unerwartet zu zu schlagen. Nein, Crow würde niemals die Beherrschung in diesem bösen Spiel verlieren, dazu vergnügte er sich viel zu gern auf diese Weise mit seinem Kätzchen. 

Crow verließ das Badezimmer und wollte die Treppen hinuntersteigen, als er ein anerkennendes Pfeifen vernahm. Er drehte sich genervt um und erkannte Misery.

„Sexy“, grinste sie.

„Ja…gute Nacht“, murmelte Crow und trabte die Treppen hinunter. Misery sah ihm mit finsterem Blick hinter her. Sie hasste es, dass Crow so abweisend zu ihr war. Er war so unfreundlich und gehässig, wenn er mit ihr sprach, das konnte sie beinahe nicht ertragen. Crow seufzte, als er die Villa verließ. Misery hatte seine gute Laune, die er eben noch Dank Cat hatte, wieder in den

Keller manövriert. Misery würde sich wohl so einen Umgang, den er mit Cat hin und wieder pflegte, wünschen. Das reizte Crow allerdings nicht, gerade Cats Verklemmtheit war das Lustige an der Sache.

Das Kätzchen aus der Reserve locken, es mit Anziehung und Sexualität konfrontieren, das naive Ding und dann seine Reaktion beobachten, das gefiel Crow.  Zugegeben, dieses Mal hatte er sie schon ziemlich in die Mangel genommen, vielleicht war er auch ein bisschen zu weit gegangen. Jetzt mussten sich die Wogen wohl erst wieder glätten, denn er hatte nun doch, durch seine letzteren Berührungen, ein Tabu gebrochen. Aber es war in diesem Moment einfach zu verlockend gewesen, er wollte wissen, wie weit sie ihn gehen ließ. Offenbar weiter, als er gedacht hatte, da Cat sich weder wehrte, noch was sagte. Sie hätte sich einfach entziehen können, so fest hatte er sie nun auch wieder nicht gehalten.  Wie sie danach immer versuchte ihre Gefühle zu überspielen, dabei kannte er sie zu lange, um nicht zu bemerken, wie durch den Wind sie war. Seinetwegen, weil sie ihn trotz der gemeinsamen Zeit immer noch fürchtete, wie einst das kleine Mädchen, das sie einmal war. 

Natürlich wusste Crow, wie sehr er Cat damit quälte, aber genau das brachte ihn auf Touren. Dennoch stand es ihm nicht im Sinn, tatsächlich intim mit ihr zu werden. Das würde sich bestimmt falsch anfühlen und womöglich würde er damit seine Beziehung zu Cat völlig zerstören.  Außerdem wusste er, dass Cat mit Leib und Seele Nightmare verfallen war, ob das nun besser war, als in ihn verknallt zu sein, ließ er dahingestellt. Crow wollte lediglich sehen, wie sehr er ihre Gefühlswelt beeinflussen konnte, mit seinen Handlungen. Misery hingegen hing in ihrer Schwärmerei für ihn fest, wie ein pubertierendes Teeniegirl. Einerseits schmeichelte ihm diese Verehrung, die sie schon am ersten Tag zeigte, aber andererseits interessierte es ihn nicht in irgendeiner Weise darauf einzugehen. Im Gegenteil, es verursachte sogar, dass er Misery auf Distanz hielt, denn er machte die Spielregeln und er kam auf jemanden zu, wenn er es wollte, nicht umgekehrt. Ärgern ließ er sich auch ungern, das hatte diese dumme Nuss nur noch nicht verinnerlicht. Sie schoss sich ständig selber mit ihrer Art ins Aus. 

Misery war eine verzogene, arrogante Göre, die viel zu viel von sich hielt. Er wusste nicht einmal wofür sie in der Organisation war, bekam sie doch nie Aufträge. Der einzige an den sich Crow erinnern konnte war der Auftrag mit ihm zusammen gewesen, wo sie gänzlich versagt hatte. Rumgeheult und geflennt, schlimmer als Angel. Er hatte sich damals wirklich zurückhalten müssen, denn am liebsten hätte er ihr einfach den Hals umgedreht. Eigentlich hatte er gehofft, dass sie schon beim Training so versagen würde, dass es erst gar nicht zum Auftrag für sie kam. Umso mehr hatte Crow geflucht, als er erfuhr, dass sie ihn begleiten würde.  Crow stapfte gelangweilt über den Schotterweg und erreichte das Tor, das sich öffnete, als er näherkam und sich sofort wieder schloss, als er durchgetreten war. Eigentlich hatte Crow keine Lust auf diesen Auftrag, er fühlte sich weder in einem Anzug wohl, noch würde er sich in einem Club in der Oberschicht wohl fühlen. Dieser Auftrag war nichts für ihn. Er konnte doch tatsächlich nur mit einer Stichwaffe arbeiten, obwohl er seine Shuriken lieber mochte, keiner würde wissen auf welches Konto diese Frau kam. Die Krähe würde niemand verdächtigen, kannten die Leute aus dieser Gesellschaft Crow doch kaum, vielleicht hatten wenige von ihm gehört, aber es interessierte sie nicht. Crow erreichte den Hafen, wo das Taxi bereits auf ihn wartete.

„Abend“, grüßte der Fahrer, als Crow einstieg.

„Mhm…“

„Schick…wo soll’s denn hingehen?“

„Romanze!“

„Ah, da würde ich auch mal gerne rein, die Weiber sollen ja mehr als scharf sein!“

„Weiß nicht, war noch nie dort!“

„Also was ich von den Fahrgästen gehört hab, soll das der angesagteste Club sein.“

„Dort sind bestimmt … viele Menschen“, murmelte Crow.

„Darauf können Sie wetten“, der Fahrer lachte.

„Und so wie ich Sie einschätze, werden Sie bald von den Weibern umringt sein!“

„Ach meinen Sie“, Crows Augen funkelten.

„Ja klar… so wie Sie sich raus geputzt haben. Nobel, nobel muss man schon sagen!“ Crow wusste darauf nichts zu antworten, er ließ den Fahrer einfach plappern. Es war seltsam mit anzusehen, wie sich die Gegend schlagartig veränderte. Von den Slums zu den gewaltigen Wolkenkratzern in die Innenstadt, wo viele schöne Wagen standen und die Menschen in teurer Kleidung unterwegs waren. Sie lachten, schienen fröhlich zu sein. Kein Wunder, wenn man genug Geld besaß, war es nicht schwierig glücklich zu sein. Auch Crow war an diesem Abend einer von ihnen. Schöne Kleidung, viel Geld in den Taschen und gutaussehend, wobei Crow sich sein Äußeres nicht erkauft hatte, wie die Dame, die Crow beinahe nieder gerammt hatte. Sie hatte sich ganz offensichtlich die Nase richten lassen, sie passte einfach nicht zum Rest von ihr und war so begradigt, dass sie wirkte, als hätte sie sie von einer Schaufensterpuppe.

„Verzeihung, junger Mann, ich habe Sie nicht gesehen“, sagte sie mit einem hochnäsigen Unterton.

- Sollte sich besser eine Brille kaufen, anstatt einer neuen Nase- dachte Crow gereizt. Aber er hielt sich zurück, dies laut auszusprechen, lächelte stattdessen charmant und meinte.

„Nicht der Rede wert, schönen Abend noch Madame.“ Er ging seiner Wege, nachdem er dem Taxifahrer die Fahrt bezahlt hatte. Crow stiefelte zum Eingang des Clubs. In windschiefer, verschnörkelter Schrift stand Romanze über den breiten Flügeltüren, an denen zwei muskelbepackte Männer standen, die für die Sicherheit zuständig waren. Sie hielten Crow auf und fragten ihn unhöflich nach seinem Namen. Muffin hatte Crow einen Decknamen gegeben, der nun auf der Liste stand.

„Aron Colins“, antwortete Crow blitzartig. Der Mann sah auf seine Liste.

„Willkommen im Romanze, Mister Colins, genießen Sie Ihren Aufenthalt!“

„Ja…danke“ Crow trat ein, der Club war randvoll, ob er dort seine Zielperson so leicht finden würde, wusste er nicht.

„Wär viel einfacher, wenn ich einfach alle kille“, murmelte Crow und stellte sich erst einmal an die Bar, um die Lage zu überschauen.

„Was möchten Sie trinken?“, diese Frage kam zu plötzlich für Crow.

„Ähm…ähm…“

„Er trinkt einen Wodka Martini, so wie ich!“ Crow sah die junge Frau etwas erleichtert an, weil sie ihm die Entscheidung abgenommen hatte.

„Kommt sofort!“

„Öhm…danke…“ Crow lächelte dümmlich. Die Frau hatte schwarzes Haar, das sie zu einer kunstvollen Frisur hochgesteckt hatte. In ihrem Haar steckte eine große weiße Blüte, die farblich mit ihrem eng anliegenden Cocktailkleid abgestimmt war.

„Charlotte Finnigen, freut mich!“

„Aron Colins…ebenfalls!“

„Ich habe Sie hier noch nie gesehen…neu in der Stadt?“

„Ähm…ja, ja“, Crow nickte, seine Augen funkelten.

„So zwei Wodka Martini!“ Crow wollte bezahlen, aber die Dame bestand darauf, dass sie die Rechnung übernahm, schließlich habe sie ihn eingeladen.

„Wollen wir in die Lounge, ich kann kaum noch stehen…nicht vom Alkohol bedingt, eher…diese Schuhe, die sind neu, sehen Sie Mal…“ Sie zog ihr Kleid hoch, ein geschickter Schachzug, um Crow ihre langen Beine zu zeigen.

„Schön“, sagte Crow knapp.

„Gehen wir?“, fragte sie mit einem leichten Lächeln auf ihren roten Lippen.

„Ja, gern.“ Crow gewährte Charlotte sich einzuhängen und sie schlängelten sich durch die Menge in einen Raum, wo große gemütliche Ledersessel und Lederbänke um Tische standen. Charlotte wählte einen Tisch, an dem nur zwei Sessel standen. Sie setzte sich stöhnend und rieb sich erschöpft ihre Beine.

„Herrlich, wissen Sie, ich bin alleine hier und es sieht nicht besonders aus, wenn man sich allein hier hinsetzt, aber Gott sei Dank sind Sie hier aufgetaucht!“ Crow grinste kurz, Charlotte erzählte ihm etwas, aber er ließ sich zu sehr von den beiden Frauen ablenken, die schon so betrunken waren, dass sie einen Striptease hinlegten. Allerdings wurden sie von dem Sicherheitspersonal fortgeschickt, als es für Crow erst wirklich interessant wurde.

„Nun Aron…“, Charlotte hatte Crows Decknamen sehr stark betont, da er aber nicht gewohnt war mit diesem Namen angesprochen zu werden, reagierte Crow auch nicht.

„Aron?“, Charlotte berührte ihn leicht an der Schulter.

„Ja…Verzeihung“, Crow lächelte freundlich. Charlotte hob skeptisch eine Augenbraue.

„Na klar…würden Sie mich kurz entschuldigen, ich möchte mich frisch machen…nicht weg laufen…“

„Sie auch nicht!“ Charlotte grinste entzückt.

„Würde ich doch niemals“, lachte sie, Crow erwiderte ihr Lächeln, sie schritt davon.

- Wenn du wüsstest wer ich bin, dann würdest du- Crow lehnte sich entspannt zurück. Es hatte doch seine Vorteile ein hübscher Mann zu sein und eine Frau als Zielperson zu haben. Das schöne Mädchen von dem Bild, war ihm doch glatt in die Arme gelaufen.

„Hey hast du Mal…eine Zigarette?“, die Frau die Crow gefragt hatte schwankte bereits gewaltig und ihr Blick war schon etwas getrübt.

„Nein“, antwortete Crow. 

„Kann ich mich setzen?“, fragte sie lallend.

„Ähm, also eigentlich…“ Bevor Crow nach weiteren Erklärungen suchen konnte, trat ein Mann an die Frau heran.

„Komm schon Beth, du hattest genug für heute!“

„Lass mich los…du…Schwuchtel“, die Frau riss sich los und stürzte benommen zu Boden.

„Glotzt nicht so!“, plärrte sie, als sie sich taumelnd aufraffte und torkelnd die Lounge verließ. Der Mann folgte Beth. Crow sah den beiden verdutzt hinterher und fragte sich insgeheim, wie man sich nur so betrinken konnte.

„Da bin ich wieder“, Charlotte lächelte breit. Sie wirkte plötzlich verändert. Crow bemerkte es dadurch, dass sich Charlotte ungehemmt auf seinen Schoß setzte und begann ihm über seinen Oberkörper zu streichen.

„Wow…das nenn ich mal einen…einen Mann!“ Sie warf ihm einen lüsternen Blick zu.

„Geht es Ihnen gut?“, fragte Crow, was Charlotte nur zu belustigen schien.

„Oh ja, mir geht’s hervorragend…du kannst mich ruhig duzten, Aron.“ Sie presste ihre Brust an Crows. Crow musterte die Frau misstrauisch, konnte man sich innerhalb so weniger Minuten wirklich von Grund auf verändern, was das Verhalten und die Zurückhaltung anbetraf?

„Wollen wir nicht nach oben verschwinden…ganz nach oben?“

„Und ganz oben sind die Zimmer für…du weißt schon was“

- Aber hallo- Crow zuckte gleichgültig die Schultern.

„Na gut!“ Nicht einen einzigen Moment dachte Crow daran, sein Verlangen nach dieser Frau zu befriedigen, er sah diesen nächsten Akt nur als Vorteil für die Ausführung seines Auftrages. Keine Zeugen, keine Probleme. Crow ließ sich von Charlotte mitziehen, die den Weg offenbar nur zu gut kannte. War dies auch der Grund warum sie sterben musste, normalerweise hätte Muffin nichts erwähnt, hätte Crow sich nicht erkundigt. Charlotte Finnigen, war eine Liebelei von Sandman gewesen. Er durfte scheinbar mehr als eine Affäre haben, aber wehe eine seiner Frauen hatte einen anderen. Crow war dies eigentlich im Grunde egal, in seinen Augen war es allerdings ein lächerlicher Grund, aber Auftrag war eben Auftrag und er hatte die Pflicht diesen Auftrag auszuführen.

„Nehmen wir das?“, Charlotte deutete gleich auf die erste Tür, Crow nickte und sie drehte das Zeichen an der Tür um auf dem Herzen stand nun „Besetzt“. Charlotte huschte in den Raum, zog Crow mit sich und begann damit, sobald die Tür geschlossen war, ihm das Hemd aufzuknöpfen.

„Mach mal halblang, Mädchen“, knurrte Crow und stieß sie von sich weg. Sie knickte mit ihrem Stöckel um und landete unsanft auf ihrem Gesäß. Sie sah ein wenig erschrocken zu Crow auf, der die Tür zu sperrte, damit niemand unaufgefordert hereinplatzte und inspizierte das Zimmer.

„Oh, ich steh auf harte Männer“, sagte Charlotte mit verruchtem Unterton.

„Schön für dich“, entgegnete Crow barsch und trat an das Bett heran.

„Fang nicht ohne mich an“, Charlotte hüpfte durch das Zimmer, um so schnell wie möglich zum Bett zu gelangen und dabei auch gleich ihre Schuhe auszuziehen. Sie wollte Crow in die Arme springen, aber dieser hielt sie unsanft davon ab und warf sie vor sich auf das Bett.

„Hier, da ist alles drin für sicheren Verkehr“, Charlotte warf Crow ihre Tasche zu, er starrte kurz hinein und erblickte ein Fläschchen voller Pillen. Drogen. Das erklärte Charlottes plötzliches Verhalten. Crows Lid begann zu zucken.

„Wie kannst du dein Leben nur so wegwerfen?“, fragte er schlagartig, was Charlotte stutzig machte.

„W…wie meinst du“, sie unterbrach sich, als Crow ihr das Fläschchen entgegenhielt.

„Oh das…das sind doch nur ein paar Tabletten gegen meine Hemmungen“, erklärte sie stockend. Crow sah sie ungerührt an.

„Ein paar Hemmungen zu haben, wäre gar nicht so schlecht für dich gewesen!“

„W…was?“ Crow packte Charlotte am Arm und zog sie an sich heran.

„D…du tust mir weh“, wimmerte sie verängstigt.

„Ich dachte du stehst auf so was“, zischte Crow.

„Hör…bitte auf!“

„Weißt du, vorhin dachte ich noch, es wäre vielleicht doch schade um dich, aber jetzt…machst du mich nur noch krank!“

„W…was tust du…du machst mir Angst!“ Charlotte versuchte sich verzweifelt aus Crows Gewalt zu entwinden, aber sie war zu schwach, um sich zu befreien. Ihre Augen wurden größer, als Crow das scharfe Messer hervorzog.

„Nein Hil…“, Crow drückte Charlotte auf das Bett und hielt ihr den Mund zu.

„Man hat mir gesagt ich soll es möglichst gewaltfrei und schmerzlos machen, wenn du allerdings so ein Theater machst, kann ich das womöglich nicht einhalten!“ Die Wimperntusche der jungen Frau war verschmiert durch die Tränen, die sie weinte. Sie versuchte etwas zu sagen, aber Crow nahm seine Hand nicht von ihrem Mund.

„Ganz ruhig…du wirst kaum etwas spüren, lass mich nur machen!“ Crow grinste bösartig. Ihm gefiel es überlegen zu sein, egal ob Mann oder Frau, die Macht über einen Menschen zu haben, war eines der schönsten Gefühle. Crow setzte das Messer an Charlottes Kehle, die Frau begann sich heftig zu wehren.

„Halt still…sonst kommen wir doch nie zum Höhepunkt!“ Charlotte schloss die Augen, sie hatte sich damit abgefunden, wäre sie doch niemals auf diesen Mann zu gegangen, hätte sie ihn doch niemals angesprochen, hätte sie bloß keine Drogen genommen und wäre sie doch nicht mit ihm in ein Zimmer verschwunden. Sie sagte etwas, das Crow natürlich nicht verstehen konnte. Es war allerdings in so einer ruhigen Tonlage, dass er neugierig wurde.

„Was…willst du etwa noch was sagen?“, er ließ ein wenig von ihr ab. Sie schluchzte erbärmlich.

„Was hast du gesagt?“, forschte Crow.

„Es…tut mir…leid…so leid, ich hab es wirklich nicht verdient auf dieser Welt zu sein, ich bin so dumm… ich hab mein Leben für nichts vergeudet, ich bin ein

Flittchen, drogenabhängig und ich habe ein

Alkoholproblem...ich bin schrecklich, töte mich...bring mich um…tu es!“ Charlotte schloss ihre Augen abermals, wartend auf den tödlichen Schnitt.

- Schnell und schmerzlos-

Kapitel 11

„Und dann am Schluss wird das geweihte Land durch Simbas Regentschaft wieder wunderschön und er und Nala bekommen ein Löwenbaby und wie schon am Anfang versammeln sich alle Tiere und Rafiki hält das Neugeborene in die Luft, damit es alle sehen können…und so hört er auf, so toll sag ich dir, das ist einer meiner Lieblingsfilme, den musst du dir unbedingt einmal ansehen, wirklich!“ Andy seufzte erleichtert, als Cat endlich fertig war ihm den ganzen Film König der Löwen ausführlich zu erzählen. Sie hatte ihm sogar alle Lieder vorgesungen.

„Du hast es so lebhaft erzählt, ich muss ihn gar nicht mehr sehen“, entgegnete er schließlich, was Cat zu entrüsten schien.

„Blödsinn, man stellt sich das nie so toll vor, wie der Film eigentlich ist!“ 

„Na ja, vielleicht seh ich ihn mal an… wenn es sich irgendwie einrichten lässt“, beschwichtigte Andy. Cat warf ihm den zweiten grünen Socken zu, den er gerade suchte. Die beiden legten Wäsche zusammen, da Andy sowieso nicht wirklich etwas zu tun hatte, hatte er Cat angeboten zu helfen, was sie dankend angenommen hatte. Er begleitete sie eigentlich schon den ganzen Tag Die beiden waren zuvor in der Werkstatt gewesen. Interessiert hatte Andy ihr zugesehen, wie Cat Crows Wurfsterne anfertigte. 

Cat hatte ihn über seinen Auftrag ausgefragt und er hatte ihr alles erzählt, auch wie er sich fühlte und sie war so verständnisvoll. 

„Crow ist schon lange aus, hm?“, murmelte Andy, Cat nickte.

„Das ist ein ungewohnter Auftrag für ihn“, meinte sie dazu.

„Hattet ihr vorhin Ärger? Ich meine…ich hab dich quietschen gehört, im Badezimmer!“ Cat sah Andy zuerst verwundert an, dann lachte sie.

„Ach nein…“, sie lächelte und arbeitete weiter.

„Crow kann ungut sein... weißt du, ich, ich tu mir schwer mit... einem gewissen Thema, verstehst du? Ich kann nicht darüber reden, nicht einmal irgendetwas benennen oder sowas und wenn es ein anderer tut, dann werde ich rot", sagte sie anschließend.

„Oh, dieses Thema meinst du!", grinste Andy. Cat angelte nach einem schwarzen Socken.

„Und da ärgert er mich immer wieder damit... er kommt mir so nah und macht Andeutungen... dann bin ich verwirrt und erst gestern ging er sehr weit…"

„Aber er ist noch nie zu weit gegangen, oder?", fragte Andy und legte ein rosarotes Sockenpaar zusammen.

„Oh Gott nein, nein aber...", Cat unterbrach sich.

„Aber?", hakte Andy nach.

„Ich könnte mich nicht dagegen wehren... ich bin gelähmt, wenn er mich anfasst, er könnte alles mit mir machen, wenn er es wollte", seufzte sie und ließ ihre Hände sinken.

„Hast du Angst davor, dass er das ausnutzen könnte?", auch Andy hatte seine Arbeit unterbrochen und sah Cat erwartungsvoll an. Sie sah von den Socken auf und lachte plötzlich verlegen.

„Ach nein... Ich bin doch gar nicht sein Typ, Crow steht auf Frauen mit großen Brüsten!" Sie knüllte die Socken zusammen und warf sie in den Korb zurück. 

„Außerdem müssen sie stark sein, damit er ihren Willen brechen kann, hat er mir mal gesagt. So ein flachbrüstiges Kätzchen, wie ich es bin, interessiert ihn nicht, meinte er!" Andy musterte Cat. Sie war niedlich und auch hübsch. Unter der Kappe sah man nie, dass sie eigentlich einen Pony hatte und ihre Haare lang waren. Seit sie öfters die andere Frisur trug, wirkte sie auch erwachsener. Aber Andy mochte das Kindliche an ihr. Sie war so fröhlich und herzensgut, das konnte er gut leiden. 

„Demnach musst du dir also keine Sorgen machen? Aber wieso belästigt er dich dann?" Cat zuckte mit den Schultern.

„Wahrscheinlich gefällt es ihm einfach nur mich zu ärgern und das funktioniert so am besten... als ich alt genug wurde, um keine Angst mehr nur durch seine Anwesenheit zu haben, hat er sich eben was Neues einfallen lassen! Dieser Sadist!"

„Aber eigentlich bist du doch stark, Cat!" Cat sah Andy verwundert an.

„So stark, dass du alles überspielen kannst! Selbst Wut...", er schwieg, Cat wandte ihren Blick ab.

„Nein... das ist nicht Stärke... das ist Feigheit!" Cat nahm den Korb hoch, nachdem Andy das letzte Sockenpaar zusammengelegt hatte. Sie trabte so schnell in die Waschküche, dass er Mühe hatte ihr zu folgen. 

„Das ging heute echt Ratzfatz danke, Angel", sagte sie und lächelte zufrieden. 

„Bitte gerne!" Andy ahnte, dass Cat nicht weiterreden wollte. Sie schien sich zu schämen. 

„Wie geht es Nightmare?", fragte er, um das Thema zu wechseln.

„Es geht ihm wieder gut, Gott sei Dank! Ich bin so froh, dass... dass...", Cat überlegte, sie suchte nach den richtigen Worten und gab ihr Vorhaben weiter zu sprechen schließlich auf.

„Du magst ihn sehr, was?", grinste Andy.

„Bist du verknallt?" Cat wurde rot.

„Och... jetzt klingst du ja fast wie Crow!", murmelte sie.

„Nein, tut mir leid, das wollte ich nicht!", rief Andy schnell. Cat lachte und grinste Andy fröhlich an.

„Dir gegenüber, gebe ich es aber viel lieber zu... seit dem ersten Tag als er kam, war ich verliebt. Er sprach noch nie viel, er ist ein ruhiger Typ, aber er war der Einzige, abgesehen von Miss Marple, der von Anfang an nett zu mir war. Von Anfang an... so wie du, Angel!" Sie sah Andy schüchtern an und lächelte so süß, dass er sie beinahe umarmt hätte. 

„Ich mag es sehr, wenn man nett zu mir ist, denn ich denke, dass ich auch nett bin und normalerweise sollte es aus dem Wald so zurückschallen, wie man rein ruft... aber naja... natürlich bin ich auch nervig, das weiß ich doch, aber ich hatte niemanden mehr und ich habe alles getan, damit mich Muffin nicht fort schickte damals!" 

„Du warst zehn richtig?", sagte Andy und Cat nickte.

„Zodiak traf ich nicht oft, aber Sugar und Muffin, waren immer total entnervt und dann kam Crow. Ich hatte wahnsinnige Angst vor ihm. Mit mir sprach er gar nicht und mit den anderen nur das Nötigste. Wenn ich ihm allein im Flur begegnet bin und mich nicht rechtzeitig verstecken konnte, drückte ich mich immer gegen die Wand, völlig verängstigt, wie eine Ratte... er grinste nur..." Cat dachte an den Tag zurück, an dem Crow anfing mit ihr zu spielen. Sie war gerade fünfzehn geworden und war damit beschäftigt, in Crows Zimmer, seine T-Shirts in den Schrank zu räumen. Plötzlich polterte die Zimmertür zu und Cat sah verwundert hin, als sie Crow erblickte.

Oh, du bist schon zurück... ich... ich bin auch schon fertig, bin gleich weg!", sprach sie und wollte schließlich an Crow vorbeischlüpfen. Unerwartet schnappte er sie und warf sie auf sein Bett. Erschrocken sah sie zu ihm hoch.

Ich hab dir noch gar nicht zum Geburtstag gratuliert", raunte er während er sich zu ihr hinab beugte.

Ich hatte da eine schöne Idee!", grinste Crow und fuhr mit seinen Händen an Cats Beinen langsam hoch, um sie plötzlich grob auseinander zu drücken. Sie fühlte sein Becken an ihren Schenkeln und hielt seinem Blick nicht stand. Sie wollte ihren Kopf zur Seite drehen, aber Crow packte ihn und sie musste ihm in seine Augen sehen. Ihr Herz klopfte bis zum Hals. Crow war von einem Auftrag nach Hause gekommen, er trug noch seine befleckte Kleidung und auch in seinem Gesicht waren zahlreiche Blutsprenkel. Cat erschauderte und als er Anstalten machte sie zu küssen, schloss sie ihre Augen. Plötzlich landete etwas dumpf auf ihrer Brust und erschrocken öffnete sie ihre Augen wieder, um daraufhin einem Plüschtier in die seinen zu blicken. 

Alles Gute zum Geburtstag, Cat!", lächelte Crow, er hatte sich wieder erhoben. 

Oh ist der süß! Danke, danke, danke!", rief Cat und herzte das Kuscheltier. Es war Simba, der kleine Löwe aus dem Disneyfilm, den Cat so liebte. Crow musste ihr also zugehört haben, sonst hätte er ihn bestimmt nicht gekauft. Ihre Freude darüber, ließ sie Crows Vorgehensweise schnell wieder vergessen. 

Bitte schön!"

Ich muss ihn den anderen zeigen!", meinte Cat, aber wieder, als sie wegrennen wollte, hielt sie Crow zurück.

Na wirst du wohl warten? Ein einfaches Danke reicht mir nicht!"

Aber, ich... ich dachte... du... du meinst das doch nicht ernst?!" Cat schluckte. Crow grinste selbstgefällig. 

Wenigstens einen Kuss will ich, Kätzchen... einen ordentlichen!

Wa... was heißt denn ordentlich?", fragte sie unschuldig und sah wie Crows Bernsteinaugen funkelten. 

Na mit Zunge!" Cat wurde knallrot, aber sie wollte tun, was Crow verlangte, denn sie wusste, wie wütend er werden konnte. Sie stellte sich auf Zehenspitzen, mit geschlossenen Augen und wollte ihn küssen. Da bekam sie eine Kopfnuss.

Aua!", murmelte sie und stolperte zurück.

Als ob ich dich küssen wollte, kleines, flachbrüstiges, Kätzchen", lachte Crow fröhlich. 

Was? Aber du sagtest doch... Moment, flachbrüstig?", Cat war völlig vor den Kopf gestoßen.

Wie gemein!", wimmerte sie und drückte Simba an sich.

Fünfzehn was? Du alte Socke", sprach Crow und umarmte Cat schließlich fest. Das fühlte sich sehr schön an, von den anderen hatte sie nur einen Händedruck bekommen. 

Oh igitt... du hast ja noch, deine Auftragskleidung an!", kiekte Cat plötzlich und versuchte sich von Crow zu lösen, aber er ließ nicht locker. 

Ach, stell dich nicht so an, du solltest das genießen, Kätzchen!", meinte Crow. 

Aber du stinkst auch!", japste sie und wand sich, aber er war erbarmungslos.

Ein guter Bock muss stinken!", erwiderte er und drückte sie noch heftiger an sich, indem er ihr Gesäß mit der linken Hand umfasste.  

Du...zerquetscht ...mich ja!", ächzte Cat und schlussendlich ließ Crow von ihr ab. 

Puh!", Cat atmete erleichtert auf, sie sah zu Crow der ihr zu zwinkerte. 

Danke, Crow! Dass du... an mich gedacht hast", sagte sie und lächelte ihn an. 

Schon gut... warte hier... das ist auch für dich!" Er ging zum Schrank und öffnete ihn, sodass Cat nicht sehen konnte was er hinter der Tür machte. Er kam wieder zum Vorschein und warf ihr, nur in Boxershorts, seine Klamotten entgegen.

Zum Waschen!", sprach er und musterte sie belustigt, als sie seinen Pullover aufhob. 

Wow danke", grummelte sie sarkastisch und tastete auch nach seiner Hose, während sie fühlte wie noch ein Kleidungsstück auf ihrem Kopf landete. Sie zog sich Crows Boxershorts vom Haupt, sah sie an und dann zu Crow. Kreischend verließ sie das Zimmer. 

„Woran hast du gerade gedacht?", riss Andy sie aus ihren Gedanken. Cat hatte einfach nicht weitergesprochen und bloß gegrinst. 

„Ach... an Unwichtiges!" 

„Es ist schon spät“, stellte er schließlich fest, als er auf die Uhr gesehen hatte.

„Mhm…“

„Arbeitest du immer so spät in die Nacht hinein?“ Cat nickte.

„Sonst hätte ich am nächsten Tag viel zu viel Arbeit“, erklärte sie und reichte Andy einen der Wäschekörbe.

„Das wär mir zu doof“, bekannte Andy und trug zwei Körbe mit gefalteter Wäsche nach oben. Sie mussten die Wäsche nun in die Kleiderschränke einsortieren.

„Das ist nun mal mein Job, mir wär dein Beruf viel zu doof“, schnaubte Cat.

„Ich hab nie gesagt, dass ich meinen Beruf toll finde“, erwiderte Andy Schulter zuckend.

„Ich hatte es angenommen…“

„Ist aber nicht so.“ Cat warf ihre Stirn in Falten.

„Wieso bist du dann hier?“ Andy hob die Augenbrauen.

„Wegen dem Schlafplatz und dem Essen!“ Cat schien zu überlegen. 

„Hm…schön, dass wenigstens dir mein Essen schmeckt“, brummte sie.

„Wer macht den Job denn nur, weil es ihm Spaß macht?“, fragte Andy rhetorisch.

„Crow zum Beispiel“, konterte Cat.

„Es macht ihm nicht Spaß, Cat“, knurrte Andy, da er an das Ereignis in der Kirche dachte.

„Doch macht es!“, flötetet sie.

„Macht es nicht!“ Die beiden warfen sich gegenseitig funkelnde Blicke zu.

„Doch“, beharrte Cat.

„Nein, sonst würde er nicht beich…“, Andy schlug sich schnell die Hände vor den Mund.

„Was würde er nicht?“

„Nichts, nichts…“

- Ich Idiot-

„Sag schon, das interessiert mich“, forderte Cat, aber Andy schüttelte mit dem Kopf.

„Jetzt komm, sonst…“

„Sonst was?“ Cat lächelte siegessicher.

„Sonst kriegst du Probleme, ich bin schließlich Köchin, Putzfrau, Technikerin… du solltest es dir mit mir nicht verscherzen!“ Andy brummte missmutig.

„Du darfst aber niemand sonst etwas davon erzählen, sonst krieg ich Ärger mit Crow!“

„Versprochen“, schwor Cat und lauschte.

„Er geht beichten, in die Kirche, nach seinem Auftrag ist er dort hin, ich bin ihm gefolgt.“

„Ach, das weiß ich doch schon“, sagte Cat gelangweilt, worauf Andy große Augen bekam.

„D…du weißt es“ Andy war sichtlich verwirrt darüber.

„Natürlich“, entgegnete Cat kühl.

„Woher denn?“

„Na von Crow, woher denn sonst? Und nur, weil er beichtet, ändert das nichts an der Tatsache, dass es ihm Freude macht zu töten. Denn das macht es, woher ich das weiß, willst du vielleicht wissen? Von Crow…natürlich“, erklärte Cat, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt. Andy schluckte.

„Er erzählt dir so was?“

„Sie reden alle mit mir, wenn sie etwas loswerden müssen, ich bewahre die Geheimnisse für mich und mir würde auch nichts einfach so herausrutschen, wie dir grade eben!“

„Aha!“ Andy ärgerte sich ein wenig über Cats Worte.

„Irgendwie witzig… ich kenne die Vergangenheit von allen und ganz ehrlich, ich sollte mich wirklich fürchten vor so manchen, aber ich tu es nicht!“

„Crows Vergangenheit ist…abartig“, meinte Andy darauf. Cat nickte.

„Ja…das muss echt schlimm gewesen sein, aber die von Nightmare ist auch nicht ganz so ohne.“

„Was ist denn passiert?“

„Hey, das kann ich dir nun wirklich nicht verraten!“

„Oh ja…Tschuldigung!“

„Und du? Hattest du auch eine schwere Kindheit?“, wechselte Cat geschickt das Thema auf Andy. Dieser runzelte die Stirn.

„Nicht wirklich…ich bin ein Waisenkind und habe meine Eltern nicht einmal gekannt, es war nicht wirklich beschwerlich, wir mussten zwar viel und hart arbeiten, damit wir etwas zu essen hatten, aber mehr war nicht. Mit Achtzehn muss man sich allerdings verabschieden…wegen dem Platzangebot, du verstehst?“ Cat nickte. Sie lachte plötzlich auf.

„Du bist eigentlich ganz normal…du gehörst nicht in dieses Irrenhaus, Angel!“

„Du auch nicht, Cat!“ Die beiden schwiegen sich an. 

„Weißt du…ich kann mich kaum erinnern…es ist als wäre da ein Schatten“, durchbrach Andy die Stille. 

„Was meinst du?“ 

„Ich war zuvor in einem anderen Waisenhaus bis ich sieben Jahre alt war. Es war so furchtbar, Kinder wurden geschlagen, wir wurden gedemütigt und dann war da noch…der Dachboden“, Andy stockte.

„Was war am Dachboden?“, hakte Cat nach.

„Ich…ich weiß nicht so recht, ich meine ich habe mir schon etwas zusammengereimt, aber ob es so war, weiß ich nicht mehr. Ich war nie oben…wurde nie dorthin verschleppt. Aber viele Kinder die nach oben gebracht wurden, kamen entweder gar nicht mehr wieder, oder sie waren nicht dieselben.“ 

„Du meinst…die Heimleiter haben die Kinder missbraucht und getötet?“, sprach Cat aus, was Andy nie konnte. Andys Blick sank auf den Boden.

„Oh Angel, das ist furchtbar“, sagte Cat und nahm seine zitternde Hand. 

„Schon gut…schon gut“, sprach Andy.

„Was ist mit dir…warum bist du hier?“, wollte er schließlich wissen, was Cat ein trauriges Lächeln hervorzauberte.

„Ich bin hierhergekommen, als ich sechs Jahre alt war, es ist schon so lange her, damals war hier alles noch so herrschaftlich, das Gras war nicht vertrocknet, sondern beinahe unnatürlich grün, vor dem Haus stand ein Springbrunnen mit Schildkröten, an den erinnere ich mich noch genau. Meine Mutter sagte, dass wir hier glücklich werden würden. Mein Vater war im Krieg gefallen, ich kann mich kaum an ihn erinnern, ich sehe ihn nur verschwommen, unscharf vor mir…“, Cats Augen wurden glasig.

„Wir sind, nachdem die Nachricht gekommen war, dass er tot ist, hierhergekommen. Mama hat eine Stelle als Putzfrau bekommen in dieser Villa, sie war sehr froh gewesen. Wir hatten eigentlich ein schönes Leben, ich half meiner Mama, wo es nur ging, ich habe die Villa geputzt, gekocht hat sie“ Cat lachte.

„Wenn ich gekocht hätte, hätte man uns bestimmt hinausgeworfen“ Andy musste schmunzeln.

„Es war eine schöne Zeit, bis…bis“ Cats Stimme zitterte.

„Es lag schon am Morgen diese seltsame Stimmung über der Villa, Sir Jacobs, der Mann dem die Villa gehörte, war schlecht gelaunt, er war sonst nie schlecht gelaunt und er war unfreundlich zu mir, obwohl er niemals unhöflich war, er war doch ein waschechter englischer Gentleman gewesen. Und dann in der Nacht geschah es, der Überfall, irgendwelche Männer drangen in das Haus ein und schlachteten sämtliches Personal ab…mein…meine Mama hat mich im Wäscheschacht versteckt, sie sagte ich solle leise sein. Ich hörte die Schreie, die Todesschreie im Schacht besonders gut und plötzlich war es ruhig, alles war still und ich kroch aus dem Schacht. Ich wanderte durch das Haus, alles verwüstet. Ich suchte nach meiner Mama und ich fand sie auch, zitternd am Boden voller Blut. Sie lebte noch und ich weinte, aber sie sagte nur…ich weiß es noch genau wie sie sagte, weine nicht mein Kind, verschwende keine kostbare Zeit damit zu weinen, mach das Beste aus deinem Leben und sei glücklich und fröhlich, wenn du weißt, dass du nicht unglücklich bist…und weißt du was…natürlich weiß ich, dass Sandman dafür verantwortlich ist, er hat die Villa für diese Organisation gebraucht und deshalb musste meine Mama sterben, aber ich bin nicht unglücklich hier…deshalb muss ich auch nicht traurig sein!“ Cat unterbrach sich selbst, als müsste sie eine kurze Gedenkminute für ihre Mutter einhalten.

„Cat?“, fragte Andy vorsichtig. Plötzlich setzte das Mädchen wieder ihr strahlendes Lächeln auf.

„Wenn nur alle glücklich sind, dann bin auch ich zufrieden!“, sprach sie. Andy verstand, dass Cat genau das getan hatte, was ihr ihre Mutter gesagt hatte, sie war fröhlich, obwohl sie es nicht sein wollte, aber da sie hier nicht schlecht lebte, sie nicht allein war und keine wirklichen Sorgen hatte, war sie es eben. Sie unterdrückte die anderen Gefühle, Zorn und Trauer, meisterhaft. Ein wahrer Lebenskünstler ist schon glücklich, wenn er nicht unglücklich ist

***

„Auf Wiedersehen, beehren Sie uns bald wieder!“

„Ja!“ Crow verließ Hals über Kopf das Romanze, es war nur eine Frage der Zeit, bis jemand die Leiche von Charlotte finden würde. Besser, nicht anwesend zu sein, wenn dies geschah. Crow trottete durch die Stadt, warum zum Teufel fühlte er sich so seltsam. Irgendetwas stimmte nicht mit ihm, dieses Gefühl kannte er nicht, er versuchte es so gut es ging zu verdrängen, zu unterdrücken. Die Stadt war so hell, die Lichter der Schaufenster blendeten beinahe, die Scheinwerfer der Autos, die Verzierungen der jeweiligen Clubs. Menschen gingen aus und ein, betrunken und nüchtern. In den Slums hielten sich die Menschen die nachts unterwegs waren nicht unter den brennenden Laternen auf, normalerweise sollte man es sowieso meiden dort in der Dunkelheit auf den Straßen herum zu irren. Crow bog in eine dunkle Seitengasse, ziemlich schwer auf zu finden in diesem Teil der Stadt. Er tauchte in die Dunkelheit und lehnte sich schließlich an die kalte Steinmauer, eine graue Katze leistete ihm Gesellschaft, ob sie wirklich grau war wusste Crow nicht, in der Nacht hatten doch alle Katzen die gleiche Farbe. Crow überlegte, ob er nicht besser zu Fuß nach Hause laufen sollte, er hatte nämlich keine Lust sich mit einem Fahrer zu unterhalten. Gerade wollte er los, als die Katze erschrocken von der Mülltonne hüpfte und in großen Sätzen davonsprang. Crow sah ihr verwundert hinterher, bis er schließlich die Absätze von Stöckelschuhen vernahm, die klackernd näherkamen.

„Alle Achtung, ich dachte als sie so gebettelt hat, dass du Mitleid haben würdest“, sagte eine Frauenstimme und trat an Crow heran, hielt allerdings so weit Abstand zu ihm, dass es für sie nicht gefährlich werden konnte. Crow musterte die Dame, die ein enges schwarzes Trägerkleid trug, schlicht und einfach, aber es hob die blonden Haare in den Vordergrund. Sie waren anscheinend geglättet worden, um die Naturlocken im Griff zu behalten, was nicht ganz funktionierte.

„Siehst du immer den Leuten bei ihren Aktivitäten zu?“, entgegnete Crow mit einem zynischen Lächeln.

„Jeder braucht seinen Kick, die einen killen Menschen, die anderen sehen dabei zu“, konterte die Frau und stützte sich mit ihrem Arm lässig an der Wand ab.

„Aha…und was verschafft mir die Ehre?“

„Ach, ich wollte nur mal sehen, was du so draufhast, wie schon gesagt, ich bin völlig überrascht…ich dachte wirklich du lässt sie laufen!“

„Stand mir nie im Sinn…“

„Also stimmt es, was ich gehört habe. 

Bin ich mal nicht brav gewesen,

Wird sie mir die Leviten lesen.

Darum geb ich immer Acht,

Sonst holt sie mich doch in der Nacht.

Das Letzte ist dann, was ich sehe,

Der schnelle Tod, die schwarze Krähe.“ Crow warf der Frau einen mitleidigen Blick zu. Diesen Kinderreim hatte er das letzte Mal auf einem Spielplatz gehört, an dem er einmal vorbeigelaufen war. Vier Mädchen haben ihn beim Gummiband hüpfen gesungen. Crow war damals sogar stehen geblieben, um ihnen eine Weile zu zusehen. Süße Mädchen waren es gewesen, eines hatte ihn mit seinen dunklen, gelockten Haaren, an Sophie erinnert. Die Kinder spielten ganz allein, ohne Aufsicht. Keine Mutter, kein Vater, der auf sie aufgepasst hatte, in dieser gefährlichen Gegend, was Crow dazu bewegte, solange dort zu warten, bis die Mädchen nach Hause liefen und sogar da war er ihnen noch gefolgt, um sicher zu gehen, dass sie dort auch ankamen. 

Es war komisch gewesen, er wusste gar nicht mehr, warum er das getan hatte, was ihn dazu verleitet hatte. Denn die Kinder lebten offenbar in einem dieser Häuserblocks, nicht anders als jene, die Crow blutgetränkt zurückließ. Es war ein Wohnhaus, wie jedes andere, es hätte durchaus sein nächster Auftrag sein können und er hätte die vier Mädchen getötet. Von dem her hätte es ihm egal sein können, ob sie ihr zu Hause sicher erreichten. 

„Hm jetzt wissen wir beide wer ich bin, aber wer zum Teufel bist du?“, sagte Crow mit gehässigem Unterton.

„Oh Pardon… mein Name ist Chantal und wir beide sind im selben Geschäft“

„Noch nie was von dir gehört“ Chantal lachte kurz auf.

„Ich bin noch nicht lange hier im Geschäft.“ Sie hatte das Wort „hier“ stark betont, was Crow die Frage sprechen ließ, wo sie denn vorher gewesen war.

„Ich war anderorts relativ fleißig“, Chantal lächelte.

„Interessant…du entschuldigst mich, ich will nach Hause…“ Crow wandte Chantal den Rücken zu.

„Mo…Moment“, rief sie ihm hinterher, aber Crow schritt ungerührt weiter.

„HEY! Und wo bleibt meine Krähe?“, brüllte Chantal, ihr blieb beinahe das Herz stehen, als ein Wurfstern an der Mauer abprallte. Sie schluckte, während sie Crow einen entsetzten Blick zuwarf.

„Darfst du behalten, Autogramme gibt’s später!“ Crow, die Krähe, verschwand aus Chantals Blickfeld. Chantals erschrockene Miene nahm bösartige Züge an.

„Deinen Stolz werde ich auch noch brechen“, prophezeite sie und machte, dass sie davonkam.

***

„Wo kommst du denn her?" Überrascht musterte Andy Crow, der ihn fragend anstarrte, als er aus Cats Zimmer trat. Crow war gerade eben von seinem Auftrag zurückgekehrt. Er trug noch den Anzug und wies kaum irgendwelche Spuren eines Auftrages auf. Nicht ungewöhnlich, war es doch nur eine Zielperson gewesen. 

„Ähm... aus Cats Zimmer?!", antwortete Andy.

„Was hast du dort gemacht?"

„Mich mit Cat unterhalten!"

„Und worüber?", in Crows Stimme lag etwas Seltsames.

„Darüber, dass du auf Frauen mit großen Brüsten stehst!", erwiderte Andy genervt, von Crows Fragerei und wollte an ihm vorbeigehen. Dieser fasste ihn allerdings am Arm und sah ihm eindringlich in die Augen. 

„Ich hoffe du lässt deine Finger von ihr..."

„Hey, ganz ruhig... daran hab ich wirklich kein Interesse, außerdem hat sie mir erzählt in wen sie verliebt ist und... ehrlich gesagt hab ich sowieso keine Lust mich mit euch anzulegen, okay?" Über Crows Lippen huschte ein kurzes Lächeln.

„Kluge Entscheidung, Engelchen!" Er ließ von Andy ab. Dieser setzte sich wieder in Bewegung und während er auf sein Zimmer zu ging sagte er noch:" Aber du solltest trotzdem netter zu ihr sein und sie nicht immer so quälen!" Mit diesen Worten verschwand er in seinem Zimmer.

Crows Augen wurden zu Schlitzen. Er riss ohne sich vorher bemerkbar gemacht zu haben, Cats Zimmertür auf. Sie stand nur in Pyjamahose und einem eng anliegenden Top vor ihrem Spiegel und flocht sich einen Seitenzopf.

„Crow?", rief sie verwundert. Er stiefelte auf sie zu und baute sich vor ihr auf, während er sie wütend anstarrte.

„Was hast du ihm denn erzählt?", fragte er forsch.

„Wem was erzählt?" Crow packte sie an den Schultern, sie verzog ihr Gesicht, da sein Griff schmerzte.  

„Angel!"

„Ich... ich hab nur von mir erzählt!"

„Ach ja? Ach ja? Und woher weiß er, dass ich auf große Titten stehe? Und ich soll dich nicht quälen?" Er stieß Cat von sich. Sie stolperte und stürzte auf ihr Hinterteil. 

„Du hast doch keine Ahnung, wie es ist, wenn ich jemanden wirklich quäle!" Cat konnte nichts erwidern, zu sehr schnürte die Angst ihre Kehle zu. Crow war so wütend und je wütender, desto unberechenbarer war er.

„Ich werd's dir zeigen, dann verstehst du den Unterschied!" Cat riss die Augen auf, als Crow sie an den Haaren hochzog und sie anschließend aufs Bett warf. 

„Cr...", ihr blieb der Name im Hals stecken, als Crow ihr Top fasste.

„Ich steh auf alle Titten und deine werde ich so fest anpacken, dass sie blau werden!" Er zog ihr das Kleidungsstück über die Brüste.

„Tut mir leid", kreischte sie und drehte sich mit ganzer Kraft um.

„Tut mir leid! Tut mir leid, dass ich so dumm war und dachte, dass du zu meinem Leben gehörst.... tut mir leid, bitte verzeih mir Crow... ich... ich werde nie wieder etwas von dir und mir erzählen...", Cat schluchzte während sie sich schamvoll ihre Brust bedeckte. Crow hatte innegehalten. Sein Zorn schien verflogen. 

„Tut mir leid...", wimmerte sie immer wieder. 

„Vergib mir", weinte sie und kauerte sich mit dem Kopfpolster ans Bettende zusammen, ohne Crow anzusehen. 

„Cat ich...", Crow unterbrach sich. Sie zuckte zusammen, als er sie sanft berührte.

„Bitte... bitte ver...vergib mir", sprach sie mit zitternder Stimme.

„Tu mir nicht weh, bitte Crow!" Crow presste seine Lippen fest aufeinander, er erhob sich und trat wutschnaubend gegen das Bett. Cat erbebte abermals.

„Zuck nicht zusammen, Cat!", bellte er.

„Reiß dich zusammen!", er zog sie heran und wischte ihr die Tränen mit seinen Daumen aus dem Gesicht.

„Hör auf zu flennen!"

„Ich... kann nicht! Entschuldige!"

„Hör auf dich zu entschuldigen, verdammt noch einmal!", brüllte er sie an. Sie schluckte ihre Trauer hinunter und atmete stoßweise, nur um ihn zu besänftigen, sie sah in die Leere. 

„Besser?", fragte sie leise.

„Ja!", knurrte Crow.

„Und jetzt hör mir zu, du dummes Ding! Wenn du noch einmal so einen Schwachsinn verzapfst von wegen ich würde nicht zu deinem Leben gehören, dann reiß ich dir die Zunge raus, kapiert? Damit du nie wieder so einen Dreck von dir geben kannst, hast du verstanden?" Cat nickte hastig. 

„Du bist so eine blöde Kuh, Cat! Du machst mich ganz fertig mit deiner Dummheit!"

„Tut mir..."

„Oh, WAG es nicht dich nochmal zu entschuldigen!", fuhr Crow Cat an. 

„Crow ich... ich...", Cat stockte, als sie in seine Augen sah. Sie rutschte wieder ans Bettende zurück.

„Was? Red weiter... hab doch nicht so verdammt viel Angst vor mir! Fast sieben Jahre kennen wir uns nun schon und du lebst noch, oder? Noch nie hab ich dir was wirklich Furchtbares angetan und trotzdem..." Crow schlug auf den Bettpfosten, was Cat wieder zucken ließ.

„Trotzdem fürchtest du dich vor mir, warum, Cat? Warum? Vom ersten Tag an

hattest du Angst... ich weiß, wie abscheulich ich bin, aber du hast das noch nie gesehen, also warum?!" Cat sagte nichts darauf.

„Warum?", wollte Crow abermals wissen. Er war leiser geworden, ruhiger. 

„Weil... ich nicht weiß, ob du dein Monster immer kontrollieren kannst... weil ich nicht einschätzen kann, ob du mich genug magst, um mich nicht umzubringen!"

„Das weißt du noch immer nicht? Soll das ein Scherz sein?"

„Was erwartest du denn von mir? Denkst du wirklich ich wüsste nicht, was du mit diesen vielen Menschen machst. Ich weiß doch von dir persönlich, dass du das, was du am meisten geliebt hast, auch getötet hast... warum solltest du also... vor mir Halt machen... dem flachbrüstigen Kätzchen, das dich nicht einmal erregt?" Cat blickte auf das Kopfkissen vor ihr, das ihre nackte Haut versteckte. Schließlich sah sie wieder zu Crow und bemerkte, wie er innerlich wohl kochte. Ihr Blut gefror in den Adern, als sie erblickte, wie sein Augenlid zuckte. 

„Meine Schwester...", presste er zwischen seinen Lippen hervor.

„Du vergleichst dich... mit meiner Schwester?"

„Ich..."

„Halt dein Maul, Cat!", plärrte Crow.

„Halt dein dummes Maul... ich sag dir jetzt was, du hast mich noch nie enttäuscht, so wie sie, du willst dich mit einer Schlampe vergleichen? Einer Inzesthure? Du willst von mir gefickt werden? Willst du, dass ich mein Teil in dich reinschiebe und dich ins Delirium vögle? Willst du, dass ich dir meinen Schwanz ins Maul stopfe und dir mein Sperma reinpumpe? Willst du, dass ich dich anal rannehme und deinen Darm vollspritze? Willst du das? HÄ?!" 

„Nein!", rief Cat und schüttelte wild ihren Kopf, vor Scham über Crows Worte, war ihr gesamter Körper errötet. 

„Dann sag sowas auch nicht, du dämliche Gans! Sei froh, dass mich dein Anblick nicht so erregt, du willst nicht meine Geliebte sein, also halt mir das auch nicht vor!" Crow musterte Cat kurz.

„Und fang jetzt ja nicht wieder an zu heulen!" Cat zog geräuschvoll ihren Rotz hoch. 

„Komm her!", herrschte Crow und Cat ließ den Polster sinken, zog sich schnell ihr Top wieder hoch und kletterte zu Crow, der am anderen Ende des Bettes saß. Er legte seinen Arm um sie. 

„Ich möchte dir sagen...", sein Griff wurde fester, er seufzte.

„Das was ich einst in meiner Schwester sah, Cat, das seh ich jetzt in dir..." Er küsste Cat auf ihre Wange, sie hielt ganz still und lauschte ihm weiter.

„Ich liebe dich so wie einst sie... vielleicht auch ein bisschen mehr... vielleicht denkst du das könnte ich nicht, weil ich ein mordendes Scheusal bin, aber es ist so..." Cat atmete ganz ruhig und fasste nach Crows anderer Hand, die er auf seinen Schoß gelegt hatte.

„Warum bist du dann aber manchmal so böse zu mir, Crow?" Crow schnaubte abfällig.

„Was heißt böse? Ich bin nie böse!"

„Doch bist du!", beharrte Cat, konnte gerade nicht wirklich glauben, dass er das nicht einsah.

„Wann... sag mir ein Beispiel!"

„Als ich den Tintenfisch gekocht hab!", sagte Cat traurig.

„Na... du kannst doch nicht von mir verlangen, dass ich so etwas Widerliches esse!" 

„Und vorhin... warst du... auch so böse", murmelte Cat. Crow verzog seine Miene. Als er Cat an den Haaren gezogen hatte, hatte er ihr sogar ein Büschel rausgerissen.

„Okay ja... ich bin eben so, ihr wisst doch alle, dass ich Choleriker bin!" Er sah Cat in ihre grünen Augen, die ihn anglotzten.

„Was?"

„Ich hab dich auch lieb...ich möchte es dir recht machen und immer wieder lässt du mich auflaufen... immer wieder gibst du mir das Gefühl unzulänglich zu sein... warum ist das so? Du bist sanft zu mir, um mich dann vor den Kopf zu stoßen, wieso?" 

„Weil... ich mit dir spiele!", sprach Crow und sah auf den braunen Holzboden. 

„Aber das tut weh, Crow!"

„Ich weiß... aber ich kann nicht anders." Er ließ seinen Arm, den er um Cat gelegt hatte sinken. 

„Also bin ich deine Marionette? Ich tanze einfach, nur, weil du es willst, weil du der Meister bist und ich dein Püppchen"

„So in der Art, ja... aber... du müsstest nur deine Fäden durchschneiden, damit du frei bist... wenn du das versuchst, werde ich es auch nicht verhindern!" 

„Meine Fäden?" Crow zog Cat auf seinen Schoß und begann langsam das Top von unten nach oben zu schieben. Kurz vor ihren Brüsten hielt er inne.

„Siehst du das meine ich... warum wehrst du dich nicht, sagst Stopp, du sitzt da und lässt es geschehen!" 

„Ich... ich weiß das doch auch nicht", murmelte Cat. Crow betrachtete sie und schließlich zog er etwas an ihrem Shirt, um ihr Dekolleté zu sehen. 

„Wann sagst du Halt, Cat? Wie weit könnte ich gehen, bis du etwas sagst?" Er kam mit seinen Lippen dicht an Cats Haut heran. Sie spürte seinen heißen Atem.

„Wie weit?", flüsterte er und leckte langsam von ihrem Schlüsselbein ihren Hals entlang. Sie presste ihre Lippen zusammen und schloss die Augen, sie hielt still, wie immer. Crow seufzte und ließ seine Hand sinken, das Top rutschte in seine ursprüngliche Form zurück.  

„Bis du das gelernt hast, solange werd ich mein Spiel mit dir treiben, Kätzchen, hast du verstanden?"

„Ja, Crow", entgegnete sie zermürbt und voller Wut auf sich selbst, warum zum Teufel, konnte sie nichts sagen. Warum versagte ihr gesamter Körper, ließ sie einfach ausgeliefert im Stich. 

„Gut und jetzt runter von mir!" Er warf sie wieder auf ihr Bett. 

„Und solltest du heute Nacht feuchte Träume haben, lass es mich wissen!", grinste er und verließ mit diesen Worten das Zimmer. Zurück ließ Crow eine verwirrte Cat, verwirrter als jemals zuvor. 

***

„Hallo?“, flüsterte Cat in das dunkle Zimmer hinein.

„Darf ich…darf ich reinkommen?“ Sie schlüpfte ins Zimmer, ohne zu wissen, ob ihr Erlaubnis erteilt wurde. 

„Was ist los? Es ist spät“, hörte sie Nightmares Stimme sagen. Plötzlich begann Cat zu weinen. Ihr kullerten unzählige Tränen über das Gesicht. 

„Cat? Weinst du etwa?“ Sie hörte das Bett knarzen und erkannte Nightmares Silhouette, die sich in der Dunkelheit erhob. 

„M…mach nicht das Licht an, bitte“, wimmerte Cat. 

„Aber… was hast du denn? Komm her!“ Cat schloss die Tür hinter sich und wandelte durchs Zimmer. 

„Autsch!“, rief sie, als sie sich ihren Zeh an etwas gestoßen hatte. Nightmare seufzte und er verstellte schließlich die Jalousien so, damit der Mond das Zimmer erleuchten konnte. Er sah Cats verweintes Gesicht. 

„Nun sag schon Cat“, sprach er und trat auf sie zu. Er trug nur Unterwäsche. An seiner Seite konnte Cat seine Narbe ausmachen. Schlagartig klammerte sie sich an ihn, sie wollte seine Nähe fühlen.

„C… Crow war am Abend bei mir und… und ich bin so verwirrt… ich kann nicht schlafen“, erzählte sie. Nightmare legte seine Hände um sie und sie durchfuhr so viel Wärme, dass sie weiche Knie bekam. 

„Was hat er denn schon wieder getan, dieser Kotzbrocken? Warum sagst du denn nie etwas? Warum lässt du dir nicht von mir helfen, ich würde ihm das schon austreiben, glaub mir!“ Cat kuschelte sich stärker an Nightmare.

„Ich… ich möchte doch selbst stark sein, aber… aber ich bin nur schwach und… und so dumm…“ Nightmare schob sie von sich, um ihr eindringlich in die verweinten Augen zu sehen.

„Du bist nicht schwach und dumm bist du auch nicht… du unterdrückst nur deine Gefühle, wie immer und wenn sie doch einmal zum Vorschein kommen dann bist du verwirrt… lass sie doch bewusst zu, Cat!“ 

„Aber ihr verdrängt doch auch alle eure Gefühle und ihr seid mutig und willensstark… ich bin nur immer die blöd grinsende, naive Gans!“ 

„Ach Cat… sag doch nicht sowas! Du bist faszinierend und erfrischend… denkst du Crow könnte nicht auch Misery so quälen? Die wäre doch sogar mehr sein Typ, aber er hat dich ausgewählt, weil deine Art interessant ist, er will deine Gefühle raus locken.“

Cat konnte Nightmares Blick nicht weiter standhalten, kurzzeitig hatte sie ihre Tränen unterbrechen können, jetzt tropften sie wieder hinab. Nightmare betrachtete das Häufchen Elend, das vor ihm stand und seine Augen abgewendet hatte. Vorsichtig strich er ihr über ihre Wange und hob ihren Kopf am Kinn sanft an.

„Es quält mich gar nicht immer, was er mit mir macht“, meinte sie plötzlich. 

„Nein, es… es… und deshalb… verwirrt es mich auch so!“ Nightmare lächelte.

„Du bist eben auch nur eine Frau! Du bist so ehrlich… obwohl es mich gerade wahnsinnig macht, zu hören, dass dir Crows Spiele gefallen!“ 

„Ich will das nicht… nur mein Körper sendet mir falsche Signale, das glaubst du mir oder?“ Nightmare küsste Cat auf ihre Stirn und wischte ihre Tränen weg. Viel liebevoller als Crow vorhin. 

„Das sind keine falschen Signale, das sind Lust und Erregung, Cat… auch du bleibst nicht ewig davor gefeit… ich frage mich nur…“ Er ließ von ihr ab und ließ sich auf das Bett fallen, um an die Decke zu starren. 

„Was fragst du dich?“, hakte Cat nach, als er nicht weitersprach. Er grinste sie frech an. 

„Ich frag mich welche Signale dein Körper dir in meiner Anwesenheit gibt!“ Cat kratzte sich verlegen den Oberarm. 

„Das weißt du doch bestimmt“, murmelte sie. Nightmare stand wieder auf und trat auf sie zu, um ihr von den Schultern weg über den Rücken zu streichen und sie anschließend an seinen Körper zu drücken. Es war elektrisierend. 

„Nein, sag es mir!“ Als Cat fühlte, wie ihr Rumpf mit seinem beinahe verschmolz und sie sich klarmachte, dass sie nur dünne Kleidungsstücke trennten bekam sie so weiche Knie, dass sie vor Nightmare zusammen sackte. Sie keuchte und schwitzte, als wäre sie einen Marathon gelaufen. 

„So stark hm?“, Nightmare grinste belustigt. 

„Ihr beide macht mich fertig… ich kann langsam nicht mehr… ihr spielt doch beide bloß mit mir, oder? Wollt ihr mich zerbrechen?“, stöhnte Cat.

Nightmare streckte Cat seine Hand entgegen.

„Los nimm schon!“, sagte er ernst. Als sie tat was er wollte, zog er sie zu sich hoch. Er setzte sich auf das Bett um ungefähr in Augenhöhe mit Cat zu sein.

„Ich hoffe doch wirklich nicht, dass du denkst, du wärst nur mein Spielzeug.“ 

„Ich kann überhaupt nicht mehr klar denken… sei nicht böse auf mich!“

„Bin ich doch nicht…“, Nightmare schüttelte verwirrt seinen Kopf. 

„Ich will euch nur nicht enttäuschen… ich will es besonders dir und Crow nur recht machen… ihr beide… ihr könntet einfach alles verlangen… ich würde es tun…“ 

„Ach tatsächlich? Wie interessant…“ Nightmare strich sich über das Kinn. Cat beobachtete ihn scheu. Er würde das doch jetzt nicht ausnutzen? Hätte sie ihm das besser nicht sagen sollen? Er war nicht Crow, Cat kannte Nightmare nicht so lange wie ihn, die beiden verband nicht Cats Kindheit. Das hatte nämlich in Crows Fall immer ein wenig Schutz bedeutet. Deshalb würde er wohl auch nie den letzten Schritt wagen. Als Cat Nightmare kennen lernte war sie schon ein Teenager und auch wenn sie ihm abgrundtief verfallen war, sie fürchtete sich doch vor seiner Männlichkeit. 

„Das heißt…“, seine Augen funkelten und Cat schluckte. 

„Wenn ich dir nun sagen würde, dass du dich auf mein Bett legen sollst, würdest du es tun?“ Cat nickte und sah bekümmert auf den Boden. 

„Dann mach das doch mal!“ Cat zitterte am ganzen Körper, aber sie tat was Nightmare ihr gesagt hatte. 

„Kannst du dich auch entspannen?“, fragte er, als er bemerkte, wie steif sie war.

„T… tut mir leid ich…“ 

„Schon gut“, beschwichtigte Nightmare.

„So nun liegst du hier und jetzt? Was möchtest du jetzt tun?“, sprach er erwartungsvoll.

„Was ich möchte… ist nicht wichtig“, entgegnete Cat. Plötzlich kniete sich Nightmare über sie und sah ihr tief in die Augen.

 Du würdest mit mir schlafen, Cat? Nur weil ich es wollte? Glaubst du das wäre erfüllend für mich?“ 

„Ich…“

„Ich möchte nicht, dass du mir nur deinen Körper schenkst, ich will nicht nur in ihn eindringen, sondern auch deinen Geist und deine Seele berühren!“ Er legte sich neben sie und starrte wieder an die Decke.

„Ich will keine seelenlose Puppe! Ich bin nicht nekrophil!“ Nightmare seufzte. 

„Aber du solltest endlich lernen, darüber zu sprechen…fangen wir gleich damit an“, sagte er schlagartig. 

„W…was…womit anfangen?“

„Sag mir…machst du es dir selbst?“ Cat starrte Nightmare entsetzt an.

„Hör auf“, flüsterte sie.

„Komm schon, mir kannst du das doch verraten oder?“

„Bitte…“

„Denkst du dabei an Crow, oder an mich, wenn du masturbierst?“ Nightmare beugte sich wieder über Cat und strich ihr einige Strähnen aus dem Gesicht. 

„Ich…kann das nicht“, sie schloss die Augen und ihr Körper war wieder sehr angespannt. 

„Du machst mich ganz scharf, Cat. Aber ich muss jetzt aufhören, sonst vergesse ich mich!“ Er fuhr ihr langsam über die Lippen. Schließlich lächelte Nightmare und ließ von ihr ab.

„Ich hör schon auf“, lachte er.

„W… wirst du das jetzt öfter mit mir machen? So wie Crow?“ 

„Nein warum? Möchtest du das?“ Cat schüttelte mit dem Kopf.

„Ich will, dass du nett bist!“ Nightmare lachte auf. 

„Ich war doch nett…“

„Nein du warst abscheulich“, flüsterte Cat. 

„Oh, tut mir leid, Cat! Du hattest dir wohl etwas Anderes von mir erhofft!“

„Eigentlich… weiß ich gar nicht, was ich mir erhofft hatte… du hast mich doch getröstet, mehr wollte ich auch gar nicht…“ 

„Du hättest mir nicht so viel Macht geben dürfen, damit kann ich schlecht umgehen… jetzt bist du verwirrter als vorher, stimmt‘s?“, Nightmare sah Cat an, sie schien zu überlegen. 

„Ich bin nun entschlossener, als vorher… irgendwann werde ich nicht mehr eure Sklavin sein, dann verliert ihr eure Macht!“, prophezeite sie. Nightmare lächelte.

„Schade… ich hoffe dennoch, dass du dich dann mal aus freien Stücken von mir anfassen lässt“, er kicherte. Wie ein kleiner Junge. 

„Du bist so süß, Cat! Kaum auszuhalten!“ Er streichelte über ihr Haar. Er berührte sie immer so liebevoll, das mochte Cat so gerne. 

„Irgendwann… werde ich bereit sein und… und d… dann bitte ich dich, dass du mich nicht zurückweist!“ 

„Bist du irre? Das würde ich nie machen“, grinste er. Cat erhob sich, sie wollte gehen.

„Warte, einmal möchte ich meine Macht noch auskosten“, rief er ihr nach. Sie wandte sich um und sah sein schelmisches Lächeln auf den Lippen.

„Ich möchte einen Kuss von dir!“ Cats Augen wurden groß.

 „Einen Ordentlichen!“ 

Kapitel 12

 

Cat stand früh am Morgen unter der Dusche. Schon seit Ewigkeiten, das warme Wasser tat gut. Der gestrige Abend und auch die Nacht hatten sie völlig erschöpft und fertiggemacht. Sie seufzte sehr lange. Plötzlich ging die Badezimmertür auf, sie hatte vergessen abzuschließen, wie dumm von ihr. 

„Cat?“, hörte sie Crows Stimme. 

- Oh nein- dachte sie und antwortete: „J… ja… ich dusche!“ 

„Gut, gut ich rasiere mich nur, okay?“ 

„Mhm!“ Sie hörte das Wasser ins Waschbecken plätschern, das Duschwasser wurde dadurch ein wenig kälter.

„Boah hier hat es eine Hitze… wie heiß duscht du denn… der Spiegel ist völlig beschlagen!“, schimpfte Crow.

„Tut mir leid“, bevor sie ihre Hände vor den Mund schlagen konnte, hatte sie die Worte schon gesagt. Der Duschvorhang wurde weggezogen.

„Entschuldigst du dich schon wieder?“ Cat versuchte sich mit dem Duschvorhang zu bedecken.

„Ich…“

„Komm raus da!“, Crow zerrte Cat aus der Dusche.

„Bitte…“ Sie stockte, als Crow sie musterte. 

„Oh, du bist ja richtig hübsch geworden…“, er grinste widerwärtig. 

„Lass mich bitte los“, sagte sie leise.

„Was? Ich hab dich schlecht verstanden… sag das doch lauter!“

„Lass mich bitte… los!“, sie hatte es nicht wirklich lauter gesprochen als vorhin. 

„Bei der Tonlage, kann ich dich nicht ernst nehmen.“ Crow berührte ihre Brüste. Sie waren klein, aber wohlgeformt, genau eine Handvoll. 

„Bin gespannt, ob die noch ein bisschen wachsen… aber wahrscheinlich nicht, was?“ Cat sagte nichts, sie war wieder voller Scham. 

„Was tust du denn hier, Perversling?“, plötzlich war Nightmare im Badezimmer aufgetaucht und war nicht sonderlich erfreut darüber, was Crow gerade mit Cat machte. 

„Nichts… nur Fleischbeschau!“

„Lass sie los?“, herrschte Nightmare.

„Warum sollte ich?“, knurrte Crow. Cat konnte nichts sagen, nicht reagieren, nichts. Sie schämte sich wegen ihrer Unfähigkeit noch mehr. 

„Guck doch… ist sie nicht hübsch geworden, das Kätzchen? Richtig erwachsen…“ Crow hielt Cat nun vor seinem Körper, sie konnte sein erregtes Glied an ihrem Gesäß spüren, dass Nightmare aufgetaucht war gefiel ihm anscheinend sehr. Er fuhr an ihrem Bauch entlang hinunter zu ihrem Geschlecht. Sie kniff die Schenkel zusammen, aber Crow schob seine Finger ungerührt dazwischen und berührte ihre empfindsamste Stelle.

„Oh, da ist jemand aber ganz schön feucht geworden“, lachte Crow.

„Du Bastard!“, Nightmare wollte auf Crow losgehen.

„Moment, Moment… reg dich ab, ich habe da einen Vorschlag… wir haben doch beide Interesse daran, Cat zu einer richtigen Frau zu machen, warum tun wir es dann nicht zusammen… ich überlasse dir auch ihre

Jungfräulichkeit, während ich den Vortritt in ihre Hinterpforte habe, na was sagst du?“ Cat sah Nightmare verzweifelt in die Augen, er schien darüber nachzudenken und das machte ihr Angst. Crow streichelte sie weiter und sie ächzte, seine Berührungen durchfuhren ihren gesamten Körper.

„Das ist nicht dein Ernst oder?“ Crow grinste böse.

„Und ob ich das ernst meine! Na los, du hast doch schon einen Ständer, das nasse Kätzchen erwartet dich!“ Cat zitterte, passierte das gerade tatsächlich?

„Ich…“

„Du willst sie doch… also komm, nochmal biete ich dir das bestimmt nicht an! Ob du es nun tust oder nicht, heute wird Cat gefickt!“ 

„Ja, ich will sie“, sprach Nightmare und trat auf Cat zu. Sie weinte, aber das ignorierte er. Er führte seine Finger ein, während Crow sie an ihrer Rosette penetrierte. Cat wusste sich nicht zu helfen, sie konnte sich nicht gegen die beiden auflehnen, das schaffte sie nicht.  Nightmare öffnete seine Hose und auch das Öffnen von Crows Reißverschluss hörte sie. Sie erblickte Nightmares Gemächt und spürte zugleich Crows Glied an ihrem Hintern.

„Ich heb sie jetzt hoch und dann werden wir die Party gleichzeitig eröffnen“, sagte Crow und hob Cat auf. Doch bevor dies geschehen konnte, schrak Cat aus ihrem Bett, geweckt durch ein Klopfen auf. Sie sah sich benommen um und schüttelte ungläubig ihren Kopf.

„Nur… geträumt“, murmelte sie und rief sogleich: „J-ja bitte?“

„Es ist schon zehn Uhr, wann willst du denn anfangen zu kochen? Das Frühstück hast du ja schon ausfallen lassen!“ Es war Crows Stimme, die durch die Tür drang. Seltsam, dass er nicht reingekommen war. Cat stieg die Hitze auf, als sie an ihren Traum dachte. All die Dinge die Crow gesagt hatte, hatten sich darin verwirklicht. Gestern noch hatte Crow ihr gesagt, dass sie ihm davon berichten sollte, wenn sie so einen Traum haben sollte, aber das hatte sie nicht vor. Sie schüttelte verständnislos ihren Kopf. Was träumte sie nur für Dinge, so etwas Schmutziges und Perverses. 

Nur schnell vergessen und wieder fröhlich sein. 

„Cat?!“, fragte Crow und öffnete die Tür, da sie vergessen hatte ihm zu antworten, so Gedanken versunken wie sie war. 

„Du liegst ja immer noch im Bett“, stellte er mit hochgezogenen Augenbrauen fest. 

„Ja… ich… ich komme gleich!“, grinste sie verlegen.

Crow musterte sie eindringlich. 

„Was ist denn los? Du wirkst, als hätte ich dich bei irgendetwas gestört…“

„Wobei denn? Ich hab doch… geschlafen?“ Über Crows Lippen huschte ein selbstgefälliges Grinsen.

„Und schön geträumt?“ Cat starrte auf den Wecker, den sie vergessen hatte zu stellen und deshalb nicht wach geworden war. 

„Nein… ich träume nicht!“, murrte sie genervt.

„Ach komm schon, Kätzchen… lüg mich doch nicht an! Willst du mir nicht erzählen, was du geträumt hast?“ 

„Nein… du bist der Letzte dem ich es erzählen würde!“, giftete Cat.

„Oho, also bin ich darin vorgekommen, das freut mich aber!“ Cat schnaubte entrüstet.

„Aber jetzt mach dich fertig!“, sagte er schließlich und wollte hinausgehen als Cat ihm hinterherrief: „Warte noch…“ 

Er wandte sich um: „Hm?“

„I… ist Muffin wütend, weil ich zu spät dran bin?“ Crow lächelte ihr fröhlich zu.

„Cat, heute ist dein Geburtstag… das Ausschlafen hast du dir auch mal verdient!“, er verließ das Zimmer und schloss die Tür.

„Gott sei Dank!“, sprach sie und sprang aus dem Bett. Ihr war etwas schwindelig. Sie zog sich schnell an und reckte schlussendlich ihren Kopf aus ihrem Zimmer. Sie wollte niemandem begegnen. Cat schlüpfte ins Badezimmer wusch sich flüchtig das Gesicht und kämmte sich ihre Haare, sie wollte sich den Pferdeschwanz binden, als sie innehielt. Sie betrachtete sich im Spiegel.

„Du bist nicht reif genug dafür“, sagte sie zu sich und setzte sich ihre Kappe mit der Pilotenbrille auf. Zuletzt putzte sie sich ihre Zähne und schminkte ihre Augen. Sie trabte die Stufen hinunter und erreichte das Esszimmer. 

„Alles Gute zum Geburtstag, Cat!“, riefen alle Anwesenden. Ein Kuchen mit einer Katzen -Applikation stand mit achtzehn brennenden Kerzen auf dem Tisch. 

„D… das wär doch nicht nötig gewesen“, meinte Cat schüchtern und lächelte.

„Los du musst die Kerzen ausblasen!“, rief Andy und zog Cat zum Tisch. Ihr Blick traf Nightmares, sie schluckte. Die Erinnerung an gestern Nacht verursachte ein mulmiges Gefühl. Cat war irgendwie verunsichert und auch er schien zu grübeln. Crow war wie immer, als wäre noch nie etwas zwischen den beiden gewesen.

„Eins, Zwei, Drei!“ Cat pustete und alle Kerzen erloschen gleichzeitig.

„Gut geblasen!“, grinste Crow, worauf Cat ihm einen tödlichen Blick schenkte.

„Sind wir dann fertig? Ich hab keinen Bock auf so was Albernes“, maulte Misery und gähnte, wurde aber von den anderen ignoriert.

„Hier Cat für dich! Von uns allen“, Muffin überreichte ihr ein Paket. 

„Ein Spiegel?“, sagte Cat verwundert, als sie es öffnete. 

„Darauf haben alle etwas geschrieben, warum sie dich mögen und schätzen! Das war Angels Idee!“ Mit großen Augen musterte Cat den Spiegel. 

-Du bist immer so fröhlich-

-Dein Klavierspiel ist unvergleichlich-

-Du bist so klug und lustig-

-Du bringst Wärme in diese kalte Umgebung-

-Dein Lächeln macht süchtig-

-Du kümmerst dich perfekt um alles und jeden hier-

-Du bist bezaubernd- 

„V… vielen Dank, das ist ja… so lieb von euch!“, bedankte sich Cat. 

„Heute musst du nicht kochen, Cat! Wir haben etwas vom Italiener geholt!“, sagte Muffin. 

„Oh… das schmeckt auch bestimmt besser“, lächelte sie. 

„Kann man wohl sagen!“, entgegnete Misery.

„Kannst du wenigstens an ihrem Geburtstag mal nett zu ihr sein? Fällt dir das so schwer, Blondi?“, brummte Nightmare und Misery sah ihn überrascht an, um gleich darauf ihre Miene hochnäsig zu verziehen. 

„Pff… an meinem Geburtstag macht ihr nicht so ein Trara, warum sollte ich hier also mitspielen?“ Nightmare seufzte:

„Hoffnungsloser Fall!“

„Komm Cat, du darfst den Kuchen anschneiden!“, rief Muffin und nahm Cat den Spiegel aus der Hand und reichte ihr ein Messer. Es war seltsam, denn heute durfte Cat mit allen am Tisch sitzen. Sie hatten ihr einen Stuhl zwischen Nightmares und Miserys Sitzplatz gestellt. 

„Schade… du trägst wieder deine Kappe!“, meinte Crow mit gespielter Enttäuschung.

„M… meine Haare waren fettig, deshalb!“, log Cat schnell.

„Igitt!“, ekelte sich Misery und rutschte von ihr weg. 

„Achtzehn Jahre… jetzt hast du es geschafft, Cat! Bist jetzt erwachsen!“, sagte Zodiak.

„Ich fühl mich aber nicht erwachsen!“, erwiderte Cat, sie blickte schnell zu Crow, der darauf aber nichts Schweinisches sagte, was sie erleichterte. Aber er grinste, weil er wusste, dass sie das befürchtet hatte. 

„Das kommt schon noch früh genug!“, meinte Zodiak. Nachdem alle gegessen hatten verließ einer nach dem anderen den Raum. Abräumen durfte Cat natürlich schon, aber wie immer half ihr Andy dabei. Nachdem sie sich bedankt hatte und Andy loszog, um ein wenig zu trainieren, machte Cat sich an ihren gewohnten Tagesablauf. Heute musste sie keine Wurfsterne anfertigen, Crow besaß genügend, aber es war wieder jede Menge Dreckwäsche angefallen und auch staubsaugen sollte sie heute. 

Sie kramte gerade in der Abstellkammer nach dem richtigen Staubsaugeraufsatz, als sie angesprochen wurde.

„Hey Cat!“ Sie erschrak und die ganzen Besenstiele und Mobstangen polterten aufeinander und sahen aus wie ein überdimensionaler Mikadohaufen.

„Upsi“, murmelte Cat.

„Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken“, sagte Nightmare und half Cat alles wieder aufzustellen.

„Was gibt‘s?“, fragte Cat und hatte endlich das gefunden nachdem sie gesucht hatte. 

„Ach, eigentlich nichts, ich langweile mich nur!“

„Wirklich? Dann könntest du dich doch nützlich machen und mir helfen!“, sagte sie begeistert. Nightmare verzog seine Miene.

„Naja… ähm… nein danke!“

„Ach, der Mister ist also faul…“, sie gab ihm einen Stoß, lachte aber fröhlich. Sie versuchte nicht an letzte Nacht zu denken. 

„Was willst du dann? Mir nur zusehen oder was?“, fragte sie und drückte sich an ihm vorbei. 

„Das stört dich bestimmt“, meinte er. 

„Nein, eigentlich nicht… aber unnütz ist es“, kicherte sie und zeigte ihm die Zunge. 

„Ja, ja ich weiß… ach weißt du was ich gehe ein wenig spazieren…“, sprach er plötzlich und verschwand so schnell, wie er aufgetaucht war. Cat hatte das Gefühl, dass er ihr etwas sagen wollte, aber er konnte es offenbar nicht. Während sie saugte, dachte sie darüber nach, was Nightmare wohl am Herzen lag. Endlich mit Saugen fertig, war Cat dabei die Wäsche aufzuhängen. Schlagartig tauchte Crow neben ihr auf.

„Los, komm mit!“

„W… warte was…“ Er zerrte sie mit sich, ohne etwas zu sagen und ging mit ihr in sein Zimmer. Als er die Tür schloss sprach er: „Ich halt es nicht mehr aus… sag mir was du geträumt hast?“

„Du zerrst mich den ganzen Weg hier rauf nur wegen des Traumes?“

„Sag‘s mir!“, herrschte Crow. Cat verzog ihre Miene. Plötzlich lachte sie frech: „Nö! Kannst du vergessen!“ Crow sah sie bettelnd an.

„Komm schon… sei nicht so…“

„Was? Gemein? Du bist das doch auch ständig!“ Crow schnaubte entrüstet.

„Aber ich bin ich und du bist du!“

„Hast du vergessen? Ich bin doch jetzt erwachsen und

Erwachsene haben nun mal Geheimnisse!“ 

„Ach, quatsch doch nicht… du bist das gleiche Dummchen, wie immer!“, knurrte Crow.

„Wie charmant, Crow… jetzt erzähle ich dir bestimmt meinen Traum!“, entgegnete Cat sarkastisch. Crow funkelte sie an.

„Ich kann auch andere Mittel einsetzten, damit du es mir sagst“

„Dann mach doch… ich bin gespannt!“ Crow und Cat gifteten sich gegenseitig an. 

„Du bist ganz schön selbstbewusst heute… das gefällt mir irgendwie gar nicht…“, stellte Crow fest. 

„Und irgendwie macht es mich aber geil!“ Cat schluckte kurz, aber sie wollte sich bestimmt nicht unterkriegen lassen. Diesmal würde sie nicht schwach sein. 

„Vielleicht sollte ich dir einfach neuen Stoff zum Träumen liefern, was meinst du?“ Er trat auf Cat zu und drückte sie gegen die Wand. 

„Spür mal, wie hart ich schon bin!“, raunte er ihr zu. 

„Du kannst dich bestimmt noch daran erinnern, dass ich starke Frauen gerne breche…soll ich dir sagen, wie ich das anstelle? Zuerst unterwerfe ich sie und zwinge sie meinen Schwanz zu lutschen, ich schiebe ihn so tief in ihren Rachen hinunter, dass sie fast ersticken…“ Er drückte Cat gewaltsam zu Boden, sodass sie vor ihm kniete.

„Oh, du hast doch glatt die richtige Größe, Kätzchen“, grinste er und drückte ihr sein Becken entgegen. Sie fühlte seinen Körper im Gesicht. 

„Schon gut… hör auf, bitte!“, bat Cat. 

„Erzählst du es mir nun?“, wollte Crow wissen und zog Cat wieder hoch. Sie seufzte und sah in Crows Augen. Mit jedem Jahr, das sie älter geworden war, wurde Crow anscheinend perverser und sie hatte sich dennoch ihr kindliches Verhalten bewahrt, das würde sie sich von ihm nicht nehmen lassen, egal, welche Mittel er auch einzusetzen vermochte.

„D… das kann ich doch nicht… ich kann ja nicht einmal dir zuhören, wie soll ich da sowas selbst erzählen?“, sprach Cat schließlich. Crow schien zu überlegen. 

„Mhm… ich verstehe!“ Seine Miene erhellte sich.

„Schreib es doch auf!“

„Was?“

„Na aufschreiben… das kannst du doch!“ Cat blinzelte konsequent bis sie schließlich zustimmte. So schnell konnte sie gar nicht reagieren, hatte Crow sie schon auf einen Sessel gesetzt und ihr Papier und einen Stift vor die Nase gelegt. Er konnte es wohl wirklich nicht erwarten. 

„Na komm, komm, fang schon an!“, drängte er und schubste Cat.

„Ja schon gut!“ Sie begann zu schreiben und Crow ging ungeduldig im Zimmer auf und ab. 

Nach einiger Zeit hatte sie ihr Traumerlebnis zu Papier gebracht.

„So fer…“

„Gib her!“ Crow riss ihr den Zettel aus der Hand und warf sich aufs Bett. Cat beobachtete scheu seine Mimik während er las. Sie sah wie sich seine Augen weiteten und sein Grinsen immer breiter wurde. 

„Woho… Cat du solltest Autor werden… wärst du jetzt nicht hier gewesen, ich hätte mir einen runtergeholt! Schade, dass du nicht zu Ende geträumt hast“

„Daran warst du schuld“, erwiderte Cat.

„Warst du feucht, als du aufgewacht bist?“

„Bis dann, Crow!“, sagte sie und trabte durch das Zimmer.

„Ach komm schon… sei doch nicht so verklemmt“, hörte sie ihn noch lachen, als sie die Tür hinter sich zu zog. Sie fühlte sich irgendwie befreit. Es hatte gutgetan, sich diesen Traum von der Seele geschrieben zu haben, auch wenn Crow es gelesen hatte und sie wahrscheinlich damit aufziehen würde. 

***

Cat schlich ins Wohnzimmer. Crow saß in seinem Ohrensessel und las, während Misery auf der Couch lag, einmal gelangweilt an die Decke starrte und einmal einen genervten Blick zu Crow warf, der sie nicht beachtete. Selbst wenn sie abfällig schnaufte. Sie bemerkte Cat.

„Wie siehst du denn aus?", wollte sie wissen und rümpfte die Nase. Neugierig ließ Crow sein Buch sinken und musterte ebenfalls Cat. 

„Ich hab Ed gebürstet... ich suche die Fusselrolle!", antwortete Cat. Sie war mit weißen Haaren übersät.  

„Hättest du deine Klamotten nicht einfach ausziehen können?", sprach Misery verächtlich. 

„Ja Cat... zieh dich aus!", gluckste Crow. Cat grummelte und warf Crow einen finsteren Blick zu.

„Ähm... nein ich muss das zuerst abrollen, das geht nun mal besser, wenn man alles noch anhat und dann kann ich es erst waschen... sonst sehen eure Klamotten auch so aus, das wär fatal!" 

„Aha...", gähnte Misery gelangweilt. Cat trat auf die Kommode zu und durchwühlte sie. Sie fand eine ungeöffnete Fusselrolle, die alte blieb wohl verschwunden. Sie ging zurück ins Vorhaus und rollte die Haare ab, die hartnäckig waren, was Cat leise fluchen ließ. 

„Diese verflixten Haare!", rief sie.

„Soll ich dir helfen?", hörte sie Crow aus dem Wohnzimmer flöten. Cat stellte sich kurz vor, wie Crow das wohl anstellen würde. 

„Nein, nein, danke, das krieg ich schon hin!", entgegnete sie schnell und wurde in ihrem Tun energischer. Schlussendlich konnte sie ihren Pullover und die Leggins in die Waschmaschine werfen. Sie sah sich um und entdeckte eine Short, die sie überzog. Das T-Shirt, mit einer schwarzen Katze darauf, hatte sie unter dem Pullover getragen. Sie hopste die Stufen hoch und betrat wieder das Wohnzimmer. Beide, Crow und Misery befanden sich unverändert darin. 

„Habt ihr was dagegen, wenn ich..."

„Ja haben wir!", unterbrach sie Misery. Cat sah betreten zu Boden.

„Wenn du was?", wollte Crow stattdessen wissen. 

„Ach ist egal", beschwichtigte Cat. 

„Sag schon", zischte Crow. 

„Ich wollte ein wenig Klavierspielen, wenn es euch nicht stört!"

„Nur zu!", sprach Crow und las weiter.

„Mich stört es aber!", kläffte Misery. Crow ließ sein Buch sinken. 

„Wobei? Während du an die Decke starrst, oder mich angiftest? Sei nicht so eine verdammt blöde Arschkuh! Los Cat, spiel schon!" Eigentlich hatte Cat keine Lust mehr, sie mochte es nicht, wenn jemand nicht wollte, wenn sie spielte.

„Ach, ich geh besser!", meinte sie daraufhin.

„Du spielst jetzt! Keine Widerrede!", knurrte Crow, worauf sich Cat ans Klavier setzte. Sie begann zu spielen, die Töne durchdrangen die Villa. Cat benötigte keine Noten, sie konnte so ziemlich alles spielen, was sie einmal gehört hatte, ähnlich wie Mozart, nur nicht ganz so perfekt und Noten schreiben konnte sie auch nicht. Als sie das erste Lied fertig gespielt hatte fragte Crow:

„Was war das? Das klang gut."

„Die Moldau, von Smetana... aber das war nur der Anfang, der gefällt mir nämlich am besten!" 

„Spiel noch sowas in der Art!" Cat begann die Mondscheinsonate von Beethoven zu spielen. Sie fühlte plötzlich Crow hinter sich, der sich am Kopf kratzte.

„Nein, da komm ich nicht dahinter, wie du das machst!" Er drückte eine Taste.

„Woher weißt du, was du drücken musst? Wie kannst du das einfach so runter spielen ohne Noten?" Cat zuckte mit den Schultern.

„Keine Ahnung... ich spiele eben nach Gehör..." 

„Ich möchte auch was spielen können... bring mir was bei!" 

„Aber... ich bin ein schlechter Lehrer!", meinte Cat.

„Das ist Crow auch!", mischte sich Misery ein. 

„Ach komm... ich will das Lied von vorhin können...die Smetana!"

„Die Moldau... Smetana ist der Komponist", berichtigte sie Crow. 

„Egal, das zeigst du mir jetzt!"

„Okay ich versuch es... also" Cat erklärte Crow was er tun musste. Er stellte sich gar nicht ungeschickt an und er war ruhig. Er rastete nicht aus, wenn er sich verspielte und er hinterfragte Cats Anweisungen auch nicht. Er war im Moment einfach ein lieber, braver Schüler, kaum vorstellbar, in Anbetracht dessen, wie er sonst war. 

„So das reicht... ich mag nicht mehr!", sagte er schließlich. 

„Du hast Talent Crow... vielleicht solltest du deinen

Auftragskillerberuf an den Nagel hängen und Konzertpianist werden", lächelte Cat begeistert. 

„Ja klar... töten liegt mir da dann doch mehr!", erwiderte er. Er erhob sich und ließ sich auf seinen Sessel sinken. Er betrachtete Misery.

„Pennst du, Blondi?" 

„Nein!", knurrte sie. 

„Was ist los mit dir? Du liegst hier schon seit Ewigkeiten rum"

„Na und? Du doch auch", konterte sie.

„Ich lese wenigstens... du machst gar nichts... im Grunde könntest du Cat eigentlich bei der Hausarbeit helfen, du hast ja sonst nix zu tun den ganzen Tag." 

„Ja, ganz bestimmt", sagte sie sarkastisch. 

„Na schaden würde es dir nicht, faules Luder!" Misery warf Crow einer ihrer grimmigsten Blicke zu, der ihn aber nicht beeindruckte. 

„Misery muss mir nicht helfen, niemand muss sich dazu herablassen mir zu helfen!", mischte Cat sich ein. 

„Herablassen... das Wort trifft es!", meinte Misery. 

„Miststück", murmelte Crow. 

„Solange du so unfreundlich bist... werde ich an mir sicher auch nicht arbeiten!", sprach Misery.

„Nun ja... dann wird sich tatsächlich nie etwas ändern", erklärte Crow und begann wieder zu lesen. Cat seufzte und wollte das Wohnzimmer verlassen.

„Cat, wenn du doch einmal Hilfe brauchst, lass es mich wissen, okay?", brummte Crow, ohne aufzusehen.

„Okay?", fragte er mit Nachdruck.

„Okay!", stimmte Cat zu und verschwand. 

„Zu Cat bist du immer ganz lieb, was?", fauchte Misery, sie hatte sich aufgesetzt. 

„Oh... bist du eifersüchtig? Will das arme, reiche Mädchen geknuddelt werden?", spottete Crow und grinste dabei belustigt. 

„Ach, sei doch still!", maulte Misery. Crow stand auf und warf das Buch auf den Sessel.

„Du willst mir den Mund verbieten?" Misery sah ihn verwundert an. 

„Ich..." Er packte sie brutal an den Schultern und drückte sie fest gegen die Sofalehne. 

„Ich kann dir gerne dein Maul stopfen, wenn du frech bist, klar?" Er nickte in Richtung seines Schritts, damit sie verstand, was er meinte. Er fasste ihr Shirt und zog es ihr, begleitet vom Geräusch zerreißenden Stoffes über ihre Schultern. Sie starrte ihn mit aufgerissenen Augen an, auf ihrer Haut konnte man bereits rötliche Striemen erkennen, die sie vom Zerreißen des Shirts bekam. Crow stieß sie unsanft auf die Couch, zurück in ihre Liegeposition, die sie zuvor hatte.

„Ich hoffe du kriegst es dabei auch so weit auf, das wäre nämlich von Vorteil", raunte er.

„Wa... warte doch... nicht!" Tränen hatten sich in Miserys Augen gebildet. Ein böses Lächeln huschte über Crows Lippen. Er hatte innegehalten und ließ von der verstörten Misery ab.

„Siehst du... so lieb bin ich zu Cat auch immer... toll oder?" Mit diesen Worten ließ er sie voller Entsetzen zurück. 

Kapitel 13

 

Am nächsten Morgen war Cat ganz pünktlich aus den Federn gesprungen. Einige der Killer hatten einen Auftrag bekommen, darunter auch Crow. Cat wollte heute den Flur nass wischen und hatte bereits alles dafür vorbereitet. Sie wollte gerade beginnen, als Crows Zimmertür aufschwang.

„Was hast du denn in Crows Zimmer gemacht?", fragte Cat mit kugelrunden Augen, als sie Misery erkannte. Diese grinste breit und wedelte mit einem Blatt Papier vor Cats Nase. Cat blieb das Herz stehen.

„Das ist doch deine Handschrift, oder?", fragte Misery. Cat konnte nichts antworten. 

„Ich frage mich ernsthaft, ob das nur erfunden ist, oder ein Tagebucheintrag!" Misery lachte ekelhaft.

„Crow streichelte mich weiter", las Misery vor. Cat ballte die Fäuste.

„Gib das her!", sie wollte Misery den Zettel aus der Hand reißen, aber diese hielt ihn hoch. Cat war zu klein, um ihn zu erreichen.

„Gib es schon her!", schrie Cat, aber Misery lachte nur amüsiert.

„Das kann doch nur erfunden sein, als ob die beiden dich so geil finden würden, wie eingebildet", kicherte sie. Cat trieb es Tränen des Zorns in die Augen. Sie versuchte immer wieder Misery den Text zu entwenden, aber es gelang ihr nicht. Warum war diese gemeine Hexe in Crows Zimmer gewesen? Was hatte sie dort nur verloren?

„Gib... ihn... mir!", hopste Cat hoch, um größer zu werden.

„Ups... und wieder nicht erwischt, arme Cat!" Plötzlich wurde Misery das Blatt Papier aus der Hand gezogen. Sie wandte sich überrascht um, um zu sehen wer das war. 

„Nightmare?", sagte sie. Cat starrte ihn an, sie sah seine roten Augen, die das Geschriebene lasen. 

- Nein...nein, lies es doch bitte nicht- flehte Cat. Nightmare sah sie schließlich stumm an, ging an Misery vorbei und drückte Cat den Zettel in die Hand.

„Man betritt weder fremde Zimmer, noch klaut man daraus etwas, merk dir das, Schlampe!", sagte er kühl und schritt auch an Cat vorbei.

„Aber, aber... du hast es gerade gelesen, willst du dazu gar nichts sagen?", sprach Misery verwirrt. Cat starrte nur stur auf den Boden. Er wandte sich um und schenkte Misery einen verständnislosen Blick.

„Was soll ich dazu sagen?"

„Ich... ich weiß nicht, deine Meinung, immerhin schreibt sie solche perversen Geschichten über dich! Das sollte dich doch wütend machen?"

„Ach tatsächlich? Da bin ich anderer Meinung... ehrlich gesagt macht es mich traurig!" Cat sah auf und lauschte Nightmares weiteren Worten.

„Es macht mich traurig, dass Cat denkt, ich könnte ihr so etwas antun!" Cats Lippen zitterten, ihr rollten vereinzelte Tränen über die Wange. Nightmare trottete die Stufen hinunter, gefolgt von Misery, die sich mit dieser Antwort nicht zufriedengeben wollte. Cat hörte ihren Fragen, die sie Nightmare stellte und die er unbeantwortet ließ nicht zu. Zu sehr hatten sie seine Worte getroffen. Sie umklammerte das Blatt und zerriss es schließlich langsam, bis sie es plötzlich wutschnaubend in klitzekleine Teile zerlegte und danach auch noch auf ihnen herum trampelte. Schluchzend sank sie auf den Boden und heulte Rotz und Wasser. 

„Es war ein Traum", schluchzte sie.

„Nur ein Albtraum!" 

***

Cat summte vor sich hin, während sie Crows Pullover in dessen Kleiderschrank einräumte. Sie hatte ihn nach Hause kommen gehört, aber er war sofort ins Badezimmer verschwunden und Cat nutzte die Zeit, um schnell alles in seinen Schrank zu verstauen, um ohne ihm zu begegnen wieder zu verschwinden. Doch sie war zu langsam, sie hörte die Badezimmertür.

„Mist", wisperte sie und hatte in der Hektik auch, ein zuvor noch zusammen gefaltetes T- Shirt, auf den Boden geworfen und musste es neu falten. Währenddessen war Crow schon in seinem Zimmer erschienen und rubbelte noch seine Haare mit einem schwarzen Handtuch trocken, das er dann auf Cat fallen ließ, die gerade am Boden das Shirt faltete.

„Nimmst du doch gleich mit, oder?"

„Ja klar!" Er legte sich auf das Bett und kratzte sich den Bauch. 

„Was ist los?", wollte er wissen.

„Was soll los sein?", erwiderte Cat. Crow atmete tief ein.

„Ich seh doch, dass du geheult hast, stört mich, wenn nicht ich der Grund dafür bin... also, was ist los?"

„Nichts Crow... wirklich", sagte Cat leise. 

„Hey Moment mal..." Cat sah kurz hoch und erblickte Crow, der seine Nachttischlade durchwühlte und anschließend unter das Bett sah.

„Wo ist denn dein Traumzettel? Den hatte ich doch bestimmt auf den Nachttisch gelegt", murmelte er und als er Cat einen Blick zuwarf, sah diese schnell wieder auf den Boden. 

„Hast du ihn genommen?"

„N-nein ehrlich nicht!" Sie sah ihn mit großen, tränengeröteten Augen an. 

„Hm, wo ist er dann?" Sie schluckte.

„Du weißt doch etwas, du verhältst dich komisch... sag mir was los ist!" Aber Cat schwieg nur und räumte fertig ein. Sie hob den Korb hoch.

„Cat?"

„Ich geh jetzt..." Crows Miene verfinsterte sich. 

„Wenn du jetzt ohne mir etwas zu sagen, rausgehst, dann reiß ich dir den Arsch auf!", drohte er. Cat blieb unmittelbar vor der Tür stehen und atmete schwer. 

„Nun?" 

„Ich habe den Zettel zerrissen!", sagte sie ernst. 

„Was hast du? Aber wieso?" 

„Weil ihn Nightmare gelesen hat und mich nun hasst... da habe ich ihn aus Zorn zerrissen, tut mir leid!" Cat öffnete die Tür, ließ den Korb fallen und rannte davon.

„Cat warte!", hörte sie Crow rufen, aber sie rannte einfach weiter. Sie preschte zur Eingangstür, riss sie auf und donnerte gegen Nightmare, der sie fragend anstarrte. 

„Es tut mir leid!", warf sie auch ihm entgegen und rannte Hals über Kopf ins Freie, um zu verschwinden. Sie wollte einfach nur weg. Nightmare sah ihr verwirrt hinterher, obwohl sie schon außer Sichtweite war. Plötzlich war Crow, der nur Boxershorts trug, zur Eingangstür gestürzt.

„Wo will sie denn hin?", fragte er und Nightmare musterte ihn wütend.

„Hast du ihr etwas angetan?" 

„Was? Nein... sie sagte du hättest diesen Traumzettel gelesen und dass du sie jetzt hasst und dann ist sie fortgerannt!" 

„Sie hassen? Ach Cat..." Nightmare seufzte. 

„Woher hattest du den Zettel denn?", wollte Crow wissen. 

„Misery hatte ihn und hat Cat damit geärgert..." 

„Oh... verstehe!", Crow drehte sich um und trabte die Treppe hoch.

„Such nach Cat, sie hat nur Shorts und ein T-Shirt an, das ist viel zu kalt", rief er Nightmare noch zu bevor er den ersten Stock erreichte. 

Er trat auf Miserys Tür zu und polterte in den Raum. Misery saß gerade vor einem Schminkspiegel und telefonierte gerade angeregt. 

„Crow?", rief sie perplex, als er ihr das Handy aus der Hand nahm, den Anruf beendete und es in die Ecke warf. 

„Was fällt dir ein unerlaubt mein Zimmer zu betreten? Hä?", brüllte er sie an.

„Ich... wollte nur sehen, ob du da bist", verteidigte sie ihr Handeln.

„Oh wirklich? Und da flog ganz zufällig der Zettel von meinem Nachttisch vor deine Füße?" 

„Ach komm schon... sei nicht so angepisst, ich hab doch nur Cat ein wenig damit geärgert!" Crow packte Misery an ihren Haaren und zog sie grob zurück, sodass sich ihr Nacken überstreckte. 

„Um das geht‘s nicht! Es geht darum, dass du Arschkuh nichts in meinem Zimmer verloren hast und auch nichts anzutatschen hast, kapiert?" Er riss ihr ein Büschel Haare raus, als er sie losließ.

„Aua, bist du irre?"

„Ja irre wütend!" Misery versuchte Crows Blick in der gleichen Grimmigkeit zu erwidern.

„Ach was... du bist doch nicht deswegen sauer, sondern weil Cat sicher geheult hat, als sie dir das gepetzt hat!" Crows Augenlid fing an zu zucken. Zornig trat er gegen Miserys Stuhl, der mit ihr gemeinsam umkippte.

„Du blöde Bahnhofsfotze... Cat hat dich nicht einmal erwähnt... ich, ich reiß dir deine Haare einzeln raus... komm her, Arschkuh!"

„Nein! Lass mich in Ruhe!", kreischte Misery, als Crow sie packte. 

„Crow!", Crow drehte sich samt Misery, die er auf seine Schulter gehievt hatte um. Nightmare sah besorgt aus.

„Sie ist ins Tunnelsystem gelaufen... ich glaube sie will weglaufen!"

„Was... aber, sie kennt sich doch weder im Tunnel noch in der Stadt aus... sie wird sich verirren und gefährlich ist es auch für sie..."

„Wir müssen sie finden du kennst dich im System am besten aus, such sie dort ich gehe in die Stadt!"

„In Ordnung, ich zieh mir nur was an!" Crow ließ Misery einfach fallen. Sie schlug hart am Boden auf.

„Du Arschloch!"

„Halt endlich deine Fresse, Arschkuh... sonst zertret ich deine Visage zu Brei, verstanden?" 

Nightmare war schon losgezogen und Crow verschwand im Tunnelsystem nachdem er sich schnell etwas übergeworfen hatte. Er durchsuchte alle Winkel, aber Cat war nicht aufzufinden. Das musste heißen, dass sie in der Stadt war, was Crow nicht gehofft hatte. Cat war noch nie allein in der Stadt gewesen. Alle Materialien und Nahrungsmittel wurden von Muffin und Sugar beschafft, Cat lief blauäugig und naiv durch eine furchtbare Gegend, die gerade so liebenswürdige Menschen wie sie erbarmungslos zerbrechen würde. 

***

Inzwischen durchforstete Nightmare die Gosse. In jeden Winkel war er gekrochen, um sicher zu gehen, dass Cat wirklich nicht dort war. Würde sie sich allerdings gezielt verstecken, war es ohnehin schwer sie aufzuspüren. Aus einer Seitenstraße vernahm er lautes Gelächter und Klavierspiel. Es kam aus einer Bar die sich " The Clue" nannte. Nightmare seufzte, er wollte Cat doch eigentlich kein schlechtes Gewissen machen, aber in dem Moment, wo er diesen Text gelesen hatte, konnte er nichts Anderes dazu sagen. Er wollte eigentlich vorhin in Ruhe, ohne die Anwesenheit von Misery, darüber sprechen, aber da war sie schon fortgelaufen. Nightmare erkannte am Klavierspiel das Lied " Die Gedanken sind frei", allerdings wurde ein anderer Text dazu gesungen. 

 „Die Getränke sind frei, wir woll’n einen heben, wer immer es sei, der Spender soll leben! Man darf nicht vergessen, drei Bier sind ein Essen, drum Leber verzeih, die Getränke sind frei.

Die Getränke sind frei, das Glas man mir fülle, heut’ ist es einerlei, ich sammle Promille, heut’ spielt’s keine Rolle und bei der Kontrolle, sag’ ich zur Polizei, die Getränke sind frei." Er erkannte Cats Stimme unter den grölend lachenden Stimmen, der Leute, die sich ebenfalls in der Bar befanden. Nightmare betrat das Lokal, das brechend voll war. Die Leute applaudierten Cat, die sich übertrieben für ihren Auftritt verbeugte.

„Spiel noch ein Lied, Cat!"

„Ja Cat, komm schon!" 

„Moment z-zuerst muss ich was trinken... die Stimme gehört geölt", Cat musste nicht einmal zur Theke schwanken, ihr wurde sogleich ein Bierkrug gereicht. An ihren Worten, die sie gesprochen hatte, hatte Nightmare gehört, dass sie wohl schon sehr betrunken war. 

„Cat!", rief Nightmare. Cat verschluckte sich am Bier und hustete. 

„Oooooooohhh! Du bist auuuuch hier!", flötete sie und taumelte auf Nightmare zu. Sie stolperte in seine Arme.

„S- seht her •hicks• das hier ist mein Mann!" Cat rülpste, die Leute jubelten. 

„Cat... ich denke wir sollten nach Hause gehen!" 

"S-so denkst du das? Das denke ich aber nicht, du hübscher Kerl!" Cat zwinkerte Nightmare zu. Er musste schmunzeln. 

„Doch komm jetzt, es ist schon spät oder willst du morgen wieder verschlafen?"

„Oh nein, nein das will ich nicht!", rief sie erschrocken.

„Tut mir leid, Leute aber ich muss • hicks• jetzt los!" Ein Raunen ging durch die Menge.

„Schade…"

„Komm bald wieder!"

„Bis zum nächsten Mal!"

Nightmare führte Cat aus dem Lokal. Die kalte Luft sorgte dafür, dass Cat schlagartig ein unglaubliches Schwindelgefühl überkam.

„H- halt mich etwas fester!", sprach sie und klammerte sich an Nightmare. Sie gingen nun stumm nebeneinander her. 

„Hier ist es gut!", sagte Cat plötzlich, als sie eine dunkle Gasse erreichten.

„Was ist gut?"

„Hier solltest... solltest du es tun!" Sie war stehen geblieben und grinste in sich hinein. Nightmare zog fragend die Augenbrauen hoch. 

„Was denn?" Schlagartig griff ihm Cat in den Schritt.

„Na hier solltest du mit mir schlafen", lächelte sie und drückte sich an ihn. 

„Hier solltest du mich... entjungfern" Sie sah ihn mit getrübten Blick in seine verwunderten Augen. 

„Was redest du denn?" 

„Komm schon... du hast schon ver-verstanden!"

„Cat, du bist betrunken, lass uns nach Hause gehen", meinte Nightmare und strich ihr über den Kopf.

„Du sagtest, dass du •hicks• mich nicht zurückweisen wirst, wenn ich bereit bin u-und jetzt tust du • hicks• es doch!" Sie schwankte zurück und sah traurig auf den Boden.

„Das ist wegen dem Zettel, nicht wahr? Du hasst mich jetzt dafür..."

„Nein... ich möchte nur deinen Rausch nicht ausnutzen", beschwichtigte Nightmare.

„Doch nutz ihn aus... s-sonst wird das doch nie was!" Sie schmiegte sich wieder an ihn.

„Ich will dich jetzt in mir spüren!" Der Alkohol lockerte ihre Zunge ungemein, sie flüsterte Dinge, die Nightmare mit ihr anstellen sollte, die hätte sie sonst nicht annähernd über ihre Lippen gebracht. 

„Er ist nun hart? Oder? Jetzt kannst du mich…" Cat wollte ihn küssen, aber ihr gelang es nicht, sich auf

Zehenspitzen zu stellen. Das Schwindelgefühl überkam sie abermals und ihr wurde ganz flau im Magen. Abrupt wurde ihr schlecht und sie drehte sich weg. Sie übergab sich neben einer der Mülltonnen.

„Alles okay, Cat?", wollte Nightmare besorgt wissen.

„Bäh... komm nicht her", sie spie nochmals, es wollte gar nicht aufhören. Verdammter Alkohol, sie hatte sich doch gerade überwunden. 

„Oh Gott... oh Gott!", ächzte sie und wieder kam ihr die Galle hoch. Rund zwanzig Minuten entleerte sich Cats Magen auf diese Weise. Schließlich kauerte sie erschöpft an der Mülltonne.

„Jetzt... kann doch nichts mehr kommen", murmelte sie und erhob sich vorsichtig. Der Geschmack in ihrem Mund war grässlich. Angewidert schüttelte sie sich und wandte sich um. Nightmare hatte sich an der gegenüberliegenden Wand angelehnt. Cat war durch ihr Erbrechen wieder nüchterner und ihr kam jetzt erst wieder in den Sinn, was sie alles zu Nightmare gesagt hatte. Sie wurde knallrot und wieder wurde ihr schlecht, aber sie musste nicht speien. 

„Du... du hast mich doch nicht ernst genommen, oder?", sagte sie kleinlaut. Nightmare sah sie nicht an, sondern starrte auf ein Loch in der Mauer, wo der Putz abgebröckelt war. 

„Nun ja, eigentlich heißt es Kinder und Narren, sprechen die Wahrheit!" Er lachte. 

„Komm jetzt, lass uns nach Hause gehen!" Nightmare nahm Cats Hand und die beiden zogen durch die Stadt in Richtung Villa. 

„Weißt du einmal bist du in dieser grauenhaften Gegend und was machst du? Du verbindest Menschen miteinander und machst alle fröhlich und ausgelassen... sag, wie machst du das nur, Cat?", sprach er, aber Cat konnte darauf nicht antworten. 

„Du musst doch zaubern können, anders kann ich mir das nicht erklären", sagte er und drückte ihre Hand. 

„Ach, sag doch was... schäm dich doch nicht so!" Ein langes Seufzen drang aus Cats Mund. 

„Das tu ich aber", sagte sie leise.

„Wieso schämst du dich jetzt genau? Weil du diesen Text geschrieben hast, oder betrunken warst? Oder weil du dich mir angeboten hast.... oder..."

„Für alles... einfach für alles und hauptsächlich dafür, dass ich dich traurig gemacht habe! Ich weiß, ich soll euch glücklich machen, nicht wütend und schon gar nicht traurig... nur glücklich, dafür bin ich da! Und wenn es euch glücklich macht mich zu ärgern oder mit mir zu schlafen, dann soll das so sein... ich gehöre euch, macht was ihr wollt mit mir!" 

„Hörst du dir eigentlich zu, wenn du sowas sagst?" Cat zuckte zusammen, denn so laut hatte Nightmare noch nie gesprochen. Er war stehen geblieben, hielt weiterhin ihre Hand.

„Du bist doch nicht irgendein Ding, das wir benutzen, wie es uns passt! Du bist ein Mensch und nebenbei der liebenswürdigste, den ich kenne." Er ließ ihre Hand los.

„Was glaubst du denn von mir, Cat? Glaubst du, ich will dir irgendwie schaden? Ich kann mir jetzt schon nicht verzeihen, dass du meinetwegen weg gelaufen bist... dir hätte weiß Gott was passieren können, nur meinetwegen! Warum denkst du, dass ich nur darauf aus bin mit dir zu schlafen... das hätte ich doch schon viel früher versucht, wenn es mir so wichtig wäre!", Nightmare schnaubte, er war aufgebracht. 

„Ich bin dir nicht wichtig?" Nightmare sah den Glanz in Cats Augen und bevor sie, nachdem sie herumgewirbelt war, noch einmal davon laufen konnte packte er sie, sehr fest.

„Nun dreh mir nicht die Worte im Mund um... und wag es nicht noch einmal vor mir wegzulaufen... WAG DAS NICHT, VERDAMMT!", brüllte er sie an. Entsetzt riss sie ihre Augen auf. Noch nie hatte er sie angeschrien. Schlagartig beruhigte Nightmare sich wieder.

„Bitte Cat, lauf nie wieder vor mir weg!", sagte er mit zittriger Stimme. Er umarmte sie unglaublich fest.

„Nie wieder!"

Kapitel 14

 

„Oh... oh ich hab so Kopfschmerzen!", jammerte Cat, als sie ins Wohnzimmer schlurfte. 

„Selbst schuld, du Saufnase!", kicherte Crow, der im Schneidersitz auf seinem Ohrensessel saß und Gummibärchen in sich reinstopfte. Cat sank vor seinem Sessel zu Boden.

„Tut mir leid, Crow, aber heute zittern meine Hände so, da traue ich mir nicht zu, deine Wurfsterne zu produzieren", sprach sie und hielt sich ihren dröhnenden Schädel. 

„Ist schon okay, hab auch keinen Auftrag!", er gähnte und klopfte schließlich Cat auf den Kopf.

„Nein, ah... hör auf!", kiekte sie.

„Erzähl schon... was hast du denn gestern erlebt?" 

„Bitte nicht! Frag mich das nicht", wehrte Cat ab. Sie sah wie Crow links und rechts von ihr seine Beine abstellte und letztlich fühlte sie seine Hände auf ihren Schultern. Er begann sie zu massieren.

„Wow, du bist total verspannt!", sagte er.

„Das ist, weil du mich anfasst", entgegnete sie, was Crow ein Lächeln entlockte.

„Ach echt?" Er traf schließlich einen Punkt, der Cats Muskeln schlagartig zusammensacken ließ und sie wurde butterweich. 

„Oh... das tut gut", schnurrte Cat und fing an Crows Massage zu genießen. Da betrat Bird das Wohnzimmer.

„Hey klasse, mich kannst du dann auch massieren!", rief er Crow zu, der schlagartig aufhörte.

„Seh ich aus wie eine Thailänderin?"

„Nicht aufhören", jammerte Cat. Bird lachte belustigt.

„Naja vielleicht ein bisschen Bräunungscreme und dann…"

„Halt doch die Schnauze!", knurrte Crow. Cat legte ihren Kopf zurück auf die Sitzfläche und sah zu Crow hoch.

„Aber mich massierst du doch jetzt noch ein bisschen, oder?" Er sah auf sie herab und zwickte ihr in die Nase.

„Autsch!" Sie richtete sich wieder auf und rieb ihre Nase. 

„Vorhin war ich in der Kraftkammer... Misery hat den Sandsack zu Tode geprügelt", lachte Bird. 

„Wenn sie mir über den Weg läuft, wird sie mein Sandsack... heute sollte sie aufpassen", grummelte Crow.

„Wieso denn?", fragte Cat unschuldig und erhielt dafür eine Kopfnuss.

„Autsch!", rief sie abermals.

„Das fragst du doof? Ich bin immer noch sauer wegen gestern und du solltest das auch sein und nicht immer so schnell alles verzeihen!", bellte er. Cat musterte ihn ernst. 

„Ich bin aber nicht so nachtragend wie du", murmelte sie.

„Das hat doch nichts mit Nachtragend zu tun...", brummte Crow. 

„Ah ja... ich hab gehört was passiert ist! Das darfst du nicht nochmal machen Cat, das ist gefährlich! Den großen Jungs hast du ganz schön Angst gemacht mit deiner Aktion! Von wegen Auftragskiller-Organisation, Kindergarten trifft es wohl eher. Zickenterror und Dramaqueens", Bird lachte albern und während er an Crow vorbei ging, der auf seine Aussage hin, missmutig knurrte, stibitzte er dessen Gummibärenpackung. 

„Hey!", rief Crow. 

„Sei nicht so geizig... du hast schon mehr als die Hälfte verputzt, du wirst noch fett!", sprach Bird ungerührt.

„So ein Scheiß!", maulte Crow.

„Oh doch, du solltest bisschen drauf achten was du dir reinstopfst, dich hab ich nämlich noch nie in der Kraftkammer gesehen", Bird zwinkerte dem schmollenden Crow zu. Cat musste lachen.

„Stimmt eigentlich, du warst noch nie dort, Crow! Du weißt wahrscheinlich gar nicht, wo sie ist!", pflichtete sie Bird bei. Crow schnaubte abfällig.

„Ich bin jetzt schon perfekt, stellt euch vor, wie überragend ich wäre, würde ich trainieren... das wär doch kitschig!"

„Stell dir vor wozu du noch fähig wärst!", sagte Cat leise und starrte in die Leere. Sie schien es sich gerade auszumalen und erschauderte. 

„Hm... vielleicht sollte ich dann doch einmal etwas an mir arbeiten", meinte Crow schließlich.

„Na deiner Wampe würd‘s nicht schaden!", witzelte Bird.

„Wampe? Das ist doch keine Wampe", Crow hatte sich erhoben und zog sein graues T-Shirt hoch, um seinen Bauch zu begutachten. Bird betrachtete ihn.

„Nein, also wirklich nicht", murmelte Crow. 

„Pff... manche müssen echt nichts für einen Sixpack machen", sprach Bird abwertend. Crow ließ sich wieder auf den Sessel fallen. Er lächelte zufrieden.

„Also doch kein Fitnessstudio", gähnte er. 

„Du bist so ein fauler Hund", kicherte Bird und setzte sich auf die Armlehne der Couch, um die restlichen Gummibärchen zu essen.

„Hast auch nur die Guten raus gefuttert, hm?", stellte er fest, als er nur mehr gelbe Gummibären aus der Tüte angelte. 

„Ich mag die Gelben!", sagte Cat worauf Bird ihr die Tüte zu warf. 

„Mhm danke!", freute sie sich, aber bevor sie etwas herausnehmen konnte, nahm Crow ihr die Tüte weg.

„Dich seh ich auch nie trainieren... also kriegst du nichts!", sprach Crow. 

„Aber...aber... ich renn hier doch auf und ab und putze und arbeite an deinen Waffen und außerdem, magst du die Gelben doch nicht...", verteidigte sich Cat und sah, wie Crow eines der letzten fünf gelben Gummibärchen runter würgte.

„Du bist echt fies!", schmollte sie.

„Das ist die Strafe dafür, dass du mich vorhin aufgezogen hast", schmatzte er.

„Uah... die sind echt widerlich!"

Bird zog die Augenbrauen hoch.

„Und trotzdem frisst du sie!", gluckste er.

„Ich hau jetzt ab, rein in die Wanne, ein schönes Schaumbad nehmen!"

„Wieso habt ihr eigentlich eine Badewanne, das ist ja total unfair", sagte Crow mit vollem Mund. Bird zuckte mit den Schultern.

„Pech gehabt... hast dir ein doofes Zimmer ausgesucht!", mit diesen Worten verschwand er aus dem Wohnzimmer.

„Ich will auch eine Badewanne", jammerte Crow. 

„Sie haben bestimmt nichts dagegen, wenn du sie mal benutzt... ich sag ihnen, dass ich sie danach auch ganz toll putze!"

„Was soll das heißen? Dass ich dreckig bin?"

„Nein... ach... vergiss es!" 

„So ein Schaumbad wär doch schon mal eine tolle Sache!", schwärmte Crow. Cat nickte. 

„Aber das haben sich nur Leute verdient, die trainieren", grinste sie. Crow stand auf und zog auch Cat hoch.

„Dann gehn wir jetzt, los!"

„Was... aber ich doch nicht!", rief Cat verwirrt aus.

„Natürlich... ich mach mich doch nicht allein zum Affen, komm schon"

„Oh Mann, na gut!" Crow zog die genervte Cat mit hinunter zur Kraftkammer.

„Na immerhin weißt du ja doch wo sie ist!", kicherte sie. Crow maulte etwas Unverständliches. Sie betraten die Kraftkammer. Zodiak, Angel und auch Misery befanden sich darin. 

„Crow? Na das ist eine Überraschung!", sagte Zodiak erfreut. 

„Willst du auch einmal trainieren?"

„Ja, damit ich ein Schaumbad nehmen kann!" Cat fragte sich, ob Crow wirklich dachte, dass er nur dadurch die Erlaubnis erhielt in die Wanne steigen zu dürfen. 

„Schön... schadet dir nicht!", lachte Zodiak.

„Wieso sagen das alle?", knurrte Crow. 

„Cat macht auch mit... also was muss ich jetzt tun?" 

„Was willst du denn trainieren? Bauchmuskeln oder Ausdauer?", fragte Zodiak. 

„Mir egal, Hauptsache ich komme in die Badewanne!"

„Na wo du Cat schon mal mitgebracht hast, könnt ihr ja Partnerübungen machen",

schlug Zodiak vor. 

„Wenn ich mit Mädchen Partnerübungen mache, sieht das bestimmt anders aus, als du dir das vorstellst!", sagte Crow und grinste. Cat schüttelte den Kopf.

„Oh nein, ich stell mich auf das Laufband!", rief sie und huschte in die Ecke. Zodiak warf Crow einen schrägen Blick zu.

„Momentan gehen deine Hormone mit dir durch was? Mir scheint, du bekommst überhaupt keine Sätze mehr zu Stande, die nicht zweideutig sind." Crow grinste belustigt.

„Er hat wahrscheinlich Notstand!", warf Misery ein und drosch weiterhin auf den Sandsack ein.

„Für dich ist es langsam genug, deine Hände sind schon fast wund!", sagte Zodiak ruhig. 

„Aber nur... fast!", entgegnete Misery und ließ sich nicht aufhalten.

„Ich versuch das Ding da", entschloss Crow sich schließlich und deutete auf die Kraftstation, um sich auch gleich darauf zu setzen. Er griff unsicher nach der Zugstange und zupfte daran.

„Na los, zieh dran!", forderte Zodiak und Crow tat was er sagte. 

„Aha verstehe...", Crow zog dreimal daran dann meinte er: „So kann ich... next please!"

„Moment, Moment du musst schon öfters ran, das war doch nichts!" 

„Aber es langweilt mich schon!", murrte Crow. 

„Du willst doch was für deinen Körper tun, da musst du jetzt schon durch, Crow!" Zodiak lächelte Crow aufmuntert zu, dieser schnaubte nur abfällig.

„Oh na gut..." Crow zog irrsinnig schnell daran.

„Hey, hey, langsam nicht so hastig, das hat doch keinen Effekt!", rief Zodiak, aber Crow hörte nicht.

„Jep, jetzt hab ich genug gemacht, oder?" Andy musste glucksen, als er Zodiaks verzweifelten Blick sah.

„Du bist wie ich hörte ein schlechter Lehrer... und ein schlechter Schüler bist du auch", murmelte Zodiak, Crow machte eine beschwichtigende Geste.

„Ach was, los erklär mir das Teil hier!" 

„Das ist ein Crosstrainer, warte ich stell ihn dir ein!" Zodiak tippte kurz etwas ein und schon bedeutete er Crow auf den Trainer zu steigen. 

„Ah okay... das geht ja ganz einfach... kann ich", sagte Crow und wollte runter steigen.

„Nein, jetzt machst du das für zehn Minuten, siehst du hier das ist der Rekord, wie viel Schritte man geschafft hat in den zehn Minuten. Kannst du den brechen?" Crows Augen funkelten. Das machte die Sache gleich viel interessanter.

„Das mach ich doch mit links!", prophezeite er und legte los. Zodiak grinste zufrieden, offenbar hatte er die richtige Motivation für Crow gefunden. Cat schwitzte schon, aber das Laufen am Band machte ihr Spaß. Man konnte sogar eine Steigung einstellen, aber das hatte sie gleich wieder rückgängig gemacht, das war ihr doch zu anstrengend. Eigentlich dachte sie, sie sei fitter. So konnte man sich täuschen. Sie beobachtete die anderen. Crow ruderte am Crosstrainer wie ein Wahnsinniger. Andy stemmte sehr schwere Gewichte. Das hätte sie ihm nicht zugetraut, sie bewunderte seine Stärke. 

„Wie schwer ist das Angel?", fragte sie, als er das Gewicht wieder zu Boden sinken ließ. 

„Hm... ich glaub zweihundert Kilo!" 

„Wow!" Cat stellte das Laufband aus und sprang runter.

„Hui... meine Beine gehen von selber!", rief sie und ging zu Andy. Sie rüttelte am Gewicht und versuchte es wenigstens ein bisschen aufzuheben.

„Oh... Mann... das... geht nicht!", sie gab ihr Vorhaben auf.

„Bei dir sah das so leicht aus! Das sind wirklich zweihundert Kilo? Du solltest mal an so einem Wettbewerb teilnehmen du würdest alle alt aussehen lassen!" 

„Ach Quatsch!", meinte Andy, fühlte sich aber geschmeichelt. 

„Hey... ich... bin... fertig!", schnaufte Crow. 

„Gut gemacht Crow, leider fehlen dir ein paar bis zum Rekord!", sprach Zodiak.

„Wa...was?! Das gibt‘s doch nicht... dein Gequatsche vorhin hat mir bestimmt zwei Minuten abgezogen, sonst hätt ich das geschafft!", beschwerte sich Crow. Zodiak verdrehte die Augen.

„Na klar... es lag bestimmt nicht an dir!", er schüttelte bedauernd seinen Kopf. 

„Egal... ich darf jetzt in die Badewanne nicht wahr?"

„Keine Ahnung! Warum auch nicht?" 

„Cat los du musst mir helfen!" Cat brummte missmutig.

„Ich komme!" Die beiden verließen die Kraftkammer. Crow stolzierte vorne weg und Cat latschte hinterher. Eigentlich war sie müde und ihr Schädel dröhnte. Etwas flau war ihr auch. Sie hätte sich am liebsten ins Bett gelegt und nicht mit Crow trainiert. Der war heute so motiviert, das war erstaunlich.  Sie gingen an Nightmares Zimmer vorbei, dieser war unterwegs, Cat wusste nicht wohin er gegangen war.

„Boa... das ist ja doppelt so groß, wie unser Bad!", staunte Crow. Das Badezimmer war im griechischen Stil eingerichtet. Alles aus Stein und eine gigantische, runde Badewanne, die ebenfalls in Stein gefasst war, stand in der Mitte des Raumes.

„Du lebst jetzt schon so lange hier und hast dieses Badezimmer noch nie betreten?", fragte Cat ungläubig. 

„Ging mich ja nix an!", erwiderte Crow.

„Warst du nie neugierig? Das gibt‘s doch nicht!" 

„Ist jetzt doch egal... da die Badewanne!" Crow freute sich diebisch. Er hopste vor der Wanne aufgeregt auf und ab, wie ein kleiner Junge, der darauf wartete am Jahrmarkt mit dem Karussell zu fahren. Er sagte zwar nichts, aber Cat ließ ihm die Wanne ein, denn es wirkte nicht, als ob er wüsste, wie dies funktionierte.  

„Schaum! Ich will Schaum!", rief er ungeduldig. Cat schüttete ein wenig vom Schaumbad in die Wanne.

„Och, das ist doch zu wenig, gib her!" Sie konnte gar nicht so schnell reagieren hatte Crow ihr die Flasche aus der Hand gerissen.

„Nein! Doch nicht so viel!", kiekte sie, aber es war schon zu spät. 

„Mensch, Crow!"

„Ich steig jetzt rein", er fing an sich auszuziehen, Cat drehte sich schnell weg.

„Ich hol dir ein Handtuch!", sagte sie schnell und stürmte aus dem Bad. Crow setzte sich in die Wanne, das Gefühl war herrlich. Er beobachtete, wie der Schaum wuchs und lehnte sich entspannt zurück.

Cat betrat das Badezimmer wieder.

„Crow?", fragte sie verwundert, als sie niemanden sehen konnte. Sie legte das Handtuch auf das kleine Regal neben der Badewanne und sah sich fragend um. Plötzlich tauchte Crow schnaufend aus dem Schaumberg auf und Cat kreischte erschrocken.

„Was denn?"

„Du hast mich erschreckt!“

„Ist vielleicht doch ein wenig zu viel Schaum!", stellte Crow fest. Cat betrachtete die Schaummasse und nickte. 

„Ein wenig ja!", lachte sie und fuhr durch den Schaum. Sie pustete ihn in die Luft und beobachtete, wie er leise wieder auf dem Berg landete und mit ihm verschmolz. 

„Das ist lustig", sagte sie.

„Komm doch rein!", zwinkerte Crow ihr zu. Sie wurde rot.

„Nein... nein danke... das geht doch nicht!", lehnte sie ab.

„Warum nicht? Was hindert dich daran?"

„Hallo? Da muss ich mich doch ausziehen!" Crow schnaubte abfällig und verdrehte die Augen.

„Ach komm... du hast mich schon tausendmal nackt gesehen und ich dich auch! Stell dich doch nicht immer so an! Die Wanne ist auch groß genug!"

„Aber..."

„Ich tu dir schon nichts! Ich versprech's dir, in Ordnung? Ich seh auch weg, wenn du reinsteigst, der Schaum verdeckt dann ohnehin alles!"

„Wirklich? Du lügst auch nicht?"

„Nein, wann hab ich dich denn schon jemals angelogen?" Cat überlegte noch und schließlich stimmte sie zu, dieser Schaumberg war einfach zu verlockend und eigentlich war es doch eher so, als würde sie mit ihrem Bruder baden. Ihrem perversen, inzestuösen Bruder. Crow hielt sich an sein Versprechen und sah weg. 

„Oh Verzeihung!", sagte Cat, als sie ihm etwas Schaum ins Gesicht spritzte. Vorsichtig setzte sie sich, doch die Sitzfläche der Wanne war durch das viele Schaumbad rutschig und so versank Cat mit einem Ruck im Badewasser und blieb für kurze Zeit sogar verschwunden. Prustend tauchte sie vor Crow auf, der sie unbeeindruckt und wenig überrascht musterte. 

„Du Schussel", sagte er.

„Tschuldigung!", murmelte Cat. Sie hatte eine Schaumkrone am Kopf. 

„Du solltest jetzt deine Hand da wegnehmen, sonst kann ich mein Versprechen nicht halten", sprach er gelassen.

„Was? Oh, oh Gott... Verzeihung! Wie peinlich…" Sie lehnte sich wieder zurück, diesmal rutschte sie nicht weg. Sie atmete erleichtert aus.

„Ah... das Wasser ist so schön warm, das ist entspannend", sagte sie und schloss die Augen. Einen Moment lang war es ganz still. Sie konnte Crow atmen hören. Sie öffnete die Augen, um ihn anzusehen. Er hatte die Arme auf die Außenwand gelegt, den Kopf zurück und döste. Crow war wirklich ein sehr gutaussehender Mann. Er war schlank, wirkte durchtrainiert und hatte muskulöse Arme, kaum zu glauben, dass er nicht trainierte. Sein Oberkörper glänzte, sein Teint war etwas dunkler, als der von Cat. Im Sommer wurde Crow immer schnell braun, sie bekam bloß Sonnenbrand und anschließend konnte sie ihre Haut herunter pellen. Crow seufzte zufrieden, seine Muskeln spannten sich an, wenn er sich bewegte. Cat bemerkte das aufstrebende Verlangen Crow über den Oberkörper zu streichen, ihn zu berühren. Das verunsicherte sie plötzlich. Sie dachte daran, wie er sie heute kurz massiert hatte, das war sehr schön gewesen.

„Massierst du mich wieder?", rutschte es ihr raus, sie schlug sich die Hände vor den Mund. Crow öffnete seine Augen und musterte sie ernst.

„Ach... ich hab nur laut gedacht", beschwichtigte sie und grinste dümmlich. Crow machte eine auffordernde Geste. 

„Dreh dich um!" Cat tat wie ihr geheißen.

„Na zurück rutschen musst du schon, so komm ich ja nicht ran!", kläffte Crow und zaghaft rutschte Cat zurück, nur nicht zu viel von Crow berühren, das wäre ihr peinlich. Aber er zog sie ungerührt zu sich und sie spürte seine Weichteile, an ihrem Kreuz.

„Crow", entfuhr es ihr.

„Mach dich nicht an, ich krieg schon keinen Steifen... nicht wegen dir!" 

- Wie fies- dachte Cat und Crow begann sie zu massieren. Cat genoss es, sie blendete ihre Nacktheit komplett aus und gab sich den Berührungen hin. Manchmal schmerzte es, wenn Crow eine Verspannung löste. Nach einiger Zeit hatte er keine Lust mehr.

„So genug, mir ist kalt ich geh raus!" Er erhob sich während Cat sich umwandte und ihn zwangsläufig anstarrte, um gleich darauf schamvoll wegzusehen. Crow trocknete sich ab und warf sich seine Kleidung über. 

„Hach ja... ist eine feine Sache, so eine Badewanne", schwärmte er. 

„Danke", sagte Cat, bevor Crow das Badezimmer verließ.

„Wofür?"

„N-na dass ich mit reindurfte und du mich massiert hast und... dein Versprechen gehalten hast!" Crow grinste. 

„Ja, ja schon gut, vergiss aber nicht auf Sonnenschein folgt Regen! Jetzt reicht's wieder mit den Freundlichkeiten!" Mit diesen Worten ließ er sie zurück.

„Oh Mann, hoffentlich kommt der Regen nicht so bald!"

Kapitel 15

 

„Crow hat wieder einmal ganze Arbeit geleistet, der Junge ist etwas ganz Besonderes", sprach der Mann mit dem Hut. Muffin musterte die Leichen. Wie viele es doch waren. Es roch unangenehm und Fliegen hatten sich schon über die Toten hergemacht, denn es tummelten sich überall Maden und auch Ratten hatten die beiden aufgescheucht.

„Weißt du, Muffin, ohne ihn würde man mich nicht so fürchten!"

„Ich weiß, Sir!" Sandman sah sich um. 

„Tja eigentlich weiß ich nicht was ich mit dem Gebäude will... mir kam nur zu Ohren, dass hier Rebellen wohnten!" Muffin musterte die Kinder und die alten Menschen. Rebellen? Danach sahen sie nun wirklich nicht aus. Crow, dieser herzlose Bastard. 

„Man muss schon sagen, Gott sei Dank ist Crow auf meiner Seite!" Sandman lachte schallend.

„Guck dir das hier an, Muffin! Es ist unglaublich..."

„Ekelhaft!", warf Muffin ein.

„Ekelhaft? Vielleicht, aber hauptsächlich doch phänomenal. Ein Mann, ein einziger Mann, erstaunlich und bewundernswert", sprach Sandman mit glitzernden Augen.

„Tatsächlich? Bewundernswert, das finden Sie, Sir?"

„Natürlich... es ist immer wieder erfrischend Crows Arbeit zu sehen. Wenn ich zu einem seiner Schlachthäuser fahre, bin ich voller Vorfreude und dieses Mal..." Er ging auf eines der Postfächer zu und öffnete es. 

„Kann ich auch endlich sehen, wie er es anstellt!" Er holte eine Kamera hervor. Muffin sagte nichts dazu. Er war nicht überrascht darüber, keineswegs. Er wusste, wie krank die Geschäftsleute waren, er wusste wie sie sich an solchen Dingen aufgeilten und er verachtete es. Sandman hatte es erst jetzt geschafft zum Wohnhaus zu kommen, das Crows und Andys Auftrag gewesen war. Sie hatten bevor sie dieses hier aufgesucht hatten, sogar zuerst den jüngeren Massenmordschauplatz besucht. Muffin unterdrückte die Übelkeit, die in ihm hochkroch. Die halb verwesten Leichen schlugen auf seinen Magen, der unglaubliche Gestank tat sein Übriges. 

„Der Junge ist spitzenmäßig, keiner der anderen kann ihm das Wasser reichen... dieses Gefühl ein solches Monster zu befehligen ist berauschend!" Sandman konnte es kaum erwarten den Film zu sehen. 

„Das ist Kunst, Muffin! Ein Horrorfilm der Extraklasse...ein Meisterwerk!" Muffin folgte Sandman ins Freie, dieser fummelte an der Kamera herum. 

„Komm steig in meinen Wagen, wir werden uns auf dem Fernseher den Film ansehen!" Muffin seufzte, er wollte das doch nicht sehen, es reichte die Leichen gesehen zu haben. Trotzdem stieg er in die große Limousine. Ein weißer Van bog in die Einfahrt und blieb stehen. Mehrere Leute stiegen aus. Es war der Entsorgungstrupp. Er würde das Hochhaus reinigen und die Spuren der Grausamkeit entfernen. Währenddessen hatte Sandman die Kamera schon an den ausfahrbaren Fernseher angeschlossen und der Film begann zu laufen. Sandman spulte vor, bis zu dem Zeitpunkt an dem Crow und Angel eintraten. 

„Ach... der Kleine war ja auch dabei, das hatte ich glatt vergessen!" Crow verschwand aus dem Bild nachdem Angel nach oben gegangen war. Man konnte Schreie hören.

„Donovan, stell den Radio an, dazu braucht man musikalische Untermalung!" Der Fahrer tat, wie ihm geheißen und Crows Gemetzel wurde von Schuberts Serenade begleitet. Muffin konnte seine Augen nicht abwenden, so grauenvoll es war. 

„Oho... jetzt gehen ihm die Wurfsterne aus, genial!" Crow schlitzte die Menschen auf, ohne Gnade, kein bisschen zögerte er, auch nicht wenn es Kinder waren, die ihm in die Arme liefen, oder verzweifelte Frauen, Mütter, die um ihre Kinder trauerten. 

„Spannend, grandios... atemberaubend!"

- Grausam... grausamer... Crow- Schließlich kam er zur Ruhe, eisige Stille und er stand da, musterte seine Tat und führte ein Kreuzzeichen aus.

„Wusstest du, dass er immer beichten geht? In die Kirche an der Flowerstreet, zu diesem Pater, wie hieß er noch gleich?"

„Johnson... Pater Johnson!" 

„Richtig, als ob es einen Gott geben würde!", Sandman lachte belustigt. 

„Oh, da der Kleine... was reden die da?" Sandman stellte den Ton lauter. 

Wo warst du denn?“

Oben

Und alles überstanden...Na?"

Du...du meinst...ob ..."

Ob du einen gekillt hast, ja...würde ich gerne wissen...denn mir scheint...du hast rein gar nichts getan!“ 

Ich habe... ich konnte es nicht, okay?“

Okay? Nichts ist okay! Warum konntest du es nicht? Warst du etwa zu feige dazu? Du hast wirklich kein bisschen Mumm... das ist dein Job du Idiot...dein Job!“ 

Vielleicht will ich das nicht mehr…

Vielleicht willst du das nicht mehr, ach ja...und ob du das noch

willst...mach mich nicht...wütend!“ Sandman war ganz aufmerksam. Muffin beobachtete ihn, der Boss war voller Spannung. Es folgte nun der Moment, indem Crow den spanischen Jungen fand.

No, no... por favor Senior, por favor.“ 

Wenn du dir dein erstes Opfer nicht aussuchen willst, dann mache ich es eben! Töte ihn!“ 

Por favour, no, por favour no me mate, senior!“ 

Das kannst du doch...Crow...ich…“

„Töte...ihn!

Er ist doch noch…“

TÖTE IHN, VERDAMMT!“ 

El Diablo.“

Ich mach euch beide kalt, wenn du’s nicht endlich tust!“ Sandman sah, wir Andy den Revolver zog und Crow allerdings mit dem Kopf schüttelte.

Oh nein, mein Freund...das Schwert…“ Sandman musste unwillkürlich lächeln. Crow war doch ein harter Hund, so etwas Herzloses und Skrupelloses hatte er noch nicht gesehen. 

Es...tut mir leid!“ Nun tötete Andy den Jungen, während Chopins Frühlingswalzer erklang. Sandman klatschte einmal in die Hände und lauschte den weiteren Worten. 

Gut gemacht, Engelchen...los wir gehen, wir sind hier fertig!“ Die beiden verschwanden aus dem Bild. Muffin war schockiert. 

„Das war...", setzte Sandman an.

„Der Wahnsinn... ich muss mir das noch einmal ansehen... hast du gesehn wie grausam er war? Und der Schluss, als der Kleine den Jungen tötete... ganz großes Kino!" Sandman war außer sich.

„Ich liebe diesen Knaben... nicht nur irgendwie, nein wie einen Sohn... wie einen Sohn!", sprach er und schaltete den Fernseher aus. 

„Ich denke dieses Video sollte für gewisse Kreise zugeschnitten und bearbeitet werden, das kannst du doch arrangieren, Muffin, oder?"

„Natürlich Sir!" Muffin stieg aus der Limousine, bevor diese wegfuhr, öffnete sich das Fenster und Sandman rief Muffin zu. 

„Richte Crow schöne Grüße aus und lass ihn wissen, dass ich beeindruckt und stolz bin!"

„Ich werde es ausrichten!" 

„Auf Wiedersehen!" 

„Auf Wieder...", die Scheibe schloss sich, bevor Muffin zu Ende sprechen konnte. Der Wagen setzte sich in Bewegung. Muffin seufzte.

„Auf Wiedersehen... Vater!"

***

„Was ist das?", fragte Crow und deutete auf das Gerät das Muffin in der Hand hielt, als er zur Tür hereinkam.

„Eine Videokamera!", antwortete dieser knapp.

„Wofür brauchst du die?" Muffin musterte Crow geringschätzig.

„Schöne Grüße von Sandman... er ist beeindruckt und stolz auf dich... wie immer!", sagte Muffin ohne auf Crows Frage einzugehen.

„Ähm... danke" Muffin trabte zu seinem Büro. Die Tür knallte zu.

„Was hat der denn?", murmelte Crow und stieg die Treppen hoch, um sein Zimmer aufzusuchen. Als er an Cats Zimmer vorbei ging hörte er Stimmen, er blieb stehen und lauschte. 

„Es tut mir auf alle Fälle leid! Ich hoffe du kannst mir das noch einmal vergeben", es war Miserys Stimme. 

„Das hab ich doch schon längst... ich bin nie lange böse!", lachte Cat.

„Ich weiß... aber wie ist das mit einer Kränkung? Wie lange bist du traurig?"

„Ich bin... nie traurig! Alles in Ordnung, vergessen wir nur bitte das Ganze und reden nicht mehr darüber, ja?" 

„Okay gut, bis dann!" Crow schaltete zu langsam und Misery öffnete die Tür. Sie erschrak, als er vor ihr stand. 

„Oh... du Spanner", sprach sie.

„Ich spanne nicht!", murrte Crow.

„Dazu muss man was sehen!", ergänzte er.

„Aber lauschen ist auch frech, Crow!", rief Cat, die heran gesprungen war. 

„Naja... wenigstens hab ich jetzt einmal mitbekommen, dass selbst du mal von deinem hohen Ross runter steigen kannst und dein Arsch nicht drauf festgewachsen ist!" Misery schnaubte verächtlich. 

„Von dir kann man das ja nicht behaupten", erwiderte sie.

„Wofür sollte ich mich denn entschuldigen?", fragte Crow genervt. 

„Vielleicht, dass du mir die Haare rausgerissen hast, oder dafür, dass ich blaue Flecken habe, weil du mich fallen gelassen hast..." Crow lachte auf.

„Ja natürlich, die Entschuldigung wäre gelogen, denn das tut mir nicht leid!" Sein Blick erfasste Misery und ließ sie frösteln.

„Nicht einmal ein kleines bisschen!" 

Die beiden schwiegen sich an. Schließlich drängte sich Misery an ihm vorbei.

„Wie du meinst!", sie rannte den Flur entlang zu ihrem Zimmer. Die Tür fiel geräuschvoll ins Schloss. 

„Du hättest dich großmütig zeigen können. Zumindest ein wenig... es fiel ihr schwer über ihren Schatten zu springen und sich bei mir zu entschuldigen!", sprach Cat.

„Na und?" Cat musterte Crow ernst. 

„Sie ist bloß so gemein zu mir, weil du es zu ihr bist... sie liebt dich!" Crow machte eine abwertende Geste.

„Das ist nicht Liebe, Cat! Das ist Verliebtheit und hat mit echter Liebe nichts zu tun!", erklärte er.

„Sie ist die Tochter von Travis Louis, reich und verzogen... kam nur her, weil sie ihr schönes Leben ohne Schwierigkeiten anödete! Sie ist nicht wie wir, Cat! Sie hat nichts erlebt, das sie kaputt gemacht hätte, so wie uns!" 

„Und deshalb willst du sie jetzt zerstören? Das verstehe ich nicht."

„Musst du auch nicht, ist nicht dein Problem", Crow kratzte sich an der Schulter.

„Aber ich find es gut, dass sie sich bei dir entschuldigt hat, ehrlich! Zeigt, dass sie doch so etwas wie Anstand besitzt." Cat sah auf den Boden.

„Und ich finde du solltest ihr das auch sagen. Auf nette Weise... gutes Verhalten gehört belohnt!"

„Und schlechtes bestraft!", entgegnete Crow.

„Das hab ich damals auch gemacht!"

„Es gibt Studien die belegen, dass man mit positiver Verstärkung, also mit Lob, viel mehr erreicht, als mit Bestrafung!", belehrte Cat.

„Ach... schon gut ich rede mit ihr! Bist du dann zufrieden?", knurrte Crow. 

„Aber nett... du redest nett mit ihr!" Crows Augen funkelten.

„Natürlich... richtig, richtig nett" Er ging ebenfalls den Flur entlang. Cat schluckte, Crow wirkte alles andere als nett, eher genervt und wütend. 

„Misery?", er trat ins Zimmer. 

„Geh weg!", sie lag mit dem Bauch auf dem Bett und umklammerte ihr Kopfkissen.

„Du weinst... ja richtig!", sagte Crow. 

„Ach wirklich... ist mir gar nicht aufgefallen!" Es waren keine gespielten Tränen, wie sonst. Miserys Trauer war echt und ehrlich. Crow seufzte und ging an das Bett heran, er setzte sich neben sie und berührte ihre Schulter. 

„Hör mal ich... finde es toll, dass du dich bei Cat entschuldigt hast und... du weißt aber auch, dass ich nicht aus meiner Haut kann und ich will ehrlich zu dir sein... deshalb entschuldige ich mich nicht bei dir, denn es wäre wirklich gelogen!" 

„Hasst du mich so sehr, dass es dir gefällt mir Schmerz zu zufügen?", schluchzte Misery.

„Was heißt hassen? Ich liebe es anderen Schmerz zu zufügen. Das macht mich an, ich bin ein Sadist! Schon vergessen?" Crow ließ seine Hand sinken und starrte an die Decke. 

„Aber zu Cat bist du anders…"

„Ihr seid ja auch nicht dieselbe Person... Cat kann man eben schon mit Kleinigkeiten quälen, du bist ein anderes Kaliber, da passe ich mich eben an! Es ist nicht so, dass ich dich nicht leiden kann, Misery, aber ich muss dich brechen... im Gegensatz zu dir, kann ich nicht von meinem Gaul steigen... ich muss einfach meine Macht demonstrieren, verstehst du das?" Misery nickte. 

„Momentan bist du aber ganz schlimm drauf!", sagte sie und richtete sich auf um aus ihrer Lade ein Taschentuch rauszuholen. 

„Liegt vielleicht daran, dass ich wirklich ein wenig geladen bin!" Sie warf ihm einen überraschten Blick zu.

„Wo ich schon einmal hier bin, könntest du mir ja dabei helfen mich zu entladen", er grinste breit. 

„Ja ja... das würde dir so passen! Du kannst jetzt verschwinden und dir selber einen von der Palme wedeln!"

„Dann wirf mich doch raus!" Misery erwiderte Crows aufmüpfigen Blick. 

„Raus hier!", rief sie barsch und gab Crow einen Stoß, aber der legte sich quer übers Bett.

„Zwing mich doch!" Misery fuhr sich nervös durch ihr Haar.

„Du meinst das doch sowieso nicht ernst, warum gehst du nicht einfach?" Crow richtete sich auf, schnappte Misery und rang sie aufs Bett. Er sah ihr tief in die Augen.

„Wer sagt das? Ich meine das todernst... also was ist nun?" Er sah sie erwartungsvoll an und fuhr ihr durch ihr Haar. 

„Ich...", sie stockte und atmete hastig.

„Du gibst dich immer so stark... du willst von mir beachtet werden und wenn sich dein Wunsch erfüllt kriegst du Schiss..." Er ließ von ihr ab. 

„Du führst dich auf, wie eine Jungfrau..." Misery sagte dazu nichts, was Crow zu einem verwunderten Blick veranlasste.

„Du bist noch Jungfrau? Mit vierundzwanzig? Gibt‘s sowas?" Er lachte schallend.

„Wohl behütet nennt man sowas!", kläffte Misery. Sie beobachtete wie sein Lächeln äußerst finstere Züge an nahm. Es beunruhigte sie. 

„Mhm... ich finde das gehört jetzt geändert, ich bin heute so gütig und helfe dir eine Frau zu werden!" Er packte sie.

„Crow warte... nicht!" Er drückte sie aufs Bett und begann damit sie auszuziehen. 

„Crow!", Tränen sammelten sich in ihren Augen.

„Scht… ganz ruhig... du willst das doch! Du willst doch, dass ich das

tue!" Er hatte ihre Bluse geöffnet und drehte sie kurz, um ihren BH zu öffnen.

„Was ist das? Macht das Ding etwa deine Titten kleiner, als sie sind... das sind ja Melonen!" Er knetete Miserys große Brüste, sie stöhnte. 

„Ein... Minimizer ja", ächzte sie. 

„Wozu? Wenn ich gewusst hätte, was du da für Baumstämme vor deiner Hütte hast, hätte ich nicht so lange gewartet!" Er saugte an ihren rosigen Knospen. Es war kaum auszuhalten. Er biss zu.

„Autsch", entfuhr es ihr. Nun zog er ihre Hose aus. 

„Ich hatte immer Schwierigkeiten und die Jungs haben mich ausgelacht!"

„Ausgelacht? Was für Weicheier..." Er berührte ihren rosaroten Slip.

„Der ist süß... aber du musst ihn jetzt leider ausziehen!" Misery hob ihr Gesäß, damit Crow ihr den Slip leichter von den Hüften ziehen konnte. 

„Oh, langsam gefällt es dir, oder?", grinste er und fuhr die Schenkel entlang hoch zu ihrem Geschlecht. Sie zuckte zusammen, als er anfing sie dort zu streicheln.

„Keine Angst... Cat hat gesagt ich soll heute nett zu dir sein... also bin ich das auch!" Er führte seinen Mittelfinger in Miserys Lustzentrum ein. Sie stöhnte. Er beobachtete ihr Gesicht. Sie war schon so feucht und ihr Geruch war betörend. Misery kam schnell zu einem Höhepunkt. Crow behielt ihre Mimik im Blick, Frauen waren so schön, wenn sie einen Orgasmus hatten.  Er öffnete nun seine Hose. Er war schon hart und begierig darauf Misery zu entjungfern. 

„Ziehst du dich nicht aus?", fragte sie erschrocken.

„Hm... eigentlich finde ich es so geiler!", gestand Crow.

„Wenigstens das Shirt?" Er grinste und zog sich sein T-Shirt über den Kopf. 

„Besser?" Sie nickte.

„Willst du mich nicht anfassen?", fragte er und nahm ihre Hand, um sie auf seine Brust zu legen. Sie fuhr die einzelnen Muskeln nach, hinunter bis zu seiner V- förmigen Taille. Weiter wagte sie nicht.

„Sei nicht so ein Feigling! Fass ihn an!" Misery atmete schwer und schließlich tat sie, wie ihr geheißen. Sie fasste Crows Glied, es war sehr groß und ihr wurde mulmig dabei, wenn sie daran dachte, dass er in sie eindrang. 

„Du redest von Baumstämmen und hast selber einen in der Hose!", murmelte sie. Schließlich entzog er sich ihrer Berührung und drückte ihre Beine auseinander. 

„Ich kann nicht länger warten!", sprach er und Misery spürte ihn an ihrem Geschlecht.

„Bitte sei vor... ah…" Er drang ohne Rücksicht ein. 

„Oh, das fühlt sich gut an...du…fühlst dich gut an", gurrte er und begann gleich darauf mit festen, harten Stößen.

„Ah... ah nicht so fest... Crow!" Aber er hörte sie nicht, er verstärkte nur sein Tempo und seine Stöße wurden immer brutaler. Schließlich hielt er kurz inne und legte Miserys Beine auf seine Schultern, um sie daraufhin zurück zu biegen und tiefer in sie einzudringen. 

„Die Wiener Auster... meine Lieblingsstellung", raunte er ihr zu und begann wieder mit mächtigen Stößen. Misery wusste nicht mehr wo oben und unten war. Es schmerzte und fühlte sich doch so gut an. Sie rief seinen Namen, als in ihr alles zu erbeben schien, ihr die Hitze in den Kopf drang und ihre Sinne durcheinanderwirbelten. Doch Crow war noch nicht am Ende, sie wand sich, konnte seine Stöße kaum noch ertragen.

„Ha... halt still!", brüllte er und wurde in seiner Bewegung rasend. Sie schrie und er kam in ihr. Erschöpft ließ sie ihre Beine sinken. Sie zitterte, spürte sein Zucken in ihr und letztlich zog er sein Glied aus ihr heraus. Sie blutete leicht, auch Crow bemerkte Blutspuren an sich. Er wischte sich über die Stirn und musterte Misery, die vor ihm lag und hastig atmete. Immer wieder zuckte sie zusammen, als hätte sie im Nachhinein noch kleine Höhepunkte. Eine Frau zu entjungfern, das kam Töten schon sehr nahe. Man tötete das Kind in ihr und machte sie zur Frau. 

„Leck das Blut ab", sprach er und ignorierte ihren Blick.

„Mach schon!" Sie richtete sich auf und leckte zaghaft über Crows Schaft. 

„Gut..." Er drückte sie weg. Misery fühlte eine merkwürdige Kälte. Sie sah Crow dabei zu, wie er sich anzog und sich erhob.

„Und nun?", sagte sie plötzlich.

„Bin ich jetzt gänzlich uninteressant geworden?" Er lachte leise, dieses Lachen tat weh. 

„Oh nein, Kleines! Jetzt erst wird es interessant... jeden Mittwoch erwarte ich dich in meinem Zimmer und du wirst alles tun, was ich von dir verlange..." 

„Was?"

„Du gehörst jetzt mir, du bist nun mein kleines Sexspielzeug... das ist sparsamer, als ins Bordell zu gehen. Und somit bekommst du auch endlich einen Nutzen in diesem Haus." Sie sagte darauf nichts und Crow ging zur Tür.

„Und wenn ich aber nicht will?", sagte sie schlussendlich leise. Crow lachte auf. 

„Ob du willst oder nicht tut nichts zur Sache... ich nehme mir was ich will, dir bleibt lediglich die Entscheidung, ob es schmerzvoll wird oder nicht", mit diesen Worten ließ er sie zurück.

Kapitel 16

„Schmeckt doch, oder? Sag bitte, dass es schmeckt", erwartungsvoll beobachtete Cat Nightmare, der gerade ihren Auflauf probierte. Er schluckte.

„Und, und, und? Wie ist er?" Nightmare musterte sie ernst.

„So furchtbar?" Er leckte sich über die Lippen.

„Argh sag doch endlich etwas!", schimpfte sie. 

 Ist lecker!", sprach er endlich und langte mit der Gabel noch einmal zu.

„Hast du gut gemacht!", schmatzte er. 

„Ja... super, langsam wird's doch!" Cat fischte ein kleines grünes Buch hervor und öffnete es. Darin befand sich ein Blatt mit Goldsternen und sie klebte sich einen Stern in das grüne Buch. 

„Was machst du da?", wollte Nightmare wissen.

„Ich gebe mir einen Goldstern für den Auflauf... als Ansporn", antwortete sie und kritzelte daneben irgendetwas hin.

„Aha..." Nightmare stopfte sich noch eine Gabel in den Mund.

„Hey... jetzt reicht's aber!", rief Cat und klopfte ihm gegen die Brust. 

„Okay, okay…" Cat schob den Auflauf zurück ins Rohr, um ihn warm zu halten.

„Es ist süß, dass du dich so bemühst", meinte Nightmare.

„Sag nicht immer, dass ich süß bin!"

„Warum?"

„Das macht mich verlegen!", antwortete Cat und öffnete den Geschirrspüler, um die gebrauchten Küchenutensilien einzuräumen. 

„So jetzt muss ich noch den Salat waschen, kannst du mir die große Schüssel runter geben, dann brauch ich keine Leiter holen", bat Cat. Nightmare reichte ihr das Gewünschte und musste schmunzeln.

„Warum lachst du?", fragte Cat scharf.

„Ich lache nicht!", erwiderte Nightmare.

„Doch du hast gelacht... sicher darüber, weil ich so klein bin!" 

„Nun ja...okay vielleicht hab ich gelacht", gab er zu und lächelte. 

„Ich wär nur gerne einmal einen Tag lang so groß wie du... das wäre bezaubernd... einmal in meinem Leben ohne Hilfsmittel alles erreichen, wie herrlich", schwärmte Cat.

„Albern nicht?"

„Nein überhaupt nicht!", meinte Nightmare. 

„Wenn du einen Wunsch frei hättest, was würdest du dir wünschen?", fragte Cat und sah Nightmare erwartungsvoll an.

„Hm schwierig... ich denke ich würde mir wünschen, dass ich immer so leben könnte wie jetzt!"

„Was? Wirklich?"

„Ja was dachtest du?"

„Na vielleicht, dass dein Leben anders verlaufen wäre oder sowas..." Cat holte den Salat aus dem Kühlschrank und zerteilte ihn. Sie zerrupfte die Blätter in mundgerechte Teile.

„Das würde ich mir nicht wünschen können, denn wäre mein Leben nicht so verlaufen, dann hätte ich dich niemals kennen gelernt!", sprach er. Cat lächelte.

„Das ist wirklich... sehr lieb von dir", sie wurde rot und konnte ihm nicht in die Augen sehen.

„Jetzt aber raus aus der Küche, du lenkst mich nur ab!", forderte sie plötzlich und Nightmare tätigte eine beschwichtigende Geste und trottete aus der Küche. Cat konnte gar nicht aufhören zu grinsen, so sehr hatten ihr seine Worte gefallen. Sie leerte den gewaschenen Salat in die Glasschüssel, streute Salz darüber und holte schließlich Essig und Öl aus dem Apothekerschrank.

„Wenig Essig...", sie schüttete etwas Essig auf den Salat.

„Viel Öl!", das Öl goss sie wie eine Wilde darüber, um schließlich beides wieder zu verstauen und den Salat abzumachen. Sie kostete ein Blatt.

„Tut's schon!", murmelte sie während sie kaute. Plötzlich reckte Misery ihren Kopf in die Küche und flüsterte:

„Welcher Tag ist heute?" 

„Na Donnerstag, was denn sonst?", antwortete Cat und musterte Misery verwirrt.

„Wieso?"

„Ach nur so... hat Crow heute einen Auftrag?"

„Nein, vorhin war er noch im Wohnzimmer!" 

„Okay... dann bin ich heute beim Mittagessen nicht dabei... in Ordnung?" 

„Aber warum denn? Was hat er denn gestern so lange bei dir gemacht? Habt ihr gestritten?" Cat hatte viele Fragen und Misery waren sie alle sichtlich unangenehm. 

„Ja", entgegnete sie gedehnt.

„Gestritten... richtig!" Cat schnaubte.

„Dabei sagte ich er sollte nett sein!"

„Egal, egal Cat... so schlimm war es nicht... ich will nur nicht mit ihm gemeinsam Mittagessen und bitte... sag nichts zu ihm, okay?" Cat seufzte und nickte verstehend. 

„Okay!"

„Heb was für mich auf, Nightmare hat gesagt, dass es heute echt gut schmeckt!"

„Mach ich!"

„Danke... bis später!" Cat winkte. Sie wunderte sich ein wenig. Misery war äußerst höflich und nett. Bevor sie alle zum Mittagessen rief, schlich sie zum Wohnzimmer und beobachtete Crow, der wieder einmal ein neues Buch las und verächtlich schnaubte.

„Was hab ich denn da für einen Mist rausgesucht?", murrte er und drehte das Buch, um zu sehen, ob am Buchrücken etwas über das Genre stand. 

„Wie heißt es denn?", Nightmare döste auf dem Sofa, hatte die Augen geschlossen und die Beine angewinkelt, damit neben ihm Sugar Platz hatte. 

„Weit wie das Meer!", antwortete Crow.

„Das ist ein Liebesroman... nicht gerade das was dich interessiert oder?", sprach Nightmare und schmunzelte.

„Was? Wirklich? Ich dachte, das ist ein Piratenbuch oder so was... wegen der Flaschenpost!"

„Liest du denn nie den Klappentext, bevor du ein Buch beginnst?", wollte Sugar wissen.

„Was soll ich lesen?"

„Na das Geschriebene hinten am Cover, meint sie!", entgegnete Nightmare. 

„Ach so... nö, das lese ich nie!" Crow erhob sich und stellte das Buch wieder ins Regal.

„Liebesroman", sagte er abfällig. Cat betrat nun das Wohnzimmer.

„Essen wäre fertig!"

„Klasse!", Nightmare war blitzartig aufgesprungen und trabte ins Esszimmer. Crow sah ihm überrascht hinterher.

„Ich hol eben noch die anderen!", rief Cat. Eigentlich brüllte sie nur 

„Essen!", aus Leibeskräften. 

„So bitte... Auflauf und Salat, ich hoffe es schmeckt!"  Zur Freude von Cat aßen alle ohne Meckern. Heute waren sie alle sehr ruhig. Niemand tratschte, nicht einmal Bird. Cat nippte an einem Glas Wasser und wartete bis der erste sich erhob. Sie fing an den Tisch abzuräumen. Der Auflauf war aufgegessen, gut dass sie Misery einen Teller schon aufgehoben hatte. Sie wusste, dass Misery ihr gesagt hatte, dass sie nicht mit Crow reden sollte, aber sie platzte förmlich vor Neugier. Als sie im Wohnzimmer staubsaugte musste sie ihn andauernd ansehen. Und auch sonst hielt sie sich ungewöhnlich oft in seiner Nähe auf.

„Was schwänzelst du denn die ganze Zeit um mich herum?", knurrte er plötzlich, als er bemerkte, wie Cat genau dann, als er ein neues Buch auswählen wollte, das Regal abstaubte.

„Was, was, was... ich putze nur, siehst du doch!", gab sie zur Antwort. Crow warf ihr einen genervten Blick zu.

„Genau... irgendwann ist das Wohnzimmer aber auch mal sauber, oder nicht? Du tauchst schon den ganzen Tag immer hier auf? Als ob du nichts Wichtigeres zu tun hättest, als das Bücherregal abzustauben!" 

„Das lass nur meine Sorge sein", sie wirbelte Staub auf.

„Außerdem HATSCHI...", Crow wischte sich über die Nase.

„Außerdem", setzte er erneut an und wich zurück, als Cat sich zwischen ihn und das Regal quetschte.

„Hab ich auch bemerkt, dass du mich die ganze Zeit anglotzt..." 

„Es dreht sich nicht die ganze Welt um dich, Crow!" 

„Aber... jetzt lass das doch endlich!", er nahm Cat den Staubwedel weg.

„Hey!", schnaubte sie empört. 

„Sag mir jetzt, warum du mich bespitzelst, oder was auch immer du tust..." 

„Ich bespitzle dich doch nicht. Ich putze..." Crow knurrte missmutig.

„Na schön!" Er drückte ihr den Staubwedel wieder in die Hand und wandte sich um. Cat hörte die Eingangstür, sie schlich hinterher und sah aus dem Fenster.

„Aha! Und das ist nicht bespitzeln?", rief Crow, der plötzlich hinter ihr stand.

„Erschreck mich doch nicht so... ich hatte ja fast einen Herzinfarkt!", tadelte Cat.

„Lenk jetzt nicht vom Thema ab!" Cat seufzte, sie war ein außerordentlich schlechter Spion.

„Ach na gut... Misery war heute so komisch, sie fragte nach dem Wochentag und wollte nicht mit dir zusammen Mittagessen... und deshalb war ich neugierig!", sprach sie leise. 

„Ah deswegen, naja gut!" Er ging auf die Treppen zu.

„Hey, sagst du mir nicht was los ist?" Crow grinste.

„Nö, alles musst du auch nicht wissen, du neugieriges Putzilein!" Cat sprang ihm hinterher. 

„Oh komm bitte, sag es mir!" 

„Ich hab nein gesagt!", erwiderte Crow etwas energischer. Cat folgte ihm zu seinem Zimmer. 

„Bitte, Crow!" 

„Nein!" Er trat ins Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Sobald er weiter in den Raum gegangen war, öffnete sich die Tür abermals.

„Bitte?" Genervt musterte Crow Cat geringschätzig. 

„Wenn du jetzt nicht gleich verschwindest, dann lernst du mich echt mal richtig wütend kennen, klar?" Cat murrte beleidigt.

„Ja..." Sie verschwand aus dem Zimmer. 

„Gemeinheit!", wisperte sie und ärgerte sich darüber, dass sie nicht taktischer vorgegangen war. Jetzt musste sie sich aber ranhalten, denn sie hatte ihre Aufgaben tatsächlich schleifen lassen. Crow hingegen lag belustigt auf seinem Bett. Misery war also nervös, das gefiel ihm außerordentlich gut. 

***

„Na brauchst du Hilfe?" Cat wandte sich um und erblickte Nightmare. Sie versuchte gerade ein riesiges Spinnennetz zu entfernen kam aber trotz der Leiter und dem Besen nicht ran.

„Oh ja, bitte!" Nightmare hob sie von der Leiter, um selbst hoch zu steigen und das Spinnennetz zu entfernen.

„Woa, sieh dir das fette Teil an", sagte er und hielt Cat den Besen entgegen, auf dem die Spinne saß.

„Igitt... tu sie raus!", ekelte sich Cat. 

„Es ist schon spät... bist du immer noch nicht fertig?", fragte er nachdem er die Spinne nach draußen gebracht hatte.

„Bin im Verzug... hab mich verzettelt!"

„Wieso das?"

„Weil ich wissen wollte, warum Misery so komisch war wegen Crow... aber ich bin ein schlechter Detektiv und er will es mir auch nicht sagen!" Ein schelmisches Lächeln huschte über Nightmares Gesicht.

„Oh... ich weiß etwas... zumindest hab ich was gehört, was mich etwas ahnen lässt", sprach er geheimnisvoll. 

„Was? Was hast du gehört?", fragte sie wissbegierig. 

„Nun ja... ich denke die beiden haben sich miteinander vergnügt!" 

„Das ist nicht dein Ernst oder? Du veralberst mich!"

„Nein ehrlich, das waren eindeutige Geräusche..." Cat grübelte. 

„Denkst du, sie ist so komisch, weil er... ", sie unterbrach sich. 

„Ach das glaube ich nicht...sie steht doch auf ihn, das beruhte bestimmt auf Gegenseitigkeit", beruhigte Nightmare. Cat war sich aber nicht so sicher. 

„Ja aber, aber wieso geht sie ihm dann aus dem Weg?" Nightmare zuckte mit den Schultern.

„Vielleicht ist es ihr peinlich...oder er hat's nicht gebracht, was weiß ich! Wieso interessiert dich das überhaupt?" 

„Erleb sonst nix Spannendes und das hier ist wie eine Seifenoper! Und... ich weiß einfach gern alles, was in diesem Haus vor sich geht!" Nightmare grinste. 

„Aha, auch gut! Ich geh jetzt schlafen, Gute Nacht, Cat!" 

„Gute Nacht! Und vielen Dank nochmal!", sagte sie. Er winkte ab.

„Kein Thema!" Er verschwand.

Cat war allerdings immer noch nicht zufrieden, sie musste aus Crows oder Miserys Mund hören, was passiert war. Von der Quelle wollte sie es wissen und nicht durch Gerüchte. Nun überlegte sie, welches Zimmer sie wohl betreten sollte. Crow war vorhin gereizt gewesen, aber mit Misery wurde sie nicht wirklich warm. Also klopfte sie an Crows Tür, aber niemand antwortete. Sie öffnete sie und fand nur ein leeres Zimmer vor.

„Hm!" Die Badezimmertür ging auf und Crow stolzierte daraus.

„Was willst du?", fragte er barsch und schubste Cat zur Seite, um in sein Zimmer zu gehen. Er zupfte ein T-Shirt aus dem Schrank. Ein schwarzes mit Aufdruck. Die Skyline von New York. 

„Warst du duschen?", fragte Cat und schlüpfte ins Zimmer.

„Nein, ich hab die Freischwimmerprüfung gemacht, hohle Nuss!" 

„Du warst wieder in der Kraftkammer, ich hab dich gesehen!", sagte sie.

„Wundert mich nicht, heute bist du ja im Spionagemodus!", brummte Crow. Er musterte sich im Spiegel.

„Ach ich hätte es nicht nötig... ich seh super aus!" Cat verdrehte die Augen.

„Dein Selbstbewusstsein hätte ich gerne!" 

„Was ist jetzt? Was willst du? Du wolltest mir bestimmt nicht nur sagen, dass du mich gesehn hast, du siehst mich ja immerhin jeden Tag..."

„Ich hab was herausgefunden", sprach Cat mit derselben geheimnisvollen Stimme, wie Nightmare zuvor.

„Aha, und was?", hakte Crow nach. Cat lächelte verschmitzt. 

„Dass du und Misery letzte Nacht miteinander Spaß hattet!" 

„Wow herzlichen Glückwunsch, du kannst nicht einmal das Wort Sex aussprechen!", sagte Crow unbeeindruckt.

„Ja und... ich hab sie gevögelt und nun?", sprach er gelangweilt weiter.

„Nichts... ich wollt es nur von dir hören!", entgegnete Cat und zuckte mit den Schultern.

„Das hast du ja jetzt!"

„Mhm... du hast doch nicht", sie unterbrach sich. Crow sah ihr in die Augen.

„Was?" 

„Ach nichts!" Cat sah schnell weg. Crow trat auf sie zu.

„Was hab ich?" Cat presste ihre Lippen fest aufeinander. 

„Sie vergewaltigt? Willst du das wissen? Sag schon!", fuhr er sie an.

„Ja, das wollte ich fragen", gab sie kleinlaut zu. Crow schnaubte abfällig.

„Das hab ich nun echt nicht nötig, oder?"

„Das nicht... aber eventuell gibt dir das was...", meinte Cat sachlich. Crow grinste plötzlich.

„Nun ja... bei dir vielleicht! Dich zu vergewaltigen wär in der Tat sehr interessant..." Cat sah ihn mit großen Augen an.

„Aber du wehrst dich ja nicht... das macht es dann doch wieder langweilig!", fügte er kühl hinzu. 

„Warum will sie dich nicht sehen, wenn es doch für sie auch so toll war?", fragte Cat mutig. Crow lächelte belustigt.

„Wer sagt denn, dass es toll war? Ich hatte schon Huren, die besser waren..." 

„Du bist echt gemein, das hast du ihr doch hoffentlich nicht gesagt!"

„Nein... es war auch nicht total schlecht, für meine Zwecke auch ausreichend!" Er lachte leise, was Cat beunruhigte. 

„Du hast mich gefragt, ob ich Misery zerstören will, erinnerst du dich?" Cat nickte und sein Blick ließ sie erschaudern.

„Ich bin gerade dabei sie Stück für Stück zu zerbrechen!"

***

„Woran denkst du?“ Nightmare half Cat beim Reinigen der Fenster. Er fand immer mehr Gefallen daran ihr behilflich zu sein, immerhin hatte er nichts Besseres zu tun, eigentlich sollte er ja tot sein.

„An nichts!“ Nightmare warf Cat einen verstohlenen Blick zu. Sie war heute überaus ruhig, ungewöhnlich für sie. Ab und an seufzte sie auch schwer, etwas bedrückte sie, aber sie sagte nichts.

„Komm schon, was ist denn los? Du bist den ganzen Tag schon nicht so gut drauf!“ 

„Ich bin nur gedankenversunken, tut mir leid“, sie lächelte, doch man merkte diesmal, wie aufgesetzt es war. 

„Du kannst doch mit mir reden“, meinte Nightmare und wischte energisch über einen hartnäckigen Fleck. 

„Ich mache mir bloß Sorgen um Misery… Crow hat da gestern etwas gesagt, das war nicht sonderlich schön…“ 

„Misery ist alt genug, die weiß sich schon zu helfen.“ Cat betrachtete einen Tannenbaum, der im Wind schwankte.

„Ich weiß, wie das ist“, setzte sie an.

„Wenn man sich nicht gegen ihn wehren kann… wie er deinen Schwachpunkt ausnutzt und dich die Angst lähmt…“ Nightmare und Cat sahen sich an. Seine roten Augen starr in ihre grünen gerichtet.

„Du bist auch ein Mörder, klar, du kannst kalt und gefühllos sein, gehst über Leichen hinweg, aber Crow tut auch jenen weh, die er liebt. Er kann nett sein, keine Frage, aber das ist er nur so lange, bis ihm einfällt, dass es befriedigender ist die anderen leiden zu sehen…“ 

„Worauf willst du hinaus, Cat?“

„Er sagte er will sie zerbrechen… Misery gehört zu unserem Haus, er will jemanden von uns zerstören und das gar nicht vollends körperlich, sondern psychisch… ich weiß, dass er ihre Seele zerfetzen will, damit sie besser hier her passt.“ 

„Ist er irre? Was soll das heißen?“

„Er hat behauptet, dass sie nichts erlebt hätte, das sie kaputt gemacht hat, so wie wir anderen… deshalb will er sie offenbar zurechtstutzen und das kann ich nicht zu lassen!“

„Aber Cat, das kann dir doch egal sein!“

„Nein!“, sagte sie laut, was Nightmare überraschte.

„Ich bin hier die Haushälterin und ich trage die Verantwortung für alles hier im Haushalt. Dazu gehören auch eure Seelen und ich kann es nicht dulden, was Crow vorhat. Von daher werde ich alles unternehmen, um das verhindern und nehme seinen ganzen Zorn in Kauf…“ Die beiden schwiegen, bis Nightmare sprach: „Sehr heldenhaft, Cat, aber du weißt nicht, ob sie das nicht auch möchte… du solltest dich in solche Angelegenheiten wirklich nicht einmischen, jetzt mal abgesehen davon, dass es nicht ganz so klug ist, sich Crow entgegenzustellen. Misery könnte das wollen, ihr gefällt vielleicht genau das, was er da treibt!“ Cat seufzte.

„Ja… da könntest du natürlich recht haben, ich hab doch keine Ahnung davon“, sagte sie leise. Nightmare lächelte sie an.

„Bring dich nur nicht unnötig in Gefahr… beobachte erstmal, du kennst uns alle am besten, dir wird auffallen, sollte es Misery schlecht gehen“, meinte er zuversichtlich. Cat nickte.

„Gut… ich werde beobachten… diesmal werde ich viel besser spionieren, nicht wie letztens, wo ich gleich durchschaut wurde.“ 

„Was willst du spionieren?“ Cat durchfuhr es bei diesem Klang einer Stimme wie ein Elektroschock. Sie wandte sich dümmlich grinsend dessen Besitzer zu, der sie grimmig musterte.

„Nichts, nichts“, versuchte sie zu beschwichtigen und lachte verlegen. Crow verzog sein Gesicht.

„Es gibt hier nichts zu spionieren, verstanden, Dummchen?“, knurrte er erbost.

„Reg dich ab, Crow! Sie wurde halt von dir erwischt und will ihre Ninjafähigkeiten verbessern, das heißt nicht, dass sie zwangsläufig, dich ausspionieren will“, sagte Nightmare ruhig und lenkte Crows Aufmerksamkeit auf sich.

„Außerdem, hast du doch nichts zu verbergen, oder?“ Nightmares kühle Augen trafen Crows feurige. Schlagartig grinste Crow breit.

„Nein, das ist wahr! Das mit Misery und mir weiß sie ja schon!“ Er stolzierte davon.

„Na siehst du, er macht nicht einmal ein Geheimnis daraus, mach dir keine Sorgen, Cat“, meinte Nightmare, als Crow außer Sichtweite war. Cat atmete auf, wäre Nightmare jetzt nicht hier gewesen, hätte diese Unterhaltung mit Crow wahrscheinlich ganz anders ausgesehen. Sie putzten die Fenster fertig und Nightmare begann zu jammern, dass sein Handgelenk nun schmerzen würde. Cat gab ihm eine Salbe zum Kühlen und beruhigen und jagte ihn davon. Seine Jammerei musste sie nicht die ganze Zeit hören. 

Letztendlich befand sich Cat in der Waschküche und sortierte wieder einmal Wäsche. Da hätte Nightmare ihr sowieso nicht geholfen, er würde bestimmt nicht die Dreckwäsche der anderen anfassen wollen. 

„Schwarz zu schwarz und grau dazu, fertig bin ich bald im Nu!“, dichtete Cat und sang ihren Reim vor sich hin. Sie verstummte, als sie die Tür hörte.

„Du sagtest jeden Mittwoch, heute ist doch…“

„Jeden Mittwoch in meinem Zimmer heute hab ich hier Bock auf dich!“ Cat erkannte Crow und Misery, die im Vorderzimmer standen, wo die beiden Waschmaschinen und der Trockner standen. Sie sah wir Crow Misery auf den Trockner hob, ihr die Hose förmlich runterriss und den Slip zur Seite zog. In Cat kroch die Hitze hoch, sie wollte wegsehen, wollte sich bemerkbar machen, aber sie stand nur da und gaffte. Sie beobachtete das ganze Liebesspiel und während Misery gerade in Ekstase geriet, trafen sich Cats und Crows Blick. Er zwinkerte Cat nur zu und grinste, während er Misery weiter mit gewaltigen Stößen beglückte. Schließlich ließ er von ihr ab. Erschöpft blieb sie am Trockner sitzen und keuchte.

„War es gut?“, fragte Crow und Misery nickte heftig.

„Ja, oh…ja!“, keuchte sie.

„Schön… gehen wir!“ Misery zog sich ihre Hose hoch und folgte Crow nach draußen. Cat stand noch immer wie angewurzelt da. War das gerade wirklich passiert? Sie zitterte und schüttelte verwirrt ihren Kopf, vor allem deswegen, weil Crow gesehen hatte, dass sie anwesend war und dennoch weitergemacht hatte. Endlich versuchte Cat das Gesehene zu vergessen und sortierte wieder geistesabwesend, die Klamotten. Sie hörte die Tür abermals, sie wusste wer eintrat und sie wandte sich deshalb nicht um.

„Das war nicht spionieren, Cat… das war spannen, das weißt du hoffentlich“, sagte Crow und lachte.  Cat schluckte, sie konnte nichts erwidern, geschweige denn Crow ansehen. Er lehnte sich ihr gegenüber an die Wand.

„Hat‘s dir wenigstens gefallen?“

„Ich wollte das nicht, Entschuldigung“, sprach sie sehr leise. 

„Was?“, Crow hatte es nicht verstanden, die Waschmaschine hatte Cat übertönt und er konnte nur Gemurmel verstehen.

„Es… es tut mir leid ich wollte nicht spannen… wirklich nicht, das war das letzte, was ich sehen wollte“, sagte sie nun lauter und schenkte ihm schließlich einen verzweifelten Blick. Crow musterte sie lange.

„Du bist doch nicht böse, oder?“, fragte sie kleinlaut.

Crow lachte belustigt auf.

„Böse? Als ich bemerkt hab, dass du uns zu siehst, fand ich die Sache noch viel geiler! Du kannst ruhig öfter spannen, Cat!“

„Nein… danke“ Cat war nur froh, dass sie aus dem Winkel, wo sie vorhin stand, nicht ganz so detailreiche Sicht gehabt hatte und dass sich die beiden nicht komplett nackt ausgezogen hatten. Sie erschauderte bei dem Gedanken daran, sie noch einmal so zu Gesicht zu bekommen.

„Schade“, seufzte Crow und lächelte.

„Was heißt das jeden Mittwoch… was ist jeden Mittwoch?“, wollte Cat schließlich wissen und hob den Korb mit Buntwäsche hoch, als sie die Waschmaschine piepen hörte.

„Da hab ich ihr gesagt, dass sie gefälligst bereit stehen soll, damit ich sie nutzen kann, wie ich will!“ Cat sah Crow in seine Augen.

„Crow… sie ist doch kein Ding, wie redest du denn?“ 

„Sie tut doch sonst nichts, keinen Handgriff, dann soll sie mir wenigstens ein bisschen zur Verfügung stehen. Ihr gefällt das doch sowieso!“ Cat ging zur Waschmaschine und öffnete sie, um die nasse Wäsche in einen leeren Korb zu geben und die Buntwäsche in die Trommel zu werfen. Crow war ihr nachgeschlichen. 

„Also ist es für sie auch schön… muss ich mir keine Sorgen machen?“ Crow schnaubte abfällig.

„Sorgen? Wieso Sorgen?“

„Weil du gesagt hast, du willst sie zerbrechen, deshalb, da hab ich mir Sorgen gemacht, auch wenn sie nicht immer nett zu mir war, aber es hat niemand verdient gequält zu werden“, antwortete Cat ernst.

„Ach nein, quälen sieht anders aus…keine Angst, ich lass nur Druck ab, mehr nicht, das hält sie aus und ich denke sie kann es sowieso kaum erwarten, bis ich sie wieder rannehme.“ Crow grinste selbstgefällig.

„L…l…“

„Was? Red normal mit mir“, sprach er genervt, als Cat zu stottern begann. 

„Ich wollte fragen, ob… ob“, sie unterbrach sich und spürte seinen erwartungsvollen Blick.

„Ob du sie liebst!“, brachte sie endlich über ihre Lippen. Crow sah sie verdutzt an, fing daraufhin an zu lachen und konnte sich kaum mehr beruhigen.

„Ob ich sie liebe? Was? Das fragst du? Ernsthaft?“ Er kugelte sich förmlich vor Lachen am Boden. Schlagartig wurde er kurz ernst.

„Wieso fragst du das? Bist du eifersüchtig?“ Ein Lächeln lag auf seinen Lippen.

„Nein… ich frage nur, weil ich wissen möchte ob sowas ohne Liebe möglich ist.“

„Tag für Tag werden Menschen lieblos gefickt, das musst doch auch du wissen“, erwiderte Crow.

„Ja, ja aber sie sagte es war gut… kann es ohne Liebe auch wirklich gut sein?“ Crow ging auf Cat zu, sie wich zurück.

„Willst du es ausprobieren?“

„Nein! Um Gottes willen! Nein!“, wehrte sie ab und sah schüchtern auf den Boden. Er hob ihren Kopf am Kinn hoch.

„Ich bin überzeugt davon, dass ich top im Bett bin und dass ich es einer Frau schon ganz gut besorgen kann, aber ich denke auch, dass wenn Liebe im Spiel ist, alles intensiver sein wird… mehr Tiefe und Bedeutung bekommt, verstehst du?“ Cat nickte leicht. Er ließ seine Hand sinken.

„Aber das werde ich nie erfahren, ob das stimmt“, sprach er und wandte sich von ihr ab.

„Warum nicht?“, fragte Cat naiv. 

„Weil ich niemanden lieben kann, du Trottel!“

„Du sagtest du liebst mich, war das denn gelogen?“ Crow stöhnte entnervt.

„Ja, dich liebe ich, wie meine Schwester damals… vögelt man seine Schwester, Cat?“

„Ups, nein natürlich nicht!“ Sie glotzte beschämt auf die Fliesen. Die musste sie auch wieder einmal putzen, sie sahen furchtbar aus.

„Moment, also… also müsste ich mich gar nicht so einschüchtern lassen? Du würdest mit mir sowieso nicht…“, wieder einmal konnte sie es nicht aussprechen. Crow drehte sich um und lächelte.

„Ah ich weiß nicht, du bist ja nicht meine echte Schwester! Zu sicher würde ich mir jetzt auch nicht sein!“ 

„Oh… du bist gemein“, brummte Cat. 

„Bis dann, ich muss pennen, hab morgen einen Auftrag!“ Cat nickte.

„Bis morgen, Crow!“ 

***

„Hey, hey, hey Cat... was kam mir da zu Ohren?" Bird hatte Cat abgebremst, die, gerade zu den Hunden raus wollte. Cat wurde rot.

„Ich wollte doch nicht spannen!", sagte sie beschämt.

„Was? Spannen? Ich meinte das mit Crow und Misery."

„Oh ach so, ja da hast du richtig gehört"

- Woher auch immer- dachte sie. Sie wollte sich in Bewegung setzen.

„Moment mal, nicht so schnell, Kleine! Was hast du denn gesehen?" Bird hielt Cat fest.

„Lass mich bitte los, Bird!" 

„Zuerst gibst du mir eine Antwort!" 

„Sie hat mir beim Sex zugesehen und jetzt lass sie los!" Crow war gerade vom Keller hochgekommen. Er sah furchtbar aus. Viel blutgetränkter als sonst, dabei hatte er seinen Pullover schon unten ausgezogen. Selbst seine Haare waren verklebt. Bird ließ von Cat ab.

„Boa, wie siehst du denn aus?", rief Cat.

„Hm ich weiß nicht, ich weiß nur, dass jemand vergessen hat mir genügend Wurfsterne zu machen!" 

„Oh nein, tut mir leid!" 

„Ach, Schwamm drüber, geht ja auch ohne", beschwichtigte Crow. 

„Jetzt lenkt nicht vom Thema ab...wieso hat Cat gespannt?" Crow warf Bird einen gelangweilten Blick zu.

„Geht dich doch einen Scheiß an", sagte er kalt. 

„Was? Ach komm schon…" Bird stolperte Crow nach, der die Treppen hoch trabte und Cat schlüpfte zur Tür hinaus. Sie seufzte und überlegte, woher Bird schon wieder diese Information hatte. Da erinnerte sie sich, dass sein Zimmer neben Miserys lag, das erklärte sein Wissen.  Cat hörte die Hunde schon winseln, sie haben sie wohl schon gerochen, als sie zur Tür raus war. Da kam ihr Misery entgegen.

„Wo kommst du denn her?", fragte Cat überrascht.

„Aus der Stadt... hab eingekauft!", antwortete sie knapp.

„Und was?"

„Sei nicht immer so neugierig, Cat!"

„Verzeihung!" Cat wollte weiter zum Zwinger.

„Du hast uns gesehen, nicht wahr? Du warst im Waschraum und hast nichts gesagt."

„Ich..." Misery warf Cat einen missbilligenden Blick zu.

„Das ist ekelhaft, weißt du das? Abscheulich und pervers... ich wusste nicht, dass du so bist... passt also doch zu dem ganzen Haufen hier! Du bist krank!" Mit diesen verletzenden Worten ließ Misery Cat stehen. Cats Lippen zitterten, sie kämpfte mit den Tränen.

„Als ob ich das sehen wollte!", schrie sie Misery hinterher.

„Als ob mich das interessierte, was ihr beide für Spielchen treibt..." Misery drehte sich nicht um und verschwand in der Villa.

„Blöde Kuh!", schimpfte Cat wütend. Was erlaubte sich Misery bloß, warum hatte sie sich überhaupt um ihre Seele Sorgen gemacht. Dieses undankbare und dumme Miststück. Zornig trampelte Cat in den Zwinger. Die Hunde spürten ihre innere Wut und wichen vor ihr zurück. Sie klatschte ihnen das Futter hin. Als die Tiere gefressen hatten und Cat den Hundemist entfernt hatte trottete sie zurück zur

Villa. Sie betrat das Wohnzimmer und fand einen frisch geduschten Crow lesend vor. Auch Bird hielt sich im Raum auf. Der Zorn kroch abermals in Cat hoch und sie stiefelte auf Crow zu, um ihm das Buch aus der Hand zu reißen.

„Was soll das denn?"

„Zieh mich ja nie wieder in deine Sexgeschichten mit rein! Lass mich bloß in Ruhe, sprich und fass mich nie wieder an, verstanden? Ich möchte ab sofort nur mehr Luft für dich sein! Nie wieder will ich irgendetwas hören oder sehen, das nicht mit deinen verfluchten Aufträgen zusammenhängt, klar?!" 

„Cat, was hast du denn?" Sie warf ihm das Buch wieder entgegen. 

„Hast du mich verstanden, verdammte Krähe?", brüllte sie, schnaubte entrüstet und machte am Absatz kehrt um davon zu stürmen. 

„Was ist denn in die gefahren?", wunderte sich auch Bird. 

„Sexgeschichten... dass sie das überhaupt rausgebracht hat, zeugt davon, dass sie wohl echt ganz schön sauer ist", sprach er weiter. Crow war völlig vor den Kopf gestoßen, zuvor war Cat doch ganz normal gewesen, er konnte sich ihren Auftritt beim besten Willen nicht erklären. 

***

Währenddessen saß Cat in ihrer Werkstatt und schliff die Wurfsterne zu Recht. Sie war immer noch voller Groll und arbeitete schnell und ohne Pause. Sicher zweihundert Stück hatte sie schon fertig. Sie wollte mehr schaffen, um längere Zeit nichts mit Crow zu tun haben zu müssen. 

Sie prüfte die Klingen und schnitt sich dabei.

„Ich durchtrenne die Fäden... wie du gesagt hast!", flüsterte sie und schließlich rannen doch Tränen über ihr Gesicht. Ihr wurde schlecht, aber sie arbeitete weiter.  Irgendwie hatte sie erwartet, dass Crow auftauchen würde und ihr Debüt hinterfragen würde, aber er kam nicht. Er war bestimmt eingeschnappt und wütend.  Noch lange Zeit war Cat dabei die Wurfsterne anzufertigen und als sie schließlich erschöpft aufstand, konnte sie knapp über tausend Stück vorweisen. Sie hatte den ganzen Tag damit zugebracht und war zu sonst nichts gekommen. Auch gekocht hatte sie nicht. Angel war zwischenzeitlich aufgetaucht, um sie zu fragen, was los sei, aber sie wollte selbst mit ihm nicht darüber sprechen. Sie wollte generell mit niemanden mehr sprechen, sie wollte vergessen was in letzter Zeit alles passiert war und zu Crow wollte sie eine große Distanz schaffen. Einen Graben mit Krokodilen und einem Maschendrahtzaun auf der anderen Seite, mit Stacheldraht und unter Starkstrom gestellt. Nun war sie auf dem Weg in ihr Zimmer. 

„Cat", sie sah Crow, der auf sie zu ging und sie rannte schnell in ihr Zimmer und zog die Tür zu, um sie sogleich zu verschließen. 

„Ach... was ist denn los?", hörte sie gedämpft.

„Ich hab dir tausend Wurfsterne gemacht... das reicht hoffentlich für einige Zeit. Nacht!", sprach sie ohne auf seine Frage einzugehen. Sie vernahm, wie er gereizt gegen die Tür trat.

„Mach die scheiß Tür auf!", rief er zornig. Cat holte tief Luft bevor sie bestimmt sagte: „ Nein!" Sie legte sich ins Bett und lauschte noch einiger Zeit Crows Fluchen und Bitten, bis er aufgab und in sein Zimmer ging. Der erste Schritt war geschafft, sie hatte sich nicht einschüchtern oder erweichen lassen und die Tür verschlossen gehalten. Diese verschlossene Tür sollte nur der Anfang für die Mauer sein, die sie nun errichten wollte und die für Crow torlos bleiben würde.

***

Einige Tage war es her, dass Cat Crow ihre Worte an den Kopf geworfen hatte und sie war wirklich sehr bemüht nur Luft für ihn zu sein. Er sah sie eigentlich gar nicht mehr, nur dann, wenn es Essen gab und selbst da schien sie meilenweit entfernt von ihm zu sein. Im Wohnzimmer traf er sie nur selten, wenn sie einmal da war und er auftauchte verließ sie es. Auch die anderen hatten Cats Kälte zu Crow bemerkt, aber sie sagte niemanden, was der Grund dafür war.

„Langsam macht es mich echt traurig", sagte Crow und sah zu Sugar, die auf der Couch saß.

„Wenn sie mir wenigstens sagen würde, was los ist... aber sie sagt nichts, kannst du dir das vorstellen? Cat spricht nicht mit mir!"

„Hast du mal mit Nightmare geredet? Vielleicht weiß der ja was…"

„Natürlich... das war mein erster Gedanke, er kriegt auch nichts raus, sie wechselt sofort das Thema!" Sugar strich sich nachdenklich über das Kinn.

„Das ist sehr merkwürdig, wirklich!", meinte sie. Crow seufzte und starrte auf den Boden. Plötzlich erschien Cat im Wohnzimmer, Crow hob den Kopf.

„Cat", sagte er, aber sie sah ihn nicht einmal an.

„Muffin hat gesagt, dass du heute in die Stadt musst, um Blumen zu kaufen... irgendjemand wird beerdigt, da muss Sandman hin und du sollst die Blumen aussuchen", sprach sie zu Sugar.

„Oh okay...ich werde mich gleich auf den Weg machen", sagte Sugar und erhob sich. Cat ging mit ihr zusammen aus dem Wohnzimmer.

„Er ist echt traurig, Kleine! Du solltest mit ihm reden", hörte Crow Sugar sprechen.

„Nein, das sollte ich nicht...", lautete Cats Antwort und sie ging in die Küche. Sugar sah zurück zu Crow und hob die Schultern. Er lehnte sich zurück in den Sessel und schien zu überlegen. Schließlich erhob er sich und ging an Sugar vorbei.

„Wo gehst du hin?", wollte sie wissen, obwohl sie ahnte was er vorhatte.

„In die Küche", raunte er.

Crow betrat die Küche und fand Cat vor, die den Geschirrspüler ausräumte. Er lehnte sich mit verschränkten Armen an den Kühlschrank und beobachtete sie. Cat reagierte überhaupt nicht, sie arbeitete seelenruhig weiter und ignorierte Crow.

„Ich dachte du sollst Luft sein und nicht ich!", sprach er, aber sie antwortete nicht. Sie schloss den Geschirrspüler und wollte an ihm vorbei aus der Küche gehen. Er stellte sich ihr in den Weg.

„Bleib jetzt hier!", bellte er.

„Brauchst du was Wichtiges, oder darf ich bitte meinen Job weitermachen?" Sie sah ihm in die Augen. Es lag überhaupt keine Sympathie für ihn mehr darin.

„Jetzt reicht's aber... sag mir sofort, warum du zu mir so arschig bist! So kenne ich dich überhaupt nicht!"

„Daran solltest du dich aber langsam gewöhnen, es wird so bleiben", entgegnete sie kühl.

„Und warum? Warum jetzt auf einmal? Einfach aus dem Nichts?"

„Weil es Zeit ist!" Sie schlüpfte unter seinem Arm hindurch.

„Das ist doch keine Antwort, Cat!" Er folgte ihr nach und packte sie am Handgelenk.

„Lass mich jetzt meine Arbeit erledigen!", rief sie trotzig.

„Nein, nicht bevor du mir eine ordentliche Antwort auf meine Frage gegeben hast!", brüllte Crow. Die Tür schwang auf und Misery reckte ihren Kopf in die Küche.

„Was schreit ihr denn so?" Cat riss sich los.

„Da frag doch dein Spielzeug, das hat Antworten für dich, von mir hörst du keine!" Cat stürmte aus der Küche. Crow sah ihr hinterher, bis seine Augen zu Schlitzen wurden und er Misery angiftete: „ Was hast du zu ihr gesagt?"

„Wer ich?", tat Misery unschuldig.

„Ja du, Arschkuh!" Misery warf sich mit einer arroganten Geste ihr Haar zurück.

„Ach, doch nur, dass ich es ekelhaft fand, dass sie gespannt hat. Dass das pervers und krank ist und deshalb fabelhaft zu euch allen passt!" Misery lächelte zynisch. Crow verzog seine Miene und nickte.

„Mhm... in Ordnung", sagte er und zog ein Messer aus dem Block, der auf der Arbeitsfläche stand.

„Was... was tust du?", stotterte Misery und wollte weglaufen, als er auf sie zutrat, aber Crow packte sie, warf sie gegen die Kücheninsel und fasste ihr Haar, hielt es fest in seinen Händen. Ihr Nacken war überstreckt, sie zitterte. 

„Tötest du mich jetzt? Ehrlich? Wegen Cat?", wimmerte Misery. Crow setzte das Messer an ihrem Hinterkopf an und schnitt ihre Haare ab. Misery fiel nach vorne und knallte mit ihrem Gesicht auf die Arbeitsfläche. Crow warf das lange Büschel neben sie, sie starrte ihr Haar mit aufgerissenen Augen an.

„Jetzt… bist du gänzlich uninteressant für mich geworden!", sprach Crow gefühllos und ließ Misery zurück.

***

Crow schlenderte über den Kiesweg, der zurück zu Villa führte. Er war spazieren gewesen und auch in die Stadt gegangen. Momentan war er innerlich komplett ruhig, was wahrscheinlich daran lag, dass er einen Typen gerade aufgeschlitzt hatte, weil dieser ihn ausrauben wollte. Er hatte seinen ganzen Frust an diesem Fremden abgeladen, er war quasi nur deshalb in die Stadt, um genau den erstbesten umzulegen, der ihm blöd kam. Es tat gut all seinen Zorn auf dieses Weichei zu entladen. Wie der Feigling gewinselt hatte, um sein Leben gebettelt hatte. Als ob Crow jemals Gnade walten lassen würde, sein Pech, der Kerl hatte sich eben genau an diesem Tag für ein falsches Opfer entschieden.  Crow konnte in der Ferne sehen, wie sich die Tür zur Villa öffnete und Misery heraustrat. Sie trug ein Kopftuch, wie die Frauen aus den Sechzigern. Zorn kletterte wieder in ihm hoch. 

-Diese Schlampe- dachte er. Zuvor, als er sie damit bestrafte, indem er ihr die Haare abschnitt, hatte er nach Cat gesucht, aber er konnte sie nicht finden. Später erfuhr er von Muffin, dass Cat gebeten hatte Sugar begleiten zu dürfen, wobei er zugestimmt hatte, denn er hatte gemerkt, wie schlecht es Cat eigentlich ging. Die Ablenkung im Blumenladen würde ihr bestimmt guttun.  Misery setzte sich eine Sonnenbrille auf um den Look zu unterstreichen und stiefelte los. 

Crow schlich in den Wald, damit sie seinen Weg nicht kreuzte. Sie war bestimmt auf dem Weg zum Friseur, die Blöße mit kurzen Haaren, die irgendwie abgeschnitten waren, würde sie sich nicht lange geben. 

„Du hast es aber eilig…“, erkannte Crow Sugars Stimme und er beobachtete aus dem Wald die drei, Cat war auch daneben und hatte einen Strauß in ihren Händen.

„Ja das habe ich!“

„Und wo geht’s hin?“, wollte Sugar wissen.

„Zum Friseur!“ Wie es sich Crow gedacht hatte.

„Aber du warst doch erst dort!“ Plötzlich fing Misery an zu kreischen.

„Da hatte ich noch nicht diese Frisur!“ Sie riss sich das Kopftuch herunter und Sugar und Cat starrten sie entsetzt an.

„Na Cat!? Bist du jetzt zufrieden… das hat er nur gemacht, weil du so rum gezickt hast! Jetzt interessiert er sich für mich gar nicht mehr, dank dir!“ Cat konnte nichts erwidern. Sie sah nur auf Miserys Haupt, sie sah aus wie eine Barbiepuppe, der man die Haare in kindlicher Naivität geschnitten hatte, voller guter Dinge, dass sie nachwachsen würden, wenn der Schnitt misslang. 

„Ich…“, setzte Cat an.

„Du musstest ja so blöd sein und beleidigt sein, nur deshalb bin ich jetzt ein Nichts für ihn… du dumme Zimtzicke!“ So beendete Misery ihren Anfall und rannte Richtung Tor, wo auch das Taxi schon wartete. Crow hätte ihr am liebsten nun den Schädel auch noch abgeschnitten. Er beobachtete Cats Mimik. Sie starrte auf die Blumen.

„Alles okay, Cat?“, fragte Sugar besorgt. 

„Ich glaube ich… gehe jetzt besser“, hauchte Cat und drückte ihr die Blumen, die sie für die Villa mitgebracht hatte, in die Hand. Cat rannte davon, unglaublich, wie schnell sie war. Sugar stand nur perplex da, sie hoffte nur, dass Cat nicht wieder ganz davonlaufen würde, nicht wieder allein in die Stadt. Crow trat aus dem Wald.

„Hast du alles mitbekommen?“, sagte Sugar, sie war nicht wirklich überrascht, dass er hier war. 

„Ich suche sie“, sprach er.

„Ich weiß nicht, ob sie jetzt gerade dich sehen will“, meinte Sugar.

„Das ist mir…“, setzte Crow an und schritt los.

„Völlig egal!“ 

***

Crow suchte Cat lange, bis er sie doch am Strand erblickte. Sie hatte etwas bei sich und Crow ging näher heran, um zu sehen was sie machte. Sie zog sich die Trainingsgewichte über, die man mit Hilfe eines Klettverschlusses an Armen und Beinen fixieren konnte. Cat sah auf das Meer hinaus. Gewaltige Wellen umspielten den Strand gerade, perfekt, um sich die Hüften umschlingen zu lassen und in die Tiefe gezogen zu werden. 

-Das... ist doch nicht ihr Ernst- Crow stürmte zum Strand, um Cat davon abzuhalten, was sie vor hatte.

„Cat, Cat! Was tust du denn? Was soll das denn werden?", rief er. Cat sah ihn mit leerem Blick an.

„Ich gehe! Ich hab keine Lust mehr, ich bin unglücklich... traurig... das will ich nicht sein... mach's gut Crow!" Sie wollte ins Wasser waten. Er wusste, dass Cat nicht gut schwimmen konnte, sie liebte das Meer, aber es würde sie erbarmungslos töten, vor allem mit diesen Gewichten an Armen und Beinen.

„Nein, du bleibst hier, bist du verrückt? Wir machen dich wieder glücklich... ich mach alles wieder gut, tu das nicht... bitte, tu das nicht!" Crow hatte Cat zu sich gezogen und hielt sie fest umarmt. Nur nicht loslassen, sonst brachte sie sich um, nur wegen eines grausamen Spiels, das ausgeartet war. Das war es doch nicht wert, Cat deswegen zu verlieren.

„Ich kann einfach meinen Frust nicht mehr überspielen und somit belästige ich euch mit meinen Gefühlen... das geht so nicht!"

„Doch das geht, belästige mich ruhig damit, Cat, nur geh nicht fort, tu mir das nicht an!" Schließlich brach Cats kühle Fassade und sie weinte bitterlich. Sie vergrub ihr Gesicht in Crows Brust und weinte. Es hörte gar nicht auf, sie konnte es nicht stoppen. 

„Ich wollte nicht so gemein sein, aber... ich hatte Angst und war wütend... und auch gekränkt darüber, was Misery gesagt hat", schluchzte sie. Crow sagte nichts, er umarmte sie nur fester und drückte sie an sich. 

„Ich mag diese Gefühle nicht, Crow!" 

„Oh das verstehe ich... das verstehe ich gut, ich hasse sie... ich hasse Gefühle!" 

„Wie baust du deine Mauer auf? Wie kannst du sie so unterdrücken, sag mir das... lern mir das!" Crow schob Cat ein Stück von sich um ihr in die tränengeröteten Augen zu sehen.

„Du bist genauso richtig, wie du bist... du brauchst keine Mauer, um dein Herz, das wäre falsch!" Er zog Cat mit sich und sie gingen zurück zur Villa. Den ganzen Weg über sprachen sie nicht und er hielt eisern ihre Hand, damit sie auf keinen Fall wieder weglaufen konnte. Unmittelbar davor, als sich das Gebäude vor ihnen aufbaute sagte Cat: „Du sagst das doch niemandem oder? Du behältst das für dich, oder? Denn ich will niemandem mehr Kummer bereiten!" 

„Ich sage nichts, ich verspreche es!" 

„Danke", flüsterte Cat. 

„Und tu Misery auch nichts mehr an, bitte! Sie hat ja nicht dich beleidigt, okay?" Crow schluckte und verzog seine Miene.

„Das wiederum, kann ich nicht versprechen." 

„Schlag mir meine Bitte nicht ab, Crow", sprach Cat und blieb ruckartig stehen. Crow seufzte und sah ihr in ihre grünen Augen, die nicht so strahlten, wie sonst. Sie schienen verblichen, als ob in Cat doch irgendetwas gestorben wäre. 

„Tu ihr nichts, in Ordnung?" 

„Ja gut... aber nett werd ich ganz bestimmt nicht zu ihr sein, die Schlampe ist für mich gestorben", knurrte Crow und zerrte Cat wieder mit sich. Als sie die Villa betraten, kam Cat alles so merkwürdig vor. Diese tiefe Traurigkeit in ihrem Herzen verflog einfach nicht, wie sehr wünschte sie sich ihre Arglosigkeit und Zufriedenheit zurück.  

-Mama ich kann nicht glücklich sein, obwohl ich doch eigentlich nicht unglücklich bin... was soll ich tun? Sag mir doch was ich tun soll, wie werde ich wieder ich selbst? Oder bin ich das etwa und war früher nie ich selbst? Bin ich nur ein elendiger Trauerkloß? Mama, hilf mir, steh mir bei... rede mit Gott und sag ihm, er soll mich wieder heil machen- Cat drückte Crows Hand plötzlich ungeheuer. Er sah sie verwundert an.

„Mach mich wieder heil, ja?", hauchte sie und ihre Augen waren wieder glasig. 

„Lass mich wieder glücklich sein!"

 

Kapitel 17

 

Cat saß lange Zeit in ihrem Zimmer und hatte nachgedacht. Sie hatte überlegt, was eigentlich ihr Ziel im Leben war und was sie erreichen wollte. Sie malte sich ihre Zukunft aus und suchte nach Träumen, die Wirklichkeit werden sollten. Heute hatte sich schon einmal ein Wunsch erfüllt. Sie durfte mit in den Blumenladen. Das war schön gewesen. Die vielen Farben der Pflanzen, der betörende Duft. Cat liebte Blumen, aber in der Villa gab es nur einen Kaktus. Einen Schwiegermuttersessel, stachelig, wie die Bewohner des Hauses. Cat erhob sich und ging zur Tür raus. Sie hüpfte die Treppen runter und klopfte an die Tür zu Muffins Büro.

„Komm rein!", hörte sie und sie betrat das Büro. Sie war nicht oft hier, denn das Büro hielt Muffin selber sauber. Es war selten, dass er sie darum bat zu saugen. Alles war ordentlich und sauber.

„Ah, Cat! Das überrascht mich, was brauchst du?", Muffin saß an seinem Tisch und hatte nur kurz aufgesehen, ehe er weiter an seinen Unterlagen arbeitete.

„Ich wollte dich fragen, ob ich vielleicht ein paar Blumen kaufen könnte und vielleicht auch einen kleinen Garten anlegen könnte!" Jetzt sah er doch länger auf und musterte sie mit prüfendem Blick.

„Wirklich? Du hast doch schon so viel zu tun, wird das nicht zu viel?"

„Oh bitte, ich lass die anderen Dinge bestimmt nicht schleifen!" 

„Das meine ich auch gar nicht, es ging mir wirklich nur um dich." Er sah sie eindringlich an, aber Cat erwiderte den Blick nur unschuldig.

„Na von mir aus kannst du das gerne tun, warte!" Muffin schrieb etwas auf einen Zettel und bedeutete Cat schließlich, diesen an sich zu nehmen. Sie lief zum Schreibtisch. 

„Das gibst du der Frau im Blumenladen, daraufhin darfst du dir alles aussuchen was du möchtest, aber bitte geh nicht allein, nimm jemanden mit!" Cat überlegte.

„Nicht Nightmare!", sprach Muffin.

„Oh, warum nicht?", jammerte Cat.

„Nicht, dass ihn jemand sieht, du weißt doch, dass er eigentlich nicht mehr leben sollte!"

„Ja richtig, verstehe! Vielen Dank Muffin!" Cat umarmte Muffin und lief dann aus dem Büro hinaus. Er lächelte. Dass Cat ihn immer noch leiden konnte, war schwer nachzuvollziehen. Aber das machte sie aus, sie konnte so vieles einfach verzeihen. Muffin hatte natürlich alles mitbekommen, was in letzter Zeit passiert war. Ihm entging nichts, auch Cats absurder Versuch, sich das Leben zu nehmen nicht. Er hatte zu ihr nichts gesagt, denn er wusste es würde sie beschämen. Innerlich war er sehr wütend auf Crow, denn er hätte Cat nicht überfordern sollen. Diese ganzen Aktionen waren zu viel für Cats unverdorbenes Herz und es hatte sie einerseits wachsen lassen, aber andererseits auch Teile von ihr in den Abgrund gerissen.  Nun mit der Blumen und Gartenidee schien sie zu versuchen, alles wieder zu retten. Sie versuchte offenbar zu vergessen. Das sollte sie gerne tun, was war schon an ein paar Pflanzen auszusetzen. Und wenn sie einen Urwald ansetzen wollte, sie sollte es tun, wenn es ihr nur half, ihre Seele zu flicken. 

„Ich brauche für morgen eine Begleitung in den Blumenladen, ich darf mir alles kaufen was ich möchte und ich wollte fragen, ob du mitkommst und auf mich aufpasst!" Cat lächelte fröhlich und sah ihrem Gegenüber erwartungsvoll an.

„Klar natürlich mache ich das", Andy erwiderte Cats Lächeln. 

„Oh klasse, dann gehen wir morgen gleich nach dem Frühstück los! Ich freu mich schon, bis morgen", sie winkte und verschwand aus dem Wohnzimmer, das Andy vorhin erst betreten hatte, als sie ihn überfallen hatte. Crow starrte Andy finster an.

„Was ist?", wollte Andy wissen, als er den Blick bemerkte.

„Warum hat sie mich nicht gefragt, ich kann viel besser auf sie aufpassen, als du", schmollte er.

„Bist du eifersüchtig?", lachte Andy.

„Die hat jetzt die Schnauze voll von dir, Crow!", sprach Bird, der ebenfalls im Wohnzimmer saß und Kekse aß. 

„Hier, ein Trostkeks!" Er warf Crow einen Keks zu, der ihn fing und murrend in seinen Mund stopfte. Die Eingangstür war zu hören und nach kurzer Stille, stolzierte eine selbstgefällig grinsende Misery herein. Ihre Haare wieder lang, sogar länger als zuvor, sie reichten ihr bis zum Gesäß. 

„Da staunst du was?", sagte sie an Crow gewandt. 

„Nein, tu ich nicht, geht mir am Arsch vorbei!", brummte dieser und sah sie nicht einmal an. 

„Alles wieder gerichtet, obwohl mir die Kurzhaarfrisur ganz gut gefallen hat, schade", kicherte Bird. Er hatte, bevor Misery das Kopftuch aufgesetzt hatte, sie im Bad überrascht, da sie vergessen hatte abzuschließen. Bird war zu neugierig, um nicht erfragt zu haben, was geschehen war. 

„Pff, ich will doch kein Kerl sein!", sie wirbelte herum und verließ das Wohnzimmer.

„Wenn ich Cat nicht versprochen hätte, ihr nichts mehr zu tun, ich hätte ihre Haare wieder abgeschnitten", meinte Crow trocken. 

„Falls du das doch noch vorhast, lass es mich wissen! Ihren Gesichtsausdruck würd ich zu gerne sehen!"  Crow stand auf und stöhnte, wie ein alter Greis. Er streckte sich und verzog sein Gesicht.

„Hab richtig Muskelkater... scheiß Crosstrainer!", schimpfte er. 

„So, ich geh schlafen!" Im Gehen sagte er noch an Andy gewandt:

„Dass du mir schön auf Cat Acht gibst, Engelchen!" 

„Natürlich", versprach Andy und lächelte. Bird sah Crow hinterher. Er verschränkte die Arme hinter seinen Kopf und seufzte. 

„Wir haben noch gar nicht wirklich miteinander geredet, Andy! Tut mir leid, ich hatte nie Zeit", sagte er und richtete seinen Blick an die Decke, um die Motte zu beobachten, die um das Licht tänzelte. 

„Schon okay", murmelte Andy.

„Wie war es im Waisenhaus? Hat irgendjemand noch von mir gesprochen, als ich weg war?", wollte Bird wissen. 

„Ja, aber irgendwann...", Andy unterbrach sich.

„Hattet ihr mich vergessen, nicht wahr?" 

„Oh nein ich nicht... ich musste oft an dich denken! Was du wohl machst, ob du überhaupt noch lebst! Als du fortgegangen bist, hatte ich das erste Mal wirklich Angst, weil ich auch wusste, dass ich der nächste war!" Bird nickte. 

„Leicht war es nicht, hatte Glück, dass ich recht bald hier anfangen konnte zu arbeiten. Muffin hat mich aufgegabelt nach einer üblen Schlägerei... hab wohl mit der falschen Tusse angebandelt und ihr Kerl wollte mich umbringen, da kam ich ihm zuvor!"

„So ohne Perspektive, war es nicht schwer hier anzufangen... bis zum ersten Auftrag wusste ich nicht einmal, was mich erwartete, oder besser gesagt... es war mir nicht wirklich bewusst, wofür ich mich entschieden hatte", sprach Andy. Dass er diesen Jungen getötet hatte würde er sich niemals verzeihen, das konnte er sich nicht vergeben. Niemals. Bird lachte auf.

„Es scheint, als ob Muffin als Handlanger des Teufels verlorene Seelen aufsammelt, um sie für dessen Zwecke zu missbrauchen", sagte er und sah Andy an.

„Ach Andy, wenn mein Ende hier bevorsteht und ich zu alt werde, dann bitte sei du es, der diesen Auftrag annimmt und mich killt... überlass mich ja nicht Crow, versprich mir das!" 

„Das... kann ich dir doch nicht versprechen!", Andy schüttelte seinen Kopf und sah Bird entsetzt an. 

„Doch das kannst du, ich möchte durch deine Hand sterben, okay?" 

„G... gut, okay", Andy sah auf den Boden. 

„Aber hey, wer weiß, vielleicht können wir uns einmal befreien, vielleicht sind wir einmal frei, ohne gleich zu sterben... ach was red ich da? Solange die Mordmaschine für Sandman funktioniert haben wir keine Chance!", Bird verzog seine Miene und schien zu grübeln.

„Du meinst Crow?", fragte Andy.

„Natürlich, der Kerl ist doch nicht normal, der hat doch übermenschliche Kräfte oder sowas, der ist krank!"

„Ich dachte ihr seid Freunde", sagte Andy verwundert über Birds Worte.

„Was? Ich hab hier keine Freunde und Crow schon gar nicht, wir kommen aus, ja, aber kriegt der einen Befehl vom Boss hört der auf zu denken und führt aus, ganz egal, wen er dazu töten muss."

„Du warst mit Duke aber auch nicht grade zimperlich, Bird", verteidigte Andy Crow. 

„Ach meinst du? So gut hab ich es also überspielt, um nicht dran zu zerbrechen. Das fiel mir verdammt schwer, es war hart und immer wieder muss ich an sein Gesicht denken, seine Augen... er wollte für sein Enkelkind da sein, wusstest du das? Er wollte für es da sein, denn für seine Tochter konnte er nicht, weil er hier arbeitete... was wäre schon dabei gewesen, ihn einfach gehen zu lassen, diesen alten General?", Bird seufzte und vergrub sein Gesicht in seinen Händen.

„Aber du kennst die Regeln auch, nicht wahr? Die Aufträge dürfen nicht abgelehnt werden und ihre Sinnhaftigkeit auch nicht in Frage gestellt werden." Bird sah wieder zu Andy, der in seinen Augen sehr viel Schmerz erkannte. Derselbe Schmerz, den Andy jeden Morgen im Spiegel auch in seinen Augen sehen konnte. 

„Irgendwann kommt der Tag, da werden wir erst wirklich merken, wie einsam unser Leben war. Da wird niemand sein, der für unsere Seele bittet, denn wir haben sie verkauft. Es greift nur die kalte Hand des Todes nach uns und wir werden in die Dunkelheit gezogen, verlassen und auf ewig verloren. Schlimmer als die Hölle, ist die Einsamkeit für alle Ewigkeit zu ertragen." Bird lachte trocken.

„Die Ewigkeit ist eine verdammt lange Zeit…" Andy sagte nichts darauf. Bird erhob sich schlagartig. 

„Hey, danke dir!" Er klopfte Andy auf die Schulter.

„Tat gut sich das vom Herzen zu reden." 

„Bitte... dafür sind Freunde da", entgegnete Andy leise. Bird lächelte.

„Ja... das sind sie!" Er ließ Andy im Wohnzimmer zurück. Andy saß wie versteinert auf der Couch. Er dachte über Birds Worte nach. 

„Oh du bist noch hier, ich dachte jemand hätte vergessen das Licht auszuschalten", hörte er Muffin sagen. 

„Ich schalte es dann ab, keine Sorge!", sprach Andy und lächelte schwach.

„Du bist immer ruhiger geworden, Angel! Dein Auftrag hat dich sehr mitgenommen, nicht wahr?", stellte Muffin plötzlich fest. Er erinnerte sich an die Aufnahmen, die er mit Sandman gesehen hatte.

„Es wird schon... ich schaff das, ehrlich, ich kann ein Killer sein", versprach Andy schnell. Muffin grinste.

„Beruhige dich, so meinte ich das gar nicht!" Andy atmete erleichtert auf.

„Ich hab gesehen, was passiert ist, Sandman hat ein Video davon gedreht... es ist bearbeitet worden und in den hohen Kreisen ein Verkaufsschlager."

„Es gibt einen Film?", wiederholte Andy erschüttert. Muffin nickte. 

„Ein abscheulicher Film, der einerseits Bewunderung hervorruft und andererseits Todesangst unter den Geschäftsleuten, denn sie wissen, wem diese beiden Killer gehören!" Andy war entsetzt. Bewunderung? Was wollte man denn an so einem scheußlichen Vergehen bewundern? Was waren denn das für Menschen?

„Der Film ist mittlerweile auch schon in anderen Ländern am Schwarzmarkt erhältlich, du und Crow werdet langsam berühmt."

„Wie... grauenvoll", meinte Andy und fuhr sich nervös durch die Haare. 

„Hör nur auf, dich zu bestrafen... du hättest dem Kind nicht anders helfen können, hättest du es nicht getötet, dann hätte es Crow getan! Sein Schicksal war besiegelt!"

„Mhm", mehr konnte Andy dazu nicht sagen. 

„Geh jetzt schlafen, Angel! Länger zu grübeln bringt nichts und ich hörte, dass du Cat morgen begleitest! Sie hat dazu den Richtigen ausgesucht, sie braucht jemanden, der einmal ihr zuhört und nicht umgekehrt!" 

„Ja okay, gute Nacht, Muffin", sagte Andy abschließend und ging Muffin voran, aus dem Wohnzimmer. Dieser schaltete das Licht aus. 

***

„Ich bin ganz aufgeregt, Angel! Was werden wir nur heute alles kaufen? Ich werde mich gar nicht entscheiden können! Es fiel mir das letzte Mal schon schwer mir einen Blumenstrauß auszusuchen!“ Cat sprang wie ein junges Kitz um Andy herum, als die beiden den Zebrastreifen überquert hatten und sich nun in der Fußgängerzone befanden, an deren Ende, der Blumenladen von Rose la Fleur war.  Andy lächelte, Cat erinnerte ihn ein wenig an Michelle. 

„Ich war noch nie in einem Blumenladen, ich bin auch aufgeregt“, sagte Andy. Cat fasste seinen Arm und schmiegte sich an ihn.

„Wir werden die schönsten Blumen aussuchen, die wir finden können! Ich freu mich so!“ Andy schmunzelte. Heute hatte Cat wieder einmal seit langem ihre Kappe nicht auf dem Kopf. Sie hatte zwei Zöpfe geflochten und trug einen Strohhut und ein leichtes Sommerkleid. 

So willst du in die Stadt gehen?“, hatte Nightmare naserümpfend gefragt.

Natürlich, Blumenmädchen sind so angezogen“, hatte sie erwidert.

Wenn du keine Begleitung hättest, würde ich dich niemals so fortlassen, viel zu niedlich“, hatte er gebrummt und war ohne weitere Worte davon getrottet. Sichtlich genervt darüber, dass er nicht Cats Begleitung war. 

„Du siehst richtig hübsch aus, kleine Blumenlady“, sagte Andy und bemerkte, dass Cat rot wurde. 

„Danke“, sprach sie schüchtern. 

„Ich will dir deine Stimmung nicht verderben, Cat, aber wie fühlst du dich denn? Wie geht‘s dir, jetzt ganz ehrlich“, Andy sah auf sie herab, sie verzog das Gesicht und atmete tief ein.

„Gut eigentlich, ja, wenn ich ehrlich bin fühle ich mich wieder sehr glücklich! Heute ist ein schöner Tag und alles was geschehen ist, ist nun mal geschehen… Hakuna Matata!“ Sie lachte und dieses Lachen klang ehrlich. 

„Das freut mich, wäre schade, wenn du dich von sowas verändern hättest lassen!“

„Verändert habe ich mich, Angel! Ich bin daran gewachsen, aber nun lasse ich das hinter mir! Es ist alles passiert, damit ich heute mit dir in der Stadt sein kann, um Blumen zu kaufen! Wäre es nicht geschehen, hätte mich Muffin nicht gehen lassen. Alles hat seinen Grund, alles hat ein Ziel!“ 

Schließlich konnte man den Laden schon sehen und Cat ließ Andy los, um voraus zu laufen. 

„Komm, Angel! Beeil dich!“, rief sie. Sie wartete auf ihn, bevor sie die Tür öffnete. Der Blumenladen war ein bunter Klecks zwischen den grauen Fronten, der Häuser. Ein zarter Fliederton war für die Fassade gewählt worden. Als sie eintraten klingelte ein Glöckchen, das an der Tür befestigt worden war um die Kunden anzumelden.

„Ah guten Tag, meine Lieben, wie kann ich euch behilflich sein?“, Rose la Fleur war eine schlanke ältere Dame, recht groß gewachsen mit langen grauen Haaren, die sie zu einem Zopf geflochten hatte. Sie hatte ebenfalls einen Strohhut auf dem Kopf und herzte Cat, als wären sie altbekannte Freundinnen.

„Ich darf mir Blumen aussuchen, Rose! Ganz viele!“, rief Cat und Rose klatschte entzückt in ihre Hände.

„Dann komm, Zimmerpflanzen?“ Cat nickte.

„Recht bunt, wie dein Charakter, nicht wahr? Lass mich sehen… oh…“ Rose hielt inne und fasste Cats Hand.

„Deine Aura, ist so wunderschön. Gold, die Farbe der Gnade, der bedingungslosen Liebe, Christus Energie fließt durch dich, das ist mir das letzte Mal schon aufgefallen, doch heute strahlst du mehr, dein Grauschleier ist verschwunden…“ Sie ging um die Ecke und holte eine merkwürdig aussehende Pflanze hervor. Sie sah aus wie Stäbchen und hatte goldene Blütenknospen.

„Syngonanthus chrysanthus, auch Mikadopflanze genannt! Eine manchmal undankbare Pflanze und nicht immer leicht zu pflegen, aber die möchte ich dir schenken“

„Oh das ist aber lieb!“, freute sich Cat. 

„Die werde ich gleich mitnehmen, die anderen Pflanzen können wir nicht tragen, aber ein Lieferwagen wird sie dann abholen, wenn das in Ordnung ist!“, sprach Cat weiter. 

„Natürlich, natürlich“, Rose Blick fiel auf Andy. Sie begann ihn zu umkreisen. Er schluckte. 

„Deine Aura ist smaragdgrün, kräftig, du wendest dich anderen zu, bist offen, suchst Frieden und Harmonie! Grün ist die Farbe des Herzens doch verderben schwarze Flecken es. Deine Aura ist verschmutzt, junger Mann!“ Rose legte ihre Hand auf Andys Brust. 

„Sie muss gereinigt werden“

„Wie?“, fragte Andy. Rose sah ihm in seine braunen Augen, sie lächelte.

„Nur du kannst das wissen, horch tief in dich, finde den Dämon in dir, der dich vergiftet!“ Sie wirbelte herum und überreichte ihm eine Venusfliegenfalle. 

„Und lass das Licht ihn verschlingen, wie Dionaea muscipula Fliegen!“ Er nahm die kleine Pflanze an sich. Cat betrachtete die Venusfliegenfalle die ihre Mäulchen weit geöffnet hatte.

„Wie cool!“, bemerkte sie. 

„Goldseelchen, hier habe ich einige Pflanzen, die gut zu euch beiden passen!“ Rose schrieb auf ein Blatt Papier mehrere Pflanzen und wofür sie standen.

-Flamingoblume: Motiviert schüchterne Personen

-Frauenschuhorchidee: Hilft Gefühle auszudrücken

-Usambaraveilchen: Wirkt harmonisierend und verbreitet gute Stimmung

-Medinille: Heilung für die Seele, hilft unterdrückte Emotionen wieder zu finden

-Lotosblume: Vollkommenheit, Harmonie und Gemütlichkeit

„So, nun musst du dich entscheiden!“, lächelte sie. Cat schüttelte den Kopf.

„Nein, nein, ich nehme sie alle! Von den kleineren gerne mehr und die Flamingoblume möchte ich auch dreimal haben, die ist sehr brauchbar“, sprach sie und lächelte verlegen. 

„Recht viel, wenn du auch einen Garten anlegen willst“, gab Andy zu bedenken.

„Ich hab mich um entschieden, ich werde nur Zimmerpflanzen nehmen. Vorerst, um zu sehen, wie grün mein Daumen überhaupt ist.“ 

„Na hervorragend, dann stelle ich die Liste genauso zusammen!“, freute sich Rose. 

„Moment… gibt es irgendeine Blume, die auf Jähzorn beruhigend wirkt?“ Andy musste schmunzeln. Cat wollte also Crow auch eine Pflanze mitbringen. 

„Jähzorn hm? Ich gebe dir diesen Elefantenfuß mit. Er wirkt erdend und beruhigend, vielleicht hilft es das Impulsive zu binden.“

„Oh vielen Dank!“ Etwas unbeholfen nahm Cat die Zimmerpflanze entgegen. Eine kleine feinblättrige Palme mit einem, zu den Wurzeln hin, immer dicker werdenden Stamm. 

„Er ist noch klein und wächst noch! Umtopfen wird dir bei einigen Pflanzen nicht ausbleiben. Ich schreibe dir zu jeder Pflanze eine genaue Beschreibung, dann kann gar nichts schiefgehen!“

„Okay danke! Angel könntest du kurzhalten?“ Andy nahm die Palme entgegen und Cat überreichte Rose den Zettel von Muffin.

„Ah gut, gut!“, murmelte Rose und ging zu ihrem Schreibtisch um dort den Zettel zu deponieren.

„Schön, dann bedanke ich mich recht herzlich bei euch, oder wollt ihr noch etwas stöbern?“

„Ich denke es reicht, danke! Wir müssen jetzt nach Hause!“, sprach Cat.

„Vielen Dank nochmal und gute Heimreise!“

„Auf Wiedersehen!“, verabschiedeten sich Andy und Cat von Rose die ihnen nachwinkte. 

„War das interessant, was? Wie sie unsere Auren gesehen hat und jede Pflanze steht für etwas, das wusste ich nicht, sehr bemerkenswert!“, plapperte Cat. 

„Auch ein wenig unheimlich!“, antwortete Andy. Cat kicherte. Die beiden redeten noch viel darüber, woher Rose wohl wissen konnte, dass Cat unter Schüchternheit litt, oder Andy seine Emotionen unterdrückte. Sie führten ein Gespräch auf Augenhöhe, das Cat sehr genoss. Es griff weit, sie sprachen über Gott, darüber woran sie glaubten und was sie hofften. Sie waren den ganzen Weg nach Hause gelaufen und hatten nicht einmal bemerkt, dass sie noch länger vor dem Tor der Villa standen und quatschten, ohne angeläutet zu haben.

„Ich drücke mal“, sagte Cat letztlich.

Ja, Cat, Angel?“, hörten sie Muffins Stimme.

„Wir sind es!“, rief Cat fröhlich.

Na endlich!“ Das Tor öffnete sich quietschend.

„Urks das wollte ich auch ölen, klingt ja furchtbar!“, bemerkte Cat und sie trotteten über den Kiesweg zum Gebäude.

„Das war toll Angel, danke, dass du mitgekommen bist!“

„Das war doch Ehrensache, Cat! Immer wieder gerne!“, schmunzelte Andy. Als die beiden die Villa betraten, wurden sie von Muffin empfangen.

„Der Lieferwagen wird bald da sein, Cat!“

„Was schon? Haben wir so lange gebraucht?“, sprach sie erstaunt. 

„Offenbar schon!“, entgegnete Muffin und ging wieder in sein Büro. Plötzlich vernahm Cat aus dem Wohnzimmer Klaviermusik. Sie sah Andy verwundert an.

„Wer… spielt denn da?“, fragte sie neugierig und ging um die Ecke. 

„Hey, das klingt ja schon wirklich gut! Hast du heimlich geübt?“, schreckte sie mit diesen Worten Crow auf. 

„Was? Ja, ja… so wie du es spielst, davon bin ich noch meilenweit entfernt.“ Er kratzte sich verlegen am Unterarm und erhob sich vom Klavierhocker.

„Schau das hab ich dir mitgebracht!“, Cat nahm Andy den Elefantenfuß aus der Hand und überreichte ihn Crow.

„Oh wow… was… ist das denn?“, Crow runzelte die Stirn.

„Ein Elefantenfuß… stell ihn bitte in dein Zimmer, er ist nur für dich!“

„Okay, danke!“ Andy bemerkte Crows fragenden Blick und erwiderte diesen mit einem Grinsen. Crow ging hoch zu seinem Zimmer. 

„So ich stell jetzt meine Pflanze auch schnell ins Zimmer!“, rief Cat und rannte zu den Stufen. Sie sprang sie schnell hoch, wurde allerdings von Crow gebremst.

„Los, los, los, der Lieferwagen kommt bald!“, scheuchte sie Crow, der aber unbeeindruckt sein Tempo beibehielt. Andy ging den beiden hinterher.

Nach einiger Zeit wartete Cat ungeduldig vor dem Fenster, um gleich zu sehen, wenn der Lieferwagen zum Tor fuhr. Sie wollte es gleich öffnen, damit der Fahrer gar nicht erst aussteigen musste, um die Sprechanlage zu betätigen. 

„Da!“, schrie sie und drückte den Knopf, der das Tor öffnete. Voller Vorfreude riss sie auch die Tür auf. Der Fahrer fuhr bis zu der Steintreppe vor. Plötzlich stieg Rose aus dem Wagen.

„Rose?“, rief Cat überrascht.

„Goldseelchen, ich bin mitgefahren, um für die Blumen, den richtigen Standort zu finden!“ Cat machte große Augen. 

„Oh, oh, das ist nicht gut“, flüsterte sie. Rose trat in die Villa und sie erschauderte.

„Uh… was für ein seltsamer Ort. Hier lebst du? Grauenvoll, Verschwendung deiner guten Energie… ich hoffe die Pflanzen werden dich unterstützen und dieses Haus reinigen.“ Rose wandte sich herum und stand schließlich Muffin gegenüber.

„Wer sind Sie denn?“, entfuhr es Muffin.

„Rose la Fleur, die Floristin… deine Aura ist nicht ganz rein und grau, nicht schön, verschlagen bist du und enttäuscht von etwas!“ Muffin musterte sie skeptisch. Rose fühlte sich zunehmend unwohler.

„Geht es dir nicht gut?“, fragte Cat besorgt, als sie bemerkte, dass Rose taumelte.

„Ach etwas schwindelig… diese Energien sind penetrant und schlecht…“ 

„Frank? Was soll das denn?“, sagte Muffin zum Lieferanten, der die Pflanzen hereintrug. Dieser zuckte nur mit den Schultern.

„Sie ist mir einfach in den Wagen rein, ich kann einer alten Lady keine Bitte abschlagen, sorry!“ Muffin knurrte missgelaunt. Rose wischte sich über die Stirn. 

„Nun dann wollen wir…“, sie unterbrach sich und starrte mit weit aufgerissenen Augen Crow an, der interessiert, die Treppe runtergekommen war. 

„Wie furchtbar… so etwas habe ich… noch nie gesehen!“ Rose sank auf die Knie. 

„Was ist denn los?“, wollte Crow wissen. 

„Oh bring mich raus, bitte bring mich raus“, flehte Rose und Cat half ihr hoch, um sie nach draußen zu bringen. 

„Was hast du gesehen? Wie sah seine Aura aus?“, flüsterte Cat Rose zu, denn sie ahnte Schlimmes.

„Sein Grundton ist rot, selbstbewusst, stark, aber reizbar, böswillig und verhöhnend. Er hat alle Rottöne in sich, das allein ist schon merkwürdig, man kann nicht alle Farbvariationen aufweisen, das ist unmöglich… dachte ich… doch sein Wesen ist überzogen mit einem schwarzen Schleier. Das absolute Böse hat ihn im Griff. Alle positiven Aspekte seiner Rotschattierungen wie Offenheit, Respekt vor anderen, Lebensfreude werden ins Negative gekehrt!“ Respekt vor anderen? Das hatte Crow nun wirklich nicht. Rose wirkte erschöpft.

„Wie kann ich ihm helfen?“ Rose schüttelte ihren Kopf.

„Das kannst du nicht, nur er selbst kann sich befreien und nur er selbst weiß, wie! Tief in seinem Innersten liegt der Schlüssel verborgen, der ihn von diesen Ketten befreit!“ Sie atmete schwer aus. 

„Tut mir leid, diese Seele ist zu mächtig… ich ertrage sie nicht, dabei hätte ich dir gerne geholfen.“

„Ich werde mich belesen, Rose! Ich werde die Pflanzen an den optimalen Ort stellen, um das Haus zu bereinigen!“ 

„Ich hoffe sie reichen dazu aus, Goldseelchen! Viel Spaß mit den Blumen, bitte pass auf dich auf, lass dich von der Dunkelheit nicht infizieren! Leuchte, strahle in deinem kräftigsten Gold, gib den dunklen Seelen Halt, so wie es einst Christus getan hat! Ich hoffe mit der Bestärkung der Pflanzen können sich deine Freunde selbst retten! Mach es gut, meine Liebe!“

„Auf Wiedersehen, Rose!“ Rose winkte und setzte sich in den Lieferwagen. Sogleich kam Frank und startete das Auto. Cat beobachtete, wie der Wagen langsam hinausfuhr, das Tor sich wieder knarzend und quietschend schloss und das Auto außer Sichtweite war. 

„Sowas aber auch!“, murmelte sie, als sie wieder ins Haus ging.

„Was hatte die Alte denn?“, wollte Crow wissen und berührte vorsichtig die Lotosblume. Sie schwamm in einem kleinen Gefäß mit Wasser.

„Ihr ging es nicht gut und sie ist keine Alte, sondern eine Dame!“, entgegnete Cat. Sie kniff die Augen zusammen und fixierte Crow.

„Was machst du denn?“, knurrte dieser, als er es bemerkte.

„Also ich seh rein gar nichts, woher weiß sie, welche Farbe wir haben?“

„Hä?“, rümpfte Crow die Nase.

„Sie muss wohl sehr spirituell und emphatisch sein“, Cat begutachtete die Pflanzen. Rose hatte einen Ratgeber beigelegt und Cat setzte sich direkt vor den Pflanzen auf den Boden und begann darin zu lesen. 

„Das sind ja ganz schön viele von denen, nur in verschiedenen Farben!“, sagte Crow und deutete auf die Usambaraveilchen.

„Ja, ich sagte, von den Kleinen ruhig mehr, die sind doch hübsch, oder?“  Crow nickte nur. 

„Was ist das für eine Pflanze?“, wollte er wissen und deutete auf jene Pflanze mit den großen, hängenden, rosaroten Blüten.

„Das ist eine Medinille“, erklärte Cat abwesend, ohne wirklich aufgesehen zu haben. 

„Hey, guck mal, meine Venusfliegenfalle hat etwas geschnappt!“, Andy war aufgetaucht und hielt die kleine Topfpflanze in seinen Händen.

„Wow, zeig mal her!“, rief Crow und musterte das Gewächs interessiert. Anscheinend war eine Schnacke in die Falle getappt. Flügel und zwei Beine standen aus dem Maul der Pflanze und zuckten noch. Cat beobachtete Crow und Andy dabei, wie sie sich angeregt darüber austauschten. Sie erinnerten an zwei kleine Jungs, die gerade das Spannendste zu Gesicht bekamen, was sie je erlebt hatten. 

„Was passiert nun mit dem Vieh?“, erkundigte sich Crow. 

„Nun zunächst mal testet die Falle nun, ob die Beute verwertbar ist. Erst dann schließt sie sich komplett und versiegelt ihr Blatt, um keine Verdauungsflüssigkeit zu verlieren. Dann wird das Insekt zersetzt und aufgenommen. Chitinpanzer und Beine bleiben unverdaut. Das Blatt öffnet sich ungefähr nach sieben Tagen wieder und ist wieder einsatzbereit“, informierte Cat.

„Warum schließt sie sich nicht gleich ganz?“, wollte Andy wissen.

„Nun ja… die Falle wird auch von kleineren Insekten ausgelöst, die den aufwändigen Verdauungsprozess aber nicht wert wären. Deshalb bleibt sie zuerst nicht ganz verschlossen, damit so kleine Beutetiere wieder raus klettern können.“

„Ganz schön schlau, für ein hirnloses Ding“, meinte Crow.

„Die Natur hat schon so ihre Tricks“, sprach Andy. 

„Da sie verschließt sich!“, rief er aufgeregt. Beide beobachteten, wie die Pflanze sich zusammenpresste. 

„Warum müssen sie eigentlich Insekten fressen?“

„Naja, Pflanzen betreiben Photosynthese und beziehen Mineralien mit ihren Wurzeln aus dem Boden. Jedoch wachsen fleischfressende Pflanzen eigentlich dort, wo der Boden sehr, sehr nährstoffarm ist und deshalb beziehen sie diese aus den gefangenen Insekten.“, informierte Cat.

„Ach so ist das!“, staunte Andy.

„Was du nicht alles weißt, Cat! Unglaublich!“ Cat lächelte fröhlich. Schließlich erhob sie sich und fing an, die Pflanzen nacheinander in verschiedene Räume zu stellen. Als sie endlich fertig war, erblickte sie Crow und Andy, die die Venusfliegenfalle auf den Wohnzimmertisch gestellt hatten und beobachteten, wie eine Spinne an ihr hoc kletterte. 

„Pass auf, gleich…“, meinte Andy. 

„Jetzt… oh doch nicht!“ Plötzlich tappte die Spinne in das Blatt und die Pflanze klappte augenblicklich zu.

„Woho!“, riefen beide erfreut. 

„Zack und zu… richtig schnell!“, jubelte Crow. 

„Der Hammer!“, freute sich Andy. Cat musste schmunzeln. Die zwei Kerle waren schon merkwürdig. Im Moment gingen sie äußerst brüderlich miteinander um, wie zwei beste Freunde, die ein Interesse teilten. So etwas hatte Cat in den Jahren, die sie hier verbrachte noch nicht erlebt. Andy kam mit Crow wirklich gut zurecht und auch Crow schien sich in Andys Nähe wohl zu fühlen. 

„Meinst du wir sollten ihr noch was füttern?“, sagte Andy.

„Ich denke es reicht… nicht, dass sie überfordert ist, Cat sagte doch, dass der Verdauungsprozess sehr aufwändig ist, nicht, dass sie eingeht, wär schade!“ Andy nickte. 

„Gut, dann bringe ich sie jetzt wieder hoch!“

„Mach das!“ Andy klopfte Crow freundschaftlich auf die Schulter und verließ das Wohnzimmer. Er lächelte Cat zu, als er an ihr vorbeiging. Crow streckte sich lautstark und erhob sich. Cat verharrte immer noch an Ort und Stelle und beobachtete ihn. Sie dachte über Rose Worte nach. Ob es wirklich möglich war so etwas, wie eine Aura zu sehen? Ob man das lernen konnte, oder musste man die Gabe einfach besitzen? Crow drehte sich um und musterte Cat.

„Was glotzt du so?“, fragte er etwas grimmig. 

„Ach hab nur nachgedacht“, beschwichtigte sie.

„Worüber?“ Crow nahm Cat den Strohhut vom Kopf und setzte ihn selbst auf, um gleich darauf sein Spiegelbild im großen Vorzimmerspiegel zu betrachten. 

„Hm nein… steht dir besser“, stellte er fest und setzte ihr den Hut wieder auf den Kopf. 

„Über die Blumenverkäuferin, hab ich nachgedacht“

„Ach so“, gähnte Crow. 

„Hab für morgen wieder einen Scheißauftrag bekommen“, sagte er plötzlich.

„Wirklich? Wieder eine Einzelzielperson?“ Crow nickte. 

„Nervt ohne Ende… das könnten doch die anderen auch machen.“

„Warum wählt Muffin dich dann dazu aus?“, wollte Cat wissen.

„Das macht er nicht, Sandman will unbedingt, dass ich das mache, warum auch immer, sonst überließ er es immer Muffin die Aufträge zu zuordnen und jetzt fresse ich immer die Kröte“, Crow schnaubte genervt.

„Vielleicht hat er Angst das Spiel zu verlieren…“, erwiderte Cat leise.

„Wie meinst du das?“

„Nun ja, ich meine… du bist eben… du…“ Crow runzelte die Stirn.

„Er denkt, dass er mit mir auf der sicheren Seite ist?“

„Ja genau!“ Cat sah Crow in die Augen. Er schnaubte abermals abfällig.

„Trotzdem nervt es!“ 

„Hattest du schon eine Begegnung mit einem der Killer?“ Crow starrte Cat an, die ihn erwartungsvoll anblickte. 

„Ja, hatte aber keine Lust sie zu töten!“

„Keine Lust? Du?“ Cat war überrascht.

„Ich hätte sie töten sollen… aber irgendwie war ich ausgelaugt, dieser Auftrag zuvor war anstrengender als meine Massenmorde… keine Ahnung, geht dich auch nichts an eigentlich!“ Er schubste Cat etwas von sich weg. 

„Och… sag mir nur noch, ob es dieselbe Frau, wie bei Bird war!“ Crow nickte: „War es vermutlich!“

„Warum sie dich wohl nicht angegriffen hat?“, fragte sich Cat und kratzte sich am Kopf. 

„Die forschen anscheinend vorher lieber aus, bevor sie zuschlagen, um uns besser einschätzen zu können, die wissen wahrscheinlich mehr von uns, als wir von ihnen, aber…“ Er streckte sich wieder ausgiebig.

„Ich hab keine Lust mehr mit dir darüber zu sprechen.“ Cat seufzte. 

„Warum? Redest du nicht mehr gern mit mir? Bist du doch böse auf mich?“, erkundigte sich Cat traurig. Crow schnipste ihr den Hut vom Kopf und grinste.

„Nein Dummchen, ich bin einfach zu faul, um weiter zu quatschen! Ich geh schlafen! Sagte dir doch, dass ich morgen einen Auftrag hab!“ 

„Oh ja, okay, dann gute Nacht!“

„Nacht“, hörte sie ihn noch brummen, während er hochging. Sein Umgang mit ihr fühlte sich wie immer an. Unverändert, als wäre nie etwas gewesen. Das erleichterte Cat ungemein und nahm ihr den Druck nun vollkommen weg, der auf ihr gelegen hatte.

***

Es war schon früher Abend, als Crow sich aufmachte, um seinen Auftrag auszuführen. Diesmal war es ein Mann, der seine Zielperson war. Crow kannte ihn, hatte seinen Namen aber schon wieder vergessen. War auch nicht wichtig, er würde bald nur mehr für den Grabstein von Bedeutung sein. Crow wusste, dass die Zielperson ein großes Unternehmen leitete. Angeblich hatte sie allerdings kein Interesse daran mit Sandman gemeinsam zu arbeiten. Mutig in Zeiten wie diesen, dies abzulehnen, wo man doch wusste, was mit Menschen passierte, die sich weigerten, nach Sandmans Pfeife zu tanzen.  Crow stieg also in das Taxi, um sich zu dem Bürogebäude des aufstrebenden Unternehmers fahren zu lassen.  Crow war nicht Nightmare, deshalb hatte er sich einfach unter falschen Namen einen Termin geben lassen und sollte ihm jemand in die Quere kommen, er würde ihn töten. Er würde heute nicht zimperlich sein und nicht darauf achten, es war ihm einfach egal. Es war egal, dass Muffin ihm nahegelegt hatte, so wenig Aufsehen wie möglich zu erregen. 

„So da wären wir, Sir! Macht fünfzig grade aus", brummte der Fahrer und hielt vor dem großen, spiegelnden Gebäude. Crow gab ihm das Geld und stieg aus. Er trug den schwarzen Anzug vom letzten Mal nur ohne die Krawatte. Kombiniert mit dem Aktenkoffer kam er sich vor, wie ein Staubsaugervertreter. 

„Guten Abend, Sie müssen Mister Banks sein, nicht wahr? Mister Gregory erwartet Sie schon, bitte folgen Sie mir!", eine junge Dame mit einer großen Brille und brünetten Haaren strahlte Crow freundlich an und schüttelte ihm die Hand.

„Ich bin Samara Kings! Ich hörte Sie zeigen großes Interesse an unserem Unternehmen", sprach sie weiter. 

„Mister Gregory und ich werden Ihnen alles zeigen!" Crow musterte die Frau abschätzig. 

„Sie werden auch dabei sein?", knurrte er missgelaunt.

„Ja, ich bin Mister Gregorys rechte Hand sozusagen", entgegnete sie.

„Aha!"

-Blöd für dich Püppchen- dachte Crow und folgte Samara in den Aufzug. 

„Sie wissen bestimmt, dass unser Konzern versucht diese Stadt hier mit Strom zu beliefern und deshalb suchen wir Investoren, wir bieten dreißig Prozent unseres Firmenanteils." 

„Ich hörte, dass Sie einen Investor, dem ein erheblicher Teil der Stadt gehört, abgelehnt haben", warf Crow ein.

„Oh, das war kein Investor, Mister Banks! Das war ein Versuch uns daran zu hindern unsere Ware anzubieten. Der Investor, wie Sie ihn nennen, wollte die Firma zum Spottpreis aufkaufen, so arbeiten wir nicht!" Die Lifttür öffnete sich und Crow betrat nach Samara das Büro von Gregory. 

„Guten Abend, es freut mich Sie hier in unserem Firmensitz begrüßen zu dürfen, Mister Banks!", ein adretter Mann mit grau melierten Haaren ging auf Crow zu und schüttelte kräftig seine Hand. 

„Ich bin Evan Gregory! Der Besitzer dieses Konzerns!" Gregory lächelte freundlich. In seinen Augen lag etwas unglaublich Warmherziges. 

„Schön Sie kennenzulernen!" 

„Ebenfalls!", erwiderte Crow knapp. 

„Mister Banks, unsere Firma vertreibt hauptsächlich Strom, aber ich habe auch vor die Kleinbetriebe dieser Stadt finanziell zu unterstützen und auch Geld für wohltätige Zwecke zu sammeln und zu spenden. Ich habe hier das Elend der Bevölkerung gesehen. Entschuldigen Sie die Frage, aber haben wir uns vielleicht schon einmal irgendwo getroffen? Sie kommen mir so bekannt vor", unterbrach Gregory sich selbst. Crow schüttelte den Kopf.

„Nicht, dass ich wüsste", meinte er schulterzuckend.

„Na ist auch unwichtig. Mehr als siebzig Prozent der Bevölkerung, und die ist recht groß, ist verarmt beziehungsweise leben wirklich am Limit."

„Ich weiß!"

„Ich möchte diesen Menschen Perspektive geben, eine Zukunft, für die es sich zu leben lohnt. Ich möchte Tisdale zu einer aufstrebenden Stadt umfunktionieren. Die Stromversorgung von Montville aus, wo mein Kraftwerk steht wäre nur der Anfang. Ich möchte auch hier eines errichten, um den Leuten Arbeitsplätze zu bieten, Betriebe fördern, damit sie ausbauen können und ertragreicher werden, die gesamte Stadt und die Menschen sollen erblühen. Doch leider werden wir fast im Keim erstickt, weil sich ein sogenannter Sandman quer stellt!"

„Keine Frage, der hat Angst seine Macht zu verlieren", mischte sich Samara ein.

„Samara, bitte nicht vor einem potentiellen Investor", tadelte Gregory. Crow betrachtete den Mann. Wirklich edle Gedanken, die er hatte. Möglicherweise wäre er wirklich eine neue Chance für diese Stadt. Ein engagierter Mann, der auch an das Wohl der hier lebenden Menschen dachte, die nicht mit Reichtum gesegnet waren. 

„Ihr Vorhaben ist ritterlich, nur leider absolut nicht durchführbar", sprach Crow.

„Aber natürlich, in den anderen Städten Montville und Gensburg funktioniert mein Modell einwandfrei!" Gregory sah Crow in die Augen, als die seinen plötzlich merkbar größer wurden und er zurückwich.

„Jetzt... erkenne ich Sie! Sie sind der Kerl aus diesem Film!" Crow legte seine Stirn in Falten.

„Welcher Film denn?", hakte er nach.

„Dieser Snufffilm... Sie sind die Krähe, der Typ, der all diese Menschen umgebracht hat!" Gregory wollte an Crow vorbei stürmen, doch dieser packte ihn und warf ihn gegen seinen Schreibtisch, um ihn anschließend fest auf die Arbeitsplatte zu drücken.

„Ich weiß zwar nicht, was das für ein Film sein soll, aber weglaufen kannst du nun bestimmt nicht!"

„Lass ihn los, du Monster!", brüllte Samara und stürzte sich auf Crow. Aber Crow wirbelte herum und schlug ihr brutal ins Gesicht. Samara taumelte zurück und fiel rücklings zu Boden. Ihre Nase blutete. 

„Mit dir befasse ich mich später", knurrte Crow.

„Bitte... warten Sie doch! Ich möchte dieser Stadt nur helfen, etwas zum Positiven verändern... Sie müssen doch einsehen, dass Sandman sie nur in den Abgrund treibt! Er geht den falschen Weg... bitte tun Sie doch das Richtige!" Crow sah Gregory in dessen verängstigte Augen. Dass er mit Worten an ihn zu appellieren versuchte, anstatt sich zu wehren, zeugte davon, dass er wirklich zu wissen schien, dass es keinen Ausweg mehr gab. 

„Ich... habe schon lange verlernt zwischen richtig und falsch zu unterscheiden", sprach Crow.

„Es tut mir leid!" Gregorys Lippen zitterten, er schluckte langsam.

„Bevor Sie mich jetzt töten, habe ich eine Bitte an Sie. Mein Sohn wird erben, teilen Sie ihm bitte mit, dass er mein Vorhaben hier nicht weiter führen soll... bitte richten Sie ihm das aus...sagen Sie ihm, dass er die Finger von dieser verfluchten Stadt lassen soll!" Crow nickte und als er Gregory die Kehle zudrückte, um ihn zu ersticken sagte er leise: „Ich verspreche es!" Gregory röchelte, aber er wehrte sich nicht, er hatte seinen freundlichen Blick fest auf Crow gerichtet und würde ihn auch nie wieder auf etwas Anderes richten. 

„Nein... Evan!", wimmerte Samara und rappelte sich auf. Ihr Schädel brummte, so hart hatte Crow zugeschlagen. 

„Wie konntest du nur, du Scheusal! Du Schwein..." Crow ließ sie einfach stehen und ging an ihr vorbei.

„Du krankes...", plötzlich hielt sie in ihren Worten inne. Crow drehte sich um. Samara stürzte leblos zu Boden. Die Kehle durchgeschnitten.

„So etwas Unfreundliches!" Crow starrte überrascht die blonde Frau an, die über Samaras Leiche hinwegschritt und süffisant lächelte.

„Was willst du schon wieder hier?", bellte Crow. Chantal kicherte.

„Ich war das letzte Mal so angetan von dir, ich musste dir einfach noch einmal zusehen! Das war richtig aufregend, richtig anziehend, was du mit bloßen Händen doch machst!"

„Verschwinde, ich hab keinen Bock auf dein Gelaber, Blondi!" Crow schritt einfach davon und ließ Chantal im Büro stehen. Chantal machte vorerst einen Schmollmund, um gleich darauf zu lachen. Sie wandte sich um und betrachtete die Leichen. 

„Seine Attraktivität steigt von Mal zu Mal, wenn ich seine Erfolge begutachte", sprach sie an Samara gewandt. Chantal kicherte, während sie Gregory in die toten Augen sah.

Sie lächelte voller Vorfreude, denn sie wusste, dass sie Crow schon bald wieder begegnen würde.

Kapitel 18

 

„Langsam hab ich die Schnauze voll, diese Kerle sind total nervig…überall lauern die einem auf, egal wo man ist“, ärgerte sich Bird, Zodiak nickte zustimmend.

„Richtig, es scheint, als dass sie viel mehr Informationen bekommen, als wir!“

„Und sie wissen unsere Namen und tun so, als wüssten sie alles über uns.“

„Sie sind so perfekt, intelligent und großartig!“ Bird und Zodiak lästerten über die Profis aus der anderen Organisation. Auch Zodiak hatte bereits Schwierigkeiten bekommen, allerdings bekam keiner der beiden Killer die Zielperson, da diese sich selbst tötete, indem sie sich vor einen Lastwagen warf. Wie bei Dreamer dürfte es ein Mann gewesen sein. Er trug eine Clownsmaske, deshalb konnte man es nicht wirklich definieren.

„Sandman ist ein Idiot, er behindert sich nur selbst mit dieser dämlichen Wette“, meinte Bird schließlich. Misery betrat das Wohnzimmer und ließ sich schnaubend auf die Couch neben Bird fallen.

„Ist was?“, fragte Bird vorsichtig.

„Ich hätte auch gerne mal einen Auftrag…ich lebe nur in den Tag hinein“, murrte sie.

„Sei froh, dann hast du wenigstens keinen Ärger“, erklärte Zodiak.

„Vielleicht will ich aber Ärger haben“, entgegnete Misery und sank tiefer in die Polster. Niemand sagte darauf etwas, es war bereits Nachmittag und keiner hatte von Muffin einen Auftrag erhalten.

„Wo ist denn Crow?“, wollte Misery plötzlich wissen.

„Im Bett?“, meinte Bird Schulter zuckend.

„Nein, ist er nicht, Cat hat ihn nicht nach Hause kommen sehen“, erzählte Zodiak

„Merkwürdig“, murmelte Misery, plötzlich hörte man die Eingangstür knallen. Die Schritte donnerten über die Treppen. Misery vernahm Cats Stimme, die Crow einen guten Tag wünschte, aber wiederum hörte man nur eine Tür zu schnellen, die unweigerlich Crows Zimmertür gewesen war.

„Wenn man vom Teufel spricht“, sagte Misery und erhob sich. Dem Streit zum Trotz, den sie mit ihm hatte ging sie über den Flur hin zu der Treppe im Eingangsbereich und trabte sie hoch. Sie erblickte sogleich Cat, die verdutzt auf die geschlossene Tür starrte.

„Was ist denn mit dem los?“, fragte sie rhetorisch und wandte sich ab. Misery belächelte Cat, die sie ansah, ohne Hass in ihren Augen. Es befand sich einfach nichts Schlechtes darin. Sie war doch erstaunlich, Misery kannte so etwas nicht. In ihrem Freundeskreis gab es nur Intrigen, Zynismus, Neid, Hass. So sehr sie versuchte Cat zu schaden, aus Eifersucht über ihren Stellenwert in der Villa, sie konnte sie offenbar nicht hart genug treffen, um sie tatsächlich zu verletzen.

„Du solltest besser nicht rein gehen“, mahnte Cat, aber Misery hörte nicht, sie trat, ohne zu klopfen, ins Zimmer.

„Verschwinde“, knurrte Crow, der in seinem Bett lag, voll bekleidet.

„Schlecht gelaunt?“, fragte Misery belustigt. Crow brummte nur missmutig. 

„Du sollst erst recht verschwinden“, sagte er gleich darauf, denn er hatte zuerst gedacht, dass Cat ins Zimmer gekommen war und war über Miserys Anwesenheit natürlich noch weniger erfreut. 

„Oh, ich hab das gehört“, beschwichtigte sie und ging auf das Bett zu, um sich gleich danach darauf zu setzten.

„Was willst du? Du solltest mir besser nicht zu nahekommen, meinst du nicht?“, fauchte Crow und versteckte sich unter dem Kopfkissen.

„Ich wollte nur fragen, wie es dir geht!“

„Hervorragend und jetzt hau ab!“

„Komm schon Crow“, Misery verschränkte abwartend die Arme.

„Hör zu, ich hab Blondinen im Moment ziemlich satt, also zieh Leine!“

„Warum Blondinen?“

„Misery BITTE!“ Crow kam unter dem Kopfkissen hervor und warf Misery einen tödlichen Blick zu. Sie starrte ihn mit offenem Mund an.

„D…du hast“, stotterte sie und deutete auf Crows Auge, das blauviolett umrandet war.

„Ja…bist du jetzt zufrieden?“

„Nein, woher hast du denn das Veilchen?“ Crow stöhnte genervt. Er erzählte Misery von der blonden Frau namens Chantal.

„Sie hat mich anscheinend vermöbelt“ Misery unterdrückte ein Lachen.

„Und warum bist du erst so spät nach Hause gekommen?“, fragte sie leicht irritiert. 

„ Ich…kann mich schlecht erinnern…wir waren in einer Bar und dann…Filmriss!“

Misery gluckste: „Na, hat dein großes Ego jetzt einen Knacks?“ Sie lachte laut und Crow hielt sich die Ohren zu. In seinem Schädel hämmerte es. 

„Es reicht“, knurrte Crow, erhob sich und zog Misery mit sich.

„Nein…ach komm…tut mir leid, es ist nur so…lustig!“

„Raus hier“ Crow warf Misery hinaus und schlug ihr die Tür vor der Nase zu. Misery schüttelte bedauernd den Kopf.

„Armer Crow“, kicherte sie und schlenderte die Stufen hinunter. Plötzlich hörte sie ein Knirschen auf dem Kiesweg, das nur ein Wagen verursachen konnte. Sie spickte aus dem kleinen Fenster neben der Tür und erblickte eine schwarze Limousine mit getönten Scheiben, sodass man die Insassen nicht erkennen konnte. Muffin stand neben der Wagentür und redete mit der Person, die hinten saß, das Fenster war einen Spalt geöffnet. Schließlich wandte sich Muffin ab und betrat die Villa.

„Wer ist das?“, wollte Misery wissen. Muffin antwortete nicht, sondern schritt an Misery vorbei.

„Muffin?“ Der junge Mann drehte sich um und sagte mit ernster Miene.

„Versteckt Nightmare…Sandman ist hier!“

***

„Okay, ich hab ihn…“, Cat unterbrach sich sofort, als sie den, in einen schwarzen Anzug gehüllten, Mann mit der schwarzen Sonnenbrille im Wohnzimmer stehen sah.

„Ihn zum Tierarzt gebracht…Ed… den Hund“, Cat grinste dümmlich und huschte zu Crow, der gelangweilt auf seinem Ohrensessel saß. Die gesamte Truppe hatte sich im Zimmer eingefunden, da Muffin es so angeordnet hatte. Cat hatte Nightmare Bescheid gegeben, falls Sandman auf die Idee kam, sich die Villa anzusehen. Es war sonderbar still im Raum, da dieser Mann anwesend war.

„Wer ist das denn?“, wisperte Cat.

„Der Chauffeur“, antwortete Crow, kaum, dass er den Mund bewegt hatte.

„Aha…“ ganz langsam rutschte Cat auf Crows Schoß.

„Was hast du denn?“, zischte er ihr zu. Cat ließ den Fahrer nicht aus den Augen, der steif wie eine Schaufensterpuppe im Raum stand und nicht einmal zuckte.

„Er beobachtet mich“, fiepte Cat und packte Crows Arm.

„Blödsinn“, entgegnete Crow.

„Doch, schau, wie er mich anstarrt, wie seine Augen mich anglotzen…unheimlich.“

„Du siehst seine Augen gar nicht“, knurrte Crow. Sugar schüttelte bereits bedauernd den Kopf. Zwar versuchten Crow und Cat zu flüstern, aber man konnte sie genau verstehen.

„Aber ich spüre sie!“

„Sei jetzt still!“ Die Anwesenheit des Fahrers der schwarzen Limousine, löste nicht nur in Cat Unbehagen aus, auch die anderen, fühlten sich bei ihrem Tun beobachtet.

„Er wirkt wie ein Roboter“, murmelte Cat.

„Pst!“ Cat beäugte Crow schließlich genauer.

„Warum trägst du denn eine Brille?”, wollte sie plötzlich verwundert wissen, was Misery ein belustigtes Grinsen entlockte. Tatsächlich trug Crow ebenfalls eine schwarze Sonnenbrille, die die gesamte Augenpartie verdeckte.

„Du hast doch auch eine am Kopf“, erwiderte er gereizt.

„Ja, aber von mir ist man es gewohnt…aber du...und dann noch eine dieser Pornobrillen.“

„Ist doch egal…sei endlich ruhig“, versuchte Crow das neugierige Mädchen zum Stillschweigen zu bewegen. Kurze Zeit gehorchte Cat auch Crows Anweisung, doch schon bald verspürte sie wieder den Drang etwas zu sagen.

„Ich wusste gar nicht, dass du so eine Brille hast“ Crow verdrehte die Augen.

„Wo hast du die denn gekauft?“

„Kannst du nicht einmal für fünf Minuten deine Klappe halten?“ Cat musterte Crow mit hoch gezogenen Augenbrauen und verständnislosen Blick.

„Nein, nicht wirklich“, antwortete sie, was Crow entnervt stöhnen ließ. Am liebsten hätte er Cat eine verpasst.

„Crow?“, Crow sah kurz hoch, Muffin stand im Zimmer, mit ernster Miene.

„Er möchte dich sprechen!“ Crow wartete kurz ab.

„Wirst du wohl runtergehen?“, wetterte er schlagartig, als Cat keine Anstalten machte sich zu erheben.

„Ja, ja…reg dich ab“, murrte sie und sprang von seinem

Schoß. Crow raffte sich auf und folgte Muffin aus dem Wohnzimmer, in dessen Büro. Crow trat ein, jemand saß gemütlich in Muffins Ledersessel und starrte gelangweilt zum Fenster hinaus. Sandman trug einen weißen Nadelstreifenanzug und den dazu passenden Hut mit schwarzer Krempe. Richtig klischeehaft, wie ein Gangster aus den Sechzigern. Als er die Tür zu poltern hörte, wandte er sich Crow und Muffin zu.

„Ah, schönen Tag auch, Crow“, grüßte Sandman erfreut.

„Tag“, erwiderte Crow knapp.

„Du fragst dich bestimmt, warum du…würdest du wohl die Brille abnehmen!“ Crow wurde leicht rötlich.

„Ich…ich kann nicht“, druckste Crow herum. Sandman setzte sich aufrecht in den Stuhl.

„Nimm sie ab“, herrschte er, was Crow schließlich auch tat. Sandman bekam große Augen, als er das Veilchen erblickte.

„Also stimmt es tatsächlich“, sagte er staunend.

„Ha! Die Krähe wurde verprügelt“, spottete er. Als er sich etwas auf Crows Kosten amüsiert hatte, kam er zum eigentlichen Thema.

„Nun, Muffin hat mir gebeichtet, dass er euch über meine kleine Wette informiert hat…dir sind die Regeln demnach auch bewusst, nicht wahr?“ Crow starrte auf den Boden, schluckte und nickte leicht. Sandman grinste zufrieden, erhob sich und trat auf Crow zu. Er war um ein ganzes Stück kleiner als der Auftragskiller, dennoch ließ er seine Hände väterlich auf Crows Schultern sinken und lächelte freundlich.

„Lass den Kopf nicht hängen, mein Junge! Bis jetzt hast du deine Aufträge meisterlich ausgeführt, du bist mein bester Mann, keiner übernimmt solche Aufgaben, wie du freiwillig…und dein Auftrag ist dir ja nicht misslungen, obwohl es doch ein Fauxpas war…du bekommst natürlich noch eine Chance mich wieder vollends von dir zu überzeugen, verstanden?“ Crow blinzelte und nickte anschließend.

„Gut, dein Auftrag lautet so…“ Sandman erklärte, was er von Crow erwartete. Der junge Mann hörte zu, aufmerksam zu. Beinahe glaubte er seinen Ohren nicht zu trauen, was Sandman verlangte, aber er sagte nichts. Er hatte schon Abscheulicheres ausgeführt, doch dieser Auftrag war einfach anders. Sandman verließ, Muffin und Crow voran, das Büro. 

„Hach... ich war schon lange nicht mehr hier, bestimmt einige Jahre!" Er berührte das Treppengeländer.

„Ist dieses Mädchen auch immer noch hier?"

„Cat? Ja die ist hier!", antwortete Crow, bevor Muffin etwas sagen konnte. Sandman lachte plötzlich.

„Erinnerst du dich, als sie dich mit den Getränken vollgekleckert hat, Muffin?" 

„Ja", knurrte Muffin. Das war das erste Mal, dass er Cat verprügelt hatte und nur daraufhin, weil Sandman gemeint hatte, dass eine Bedienstete bestraft gehörte.  Er hatte dabei zugesehen und Muffin wollte es zuerst nicht tun. 

Eine Enttäuschung nach der anderen", hatte Sandman gesagt. Eine Enttäuschung, das war Muffin immer gewesen. Seit er denken konnte, konnte er es seinem Vater nicht recht machen. So sehr er versuchte ihm zu gefallen, es gelang ihm nicht.

Aus dem Jungen wird nie etwas, der ist zu weich für diese Welt...", hatte er seinen Vater im Gespräch mit seiner Mutter gehört.

Er ist zauberhaft, du siehst es nur nicht!" Muffins Mutter war eine wunderbare Frau gewesen. Warmherzig, mitfühlend, doch leider war sie schwer krank. 

Unsinn... er ist ein Weichei, so weich wie.... dieser Muffin hier, ja bäh!" Sandman hatte alles versucht seine Frau zu retten, keine Kosten gescheut, aber man konnte ihr nicht helfen und zu guter Letzt, als er dann an ihrer Seite saß und ihre Hand hielt, bis sie gestorben war, gab er Muffin die Schuld, an ihrem Tod. Seit seiner Geburt war es ihr schließlich so schlecht ergangen. 

Du wirst mich so lange mit Sir ansprechen, bis ich der Meinung bin, dass du ein Mann geworden bist! Hast du verstanden?"

Ja Va..." Muffin spürte diese Ohrfeige auf seiner Haut, als hätte er sie erst gestern erhalten.

Ja Sir!" Er sah den kleinen, traurigen Jungen wieder vor sich und er war es jedes Mal, wenn sein Vater den Raum betrat. 

„So, ich verlasse euch nun, Donovan?" Der Fahrer trat aus dem Wohnzimmer. 

„Crow, mein Junge, begleite mich doch raus", Sandman lächelte Crow freundlich an und dieser öffnete seinem Boss die Tür und geleitete ihn zum Wagen.  Muffin starrte die beiden finster an. Sandman war damals aus dem Häuschen gewesen, als er Crow entdeckt hatte. Er hatte ihn wohl nach einer Streiterei, vor einer Bar angesprochen, nachdem Crow seine sechs Kontrahenten

einfach getötet hatte.

Darf ich fragen, wen du da gerade getötet hast?", hatte Sandman den damals Siebzehnjährigen gefragt, der gerade das von Sandman bezahlte Getränk runterkippte.

Meine Partner... wurden lästig, hatten Schiss so weiter zu machen wie bisher! Angst davor in den Knast zu kommen", hatte Crow geantwortet. Diese Kälte und der zugleich heiß brodelnde Zorn, machten Sandman völlig euphorisch.

Wie ist dein Name, Junge?" Crows goldene Augen richteten sich starr auf Sandman.

Man nennt mich Crow!" Der junge Mann hatte sich erhoben und wandte sich dem Geschäftsmann näher zu. 

Ich schwör dir, Alterchen, halt besser schön dein Maul und behalt für dich, was du gesehen hast, klar?" Sandman hatte noch nie so etwas verspürt, wie jenes Gefühl, das in ihm hochgekrochen war, als Crow ihm das zu geraunt hatte. 

Keine Sorge, Junge!" Bevor Crow allerdings verschwinden konnte, unterbreitete Sandman ihm den Vorschlag für die Organisation zu arbeiten und Crow war wirklich der einzige gewesen, der keine Bedenkzeit eingefordert hatte. Er war mit Sandman gefahren, ohne jemals etwas in Frage zu stellen. 

Das ist ein Mann, ein richtiger Mann!", hatte Sandman zu Muffin gesagt und diese Worte besiegelten Muffins Schicksal, denn so wie Crow, würde er niemals sein. Nein, so wollte er auch gar nicht sein. Es war Muffin, der Crow mit dem Massenmordauftrag, dem ersten seiner Art, beauftragte. Er wollte diesen ach so grandiosen Kerl, aus der Reserve locken. Kinder und Frauen töten? Das musste doch selbst für so einen Gossenköter ein Unding sein. Dass er sich damit ins eigene Fleisch schneiden würde, wusste Muffin nicht. Die Legende der Krähe wurde geboren. Ein Überlebender wurde an jenem Tag aus dem ersten Schlachthaus geborgen. Ein alter Greis, den Crow wohl übersehen hatte. Die Polizei war dort, denn zu dieser Zeit ließen sich die Beamten noch nicht von Sandman schmieren. Muffin war unter den Schaulustigen gewesen, die dem Greis, als er von der Polizei befragt wurde aufmerksam zu hörten. 

Ein Mann... ein einziger Mann! Er hat alle getötet, ohne Skrupel... meine Enkel, meine Töchter... er tötete alle. Das war der Teufel, nur der Teufel bringt so etwas zu Stande!" 

Nein Alter, das war die Krähe!" Und mit diesen Worten war Muffin von der Bildfläche verschwunden. Muffin sah, wie Sandman Crow noch einmal väterlich auf die Schulter klopfte und in den Wagen stieg.  Manchmal schmerzte es noch, wenn er mitbekam, wie viel seinem Vater Crow bedeutete und wie bedeutungslos er selbst war. Aber im Grunde hatte er damit abgeschlossen, er hatte aufgehört Crow wie besessen zu hassen, denn er hatte erkannt, wie krank sein Vater war. Wie verdorben sein gesamtes Wesen. So jemanden musste Muffin nichts beweisen, so ein verkommener Mensch war es nicht wert. Crow trottete, die Hände in den Hosentaschen, wieder in die Villa. Er hatte die Sonnenbrille wieder aufgesetzt. 

„Wo gehst du hin?", wollte Muffin wissen.

„In mein Zimmer", entgegnete Crow leise. Über Muffins Lippen huschte ein kurzes Lächeln. Offenbar stieß Crow dieser neue Auftrag etwas auf, wirkte beinahe etwas geknickt. 

„Du sollst aber heute los, vergiss das nicht!", erinnerte Muffin.

„Ja, ja!", kläffte Crow und schlug die Tür hinter sich zu.

 

Kapitel 19

„Was will er?“, rief Andy erschrocken. Muffin hatte gerade erzählt, dass Sandman auch für Andy, Zodiak und Misery einen Auftrag hatte. Der Big Boss war bereits wieder verschwunden, die Villa hatte er sich nicht angesehen, was Cat sehr erleichtert hatte.

„Du hast schon richtig gehört… dieses Gebäude will er anders nutzen, als bisher!“

„Was soll das heißen, als bisher…das Waisenhaus gehörte ihm doch gar nicht“, sprach Andy.

„Oh doch, seit einiger Zeit schon“, entgegnete Muffin. 

„Aber das können wir doch nicht machen…sie haben doch sowieso nicht viel“, warf Zodiak ein, was Andy sehr überraschte.

„Zodiak bitte, es ist ein Auftrag und der muss ausgeführt werden“, erklärte Muffin.

„Ach muss er das?“, brummte Andy.

„Ja muss er verdammt!“, Muffin schien sehr aufgebracht zu sein.

„Ihr habt noch zwei Wochen, seht zu, dass ihr alles über das Gebäude wisst, niemand darf entkommen, sie müssen alle eliminiert werden… ausnahmslos!“ Andy und Zodiak sahen sich verzweifelt an.

„Verstanden?“, fragte Muffin mit Nachdruck.

„Ja!“, murrten die beiden gleichzeitig.

„Gut“, sprach Muffin und setzte sich erschöpft auf die Couch. Andy seufzte schwer.

„Verdammt…warum bekomme ich diesen Auftrag…ausgerechnet ich?“

„Was meinst du?“, fragte Misery mit großen Augen.

„Nun…sagen wir es einmal so…dieses Gebäude kenne ich wie meine Westentasche!“

„Nicht nur du“, sagte Zodiak traurig. Andy sah zu ihm, dem Mann rannen Tränen über die Wange.

„Ich…ich schaffe das nicht!“

„Zodiak…verdammt reiß dich zusammen“, zischte Misery. Zodiak wischte sich schnell die Tränen aus dem Gesicht.

„Was ist los?“, fragte Andy mit sanfter Stimme.

„Ich bin doch auch nur ein Mann…mit dem Auftrag komme ich nicht zu Recht, das kann ich gar nicht… ich werde ihn nicht ausführen!“

„Und ob du wirst! Du kannst jetzt nicht einfach kneifen, nur, weil wir ein paar Bälger niedermetzeln!“, warf Misery ungerührt ein.

„Hör mal…die meisten dieser Bälger, wie du sie nennst kenne ich persönlich! Ich BIN einer dieser Bälger, klar?“, plärrte Andy. Misery musterte ihn erschrocken.

„Und eines dieser Bälger…ist meine…meine Tochter“, fassungslos starrte Andy zu Zodiak, der betrübt auf den Boden starrte. Die Tränen rannen ihm über die Nasenspitze und tropften zu Boden. Andy wusste nicht Recht, ob er Zodiak trösten sollte oder nicht. Misery hatte er mit diesen Worten zum Schweigen gebracht, sie betrachtete ihn, in ihren Augen erspähte Andy großes Mitleid.

„Vielleicht können wir…das irgendwie anders regeln“, sagte Zodiak Andy überlegte schweigend.

„Hört jetzt zu…ihr seid Profis, über Schmerzen dieser Art, kommt man leichter hinweg als man denkt“, schnaubte Muffin, der sich vorhin noch zurückgehalten hatte.

„Ihr habt es euch ausgesucht…ihr habt mir etwas geschworen, auch wenn es schwerfällt, aber es ist euer Job und der beinhaltet eben die Kunst, ohne jegliche Rücksicht über Leichen zu gehen!“ Zodiak erhob sich. Andy hatte in seinen Augen noch nie so viel Zorn erblickt.

„Einst durften wir Prinzipien haben, meine sind klar gewesen und niemand hatte sie in Frage gestellt! Leichen schön und gut…aber weder du noch Sandman können mich zwingen über Kinderleichen hinwegzugehen!“ Mit diesen Worten verließ Zodiak die Villa. Andy schluckte. Er hatte bereits ein Kind auf seinem Konto und fühlte sich noch elender, als zuvor. Muffin fuhr sich nervös durchs Haar. Auch er erhob sich und ging, die Worte sprechend: „Euer Job, euer Job…“

***

„Verdammt… irgendwie…hat er doch Recht nicht? Er hat Recht“, druckste Andy herum. Misery saß mit ihm in seinem Zimmer.

„Tja…ganz ehrlich gesagt…ich hab es schon lange verlernt zwischen richtig und falsch zu unterscheiden“ Andy legte sich ins Bett zurück.

„Mein erstes Opfer war ein kleiner Junge“, erzählte er plötzlich, Misery nickte verständnisvoll.

„Du warst mit Crow unterwegs, oder?“

„Mhm…“

„Ich hab ihn auch bei meinem Auftrag begleitet, ich hatte bloß einen einzigen…es war schrecklich, ich hab es nicht auf die Reihe bekommen…ich hab es total vermasselt!“

„Ja, ich auch!“

„Er war total sauer, er hat die ganze Arbeit gemacht und dann am nach Hause Weg, kamen uns zwei Mädchen entgegen. Fünfzehn, sechzehn, oder so und er hat gemeint, dass es meine letzte Chance wäre und ich hab es getan…was hätte ich auch tun sollen, ich denke, hätte ich nichts gemacht, er hätte mich geköpft.“

„Alle beide?“, fragte Andy.

„Alle beide“, wiederholte Misery und starrte zum Fenster.

„Crow hatte zwar gemeint, dass ich nur eine nehmen sollte, die andere würde er übernehmen, aber ich hab das abgelehnt…weißt du…für mich war es hier schon immer schwer, wirklich ernst nimmt mich keiner und so konnte ich wenigstens Crow ein bisschen zeigen, dass ich sehr wohl fähig bin.“

„Du musst dich wirklich nicht rechtfertigen“, erklärte Andy. Er seufzte.

„Ich hab heute keinen Bock mehr zu trainieren“, meinte er schließlich und gähnte.

„Ja, verständlich!“

„Hast du eine Ahnung, wo Dreamer jetzt ist?“ Misery schüttelte den Kopf.

„Nein…sie hat alle ihre Sachen zusammengepackt und ist auf und davon, aber wohin weiß, denke ich, niemand.“

„Ich hätte nie gedacht, dass das alles so ausartet… warum zum Teufel will er das Waisenhaus?“ Misery zuckte die Schultern.

„Keine Ahnung, ist ja nicht einmal eine schöne Lage, vielleicht will er eine Fabrik oder so bauen lassen.“

„Er hat doch alles was er will, er ist reich, er hat fast keine Konkurrenz mehr, bis auf…diesen Typen mit der anderen Organisation!“ Misery schien zu überlegen.

„Du hast Recht“, sagte sie plötzlich.

„Er hat kaum noch Konkurrenz, die meisten Gebäude sind in seinem Besitz, selbst die Polizei lässt sich von ihm schmieren, die Stadt gehört ihm…woher kommt dann plötzlich dieser Kerl?“ Andy stützte sich ein wenig auf.

„Was meinst du?“

„Ich meine, vielleicht gibt es überhaupt keine andere Organisation einer Konkurrenz, vielleicht will Sandman einfach nur uns loswerden, oder besser gesagt, die unter uns, die ihm genauso gefährlich werden können wie seinen Gegnern.“

„Nightmare und…“

„Crow“, beendete Misery Andys Satz.

„Wobei Crow noch eine Chance erhält, er funktioniert, wie eine Maschine, wenn man ihn nur richtig programmiert, macht er alles, was man will, allerdings darf er nicht dahinterkommen, dass man ihn bloß benutzt…leider ist er so einfältig und begreift es nicht!“

„Vielleicht sollten wir mit ihm reden, er wird es doch einsehen, oder?“, schlug Andy vor, jedoch schüttelte Misery zweifelnd ihren Kopf.

„Er hört nicht auf uns…und schon gar nicht auf mich, die Einzige die vielleicht etwas erreichen könnte, wäre…“

„Cat!“ Andy sah zu Misery, die mit den Schultern zuckte.

„Einen Versuch wäre es Wert“, meinte Andy.

„Cat redet bestimmt mit ihm, aber wir sollten sie nicht in Gefahr bringen, über ein solches Thema mit Crow zu sprechen ist ziemlich heikel!“ Andy nickte wissend.

„Aber ich denke nicht, dass er ihr etwas antun würde…“

„Da sei dir mal nicht so sicher…er kann ganz schön aggressiv werden! Das weißt du doch!“ Als hätte sie gewusst, dass sie gebraucht wurde klopfte Cat an Andys Zimmertür und trat ein, nachdem man ihr Einlass gewährt hatte.

„Habt ihr Ed gesehen? Er muss hier irgendwo rumlaufen, der Lauser hat sich aus dem Zwinger gebuddelt!“

„Nein, tut mir leid!“

„Ach Mist“, stöhnte Cat und wollte wieder verschwinden.

„Cat, warte Mal!“, rief Andy schnell, bevor das Mädchen die Tür hinter sich zu ziehen konnte.

„Hm?“ Cat sah die beiden anderen erwartungsvoll an.

„Wir hätten eine Bitte, schließ doch Mal die Tür!“ Cat tat wie ihr geheißen und hopste auf das Bett zu, um darauf zu landen.

„Ja?“, sagte sie gedehnt und lächelte fröhlich.

„Ähm…wie fange ich denn am besten an?“, fragte Andy ein wenig unsicher.

„Um wen geht’s denn?“, Cat grinste spitzbübisch. Natürlich wusste sie, dass es nicht um irgendeine nichtige Kleinigkeit ging, sondern um eine Person in diesem Haus.

„Um Crow“, antwortete Misery.

„Okay, was ist denn mit ihm?“, forschte Cat neugierig.

„Du müsstest mit ihm ein etwas schwieriges Gespräch führen“, erklärte Andy.

„Und worüber soll ich mit ihm sprechen?“ 

„Über Sandman und die Aufträge, wir glauben, dass es keine andere Organisation gibt, ich denke nur, dass Sandman Nightmare und Crow loswerden will, da sie ihm gefährlich werden können… Sandman hat irgendetwas anderes im Sinn, etwas stimmt nicht, du musst mit Crow reden, er darf diesen Auftrag nicht ausführen, den er bekommen hat. Er muss sich dagegen wehren“, erläuterte Misery die Vermutung.

„Was ist das denn für ein Auftrag?“, fragte Cat.

„Das wissen wir nicht…er sagte nur, dass er einen bekommen hat.“

„Das dürfte ziemlich schwierig werden, Crow ist darauf fixiert seine Pflichten zu erfüllen.“

„Ja das wissen wir“, brummte Andy.

„Und seid ihr wirklich ganz sicher, dass Sandman sie deshalb loswerden will? Crow ist Sandmans Liebling…es könnte doch wirklich eine Wette mit Spielregeln geben.“

„Sandman gehört bereits die gesamte Stadt, wieso sollte er sich mit einem Konkurrenten auf so eine dusslige Wette einlassen?“, warf Andy ein. Cat schien nach zu denken.

„Gutes Argument“, meinte sie schließlich anerkennend.

„Allerdings liegt vielleicht gerade darin der Reiz…Geschäftsmänner haben eben alles und brauchen diese kranken Spiele, um sich zu vergnügen. Er spielt immerhin nur mit den Leben seiner Bauern.“ Sie schwiegen sich an. Wenn alle Profis sich gegen Sandman und sein Regime auflehnen würden, wären sie alle frei. Aber solange Crow blind gehorchte, würde das nicht funktionieren. Alle Anwesenden schienen denselben Gedanken zu haben.  

„Na schön…ich rede mit ihm, was soll schon passieren…mehr als mich anbrüllen und rauswerfen kann er nicht.“

„Cat…er ist ein Killer, vergiss das nicht, ja?“, gab Andy zu bedenken.

„Und Choleriker auch noch, ja, ja, ja…ich bin hier schon länger, als du, Angel! Ich weiß schon wie ich mit Crow reden muss, ohne, dass er mich aufschlitzt.“ Cat erhob sich und watschelte aus dem Zimmer.!

„Ach und sollte Ed vorbeikommen, sagt ihm, ich bin bei Crow!“ Cat schloss die Tür. Andy runzelte die Stirn.

„Okay“, sagte er gedehnt.

„Na dann, hätten wir unser Ziel erreicht“, meinte Misery, worauf Andy nickte. Cat war sehr selbstsicher aufgetreten, sie war sich offenbar genau im Klaren, was sie tat, aber war Crow wirklich so durchschaubar? Er war ja nicht gerade der Mann mit den großen Prinzipien, er tötete ohne Rücksicht zu nehmen. Aber damals war er ausgerastet, als Muffin Cat als Geisel genommen hatte. Er war ausgeflippt, als hätte man ihm etwas gestohlen und das gab Andy die Hoffnung, dass Crow sich überreden ließ.

***

„Klopf, Klopf“, Cat versuchte ihre Unsicherheit mit Fröhlichkeit zu überspielen. Sie war zwar selbstsicher aus Andys Zimmer stolziert, doch in Wahrheit fürchtete sie sich ein wenig vor diesem Gespräch. Zögerlich trat sie in Crows Zimmer, der auf einem Sessel saß und aus dem Fenster starrte. Er deutete auf das Bett, was Cat verleitete hinüber zu sehen.

„Da ist er ja!“, rief sie erfreut, als sie den schnarchenden Ed erblickte.

„Lass ihn schlafen, jetzt wo er schon im Bett liegt, ist es sowieso schon egal“, brummte Crow.

„Okay…“ Kurze Stille herrschte.

„Ist noch was?“, wollte Crow mit einem scharfen Unterton wissen.

„Ähm ja…eigentlich bin ich gekommen, um mit dir…über etwas zu, zu reden“, murmelte Cat verlegen und tappte langsam in den Raum.

„Also, also was ich sagen wollte…ähm…ich…“  Cat stieg die Hitze zu Kopf.

„Ziemlich heiß hier, was?“, grinste sie dümmlich und fächelte sich mit der Hand Luft zu. Sie ließ sich neben Ed auf das Bett niedersinken und kraulte den Hund hinter seinem Ohr.

„Red schon weiter“, fauchte Crow.

„Also weißt du Crow, die anderen denken, dass Sandman euch loswerden will, also Nightmare und dich, wobei er ein letztes Mal noch versucht, dich unter Kontrolle zu bekommen. Der Auftrag, den du…“

„Das geht dich gar nichts an!“, schlagartig war Crow aufgestanden, funkelte Cat mit zornigem Blick an. Überrascht musterte sie sein blau umrandetes Auge.

„Aber ich…“, stotterte sie.

„Du bist eine Köchin, die Putzkraft, die Aufträge von uns, haben dich kein bisschen zu interessieren, überhaupt nicht klar?“ Die Putzkraft, mehr war Cat nicht in seinen Augen? Normalerweise wäre sie eingeschüchtert gewesen, aber Cat war nun nicht mehr das kleine Kind. Wie Crow selbst gesagt hatte, sie war nun erwachsen. Und seine Marionette wollte sie nun auch nicht mehr länger sein. Nein, es war Zeit, Crow endlich den Kopf zu waschen. Er musste doch endlich aufwachen, musste erkennen, was auf dem Spiel stand. Also sammelte Cat allen Mut und alle Kraft zusammen, um ihm Parole zu bieten. 

„Vielleicht bin ich für dich nicht mehr als eine Haushälterin und dein verdammtes Spielobjekt, aber ich bin wenigstens nicht ganz so dumm um zu erkennen, dass Sandman etwas Böses vorhat! Sei es nun eine bescheuerte Wette oder tatsächlich der Versuch euch zu beseitigen!", rief sie zornig. Crow lachte gereizt auf. 

„Na und? Wieso sollte ich, gerade ich etwas dagegen unternehmen? Ich bin genauso böse, ich bin ein Killer, Cat, sieh das endlich ein, verdammt noch mal!", brüllte er und warf ihr einen seiner grimmigsten Blicke zu, doch sie würde ihren nicht abwenden, nicht mehr. 

„Du lebst in deiner wunderschönen, heilen Welt und willst es nicht wahrhaben, dass wir trainieren um zu morden, dass wir leben, um Menschen zu töten.“ Crow war bei seinen letzten Worten leiser geworden, nun war er es, der seinen Blick abwandte. Als hätte Cat ihn gezähmt, aber so leicht würde das wohl nicht geschehen.

„Ich kann nichts tun“, sprach er schließlich, aber Cat schüttelte heftig den Kopf. 

„Oh doch du kannst, ja gerade du könntest, du bist nur zu feige! Es ist einfacher zu sagen, dass die Pflicht zu tun richtig ist, du hast dir das schon so eingeredet, dass du das tatsächlich glaubst...du kannst dich ändern, wenn du wolltest, aber du willst nicht, du willst nicht selber denken nur funktionieren und als dummes Lamm dem Schäfer fromm auf die Schlachtbank folgen, ohne Wenn und Aber!" Cat sah, dass Crow innerlich kochte. Sie wusste, dass er ihre Worte nicht hören wollte, aber trotzdem fügte sie mit Tränen, des Zorns in ihren Augen hinzu:

„Vielleicht bist du vom Weg abgekommen, aber niemanden ist es versagt dorthin zurück zu kehren...du kannst umkehren! Kehr um, du bornierter Idiot!“ Ihr Körper bebte vor Wut, wegen Crows Dummheit.

Wer, wenn nicht er? Nur er wäre doch wirklich in der Lage etwas zu bewirken, solange Sandman seine Krähe noch befehligen konnte, solange war niemand sicher, so brauchte keiner an Flucht auch nur zu denken. Ed war durch das Gebrüll wach geworden. Er drückte sich an Cat. 

„Zu feige was?", Crows Augenlid begann zu zucken, was Cat schlucken ließ, aber sie suchte ihre Angst so gut es ging zu verbergen. 

„Ein dummes Lamm, hm?", raunte Crow und trat auf das Bett zu. Ed und Cat spürten die schlechte Energie, die von Crow ausging, aber nur ersterer sprang panisch vom Bett, um sich zu verstecken. 

„Bornierter... Idiot?", presste er erzürnt zwischen seinen Lippen hervor. Cats Herz klopfte, aber sie hielt Crows furchterregendem Blick stand. Sie bot ihm die Stirn. Doch als er nach ihr zu greifen schien, wich sie erschrocken zurück. Tatsächlich dachte sie, er würde sie nun für ihre Worte maßregeln wollen, allerdings angelte er nur nach seiner Jacke, die hinter ihr auf dem Bett lag. Er zog sie sich über und machte Anstalten das Zimmer zu verlassen. 

„Wo willst du hin?“, fragte Cat kleinlaut. Crow blieb unmittelbar vor der Tür stehen, und blickte zu ihr zurück. Sie schluckte, als sie bemerkte, wie viel Hass er gerade für sie empfand. So hatte er sie noch nie angesehen, es schmerzte Cat richtig. 

„Los...“, setzte Crow an und fuhr kurz, bevor er die Tür hinter sich zu zog fort: „Meine Pflicht erfüllen!“ Die Tür knallte laut zu, was Cat zusammenzucken ließ. Das Mädchen wischte sich mit seinem schmuddeligen Pulloverärmel die Tränen aus den Augen. Da hörte Cat die Eingangstür poltern. Schnell sprang sie vom Bett, riss die Tür auf und stürmte an Andy und Misery, die ihre Köpfe aus dem Zimmer reckten, vorbei zum Fenster. Sie sah Crow, der schnellen Schrittes davoneilte. Cat öffnete das Fenster, um mit aller Kraft zu plärren:

„KEHR UM!" 

Aber Crow wandte sich nicht einmal um. Er würde nicht stehen bleiben. Er würde niemals umkehren.

***

„Tja, na schön, das ist total schief gegangen“, bemerkte Andy und watschelte im Raum auf und ab.

„Wir können gar nichts machen, solange Crow sich seinem Schicksal in der Art fügt, hat es keinen Zweck… wir müssen das allein in die Hand nehmen“, meinte Misery, Cat nickte.

„Auf Crow können wir nicht zählen“, knurrte sie verächtlich. Andy verharrte plötzlich.

„Wir könnten sie doch einfach warnen…oder? Wenn, wenn niemand dort ist, wenn wir unseren Auftrag ausführen sollen, dann ist doch alles geregelt, oder?“

„Und wo bitte sollen die ganzen Kinder hin?“, fragte Misery skeptisch.

„Sie könnten doch hierherkommen, ich koche für sie“, schlug Cat vor. Misery runzelte die Stirn.

„Das funktioniert nie“, meinte sie schließlich.

„Auch, wenn es nicht funktioniert, wir haben wenigstens etwas unternommen“, erklärte Andy. Misery zuckte die Schultern.

„Na gut, wie ihr meint…dann sollten wir uns aber gleich auf den Weg machen.“

„Kann ich mitkommen?“, fragte Cat mit großen Augen. Andy schüttelte den Kopf.

„Nein…du bleibst hier und sorgst dafür, dass niemand in den Keller geht!“ Cat verzog die Miene.

„Na schön“, stöhnte sie.

„Wollen wir das wirklich tun?“, fragte Misery, um wirklich sicher zu gehen. Andy nickte, ebenso Cat.

„Natürlich“, sagte er.

„Warum nicht?“, sprach Cat.

„Gut dann los, lass uns keine Zeit verlieren!“ Andy folgte Misery nach. Die beiden suchten das Kellergewölbe auf und zogen sich feste Schuhe an.

„Madame Kalier wird bestimmt sofort reagieren“, versicherte Andy. Misery lächelte schwach. Die beiden wateten durch den Tunnel, das Wasser war höher als sonst, da es ein paar Mal heftig geregnet hatte. Sie mussten immer wieder an Kreuzungen einen Plan zu Rate ziehen.

„Ich hab echt keine Ahnung, wie sich Crow das Ganze auswendig merken kann“, murmelte Misery und suchte den richtigen Weg.

„Wir müssen links“, sagte sie schließlich und Andy ging ihr voran. Plötzlich wandte er sich um.

„Was denn?“, wollte Misery wissen. Andy starrte in die Finsternis.

„Ach…nichts, ich dachte nur…ich dachte ich hätte etwas gehört…egal, komm!“ Andy schüttelte verwirrt den Kopf und stapfte weiter. Misery drehte sich zur Sicherheit noch einmal um, ob nicht doch etwas in der Dunkelheit lauerte. Sogleich lief sie Andy hinterher, der schon weit vorangeschritten war.

„Da sind wir“, verkündete Andy, als sie die Leiter hinaufgeklettert waren und die Köpfe aus einem Kanaldeckelloch steckten.

„Sieht ja toll aus“, meinte Misery sarkastisch.

„Komm gehen wir rein“, Andy hatte es für Miserys Geschmack sonderbar eilig. Ihr kam das gesamte Waisenhaus seltsam vor. Es war so still, unheimlich, wie ein altes Spukhaus.

„Warte mal“, Misery hielt den tatkräftigen, jungen Mann zurück.

„Was denn?“

„Kommt es dir hier nicht auch merkwürdig vor?“

„Nein gar nicht, los, lass uns endlich rein gehen!“ Andy zog Misery mit sich.

„Es ist alles in Ordnung, hier war es nie sonderlich laut“, beruhigte Andy Misery ein wenig, aber tief in ihr saß noch immer dieses Gefühl, das Gefühl das ihr sagte, dass etwas Schlimmes passieren würde.

 ***

Crow seufzte schwer. Er stand vor der Kirche, fühlte sich außerordentlich schlecht. Normalerweise verdrängte er sämtliche Gefühle und ließ sie auch nach einem Auftrag nicht an sich heran, aber diesmal konnte er es nicht, es war zu schwer. Kurzzeitig dachte er darüber nach, was Cat ihm an den Kopf geworfen hatte. Zuvor hatte er sich doch noch sehr über ihre Worte aufgeregt, musste sich vorhin auch immer wieder am Riemen reißen und sich vor Augen halten, dass es immerhin noch Cat war, denn jemand anderen hätte er es wohl nicht durchgehen lassen, so mit ihm zu sprechen. Er war wütend und hasserfüllt gewesen. Doch diese Gefühle verflüchtigten sich immer mehr, denn tief in seinem Innersten wusste er doch, dass sie Recht hatte. Dennoch hatte es keinen Sinn. Der rechte Weg. Was hieß das schon? Warum sollte er überhaupt noch darüber nachdenken, was richtig oder falsch war? Wieso sollte ihn das interessieren? Er konnte den Pfad Gottes schon lange nicht mehr sehen, er wusste wie er auszusehen hatte, aber in seinem finsteren Kerker, in dem Crow schon ewig gefangen war, konnte er ihn nicht erreichen, obwohl er doch selbst den Schlüssel dazu in seinen Händen hielt.  Schließlich trat Crow in Gottes Haus ein und suchte erst mal den Altar auf. Eine große Heiligenstatue sah auf ihn herab, mit einem Blick, als wüsste sie genau, wer Crow war, was er verbrochen hatte. Alle Engel an den Mauern, dem Hochaltar schienen ihn erschrocken anzustarren. Crow wandte sich von ihnen ab, schämte sich zutiefst. Gleich darauf fiel sein Blick auf die weinende Maria, die ihren toten Sohn im Arm hielt. Schmerzen, so viele Schmerzen hatte er zugefügt, so viel Leid verursacht, nein es war sinnlos noch umzukehren, niemand könnte einem Menschen wie ihm jemals vergeben, kein menschliches Wesen noch ein göttliches. Crow sah sich um, niemand war in der Kirche, keine alte Frau, die für ihre Verstorbenen betete, kein Messner, der die Kerzen am Brennen hielt, aber einer war da, der Mann, den er suchte, Pater Johnson. Crow trat zur Kanzlei, die gleich neben dem Beichtstuhl stand. Pater Johnson war gerade dabei, die Lieder für die nächste Messe auszusuchen. Er trug eine schwarze Robe mit einem weißen Kragen, seine runde Brille glitzerte im Licht und seine Augen huschten über die Seiten, doch plötzlich hielt er Inne und wandte sich der Tür zu. Er erblickte Crow.

„Mein Sohn wieso sagst du denn nicht, dass du wartest?“

„Verzeihung!“ Pater Johnson ging aus der Kanzlei auf Crow zu, der auf den kalten Steinboden stierte. Der Mann warf Crow einen mitfühlenden Blick zu. Ein verlorenes Schaf, das immer wieder nach Hause zurückkehrte und doch auf ewig verloren blieb. Pater Johnson kannte Crow schon so lange. Schon als Teenager, da tauchte er das erste Mal in der Kirche auf. Voller Blut, voller Verletzungen und voller Hass. Hass der gegen die Welt und gegen sich selbst gerichtet war. Eine gequälte Seele, einsam und allein ohne Hoffnung und doch suchte sie Zuflucht in Gottes Haus. Suchte Vergebung dafür, dass sie überhaupt existierte. 

Gäbe es mich nicht, würden sie nicht alle weinen“, hatte Crow damals zu ihm gesagt. 

„Wer weint?“ Die goldenen Augen trafen Pater Johnsons Blick und er war schockiert, wie viel Böses in ihnen zu sehen war.

Na alle…nur wenn sie mich sehen“, lächelte der Junge damals. Einerseits wütend über sich und andererseits zufrieden, dass er solche Macht über andere ausüben konnte. 

Tust du ihnen absichtlich weh?“

Wenn ich’s nicht tun würde, dann würden sie mir weh tun, Pater!“ Pater Johnson seufzte, als er an diese Zeit zurückdachte. So viele Jahre waren vergangen und doch hatte sich nichts geändert. All das Beichten und Beten hatte nichts daran verändert. All das gute Zureden hatte nichts gebracht. Der Junge war nach wie vor anwesend, verborgen hinter dem Körper eines erwachsenen Mannes. 

„Kommst du wieder um, um Vergebung zu bitten?“, sprach Pater Johnson und lächelte fromm. Crow sah auf, schenkte ihm einen verzweifelten Blick.

„Nein Vater, diesmal komme ich, um meine Pflicht zu tun“ Die Augen des Paters weiteten sich, als er dies vernommen hatte. Crow zog einen Wurfstern, der Pater schluckte und führte langsam ein Kreuzzeichen aus.

„Herr vergib’ ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“

 

Kapitel 20

„Alles leer“, sagte Andy und starrte mit traurigem Blick in den Speisesaal des Kinderheimes.

„Sie ist...weg“, murmelte er und seine Augen wurden glasig, als er eine kleine abgebrannte Kerze neben einem Bild von Madame Kalier sah. Schwarze Schleifen waren auf das Bild gebunden worden.

„Einfach weg…“ Misery legte Andy ihre Hand auf die Schulter. Andy seufzte, wischte sich schnell über die

Augen, keine Schwäche zeigen, bloß keine Traurigkeit.

„Wo sind die anderen?“, wollte er schließlich wissen. Misery sah um sich, kein einziges Kind schien hier zu sein, plötzlich hörte man ein dumpfes Geräusch, das aus den oberen Stockwerken zu kommen schien.

„Was war das?“, flüsterte Misery erschrocken.

„Keine Ahnung, lass uns nachsehen“, antwortete Andy ihr in derselben Lautstärke und sie schlichen die Treppen hoch.

„Andy…bist du das?“, ein Junge sah Andy verwundert an. Er sah schrecklich aus, als hätte man ihn verprügelt.

„Das ist dein echter Name…du heißt Andy?“, fragte Misery nach.

„Ich ähm…“

„Was machst du denn hier?“ Andy war mit der Situation überfordert, er hatte keine Ausrede parat, eigentlich hatte er gedacht, er könnte gleich mit Madame Kalier alles besprechen. Konnte er ahnen, dass sie verstorben war?

„Was ist da oben los?“, erkundigte sich Andy, ohne auf den Jungen, noch auf Misery einzugehen. Diese Frage verursachte, dass die Augen des Knaben größer wurden.

„G…gar nichts…e…es ist nichts los“, stotterte der Halbwüchsige. Misery warf ihre Stirn in Falten. Wieder konnte man das Geräusch, das Poltern vernehmen.

„Lass mich vorbei!“, herrschte Andy, der Junge gehorchte ihm. Andy trabte die Stufen weiter hinauf, dicht gefolgt von Misery. Ein kleines Mädchen hockte vor einer Zimmertür, die Augen starr auf den Boden gerichtet, sie umklammerte ihre Knie und wisperte etwas vor sich hin. Andy kannte dieses Verhalten. Die Kinder in dem furchtbaren Waisenhaus, manche hatten sich auch so benommen. 

„Hey…alles in Ordnung?“

„Bitte nicht…nicht wieder anfassen!“ Andy wich vor dem Mädchen zurück, dass hysterisch angefangen zu schreien. Sein Herz klopfte.

„Kann ich Ihnen in irgendeiner Weise behilflich sein?“ Andy horchte auf, diese Stimme hatte er schon einmal gehört. Er wirbelte herum, genauso wie Misery.

„Ähm, wir wollten uns bloß…umsehen“, Misery grinste dümmlich. Die Frau musterte sie unbeeindruckt. Andy starrte sie mit offenem Mund an. Er erkannte sie wieder. Sie war eine der Heimleiter gewesen. Eine von denen, die die Kinder auf den Dachboden verbannt hatten. Was machte sie hier, was ging hier vor?

„Ach…suchen Sie etwas Bestimmtes?“, wollte die Dame wissen, sie schien Andy nicht zu wieder zu erkennen. Damals war sie jünger gewesen. Die Zeit hatte ihre Spuren an ihr hinterlassen. Ihre Augen waren umgeben von Krähenfüßen, das Gesicht faltig. 

„Wie?“, entgegnete Misery, da Andy kein Wort hervorbrachte. Er schien wie eingefroren. Diese Frau sie ließ ihn die Hilflosigkeit in ihm wiederaufleben, die Angst die er damals hatte. 

„Mehr europäisch oder asiatisch?“

„Öhm“, Misery wusste nicht was sie sagen sollte, sie gab Andy einen Stoß.

„Wie hätten Sie es denn gerne?“ Misery warf der Dame einen skeptischen Blick zu. Die Frau hob die Augenbrauen, als ihr niemand Auskunft gab.

„Wollen Sie zusehen oder auch selbst tätig werden, letzteres kostet natürlich mehr, Sie verstehen!“

„Mo…Moment mal, Lady. Worum geht es jetzt überhaupt…gibt es hier noch Kinder oder ist das hier ein

Bordell geworden?“

„Natürlich ist es hier ein Bordell…wir bieten von acht Jahren aufwärts alles an!“ Plötzlich lachte Andy trocken auf. 

„Ich…ich glaub das einfach nicht“, sagte er. 

„Ganz ruhig, Andy!“, versuchte Misery ihn zu beruhigen. 

„Ich will eine Blonde, zirka so groß“, sagte Andy plötzlich ungerührt und zeigte die ungefähre Größe, die er sich erwartete.

„Ich habe da genau das Richtige für Sie, aber im Moment wird sie benutzt!“ Andys Augen funkelten gefährlich, er packte die Frau und zog sie dicht an sich heran.

„Red nicht so, als wäre sie ein Ding, das man bloß… benutzt!“, knurrte er.

„Ich will sie jetzt haben!“, er ließ von der Frau ab, die erschrocken ihre Brille abermals zu Recht rückte und sich nervös über die Haare strich.

„Ich…ich seh Mal nach…ob…“, sie unterbrach sich und trippelte auf ein Zimmer zu. Sie klopfte leicht an.

„Sir…sind Sie schon…“

„Verschwinden Sie!“, tönte es aus dem Zimmer. Die Dame kam auf Andy zu, wollte ihm erklären, dass es im Moment nicht möglich war, doch Andy stürmte an ihr vorbei und rannte die Tür ein. Das Bild das er sah, ekelte ihn an, er packte den dicklichen Mann, wollte ihn umbringen, ihm sämtliche Knochen brechen nur dafür, dass er Michelle nur ein einziges Mal, mit seinen schmutzigen Fingern, berührt hatte, dass er sie mit seinen lüsternen Augen angesehen hatte. Er schlug dem Mann ins Gesicht.

„Du Drecksack…du perverses Schwein!“, brüllte Andy erzürnt, drosch dem Mann ins Gesicht, trat ihn.

„Andy…Andy hör auf…hör auf!“, plärrte Michelle. Sie zitterte erbärmlich. In der Art, wie sich Andy gerade fühlte, musste sich auch Crow gefühlt haben. Er sann nur auf Rache, auf Vergeltung, was dieser Mann Michelle angetan hatte, seiner lieben, kleinen Michelle.

„W…was wollen Sie denn?“, stammelte der Mann, den Mund voller Blut.

„Dass du stirbst…verrecke, Fettsack!“ Andy kickte gegen den Kopf des Mannes, sodass dieser schnell auf die Seite gedreht wurde. Ein unheilvolles Knacken war zu hören.

„Oh mein Gott…sein Genick“, flüsterte Misery. Andy grinste irre, er atmete schnell, er fühlte sich gut, wunderbar, hervorragend, der Kerl würde keinem Kind mehr so etwas antun. Dieses Gefühl, ja, genau so musste sich Crow gefühlt haben, exakt so. Andy wandte sich Michelle zu, die es ängstlich schüttelte. Die blauen Augen musterten Andy geschockt.

„Andy…Andy“, schluchzte sie völlig verstört. Andy atmete stoßartig. 

„Ich musste das tun…ich…wollte es doch…“

***

„Ich wollte nur Liebe…nur eine Umarmung, nur ein nettes Wort hätte genügt, aber du hast es mir nie gegeben. Und nun wunderst du dich, dass ich so geworden bin, du fragst warum ich dir Schmerzen zu füge, das wagst du zu fragen? Du weißt die Antwort doch schon längst!“

Ein einziger Schnitt und Nightmare fuhr vor Schreck hoch. Diese Träume, diese schrecklichen Träume, warum ließ ihn seine Mutter nicht endlich in Ruhe, selbst jetzt noch, wo sie schon so lange unter der Erde lag, suchte sie ihn ständig Heim. Sie war schon immer ein böser Geist gewesen, ein böser Dämon, ein böser Mensch. Trotz der Schläge, trotz der Erniedrigungen, trotz dem Hass, den sie ihrem Sohn entgegengebracht hatte, hatte sich Nightmare nichts Anderes gewünscht, als von ihr akzeptiert zu werden. Sie schickte ihn zu Arbeiten, die selbst einen kräftigen, gesunden jungen Mann, zu Tode erschöpft hätte, er bekam nie genug zu essen, obwohl er doch das Geld nach Hause brachte. Sie war angewidert von ihm. Sie hasste sein engelsgleiches Aussehen, die weißblonden Haare, die helle Haut und die roten Augen. Sie färbte sein Haar schwarz und zwang ihn Kontaktlinsen zu tragen. Seine Mutter ließ ihre Wut an ihm aus, weil der Vater sie verlassen hatte, darum mochte sie ihren Sohn nicht, denn er war auch der Sohn dieses Mannes, der sie in Stich gelassen hatte. Dieser Mann hatte eine Frau zurückgelassen, eine gebrochene Frau, aber was konnte Nightmare dafür, was konnte er dafür, dass er geboren wurde, dass er lebte, dass er atmete, wie jedes andere Lebewesen auch? Womit hatte er eine solche Abscheu verdient, solchen Hass?

Mutter, warum liebst du mich nicht?“

„Weil du schlecht bist, schlecht und dumm!“ War er wirklich solch Abschaum, wie es seine Mutter so oft behauptet hatte? Mittlerweile vielleicht, aber damals war er doch ein kleines Kind gewesen, ein naiver Junge, der glaubte, er könne seine Mutter mit Anstrengung, Fleiß beeindrucken, sie dazu bewegen ihm wenigstens einmal ein Lächeln zu schenken.

Mutter, warum hasst du mich?“

Weil du böse bist, ein kleiner böser Teufelsbraten!“ Einmal war ihm eine Vase hinuntergestürzt, ein einziges Mal und seit diesem Tag an, war es Nightmare vorgekommen, als würde seine Mutter ihn noch mehr verfluchen. Es war ein Versehen gewesen und dennoch war er für sie ein Teufelsbraten, unerziehbar, hoffnungslos.

Mutter, warum schlägst du mich?“

Weil du es anders nicht verstehst, nicht lernst!“ Und wie er es gelernt hätte, Züchtigung hatte er genug bekommen, aber was war mit Belohnung, ein Lächeln, ein liebes Wort, eine Berührung, die nicht gewaltsam war, wann verdiente man sich dies. Er schuftete, versuchte alles, um ihr zu gefallen, aber sie sah ihn nicht einmal an, wie sollte sie dann seine Bemühungen schätzen, wenn sie ihn nicht sah. Bald schon hatte er es verstanden, dass es keinen Sinn hatte, dass sie ihn nie mögen würde, er lebte einfach, im Schatten der Nacht, wurde gefühllos, erkaltete. Er verletzte andere Menschen in seinem Umfeld. Quälte sie, war sadistisch und alle fürchteten ihn. Ein abgewiesener, missverstandener Jugendlicher. Seine Grausamkeit und Zerstörungswut, ein innerlicher Aufschrei. Er wollte doch den anderen eigentlich nichts antun, nur einer Person wollte er schaden, nur einer einzigen. Doch in ihrer Gegenwart war er mut-und kraftlos. Eingeschüchtert von ihrer Dominanz, ihrem Hass. Stattdessen mussten andere leiden und sie mussten sterben.

Doch eines nachts war es soweit, so oft hatte er diesen Augenblick durchgespielt, so oft inszeniert und so erhofft. Es war Zeit alles zu beenden. Vor seinen Augen spielte sich alles noch einmal ab, immer und immer wieder.

Mutter es wird Zeit…Zeit für dich zu gehen!“ Wie sehr genoss er die Angst in ihren Augen. Sie nahm ihn anders wahr als früher, nein sie nahm ihn endlich wahr.  

Schenk mir nur einmal ein Lächeln!“, sprach er während er sie niedergedrückt hatte und ihr das Lächeln, das er sich immer von ihr gewünscht hatte ins Fleisch schnitt. Ein Lächeln für die Ewigkeit, eines, das niemals vergehen würde und es galt für alle Zeiten nur ihm.

Liebe Mutter…LIEBE MICH!“

 ***

„Was…hast du…gesagt?“, presste Andy zwischen seinen Lippen hervor. Michelle warf Andy einen verschreckten, schmerzerfüllten Blick zu. Andy bebte vor Zorn.

„Was hast du gesagt?“, plärrte er, Michelle zuckte zusammen.

„Oh mein Gott, was haben Sie denn…“

„Schnauze!“, herrschte Andy, was die Frau sogleich zum Schweigen brachte, die in den Raum getreten war und entgeistert auf den Toten gestarrt hatte. Andy fühlte einen stechenden Schmerz in der Brust, Übelkeit, Hass. Er trat auf Michelle zu, kniete sich vor dem zitternden, entblößten Mädchen nieder.

„Warum hast du…“, setzte er an und umfasste Michelles zarten Hals.

„Das gesagt?“, fuhr er flüsternd fort. Die Kleine rang verzweifelt um Luft. Sie konnte sich aus Andys Griff nicht entwinden. Ein hilfesuchender Blick traf Miserys, die ihre Augen allerdings schnell abwandte. Tränen rannen Michelle über ihre Wange, sie versuchte plötzlich nicht mehr sich zu befreien. Sie umfasste Andys Hände langsam und drückte sie, als wolle sie, dass er fester zupackte. Sie sah ihm in die Augen, es befand sich keine Liebe mehr für sie. Nur Wut und Hass. 

„Fester“, hauchte sie. Sie würde das alles nicht vergessen, diese schrecklichen Dinge, die passiert waren. Genau rechtzeitig, als alles bereits für Michelle verloren schien, preschte eine zerzauste, dreckige Cat in den Raum.

„Andy!“, rief sie entrüstet und gab Andy einen Klaps auf seinen Hinterkopf. Der junge Mann wandte sich um, lockerte den Griff ein wenig.

„Cat?“, rief Misery verwirrt.

„Du liebst sie doch, sie liebt dich und sie ist noch klein…du willst doch kein kleines Kind töten!“ Über Andys Lippen huschte ein irres Lächeln.

„Einmal ist keinmal!“ Er packte abermals zu, wollte, dass Michelle endlich starb, sie sollte büßen für ihre Worte.

„Mal daran gedacht, dass man es ihr eingetrichtert…eingeprügelt hat, solche Dinge zu sagen? Nur ein einziges Mal daran gedacht, hä?“ Andy sah wieder zu Cat, man sah dem Mädchen ihren Zorn an.

„Du bist nicht Crow! Vielleicht bereut er es nicht seine Schwester getötet zu haben, aber du wirst es…ja du wirst und wie du es wirst, du Dummkopf! Lass sie los, verdammt!“ Cat hatte hysterisch gebrüllt, Andy legte seinen Kopf schief, schien nachzudenken, was Cat abermals aus der Haut fahren ließ und sie wetterte:

„LASS SIE LOS!“ Ganz langsam löste Andy seinen Griff, seine Hand sank auf den staubigen Boden. Michelle röchelte erbärmlich und begann zu husten.

 Michelle?“, Andy sah dem Mädchen in ihre verweinten Augen.

„Andy?“, entgegnete Michelle mit zittriger Stimme.

„Töte mich…oh bitte töte mich!“, schrie sie plötzlich. Andy schüttelte langsam den Kopf. 

„Ich werde das nicht vergessen…ich kann damit nicht leben…ich will nicht damit leben!“ Cat nahm Michelle rasch in den Arm. 

„Ganz ruhig, Michelle!“, sprach sie.

„Die Zeit heilt alle Wunden…es bleiben zwar Narben…aber die Wunden heilen.“ 

„Es tut mir leid“, murmelte Andy, der sich aufgerichtet hatte und langsam rückwärts stieg. Michelle fing bitterlich an zu weinen, vergrub ihr Gesicht in Cats Schulter. 

„Zieht ihr etwas an, während ich noch etwas…erledige“, erklärte Andy, seine Muskeln waren völlig angespannt. Er hatte nur ein Ziel auf das er zusteuerte ohne Cat und Misery zu registrieren. Als er an der Frau vorbei schritt zog er diese mit sich hinaus aus dem Raum.

„Bitte…ich mache doch nur…nur meinen Job“, bettelte die Frau in ihrer Todesangst.

„Was für ein dreckiger Job, den du hast! Kleine Kinder, was…die kannst du rumstoßen, die kannst du verprügeln nicht?“ Andy starrte der Frau in ihre verängstigten Augen.

„Jetzt bin ich aber stärker geworden…diesmal laufe ich nicht davon…diesmal nicht!“ Er stieß die Frau zu Boden. Sie bebte am ganzen Körper. 

„Wie viele Benutzer gibt es im Augenblick?“, fragte Andy scharf.

„S…sechs“, erwiderte die Dame mit zittriger Stimme Auf Andys Lippen lag ein verrücktes Lächeln.

„Sieben auf einen Streich“

„N…nein ich sagte doch…es s…sind sechs“, entgegnete die Dame verwirrt. Andy warf ihr einen mitleidigen Blick zu.

„Aber mit dir…sieben!“

„Ganz ruhig…alles wird wieder gut…ja alles…“ Cat hielt Michelle in ihren Armen und wiegte das schluchzende Mädchen hin und her. Michelle hatte sich ihr Kleidchen übergestreift, nachdem Andy verschwunden war.

„Was macht er denn?“, ragte Michelle wimmernd, als sie Schreie vernahm.

„Ähm…na ja“, Cat grinste dümmlich.

„Wieso schreien sie so laut? Tötet er sie, wie den Mann?“

„Wer schreit? Ich höre nichts…hörst du etwa was, Misery?“ Cat warf Misery einen erwartungsvollen Blick zu. Diese lächelte verlegen.

„Nein nichts!“

„Aber ich hö…“ Cat hielt Michelle den Mund zu, wiegte sie heftiger und sang:

„Wer wohnt in ner Ananas ganz tief im Meer?“ Cat nahm ihre Hand von Michelles Mund.

„Na, wer wohnt denn dort?“, fragte Cat breit lächelnd. Michelle zuckte die Schultern.

„Ach komm…du weißt es…“

„Ähm… Boris Becker?“ Cat hob die Augenbrauen.

„Ja…Boris Becker…genau“ Michelle lächelte plötzlich, sie schien sich darüber zu freuen, dass sie eine richtige Antwort gewusst hatte.

„Siebene auf einen Streich!“, Andy erschien wieder im Zimmer und hatte diese Textpassage mit einer Melodie vertont. Er schritt auf Cat und Michelle zu, die am Boden saßen. Er hockte sich vor den beiden hin.

„Michelle“, flötete Andy, er war blutbesprenkelt und grinste breit.

„J-ja?“, Michelle war es unangenehm, dass sie Andy so anstarrte und sie klammerte sich stärker an Cat.

„Süße, kleine…liebe, nette… Michelle…“ Andy schien völlig durch geknallt zu sein, er streichelte Michelles Wange, sie schluckte langsam. Cat starrte Andy mit großen Augen an. Schlagartig erhob sich Andy.

„Bis dann“, murmelte er abwesend und verließ das Zimmer.

„Andy war…“, aber Cat gebot Michelle zu schweigen.

„Lass ihn…lass ihn gehen“, sagte Cat.

„Jetzt braucht er ein bisschen Zeit für sich. Zum Nachdenken, zum Überlegen…“

„Ich hätte nie gedacht, dass er so etwas tun würde, dass er so reagieren könnte, er war doch immer so…ruhig und nett“, bemerkte Misery. Cat zuckte mit den Schultern.

„Tja“, setzte sie an und sah zur Tür.

„Stille Wasser sind tief!“

 

 

Kapitel 21

 

„Guten Abend!" Sandman unterbrach sein Tun, als er die Frauenstimme vernahm. 

„Chantal... was verschafft mir die Ehre?" Die blonde Frau lächelte verschmitzt.  

„Ach, ich dachte, der alte Mann würde ein wenig Gesellschaft benötigen?" Sandman beobachtete Chantal dabei, als sie aus dem Fenster sah und ihren Blick über die Stadt streifen ließ. Die Sonne war gerade am Untergehen und hüllte die Stadt in ein merkwürdig diffuses Licht. Man hatte von Sandmans Büro aus einen atemberaubende Aussicht. 

„Eigentlich hatte ich vor gerade zu gehen", sprach Sandman und gähnte. Chantal sah weiterhin auf die Straßen und Häuser hinab. 

„Du hast schon wieder eine deiner Schachfiguren verloren", sagte sie. 

„Was meinst du damit?" 

„Oh, Alterchen! Du kennst doch die Spielregeln?" Immer noch bewegte sie sich keinen Schritt, sie beobachtete die Autos auf der Hauptstraße.

„Du meinst Crow, nicht wahr?" Chantal wandte sich um und sah Sandman fest in die grauen Augen.

„Ja, ganz genau", lächelte sie böse.

„Crow hat den Auftrag ausgeführt... es gibt keinen Grund ihn zu beseitigen!" 

„Und das Veilchen?" Sandman lachte auf. 

„Das hat doch nichts mit der Wette zu tun!" 

„Ich finde allerdings schon!" Sandmans Augen wurden daraufhin zu Schlitzen. 

„Hör zu, Frauchen! Ich beseitige meine Krähe nicht wegen solchen Kindereien! Ich weiß, dass du ihm K.O. Tropfen in den Drink gekippt hast, ansonsten wäre dir das niemals gelungen, als ob sich Crow von so einem Weibchen, wie dir verprügeln lassen würde!" Chantal kicherte.

„Ja, ja erwischt, natürlich habe ich mich hilfreicher Tricks bedient... aber deine Krähe hätte nicht so unvorsichtig sein sollen... nicht so geil darauf mich flach zu legen, von daher, bin ich doch strikt für die Einhaltung der Spielregeln!" 

„Und ich bin strikt dagegen... kann es sein, dass du dich vor ihm fürchtest? Oder warum versuchst du solche faulen Tricks?" Chantal hatte wahrscheinlich nicht umsonst einen Auftrag abgewartet, der nur eine Zielperson beinhaltete. Crow bei seinen Massenmorden in die Quere zu kommen war reiner Selbstmord. Schlicht und ergreifend ein Ding der Unmöglichkeit, ihm dort überlegen zu sein. Ja, Sandman fiel es wie Schuppen von den Augen, hatte Chantal ihm doch die Information von Charlotte gegeben, diesem Flittchen und Chantal war es, die Crow für den zweiten Auftrag, die Ermordung von Evan Gregory, vorgeschlagen hatte, denn Nightmare stand nicht mehr zur Verfügung. Der Verlust Nightmares, hatte ihn natürlich auch schon schwer getroffen, aber die Beweise waren erdrückend und es war nun eben ein Spiel, zu dem er sich bereit erklärt hatte. Irgendwann würde er schon wieder so einen Knaben auftreiben, das hoffte er zumindest, aber Crow aufzugeben, war einfach absurd. Seine Krähe musste er behalten, denn dieses Monster, das ihm folgsam gehorchte, gab ihm erst die Macht, die er besaß. Crow glaubte nur, die Oberschicht wüsste nichts von ihm, aber das tat sie und sie wusste auch, wem dieses grausame Ungetüm gehörte, für wen es meuchelte. Durch den Film, erzitterten nun auch Geschäftsleute der ganzen Welt, vor Sandman. Chantal trat auf Sandman zu. 

„Alterchen, ich frage dich jetzt noch einmal... halten wir die Spielregeln ein, oder nicht?", sprach sie ohne auf Sandmans Worte einzugehen. 

„Du kennst meine Antwort!", entgegnete Sandman.

„Schade... dann brauche ich dich wohl auch nicht mehr", und mit diesen Worten zog sie eine Waffe. Bevor Sandman in irgendeiner Weise reagieren konnte drückte sie ab und die Kugel bohrte sich sogleich in seinen Kopf. Sandman sackte leblos zu Boden. Chantal wischte sich mit einem Taschentuch die Blutsprenkel aus dem Gesicht und stieg danach ungerührt über die Leiche hinweg. 

„Spielverderber!", knurrte sie abfällig und verließ das Büro.

***

Die Schritte hallten an den Wänden wider, langsame Schritte. Das Wasser plätscherte leise, Andy horchte, er hatte gedacht er wäre allein, aber das Geräusch kam immer näher. Ein langes Seufzen war zu vernehmen. Andy verharrte an der glitschigen kalten Wand, des Kanalsystems.

„Ach du…bist es“, sagte Andy und schreckte die Person auf, die in den verschlungenen Gängen herumgeschlichen war.

„Ja…und was machst du hier?“, knurrte Crow gereizt.

„Hm… nachdenken“, antwortete Andy Schulter zuckend. Crow musterte ihn und bemerkte das Blut, das nach wie vor an Andy haftete.

„Wo warst du?“, wollte er schließlich wissen. Andy starrte Luftlöcher.

„Unterwegs“, erwiderte dieser knapp. Crow kam sein Benehmen seltsam vertraut vor, so als würde er einem früheren Ebenbild von sich selbst gegenüberstehen.

„Was hast du gemacht?“, forschte Crow weiter, was Andy dazu bewegte ihn eindringlich anzustarren.

„Hattest du nicht einen Auftrag?“, bemerkte er, ohne auf Crows Frage weiter einzugehen. Crow nickte.

„Ja“, gab er Andy gedehnt Recht.

„Hatte ich“ Andy blinzelte konsequent dreimal.

„Du siehst gar nicht aus, als hättest du getötet!“ Über Crows Gesicht huschte ein unheimliches Lächeln.

„Tatsächlich?“ Andy nickte unsicher.

„Dafür siehst du so aus, als hättest du mehrere auf dem Gewissen.“ Langsam schluckte Andy und stierte wieder zu Boden.

„Ich…verstehe dich…jetzt besser…viel besser.“ Crow lächelte schwach und nickte kaum merkbar.

„Was ist…wollen wir zurückgehen?“, schlug Crow vor und wartete eine Reaktion von Andy ab. Dieser seufzte und machte Anstalten mit Crow die Villa aufzusuchen. Die beiden schlurften nebeneinander her, keiner sprach auch nur ein Wort, jeder schien für sich seine Gedanken zu ordnen.

„Crow?“, Crow horchte auf und sah zu Andy.

„Wenn du und ich…“, Andy stockte.

„Wenn du und ich was?“, hakte Crow scharf nach. Andy räusperte sich.

„Wenn wir beide sterben, wenn wir tot sind…denkst du irgendjemand wird uns vermissen oder sich wünschen, wir wären noch bei ihnen?“ Crow schnaubte verächtlich.

„Blöde Frage, meinst du nicht?“, entgegnete er.

„Kannst du sie beantworten?“ Crow warf Andy einen funkelnden Blick zu.

„Wer wird uns schon vermissen, Engelchen? Mich mit Sicherheit niemand“, zischte Crow. Andy beschloss Crow nicht weiter zu reizen, er hatte sichtlich keine Nerven für Andys melancholische Gedanken. Andy fühlte sich nicht schuldig, was die Morde an den Freiern anbetraf. Zugegeben, er hatte sie grausam getötet, er wollte ihnen so viel Schmerzen wie möglich beibringen, bevor er sie krepieren ließ. Einer der Freier hatte ihn besonders wütend gemacht. Dieser hatte sich nämlich zwei Kinder gewählt, einen Jungen und ein Mädchen und er gab Befehle und sie mussten tun, was er von ihnen verlangte, Zwar hatte er sie nicht berührt, aber er hatte von ihnen Widerliches verlangt, Perverses, Abartiges und er hat dabei zugesehen. Und so scheußlich wie er sich benommen hatte, so hatte ihn Andy sterben lassen. Die Tatsache, dass Andy die beiden Kinder gekannt hatte, war nur mehr das Tüpfelchen auf dem I gewesen. Sie würden sich bestimmt nie wieder an den ruhigen, hilfsbereiten Jungen erinnern, wenn sie an ihn dachten, sondern an einen Kerl der einen Mann gezwungen hatte sich selbst zu verwunden.

Jetzt sehe ich dir zu, wie du dich selbst verstümmelst…wie findest du das?“ Unwillkürlich grinste Andy und als er dies bemerkte, ekelte er sich vor sich selbst. War er wirklich so ein kranker Psychopath, dass ihm diese Worte, Gedanken, Erinnerungen, fröhlich stimmten? Er dachte an Michelles Worte. Spürte wieder ihre Hände, die ihn aufgefordert hatten fester zu zudrücken. Sie wollte sterben, hat sie gesagt. Sie wollte alles vergessen. Wer wusste schon, wie lange das Kind schon missbraucht worden war. Zu welchen Dingen man sie gezwungen hatte. Diese Welt war grauenhaft, abscheulich. Und er? Er wollte sie töten, obwohl sie seine Schulter zum Ausweinen gebraucht hätte. Er hätte sie an Stelle von Cat trösten müssen. Stattdessen ließ er seinen Zorn an ihr aus, obwohl sie schon so viel mitgemacht hatte. Obwohl sie nicht einmal die geringste Schuld traf. Sie war nur ein Kind in einem furchtbaren Leben, das nichts Schönes für sie bereithielt.

Crow und er erreichten schließlich den geheimen Eingang zu der Villa. Andy befeuchtete seine Lippen, er wurde immer nervöser, da er vermutete, dass Cat und Misery bereits anwesend waren und ihn wohl zur Rede stellten. Crow schlurfte in voller Montur die Treppen hoch, ohne sich seiner Schuhe oder seinen Waffen zu entledigen, Andy schlich ihm hinterher.

„Hm…außergewöhnlich…“, setzte Crow an.

„Still“, beendete Andy seinen Satz. Sie sahen sich an und gingen schließlich ins Wohnzimmer.

„Niemand da“, stellte Crow fest.

„Crow…Gott…sei Dank!“ Crow fing Misery auf, die auf ihn zu gestolpert war. Eine große Platzwunde an ihrem Kopf war offensichtlich der Grund ihres Schwächeanfalls.

„Misery… was ist passiert?“ Crow versuchte Misery eine Reaktion zu entlocken, aber die junge Frau war in Ohnmacht gefallen.

„Scheiße…was ist hier los verdammt?“, fluchte Crow lautstark, als Andy eine Bewegung im Garten erkannte und er raste los, um den Fremden zu stellen.

„Angel warte!“, brüllte Crow, aber Andy war bereits zur Tür raus und verfolgte eine Person, die einen dunkelblauen Trainingsanzug trug, dessen Kapuze sie sich übergestülpt hatte. Sie preschte in Richtung der Trainingsplätze, Andy erkannte bereits die Umrisse des Parcours.

„Bleib stehn, du Scheißkerl!“, plärrte Andy, aber es war zu erwarten, dass der Fremde darauf nicht eingehen würde.

Währenddessen hatte Crow Misery auf die Couch gelegt und versuchte sie aufzuwecken. Schließlich stöhnte die Frau und zeigte erste Regung.

„Aua“, murmelte sie und griff sich an den Kopf. Crow hatte die Wunde bereits behandelt.

„Crow“, flüsterte Misery und tastete nach Crows Hand.

„Misery was ist passiert?“, wollte Crow wissen. Misery richtete sich vorsichtig auf.

„Ich…ich weiß nicht…“

„Du musst dich doch erinnern, komm schon“, forderte Crow barsch.

„Aber ich…“ Misery versuchte verzweifelt sich zu erinnern, aber es war alles so verschwommen, ihr Schädel brummte, ihr gesamter Körper schmerzte.

„Misery!“, sagte Crow ungeduldig. Tränen rannen unwillkürlich über Miserys Wange und Crow seufzte entnervt.

„Schon gut, beruhig dich…ganz ruhig!“ Crow nahm Misery in den Arm und es schien eine beruhigende Wirkung auf sie zu haben.

„Es tut mir leid“, schluchzte sie.

„Ist nicht so schlimm, du wirst dich schon wieder…“

„Cat!“, unterbrach Misery Crow.

„Cat ist verschwunden…im Waisenhaus…sie war plötzlich weg!“

„Und wie bist du zu der Wunde gekommen?“ Misery atmete schwer, langsam fand die Erinnerung wieder zurück.

„Ich bin zurück ich wollte…jemanden um Hilfe bitten, aber niemand war hier bis auf…“

„Auf wen?“ Crow sah Misery eindringlich an.

„Jemand war hier und hat mich niedergeschlagen!“ Crow erhob sich.

„Du bleibst hier…ruh dich aus…“

„Wo gehst du hin? Crow! Wo gehst du hin?“ Crow wandte sich nicht um, sondern stiefelte zur Villa hinaus.

Keuchend war die Person stehen geblieben und sah sich um, der kleine Junge war nicht mehr hinter ihr her, also hatte sie ihn abgehängt. Langsam und beinahe lautlos ging sie weiter, aufmerksam wie eine Gazelle, auf alles gefasst. Plötzlich wurde ein Wurfstern aus dem Dickicht geschleudert, der Fremde wich geschickt aus.

„Alle Achtung!“ Der Verfolgte sah jemanden aus dem Wald kommen, allerdings war es nicht der Junge. Er starrte der Krähe in die Augen. Crow konnte das Gesicht der Gestalt nicht sehen, da sie eine Clownsmaske trug.

„Was willst du jetzt tun?“, fragte Crow, die Person legte fragend ihren Kopf schief.

„Davonlaufen oder kämpfen?“ Der Clown lachte leise, es klang wie Batmans Joker höchstpersönlich. Blitzschnell zog der Fremde eine Pistole und zielte auf Crow, der sich der Kugel noch um Haaresbreite entziehen konnte.

„Ist dann ja wohl eindeutig“, schnaufte Crow und feuerte drei Wurfsterne auf den Angreifer ab. Dieser konnte sich zwar vor dem ersten retten, der für seine Augen bestimmt gewesen wäre, allerdings streiften ihn einer der beiden anderen rechts an der Seite. Kurze Zeit überkam ihn ein stechender Schmerz, trotz diesem wich er aber elegant dem nächsten Shuriken aus, den Crow für ihn bereitgehalten hatte. Der Fremde wollte auf Crow zielen, der sich als Schutz eine Eiche gewählt hatte, allerdings entwaffnete ihn ein Wurfmesser. Ein rascher Blickwechsel folgte und schließlich stürzten sich beide auf die Pistole. Crow war zwar weiter entfernt gewesen, aber er erreichte durch seine Schnelligkeit die Waffe als erster. Der Clown stolperte zurück, als Crow die Waffe auf ihn richtete. Er lachte wieder belustigt.

„Ich würde mir jetzt Sorgen machen und nicht dämlich grinsen“, meinte Crow. 

„Nimm die Maske ab!“, herrschte er weiter. Der Clown warf den Kopf nach rechts dann schnell nach links. Er machte Anstalten die Maske mit einer übertriebenen Bewegung vom Kopf zu nehmen, als Crows Blick auf die Waffe fiel.

„Das ist doch“, sprach er stutzig.

„Hey Crow!“ Crow sah nur kurz weg, da ihn Andy erschreckt hatte, der gegenüber von ihm aus dem Wald rannte. Der Fremde nutzte die Gelegenheit und preschte davon. Durch die vielen Bäume, war es Crow unmöglich, auf ihn zu zielen, vor allem, weil er mit dieser Pistole nicht umzugehen wusste und erst zu spät, einen Wurfstern bereit hatte. Der Clown war verschwunden.

„Na toll, Weichbirne! Jetzt ist er mir entwischt“, sagte Crow verärgert.

„Entschuldigung“, entgegnete Andy zerknirscht.

„Na ja… auf jeden Fall ist der Fremde nicht so fremd wie es scheint!“ Andy hob verwirrt die Augenbrauen.

„Hä?“

„Seine Waffe“, sagte Crow und warf Andy die Pistole zu, die dieser ungeschickt fing.

„Na und?“

Sieh sie dir genau an“, sagte Crow. Andy verstand nicht, was Crow meinte. Er wusste nicht wonach er suchen sollte.

„Da! Der Vogel, Matschhirn!“ Andy starrte entgeistert in Richtung in die die Gestalt gelaufen war.

„Du meinst…das kann doch nicht sein…“ Crow warf Andy einen ernsten Blick zu.

„Tja entweder hat man sie ihm abgenommen“, setzte er an.

„Oder unser Vögelchen Bird hat ein Mordsproblem!“

***

„Hallo?“

„Hallo…hallo…hallo?“ Nur das Echo gab Cat eine Antwort. Das Mädchen erkannte sofort, dass es sich in einer leeren Fabrikhalle befand, doch konnte sie sich nicht entsinnen, wie sie hierhergekommen war. Cat versuchte aufzustehen, aber ihre Beine gehorchten nicht. Die Angst vor dem Alleinsein und die Ungewissheit, wo sie war, lösten in ihr Panik aus und verzweifelt versuchte sie sich zu erheben, aber ihr Körper reagierte nicht auf ihre Befehle.

„Streng dich nicht an“, hörte sie plötzlich jemanden sagen, der sich aber nicht zu erkennen gab.

„Es hat ohnehin keinen Sinn!“ Cat kam die Stimme so vertraut vor, sie versuchte im fahlen Licht etwas zu erkennen.

„Dreamer?“, fragte Cat überrascht. Eine Neonröhre flackerte auf und Cat sah Dreamer, ebenso reglos an einer Wand sitzend, vor.

„Was machst du hier? Und was mache ich hier?“, rief Cat der Profikillerin zu, die Neonlampe erlosch wieder und hüllte Dreamer in dunkle Schatten.

„Wenn ich das wüsste, Cat…wenn ich es wüsste…“ Cat seufzte. Sie versuchte zu begreifen, was vor sich ging. Was war wirklich der Grund, dass Sandman seine Organisation auflöste? Plötzlich vernahm Cat Schritte. 

„Da kommt jemand“, flüsterte sie, allerdings hatte sie Dreamer bestimmt nicht gehört. Die Neonröhre flackerte.

„Willkommen, ich hab dich erwartet“, sagte jemand, es klang sehr weit entfernt.

„Ja…hier bin ich nun, wer bist du?“ Cat erkannte diese Stimme sofort.

„Nightmare!“, sprach sie und zappelte unruhig, aber er hatte sie wohl kaum gehört.

„Wer ich bin, ist nicht von Bedeutung, aber was ich will schon. Möglicherweise wäre dieser Auftrag so unangenehm, dass du dich weigern würdest ihn auszuführen. Darum habe ich ein kleines, aber feines Druckmittel!“ Im Klang der Stimme des Unbekannten lag ein Hauch von Häme.

„Was meinst du?“, wollte Nightmare wissen. Cat hörte ein Klacken und grelles Neonlicht erfüllte die Halle. Auf einem Stahlsteg stand eine Person, die Cat nicht identifizieren konnte, da sie sich verkleidet hatte, darunter befand sich Nightmare.

„Wenn du deinen Blick nach links richtest…“

„Cat!?“ Nightmare wollte zu dem Mädchen stürmen, aber die Person unterband dies.

„Halt, halt, nicht so voreilig, du solltest mir zuerst zuhören!“ Genervt warf Nightmare seinen Kopf zurück und musterte die Person finster.

„Ich habe den beiden ein Gift injiziert, das sie töten wird, ganz langsam, sie werden nichts dabei spüren, aber sie werden unweigerlich sterben, wenn du nicht meine Befehle ausführst, hast du verstanden? Nur ich habe ein Gegengift, allerdings nur eines, also wird eine der beiden den Kürzeren ziehen und ich kann mir schon denken, wer das sein wird!“ Die Person lachte und sah zu den beiden Vergifteten.

„Tut mir wirklich leid!“, rief sie Cat und Dreamer zu. Dreamer schnaubte abfällig:

„Arschloch!“

„Was willst du?“, fragte Nightmare. Die Person verlor ihre gespielte Freundlichkeit und wurde todernst:

„Ich will sie alle…ich will sie alle tot sehen…“

Kapitel 22

„Ich…versteh das nicht“, murmelte Crow vor sich hin, während er und Andy die Spuren des vermeintlichen Fremden nachstellten.

„Es ergibt…“ Plötzlich rastete Crow völlig aus und schleuderte die Waffe wütend gegen einen Baum.

„Keinen Sinn“, brüllte er und schnaubte entrüstet. Andy sagte kein Wort, er starrte auf die Waffe, deren Lauf eine Delle hatte, ging hin, um sie aufzuheben und sie zu mustern.

„Eine Fälschung…vielleicht?“, meinte er und betrachtete den Vogel ganz genau.

„Wie will man so was fälschen, hä?“, wollte Crow wissen.

„Hat nicht Cat, die Waffen graviert?“, fragte Andy und Crow nickte bejahend.

„Eben, sie versteckt in ihrer Gravur ihre Initialen, hier…“ Andy zog sein Schwert.

„Da in den Flügelstrichen ist Cat eingraviert, man würde es wohl nicht erkennen, wenn man es nicht wüsste!“ Crow runzelte die Stirn und inspizierte sogleich einen seiner Shuriken. Auch in der Krähe im Mittelteil konnte er Cats Initialen finden, zwar nicht gleich auf den ersten Blick, aber man konnte sie sehen.

„Hm ist mir noch nie aufgefallen“, brummte Crow. Andy rollte mit den Augen, das war ihm bewusst gewesen, dass Crow so was nicht mitbekommen würde.

„Auf dieser Waffe, kann ich es aber nicht finden!“

„Zeig mal“, herrschte Crow und entriss Andy die Pistole.

Er verzog den Mund: „C...Cat, es ist seine Waffe!“

„Aber vielleicht hat man sie ihm abgenommen und dieser jemand will uns nur Glauben machen, dass Bird dahinter steckt“, stellte Andy fest.

„Und wozu?“

„Womöglich…“, Andy seufzte, er fand doch selbst schwer eine Erklärung für das, was sich hier zu trug. 

„Damit wir uns selber umbringen!“ Crows Augen funkelten, Andy wusste bereits was er fragen würde.

„Und wozu?“ 

„Oh Mann, Crow…ich hab keine Ahnung“, Andy kratzte sich nachdenklich am Kopf.

„Hör mal, vielleicht sollten wir zur Villa zurück und einen Kriegsrat abhalten…uns vorbereiten, damit wir nicht andauernd überrascht werden!“ Andy nickte und die beiden machten sich auf den Weg zurück zum Herrschaftsgebäude. Schlagartig fühlte sich Andy unglaublich schlapp und ausgelaugt. Er wusste nicht einmal, wann er das letzte Mal geschlafen hatte. Crow sah nicht minder erschöpft aus, aber er machte dabei noch eine gute Figur.

„Welchen Auftrag hast du bekommen?“, wollte Andy wissen, Crow antwortete nicht.

„Crow?“, hakte Andy nach.

„Was?“, bellte Crow genervt. Andy schluckte.

„Ähm…d-dein Auftrag…“, stotterte Andy worauf er sich sogleich unterbrach.

„Nichts sonderlich Aufregendes“, brummelte Crow. Andy verstand, dass Crow offenbar keine Lust hatte mit ihm darüber zu sprechen. Sie erreichten die Villa, die gespenstisch vor ihnen lag.

„Weißt du…nicht einmal die Hunde sind noch hier, Cat würde ausrasten, wüsste sie, dass Ed sich wieder raus gebuddelt hat“, äußerte Crow, als sie beim Hundezwinger vorübergingen, der sich so leer zeigte, wie die Villa zuvor. Allerdings mussten die Hunde irgendwo am Gelände sein, wahrscheinlich würden sie im Wald Kaninchen jagen, oder in Mülleimern nach etwas Fressbarem suchen. Ein langes Seufzen entfuhr Crows Lippen. Ein paar Tage zuvor, war alles noch in Ordnung gewesen, er hatte seine Aufträge ausgeführt und hatte nicht weiter darüber nachgedacht, was am nächsten Tag sein würde. Leben und töten, das war sein Alltag gewesen, mehr nicht und es war so einfach gewesen. Jetzt war alles kompliziert geworden. Er warf Andy einen verstohlenen Blick zu. Andys Auftauchen hatte alles verändert. Irgendwie hatte dieser Junge das alte Konzept umgeworfen, die alten Regeln gab es nicht mehr, woran sollte sich Crow noch orientieren? Seine ganze Lebensphilosophie ergab keinen Sinn mehr und er wurde gezwungen darüber nachzudenken, was er als nächstes tun sollte. Und Crow hasste es, nachzudenken, denn es bedeutete sein Gehirn anders zu benutzen und sich tiefer auf etwas einzulassen, eventuell sogar auf Gefühle zu stoßen. Mitleid, Angst, Crow verabscheute diese Gefühle, nicht umsonst hatte er sie gut verborgen, er hatte vergessen wie man mit dem Herzen dachte, wie man generell dachte. Maschinen konnten nicht denken. Maschinen funktionierten.

„Crow?“, riss ihn Andys Stimme aus seinen verzweigten Gedanken, abartig, er war kurzzeitig doch wirklich Gedanken versunken gewesen.

„Hm?“ Die beiden standen bereits in der Villa. Andy musterte Crow mit großen Augen.

„Misery…sie ist weg!“ Verblüfft schüttelte Crow seinen Kopf.

„Was…wie...wo…“ Er fasste sich an seinen Kopf und sank betreten auf seinen Ohrensessel. Es war eigenartig Crow so verloren zu sehen. Sonst war er immer so stark gewesen, wusste genau was er wollte, wusste was zu tun war, wie er handeln musste. Jetzt schien er vollkommen orientierungslos, wenn nicht sogar verzweifelt.

„Ich…ich möchte, dass es wieder so wird wie früher“, sprach er schließlich und sah zu Andy auf.

„Ich möchte mein altes Leben…ich will nicht grübeln, ich will kein Amateurermittler sein…ich will einfach nur meinen Job machen, verdammt, so wie früher, so wie ich es immer getan habe…sechs beschissene Jahre lang!“ In seinem Zorn musste der Couchtisch dran glauben, der zum Bücherregal flog. Einige Bücher landeten am Boden, darunter auch „Der Herr der Ringe“.

„Stör ich gerade?“ Andy glaubte seinen Ohren nicht zu trauen, als er diese Stimme vernahm. Er sah zum Eingang des Wohnzimmers.

„Wer bist du denn?“, maulte Crow die kleine Person an.

„Michelle?“, hauchte er und traute seinen Augen nicht, als das kleine, blonde Mädchen ihn mit seinen kugelrunden Augen ansah.

„Michelle!“, rief Andy und ging auf sie zu, um sie zu umarmen. Es zerriss Andy beinahe das Herz, als er fühlte, wie Michelle zusammenzuckte. Sie fürchtete sich also vor ihm. Seufzend ließ er von ihr ab.

„Hör mal…ich…es tut mir so wahnsinnig leid…ich…“ Michelle nickte nur und wandte ihren Blick nicht vom Boden ab. In ihren Augen konnte Andy Tränen sehen, die sich anschließend leise, über ihre roten Wangen hinweg, davonstahlen. Crow beobachtete die beiden, die sich nur anschwiegen. Sie konnten sich nicht einmal gegenseitig in die Augen sehen, beide schienen sich abgrundtief für ihre Handlungen zu schämen. Michelle nicht minder als Andy. Sie war gezeichnet, würde niemals wieder dasselbe Mädchen sein, das sie einmal gewesen war. Nie wieder so unbeschwert, nie wieder naiv genug zu glauben, dass das Gute im Menschen siegen könne.

„Ich wollte das niemals sagen, Andy“, schluchzte sie schließlich und versuchte nicht mehr ihre Tränen zu unterdrücken.

„Ich wollte dich nicht böse machen, ich musste das tun, sonst hätten sie mir weh getan...noch viel mehr weh getan! Bitte, hass mich nicht mehr!“ Michelle fiel Andy um den Hals. Nun hatte auch Andy mit den Tränen zu kämpfen.

„Ich habe dich nie gehasst“, flüsterte er ihr zu.

„Aber du…“, setzte sie an.

„Ich weiß…ich…ich war nur wütend auf mich selbst, ich hätte dich beschützen müssen und bevor ich nachdachte, da hab ich dir wehgetan, dafür…dass ich einfach gegangen bin, ohne mich auch nur umzudrehen…ohne dir wirklich gesagt zu haben, wie viel du mir bedeutest!“

„Ja, ja…bla, bla, bla und so fort…was machst du hier, Kleine?“, mischte sich Crow ein, dem diese Gefühlsduselei entschieden zu weit ging.

„Ich bin mit Misery hierhergekommen, sie sagte ich sollte in Cats Zimmer warten und dortbleiben, egal, was ich auch hören würde!“

„Na…verdammt gut befolgt den Rat, nicht?“, meinte Crow sarkastisch.

„Ich hab Andy gehört und…und dachte“, Michelle sah, sich unterbrechend, wieder betroffen zu Boden. Andy warf Crow einen feindseligen Blick zu, den dieser allerdings nicht im Geringsten wahrnahm.

„Michelle hast du irgendetwas gehört? Misery ist nämlich verschwunden, hat sie etwas zu dir gesagt?“ Michelle schüttelte ihren Kopf.

„Ich…ich glaube ein Auto ist vorgefahren…aber ich bin mir nicht sicher“, erzählte sie.

„Die haben sie mitgenommen“, sagte Andy zu Crow gewandt.

„Bleibt nur die Frage, wer sie sind“, entgegnete dieser.

„Was nun?“, wollte Andy schließlich wissen.

„Wir sollten Muffin finden, er ist der Einzige der Kontakt zum Boss hatte, ich denke dieses Sackgesicht weiß bestimmt mehr als wir“, entgegnete Crow.

„Und wo sollen wir ihn finden?“

„Sehn wir mal im Büro nach“, schlug Crow vor und stiefelte den beiden voran in Muffins Reich.

„Hier sieht’s aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen“, stellte Andy fest, als er das Chaos erblickte.

„Sieht ihm gar nicht ähnlich, unserem Sahnetörtchen“, meinte Crow stirnrunzelnd.

„Na dann wollen wir mal, wo könnte er sich jetzt im Moment aufhalten“, Crow durchwühlte einige Stapeln Rechnungen, während Andy in den Dokumentenmappen stöberte. Dort waren auch die Lebensläufe der Profikiller enthalten. Andy musterte das Bild, das von ihm gemacht wurde, als er beim Training vom Dach gestürzt war und ärgerte sich insgeheim über den Fotografen. Er blätterte um und erblickte Nightmare, den er nur selten zu Gesicht bekommen hatte.

Wurde mit starken Abschürfungen und blutverschmierter Kleidung aufgefunden. Hat seine eigene Mutter getötet und sie zerstückelt. Bis auf den verstümmelten Kopf, wurde alles in verschiedenen Behältern im Keller gelagert. Der Kopf zierte als Trophäe über seinem Spiegel.“ Andy räusperte sich.

„Was machst du denn da?“, fragte Crow barsch.

„Öhm nichts“, Andy verstaute die Mappe schnell wieder und suchte weiter nach Anhaltspunkten. Plötzlich hielt Michelle Crow etwas vor die Nase.

„Hab ich gefunden“, sagte sie. Crow nahm es ihr aus der Hand und musterte den Gegenstand.

„Das ist ein Peilsender…also das Teil, das anzeigt, wo sich jemand befindet. Du bist ja doch zu etwas zu gebrauchen, Schätzchen“, Crow tätschelte Michelle den Kopf. Andy sah Crow über die Schulter.

„Hey, guck mal, da bist du und ich…ein kleiner Engel und eine kleine Krähe…wie niedlich!“ Crow verpasste Andy einen Klaps.

„Halts Maul“, fuhr er ihn an. Andy rieb sich die Wange.

„Wir waren hier alle verzeichnet, aber nur du und ich sind zu sehen und…“ Über Crows Gesicht huschte ein finsteres Lächeln. 

„Muffin“ Er steckte das Gerät in seine Hosentasche. 

„Komisch…wo sind die anderen? Und wo verbirgt sich dieser Peilsender?“, fragte Andy und tastete instinktiv seinen Körper ab. 

„Los Engelchen, wir müssen zum Muffinmann!“, rief Crow, ohne auf Andys Worte einzugehen.

„Kann ich mitkommen?“, rief Michelle den übereifrigen Männern hinterher.

„Bist du verrückt? Um mitkommen zu können muss man mindestens so groß sein“, Crow veranschaulichte seine Worte, indem er seine Hand etwas höher als Michelles Kopf hielt.

„Natürlich kannst du mit…hör nicht auf den Blödmann“, sagte Andy. Crow schnaubte und zuckte mit den

Schultern: „Na gut, aber glaub ja nicht, dass ich Babysitter spiele!“

Mit diesen Worten verließ der Trupp die Villa und schlug ein neues Kapitel der Organisation D.E.A.T.H. auf.

 ***

„Crow, wir laufen hier schon ewig rum…wann sind wir denn draußen?“, lamentierte Andy. Sie befanden sich im Tunnelgewölbe und Andy war sich sicher, dass er diesen hässlichen Fleck schon zum hundertsten Mal passierte.

„Hör auf zu jammern, ich muss überlegen, durch welchen Ausgang wir am schnellsten sind!“

„Aber mir tun die Beine weh, ich bin müde!“ Crow stöhnte entnervt.

„Nimm dir mal ein Beispiel an der Kleinen, die sülzt mir nicht die Ohren voll, wie alt bist du noch mal?“

„Zehn“, entgegnete Michelle leise.

„Zehn...sie ist zehn und führt sich nicht auf wie ein Kleinkind“, warf Crow Andy vor, der nur missmutig murrte. Er beobachtete trotzig eine Ratte, die versuchte an der rutschigen Tunnelwand hochzuklettern.

„Wir sollten, den Ausgang 4D nehmen, ich denke dann sollten wir Muffin schnell erreicht haben.“ Crow stolzierte voran und wäre Andy nicht sofort losgezogen, er hätte den jungen Mann aus den Augen verloren. Andy hielt Michelles Hand fest, so als wollte er sie nie wieder loslassen. Michelle war sehr unerschrocken, nicht einen Mucks hatte sie gemacht, als eine Ratte neben ihr ins Wasser stürzte und eifrig mit den kurzen Ärmchen paddelte.

„Dort nach rechts“, sagte Crow, aber er sprach wohl eher mit sich selbst, als mit seinen Gefährten. Nach einiger Zeit erreichten sie eine Gabelung und Crow schien völlig vor den Kopf gestoßen.

„Mist“, wisperte er.

„Wohin jetzt?“, erkundigte sich Andy. Crow schluckte und blinzelte konsequent dreimal.

„Ähm…ich, weiß nicht…ich meine…ich hab gerade keinen Plan.“ Andy hob die Augenbrauen.

„Na toll…und was sollen wir jetzt machen?“

„Nach links…hätten wir nach links gehen sollen…nein, das macht doch keinen Sinn…das war doch richtig“, murmelte Crow vor sich hin.

„Ich glaube wir müssen da lang“, bemerkte Michelle.

„Ach und woher willst du das so genau wissen?“, fragte Crow schnippisch.

„Ich hab’s im Gefühl“, entgegnete Michelle vollkommen ernst.

„Im Gefühl hat sie es…na klar, vertrauen wir mal einer Zehnjährigen!“

„Warum nicht? Wir können ja zurückgehen, sollte es falsch sein“, meinte Andy.

„Pff…na von mir aus!“ Crow watschelte in die, von Michelle, angewiesene Richtung. Andy hörte ihn vorne vor sich hin maulen, wie ein alter Mann, der die Jugend von heute kritisierte. Ein leises „Verdammt“, gab Andy anschließend zu verstehen, dass Michelle wohl oder übel Recht behalten hatte und den richtigen Weg erraten hatte. Ein eigenartiger Geruch machte sich breit. Es roch generell nicht sonderlich angenehm, aber momentan war es kaum auszuhalten, so sehr stank es.

„Uah…was ist das denn?“, fragte Andy, während Michelle sich die Nase zu hielt.

„Riecht wie…“, Crow unterbrach sich, er hatte den Geruch erkannt und erblickte sogleich seinen Ursprung.

„Oh mein Gott“, Andy rannte zu der Leiche.

„D…das ist doch…“

„Sugar…“, beendete Crow seinen Satz. Michelle musterte die Leiche der Frau. Sie war grausig zugerichtet, ihr gesamtes Gesicht zerschnitten, ihre Knochen zertrümmert.

„Ich hab mich schon gefragt…wo sie hingekommen war“, murmelte Crow.

„Sie muss hier schon ewig liegen…sie verwest doch schon, wer…Michelle, sieh weg verdammt!“ Im Moment wusste Andy nicht was er tun sollte, er war vollkommen vor den Kopf gestoßen. Er hatte zwar schon einiges gesehen und miterlebt und dennoch traf Sugars Leiche ihn wie ein Elektroschock, so als würde er zum ersten Mal eine Leiche sehen.

„Es sieht eher aus, als ob sie verätzt worden wäre...so unheimlich schnell verwest niemand...", murmelte Crow.

„Los gehen wir“, befahl er plötzlich.

„Aber“, wollte Andy etwas entgegen bringen, jedoch unterbrach ihn Crow: „ Wir können nichts mehr für sie tun, sie ist tot...ich meine…riechst du das nicht? Herr Gott noch mal!“ Wütend stapfte Crow los, ohne sich ein weiteres Mal umzudrehen. Andy sah in dieser Reaktion nur Crows Art mit seiner Trauer umzugehen. Endlich erreichten sie den Ausgang, Andy atmete auf, er hatte schon das Gefühl, dass die Wände immer näher rückten und den Tunnel immer schmäler machten.

„Wo sind wir?“, fragte Michelle kleinlaut.

„Irgendwo in der Nähe des Citymarket“, antwortete Andy. Sehr hilfreich in Anbetracht dessen, dass sich der Markt direkt auf der gegenüberliegenden Straßenseite befand. Es war eine sehr trostlose Gegend um den Supermarkt, dessen Eingangstüre zu klemmen schien und nicht mehr richtig schloss. Dieser Verkäufer musste sich ja sehr wohl fühlen, vor allem in der Nacht, der Markt hatte vierundzwanzig Stunden geöffnet. Es dämmerte bereits, die ersten unheimlichen Gestalten streunten aus den Seitenstraßen. Eine davon steuerte geradewegs auf Crow zu.

„Hey Mann, hast du mal ein bisschen Kleingeld?“, raunte ihm ein bärtiger Mann der ungeheuer nach Schnaps stank zu.

„Seh ich so aus?“, knurrte Crow und hob seinen Pullover an, der seine Waffen entblößte. Der Mann schluckte.

„Nicht aufregen, war ja nur eine Frage“, grinste er dümmlich.

„Hau ab“, zischte Crow, was der Mann auch tat, so schnell es ihm möglich war.

„Okay wir müssen dort rüber“, erklärte Crow anschließend und verschwand, dicht gefolgt von Andy und Michelle, in eine der engen Gassen, neben dem Supermarkt.

„Hey Crow, was, wenn Muffin…“, Andy stockte.

„Wenn Muffin was?”, wiederholte Crow scharf. Er war stehen geblieben und musterte Andy argwöhnisch.

„Ähm…na ja…wenn er auch tot ist, was machen wir dann?“

„Darüber hab ich noch nicht nachgedacht, Engelchen! Jetzt hoffen wir mal, dass er es nicht ist, okay?“ Crow schien immer verbitterter zu werden. Noch schlechter gelaunt zu sein war wohl kaum möglich.

„Hm…hier müsste er irgendwo sein“, erklärte er. Sie standen vor großen Müllcontainern und einem Haufen Pappkartons, aber Muffin war nicht zu sehen.

„Wo ist dieser verfluchte Kerl?“, ärgerte sich Crow und trat einen alten Ventilator in die Pappkartons. Unerwartet vernahmen alle ein schmerzerfülltes Stöhnen.

„Ein Monster!“, schrie Michelle erschrocken. Aus den Pappkartons hatte sich eine Person erhoben und rieb sich die Beule am Kopf, verursacht durch den Ventilator. Ungläubig musterten Crow und Andy sie.

„Verdammt noch mal, was ist denn mit dir passiert?“, fragte Crow forsch.

„Crow…Angel?“, die Gestalt, die sich als Muffin rausstellte wirkte nicht minder überrascht, wie die anderen beiden Mitglieder der Organisation. Er sah furchtbar aus, seine Haare ragten in sämtliche Richtungen, waren fettig, Dreck und Müll hatten sich in ihnen verfangen. Muffin war gänzlich ungepflegt, seine Bartstoppeln wucherten und kleine Kratzer zierten sein sonst so makelloses Gesicht. Auch trug er für ihn untypische Kleidung. Ein zerfetzter Mantel und viel zu große Hosen, Schuhe besaß er keine mehr.

„W…was macht ihr °hicks° hier?“ Schwankend taumelte Muffin auf die beiden zu.

„Mann…warst du °hicks° schon immer so riesig?“, Crow wich vor Muffin zurück, der wahnsinnig übelriechend war. Ein Gemisch aus Alkohol und Müllhalde. Widerwärtig.

„Na was wohl, wir haben dich überall gesucht…was machst du denn hier?“, äußerte Crow und hielt Muffin auf Abstand.

„°hicks° Na ja…ich…ich musste doch wohin…wo sollte ich auch sonst hin?“, Muffin torkelte nach rechts.

„W…weißt du C…Crow du bist mir v…vielleicht einer,“ Muffin rülpste ungehalten und stolperte auf Crow zu.

Der Betrunkene stützte sich an Crows Schulter ab.

„Du…Teufelskerl °hicks°“ Plötzlich schien es, als ob Muffin kurzzeitig eingenickt war. Er schrak plötzlich hoch und wusste offenbar nicht, wie er an diesen Ort gekommen war.

„W…wie jetzt“, murmelte er verwirrt.

„Muffin“, ermahnte Crow.

„C…Crow…du bist auch da...Mann, bist du gewachsen!“ Andy musste unverfroren schmunzeln, Crow schien jeden Moment auszurasten.

„Mit dem können wir im Moment nicht viel anfangen“, meinte er. Crows Augen funkelten.

„Muffin…was ist in dieser bescheuerten Organisation los?“ Muffin grinste dümmlich.

„Ein Teufelskerl…dieser Crow °hicks°…“ Muffin rutschte ab und stürzte benommen zu Boden.

„Ein Teufelskerl“, flüsterte er und fiel in Ohnmacht.

***

„Spüre keinen Schmerz,

Schwach mein kleines Herz,

In Dunkelheit vermummt,

Bis es bald verstummt“, Cat zitterte, sie fühlte nur Kälte, nichts Anderes. Verzweifelt versuchte sie ihre Hände zu bewegen, wenigstens den kleinen Finger, aber nichts rührte sich.

„Ich will nicht“, hauchte sie.

„Sterben…bitte…beweg dich...beweg dich doch!“ Bald gab sie ihr Vorhaben auf und sah zu Dreamer, die schon lange keinen Laut mehr von sich gegeben hatte.

„Dr…Dreamer?“, das Mädchen lauschte, aber erhielt keine Antwort.

„Dreamer?“, fragte sie erneut in die Stille.

„Mhm“, entgegnete Dreamer ihr schließlich nach einigen Minuten.

„I…ist dir auch…s-so kalt?“, erkundigte sich Cat, sie hätte so gerne ihre Arme, um ihren Körper gelegt, der so erbärmlich fror, obwohl es nicht kalt war. Sie konnte schier fühlen, wie das Gift ihre Organe lähmte, sich immer weiter zu ihrem Herzen vorarbeitete. Es war, als ob ihr das Blut in den Adern gefror und sie konnte nichts, aber auch gar nichts, dagegen unternehmen.

„Mhm“, erwiderte Dreamer, ihr erging es nicht anders wie Cat. Ihre Lippen waren blau, sie war noch bleicher geworden. Das Gift war ihr wohl schon früher injiziert worden.

„Es stimmt g…gar nicht…wir leiden, wir müssen leiden…b-bevor wir“, Cat sprach nicht weiter.

„Mhm“, Dreamer brachte keine anderen Worte mehr zustande.

„Ich…b-bin so müde, ich…“, langsam schlossen sich Cats Augen und sie atmete lange aus, holte aber nicht wieder Luft.

„Na, na…nicht sterben, Kleine!“ Jemand rüttelte Cat wach, die aufschrak. Sie blickte direkt in die Augen einer Clownsmaske.

„Wah“, entfuhr Cat. Die Person hinter der Maske kicherte.

„Wir brauchen dich noch, dein Freund wird ansonsten sauer, wenn du tot bist, bevor er zurückkommt.“ Eine Decke wurde über Cats Körper gelegt. Sie strahlte unheimlich viel Wärme aus und Cat seufzte erleichtert.

„Schön wach bleiben, hörst du?“, mit diesen Worten verschwand die Gestalt wieder so schnell, wie sie aufgetaucht war.

„Dreamer?“ Cat wollte eigentlich nur wissen, ob auch Dreamer eine Decke erhalten hatte, aber kein Laut Drang an ihr Ohr.

„Dreamer!“, rief Cat, doch diesmal konnte sich die junge Frau zu keinem Ton mehr ringen. Nie wieder würde ein Laut über ihre Lippen kommen.

 ***

Es war dunkel geworden. Einige Laternen flackerten auf und hüllten die Straßen in ein gespenstisches Licht. Aus den Gassen drangen Schüsse. Polizeisirenen heulten in weiter Ferne auf. Sherol Brinx starrte auf die verlassene Straße unter ihrem Fenster. Sie befand sich im ersten Stock und hatte ihr Fenster geöffnet, um dem Getöse der Nacht zu lauschen. Sie fürchtete keine Einbrecher oder Mörder, nein, sie war zu alt, um sich zu ängstigen. Von ihrem Fenster aus hatte sie schon einiges gesehen, all diese Szenarien des Grauens hatte sie in ihrem Tagebuch aufgeschrieben, das sie führte, seit sie hier lebte. Und das tat sie seit dem Tage an dem ihr Sohn verschwunden war. Jemand hatte ihn entführt, als er sechs Jahre alt war.

So viele Kinder gab es in den Waisenhäusern und ausgerechnet einer liebenden Mutter musste man es entwenden. Sherol hatte lange nach ihrem Sohn gesucht, jahrelang, auch dann noch, als die Polizei alles Erdenkliche versucht hatte und den Fall zu den Akten legte.

Er ist tot“, haben ihre Freunde gesagt.

Man hat ihn entführt und ermordet“, sprachen sie und wendeten sich anschließend kopfschüttelnd von ihr ab, als sie noch immer fest an seine Rückkehr glaubte. Noch immer wünschte sie sich, ihn zu finden, sie wollte ihn wiedersehen, auch wenn er tot sein sollte, sie könnte ihn wenigstens beerdigen und endlich abschließen, doch so lebte sie in Ungewissheit. Jede Nacht sah sie auf die Straßen, hielt Ausschau, glaubte ihn zu sehen und stellte anschließend traurig fest, dass nur schwarze Schatten ihren Sinnen Streiche spielten, ihre Hoffnung und ihren Glauben in den Dreck zerrten und sich darüber lustig machten. Sie hatte sogar ein Phantombild erstellen lassen, wie ihr Sohn heute aussehen würde. Er müsste nun ungefähr zweiundzwanzig Jahre alt sein. Egal wie er aussah, es war ganz egal, sie würde ihn überall wiedererkennen. Sie wusste genau, wenn sie ihn erblicken würde, sie wüsste es, Mütter spüren so etwas. Es musste ein unvorstellbar schönes Gefühl sein, voller Erleichterung und Freude, seinen einzigen Sohn wieder in die Arme schließen zu können.

Sherol wurde schier aus ihren melancholischen Gedanken gerissen, als jemand die Straße entlang gerannt kam. Die Gestalt huschte durch das Spiel von Licht und Schatten, sie hielt ihren Arm schützend über eine klaffende Wunde an ihrer Seite. Keuchend blieb sie stehen und nahm die Hand weg. Sherol kniff die Augen zusammen, um genauer zu sehen. Die Gestalt, offensichtlich ein junger Mann zog sich schwer atmend und mit unterdrückten Schmerzlauten ein Wurfmesser aus seinem Fleisch. Sherol sah, wie schnell sich seine Brust hob und wieder senkte. Er schien Todesängste auszustehen. Jemand verfolgte ihn.

„Es hat keinen Zweck davon zu laufen“, hörte man eine Stimme, deren Richtung aus der sie drang, nicht zu definieren war. Der junge Mann wirbelte herum, er versuchte den Aufenthaltsort seines Verfolgers zu ermitteln.

„Warum? Warum…bloß, hä?“

„Du willst es gar nicht wissen, Bird!“ Bird sah zu der Gestalt hoch, die sich vor ihm aufbaute.

„So endet es…also…Ironie, hä?“ Bird sah in die roten Augen, die in so mitleidslos musterten. Sherol hielt den Atem an, als der größere der beiden Männer, den kleineren zu Boden warf, seinen Fuß auf dessen Oberkörper stellte und ihm eine Waffe entgegenhielt.

„Ja…blanke Ironie“, entgegnete Nightmare und drückte ohne mit der Wimper zu zucken ab. Bird spuckte Blut, ein letzter verständnisloser Blick traf Nightmares.

„Tut mir leid, aber ich musste das tun“, mit diesen Worten verschwand Nightmare in der Dunkelheit. Sherol lehnte sich weiter aus dem Fenster und betrachtete den jungen Mann, der sich noch in seinen letzten Schmerzen wand.

„Um Himmels Willen“, besann sie sich schließlich und rannte zur Haustür, um so schnell wie möglich die Stufen hinunter zu steigen, nur um diesem Mann zu Hilfe zu eilen. Die Frau riss die Eingangstür auf und stolperte in die Seitenstraße in der sie diese Szenerie mit verfolgt hatte.

„Oh leben Sie noch? Halten Sie durch, ja?“ Sherol öffnete Birds Hemd, der plötzlich ihre zitternde Hand erfasste und sie ansah, als wäre sie ein Geist. Sherol erwiderte den Blick und strich Bird über sein Gesicht. Sie lächelte, Tränen rannen über ihre Wange, ungehalten und ungestüm.

„Mum?“, hauchte Bird. Sie nickte heftig und nahm ihren sterbenden Sohn in ihre Arme.

„Ja, Jake…ich bin es! Oh Gott…“ Tränen sammelten sich in Birds Augen. So lange waren sie getrennt gewesen. Nie im Traum hätte er gedacht sie noch einmal zu sehen. Wie ein Film zog sein Leben an ihm vorbei, er sah, wie er mit diesen Männern ging, wie er somit besiegelte seine Mutter nicht wiederzusehen, erblickte, wie sein Weg ihn in immer tiefere Abgründe führte, aus die er es nicht mehr vermochte rauszukommen. Wie er das Waisenhaus schwer verwundet aufsuchte, nach einer üblen Schlägerei und wie er schließlich der Organisation beitrat, ohne wirklich zu ahnen, was ihn erwarten würde. Der Film riss und seine müden Augen erfassten noch ein letztes Mal das Gesicht seiner Mutter, tränenreich voller Glück ihn wiederzusehen und voller Schmerz, ihn sogleich wieder gehen lassen zu müssen.

„Es…“, setzte Bird an und seine Hand, die die seiner Mutter hielt, wurde immer kraftloser.

„Tut mir leid!“ Jegliches Leben, das sich noch in seinem Körper befunden hatte, entwich. Sherol schüttelte langsam den Kopf und drückte ihren Sohn fest an ihren Leib. Nun konnte sie endlich abschließen, konnte wieder nach oben in ihre Wohnung gehen und voll Zuversicht ihrem Sohn nachfolgen.

***

Nightmare rannte über die Straßen. Es hatte zu regnen begonnen und der Asphalt schien noch schwärzer zu sein, getränkt durch die kühlen Tropfen. Der junge Mann verharrte plötzlich vor einer Kirche, der heilige Christopherus über dem Eingang, der das Jesuskind auf seinen Schultern trug, schien ihn mehr als enttäuscht zu mustern. Nightmare keuchte und sah der Steinskulptur in die leeren Augen.

„Ich musste das tun…versteh doch“, rief er plötzlich der Figur zu.

„Du musst das begreifen, sonst ist sie tot!“ Nightmare sank auf die Marmortreppen.

„Sonst stirbt sie“, flüsterte er. Der Regen prasselte auf ihn herab, die Welt war so düster, viel dunkler als zuvor. Er zitterte, als er seine Hände musterte, Hände, die zum Töten gemacht waren. Warum machte er sich bloß so viele Vorwürfe? Er hatte nie wirklich eine Beziehung zu den anderen Mitgliedern der Organisation, warum fiel es ihm plötzlich so verdammt schwer, einfach das zu tun, das er schon immer gemacht hatte? Morden, eine Zielperson auslöschen. Mehr war es doch nicht. Um Cats Willen musste er die anderen eliminieren und das war gerade der Grund, warum es so schwierig für ihn war. Cat würde nie wollen, dass andere ihretwegen leiden mussten. So ein Mensch war Cat nicht, lieber würde sie sterben, bevor andere ihr Leben lassen mussten, aber das konnte Nightmare nicht zulassen. Er konnte Cat nicht gehen lassen, das könnte er nicht ertragen.

„Warum weinst du?“ Nightmare schrak auf, als neben ihm ein Junge stand, bestimmt nicht älter als dreizehn Jahre. Er trug ein viel zu großes, weißes Hemd, dafür keine Schuhe und seine Augen waren auf den Profikiller gerichtet.

„Ich…ich weine nicht“, entgegnete Nightmare schließlich. Der Junge lächelte spitzbübisch.

„Natürlich nicht“, stimmte er Nightmare zu.

„Was machst du hier draußen, es ist spät?“, sprach der Knabe schließlich. Nightmare warf ihm einen ungläubigen Blick zu.

„Hey, ich bin alt genug, viel interessanter wäre es, was du hier draußen noch machst?“ Der Junge lächelte.

„Ach, ist das so?“ Das Kind verunsicherte Nightmare, es schien zwar jung zu sein, doch in seinen Worten lag so etwas Reifes, das Nightmare einem Kind dessen Alters nicht zugetraut hätte.

„Mein Vater wohnt hier…ich habe dich vom Fenster ausgesehen.“ Mit skeptischen Blick hinterfragte Nightmare die Angaben des Kindes:

„Dort wohnt dein Vater? In der Kirche…ist er Priester oder was?“ Der Junge kicherte.

„So in der Art ja, überrascht?“ Nightmare schüttelte mit dem Kopf.

„Jetzt musst du mir etwas beantworten“, erklärte das Kind, worauf Nightmare ihm wieder in die Augen sah. Unglaublich warmherzige und mitfühlende Augen.

„Warum weinst du?“ Nightmare schnaubte.

„Das ist bloß der Regen“, antwortete er trotzig.

„Es ist keine Schwäche zu weinen und es ist keine Schwäche jemandem zu erzählen, warum man es tut!“

„Woher nimmst du bloß diese Worte?“, wollte Nightmare wissen. Der Junge lächelte selig.

„Mein Vater hat sie mich gelehrt.“

„Ich…mache mir nur Sorgen“, erklärte Nightmare schließlich.

„Worüber?“

„Um einen Freund…“ Nightmare seufzte leise.

„Und dieser Freund bedeutet dir sehr viel, nicht wahr?“ Bejahend nickte Nightmare kurz. Der Junge nickte wissend und verstehend.

„Steckt er in Schwierigkeiten?“

„E…er wird sterben, wenn ich nicht…“, Nightmare unterbrach sich, er konnte doch keinem Kind erzählen, was man ihm aufgetragen hatte.

„Das ist eine zu lange Geschichte“, sagte er stattdessen.

„Ich habe Zeit“, entgegnete der Knabe.

„Es ist nur…ich weiß nicht was ich tun soll, einerseits will ich ihn retten und andererseits…“

„Ja?“

„Andererseits würde sie das niemals wollen…der Preis ihrer Rettung ist zu hoch!“

„Oh, wir sprechen über ein Mädchen!“ Nightmare fuhr sich über das Gesicht.

„Sie wird mich dafür hassen…sie wird mich hassen, wenn ich sie rette, aber ich kann sie nicht einfach sterben lassen.“

„Manchmal muss man das opfern, was man am meisten liebt, um das Richtige zu tun. Auch Gott hat seinen einzigen Sohn geopfert, um die Menschheit zu retten.“ Nightmare standen Tränen in den Augen.

„Das kann ich nicht“, flüsterte er.

„Ich bin nicht…Gott!“ Plötzlich strich ihm der Junge mit der Hand über die Wange.

„Man muss dazu auch nicht Gott sein…such den Pfad, der dich durch die Dunkelheit ins Licht zurückführt!“ Schüsse ließen Nightmare hochschrecken und er wandte seinen Blick vom Jungen ab. Als er sich wieder beruhigte, war das Kind verschwunden.

„Hey…Kleiner?“, aber es antwortete niemand. Nightmare erhob sich und ging die Stufen hoch. Ihm fiel ein Metallschild am Eingangstor auf und er las die Inschrift.

„Diese Kirche ist seit 1945 geschlossen und nur mehr als historisches Monument von außen zu betrachten. Mit sehr verehrten Grüßen Die Stadtverwaltung.“

Nightmare sah hoch zu der Statue des Christopherus. Jesus Christus lächelte ihm zu. Warmherzig und mitfühlend.

***

„Dieser verdammte Blödmann“, Crow rannte nervös auf und ab. Sie befanden sich im Krankenhaus, Muffin hatte eine Alkoholvergiftung und musste eingeliefert werden.

„Dieser dämliche Saufkopf, dieser hirnverbrannte Schluckspecht, dieses abhängige Trinkerschwein!“ Andy und Michelle sahen nur betreten auf den Boden, während Crow seinem Ärger Luft machte.

„Bitte Sir, könnten Sie sich ein wenig mit ihren Ausdrücken zügeln, um die Ecke ist gleich die Kinderabteilung“, bat eine zierliche Krankenschwester, die Crows funkelndem Blick nicht lange standhalten konnte.

„Hören Sie, ich kann sagen was ich will, klar?“, schnaubte Crow und fluchte anschließend ungehalten, aber um eine Spur leiser, weiter. Die Krankenschwester seufzte und schüttelte verständnislos ihren Kopf. Sie wandte sich an die Dame an der Rezeption. Schließlich kam ein Arzt um die Ecke geschnitten, der sogleich von Andy aufgehalten wurde.

„Verzeihen Sie, wissen wie es ihm geht?“ Der Arzt, ein älterer Herr mit einer freundlichen Ausstrahlung, warf Andy einen schiefen Blick zu.

„Junger Mann, wir haben hier ungefähr zweihundert Patienten, wenn Sie wissen wollen, wie es ihm geht, dann müssen Sie sich schon präziser ausdrücken!“

„Er meint den jungen Mann von Zimmer 12A“, mischte sich die Krankenschwester von vorhin ein.

„Ah, der Trinker“, die Miene des Arztes hellte sich auf.

„Ja, ja, alles in bester Ordnung, er ist stabil, wir werden ihn aber zur Beobachtung ein zwei Tage hierbehalten.“

„Können wir ihn sehn?“, wollte Andy wissen.

„Natürlich, aber er ist noch nicht wach!“

„Den bekommen wir schon wach“, brummte Crow und stiefelte auf das Krankenzimmer zu.

„W…warten Sie“, die Krankenschwester trippelte Crow hinterher. Andy seufzte.

„Harter Tag?“, erkundigte sich der Arzt. Andy war überrascht, dass der vielbeschäftigte Mann überhaupt Zeit dazu fand, sich an ihn zu wenden.

„Ähm…ja, ja…ziemlich hart.“ Der Arzt klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter.

„Sie schaffen das schon, Ihrem Freund wird es bald wieder bessergehen, aber er soll die Finger vom Schnaps lassen!“ Andy zwang sich zu einem Lächeln, als der Arzt ihm zuzwinkerte.

„Ich werd’s ihm ausrichten“, entgegnete er. Aufmunternd lächelte der Mann Andy zu.

„Sie packen das schon, egal was Sie bedrückt, nur Mut. Ruhen Sie sich aus, eine gute Nacht wünsche ich!“ Andy schüttelte dem Arzt die Hand und wandte sich anschließend dem Krankenzimmer zu. Michelle war schon vorgegangen und beobachtete, wie die Krankenschwester versuchte Crow daran zu hindern, den Schlafenden auf brutale Weise zu wecken.

„Bitte…Sir…er muss sich…ausruhen“, die kleine Frau hatte sichtliche Probleme Crow von seinem Vorhaben abzuhalten. Sie umklammerte bereits Crows Oberarm.

„Der hat sich lange genug ausgeruht“, zischte Crow und versuchte die Frau abzuschütteln.

„Was macht er denn?“, seufzte Andy und war vom Bild, das sich ihm bot, nicht sonderlich überrascht. Michelle grinste belustigt.

„Sir, ich warne Sie, ich habe hier eine

Beruhigungsspritze und ich werde sie verdammt noch einmal einsetzen!“ Es war merkwürdig eine Frau, mit so einer glockenklaren Stimme, plötzlich so bestimmt fluchen zu hören. Crow musterte die Spritze, die die Krankenschwester ihm vor die Nase hielt, während sie bereits seinen Oberkörper umklammert hatte, sah kurz zu Muffin, sein Blick wurde wieder hasserfüllt, doch bevor er sich entschloss es noch einmal zu versuchen, erfassten seine Augen wieder die Spritze.

„Schon gut“, brummte er abfällig und beruhigte sich unerwartet. Die Krankenschwester atmete auf und richtete ihre Kleidung wieder zu Recht, um sich gleich darauf durch ihre leicht zerzausten Haare zu streichen.

„Vielen Dank“, sprach sie und wandte sich dem Patienten zu, um den Infusionsbehälter zu überprüfen. Crow beobachtete sie einige Zeit, bis er sich umdrehte und Andy anstarrte, als hätte er Schuld daran, dass die Krankenschwester gerade in diesem Augenblick eine Beruhigungsspritze parat hatte.

„Wann wird er denn aufwachen?“, fragte Andy die Krankenschwester, die mit den Schultern zuckte.

„Das ist schwer zu sagen“, gab sie Auskunft. Crow rollte mit den Augen.

„War ja klar…ich hol mir was zu trinken!“ Er stolzierte aus dem Raum.

„Ist er immer so?“, erkundigte sich die Krankenschwester. Andy nickte.

„Mhm…ziemlich anstrengend!“ Die Frau lächelte leicht.

„Oh das hätte ich fast vergessen, Sie haben die Daten Ihres Freundes nicht vollständig eingetragen, einen Moment…“ Die Frau trippelte aus dem Zimmer und kehrte mit einem Klemmbrett zurück.

„Mal sehen, ah ja…weder der Name noch das Geburtsdatum wurde eingetragen und es ist unbekannt, ob er krankenversichert ist!“ Andy schluckte.

„Öhm, tja…wissen Sie so genau kann ich Ihnen das auch nicht sagen…“ Die Krankenschwester warf Andy einen schrägen Blick zu.

„Sie werden doch wissen wie Ihr Freund heißt!“

„Ähm…“ Andy wurde heiß, er wusste nicht was er der Dame antworten sollte.

„Er heißt…ähm…“, stammelte er und konnte der Frau nicht in die Augen sehen.

„Ja?“

„Lukas Murdock geboren am 20.11.1984 und ja ich bin krankenversichert.“ Überrascht sah Andy zum Bett hinüber, Muffin sah sehr müde aus.

„Oh gut, Sie sind aufgewacht“, freute sich die Schwester und begutachtete sogleich den Patienten.

„Wie fühlen Sie sich?“

„G…gut ja, ich bin okay!“ Die Schwester prüfte Muffins Puls und trug etwas auf ihrem Klemmbrett ein.

„Ich lasse Sie dann einmal alleine“, sagte sie schließlich und verließ das Krankenzimmer.

„Was mache ich hier?“, wollte Muffin wissen.

„Du hast zu viel getrunken, Alkoholvergiftung“, erwiderte Andy.

„Oh“, Muffin hielt sich die Stirn. Er hatte rasende Kopfschmerzen.

„Muffin…was ist passiert? Warum bist du verschwunden und warum…“ Muffin unterbrach Andy, indem er die Hand hob.

„Ich fühl mich grade nicht danach irgendetwas zu beantworten!“

„Und ich fühl mich nicht danach ahnungslos zu bleiben!“

„Crow?“ Muffins Augen weiteten sich.

„Ja, oh Verzeihung ich hab den Luftballon und die Blumen vergessen!“ Crow betrat den Raum und stiefelte auf das Bett zu, indem sich Muffin aufgerichtet hatte und sich an die Wand drückte, wie ein aufgescheuchtes Kaninchen. Andy hätte erwartet, dass Crow Muffin am Kragen packen würde und ihm die Informationen regelrecht raus schütteln würde, stattdessen setzte sich der aufbrausende, junge Mann auf das Bett und schien völlig gelassen zu sein.

„Also…ich höre“, sagte Crow mit funkelnden Augen.

„W…was wollt ihr denn hören?“

„Na ja vielleicht mal die Antwort auf die Frage, warum du einfach so auf und davon bist und warum die ganze

Villa leer war?“

„Es…es gab doch nichts mehr, was mich dort gehalten hätte.“ Muffins Blick sank auf die weiße Decke, die ihn umgab.

„Ich habe euch alle enttäuscht und viel schlimmer…ich hab Cat enttäuscht, das hab ich nicht ertragen, ich musste verschwinden! Ich bin los, ohne Ziel, hab mich in eine Bar gesetzt und getrunken…einfach getrunken, alles vergessen und wegschwemmen…“

„Aber wie konntest du einfach so verschwinden? Warum hat dich denn niemand verfolgt?“, wollte Crow wissen.

„Du weißt doch genauso gut wie ich, dass man aus der Organisation nicht einfach so raus kann, auch wenn man nur der Mittlermann ist!“

„Wer hätte mich aufhalten sollen?“ Crow schien verblüfft über diese Frage.

„Na wer wohl…der Boss vielleicht?“ Muffin sah Crow mit großen Augen an.

„Weißt du es denn noch nicht?“

„Was soll ich wissen?“ Die beiden schwiegen sich eine Zeit lang an, bevor Muffin Auskunft gab.

„Er ist tot…Sandman ist tot!“

 

Kapitel 23

 

„Ich denke, sie hält nicht mehr lange durch!“ Die Person mit der Clownsmaske ging auf und ab und beobachtete von ihrem Posten aus, die bedeckte Cat, die schwach hustete.

„Keine Panik, beruhig dich, sie kratzt schon nicht ab“, beschwichtigte eine weitere Person. 

„Nicht? Nicht? Bist du dir da ganz sicher, sieh sie dir an! Wenn der Kerl zurückkommt und dahinterkommt, dass sie hinüber ist, dann er sehr wütend sein …das ist nicht irgendein Typ!“

„Halt dein Maul, Parker, glaubst du ich weiß das nicht?“, wies die andere Person, offenbar eine Frau, den Clown zurecht. 

„Weißt du, der Plan ist doch, dass sie alle sterben, was machst du denn für einen Aufstand, sobald er zurückkommt, knallen wir ihn ab. Uns beide sollte das auch gar nicht interessieren.“ Cat horchte auf. Sie hatte zu gute Ohren, um so etwas zu überhören, sie hatte auch Nightmares Auftrag gehört, wie gerne hätte sie ihn aufgehalten.

„Lass mich sterben“, hätte sie gesagt.

„Beschütz die anderen“, hätte sie ihn gebeten, eine Bitte von ihr hätte er niemals abschlagen können, aber so geschwächt wie sie bereits war, nachdem sie nur kurz seinen Namen gerufen hatte, sie hätte keine weiteren Worte über die Lippen gebracht.

„Ist doch ganz simpel, oder etwa nicht?“ Die Frau kicherte.

„So einfach, so manipulierbar…

unglaublich. Jetzt ist es sogar noch einfacher geworden, indem wir diesen Nightmare auf die anderen ansetzen, haben wir kaum noch Schwierigkeiten, wir machen uns nicht mal die Hände schmutzig!“ Der Clown musterte die Frau, die selbstgefällig grinste.

„Alle gegeneinander ausgespielt…die hässliche Visage hat mir der Typ mit diesem riesigen Zinken beseitigt…er hat mir aus der Hand gefressen. Gegen die Waffen einer Frau, kommt eben keine Pistole an…und er war gar nicht mal so schlecht, wie die Nase eines Mannes…“ Sie grinste und zwinkerte Parker zu. Cat wusste genau über wen die Frau sprach. Sie seufzte schwer. Bird hatte also Sugar getötet, aber wie konnte er das nur tun?

„Es ist so einfach Killer unter Kontrolle zu bekommen, ihnen geht es nur darum selbst am Leben zu bleiben…den meisten zumindest. Und die männlichen Exemplare sind noch leichter zu manipulieren, sie haben doch nur eins im Kopf. Selbst dieser Nightmare, er würde doch nicht so handeln, wenn er die Kleine da unten nicht flachlegen wollte.“ Cat biss sich auf die Unterlippe.

„Das ist…nicht...wahr“, stieß sie hervor, sie würde beben vor Wut, wäre sie nicht außer Gefecht gesetzt.

„Oh…die Madame will sich etwa dazu äußern?“ Cat hörte Schritte, die die Metallstufen hinabstiegen. Cat sah die Frau, die auf sie zu kam.

„Das ist nicht wahr, denkst du? Wie naiv bist du denn?“ Cat sah zu Boden. Die Frau grinste spöttisch.

„Naiv genug, um zu glauben, dass er dich liebt?“ Sie kicherte. Sie kicherte andauernd, und dieses Kichern bohrte sich tief in Cats Herz. Es tat weh.

„Hör mal, ich kann dich wahnsinnig gut leiden, du bist verdammt süß und so, aber ich muss dich leider aufklären. Wie kann man nur denken, dass so ein Mensch lieben kann? Hm? Ich meine, der tötet fast jeden Tag, der zeigt doch kaum Gefühle, das einzige, das ihn steuert sind seine Hormone, die überschwappen, wenn er dich sieht…ich kann’s ihm nicht verübeln, du bist eben niedlich, wie so ein kleines Schulmädchen!“ Die Frau tätschelte Cats Kopf. Am liebsten hätte Cat ihre Hand weggeschlagen. Sie atmete schwer. 

„Das ist…“, sie konnte nicht weitersprechen.

„Oh komm schon, du kannst mir glauben…ich hab Erfahrung, ich weiß, wie Männer sind…ich weiß wie die meisten Menschen sind. Auch wenn manche Fürsorge und Hilfsbereitschaft vorgaukeln, in Wahrheit sind sie trotzdem nur ein mieses Pack, das nur seine eigene Haut retten möchte. Egal wie viel Liebe du ihnen entgegen bringst, egal wie du dich aufopferst, sie werden es nicht schätzen, sie verletzen und kränken dich, egal wie sehr du schuftest“, die Worte der Frau klangen nun so verbittert. Cat hätte gerne gewusst, was ihr wohl widerfahren ist, dass sie solchen Hass gegen die Menschheit hegte.

„Und auch dein Freund…der ist doch derselbe, wirklich schade ist es bloß um dich, meine Süße! Du bist da in irgendetwas rein geraten, wo du gar nicht hingehörst, du leidest wirklich ohne Grund, aber das kann ich nun einmal nicht ändern…“ Die Frau sah Cat in die vorwurfsvollen Augen.

„Wirklich nicht…es tut mir leid, aber das Leben ist nun einmal so… ungerecht…grausam und ungerecht!“ Die Frau wandte sich von Cat ab.

„Und diese Stadt ist ohnehin der größte Schandfleck, den ich je gesehen habe…aber zum Glück…“ Sie warf ihren Kopf über die Schulter um Cat ein glückseliges Lächeln zuzuwerfen.

„Wird es sie nicht mehr lange geben!“

***

Muffin war in ein Zimmer mit einem weiteren Patienten verlegt worden. Es war ein alter Mann, dessen Nase leise vor sich hin pfiff, während er schnarchte. Das EKG an dem der Mann hing piepste monoton. Muffin bekam kein Auge zu. Es war bereits früher Morgen, es dämmerte, man konnte die Umrisse der gegenüberliegenden Häuser erkennen. Crow, Andy und Michelle hatten in einem Motel gleich neben dem

Krankenhaus eingecheckt, um Muffin später abzuholen. Nach einer langen Diskussion mit dem Arzt, hatte Crow seinen Willen durchgesetzt und erreicht, dass er Muffin schon am nächsten Morgen mitnehmen konnte. Muffin seufzte und sah aus dem geöffneten Fenster, auf den Straßen befand sich niemand, keine Menschenseele, es war nun jene Zeit, in der selbst die Verbrechen innehielten. Ein kurzer Moment der absoluten Ruhe. Plötzlich vernahm Muffin das Klicken der Türklinke. Die Tür zum Krankenzimmer öffnete sich lautlos und jemand trat ein, Muffin konnte nur die Umrisse einer Gestalt erkennen, die eindeutig keine Krankenschwester war.

„Du scheinst nicht bequem genug zu liegen“, sagte jemand und Muffin erkannte die Stimme.

„Nightmare…w…was machst du denn hier?“ Nightmare trat an Muffins Bett heran, er hielt ein Kopfkissen in seinen Händen.

„Du solltest schlafen“, raunte Nightmare seinem Gegenüber zu. Bevor Muffin noch irgendetwas sagen konnte, drückte ihm Nightmare das Kopfkissen in sein Gesicht. Muffin bekam keine Luft mehr und er war zu schwach, um sich irgendwie zu wehren. Er versuchte sich zwar aus der Misere zu winden, aber es war vergebens. Ihm wurde schwarz vor Augen, er hatte keine Chance.

Abermals schwang die Tür auf.

„Was machen Sie da?“ Nightmare wirbelte herum, es war die Krankenschwester, die ihn überrascht hatte. Der Killer hatte seinen Griff gelockert und Muffin konnte prustend das Kissen zur Seite schieben.

„Hilfe! Hil…“, Nightmare hielt der Frau ihren Mund zu.

„Scht, ganz ruhig, ja?“ Muffin atmete schwer und musste husten. Die Schwester wurde allerdings gehört, zwei Krankenpfleger kamen angestürmt und trieben Nightmare in die Enge. Noch immer hatte er die Krankenschwester als Geißel schützend vor seinem Körper.

„Hey, mach keinen Blödsinn, Mann“, sagte einer der Pfleger und ging langsam auf Nightmare zu.

„Einen Schritt weiter und ich breche ihr das Genick“, drohte Nightmare. Der Schwester standen Tränen in den Augen.

„Bitte, Sir…tun Sie das nicht“, flüsterte sie. Nightmare schnaubte zornig. Warum musste diese blöde Schwester ausgerechnet in diesem Moment in das Zimmer kommen. Er sah sich flüchtig um, er musste irgendwie hier rauskommen ohne dass er viel Aufsehen erregte. Er konnte nicht fünf Leichen hinterlassen, das war nicht seine Art. Sein Blick fiel auf das offene Fenster. Blitzartig stieß er die Krankenschwester den Pflegern in die Arme. Damit beschäftigt sie aufzufangen konnten somit nicht verhindern, dass Nightmare aus dem Fenster sprang. Gekonnt ergriff er die Feuerleiter und diese ratterte mit ihm zu Boden, den er anschließend sicher erreichte und sich auf und davon machte. Muffin atmete erleichtert auf.

„Ist mit Ihnen alles in Ordnung, Sir?“, erkundigte sich die Krankenschwester mit einem besorgten Unterton.

„J…ja…alles in Ordnung“, entgegnete er. Für ihn war klar, warum Nightmare ihn töten wollte. Es war offensichtlich ein Rachefeldzug gewesen, wegen damals. Muffin ahnte nicht, dass Cats Leben auf dem Spiel stand und Nightmare deshalb so handelte.

***

Währenddessen erreichte Nightmare eine kleine Bar, die noch geöffnet hatte, die er sogleich betrat.

„Verdammt“, fluchte er leise und setzte sich auf einen der demolierten Barhocker. Einige Trunkenbolde saßen an der Theke, zwei von ihnen schliefen bereits. Der Barkeeper stellte schmutzige Gläser wieder in die Regale. Die Bar war sehr heruntergekommen, es roch nach einem Gemisch von Moder, Rauch und Alkohol. Zwei große Kerle spielten Poolbillard, sie hatten Nightmare einen schrägen Blick zugeworfen, als er die Bar betreten hatte.

„Was darf’s sein?“, fragte der Barkeeper und kaute mit offenem Mund seinen Tabak. Er erinnerte an die Wirtsleute aus den Westernfilmen. Fettige Haare, schmutzige Hände.

„Wodka, ein Viertel“, erwiderte Nightmare knapp.  Der Mann spuckte in einen Aschenbecher und griff nach einem der schmutzigen Gläser und nach einer staubigen Flasche Wodka, die noch ein wenig mehr als die Hälfte gefüllt war. Er füllte das Glas bis zum Rand und stellte es unwirsch auf die Theke.

„Macht vier fuchzig“, bellte er. Nightmare klatschte einen Hunderterschein auf den Tresen und leerte kurz darauf das Glas in einem Zug.

„Das reicht wohl für die Flasche oder?“, sprach Nightmare und nickte zum Schein.

„Türlich, Junge!“, entgegnete der Mann. Die Billardspieler starrten Nightmare an, der nun den Rest aus der Flasche runter schüttete.

„Was gibt’s da zu glotzen, hä?“, fuhr Nightmare sie an und die beiden Männer wandten sich wieder ab. Er erhob sich und verließ die Bar. Draußen sah er sich kurz um, nur um sicher zu gehen, dass ihn niemand verfolgt hatte. Nightmare strich sich über sein Gesicht, er war müde. Er hatte die ganze Nacht damit zugebracht die anderen ausfindig zu machen. Er fühlte sich krank, er hätte mit den nassen Klamotten nicht durch diese kühle Nacht wandern sollen, oder lag es doch an dem Auftrag, dass ihm so schlecht war? Am Horizont ging die Sonne auf, zumindest konnte man es annehmen, ein paar vereinzelte Strahlen linsten zwischen den dicken Rauchschwaden der Papierfabrik hervor. Nightmare war verärgert, er hätte so leichtes Spiel gehabt, hätte doch nur nicht diese Krankenschwester dazwischengefunkt. Eigentlich hätte er ihr einfach den Hals wirklich umdrehen sollen, was hätte es schon ausgemacht? Er trottete über die Straße. Schließlich sah er eine Lichtreklametafel eines Motels. „Flamingo Motel“. Auch Killer mussten schlafen, also ging er auf die andere Straßenseite, um sich ein Zimmer zu nehmen. Somit kam er seinen Opfern viel näher, als er es ahnte.

 ***

Michelle war wach geworden. Sie rieb sich verschlafen ihre Augen, ihr Blick fiel auf den kleinen Digitalwecker neben dem Bett. Es war bereits zehn Uhr morgens. Andy und Crow schliefen noch. Michelle verspürte einen unheimlichen Durst und schlüpfte aus dem knarrenden Bett. Sie hatte neben Andy geschlafen, der sich schmatzend umwälzte. Sie blickte zu Crow, der wie ein Stein schlief. Also wenn Steine schlafen würden, dann genauso wie Crow, völlig regungslos, wie tot. Das kleine Mädchen kramte in der Schublade und nahm sich zwei Dollar. Andy hatte dort das Geld verstaut. Michelle tapste zur Tür und öffnete sie lautlos. Der Duft von Pancakes stieg ihr in die Nase, als sie auf den Flur hinausging. Ans Motel grenzte ein kleines Diner und der Duft der aus der Küche strömte verleitete Michelle das Diner aufzusuchen. Sie trabte die schmalen Stufen hinunter und erreichte das Erdgeschoss. Ein Reisebus stand vor der Eingangstür und es schienen hunderte Asiaten herauszuspringen, sie alle waren auf dem Weg ins Diner. Michelle folgte der Masse, doch sobald sie endlich ins Diner hineingelangte, waren alle Plätze besetzt.

„Ach Mist“, seufzte sie. Allerdings konnte sie auch im Stehen etwas trinken. Sie stellte sich also zum Tresen und wartete, aber die vielen Asiaten versperrten ihr den Weg.

„Keinen Platz?“ Michelle wandte sich um und erblickte einen jungen Mann, der sie anlächelte. Sie schüttelte den Kopf auf seine Frage hin.

„Du kannst dich ruhig zu mir setzen!“ Gegenüber von ihm war noch ein Platz frei und Michelle nahm das Angebot vorsichtig lächelnd an.

„Dankeschön“, sagte sie höflich und starrte ihm direkt in seine Augen, die sie in ihren Bann zogen.

„Hast du Hunger?“, wollte der Mann wissen.

„Ähm…ich trinke nur etwas…ich hab nur zwei Dollar“, erwiderte Michelle leise, nach einer kurzen Stille.

„Ach tatsächlich? Ich lade dich ein, was möchtest du?“ Das Mädchen musterte den jungen Mann, er hatte etwas Unheimliches an sich, seine Ausstrahlung war so kühl, deshalb irritierte sie seine Freundlichkeit.

„Pancakes?“, sagte Michelle kleinlaut. Der Mann grinste und erhob sich.

„Milch dazu?“ Michelle nickte zögernd. Der junge Mann ging zur Theke, er war viel größer als alle Asiaten und er konnte seine Bestellung gleich aufgeben. Nach ein paar Minuten kehrte er mit Michelles gewünschtem Frühstück wieder.

„Bitteschön…“, er wartete auf eine Ergänzung von Michelles Seiten.

„Michelle“, stellte sie sich vor.

„Bitteschön Michelle“ Er stellte ihr die duftenden Pancakes vor die Nase. Michelle konnte sich gar nicht daran erinnern, ob sie jemals Pancakes gegessen hatte, aber der Duft kam ihr so vertraut vor und den Geschmack von Milch hatte sie vollkommen vergessen.

„Dankeschön“, nuschelte sie und beinahe hätte sie dabei gesabbert. Dieses Essen war etwas ganz Besonderes für Michelle, sie genoss jeden Bissen und es störte sie auch nicht, dass der Mann sie dabei beobachtete.

Die asiatischen Gäste lachten schallend. Sie schmatzten und rülpsten ungehalten, wie es eben Tradition in ihrer Heimat war. Das zeugte nämlich davon, dass das Essen köstlich war und mundete. Michelle sah über ihre Schulter und musterte kurz den Nebentisch.

„Ist was nicht in Ordnung?“ Schnell schluckte Michelle ihren Bissen hinunter.

„Nein…nur…“ Sie beugte sich weiter zu ihm vor und flüsterte ihm mit gedämpfter Stimme zu:

„Die sehen alle gleich aus!“ Der Mann lächelte.

„Das kommt dir nur so vor…für die sehen wir wahrscheinlich alle gleich aus!“

„Aber ich bin doch blond und du schwarzhaarig und du bist viel größer als ich“, entgegnete Michelle ungläubig.

„Na ich meine jetzt nicht unbedingt uns beide, wir sind doch…“, der Mann unterbrach sich und erhob sich schlagartig.

„Es war nett dich kennenzulernen Michelle, aber ich muss jetzt los!“ Michelle konnte ihm mit ihrem Blick gar nicht folgen, so schnell war er verschwunden. Sie hatte sogar vergessen ihn nach seinem Namen zu fragen.

„Da bist du ja, hab ich mir doch gedacht“, Andy klopfte Michelle von hinten auf die Schulter, während sich Crow lautstark mit einem Asiaten um den letzten Donut stritt.

„Ich…hab Pancakes gegessen“, sagte Michelle abwesend, immer noch erstaunt über die Reaktion ihres Gönners.

„Aha…und wie hast du die bezahlt?“

„Ach, verdammt…“, gesellte sich Crow zu den beiden und setzte sich auf den leeren Stuhl.

„Du hattest Pancakes?“, fragte er gleich darauf. Michelle nickte.

„Wie hast du die bezahlt“, stellte er dieselbe Frage wie Andy.

„Ein Mann hat sie mir gekauft und die Milch auch“, erzählte Michelle fröhlich. Crow leckte sich über die Lippen.

„Sag mal…isst du die noch?“, fragte er und deutete auf den kläglichen Rest, der übriggeblieben war. Seine Augen glitzerten erwartungsvoll und vor allem hungrig.

„Du kannst sie gerne…“

„Danke“ Crow schaufelte die Überreste in seinen Mund, bevor Michelle ausreden konnte.

„Ich darf doch“, er zog sich das Milchglas heran und nahm einen Schluck. Andy hob die Augenbrauen.

„Und wo ist der Kerl hin?“, fragte er Michelle. Diese zuckte mit den Schultern.

„Einfach weggelaufen“, berichtete sie.

„Typen gibt’s“, murmelte Crow mit vollem Mund.

„Er war komisch“, sagte Michelle und sah Andy in seine Augen.

„Er hatte rote Augen!“ Crow verschluckte sich mit der Milch und schien beinahe zu ersticken.

„Rote Augen?“, wiederholte Andy.

„D…das war N…Nightmare“, keuchte Crow und hustete stark, während er mit seiner Faust auf seine Brust pochte.

„Wohin ist er verschwunden?“, wollte Andy wissen. Michelles Gesichtsausdruck verriet ihm, dass sie natürlich keine Ahnung hatte.

„Ist doch egal wohin, aber warum ist er abgehauen?“, warf Crow ein, der sich wieder gefangen hatte. Andy legte seine Stirn in Falten, er dachte nach, überlegte, was Nightmare wohl verleitet hatte sich zurückzuziehen anstatt mit ihnen zu reden.

„Na, ist ja auch egal, wir holen jetzt Muffin und verschwinden aus dieser Gegend…die ist zum Kotzen!“ Crow erhob sich geräuschvoll und warf dabei seinen Stuhl um. Er hielt es allerdings nicht für nötig ihn wieder aufrecht hinzustellen. Sie marschierten aus dem Diner.

„Habt ihr die Übernachtung denn schon bezahlt?“, erkundigte sich Michelle.

„Ha“, lachte Crow auf und ging um die Ecke. Michelle sah Andy fragend an.

„Weißt du…uns fehlte das nötige Kleingeld!“ Es war nicht so, dass Crow pleite war, ganz im Gegenteil, aber sein ganzes Vermögen lag sicher auf der Bank und er hatte leider keine Befugnis sein eigenes Geld abzuheben. Dafür war Muffin immer zuständig gewesen und das hatte früher auch immer funktioniert, früher, als alles noch normal war.

„Oh Mann, ich hab immer noch Hunger, ich hoffe im Krankenhaus gibt’s etwas zu futtern“, maulte Crow und stiefelte auf die Eingangstür des Hospitals zu, die sich mit einem quietschendem Geräusch selbstständig öffnete.

„Guten Morgen, Sir“, Crows Lieblingskrankenschwester kam ihnen bereits entgegengelaufen.

„Es ist etwas Furchtbares passiert, Sir, Sie glauben nicht wie schrecklich das war, ich hatte solche Angst, das können Sie sich nicht vorstellen“, sprudelte es nur so aus ihrem zarten Mund.

„Ja, ja…was war denn?“, entgegnete Crow barsch.

„Jemand hat versucht Ihren Freund zu ermorden, man wollte ihn mit einem Kopfkissen ersticken!“

„Und hat’s geklappt?“, die Gleichgültigkeit in Crows Stimme, machte die Krankenschwester kurzfristig stutzig.

„Ähm, nein…ich kam noch rechtzeitig hinzu, um den Mann davon abzuhalten!“ Crow musterte die Krankenschwester lange Zeit, schien anschließend durch sie hindurchzusehen.

„Er will uns umbringen“, murmelte er.

„Er will uns töten!“ Crow wandte sich zu Andy und Michelle um.

„Aber warum bloß?“

Kapitel 24

 

„Hier, trink das!“ Der Clown hielt Cat einen Strohhalm hin, der in einem Glas mit Wasser steckte. 

„Danke lieber Clown“, sagte Cat leise und völlig abwesend. Sie nuckelte am Strohhalm, völlig erschöpft. Er machte sich Sorgen um das Mädchen.

„Sag mal…“, setzte Cat an und holte tief Luft. Ihre Lungenflügel schienen Schwerstarbeit zu leisten.

„Ja?“, hakte Parker nach, als sie lange nicht weitersprach.

„Kannst du… Luftballontiere… machen?“, ihr letztes Wort war mehr gehaucht als gesprochen.

„Nein, tut mir leid!“ Cat überdrehte die Augen.

„Hey…hey wach bleiben!“ Vorsichtig rüttelte Parker Cat wieder wach.

- Was für ein Clown- dachte Cat.

- Der kann nicht einmal Luftballontiere- Sie grinste plötzlich in sich hinein. Cat hatte starke Halluzinationen. Viele bunte Clowns sprangen herum, jonglierten, fielen auf die Nase und ihre Schuhe hupten bei jedem Schritt. Einer der Clowns ging auf Cat zu, er überreichte ihr eine Giraffe aus Luftballons.

„Danke“, flüsterte sie und lächelte. Parker runzelte die Stirn, er griff in seine linke Hosentasche und entnahm ein Fläschchen daraus. Der Inhalt war bläulich, er sah sich kurz um. Vorsichtig öffnete er das Fläschchen und fügte dem Wasser exakt zwei kleine blaue Tropfen hinzu. Schnell packte er das Fläschchen wieder weg und reichte Cat abermals den Strohhalm.

„Trink…mach schon, trink!“ Cat tat wie ihr geheißen, schließlich war das ein Clown, der mit ihr sprach. Ein lustiger, lieber Clown, der nicht im Geringsten böse Absichten hegte, obwohl Cat auch den Film „Es“ gesehen hatte und da war der Clown gar nicht mehr so freundlich.

„Du wirst dich bald besser fühlen.“ Wieder grinste Cat. Plötzlich fühlte sie, wie ihre Finger zuckten. Langsam und mit großer Kraftanstrengung konnte sie den Arm leicht anheben, bis er wieder schwer wie ein Stein auf den kalten Boden landete.

„Du bist…ein netter Clown, lieber Clown!“

„Parker?!“, kreischte eine Frauenstimme. Cats Augen weiteten sich, alle Clowns sprangen in ein winziges Auto und rasten davon.

„Wartet!“, rief sie und hatte es in ihrer Panik tatsächlich geschafft ihren Oberkörper nach vorne zu hieven. Sogleich kippte sie vorne über. Parker richtete sie wieder auf.

„Ich muss…nur kurz…“, der Clown verschwand, er stolperte die Stufen zu dem kleinen Büroraum hinauf.

„Ja?“, die Frau wirbelte herum und schnaubte entrüstet.

„Was machst du denn so lange?“, wollte sie wissen.

„Ähm…Wasser, ich habe ihr Wasser gebracht!“ Schlagartig glättete sich die erboste Miene der Frau und sie lächelte.

„Ach ja…wie geht es ihr?“ Parker zuckte die Schultern.

„Na ja…so wie es einem Vergifteten eben geht…“ Die Frau nickte. Sie zuckte unerwartet zusammen.

„Hast du das gehört?“, wollte sie wissen und lauschte.

„Nein“, erwiderte Parker.

„Was denn?“

„Scht!“ Die Frau fuchtelte mit den Händen, um Parker zum Stillschweigen zu bewegen.

„Da kommt jemand!“ Sie schritt aus dem kleinen Büroraum und erkannte eine Gestalt. Selbstsicher rief sie dem Gast zu.

„Na, was machst du denn schon hier?“ Es war Nightmare, der die Fabrik aufgesucht hatte, er trat wieder unter den Metallsteg.

„Schon fertig?“, wollte die Frau wissen.

„Nein…ich brauche mehr Zeit!“ Die Frau machte ein zischendes Geräusch.

„Nun ja…das mit der Zeit ist ziemlich schwierig, da das Gift ein ganz anderes Zeitgefühl hat, als wir.“

„Wie lange schafft Cat es?“, erkundigte sich Nightmare.

„Schwer zu sagen, mein Freund“, entgegnete die Frau. Nightmare musterte die Frau. Sie hatte langes, blondes Haar, war sehr schlank und ihr seltsames Lächeln beunruhigte Nightmare. Sie hielt es wohl nicht mehr für nötig sich zu verkleiden, wenn sie überhaupt die verkleidete Person gewesen war.

„Ich will sie sehen“, forderte Nightmare. Mit einem nervösen Blick wandte sich die Frau zu Parker um, der nur mit den Schultern zuckte und nickte.

„Na schön, dort hinten ist sie, aber wag es nicht irgendwelche Dummheiten zu machen, verstanden? Sie wird sterben, wenn du versuchst sie mitzunehmen, klar?“ Nightmare brummte missmutig und schritt in die Richtung, die die Frau ihm preisgegeben hatte.

„Cat?“, Nightmare kniete sich zu dem verstörten Mädchen, das in Tränen ausgebrochen war.

„Sie sind alle weg…warum bloß?“ Nightmare wusste nicht genau, was er darauf antworten sollte.

„Sie sind ins Auto und weggefahren…wie haben nur so viele Clowns in so einem kleinen Auto Platz?“

„Was?“ Plötzlich packte Cat Nightmares Arm, ihre Hände zitterten, sie sah ihn mit geweiteten Pupillen an, wie die einer gestressten Katze.

„Du…“, hauchte sie. Nightmare starrte sie erschrocken an, sie war kaum wiederzuerkennen.

„Siehst…furchtbar aus“, setzte sie fort.

„Ich“, wollte Nightmare sprechen.

„Nightmare…hör auf damit!“ Cat war so verwirrt, wie ein Junkie auf einem Horrortrip. Ein Horrortrip voller Clowns und zu kleinen Autos.

„V…verstehst du?“ Nun schien sie von etwas ganz anderem zu sprechen und zwar Nightmares Auftrag.

„Cat, ich…“

„Bitte!“ Nightmare hatte Cat noch nie weinen gesehen, nicht so, voller Verzweiflung und in ihrem Blick lag so viel Angst.

„Lass mich…sterben!“ Nightmare schüttelte den Kopf.

„Ich…kann nicht, Cat!“ Sie berührte sein Gesicht.

„Doch du kannst, vergiss mich einfach, wie deine Opfer, lass mich sterben und vergiss mich, so wie du es immer machst.“ Nightmare erhob sich schlagartig.

„Nein, kapierst du das nicht? Ich kann dich nicht vergessen, du bist nicht mein Opfer“, brüllte er Cat an, die ihn nur verständnislos musterte.

„Hattest du…schon immer einen Zwilling?“ Nightmares Zorn verflog blitzartig, als Cat umkippte und auf den harten Boden knallte und sich nicht mehr regte. Hektisch tastete Nightmare nach ihrem Puls.

„Cat? Cat?!“, rief er, beinahe hysterisch.

„Oh nein, nein…nicht aufregen, mein Guter!“ Ein Clown war blitzartig an Nightmares Seite aufgetaucht. Verwirrt starrte er den Maskierten an, der das Mädchen fachmännisch inspizierte. 

„Sie ist nur bewusstlos, kein Grund nervös zu werden und alles niederzumetzeln!“ Nightmare warf Parker einen genervten Blick zu. Anschließend wandte er sich wieder Cat zu. Er sah sie lange an und beobachtete, wie Parker sie wiederaufrichtete. Sie war so leblos, wie eine Puppe, untypisch für Cat. Nein, er musste sie retten.

„Ich muss los!“ Nightmare erhob sich und trabte aus der Halle. Egal was ihm dieser eigenartige Junge gesagt hatte, egal was Cat sagte, sie waren doch alle nicht bei Verstand. Es gab ohnehin kein Zurück mehr, Crow und Angel würden bestimmt schon gehört haben, was im Krankenhaus geschehen war, Crow würde kurz nachdenken und ihn als Bedrohung sehen. Nightmare musste schneller als der Shurike von Crow sein, um Cats Willen. Sollte sie ihn später hassen, das war ihm egal, Hauptsache war, dass sie lebte. Cat sollte leben, sie war die Einzige, die es wert war.

***

„Das heißt also, jemand anderes zieht die Fäden“, Crow sah aus dem Fenster auf die Straßen. Die Sonne stand hoch am Himmel, Menschen tummelten sich und Autoreifen quietschten, wenn jemand ohne Bedacht über die Straße rannte.

„Und dieser jemand, gibt Nightmare den Auftrag uns umzubringen.“ Muffin hievte sich etwas aus seinem Bett.

„Aber wer ist es?“, fragte er, obwohl er wusste, dass ihm diese Frage niemand der Anwesenden beantworten konnte.

„Bird?“, wagte Andy zu sprechen. Crow schüttelte mit dem Kopf.

„So geschickt unser Vögelchen auch mit der Waffe ist, so eine Denkleistung traue ich ihm nicht zu und vor allem nicht die Ausdauer Sandman zu killen.“ Michelle beobachtete inzwischen den schlafenden Mann, der sich nicht rührte.

„Vielleicht hat er Nightmare schon früher beauftragt“, meinte Andy. Plötzlich hellte sich Andys Miene auf.

„Hör mal, vielleicht handelt Nightmare nicht aus freiem Willen…ich meine er ist gezwungen zu handeln!“ Muffin und Crow musterten Andy mit demselben skeptischen Blick.

„Du meinst er wird erpresst?“, sagte Muffin.

„Womi…oh…“ Crow hatte sich seine Frage offenbar selbst beantwortet.

„Was…was ist oh?“, hakte Muffin nach.

„Cat…sie haben Cat entführt, das ist Nightmares Druckmittel“, erklärte Andy. Muffin blinzelte konsequent.

„Das ist nicht euer Ernst!“

„Natürlich nicht, wir haben das alles bloß erfunden…siehst du, dort ist die versteckte Kamera“, schnaubte Crow sarkastisch.

„Wo?“, wollte Michelle wissen, die sich vom anderen Patienten abwandte. Crow hob die Augenbrauen.

„Oh Mann!“, stöhnte er entnervt.

„Okay, hört zu, wir müssen jetzt zusehen, dass wir hier verschwinden, Nightmare hat uns alle gesehen, er ist uns einen Schritt voraus, das heißt es ist höchste Vorsicht geboten, klar?“ Alle nickten zustimmend.

„Wir brauchen einen Ort, wo wir zunächst sicher sind“, meinte Muffin und schien zu überlegen.

„Die Kirche?“, schlug Andy vor. Kurzzeitig schien es als ob Crow eine kurze Gedenkminute einhielt.

„Ja…die Kirche, loskommt!“ Andy nahm Michelle an der Hand und Crow zerrte Muffin aus dem Bett.

„Mo…Moment ich darf mir wohl meine Sachen anziehen, ich geh doch nicht mit diesem Patientenkittel vor die Tür!“ Crow verdrehte genervt die Augen.

„Na schön, aber beeil dich!“ Muffin tastete nach seinen Kleidungsstücken und zog sich die Hosen über.

„Oh komm schon, meine Großmutter zieht sich schneller an, als du“, maulte Crow.

„Du hast gar keine Großmutter“, kläffte Muffin zurück und stülpte sich ein T-Shirt über.

„Fertig“, gab er bekannt, als er auch seine Schuhe fein säuberlich zugebunden hatte.

„Gut gehen wir!“ Der Trupp verließ das Patientenzimmer. Crow schloss die Tür hinter sich, als er sich dem Gang zuwandte erschrak er kurz, da die Krankenschwester vor ihm stand.

„Sie vergessen doch nicht sich abzumelden, oder?“, mahnte sie.

„Was denn? War ich hier Patient oder er, warum muss ich mich abmelden?“, wollte er erzürnt wissen. Die Krankenschwester ging ihm allmählich auf die Nerven, ein Wunder, dass er überhaupt so geduldig mit ihr war.

„Alle müssen sich schriftlich abmelden, da Sie ihren Freund abholen.“

„Hören Sie, Lady, ich muss überhaupt nichts, gehen Sie mir gefälligst aus dem Weg!“ Er schubste die Schwester aus seinem Blickfeld und trottete an ihr vorbei. Andy, Muffin und Michelle hatten beinahe schon den Ausgang erreicht. Crow stapfte ihnen hinterher. Die Schwester sah ihnen nur sprachlos hinterher und sah, wie die Gefährten das Krankenhaus verließen.

„Alles klar?“, fragte Andy, auch er und die anderen hatten nicht das Geringste bemerkt.

„Ja…warum?“, fauchte Crow.

„Ähm nur so…du wirkst angespannt“, bemerkte Andy.

„Wir sind Zielpersonen, du Trottel, klar bin ich angespannt“, sagte Crow etwas zu laut. Ein Mann wandte sich dem Quartett zu.

„Was glotzt du so, hast du ein Problem?“, stellte ihn Crow zur Rede.

„Öhm, nein…nichts…Sir“, stotterte der Mann und suchte schnell das Weite.

„Gehen wir jetzt durch den Tunnel?“, erkundigte sich Andy schließlich und ignorierte Crows leichten Wutausbruch.

„Nein, das wäre zu riskant, Nightmare könnte damit rechnen, wir bleiben an der Oberfläche, ich kenne auch eine Abkürzung, es ist nicht so weit“, erklärte Muffin.

Nach geschlagenen vier Stunden hatten sie die Kirche erreicht, die auch Andy schon betreten hatte.

„Nicht so weit, hm?“, sprach Andy. Er trug die schlafende Michelle auf dem Rücken. Muffin grinste dümmlich.

„Weißt du das Wort Abkürzung bedeutet, dass der Weg eigentlich kürzer wird, Muffin“, warf Crow ein.

„Tut mir leid, aber jetzt sind wir ja hier!“ Es war sehr still um die Kirche. Gespenstisch läutete die schwere Glocke. Ihr Gong war sehr dunkel und es schien als würde das gesamte Gebäude beben. Sie stiegen die Stufen hoch. Andy schnaufte, Michelle war schwerer, als angenommen. Vor dem Tor hielt Crow plötzlich inne.

„Was ist?“, fragte Andy und riss Crow somit aus seinen Gedanken. Muffin blickte betreten zu Boden.

„Hm? Nichts…“ Crow öffnete die breite, schwere Tür und betrat die Kirche. Es kniete jemand vor dem Altar.

„Nein…das ist doch…Pater Johnson?“, flüsterte Muffin und warf Crow einen verwunderten Blick zu.

„Crow?“, sprach er, der Profi würdigte ihn nicht eines Blickes.

„Wie ich es schon einmal gesagt habe. Gott wäre nicht darüber erfreut, in seinen eigenen vier Wänden…“, sagte Crow und schließlich sah er Muffin ernst in die Augen.

„Außerdem hat mir Sandman keinen Preis geboten.“ Crow schlenderte zum Priester vor, die Hände in den Hosentaschen. Perplex verharrte Muffin an Ort und Stelle, während Andy ebenfalls zum Pater vorging.

„Hat er doch gemacht…“, murmelte er und musste unverhofft schmunzeln.

„Sieh mal an, die Krähe steigt gen Himmel empor!“

***

„Das heißt ihr werdet von eurem eigenen Gefährten verfolgt?“, Pater Johnson sah in die Runde. Es waren lauter verlorene Schäfchen, die sich um ihn versammelt hatten und um Zuflucht baten.

„So ist es, Pater“, bestätigte Crow. Pater Johnson musste schmunzeln, als er bemerkte, dass ihm Crow nicht einmal eine Sekunde lang in die Augen sehen konnte. An jenem Tag war der Pater so erstaunt gewesen, als der junge Mann seine Pflicht nicht ausführen konnte, auf die Knie sank und reumütig darum bat, dass man ihm das Kruzifix über den Schädel zog. Es lag so viel Kummer in seinen Augen, gespickt mit dem Zorn und Hass, den er gegen sich selbst richtete. Crow hatte sich aus dem Teufelskreis befreit, war ausgebrochen. Für Pater Johnson war dies eines der faszinierendsten Erlebnisse gewesen, wie ein brutaler Killer offenbar die Erleuchtung fand und sich selbst aus seinem Gefängnis der Dunkelheit befreite und dem schwachen Licht folgte, das ihm Gott gesendet hatte.

„Nun, ich will euch natürlich Asyl gewähren, dies ist das Haus Gottes, es soll euch hier kein Leid widerfahren“, sagte der Pater und lächelte.

„Kommt, gehen wir zunächst in die Kanzlei um“

„Gibt es auch Asyl für einen wie mich?“, wurde der Pater plötzlich unterbrochen. Alle wandten sich erschrocken um. Andys Miene erhellte sich plötzlich.

„Zodiak?“, rief er, erfreut darüber den großen Mann zu sehen und am Leben zu wissen.

„Mein Sohn, hier ist für jeden Platz“, erwiderte der Pater und führte eine einladende Geste aus.

„Wo zum Teufel warst du?“, wollte Andy wissen.

„Ich…ich war…“, plötzlich verstummte Zodiak und musterte Michelle, als wäre sie ein Geist.

„Du warst?“, hakte Muffin nach, aber Zodiak starrte nur Michelle an.

„Du…du siehst aus, wie…deine Mutter“, sagte er plötzlich und Tränen sammelten sich in seinen Augen.

Michelle schien sehr verunsichert zu sein und schluckte.

„Du kanntest meine Mama?“, fragte sie mit kugelrunden Augen. Zodiak trat auf Michelle zu und hockte sich nieder, um ungefähr auf gleicher Höhe mit ihr zu sein, er lächelte und Tränen rannen über seine Wange. Er war ein Riese, wirkte eher hart und unnahbar, doch in Wahrheit war Zodiak ein sensibler und sehr sentimentaler Mensch.

„Ja“, schluchzte er.

„Ja, ich kannte deine Mama und dich kenne ich auch, obwohl ich mir gewünscht hätte, dich besser kennenzulernen!“ Andy wusste bereits worum es ging und er war verblüfft, wie sich die verschiedenen Lebenswege kreuzten. Man glaubte jemanden nie wieder zu sehen und schon wurden die Wege ineinander verschmolzen. Man dachte, man würde auf alle Ewigkeit denselben Pfad dahin schreiten und bemerkte gar nicht die vielen Kreuzungen, die Weggabelungen. Unbewusst entschied man sich für einen der Pfade, meistens für jenen, der nicht sonderlich schwierig erschien. Keine Steine, keine Berge, die man hochklettern musste, ein geebneter Weg war viel ansprechender, man konnte ja nicht ahnen, dass sie in die Leere führten, in die Einöde.

„Michelle…“, sagte Andy schließlich, da er wusste, dass es Zodiak nicht über die Lippen brachte, übernahm er diesen Part.

„Zodiak hier...das ist dein Papa.“

„Was?“, rief Crow erstaunt aus.

„Oh mein Gott, das ist ja wie in einer Seifenoper“, setzte er fort, bevor sonst jemand das Wort ergreifen konnte.

„Mein Papa?“, murmelte Michelle, ohne Crow wirklich wahrgenommen zu haben und löste sich aus Zodiaks Umarmung, um ihn genau anzusehen.

„Wo warst du nur so lange?“, fragte sie, auch sie konnte ihre Gefühle nicht mehr beherrschen. Es war zu viel geschehen, um das noch zu können. Ihr Leben änderte sich schlagartig, eben noch mit Andy im Waisenhaus, nun in einer Kirche mit ihrem Vater und lauter Mördern.

„Michelle, es tut mir so leid, so wahnsinnig leid…“ Zodiak vergrub sein Gesicht in seinen Händen, beschämt darüber, seine Tochter im Stich gelassen zu haben, doch er musste fortgehen, um sie zu schützen. Zodiak war schon immer im Auftrag Sandmans unterwegs gewesen und eines Tages wurde es einfach gefährlich, immer wieder zu seiner Familie zurückzukehren. Erst einige Jahre später, nachdem er fortgegangen war, erfuhr er, dass seine Frau Reeba, Michelle ins Waisenhaus gegeben hatte. Zuerst hasste er sie dafür, konnte nicht verstehen, warum sie das getan hatte und fand heraus, wo sie sich nun aufhielt. Die Adresse die er damals aufgesucht hatte, ließ seinen Zorn kurzerhand verschwinden. Er stand am Grab seiner Frau, die den Kampf gegen ihre Krankheit verloren hatte.   Schließlich handelte Michelle, als wäre sie der leibhaftige Gott selber. Sie legte ihre kleine Hand an Zodiaks Wange und forderte ihn somit auf, ihr in die Augen zu sehen. Als er es tat lächelte sie so unglaublich warmherzig, dass beinahe jeder der Anwesenden dahin geschmolzen wäre. Ihre Worte, die sie anschließend sprach waren so hell und rein, wie die himmlischen Fanfaren selbst: „Ich vergebe dir!“

„Wie niedlich!“ Diese Stimme ließ alle herumwirbeln. Am Eingang stand Nightmare mit einem unheilvollen Lächeln auf seinen Lippen.

„Das nenne ich einmal Glück…alle unter einem Dach!“ Crow warf Nightmare einen feindseligen Blick zu.

„Das ist der Pancakemann“, sagte Michelle fröhlich. 

„Und unser schlimmster Alptraum“, ergänzte Andy.

„Was meinst du, Andy? Was ist hier los?“, wollte Zodiak wissen, der nicht im Geringsten wusste, was hier vor sich ging.

„Los…verschwindet hier…“, knurrte Crow plötzlich.

„Aber…“, wollte Andy widersprechen.

„Ich sagte, haut ab“, brüllte Crow erzürnt. 

„Durch die Kanzlei gelangt man ins Freie, kommt“, erklärte Pater Johnson. Zodiak, Muffin, Michelle und er stahlen sich davon.

„Andy“, seufzte Crow, der Andys Anwesenheit hinter sich noch spüren konnte.

„Crow, bitte…pass auf dich auf“, mit diesen Worten überließ er Crow das Feld und rannte den anderen hinterher. Nightmare musterte Crow geringschätzig. Er machte keine Anstalten, die anderen verfolgen zu wollen, er würde sie ohnehin überall finden. Die beiden besten Killer der Organisation standen sich nun gegenüber. Der Massenmörder Crow und Nightmare der Schrecken aller Geschäftsleute.

„Nun Krähe, zeig was du kannst!“ Crow grinste gereizt.

„Pass bloß auf, Nightmare, nicht dass ich noch zu deinem schlimmsten Alptraum werde!“

Pater Johnson öffnete eine Tür, die ins Freie führte. Andy erblickte einen Friedhof. Eine dürre Trauerweide stand umgeben von zahlreichen Gräbern, die nicht gepflegt waren.

„Die Leute kommen nicht oft, um für ihre Verstorbenen zu beten, geschweige denn die Gräber zu besuchen“, erklärte der Pater, als er den Blick des jungen Mannes sah.

„Hier lang“, sagte er schließlich und führte die Gruppe durch den Friedhof, der umgeben von einem hohen rostigen Zaun war. Das Tor am Ende war eigentlich immer verschlossen, die Leute mussten durch die Kirche, wenn sie zum Friedhof wollten. Ein Grab fiel Andy plötzlich auf. Es war das einzige, das eine weiße Rose vor dem Grabstein stehen hatte. Er las schnell die Inschrift.

„Für meinen geliebten Mann. Thomas, du wirst ewig in meinem Herzen sein!“ Andy seufzte, wenn er einmal sterben würde, wäre sein Grab dann auch eines von vielen, die so trostlos verfielen, oder würde jemand kommen und ihm eine weiße Rose hinstellen, an ihn denken, ihn vermissen? Unwillkürlich fiel sein Blick auf Michelle, die Zodiaks Hand hielt. Sie schien nicht sonderlich fiel Angst zu haben, Andy war sich nicht einmal sicher, ob sie wirklich verstanden hatte, was eben gerade geschehen war. Sie hatte ihren Vater wieder getroffen, nach langer Zeit hatte er sie in seine Arme geschlossen. Für sie musste alles wie eine unwirkliche Welt erscheinen, so als würde sie träumen, ein Traum der sowohl Schönes als auch Hässliches vereinte. Beim rostigen Tor angekommen zog der Pater einen großen Schlüssel unter seinem Talar hervor und schloss mit zittrigen Händen das Tor auf.

„Vielen Dank, Pater“, sagte Muffin und Pater Johnson lächelte schwach.

„Kommt er nicht mit uns?“, wollte Michelle wissen und Zodiak schüttelte den Kopf.

„Aber warum nicht?“ Pater Johnson widmete sich dem Kind.

„Ein Mann Gottes muss dem Hause Gottes treu bleiben.“ An alle gewandt sprach der Priester.

„Nun geht, viel Glück!“

„Pater, wenn…wenn er noch lebt dann…sagen Sie ihm bitte, dass wir ihn am Hafen erwarten“, sprach Andy, der Pater nickte.

„Das werde ich, mein Sohn…das werde ich…“ Mit diesen Worten schloss Pater Johnson das quietschende Tor hinter Andy und stromerte zur Kanzlei zurück.

„Los Andy, wir müssen gehen!“, riss ihn die Stimme von Muffin aus seinen Gedanken. Andy drehte sich unschlüssig von der Kirche weg, irgendwie empfand er es als feige, sich auf und davon zu machen, während Crow gegen Nightmare kämpfte. Die anderen waren schon vorausgegangen, Andy stolperte ihnen hinterher.

-Pass bloß auf dich auf, Crow- dachte er abermals.

-Versuch nicht zu sterben-

 ***

Geschickt wich Nightmare einem Shuriken aus, der seinen Schädel, hätte er getroffen, durchbohrt hätte. Der Profikiller verbarg sich hinter dem Taufbecken.

„Ganz schön gut gezielt!“, rief er Crow zu, der hinter einer Säule hervor spickte.

„Heimlich geübt?“

„Ach halt’s Maul!“, gab Crow zurück und schleuderte einen weiteren Shuriken, nachdem er entdeckt hatte, wo sich Nightmare befand. Plötzlich war es unheimlich still, Crows Augen huschten hin und her. Wo verdammt war er? Wohin war er verschwunden? Er hatte ihn doch nicht wirklich getroffen? Crow trat hinter der Säule hervor. Ein Zischen warnte ihn vor einem Wurfmesser, dem er um Haaresbreite entkam, allerdings musste er einen Schnitt am Oberarm in Kauf nehmen. Crow warf sich hinter die Säule, stöhnte kurz auf und verdrängte anschließend den Schmerz, der ihn durchfuhr. Er raffte sich auf.

„Ist das alles, was du draufhast?“, schallte Crows Stimme durch die Kirche. Irgendwie kam in ihm ein eigenartiges Gefühl hoch, mulmig, unbehaglich. Es war Angst, die er verspürte. Er wusste Nightmare war besser als er, trainierter, organisierter. Nightmare musste für seine Aufträge ganz andere Fertigkeiten trainieren. Lautlose Schritte, die Kunst vorauszusehen, wie der Gegner weiter beabsichtigte zu handeln, zielen aus weiter Entfernung und möglichst schnell zu sein. Auch Crow konnte seine Shuriken schnell abfeuern, aber Nightmare schlug ihn um Längen.

-Wo zum Teufel bist du- fragte sich Crow und schlich hinter den letzten Bänken der Kirche hinüber zum Beichtstuhl. Crow war erschöpft, der Kampf war hart, die beiden waren bereits durch die gesamte Kirche geprescht und hatten sich mehrere Schusswechsel geliefert, wobei niemand der beiden getroffen wurde. Als hätten sie sich abgesprochen verwendeten sie nur Kunais und Shuriken, wie zwei Ninjas. Ein Kunai prallte schlagartig an einer der Säulen ab, erschrocken blickte Crow auf das Wurfmesser, das direkt auf ihn zuflog, er reagierte spät und das Kunai bohrte sich zwischen seine Rippen. Crow japste auf und schleppte sich in eine der Bankreihen, um sich mit zusammengebissenen Zähnen das Wurfmesser aus seinem Fleisch zu ziehen, worauf ihn zwei weitere Wurfmesser trafen.

„Verdammt“, keuchte er. Crow sank zusammen, atmete schwer, er verlor massenhaft Blut. Er erkannte einen Schatten der immer näher kam. Nightmare richtete eine Pistole auf Crows Kopf.

„Wie kommt’s? D…das hättest du doch schon vorher machen können?  Hast du etwa jetzt noch vor mich zu erschießen?“, fragte Crow mit einem verständnislosen Gesichtsausdruck, worauf über Nightmares Gesicht nur ein leichtes Lächeln huschte.

„Nein, du bist nicht Bird…“, erklärte er und steckte die Pistole weg. Crows Augen verengten sich und er knurrte: „Du hast ihn getötet?“

„Ich musste es tun“, entgegnete Nightmare kühl. Crow bekam mächtige Kopfschmerzen.

„Verdammt, Nightmare…“, Crow unterbrach sich, da ihn ein höllischer Schmerz durchfuhr, am liebsten hätte er aufgeschrien, aber er bewahrte die Fassung.

„Wieso…tust du das? Wer ist denn…dein Auftraggeber?“ Nightmares Miene verfinsterte sich.

„Der Auftraggeber ist in dem Fall nicht das Ausschlaggebende“, raunte er. Der verwundete Killer musterte seinen Kollegen sehr lange, bevor er sprach: „Cat…nicht wahr?“ Als hätte man Nightmare ertappt, zuckte er zusammen, als er diesen Namen hörte.

„W…wo ist sie?“, wollte Crow wissen.

„D…das geht dich überhaupt nichts an, klar“, brüllte Nightmare.

„Ach…ach nein? Und warum nicht?“, erwiderte Crow in derselben Lautstärke. Mit einer unheimlichen Kraftanstrengung rappelte sich Crow hoch und stützte sich stöhnend an der Holzlehne der Bank ab. Der Arm der seinen Körper stützte zitterte.

„Sag...es mir?“, ächzte er erneut.

„Wozu denn? Du stirbst jetzt sowieso", sprach Nightmare eiskalt. Crow sah ihm in seine roten Augen, die entschlossen funkelten. 

„Sagen wir so...es ist...ein...letzter Wunsch...für mein...Seelenheil" Nightmare schnaubte verächtlich. 

„Tz Seelenheil, na gut...sie ist in der alten Fabrik, in der Nähe der Müllhalde!“ Crow atmete stoßweise, den Schmerz unterdrückend.

„Wer...hat sie bloß...entführt?"

Nightmare zuckte mit den Schultern: „Ich weiß nicht...keine Ahnung..."

„Wenn du weißt wo sie ist…warum rettest du sie nicht?“ Nightmares zuvor ernste Miene nahm verzweifelte Züge an.

„Das…tu ich gerade“, mit diesen Worten rammte er Crow ein weiteres Kunai in seinen Körper. Crow spuckte

Blut, sein Körper zuckte vor Schmerz, aber sein Blick, der Nightmares traf war so voller Kraft, keine Pein lag in den bernsteinfarbenen Augen, doch der Glanz in ihnen entwich. Crow taumelte zurück und landete rücklings auf dem Holzboden der Kirchenbänke. Nightmare trat zurück, Crows Brustkorb hob sich nicht mehr. Nightmare seufzte und führte ein Kreuzzeichen aus. Die Krähe war gefallen.

 

 

Kapitel 25

 

Andy stand am Bootssteg und starrte ins Wasser, das grünlich schäumte, wenn sich die Wellen an der schmutzigen Mauer brachen. Es dämmerte bereits und der Hafen wurde in ein unwirkliches Licht getaucht. Gespenstisch kreischten die Möwen in der Ferne, während sie über einem Fischkutter kreisten. Die Gefährten hatten in das heruntergekommene Hafenhotel eingecheckt, wo sie die Nacht verbringen wollten. Muffin hatte anschließend vorgeschlagen, die Stadt zu verlassen und, so gut es eben möglich war, irgendwo anders einen Neuanfang zu wagen. Andy seufzte lange und beobachtete eine Coladose, die gemächlich unter den Steg schwamm. Er wartete schon die ganze Zeit hier, seit sie angekommen waren, war er an der Hafenlagune verblieben, aber langsam beschlich ihn der Gedanke, dass er wohl vergeblich wartete.

„Andy?“, Andy erkannte Zodiaks Stimme, der große Mann näherte sich ihm und legte seine Hand auf Andys Schulter. Diese Geste hatte etwas Beruhigendes, als auch etwas Aufforderndes an sich.

„Er…wird wohl nicht kommen, nicht wahr?“, fragte Andy leise, ohne seinen Blick vom Meer abzuwenden. Zodiak seufzte und entfernte seine Hand.

„Ich weiß es nicht, Andy“

„Wenn er kommen würde, dann hätte er es doch schon längst getan…oder nicht?“ Andy hatte sich zu Zodiak umgewandt und sah ihm verzweifelt in die Augen.

„Ja…da hast du leider Recht“, war dessen Antwort, die Andy jeglichen Funken Hoffnung auf Crows Wiederkehr raubte. Unwillkürlich musste Andy lächeln, vielleicht hatte sich Crow diesen Tod erhofft, er war in seiner Kirche gestorben. Andy und Zodiak schwiegen, beide sahen gleichermaßen auf das Meer hinaus, beide dachten darüber nach, was geschehen war und wie es nun weitergehen würde. Muffin hatte Zodiak bereits über die jüngsten Ereignisse aufgeklärt.

„Verzeiht mir euch zu stören“, wurden sie plötzlich von einer Stimme aus ihren Gedanken gerissen. Andy wandte sich um und er erschauderte, als er Pater Johnson erblickte.

„Pater“, sagte Zodiak. Andys Herz klopfte bis zum Hals.

„Was ist geschehen?“, wollte Zodiak wissen.

„Nun euer Freund ist verschwunden, nachdem…“, der Pater unterbrach sich.

„Was ist mit Crow?“, wollte Andy wissen.

„Er hat ihn schwer verletzt“, erklärte der Pater.

„Ist er“, setzte Andy an.

„Tot?“, vervollständigte Zodiak.

„Crow hat einen starken Willen, er liegt im örtlichen Krankenhaus, aber die Ärzte meinten es sehe nicht gut für ihn aus“ Trotz der letzten Worte des Priesters erhellte sich Andys Miene.

„Wir müssen sofort ins Krankenhaus!“, rief er und wollte sogleich losstürmen. Zodiak hielt ihn allerdings davon ab.

„Warte Andy! Nightmare ist da draußen und wartet nur darauf uns zu finden“, warnte er.

„D…dann gehe ich allein, vielleicht ist es gar nicht so schlecht falsche Fährten zu legen.“

„Aber Andy…“

„Zodiak, ich muss wissen, ob er durchkommt! Und auch wenn, wenn er es nicht schaffen sollte, sollte jemand bei ihm sein, er hat sich immerhin für uns alle geopfert, okay?“ Zodiak gab sich schließlich geschlagen.

„Okay, dann verschwinde“, er gab Andy einen freundschaftlichen Klaps.

„Aber pass auf dich auf, verstanden?“ Andy nickte und rannte den Steg entlang zum Festland, um gleich darauf in einer Gasse zu verschwinden.

„Danke Pater“, sprach Zodiak. Pater Johnson winkte ab.

„Weißt du, mein Sohn. Ich habe diesen jungen Mann ins Herz geschlossen, kam er doch ständig zu mir um, um Vergebung für seine Sünden zu bitten.“ Zodiak wurde stutzig.

„Crow?“, fragte er ungläubig. Der Pater lächelte nickend.

„Vielleicht wurde er tief in die Dunkelheit gezogen, aber Gott hat gab einen Funken, um sein Lebensfeuer wieder zu entfachen. Die Opferbereitschaft für seine Freunde gab ihm Kraft und auch wenn er vielleicht bald dem Tod doch noch die Hand reicht, es bleibt der Schimmer des Lichtes, der ihn sicher geleitet!“

Währenddessen trabte Andy durch die Gassen, immer darauf gefasst, dass ihn jemand angreifen könnte. Es war ein langer Weg bis zum Krankenhaus und er musste auf der Hut sein. Außerdem wurde es dunkel, aber Andy musste einfach ins Krankenhaus. Anscheinend lag ihm sehr viel an Crow, mehr als er gedacht hatte. Trotz seiner Art, war er doch irgendwie sowas, wie ein Freund. Andy wurde langsamer, als er in eine finstere Gasse schlenderte. Seine Augen erkundeten die Umgebung, konnten allerdings keine Gefahr ausmachen. Plötzlich vernahm er ein Poltern, blitzschnell wandte sich Andy um, aber es war nur eine Katze gewesen, die aus einer Mülltonne gesprungen war. Andy atmete auf.

„Reiß dich zusammen“, sagte er zu sich und ging weiter. Er verstand nicht, warum Nightmare so handelte, man könnte Cat doch ausfindig machen und sie retten. Andy hatte ja keine Ahnung, dass Cat ein tödliches Gift eingeflößt worden war, dass sie bereits im Sterben lag und starke Halluzinationen hatte. Andy gelangte von der Gasse auf einen kleinen Platz, mit einem Springbrunnen, der allerdings kein Wasser in die Luft katapultierte. Stattdessen barg er in seinem Auffangbecken stinkendes Wasser, das geprägt war mit Zigarettenstummeln und anderem Müll. Andy war direkt ins Rotlichtmilieu gelaufen und er konnte sich kaum vor den vielen Anmachsprüchen der leichten Damen retten.

„Na Kleiner, Lust auf einen Spaziergang?“, die wuchtige

Frau deren Make- Up aussah, als wäre sie in einen Farbtopf gefallen, lächelte verführerisch in ihrem Mundwinkel hing eine Zigarette, die vor sich hin qualmte, Asche war auf ihrer Brust, die Andy schier anzuspringen schien.

„Nein…ähm danke“, winkte Andy ab, aber die Dame ließ sich nicht so leicht abschütteln.

„Nun komm schon, ich zeig dir wie es richtig geht“, versicherte sie, aber Andy hörte ihr gar nicht zu, er überlegte schlicht, wie er am schnellsten zum Krankenhaus kam und kratzte sich nachdenklich an der Stirn.

„Na?“, hakte die Frau nach, aber Andy antwortete nicht, sondern trottete weiter. Schließlich gab es die korpulente Frau auf und promenierte, leicht fluchend, zu ihrem Stammplatz zurück.

„Hier müsste ich doch irgendwie nach…“, murmelte Andy und versuchte festzustellen, wohin die Seitenstraße führte.

„Hi“, hörte er schließlich und genervt wandte er sich um, um dem Flittchen zu sagen, dass er momentan weder die Zeit hatte, noch die Lust verspürte irgendetwas mit ihr zu unternehmen. Doch als er das leichte Mädchen erblickte, blieb ihm sein Mund offenstehen.

„Lust mit mir zu spielen?“, fragte das Mädchen. Andy war fassungslos.

„Du bist doch nicht älter als fünfzehn“, warf er dem Mädchen vor, das verrucht grinste.

„Aber alt genug…also…Lust?“ Andy runzelte die Stirn, als sie ihn auffordernd musterte.

„N…nein natürlich nicht, verschwinde, ich hab keine Zeit!“

„Ach ja? Warum denn nicht?“, wollte sie wissen.

„Ich muss ins Krankenhaus einen Freund besuchen“, erklärte Andy knapp.

„Und du suchst den richtigen Weg?“ Andy warf wieder einen Blick zum Mädchen, das ihn erwartungsvoll anstarrte.

„Ja“, knurrte Andy. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht.

„Zufällig weiß ich, wie man dort sehr schnell hinkommt.“

„Und wie?“, forschte Andy. Überheblich inspizierte sie ihre Fingernägel und meinte: „Ich würd’s dir ja sagen, aber das kostet dich etwas!“ Andy stöhnte genervt auf.

„Wie viel?“, wollte er wissen. Das Mädchen sah ihn mit seinen großen, blauen Augen an. Sie war eigentlich sehr hübsch, hatte langes rotes Haar und weiße Haut. Sie war um einen Kopf kleiner als Andy. Er erblickte zahlreiche Blutergüsse an ihren Armen und er glaubte auch Fesselspuren an ihren Handgelenken zu erkennen, an ihrem Hals waren Flecken, als hätte man sie gewürgt. Er sah ihr in die Augen, die plötzlich glasig zu sein schienen. Jede Spur ihrer Selbstsicherheit war verschwunden, in ihrer Stimme lag nur Verzweiflung, als sie bat: „Nimm mich mit!“

„W-was?“, stotterte Andy irritiert.

„Nimm mich mit, bring mich bitte von hier weg…“, flehte sie. Andy seufzte und schüttelte leicht den Kopf.

„Tut mir leid, aber…“ Plötzlich fiel sie vor ihm auf die Knie und fasste seine Hände.

„Bitte, ich mache alles was du willst, tabulos, aber bitte bring mich hier weg…bitte…BITTE!“ Sie kreischte bereits und alle, die sich auf dem Platz befanden, drehten ihre Köpfe in Richtung der beiden. Andy zog das Mädchen hoch.

„Sei ruhig!“

„Ich kann das nicht weitermachen!“, schrie sie unter Tränen.

„Halt’s Maul!“, brüllte Andy sie an, worauf sie verstummte. Es folgten eine Atempause und ein reger Blickwechsel.

„Du kannst mitkommen, aber steh mir bloß nicht im Weg herum, klar?“ Sie nickte heftig mit dem Kopf.

„Gut…wo müssen wir lang?“

„Hi…hier lang“, murmelte sie und führte Andy in die entgegen gesetzte Richtung, in die er gehen wollte. Das Mädchen ging ihm ein kleines Stück voran, es schluchzte immer wieder und Andy schämte sich irgendwie dafür, dass er es so angebrüllt hatte, obwohl es doch bekommen hatte, was es wollte.

„Ähm…übrigens, ich heiße Andy“, stellte er sich leicht lächelnd vor. Als sie nichts darauf erwiderte forschte er: „Und du?“  Plötzlich blieb sie stehen und wandte sich ihm zu.

„Madelyn…aber…aber du kannst Lyn sagen“, sie kratzte sich verlegen den Oberarm.

„Okay, Lyn“, sagte Andy.

„Gehen wir weiter!“

„Andy, warte!“ Andy verharrte in seiner Bewegung, als Lyn ihn angesprochen hatte.

„Was ist?“

„Ich…ich muss dir etwas sagen…“ Lyn hatte sich an die Mauer der Gasse gedrückt und wirkte wie ein Häufchen Elend.

„Gut, dann schieß los!“

„Ich hab dich gebeten mich mitzunehmen, weil…ich habe zu wenig Geld und…und das ist schon das vierte Mal, aber ich wollte einfach nicht mehr mit diesen ekligen…ich kann nicht mehr, ich…“ Wieder kullerten Träne über ihre Wangen und verwischten die bereits verlaufene Wimperntusche noch mehr.

„Beruhig dich doch, worauf willst du denn hinaus?“, versuchte Andy Lyns Gefühlsausbruch Einhalt zu gebieten, wenigstens so viel, damit er verstand, was sie ihm eigentlich sagen wollte.

„Mason Clark ist der berüchtigtste Zuhälter hier in der Stadt und er kennt keine Gnade, wenn jemand sein

Pensum nicht einhält.“

„Hat er dir das angetan?“, Andy nickte in Richtung der Fesselspuren und der Blutergüsse.

„Seine Laufburschen in diesem Gebiet, von denen hab ich die Blutergüsse…die Fesselspuren sind älter und…“, sie unterbrach sich. Andy verstand, dass diese Wunden wohl nie wieder heilen würden, die Spuren blieben. 

„Gut, dann sollten wir weitergehen, wir sind nicht gerade weit gekommen und ich muss wirklich bald im Krankenhaus sein“, meinte Andy. Lyn machte große Augen, als Andy Anstalten machte weiterzugehen.

„Aber, aber wenn sie bemerken, dass ich nicht mehr da bin, dann werden sie mich suchen! Ich weiß gar nicht…warum ich dich angesprochen habe…entschuldige, das war eine dumme Idee ich sollte besser wieder“, sie wollte sich umdrehen und wieder weggehen, als Andy ihren Arm fasste und sie anlächelte. 

„Dann müssen wir eben dafür sorgen, dass sie dich nicht in die Finger bekommen, nicht wahr? Nun komm schon!“ Andy ging dem Mädchen voraus, das ihm hinterher starrte, als wäre er sein Retter. Andy war anscheinend der Prinz, auf den Lyn schon immer gewartet hatte.

„Na was ist jetzt?“, rief er ihr zu, die Gasse bereits verlassend. Ein Lächeln huschte über das verweinte Gesicht.

„Ich komme!“

***

„Er lebt noch?“, Muffin war völlig fassungslos, als ihm Zodiak erzählte, was geschehen war.

„Ja, das tut er!“

„Und Andy ist auf dem Weg zu ihm?“

„Genau.“

„Aber wir…wir wollten doch morgen…ach verdammt…“ Muffin ließ sich auf das knarrende Bett im Hotelzimmer nieder. Michelle schlief bereits auf der löchrigen Couch, eingepackt in muffige Decken.

„Tja, jetzt können wir morgen noch nicht verschwinden“, erklärte Zodiak und streckte sich ausgiebig. Er lag im zweiten Bett, das im Raum stand.

„Aber, wenn Nightmare…“

„Ich sagte, wir können morgen nicht verschwinden…nicht ohne Andy und Crow“, Zodiak warf Muffin einen eindringlichen Blick zu. Dieser stöhnte entnervt.

„Ja, ich verstehe“, gab er sich geschlagen.

„Wir werden hier warten, bis die beiden auftauchen…wir sollten hier ziemlich sicher sein“, meinte Zodiak und gähnte, seine Waffe lag neben ihm auf dem Nachttisch, griffbereit, sollte ein ungebetener Gast auftauchen.

„Ja das hoffe ich auch“, murmelte Muffin und sah aus dem vergitterten Fenster hinunter auf zum Hafen. Ein paar Dockarbeiter, die gerade erst angelegt hatten, rauchten gemeinsam im Schimmer einer Öllampe und schienen sich angeregt zu unterhalten.

„Gute Nacht, Muffin“, raunte Zodiak und schloss seine Augen, um gleich darauf leise vor sich hin zu grunzen.

„Ja…gute Nacht!“

Kapitel 26

 

Völlig entnervt betrat Andy das Krankenhaus. Lyn hatte ihm die ganze Zeit voll gelabert und ihn Löcher in den Bauch gefragt. Hätte er gewusst, wie nervig sie war, er hätte sie zurückgelassen, egal wie sehr sie geheult hätte. Er wusste nun, dass sie eigentlich siebzehn war, gleich alt wie Cat. Ganz genau wusste Andy nicht, warum er sie überhaupt mitgenommen hatte. Er hätte sie eigentlich wieder gehen lassen können, so wie sie es vorgehabt hatte. Konnte ihm doch egal sein, wie groß Lyns Wunsch war, aus diesem Geschäft auszusteigen. Aber irgendetwas war sehr anziehend an ihr, er war wie verzaubert und selbst ihre nervtötende Art war auszuhalten, obwohl Andy sehr angespannt war. 

„Ich war schon ewig nicht mehr hier“, erklärte Lyn, als auch sie das Krankenhaus betrat.

„Mhm“, brummte Andy und suchte die Rezeption auf.

„Guten Abend…Entschuldigen Sie bitte…“ Die Krankenschwester, die gerade irgendwelche Akten in den Schrank verstaute sah verwundert auf. Andy erkannte sie, es war dieselbe, die schon bei Muffins Aufenthalt anwesend gewesen war.

„Ah, guten Abend, kann ich Ihnen helfen, Sir?“ Sie schien Andy wohl nicht zu erkennen, aber es wurden immerhin viele Leute eingeliefert. 

„Ja, ähm…ein Pater hat einen Patienten eingeliefert, er war sehr schwer verwundet und…“

„Oh ja, natürlich, Pater Johnson hat ihn vorbeigebracht. Sind Sie mit dem Patienten verwandt?“

„Nein…wir sind…Freunde!“ Komisch das Wort Freunde zu verwenden, fand Andy. Er lächelte, um gleich darauf zu fragen, wie es Crow gehe.

„Er liegt im Zimmer C 13, es war wirklich ein Wunder, dass er noch lebte, er hat Mengen an Blut verloren, ein Wurfmesser musste operativ entfernt werden. Sie wissen nicht zufällig, ob er krankenversichert ist?“ Andy schüttelte den Kopf.

„Wie geht es ihm jetzt?“, wollte er stattdessen wissen.

„Momentan scheint er stabil zu sein, allerdings könnte sich das sehr schnell ändern, er braucht viel Ruhe. Er schläft jetzt, könnte aber jederzeit aufwachen, wenn Sie wollen können Sie hier gerne warten und“, die Krankenschwester unterbrach sich.

„Ach, jetzt erkenne ich Sie wieder, Sir. Verzeihen Sie, mein Gedächtnis ist nicht sonderlich gut“, sagte sie mit einem strahlenden Lächeln.

„Schon gut, kein Problem“, entgegnete Andy.

„Bitte hier lang, hier können Sie die Nacht verbringen.“ Die Krankenschwester führte Andy und Lyn in eine kleine Lobby im C Trakt, wo alte Couchbänke standen, auf denen sie schlafen konnten. Auch ein Obdachloser lag auf einer der Bänke und schnarchte selig vor sich hin.

„Das Zimmer ist gleich da vorne, ich rufe Sie gerne, wenn er aufwacht!“

„Vielen Dank“, sagte Andy und lächelte müde.

„Gerne. Gute Nacht Sir, Miss…“ Die Schwester verließ die Lobby um sich wieder an den Aktenschränken zu schaffen zu machen.

„Bitte“, Andy bot Lyn an, sich eine Couch zu wählen, sie setzte sich auf jene, die am weitesten entfernt vom Obdachlosen war, denn er roch ein wenig merkwürdig.

„Gute Nacht, Andy“, murmelte sie verschlafen und rekelte sich auf der Couch.

„Na…“, Andy stockte, als er sah, dass Lyns kurzer Rock, mehr Einblick gewährte, als er sollte. Sie trug ohnehin viel zu aufreizende Kleidung, was leider zu ihrem Job gehörte. Der Ausschnitt war zu tief, der Rock zu kurz, die Strumpfhose zu löchrig und ihr Körper zu sexy. Andy warf sich auf die Couch und beobachtete noch einige Zeit die schlafende Lyn. Hätte er nicht gewusst, welchen Beruf sie ausübte, er hätte sie für einen Engel gehalten, abgesehen von der Kleidung. Sie konnte wahrscheinlich nichts dafür, womöglich wurde sie zu diesem Job gezwungen. Nach längeren Überlegungen fielen auch Andys Augen zu und er schlief tief und fest. 

***

Andy wurde von einem klirrenden Geräusch geweckt. Es war helllichter Tag, sein verschlafener Blick fiel auf Lyn, die noch schlief, der Obdachlose war bereits verschwunden. Wieder ein Geräusch, diesmal ein dumpfes Poltern.

„Sir…nein Sir!“, hörte man gedämpft rufen. Die Tür zum Zimmer C 13 flog auf, Andy hätte es sich denken können. Lediglich mit einem Patientenkittel bekleidet und die Stange, auf der die Infusion hing, mit zerrend, trottete Crow aus dem Raum.

„Sir, Sie müssen im Bett bleiben, Sir!“

„Ich muss nur hier raus und die Lampe nehme ich mit!“ Verzweifelt wandte sich die Krankenschwester an Andy.

„Sie müssen ihn aufhalten, in diesem Zustand darf er nicht raus!“

„Crow!“, rief Andy dem Patienten zu, der am Kaffeeautomaten stand und den vorbeigehenden Leuten seinen nackten Hintern präsentierte. Schließlich wandte er sich um und seine Miene verzog sich zu einem breiten Grinsen, das Andy noch niemals gesehen hatte.

„Mein Engelchen, wie schön!“, winkte Crow fröhlich.

„Sagen Sie…haben Sie ihm irgendetwas gegeben?“, wollte er von der Krankenschwester wissen.

„Er hat natürlich starke Schmerzmittel verabreicht bekommen, als wir die Infusion wechseln wollten, dachte er, dass er von Außerirdischen entführt worden sei und wir mit ihm experimentieren würden“, erzählte die Schwester.

„Das kommt nur von den vielen Sience-Fiction Romanen“, stöhnte Andy, als er sah, wie Crow versuchte mit dem Kaffeeautomaten um den Preis zu feilschen.  Er ging auf den, mit Schmerzmittel vollgepumpten, Crow zu.

„30 Cent, mein letztes Angebot!“

„Crow…Crow komm, du solltest hier draußen nicht so rumlaufen!“ Einige Schwestern, die den Gang entlang gingen kicherten.

„Oh mein Gott…wa…warum trage ich ein Kleid?“

„Okay hör zu, du bist in einem Krankenhaus“, sagte Andy ganz langsam, damit Crow auch alles genau verstand.

„Was du da anhast ist ein Patientenkittel, du warst schwer verletzt und solltest dich wieder ins Bett legen!“ Crow starrte Andy verdutzt an. Plötzlich wurden seine Augen zu Schlitzen.

„Du bist einer von ihnen“, zischte Crow. Andy runzelte die Stirn.

„W…was?“

„Wer bist du und was hast du mit Andy gemacht?“

„Crow…ich bin Andy“

„Neihein…nur Androiden würden so langsam reden…du bist ein Android…einer von denen…“

„Brauchen Sie Hilfe, Sir?“ Andy winkte auf die Frage der Krankenschwester ab.

„Komm schon, Crow. Nimm deine Lampe und lass uns ins Zimmer gehen!“

„Das ist eine schöne Lampe, nicht wahr?“, Crow grinste in sich hinein.

„Ja eine wunderbare Lampe“, bestätigte Andy und konnte sich das Schmunzeln nicht verkneifen. Er hätte alles dafür gegeben, wenn jemand diese Szenerie gefilmt hätte. Damit hätte man Crow für alle Ewigkeiten aufziehen können. Vorsichtig half er Crow sich wieder ins Bett zu legen, der Killer schien schlagartig verdammt müde zu sein. Er nickte sogleich ein und murmelte vor sich hin.

„Kratzig…kratzige Bettwäsche“, nuschelte Crow und schnarchte leise. Die Schwester trat zu Andy, es war eine andere, als die die er schon kannte.

„Ist das nun ein gutes Zeichen?“, wollte Andy wissen. Die Schwester nickte.

„Es ist nicht nur ein gutes Zeichen, Sir. Es ist erstaunlich. Dieser Mann muss übermenschliche Kräfte haben, gestern war er noch wie tot und heute steht er halb nackt in der Lobby!“ Andy nickte.

„Er kommt durch, wann kann ich ihn mitnehmen?“

„Oh, das kann noch einige Zeit dauern, die Wunde ist erst frisch genäht. Die Naht ist an einer komplizierten Stelle, sie kann leicht aufbrechen, deshalb sollte er sich nicht zu viel bewegen!“

„Aha“, murmelte Andy.

- So viel Zeit haben wir aber nichtdachte er und biss sich auf die Unterlippe. Schließlich betrat Lyn das Krankenzimmer.

„Morgen“, gähnte sie und streckte sich.

„Morgen“, erwiderte Andy.

„Ich lasse Sie beide nun allein, sollte etwas sein, dann rufen Sie bitte“, sagte die Schwester und bevor sie ging prüfte sie noch die Infusion und verschwand anschließend in den Flur.

„Das ist er?“, fragte Lyn und betrachtete Crow. Andy nickte.

„Sieht heiß aus, der Typ“, grinste das Mädchen und wollte Crow durch sein Haar fahren, als dieser plötzlich ihr Handgelenk packte.

„Andy!“, fuhr Crow hoch.

„Ja?“ Crow musterte Andy intensiv mit seinen bernsteinfarbenen Augen, die zu diesem Zeitpunkt riesig waren mit geweiteten Pupillen. Er umklammerte immer noch Lyns Hand, die ihm einen verschreckten Blick zuwarf.

„Du musst Cat finden!“, sagte Crow.  

„Crow, ich habe keine Ahnung wo sie ist!“, entgegnete Andy.

„Versprich mir, dass du sie findest…finde…sie…“ Crow sank zurück, sein Griff lockerte sich.

„Müll…Fabrik…Müll“, brummte Crow und schlief wieder ein. Lyn musterte Andy skeptisch.

„Wer ist Cat?“, wollte sie wissen.

„Ei…eine Freundin, sie wurde entführt und“, Andy unterbrach sich.

„Ach egal“, beschwichtigte er schließlich. Lyn verdrehte die Augen.

„Du kannst mir ruhig sagen, was hier los ist, ich werd’s schon verkraften“, versicherte Lyn.

„Es geht dich aber einen feuchten Dreck an“, knurrte Andy. Lyn verdrehte die Augen.

„Na klar doch…ich versteh schon.“ Sie ging an ihm vorbei und klopfte Andy auf die Brust.

„Übrigens, dein Freund meint wahrscheinlich die alte Fabrik bei der Müllhalde!“ Andy runzelte die Stirn, während Lyn aus dem Zimmer ging.

„Hey warte…“ Lyn wandte sich um, sie wirkte wieder sehr selbstsicher. Ihr Gesicht war gewaschen und erwartungsvoll sah sie Andy in seine Augen.

„Es gibt dort eine Fabrik?“

„Klar, weißt du denn gar nichts, Mann?“, sagte Lyn verständnislos.

„Okay, wir müssen zurück zum Hafen, aber wir müssen Crow mitnehmen!“

„Sollte der nicht besser hierbleiben? Ich meine er sieht ziemlich müde aus.“

„Es geht nicht anders. Wir warten hier, bis er wieder aufwacht und sie Schmerzmittel ihm nicht weismachen, dass er von Außerirdischen entführt wurde!“

„Hä?“

„Nicht so wichtig“, Andy grinste.

„Und was machen wir inzwischen?“, erkundigte sich Lyn gelangweilt. Andy prüfte seine Taschen. Er hatte keinen Cent dabei.

„Warte kurz“ Andy stiefelte ins Krankenzimmer und suchte Crows Kleidung, die im Schrank war, mit all seinen Waffen. Die Angestellten des Krankenhauses machten sich nicht viele Gedanken darüber, immerhin wurden täglich Menschen ins Krankenhaus eingeliefert, die bewaffnet waren, wahrscheinlich nicht so schwer wie Crow, aber dennoch. Unbewaffnet sollte man sich, vor allem nicht in der Nacht, draußen herumtreiben. Nicht in dieser Gegend. Andy entdeckte schließlich das, wonach er gesucht hatte. Crows Brieftasche.

„Bescheiden“, murmelte Andy. Es befanden sich gerade mal fünfzig Dollar in der Geldbörse.

„Für etwas zu essen reicht es“, sagte er zu Lyn, als er aus dem Zimmer kam und zeigte ihr den Fünfziger.

„Ich denke auch“, stimmte sie zu und die beiden machten sich auf in die Kantine, obwohl Krankenhausessen verschrien war, aber schlimmer als Cat, konnten die Mitarbeiter auch nicht kochen. Cat, Andy machte sich Sorgen, es konnte ihr nicht sonderlich gut ergehen. Andy konnte es Nightmare gar nicht verübeln, dass er so handelte. Andy würde für Michelle wahrscheinlich das Gleiche machen.

„Oh, hier gibt’s Götterspeise“, rief Lyn fröhlich.

„Du solltest etwas Ordentliches essen, nicht solchen Mist“, brummte Andy, worauf ihr Strahlen wieder verschwand.

„Mann, bist du vielleicht übel drauf, Mister. Reiß dich mal zusammen“, murrte sie, worauf sie einen tödlichen Blick von Andy erhielt.

„Du hast keine Ahnung, Flittchen!“ Die beiden schwiegen sich an. Selbst als sie aßen war die Stimmung zwischen ihnen frostig. Andy schlürfte seine Suppe und Lyn aß einen Hamburger. Andy schluckte langsam: „So viel zum Thema ordentliches Essen“, sagte er und nickte zum Schokokuchen, den Lyn sich genommen hatte.

„Lass mich doch. Du hast auch nicht das Gelbe vom Ei gewählt!“

„Besser als das Zeug, das du runter würgst!“

„Halt doch deine Klappe!“

„Halt DU doch deine Klappe!“ Die Leute, die sich in der Kantine befanden tuschelten bereits und warfen den beiden Streitenden verstohlene und belustigte Blicke zu.

„Junge Liebende“, hörte Andy einen alten Mann zu seiner Frau sagen, die lächelnd nickte.

„So ein Quatsch, wir sind kein Paar!“, zischte Andy und stopfte sich sein Essen in den Mund.

„Los komm!“, sprach er mit vollem Mund und zerrte Lyn mit.

„Hey, ich wollte das noch essen“

„Schokokuchen macht fett!“, war das einzige was Andy dazu sagte. Lyn seufzte. Andy suchte die Lobby wieder auf. Ins Zimmer konnten sie gerade nicht, da der Arzt seine Visite machte und Crows Temperatur und seinen Zustand überprüfte. So wartete Andy gemeinsam mit Lyn darauf, dass Crow wiedererwachte, damit sie endlich aufbrechen konnten. Der Arzt trat aus dem Raum und Andy stürmte auf ihn zu.

„Entschuldigen Sie, aber ich würde gerne fragen, ob ich meinen Freund hier nicht schon eher mitnehmen könnte!“ Der Arzt musterte Andy mit einem schiefen Lächeln.

„Er sollte wirklich noch ein paar Tage hierbleiben“, sagte er schließlich.

„Wie viel sind ein paar Tage?“

„Nun ich denke der junge Mann, sollte mindestens noch eine Woche hierbleiben.“  Schlagartig tauchte die Krankenschwester neben dem Arzt auf und überreichte ihm ein Schreiben.

„Hm…keine Krankenversicherung wie?“, raunte er der Schwester zu, die nur nickte. Der Arzt wandte sich lächelnd Andy zu.

„Sie können ihn heute Abend mitnehmen.“ Der Arzt stiefelte den Flur entlang, Andy sah ihm verdutzt hinterher.

„Gar nicht geldgierig“, brummte er, als er zurück zu Lyn schlenderte.

„Und?“, erkundigte sie sich.

„Wir können ihn heute Abend mitnehmen!“

„Das ist doch großartig!“

„Ja!“ Andy warf sich mit einem finsteren Gesichtsausdruck auf die Couch. Lyn kletterte über die Lehne und legte sich neben ihn auf den Bauch. Ihren Kopf stützte sie mit den Armen hoch und musterte Andy mit ihren blauen Augen.

„Und warum bist du dann so stinkig?“, wollte sie schließlich wissen.

„Bin ich doch gar nicht“, verteidigte sich Andy.

„Natürlich nicht“, Lyn rollte mit den Augen.

„Männer“, flüsterte sie.

 ***

„Passen Sie gut auf ihn auf, er sollte sich so wenig wie möglich bewegen, wie sie wissen und diese Tabletten sollte er immer morgens und abends einnehmen, damit die Heilung besser erfolgt und sein Blutkreislauf wieder angekurbelt wird“ Die Krankenschwester, die auch schon bei Muffins Aufenthalt anwesend gewesen war überreichte Andy eine Dose mit Pillen.

„Verstehe“, erwiderte er und nahm die Dose an sich. Noch etwas unkoordiniert und verschlafen lehnte Crow an der Wand, neben ihm stand Lyn, die ihn von Kopf bis Fuß musterte, was ihn, in seiner Schlaftrunkenheit, gar nicht störte. Crow war noch größer als Andy, Lyn mochte große Männer, sie gaben ihr immer das Gefühl geschützt zu sein. Es sei denn sie waren auf etwas Anderes aus, als nur mit ihr unterwegs zu sein.

„Sag mal“, sagte Crow leise, er konnte im Moment nicht lauter sprechen, an Lyn gewandt.

„Hm?“, Er sah sie skeptisch an.

„Wer bist du eigentlich?“, fragte er schließlich.

„Oh, ich bin Madelyn, aber du kannst mich Lyn nennen. Andy hat mich hergebracht, weil ich ihn darum gebeten hatte…“ Lyn erzählte alles, was passiert war und Crow musterte sie mit einem Blick, als hätte er einige Joints geraucht.

„Ja und dann…“ Crow legte plötzlich zwei Finger auf ihren Mund, sie sah ihn verwundert an.

„Du“, er kam ihr ganz nah, Lyn wurde ganz mulmig zu Mute.

„Redest zu viel“, fuhr er schließlich fort und lehnte seinen schweren Kopf wieder an die Wand.

„Tschuldigung“, nuschelte Lyn. Andy kam schließlich hinzu und verkündete, dass sie gehen könnten. Die drei verließen das Krankenhaus, Crow schwankte ein wenig.

„Crow, soll ich dich stützen?“, bat Lyn ihre Hilfe an, worauf Crow verächtlich schnaubte

„Ich kann schon…“, setzte er an, als er plötzlich den Bordstein runter stolperte und beinahe in einen Laternenpfosten knallte.

„Ja…ja vielleicht ist das eine gute Idee“, gab er schließlich klein bei und Lyn griff sich seinen Arm.

„V…Vorsicht, da ist meine Wunde, ja?“

„Keine Sorge, ich pass schon auf“, versicherte Lyn und stützte den Profikiller.

„Hey, was ist das denn?“, fragte sie und tippte auf Crows Shurikengürtel.

„Das ist nichts“, beteuerte Andy schnell.

„Das sind Shuriken“, erklärte stattdessen Crow. Andy hätte sich am liebsten die Handfläche an die Stirn geknallt.

„Crow“, ermahnte er.

„Und was macht man damit?“

„Nun ja…Menschen tö…“

„CROW!“, wurde Crow von Andy energisch unterbrochen. Lyn ließ schließlich Crows Arm los und sah beide Männer erschrocken an.

„Scheiße, ihr seid…ihr seid doch nicht…“ Andy stöhnte genervt.

„Hör zu Lyn, beruhig dich erst mal, okay?“

„Ihr tötet Menschen?“, rief sie aus, worauf ein paar Passanten, die an der Ecke standen und rauchten, hersahen.

„Sei leise, ja?“ Aber Lyn dachte nicht daran.

„Ihr seid Kil…“, daraufhin wurde sie von Crow an die schmutzige Mauer gedrückt, er hielt ihren Hals umklammert, sie rang um Luft.

„Er sagte du sollst leise sein, also halt dein Maul, Schlampe! Kapiert?“ Crow schien wieder ganz der Alte zu sein, vielleicht eine Spur aggressiver als sonst, das war wohl die Wirkung der Schmerzmittel. Unglaublich, wie schnell er in seinem Zustand reagieren konnte und wie stark er trotz seiner schweren Verletzung immer noch war. Lyn nickte und er ließ von ihr ab. Sie rutschte zu Boden und umklammerte verschreckt ihre Knie. Sie weinte ungehemmt. Andy begab sich auf ihre Augenhöhe hinab.

„Lyn, wir tun dir nichts, du musst keine Angst haben.“

„Weiß er das auch?“, schluchzte sie und nickte zu Crow, der zornig schnaubte.

„Du darfst hier einfach nicht so rumbrüllen, wir haben mächtigen Ärger, verstehst du und es ist wichtig, dass wir ungesehen zum Hafen zurückkommen.“

„Wer darf euch nicht sehen?“ Andy sah zu Crow auf, der nur mit den Schultern zuckte.

„Die schnaubende Nachtmähre“, lächelte Crow verbittert.

„Einer unserer Organisation hat den Auftrag uns alle kalt zu machen, deshalb bitte ich dich, sei leise, wenn dir die Sache zu heiß wird, steht es dir frei zu gehen, du musst nicht mit uns kommen!“ Lyn sah Andy lange an.

„Darf ich denn überhaupt mitkommen?“, flüsterte sie wimmernd. Andy lächelte sie an. Crow murmelte etwas Unverständliches, allerdings vermutete Andy, dass er es wohl nicht so toll fand, dass Lyn sie begleiten sollte.

„Klar doch!“ Er half ihr hoch und Lyn sah Crow direkt in seine Augen.

„Was glotzt du so? Erwartest du eine Entschuldigung?“, knurrte dieser.

„Nein, ich hab mich nur gefragt, ob du noch Hilfe beim Laufen brauchst“ Crow sog geräuschvoll die Luft ein. Andy musste schmunzeln, Crow schien offenbar damit überfordert zu sein, dass Lyn nicht im Geringsten sauer war.

„Ach…vielleicht, ja“ Sie grinste hinterlistig.

 

 

„Dann komm du böse Vogelscheuche!“ Crow warf Andy einen genervten Blick zu, dieser grinste lediglich dümmlich, und zu Lyn gewandt sprach er: „Sei froh, dass ich nicht ganz bei Kräften bin, Bordsteinschwalbe!“

***

Nightmare stand auf dem Dach eines Wohnhauses und überblickte das ganze Viertel.

- Wo seid ihr- dachte er und ließ seinen Blick über die Straßen schweifen. Als ob er von hier aus irgendetwas erkennen würde. Unwillkürlich wandte er seinen Blick nach rechts und erspähte die hohen Wolkenkratzer der Oberschicht, die leuchtenden Reklametafeln. Diese Leute dort hatten überhaupt keine Probleme, die wussten nicht, wie es hier zu ging, wie leidvoll es hier für die Menschen war. Diese vollgestopften Schweine mit ihren schönen Kleidern und Autos, so sehr sie es auch versuchten ihr wahres Erscheinungsbild zu verstecken, Schweine blieben Schweine. Nightmare dachte daran, wie viele von diesen Oberschichtlern er schon eliminiert hatte. Und das noch recht schmerzlos. Manchmal ging allerdings die Fantasie mit ihm durch, manchmal hörte er die Stimme seiner Mutter, die ihn als Weichei bezeichnete, ihn verhöhnte, ihn für schwach hielt.

„Oh nein Mutter, ich bin nicht schwach“, flüsterte Nightmare. Er konnte es ertragen Menschen qualvoll sterben zu sehen. Manchmal musste er unheilvoll lächeln, wenn er an so manchen Folterakt dachte, den er sich erlaubte. Künstlerische Freiheit.

Seinen Ruf hatte sich der Killer dadurch verdient, dass er ein wenig Leben in seinen Opfern ließ, damit sie zwar noch berichten konnten, allerdings nicht überlebten. Der Schrecken der Nacht, Nightmare war wohl das einzige gewesen, worüber sich die Big Bosse Sorgen machten. Nein, seine Mutter hatte Unrecht, er war kein Weichei, keine Lusche, keine Memme, all das war er nicht und ist es nie gewesen. Er hat doch alles für sie getan, warum nur musste sie so eine verfluchte Hexe sein.

„Ich bin nicht schwach“, flüsterte er erneut und eine leichte Windbrise brachte kalte Luft, doch ließ sie ihn nicht frösteln. All die Todesschreie, sie hatten ihn nicht verrückt gemacht, all das Blut hat ihn nicht verstört, all die Furcht in den Augen, sie ließ ihn nicht zögern. Nein, ihn nicht, denn er war stark genug, all dies zu verkraften. Seine Erinnerungen führten ihn immer tiefer in das unergründliche Land seiner Seele. Es war so dunkel dort, nur ein paar Erinnerungen waren mit einem weißen Schleier gesäumt, ein strahlendes Licht. Cat lächelte ihn verlegen an, als er durch ihre Tollpatschigkeit in die Villa gestolpert kam.

Cat strahlte fröhlich, als sie ihm ihren Welpen zeigte. Der haarige Ed, war schon damals ein Wollknäuel gewesen, an dem man Vorne von Hinten nicht unterscheiden konnte. Cat entschuldigte sich mit einer selbstbestrafenden Kopfnuss, da sie die Suppe über seinen Schoß geleert hatte. Cat, nur Cat war ein Lichtblick in seinem trostlosen Leben, egal was sie angestellt hatte, es waren immer schöne Erinnerungen, nichts Schlechtes verband

Nightmare mit ihr. Sie war sein Inbegriff von Glückseligkeit, solange sie da war, war alles gut. So lange Cat lächelte, war alles in Ordnung.

Cats Lächeln, das war es, das war das einzige, das ihn schwach machte. Doch nun lächelte sie nicht mehr. Sie war dem Tod geweiht und nun lag es an ihm, seinen Lichtblick zu retten. Sein Leben war ihm niemals so wichtig, wie das von Cat. 

„Du musst wieder lächeln. Egal wie es ausgeht“, murmelte er während er in der Dunkelheit verschwand.

***

„Oh Mann…ich hab vielleicht einen Kohldampf“, beschwerte sich Crow.

„Lass uns was essen“, bettelte er. Andy seufzte.

„Wir haben keine Zeit, es ist noch ein langer Weg, Crow!“ Crow schnaubte, mittlerweile waren seine Muskeln wieder funktionsfähig genug, dass er alleine laufen konnte. Er kramte in seinen Taschen.

„Hey…wo ist mein Geld hin?“ Lyn und Andy sahen sich an.  

„Keine Ahnung, wovon du sprichst“, entgegnete Andy und sah schnell zu Boden, als Crow ihn anstarrte.

„Oh natürlich, ihr beide stopft euch den Bauch mit meinem Geld voll und ich verhungere hier!“

„Ach komm, so abgemagert bist du nun auch wieder nicht“, stellte Lyn fest und klopfte Crow auf seinen Bauch.

„Lass das“, zischte dieser und schlug ihre Hand weg, worauf sie sich kichernd zurückzog.

„Ich will jetzt etwas essen!“, motzte Crow und blieb stehen. Andy verdrehte genervt die Augen.

„Und wie willst du das bezahlen?“ Plötzlich hielt ihm Crow zwei Hunderterscheine vor die Nase.

„Aber…woher…woher“, stotterte Andy.

„Hab ein Geheimfach“, erwiderte Crow grinsend.

„Dort drüben…da gibt’s doch etwas!“

„Cosa Nostra…da willst du wirklich rein?“, fragte Lyn. Crow zuckte mit den Schultern.

„Warum nicht?“

„Ach nur so, da trifft sich bloß die Mafia gerne“, entgegnete Lyn sachlich. Wieder zuckte Crow mit seinen Schultern.

„Wenn sie gut kochen kann, soll’s mir Recht sein.“ Crow stiefelte den beiden voran in das Lokal. Tatsächlich wirkten die Gäste wie aus einem dieser Mafiafilme. In schwarz gekleidete Männer, top gestylt, Zigarren rauchend, starrten die Ankömmlinge an, als wären sie Gespenster.

„Abend“, grüßte Crow, ohne die Blicke zu bemerken. Andy fühlte sich mehr als unwohl. Crow ließ sich stöhnend auf einem der Holzstühle sinken und schnappte sich sogleich die Speisekarte.

„Ich hoffe die haben noch warme Küche“, meinte er.

„Crow, ich denke wir sollten hier besser verschwinden“, bemerkte Andy. Crow ließ die Karte sinken.

„Hast du Schiss, Engelchen?“

„Engelchen?“, wiederholte Lyn amüsiert. Andy knurrte missmutig.

„Ja…eventuell, siehst du die Typen nicht?“

„Doch, aber die tun doch niemanden etwas, oder hast du Schwierigkeiten mit denen, dann solltest du mir das jetzt sagen.“

„Nein, ich hab keine Schwierigkeiten!“

„Wo ist dann das Problem?“ Crow schüttelte verständnislos den Kopf und widmete sich wieder der Karte.

„Haben Sie schon gewählt?“, ein Mann mit einem gigantischen Schnurrbart stand am Tisch.

„Oh ja, ich nehme die große Nudelgerichtpfanne für vier Personen…und was wollt ihr?“ Lyn sah zu Andy, der die Augenbrauen hob.

„Ähm, für mich nur ein kleiner Salat“, sagte Andy.

„Ich auch“, rief Lyn schnell.

„Zum Essen vielleicht etwas Wein?“, wollte der Ober wissen und lächelte in die Runde.

„Oh ja gern“, platzte es aus Lyn heraus. Crow und Andy musterten sie skeptisch.

„Ihr…ihr wollt doch Wein… oder?“ Lyn lächelte dümmlich.

„Klar doch. Alkohol und Schmerztabletten…sicher eine gute Kombi“, lächelte Crow zurück.

„Fein, ich bringe Ihnen gleich eine Karaffe!“ Der Ober verschwand in der Küche.

„Also den Sarkasmus hat er jetzt nicht gerafft“, stellte Andy fest. Einige Männer standen auf und verließen das Lokal. Sie hatten es offenbar sehr eilig, nun waren Andy, Crow und Lyn die einzigen Gäste, die übrigblieben, bis auf einen Mann, der allerdings kurze Zeit später in den ersten Stock verschwand. Der Ober brachte die Karaffe und füllte allen ein Viertel ein.

„Bianco Alcamo, ich hoffe er mundet“, erklärte er und verschwand sogleich wieder in der Küche.

„Mhm…geruchsneutral…“ Gekonnt schwenkte Lyn ihr Glas und nippte.

„Trocken im Geschmack!“ Andy und Crow sahen sie verdutzt an.

„Passt, denke ich, gut zum Essen“, erklärte Lyn schließlich.

„Aha“, murmelten Crow und Andy gleichzeitig. Endlich erschien der Ober auch mit Crows lang ersehnten Nudeln, die Salate brachte er gleich darauf.

„Buon appetito“, wünschte der Ober und lächelnd räumte er die anderen Tische ab, um die Gläser hinter der Theke zu waschen.

„Mahlzeit“, brummte Crow und schlang sogleich die ersten Nudeln hinunter. Auf gutes Benehmen verzichtete er allerdings. Andy stocherte in seinem Salat herum, er hatte eigentlich keinen Hunger.

„Isst du das noch?“, wollte Crow wissen.

„Nei…“ Andy konnte nicht einmal dieses kurze Wort aussprechen, hatte Crow sich seinen Salat gegriffen. Es schien als hätte der junge Mann seit Ewigkeiten nichts gegessen.

„Du frisst ja wie ein Schwein“, bemerkte Lyn und hatte damit das gesagt, was sich Andy gedacht hatte.

„Na und?“, knurrte Crow.

„Wie kannst du nur viel essen?“, wollte sie wissen und schüttelte verständnislos den Kopf.

„Hey, von den Toten aufzuerstehen braucht viel Kraft und jetzt lass mich!“, entgegnete Crow gereizt. Unvermittelt schwang die Tür auf und zwei Männer traten ein. Lyn jappte auf.

„Was ist?“, wollte Andy wissen.

„Na sieh mal einer an, wer da ist“, der Mann mit den kurzen blondierten Haaren und dem kleinen goldenen Ohrring grinste hässlich, als er Lyn erblickte. Andy wusste bereits wer diese Typen waren und machte sich auf alles bereit. Crow hingegen aß unbeirrt weiter und ließ sich nicht stören. Auch nicht, als Hank, der Blondschopf, mit der flachen Hand auf den Tisch schlug, sodass die Weingläser erzitterten.

„Was denkst du überhaupt, wer du bist, hä?“

„Ich…“, setzte Lyn an, aber wurde von Archie einem reichlich tätowierten, stämmigen Burschen unterbrochen.

„Wo ist das Geld für den Boss, Schlampe?“

„Hey, jetzt mach mal halblang“, mischte sich Andy schließlich ein, worauf er ein schiefes Lächeln der beiden Männer erntete.

„Ein Bürschchen wie du, hat uns gar nichts zu befehlen! Klar… Bürschchen?“, lachte Hank und Archie grinste.

„Also Lyn…das Geld“, richtete Archie sein Augenmerk auf die eigentliche Sache.

„Ich…ich hab es nicht“, murmelte sie kleinlaut.

„Was? Ich hab mich wohl verhört? Was sagst du da…?“, sagte Archie.

„Ich hab es nicht!“, rief Lyn zornig und erhob sich von ihrem Stuhl.

„Und ich werde auch nie mehr welches haben, denn ich höre auf!“ Hank lachte schallend auf.

„Glaubst du wirklich, dass das so einfach ist, Püppi? Du wirst jetzt mit uns kommen und…“

„Nein, das wird sie nicht“, unterbrach Andy Hank und erhob sich ebenfalls. Andy war zwar größer, als die beiden Männer, allerdings schien er körperlich unterlegen zu sein.

„Ach und wer sagt das?“, spottete Hank.

„Ich sag das, du Kotzbrocken!“, bellte Andy.

„Ha, dass ich nicht lache“, Hank packte Andy, der auf ihn zugetreten war und warf ihn gegen den Tisch, worauf Crows Nudelgericht auf den Boden landete. Ein böses Karma schien sich im ganzen Raum zu entfalten, als Crow auf den Boden starrte, sein Augenlid begann zu zucken.

„Das wollte ich noch essen“, knurrte er wütend, die Faust um die Gabel geballt, sie er sogleich in Hanks Oberschenkel versenkte. Dieser jaulte auf und versuchte sich humpelnd die Gabel aus seinem Fleisch zu ziehen. Der Ober hinter der Theke duckte sich weg, er wollte mit dem Geschehen nichts zu tun haben. Crow erhob sich, sein Stuhl fiel rücklings um und er trat auf Hank zu, um ihm einen Hieb zu verpassen, der die Wirbel in Hanks Genick nur so Knacken ließ.

„Hank!“, rief Archie und stürmte auf den einprügelnden Crow zu, allerdings wandte sich dieser schnell um und ein Shuriken bohrte seine Zacken direkt in Archies Weichteile.

„Ups…schlechtes Ziel heute“, murmelte Crow. Entmannt wand sich Archie am Boden, heulte wie ein kleines Mädchen.

„W…was bist du für ein Typ?“, wimmerte Hank, dessen Gesicht blutüberströmt war, er stützte sich keuchend an einem Tisch ab. Crow wandte sich ihm zu, seine Augen funkelten.

„Ein hungriger Typ!“, entgegnete er.

„Sagt eurem Boss, dass seine Schwalbe jetzt zu uns gehört!“ Archie richtete sich zitternd auf. Crow hatte sich von den beiden abgewandt und wollte eigentlich aus dem Lokal verschwinden, als Archie brüllte:

„Hey Arschloch, nur über meine Leiche!“

„Kannst du gerne haben“, flüsterte Crow. Unheimlich schnell zischte ein Wurfstern durch die Luft, der in Archies Augen stecken blieb.

„Na wer sagt’s denn“, strahlte Crow wie ein Honigkuchenpferd.

„Hast du auch noch etwas zu melden?“, kläffte er zu Hank, der nur den Kopf schüttelte.

„Ah, gut, dass mich dieser Idiot aufgehalten hat, ich hätte fast vergessen“, Crow hielt in seinen Worten inne und ging zu der Theke, der Ober saß zitternd am Boden. Crow klatschte ihm sein gesamtes Geld auf den Tisch.

„Für die Unannehmlichkeiten… kleines Trinkgeld!“

„V-v-vielen...Dank…S-S-Sir”, stotterte der Mann und nickte hastig mit seinem Kopf um seine Aussage zu bestätigen.

„Los, wir verschwinden!“, herrschte Crow und die beiden anderen folgten ihm zur Tür hinaus. Lyn war völlig überfordert mit der Situation. War das gerade wirklich passiert? Hatte dieser Crow tatsächlich Archie getötet und Hank eine solche Tracht Prügel verpasst, dass dieser wie ein Schoßhündchen gehorchte?

„Ähm Danke“, platzte es plötzlich aus ihr heraus.

„Wofür denn?“, forschte Crow genervt.

„Ähm nun ja…für vorhin, ich meine…“

„Das war nur wegen dem Essen, sie haben mir meine Nudeln versaut und jetzt habe ich mir dafür etwas Anderes genommen…Nudel um Nudel“, bellte Crow. Lyn ließ es dabei. Crow stiefelte den beiden voran.

„Andy?“, murmelte Lyn leise.

„Hm?“

„Auch dir Danke, du warst sehr mutig.“ Er sah sie an, sie lächelte leicht.

„Ach…Crow hat die ganze Arbeit gemacht“, winkte Andy ab. Er war überrascht, dass Crow keinerlei Schmerzen hatte, hatte er sich doch relativ hastig bewegt. 

„Aber du hast dich für mich eingesetzt!“ Unerwartet küsste Lyn ihn flüchtig auf die Lippen.

„Danke“, wiederholte sie und lief zu Crow vor. Vor den Kopf gestoßen, verharrte Andy noch einige Sekunden regungslos. Sein Herz klopfte bis zum Hals und endlich musste auch er lächeln.

 ***

„Was treiben die Kerle bloß so lange“, ärgerte sich Muffin. Insgeheim überlegte er, ob Nightmare seine Finger im Spiel hatte. Michelle und Zodiak spielten Karten auf der Couch. Zodiak hatte zuvor versucht den kleinen Radio Musik zu entlocken, aber das Gerät hatte die gesamte Zeit beharrlich gerauscht. Muffin verfolgte das Kartenspiel einen Moment, bis er Zodiak vorwarf: „Machst du dir denn überhaupt keine Sorgen?“ Zodiak wandte seinen Blick nicht von seinen Karten.

„Hast du eine Fünf?“, fragte er. Michelle stöhnte genervt.

„Wir spielen Poker!“

„Oh, stimmt ja“, gluckste Zodiak.

„Ich will sehn“, forderte er anschließend.

„Ich habe eine Straße!“, sagte Michelle und Zodiak warf seine Karten auf den Stapel.

„Ach, du hast schon wieder gewonnen“, schmollte er. Muffin schnaubte entrüstet.

„Hast du etwas gesagt, Muffin?“, erkundigte sich Zodiak unschuldig.  

„Ich sagte…ach vergiss es“, winkte Muffin sogleich ab. Michelle sprang auf, um das Glas Wasser zu holen, das sie zuvor am Fensterbrett hatte stehen lassen. Sie nippte daran, stellte es ab, nahm es gleich darauf wieder an sich, nippte abermals, atmete erleichtert aus und berichtete: „Sie kommen!“ Muffin stürzte zum Fenster.

„Gott sei Dank!“ Michelle rannte zur Tür, um Andy zu begrüßen. Sie hopste die Stufen des Motels hinunter und erkannte Andy an der Rezeption.

„Andy!“, rief sie mit einem strahlenden Lächeln.

„Hey Michelle“, winkte Andy zu ihr rüber. Sie wollte ihn umarmen, als sie in ihrer Bewegung innehielt und mit abfälligen Unterton fragte: „Wer ist das denn?“ Michelle hatte Lyn entdeckt, die sich wie gewohnt vorstellte: „Hi ich bin Madelyn, aber du kannst mich Lyn nennen.“ 

„Hallo…Madelyn“, brummte Michelle, den vollständigen Namen des Mädchens bewusst aussprechend.

„Oh Mann…ich hab vielleicht gekotzt“, prustete Crow, als er zur Tür rein kam. Die Dame an der Rezeption musterte ihn angewidert.

„Das kommt von den vielen Nudeln“, meinte Andy.

„Hey, haben Sie vielleicht ein wenig Wasser?“, wollte Crow von ihr wissen und ignorierte Andys Worte.

„Nur das, was sich in der Blumenvase befindet und das…“ Crow entfernte die Blumen und soff das Wasser aus der Vase. Als er es schluckte verzog sich seine Miene angeekelt.

„Sollten Sie nicht trinken, wollte ich sagen“, beendete die Dame ihren Satz und rückte ihre Brille zurecht.

„Bäh…das schmeckt wie Pisse!“

„Das ist Pisse“, scherzte Lyn, worauf Crow ihr einen feindseligen Blick zuwarf.

„Ihr Schlüssel“, Andy nahm den Zimmerschlüssel entgegen.

„Kommt“, sagte er und nahm Michelle an die Hand, die Lyn die Zunge rausstreckte.

„Was hat die Kleine gegen mich?“, wollte Lyn wissen, die noch mit Crow an der Rezeption stand.

„Du spannst ihr Andy aus“, lachte er belustigt, verzog allerdings seine Miene schnell wieder.

„Uah, ist mir schlecht!“ Lyn watschelte hinter Crow her, der gekrümmt die Treppen in den ersten Stock hochstieg.

„Da könnte sie sogar Recht haben“, grinste Lyn. Direkt nach Crow, der ins Zimmer schlurfte und sich sofort auf das Bett warf, betrat auch sie das Zimmer. Crow hatte sich zu stürmisch hingelegt und jaulte wie ein Schlosshund, da sich seine Verletzung bemerkbar machte.

„Crow, jetzt halt doch die Klappe“, kläffte Andy.

„Ich sterbe…gib mir meine Schmerztabletten“, forderte Crow.

„Du hast vorhin schon zwei genommen“, gab Andy zurück.

„Die hab ich vorhin ausgekotzt! Jetzt gib mir die verdammten Pillen!“, krähte Crow, worauf Andy seufzend nachgab und ihm die Dose übergab.

„Da seid ihr ja endlich“, Muffin war ins Zimmer getreten.

„Ich hab mir Sorgen gemacht“, sagte er und starrte Lyn verdutzt an, die ihn fröhlich anlächelte.

„Ähm…wer ist das?“

„Madelyn“, entgegnete Michelle bevor Lyn sich vorstellen konnte.

„Aha“, murmelte Muffin.

„Du kannst mich aber Lyn nennen“, beendete Lyn ihre gewohnte Standardvorstellung. Zodiak war ebenfalls in der Tür aufgetaucht. 

„Sagt Mal, von anklopfen haltet ihr nichts, oder?“, brummte Crow genervt.

„Wieso anklopfen…die Tür steht doch sperrangelweit offen“, bemerkte Zodiak, worauf Crow nichts erwiderte, außer einem abfälligen Schnauben.

„Wie geht’s dir, Crow?“, wollte Zodiak anschließend wissen.

„Ihm ist schlecht“, antwortete Andy, bevor Crow reagierte.

„Es geht“, meinte Crow darauf. Zodiak nickte.

„Unkraut vergeht nicht, hm? Du bist vielleicht ein Stehaufmännchen!“ Crow gähnte ungehalten. Das Schmerzmittel wirkte schnell, da Crow es auf leeren Magen genommen hatte.

„Also für morgen ist alles klargemacht“, wechselte Muffin das Thema.

„Was ist klargemacht?“, wollte Crow wissen.

„Na für unseren Abflug, aus diesem Drecksloch“, erklärte Muffin.

„Ich habe die Tickets reserviert und wir können morgen…“

„Nein, das kommt überhaupt nicht in Frage“, mischte sich Crow ein.

„Was meinst du denn jetzt schon wieder?“ Muffin schien verärgert.

„Wir müssen in die alte Fabrik bei der Müllhalde…um Cat zu retten“, verkündete Crow und gähnte abermals.

„Aber erst morgen…“

„Bist du verrückt? Nightmare wird uns töten!“, warf Muffin ein.

„Muffin, wir müssen es versuchen, wir können sie doch nicht zurücklassen…sie ist in Gefahr“, sagte Andy.

„Aber ich…“

„Wenn Cat gerettet ist, wird auch Nightmare aufhören uns zu jagen“, äußerte Zodiak und war somit auf der Seite der beiden anderen. Alle drei nickten, sich gegenseitig zustimmend.

„Und woher wollen wir das wissen?“, fragte Muffin. Crow zuckte mit den Schultern.

„Wir wissen es nicht!“

„Na toll…macht doch was ihr wollt, aber ohne mich…ich hau ab!“ Crow richtete sich auf und starrte Muffin mit einem seiner grimmigsten Blicke an.

„Oh nein, das wirst du schön bleiben lassen, Sahnetörtchen! Du hast Cat noch eine Schuldigkeit zu erweisen…“

„Ich…“

„Du hast die Wahl, entweder du kommst mit uns und rettest mit uns zusammen Cat oder ich reiß dir jetzt sofort die Eingeweide raus!“ Alle anderen, selbst Michelle, musterten Muffin mit einem vorwurfsvollen Blick. Dieser gab sich geschlagen und seufzte.

„Schon gut…gut ich komme mit euch!“

„Na das will ich wohl hoffen“, knurrte Crow und lehnte sich wieder zurück.

„Und jetzt raus hier…ich will schlafen“, bellte er sogleich, worauf Zodiak Michelle aus dem Zimmer schob, die sich sträubte.

„Ich möchte bei Andy schlafen!“

„Andy hat viel durchgemacht, der braucht viel Ruhe, spielen wir lieber noch ein wenig Poker“, versuchte Zodiak Michelle zu überzeugen.

„Ich mach dich fertig“, prophezeite sie und ging mit Zodiak gemeinsam in das andere Zimmer hinüber, dicht gefolgt von Muffin.

„Und jetzt?“, fragte Lyn, als sich die Tür geschlossen hatte.

„Hier gibt’s nur ein Bett und ein…“, sie musterte das alte Feldbett, das aussah als würde es jeden Moment zusammenbrechen. Das Bett stand anstatt einer Couch in diesem Zimmer, das deutlich zu klein für drei Personen war.

„Ich bin verwundet, ich muss im Bett schlafen“, sprach Crow und rekelte sich. Andy sah Lyn an, die ins Bett zu Crow sprang.

„Ich schlaf auch im Bett“, rief sie vergnügt.

„Nein…ich war zuerst hier“, beschwerte sich Crow.

„Das Bett ist groß genug für zwei, rutsch einfach ein wenig rüber!“

„Ich bin verwundet!“ Lyn brachte Crow dazu sich weiter nach rechts zu begeben, indem sie ihm einen Stoß verpasste.

„Ah…pass doch auf, meine Wunde!“, jammerte Crow und ungewollt standen ihm Tränen in den Augen, die der Schmerz zum Vorschein brachte.

„Sei nicht so wehleidig“, entgegnete Lyn mitleidslos. Danach brach ein Streit um das Kopfkissen aus, das Crow allerdings behielt. Andy schüttelte bedauernd den Kopf und tastete das Feldbett ab. Es war zwar steinhart wie ein Brett, aber es würde für eine Nacht seine Dienste erfüllen. Lyn und Crow teilten sich die Bettdecke und Andy löschte das Licht. Einige Minuten war es ruhig. Andy schloss seine Augen.

„Du ziehst mir die Decke weg“, zischte Lyn.

„So kalt ist es nicht!“

„Wir wollten sie teilen!“ Lyn riss an der Decke, die Crow eisern festhielt.

„Tun wir doch!“ Lyn wedelte mit dem letzten Zipfel, den sie noch von der Decke besaß vor Crows Gesicht.

„Das nennst du teilen?“ Crow schnaubte genervt.

„Ich bin älter, ich bekomm die Decke.“ Lyn zog abermals an der Decke.

„Jetzt…gib schon…die Decke her!“ Plötzlich vernahm Andy einen dumpfen Aufprall und schlagartig ging das Licht wieder an.

„Du blöde Kuh!“, brüllte Crow, er war durch Lyns Einfluss aus dem Bett gefallen, genau auf seine Verletzung, die höllisch schmerzte. Crow verprügelte Lyn mit dem Kopfkissen.

„Du doofe…doofe…“

„Hör auf…hör auf“, kreischte Lyn. Andy richtete sich auf und warf seine Decke auf das Bett.

„Hier…und jetzt haltet die Klappe und schlaft endlich!“, befahl er. Crow hatte aufgehört Lyn das Kopfkissen über den Schädel zu ziehen. Ihre Haare waren durch das ständige Schlagen elektrostatisch und standen ihr sprichwörtlich zu Berge. Crows Augen funkelten, als er sich wieder hinlegte. Lyn musterte ihn finster.

„Gute Nacht“, sagte Andy und löschte das Licht. Doch die erhoffte Ruhe blieb aus.

„Was wälzt du dich denn so rum“, keifte Crow genervt.

„Ich kann mit den Klamotten nicht richtig einschlafen…ich muss sie…“ Crow und Andy vernahmen das Geräusch eines sich öffnenden Reißverschlusses.

„Ah viel besser, aber der BH stört irgendwie auch…“ 

„Hast du gerade…“, setzte Crow an und war dabei sich zu erheben, um nach dem Lichtschalter zu tasten.

„Wag es nicht das Licht anzumachen“, knurrte Andy.

„Aber…“, wollte Crow einwenden.

„Und du…wag es nicht deinen BH auszuziehen!“

„Aber Andy“, hörte er Lyn mit verständnislosem Unterton sprechen.

„Seid endlich ruhig…bitte…ich dreh sonst noch durch!“ Beide Streithähne brummten missmutig.

„Gute Nacht“, versuchte es Andy erneut. Einige Zeit lauschte er dem feindseligen Geflüster, bis es endlich still wurde. Beide schienen von dem ganzen Gerangel und streiten müde geworden zu sein. Endlich ruhig, endlich still. Andy seufzte und dankte insgeheim dem Herrn, dass Crows Schmerztabletten anscheinend wirkten und Lyn müde geworden war.

- Gute Nacht- wünschte er sich selbst und konnte zu guter Letzt einschlafen.

 

Kapitel 27

 

„Parker…Parker!“, vernahm er seinen Namen, ausgesprochen mit einem gequälten Unterton. Parker wandte sich um und erblickte Chantal, die sich im Bürosessel drehte und Luftlöcher starrte.

„Hm?“, brummte er nur.

„Wie lange…wie lange dauert es denn noch? Ich habe keine Lust mehr…“ Parker sah hinunter zu Cat, die vor sich hinsang, es ging ihr Dank seiner unverhofften Hilfe etwas besser, aber lange würde sie wohl nicht mehr durchhalten.

„Nun ja…ich denke der Killer braucht noch ein wenig Zeit“, murmelte er und Chantal sprang plötzlich vom Sessel.

„Natürlich…die laufen herum wie die aufgescheuchten Hühner, völlig verängstigt“, ein finsteres Lächeln huschte über ihre roten Lippen, bei ihrer Vorstellung. Chantal war vollkommen anders, als sie sich den Killern gegenüber gegeben hatte. Parker fand, dass sie verrückt war, obwohl das Wort verrückt viel zu milde klang.

Geistesgestört würde ihrer Mentalität schon eher Ausdruck verleihen. Sie war keineswegs das Profikillerluder, für die sie die Mitglieder der Organisation hielten, nein sie war innerlich völlig zerstört, nicht mehr bei Verstand. Alles hatte vor zwei Jahren begonnen, Parker erinnerte sich noch ganz genau, früher war Chantal eine ganz normale Frau gewesen. Sie hatte einen kleinen Sohn mit dem Namen Eric und sie war eine Bilderbuchmutter gewesen. Ihr Mann Rick kam jeden Abend pünktlich um sechs Uhr nach Hause, alles stimmte, alles passte, das Kind war fleißig in der Schule, der Ehemann ein begnadeter Manager und sie war eine gute Ehefrau, die unglaubliche Kuchenkreationen erschuf. Es gab damals anlässlich Erics Geburtstages eine Apfelsahnetorte. Das war auch der Tag gewesen, an dem sich alles ändern sollte. Chantal entdeckte nämlich an jenem Tag die geheimen E-Mails ihres Mannes. E-Mails in denen er mit anderen Frauen Kontakt hielt, massenhaft Frauen, mit denen er seine treue Ehefrau betrog.

Chantals Welt schien mit einem Schlag aus den Fugen zu geraten. Die Fassade der guten Ehe bröckelte. In ihr keimte der Gedanke, wie unglücklich sie doch eigentlich war. Frustriert und trotz Familie einsam und allein gelassen. Sie wurde nicht geschätzt und nicht geachtet, obwohl sie doch stets bemüht darum war, diese Ehe am Laufen zu halten. Sie stellte Rick zur Rede, der allerdings nicht wusste, was er ihr mitteilen sollte. Anstatt sich zu entschuldigen warf ihr, dreist wie er war, vor, dass sie an seinen E-Mails nicht die geringste Spur verloren habe.

Immer bin ich für dich da, koche, halte das Haus sauber, versorgte deine Mutter und versorge dich rund um die Uhr und so dankst du mir das? Ich habe mich um deine Mutter gekümmert und du betrügst mich?“, brüllte sie ihn an, Parker konnte sie genau vor sich sehen, wie sie völlig aufgelöst vor ihrem Mann stand und ihre Trauer und ihren Schmerz nicht zügeln konnte.

Ach, nun reg dich doch nicht so künstlich auf, deine

Dienste kann außerdem jede Putzfrau machen“, hörte Parker Ricks Stimme, der sich nicht schuldig fühlte, als hätte er das Recht andere Frauen zu treffen. Er tat so, als wäre Chantal nicht mehr als eine Bedienstete in seinem Haus.

Eine…Putzfrau?“, die Trauer verwandelte sich in blanken Hass, puren Zorn und ehe man sich versah hatte Chantal das große Küchenmesser in die Hand genommen, mit dem sie zuvor Erics Kuchen angeschnitten hatte und mit dem sie nun die Brust ihres Ehemannes aufschlitzte. Parker hörte die Schreie von Eric, Parker sah die Gäste kreischend flüchten, wobei Chantal einige von ihnen in ihrem Blutrausch ebenfalls eliminierte.

Hör auf, Mama, du hast Papa getötet…ich hasse dich…ich hasse dich!“, hatte ihr Kind geplärrt. Eric war schließlich auf seine Mutter zu gerannt, die allerdings blind vor Wut gewesen war und ihrem Sohn die Kehle mit dem blutigen Messer aufschlitzte, was den Amoklauf abrupt beendete.

W…was hab ich getan?“, flüsterte Chantal, als der kleine Eric röchelnd in ihre Arme gesunken war.

Was hab ich getan?!“, plärrte sie und daraufhin hatte sich Parker ihrer angenommen.

Komm“, sprach er damals zu ihr und hielt ihr seine Hand entgegen. Sie hatte ihn verstört gemustert, während er nur auffordernd nickte. Parker hatte Chantals zitternde Hand gefasst.

Ich…ich musste das tun“, sagte sie plötzlich, als die beiden das Haus verließen und in Chantals Wagen stiegen. Ihr Blick war so beängstigend gewesen, so leer und hohl, kalt und gefühllos.

So?“, entgegnete Parker knapp.

Ja…der Racheengel des Herrn hat mich geführt…sie haben gegen die Gebote verstoßen, gegen die Gebote verstoßen. Du sollst nicht Ehe brechen, Rick. Du sollst Vater und Mutter ehren, Eric!“ Parker hatte Chantal einen kurzen Blick zugeworfen.

Du sollst nicht morden, Chantal“, hatte er gesprochen, worauf sie nur gelacht hatte. Schallend gelacht, dieses unheimliche Kichern, das hatte sie sich damals angewöhnt.

Verstehst du nicht Parker…ich handle im Namen des Herrn…ich soll die Welt von all jenen befreien, die das Wort des Herrn in den Dreck ziehen…die nicht ehren was er geschaffen…ich bin sein Engel…sein Engel der Vollstreckung!

Parker seufzte, seine Erinnerung brach ab. Seit diesem Tag war Chantal nicht mehr die, die sie einmal gewesen war. Unverfroren musste Parker grinsen. Gerade diese verwirrten Gedanken, ihre gesamte psychische Störung waren das, was ihm an ihr gefiel. Genau das war es, was er zum Leben brauchte.  

 

 

***

Naiv genug, um zu glauben, dass er dich liebt“ Cat hatte Kopfschmerzen, es war als würde ein Vorschlaghammer in ihrem Kopf arbeiten, ein Bauarbeiter mit einem gelben Schutzhelm bediente ihn. Er trug eine blaue Latzhose, sehr geschickt von ihm, so konnte seine Hose nicht runterrutschen, wenn er sich bückte und er würde niemandem ungewollt das berühmte Bauarbeiterdekolleté zeigen. Cat schüttelte benommen ihren Kopf, sie versuchte ihre Gedanken wieder zu sammeln und nicht an den Bauarbeiter zu denken. Allerdings wollte sie sich auch nicht an die Worte dieser Frau erinnern. Sie hatten ihr einen Stich versetzt, direkt ins Herz, dorthin hatte schon lange niemand mehr getroffen, auch wenn gezielt wurde, niemand hatte es zu Stande gebracht. Ja, eventuell war Cat ein klein wenig naiv, vielleicht lebte sie auch ein wenig zu sehr in ihrer heilen Welt, womöglich glaubte sie zu viel an das Gute im Menschen, aber war das denn so schlecht? Und doch musste sie nachdenken, sie tat doch wirklich alles, sie wollte es immer allen Recht machen und niemand schien ihre Aufopferung zu würdigen. Es lag doch so viel Wahrheit in den Worten dieser Frau, deshalb stießen sie Cat so dermaßen auf.  Das Mädchen seufzte, ihre Hände bewegten sich nicht mehr, nicht ein bisschen, egal wie sehr es sich bemühte. Cat würde nie mehr wieder Klavier spielen, nie wieder an irgendwelchen Dingen herumbasteln. Tränen standen ihr in den Augen.

Sie wusste nicht einmal wie sie hierhergekommen war. Sie war aufgewacht und plötzlich hier gewesen. Und während sie hier saß war Nightmare unterwegs, um alle anderen zu töten. Er tötete sie ihretwegen, Cat wurde ganz schlecht bei diesem Gedanken. Vielleicht war es auch die Wirkung des Giftes, Cat musste sich übergeben. Unerwartet tauchte Parker neben ihr auf, er schien immer ein Auge auf sie zu haben, sonst würde er nicht so unglaublich schnell reagieren, als hätte er einen sechsten Sinn für so etwas. Er sollte Arzt werden.

„Du solltest Arzt werden“, flüsterte Cat ihren Gedanken aussprechend.

„Hm?“, Parker schien verwirrt.

„Ein Clown-Doktor…das wäre wunderbar“, hauchte Cat, worauf Parker ihr den Mund abwischte und die Decke wechselte, die Cat verschmutzt hatte. Cat verfolgte seine Bewegungen mit ihren müden Augen, sie erinnerte ein wenig an einen Betrunkenen, allein ihr dümmliches Grinsen ließ so etwas vermuten.

„Komm…schon“, sprach sie und lächelte belustigt.

„Was?“, entgegnete Parker.

„So hässlich bist du bestimmt nicht… nimm…nimm deine Maske ab, Joker!“ Parker schüttelte den Kopf.

„Komm…schon“, wiederholte Cat, schlagartig verdrehte sie ihre Augen und schien zu kollabieren.

„Nein…nein, das machst du nicht!“, schnaubte Parker und mit ein paar geschickten Handgriffen hatte er Cat in indirekter Art wiederbelebt. Sobald sie sich wieder einigermaßen gefangen hatte grinste sie wieder albern.

„Du…solltest Arzt werden!“ Parker stöhnte genervt. Cat erinnerte ihn an seine bereits verstorbene Schwiegermutter. Immer hatte sie dieselben Geschichten, ständig hatte sie sich wiederholt. Jederzeit musste Parker für sie anwesend sein, er musste zur Verfügung stehen, wenn sie etwas benötigte und es waren nervtötende Arbeiten, die sie verlangte. Zum Beispiel sollte er aus den alten Zeitungen, die in ihrem muffigen Haus herumlagen alle Wörter ausschneiden, die mit C anfingen, denn Parkers Schwiegermutter glaubte im C würde der Teufel wohnen, das C wäre verflucht, das C trug Schuld am Elend der Welt. Sie hasste das C und sie hasste Parker, sie hasste einfach alles und jeden, war ständig schlecht gelaunt. Es war ein Unfall gewesen, als Parker versehentlich den geöffneten Behälter mit den Schlaftabletten umstieß und einige der Pillen in der Suppe seiner Schwiegermutter landeten, die er ihr anschließend vorsetzte. Er dachte nicht daran, dass etwas passieren würde, es waren nur ein zwei Tabletten zu viel darin. Sie würde bloß länger schlafen. Tatsächlich schlief sie lange Zeit, aber sie erwachte nicht mehr. Irgendwann hatte ihr Herz zu schlagen aufgehört, aber Parker machte sich keine Vorwürfe, er war auch in keiner Weise traurig, nein, er war erleichtert gewesen. Er dankte Gott, sie endlich zu sich geholt zu haben. Dass er indirekt nachgeholfen hatte, musste doch niemand wissen.

„Hier trink das“, Parker hatte wieder zwei Tropfen des blauen Gegenmittels in ein Glas Wasser gegeben und reichte es Cat, die am Strohhalm nuckelte. Bereits nach ein paar Zügen fühlte sie sich besser. Das mulmige Gefühl und der bittere Geschmack waren verschwunden.

„Ich bin so müde“, äußerte Cat leise. Parker nickte.

„Dann schlaf“, erwiderte er.

„Was ist…wenn ich nicht wieder aufwache?“, murmelte Cat. Parkers Nasenflügel weiteten sich, was Cat unter der Maske nicht sehen konnte.

„Du wirst wieder aufwachen…das verspreche ich dir!“ Cat schloss die Augen, wie es einst seine Schwiegermutter getan hatte.

„Schlaf gut…“, sprach Parker und erhob sich. Erschöpft streckte er sich, und sah Cat über seine Schulter hinweg an. Was gab es Schöneres als im Schlaf dahinzuscheiden? Wie wäre es wohl angenehmer zu sterben?

Nein, es gab keinen Grund sich jetzt noch Vorwürfe zu machen. Er hatte seiner Schwiegermutter lediglich einen Gefallen getan.

***

Crow blinzelte verschlafen und gähnte ausgiebig. Vorsichtig wollte er sich strecken, aber etwas hinderte ihn daran. Er kniff die Augen zusammen und erkannte Lyn, die sich an ihn gekuschelt hatte. Langsam wollte Crow sich aufrichten, als die Decke wegrutschte. 

„OHO!", entfuhr es ihm und weckte damit ungewollt Andy aus seinem Schlaf. 

„W…was…Lyn, verflucht, was soll das denn?“ Schließlich öffnete auch Lyn ihre Augen, die sich durch Crows Ausruf überhaupt nicht gestört gefühlt hatte.

„Was habt ihr denn?“, grunzte sie und räkelte sich. Lyns Decke lag am Boden, deshalb war sie wohl unter Crows Decke geschlüpft, wahrscheinlich nicht einmal bewusst. Ihr Körper war nicht verhüllt, doch das eigentliche Problem bestand darin, dass Lyn sich auch ihrer Kleider entledigt hatte.

„Zieh dich an!“, herrschte Andy und wandte seinen Blick schnell von Lyns nacktem Körper ab.

„Ach kommt schon, als ob ihr so etwas noch nicht gesehen hättet“,

brummte das Mädchen und tastete nach ihren Kleidungsstücken, die sie in der Finsternis irgendwo hingeworfen hatte und somit nicht gleich wusste wo sie sich befanden.

„Ich hab ja nicht gesagt, dass du dich anziehen sollst", grinste Crow.

„Jetzt bin ich wach“, erklärte er. Andy warf ihm einen funkelnden Blick zu, als er bemerkte, wie Crow Lyn vergnügt dabei zusah, wie sie ihr Top unter dem Bett hervor angelte.

„Ich hab Hunger“, verkündete Lyn, während sie sich ihr Top überstreifte.

„Das denk ich mir, du bestehst ja nur aus Haut und Knochen“, witzelte Crow. Ein Klopfen unterbrach Crow. Michelle wartete erst gar nicht ab, bis jemand ihr Einlass gewährte, sondern öffnete die Tür, um allen einen guten Morgen zu wünschen.

„Es ist etwas passiert“, rief sie anschließend.

„Hä?“, Crow gähnte, ohne sich die Hand vor den Mund zu halten.

„Muffin ist verschwunden!“ Schlagartig verfinsterte sich

Crows Miene und er knurrte: „Ach tatsächlich?“ Michelle nickte heftig. Zodiak betrat ebenfalls das Zimmer.

„Wir sollten los, um Cat zu retten“, äußerte er.

„Erstens, heißt das guten Morgen und zweitens, gehe ich nicht bevor ich Muffin nicht den Hals umgedreht habe“, bellte Crow zornig und erhob sich. Etwas zu stürmisch denn sogleich krümmte er sich zusammen. 

„Verdammt…“, ächzte er.

„Wenn ich den erwische…wenn ich DEN erwische!“ Der Profikiller trabte an Zodiak und Michelle vorbei, hinaus auf den Flur.

„Crow…warte doch!“, rief ihm Andy hinterher, aber der junge Mann hörte nicht.

„Wir haben doch keine Zeit dafür“, seufzte Zodiak. Er und Andy verfolgten Crow, während Lyn und Michelle zurückblieben.

„Ähm…ja…na wie geht’s?“, Lyn lächelte Michelle zu, dieses Lächeln gefror, als Lyn Michelles finsteren Blick bemerkte.

„Ich rede nicht mit dir“, kläffte das kleine Mädchen trotzig.

„Aber jetzt hast du gerade mit mir geredet“, warf Lyn ein.

„Habe ich nicht!“

„Da schon wieder!“ Michelles Augen verengten sich. Sie streckte Lyn die Zunge raus und verließ, den Kopf hochnäsig in die Luft gestreckt, das Zimmer. Lyn sah ihr verdutzt hinterher.

„Kleines Biest“, murmelte sie und warf sich zurück ins Bett. Sie starrte an die löchrige Decke und versuchte sie zu zählen. Jedes Mal, wenn sie bei der Ecke ankam, wo die vielen Spinnweben hingen, verzählte sie sich. Sie konnte die Spinnen von den Löchern nicht unterscheiden. Schließlich, beim fünften Mal wieder gescheitert, gab sie ihr Vorhaben auf. Sie dachte an Andy. Irgendwie war er ein ziemlich eigenartiger Mensch. Sie hätte ihn gerne über sein Leben ausgefragt, was er schon so alles erlebt hatte, wen er getötet hatte. Lyn spielte mit ihren roten Haaren, sie wickelte einzelne Strähnen um ihren Finger. Sie hätte unheimlich gerne Locken, aber ihre Haarspitzen drehten sich nur ein, wenn sie nass waren und man konnte doch nicht immer mit nassen Haaren herumlaufen, wie das aussehen würde. Lyn musste schmunzeln, sie hatte wirklich unheimlich unnütze Gedankengänge. Plötzlich ging die Tür auf, Andy trat ein, er sah mehr als geschafft aus.

„Und?“, sagte Lyn, begierig darauf zu wissen, was eben vorgefallen war.

„Gott, ich wünschte er wäre nicht so jähzornig…würde er nur ein paar Sekunden warten, bevor er jemanden beinahe erwürgt, sodass der womöglich erklären könnte, warum er so früh aufgestanden ist, dann hätten wir uns so einiges erspart…aber nein…die gesamte Rezeption ist im Arsch!“ Lyn musterte Andy mit großen Augen.

„Wir reden doch von Crow, oder?“ Andy legte genervt seinen Kopf schief.

„Nein vom Weihnachtsmann… natürlich von Crow!“

„Man wird doch wohl noch fragen dürfen“, brummte Lyn missmutig.

„Los steh auf, wir haben es eilig!“ Lyns Reaktionszeit war für Andy dem Anschein nach zu kurz, denn er fuhr sie an:

„Hast du gehört?“

„Ja…Mann, reg dich wieder ab…“ Lyn sprang vom Bett und postierte sich neben Andy, um ihm einen Klaps auf die Brust zu geben.

„Entschuldigung, ich bin nur…“

„Gestresst?“, beendete Lyn Andys begonnenen Satz.

„Ja…das kann man wohl sagen“, Andy stöhnte und wischte sich über das Gesicht.

„Schon okay, komm lass uns gehen… wir müssen eine Rettungsaktion durchführen!“ Lyn ging Andy voraus die Treppen hinunter. Bei der Rezeption angekommen diskutierte Crow gerade mit der Frau.

„Sie müssen das bezahlen!“, keifte die Dame.

„Ach das war ein Unfall…die Versicherung wird schon dafür aufkommen“, entgegnete Crow.

„Nein…SIE müssen das bezahlen!“

„Nun seien Sie doch nicht so, das kann schon einmal vorkommen, Mam.“

„Sie müssen das bezahlen!“ Crow verdrehte die Augen.

„Hören Sie, ich dachte wir führen eine Diskussion…das funktioniert doch nicht, wenn sie immer dasselbe sagen…ich sage, die Versicherung bezahlt das, Sie sagen ich muss zahlen…ich bin der Meinung es war ein Unfall… Sie sagen ich müsse zahlen…wo soll das denn hinführen?“ Die Dame musterte Crow mit starrem Blick. Nach einer kurzen Pause sagte sie schließlich:

„Sie müssen das bezahlen!“

„Kann das denn wahr sein?“ Schließlich mischte sich Muffin ein, der etwas mitgenommen aussah. Eigentlich hatte er nur ausgekundschaftet, wie man am schnellsten zur alten Fabrik gelangte. Wäre es ein Fluchtversuch gewesen, so wie Crow durch Michelles Aussage gedacht hatte, wäre Muffin wohl nicht so dumm gewesen und wäre wieder zurückgekommen. Aber Crow hatte nicht viel nachgedacht und war auf Muffin losgegangen, bevor dieser etwas sagen konnte.

„Hier Mam!“ Er hatte der Rezeptionsdame einen Scheck im Wert von über fünfzigtausend Dollar ausgestellt.

„Entschuldigen sie nochmals die Unannehmlichkeiten“, Muffin versuchte charmant zu lächeln, es gelang ihm nicht wirklich gut, aber für die Dame reichte es.

„Ach…nicht der Rede wert“, meinte sie plötzlich und lächelte zurück. Michelle stand mit Zodiak in der Ecke, sie warteten bereits darauf, dass sie losziehen konnten. Der gesamte Trupp sammelte sich draußen vor dem Motel.

„Also der kürzeste Weg führt durch die Rockwoodgasse zur alten Fabrik“, erklärte Muffin.

„Die ist aber gefährlich“, warf Zodiak ein“ Crow stöhnte.

„Gefährlich, was soll denn da schon sein?“

„Die Gasse ist berühmt für die vielen Raubmorde und…“

„Ähm Zodiak…ich wage es wohl anzunehmen, dass uns da nicht viel passieren wird, hm…schon vergessen…Organisation, Auftragskiller…“, erwiderte Crow bissig. Zodiak warf Crow einen ernsten Blick zu.

„Ich mache mir nur Sorgen“, beteuerte er.

„Worüber denn, wir können schon ganz gut auf uns aufpassen. Du bist doch jetzt schon ein großer Junge“, Crows zynischer Unterton gefiel Zodiak nicht.

„Auch Nightmare könnte dort auf uns warten, die Gasse ist abgeschieden, dunkel, egal zu welcher Tageszeit…und wir haben zwei Personen mit uns, die mit der ganzen Sache nichts zu tun haben!“ Zodiak war lauter geworden, als man es von ihm gewohnt war.

„Wir haben aber nicht mehr viel Zeit, wenn wir uns beeilen und leise sind, dann wird es nicht sonderlich schwierig sein, die Gasse ohne größere Probleme zu passieren“, mischte sich Andy ein.

„Cat braucht uns und wir brauchen Cat“, erklärte er.

„Ansonsten werden wir alle draufgehen!“ Zodiak seufzte. 

„Weißt du was, am besten, du und Michelle verschwindet! Nehmt die Tickets und fahrt", sagte Andy plötzlich.

„Was?!", rief Michelle empört und machte ihrem Ärger über Andys Aussage Luft. 

„Dein Vater hat Recht, es IST zu gefährlich...", versuchte Andy das aufgebrachte Mädchen zu beruhigen.

„Aber Madelyn kann mit und mich willst du schon wieder verlassen?"

„Madelyn ist alt genug, aber du...du hast dein ganzes Leben noch vor dir, Michelle. Bitte tu mir den Gefallen und nutz deine Chance..." Andy hatte sich auf Michelles Augenhöhe begeben und sah sie lange an. In den kugelrunden Kinderaugen sammelten sich Tränen. Michelle zitterte vor Zorn und Trauer. Schallend traf Andy eine Ohrfeige, die sich für Michelles Alter gewaschen hatte. 

„Wag es nicht zu sterben, Andy. Hörst du? Wag es nicht!", knurrte Michelle und sogleich umarmte sie ihren geliebten Freund. Andy erwiderte ihre Umarmung.

„Ich verspreche es!" 

„Also so alt bin ich nun auch wieder nicht, wie du das darstellst“, maulte Lyn. Andy warf ihr einen funkelnden Blick zu.

„Du weißt doch wie ich das meinte“, entgegnete er.

„Können wir nun endlich los?", wollte Crow ungeduldig wissen. Andy und Michelle lösten sich voneinander. 

„Ein Versprechen, Andy...vergiss das bloß nicht!", mit diesen Worten trennten sich Michelles und Zodiaks Weg von dem der anderen.

 ***

„Und du hast schon jemanden wirklich umgebracht?"

„Schon mehrere...ja!"

„Sodass sie wirklich ganz tot waren?"

„JA! Verdammt...wenn man jemanden umbringt dann muss er tot sein, sonst hat man ihn ja nicht umgebracht, du dumme Kuh!" Crow warf Lyn einen giftigen Blick zu, den sie mit großen Augen erwiderte. Seit sie das Hotel verlassen hatten, quetschte sie Crow über seine Taten aus. 

„Lyn, du wirst doch schon mal von der Krähe gehört haben, oder nicht?“, mischte sich Muffin ein.

„Ja warum?“

„Na Crow…Krähe…klingelt‘s da bei dir? Du Trottel?“, maulte Crow. 

„Oh…OH!“, Lyn machte große Augen und musterte Crow jetzt noch genauer als jemals zuvor. Ihr Blick war voller Angst und Faszination.

„Wirklich jetzt?“, zweifelte sie plötzlich.

„Oh…bitte, darf ich ihr das Maul stopfen, dieser dämlichen Kuh?“, rief Crow entnervt.

„Weißt du...dein Jähzorn bringt dich nochmal schnell ins Grab!", belehrte Lyn.

„Ich hatte sowieso nie vor lange zu leben", raunte Crow.

„Aber warum denn nicht?"

„Lass mich jetzt in Ruhe!", bellte Crow.

„Leise jetzt!", zischte Muffin. 

„Wir sind da. Verhaltet euch jetzt ruhig und zieht keine Aufmerksamkeit auf euch!"

„Was siehst du mich da jetzt so an?", schnaubte Crow. 

„Habt ihr verstanden?" Alle nickten und Crow stieß ein genervtes „Ja“ hervor. 

Die Rockwoodgasse war eine sehr finstere Gasse, durch die Hochhäuser die rundherum gebaut worden waren, fiel kaum Licht hinein. Sie war also auch am Tage sehr düster und ein willkommenes Versteck für alle möglichen Gestalten. Dealer, Zuhälter, Mörder und Diebe reichten sich dort die Hände. Schon unmittelbar, als die Truppe die Gasse betrat, lungerten die ersten Halunken herum und priesen ihre Waren an. Ob gestohlen oder nicht konnte man schwer erschließen. 

„Na Kleines? Wie wäre es mit diesen hübschen Ohrringen!" Der Mann mit den gelben Zähnen, vermutlich vom Rauchen, der Zigarette im Mundwinkel nach zu schließen, lächelte breit. 

„Billiger Plastikmüll!", bellte Crow und zog Lyn weiter. Der Mann schüttelte bedauernd den Kopf. Lyn blieb kurz stehen, damit Andy auf ihre Höhe gelangte. 

„Mensch, meine Hände schwitzen, fühl mal!", sagte sie und tatschte Andy mit ihren feuchtkalten Fingern ins Gesicht. 

„Was hast du denn?", fragte dieser und drückte ihre Hand, mit einem Anflug von Ekel in seinen Augen, weg. 

„Ich bin nervös...hier hat mein Boss sein Lokal, in dem ich eigentlich sein sollte...seine Schergen laufen hier auch rum..." Sie verstummte als sie die roten Neonbuchstaben erblickte. 

„Red Moon Club", konnte Andy lesen und Lyn fasste verängstigt seinen Arm. 

„Er sperrt mich in den Keller...ich weiß es, wenn er mich erwischt wirft er mich da rein...ich will nicht da rein…"

„Andy, sieh zu, dass sie die Klappe hält!", knurrte Muffin. Das Lokal selbst dürfte sehr gut besucht sein, denn eine Menschenschlange, ausschließlich Männer, wartete darauf hineingelassen zu werden. Ein stämmiger Türsteher stand am Eingang und gewährte Eintritt.  

„Dylan", flüsterte Lyn. 

„Was ist denn im Keller?", wollte Andy wissen. Lyn klammerte sich fester an ihn.

„Er darf mich nicht sehn!" Genau in diesem Moment stierte Dylan zu den beiden herüber und hatte Lyn natürlich an ihren roten Haaren sofort erkannt. 

„Ich glaube er hat dich gesehen!", meinte Andy.

„Du glaubst? Das Riesenbaby hatte dich genau im Blickfeld", lachte Crow.

„Was gibt's da so dämlich zu lachen?", rief Andy und deutete auf den Trupp von Männern, der sich zusammengerottet hatte und auf die Gefährten zu trampelte. 

„Hm…das ist scheiße", murmelte Crow und gesellte sich zu Andy, der Lyn schützend hinter sich geschoben hatte. 

„Na, wen erblicken wir denn da?“ grinste einer der Typen hämisch. 

„Also ich seh nur fünf Idioten vor mir", alle Blicke richteten sich auf Crow, der freundlich lächelte. 

„Was sagst du da, Zwerg?", fauchte ein anderer Kerl, zwei Köpfe größer als Crow. 

„Hast schon richtig gehört, Pickelfresse!" Der Mann wandte sich plötzlich an seinen Anführer.

„Joe...der hat mich Pickelfresse genannt!"

„Ganz ruhig Loui...der hat keine Ahnung", tätschelte Joe seinen Kumpanen, der offensichtlich am Boden zerstört war. 

„Das wirst du büßen", kläffte Loui.

„Ach nein, hab ich Angst...willst du mich mit deinen Eiterpickeln etwa abschießen?" Loui schien völlig die Fassung zu verlieren, merkwürdig für so einen schweren, großen Mann. Tränen rannen sein Gesicht hinunter, er war anscheinend sehr, sehr nah am Wasser gebaut. 

„Nur...weil du das Glück hast gut auszusehen, hast du nicht das Recht...so gemein zu sein!", schluchzte er. 

„Also wir finden dich nicht hässlich, Loui!"

„Nein, du bist ein klasse Kerl, Ehrenwort!" Die Männer beruhigten Loui weiter mit ihren netten Worten. Loui zog seinen Rotz hoch.

„D...Danke Jungs, ihr seid wahre Freunde!" Andy, Muffin und Crow warfen sich fragende Blicke zu.

„Jetzt macht sie endlich fertig!", brüllte plötzlich Dylan herüber, der, sowie alle Gäste, diesen Wortwechsel mit verfolgt hatten. Loui wischte sich die Tränen ab.

„Ich mach dich fertig!", mit diesen Worten stürzte er sich mit einem kleinen Klappmesser auf Crow, der ihn nur unbeeindruckt musterte. Als Loui zuschlagen wollte, packte Crow seinen Arm, verdrehte ihn in Windeseile und hielt ihm sein eigenes Messer an die Kehle. Die anderen Männer hielten inne, als sie ihren Kollegen in dieser misslichen Lage sahen. 

„Na, da muss Pickelfresse wohl noch üben", raunte Crow dem Mann zu und lächelte böse. Alle schienen überrascht über diese Stärke zu sein, selbst Andy, da er Crow zwar kannte, aber mit dieser Verletzung hätte er ihm sowas nicht zugetraut. Loui windete sich, aber er konnte sich Crows Griffen nicht entziehen. Über Crows Lippen huschte ein finsteres Grinsen.

„W-was bist du denn für einer?", ächzte Loui, als er Crows irren Blick sah. 

„Weißt du, du kannst dich glücklich schätzen, dass ich dich lustig finde, ansonsten…" Eiskalt verstärkte der Killer den Druck auf Louis Arm, sodass ein unangenehmes Knacken zu hören war. 

„Würde ich dir deine Eingeweide rausschneiden…" Joe wollte eingreifen, aber die anderen hielten ihn zurück.

„Nicht der tötet ihn", ermahnte ihn einer. Als auch Elle und Speiche nicht mehr standhielten und zu zerbrechen schienen, wie Hühnchenknochen griff Muffin ein.

„Crow, es reicht!" Crow schnaubte verächtlich.

„Tz", war alles was er dazu sagte. Loui sackte zusammen, alle Beteiligten waren zu Eis erstarrt und musterten Crow entsetzt. Lyn hatte Crow ebenfalls schon in Aktion erlebt, aber dass er so grausam sein konnte, hatte sie nicht für möglich gehalten. 

„Du bist...krank“, sagte einer der Männer. Crow zuckte nur mit den Schultern, in diesem Moment fielen Schüsse, zwei Kugeln trafen Joe in den Kopf, der leblos zu Boden sackte. Alle anderen duckten sich, nur Crow blieb verdutzt stehen und erblickte Dylan, der seinen letzten Schuss gezielt auf ihn feuerte. 

„CROW!“, schrie Andy, aber der Killer reagierte überhaupt nicht, was Andy nicht nachvollziehen konnte. Sonst war er doch auch immer so schnell, aber nun blieb er wie angewurzelt stehen, als ob seine Fähigkeiten ausgesetzt hätten. Vielleicht trugen die Tabletten daran schuld, Andy wusste es nicht, aber er war zu weit weg, um irgendetwas zu unternehmen. Bevor sich die Kugel allerdings in Crows Körper bohren konnte, wurde er von Muffin weggestoßen, der sie abfing. Beide stürzten zu Boden, die Menschenmasse setzte sich erst jetzt in Bewegung und alle Männer liefen durcheinander, Hals über Kopf aus der Gasse. Crow rappelte sich hoch und eilte zu Muffin. Sein weißes Hemd war blutgetränkt, es war ein Bauchschuss. 

„Du Idiot...du dämlicher Idiot...warum hast du nur...", Crow wusste gar nicht was er sagen sollte. Er fühlte sich schuldig, warum zum Teufel hatte er sich nicht bewegt, warum hatte er nur dumm geglotzt, als Dylan auf ihn zielte?

„Dich..." unterbrach ihn Muffin schlagartig.

„Dich ...werden sie ...noch brauchen", Muffin hustete und spuckte sogleich Blut. 

„Ich war...immer im Hintergrund...aber jetzt wird...wird es Zeit ins Licht...zu treten!" Muffin lächelte Crow zu. Seine Augen glänzten und sterbend nahm er Crows Hand.

„Licht...", hauchte Muffin und sein Herz hörte auf zu schlagen. Alle seine Glieder erschlafften und seine Hand sank in seinen Schoß. 

„Nein... wach auf!", murmelte Crow.

„Crow...er...er ist", versuchte Andy etwas zu sagen. 

„NEIN! Verflucht...WACH AUF!", plärrte Crow und hielt sogleich inne in seinem Zorn.

„Bitte", flüsterte er. Dieser Moment war so seltsam. Zuvor noch war er eine Bestie und jetzt trauerte Crow, wie ein normaler Mensch es tun würde. Crow schloss schließlich Muffins Augen und ließ den leblosen Körper vorsichtig auf die Straße sinken. Er erhob sich und holte tief Luft, während er seine Augen schloss. Als er sie wieder öffnete, lächelte er und sein Lid zuckte. Bevor Andy irgendwie reagieren konnte preschte Crow durch die Menschenmenge auf Dylan zu, dessen Augen sich weiteten und er versuchte sein Magazin zu wechseln. Doch bevor ihm dies gelang, begrüßte ihn Crow mit einem gewaltigen Faustschlag, der ihn zurücktaumeln ließ. Ein Fußtritt traf Dylan in die Magengrube und ließ ihn zusammengekrümmt zu Boden sacken. Crow warf ihn sogleich auf den Rücken und drosch immer und immer wieder in sein Gesicht. Wie eine Maschine, wie aufgezogen, hart, härter, Crow fühlte nichts, keinen Schmerz, obwohl seine Faust aufgesprungen war und sein Blut sich mit Dylans vermischte. 

„Ich ...hasse...dich", rief er immer wieder während er auf Dylans Kopf eintrat, ihn regelrecht zu Brei zertrat. Andy erreichte schließlich Crow, die Gasse war bereits wie leergefegt. Als Andy ihn so sah, seine Worte hörte, wusste er, dass Crow nicht nur den Mörder Muffins sah. Nein, er sah seinen Vater, seine Mutter und seine Schwester. 

„Warum...warum! Warum nur...sagst du sowas!!!" Crow war ruhiger geworden, Andy wagte es ihn zu berühren, worauf Crow seinen Arm packte und hätte im Blutrausch beinahe Andy fast nicht erkannt. 

„Es ist okay...es ist vorbei...!", Andy ächzte, denn Crow hielt ihn noch immer fest, so als ob er ihn auch nicht wieder loslassen wollte. 

„Du kannst ruhig zeigen...was du fühlst, es ist keine Schwäche!" Crows Mimik schien wie eingefroren, schließlich lockerte sich sein Griff und zum ersten Mal nach zehn Jahren rannen Tränen über sein Gesicht, das er in Andys Schulter vergrub. 

Er umarmte Andy, der zuerst zögerte, diese zu erwidern, aber schließlich tat er es. Andy spürte Crows Herzschlag, es raste, pochte an Crows Brust, als wollte es herausspringen um in Andys zu gelangen.

„ Ganz ruhig…beruhig dich!“, flüsterte Andy Crow zu. Crow schluckte, während Andy tief ausatmete. Schließlich löste sich Crow aus diesem Moment der absoluten Hilflosigkeit und Verzweiflung, wischte über sein Gesicht und sah sich um.

„Hm", murmelte er plötzlich, was Andy ebenso dazu bewegte sich umzusehen.

„Sie...ist weg!", stellte Andy fest.

„Madelyn?! Lyn?", rief er, aber das rothaarige Mädchen blieb verschwunden. Crow musterte Dylans Leiche. Völlig unkenntlich gemacht. Blut tropfte von den Zähnen von denen einige sogar abseits des Kopfes lagen. Crow war ein Monster, nur ein Monster brachte sowas fertig. Crow schüttelte verwirrt den Kopf. Was war bloß los mit ihm? Er dachte doch sonst nicht so. Dieser Idiot hatte es verdient, sein blödes Grinsen hatte er ihm aus dem Gesicht geprügelt und er hatte es für Muffin getan. Und dennoch fühlte er sich so schlecht? Seine Mauer musste zu Fall gebracht worden sein, sein eiserner Vorhang war gefallen, Gedanken, Gefühle, sie verwirrten ihn immer mehr, er wollte sie nicht. Sie sollten wieder verschwinden. 

„Lyn...", hauchte er und ging zielstrebig auf eine der Mülltonnen zu, aus der ein dumpfes Poltern gekommen war. Andy war ihm hinterher gestiefelt, aber anstatt Lyn im Müll zu finden, fanden sie einen kahlköpfigen Kerl, der vor sich hin zitterte.

„Oh nein...nicht Sie! Bitte gehen Sie wieder, ich will nichts Böses", plapperte der Mann, als Crow ihn aus der Mülltonne zog.

„Wo ist das rothaarige Mädchen hin?", fragte Andy den Mann. 

„W-wer?“ stotterte der Mann.

„Die Rothaarige!", schrie Crow. 

„Oh...ich…ich denke im Getümmel wurde sie wohl in den Club gebracht...der ist jetzt dicht, da kommt keine rein und keiner raus!" 

„Pff! Das werden wir noch sehen!", maulte Crow und warf den Mann wie Abfall zurück in die Mülltonne und knallte den Deckel zu. 

„Los komm!", herrschte er.

„Was hast du vor?", fragte Andy. 

„Was denkst du über mich, Andy?" Crow war vor Andy stehen geblieben und sah ihn erwartungsvoll an. 

„Was...was ich denke, wie meinst du"

„Was siehst du, wenn du mich ansiehst, was glaubst du was für ein Mensch ich bin" Andy schluckte. 

„Ich sehe eine Maschine, einen Roboter…" Crow legte verständnislos seinen Kopf schief, lauschte jedoch weiter Andys Worten.

„Und darin sitzt ein, kleiner, wütender und verängstigter Junge. Das Metall schützt ihn und er musste sich nie mit irgendwelchen Dingen auseinandersetzen, er lässt seinen Roboter einfach alles zertrampeln was ihm im Weg steht, Probleme und

Menschen..." 

„Und was denkst du wird der Junge nun tun?" Andy sah zu Boden, er lächelte und sah Crow in die Augen.

„Er wird dem Roboter befehlen, diese verdammte Tür einzutreten und Lyn da rauszuholen!" 

„Oh wie klug du doch bist!" Die beiden grinsten und schritten, wie zwei Todesengel auf den Club zu, als würden sie direkt die Pforten der Hölle öffnen wollen. 

Kapitel 28

„Lass mich los!" schrie Lyn immer wieder. Sie wehrte sich mit aller Kraft gegen den stämmigen Mann, der sie eisern festhielt.

„Für dich sind zu viele von uns draufgegangen", bellte der Kerl und verstärkte seinen Griff. Lyn erblickte die tanzenden Mädchen und die vielen Männer, die sie begafften. Gerade, dass die Kerle nicht sabberten, während sie die nackten Grazien bewunderten. Mit Tanz, so hatte es angefangen. Lyn hatte einfach nur getanzt. Es war freies Tanzen, nichts Unsittliches, sie tanzte, um nur für einen kurzen Moment zu vergessen, welche Probleme sie hatte. Und als man ihr schließlich Geld dafür bot, das sie tanzte, da sagte sie nicht nein. Lyn war arm und ihr kleiner Bruder war sehr krank gewesen. Sie wollte mit dem Geld seine Operation bezahlen. Sie hätte nie daran gedacht, dass man sie ausnützen würde, sie zwingen würde sich zu entblößen, sich anstarren zu lassen und nie im Traum wäre ihr eingefallen mit fremden Männern einfach sexuell zu verkehren. Doch sie verkaufte ihren Körper, dennoch blieb ihr selbst kaum Geld und nach zwei Jahren in diesem dreckigen Geschäft konnte sie die Operation immer noch nicht bezahlen. Eines frühen Morgens, als sie nach Hause kam, lag er da. Kalt, er war wohl in der Nacht einfach eingeschlafen, einfach in den Tod hinein. Sie hatte damals nicht einmal geweint, sie hatte sich nur zu ihm gesetzt und gesagt, dass er es, da wo er jetzt war, sicher besser haben würde. Er war nun frei und auch sie würde ihre Knechtschaft beenden, doch das hatte sie sich so leicht vorgestellt. Ein weiteres Jahr verging und dann kam Andy. Wie ein Prinz auf einem weißen Pferd war er ihr vorgekommen, befreite sie aus ihrem Turm und nahm sie mit in die Freiheit.

„Andy", hauchte Lyn. Würde er wohl kommen, sie ein weiteres Mal zu retten? Würde er seine Mission unterbrechen, um sie hier rauszuholen? Sie würde es wohl nicht tun. Nicht für eine Schlampe vom Strich.

- Wer würde wohl für mich tanzen?- fragte sie sich insgeheim und wurde je aus ihren Gedanken gerissen, als sie den spärlich beleuchteten Gang zu Masons Büro wiedererkannte. Mason konnte in seinem großräumigen Büro alles überwachen, allerdings nicht zum Schutz der Frauen, die wurden sowieso wie Sklaven behandelt, nein eher um sich selbst an den Bildern zu ergötzen. Der Mann klopfte und als ihm Einlass gewährt wurde, stieß er Lyn hinein, sie kniete vor Masons Whirlpool indem er mit zwei hübschen Mädchen saß, die noch nicht wussten, was ihnen bevorstand, denn auch sie saß einst darin. Der Mann hielt Lyn in Position, denn Mason mochte es, wenn seine Entflohenen vor ihm knieten.

„Na, wenn das nicht Lyn ist?" Die Mädchen kicherten. Lyn wünschte sich sogleich Crows Stärke herbei, um ihr dummes Grinsen aus ihren Gesichtern zu verbannen.

„Du dachtest wohl du kannst mir nochmal davonlaufen, wie dumm du doch bist, Madelyn!"

„Ich bin nicht dumm", flüsterte Lyn.

„Wie bitte?", fragte Mason nach, obwohl er es genau gehört hatte.

„Ich bin nicht dumm!", schrie Lyn, um sogleich eine Ohrfeige ihres Peinigers zu erhalten.

„Niemand entkommt und du müsstest schon wissen, dass das stimmt...deine Narben hast du nicht umsonst!", zischte Mason. Lyns Blick war fest zu Boden gerichtet.

„Also bist du dumm!" Die Mädchen kicherten wieder. Plötzlich richtete Lyn ihren rebellischen Blick auf Mason, der sie belustigt ansah.

„Dir und deinen Tussis hier, wird das Lachen noch vergehen!"

„Ach tatsächlich?", entgegnete Mason mitleidig.

„Die Krähe ist draußen und sie kommt, um dich zu holen!" Masons amüsierter Blick wurde schließlich angsterfüllt. Die Krähe? Er hatte schon viel von ihr gehört, das Letzte was du siehst. Er hatte schon so viele Leichen gesehen, denen diese Hiobsbotschaft im Schädel steckte. Er fasste sich wieder, um sein selbstgefälliges Grinsen aufzusetzen.

„Ach, wenn die Krähe herkommen würde, dann würde hier niemand mehr lebend rauskommen!"

„Sieh doch nach, wenn du es mir nicht glaubst! Nutz einmal deine Kamera für den Eingang und du wirst sehen, dass da niemand mehr ist!" Mason starrte Lyn wütend an.

„Dan, bring diese Schlampe weg...in den Keller, da soll sie verrecken!" Lyns Augen weiteten sich. Sie wollte nie wieder im Keller landen. Dort fanden sich Sadisten ein, um jene Mädchen zu quälen, die versucht hatten zu entkommen. Ihre Narben stammten von diesem Ort, als sie das erste Mal versucht hatte sich aus dem Staub zu machen. Diese Menschen liebten es zu sehen, wie die Frauen dort litten, sie verspürten sexuelle Erregung, wenn sie sie demütigen, missbrauchen und quälen konnten. Sterben sollten sie nicht, aber dieses Verbot war nun für Lyn aufgehoben worden. Als Dan Lyn aus dem Büro zerrte kreischte sie fürchterlich und ihre letzten Worte liefen Mason kalt den Rücken hinunter.

„Die Krähe, Mason! Sie kennt deinen Namen! Sie kommt dich holen!"

  ***

Als sich die Mädchen abgetrocknet hatten und für Mason tanzten, musste er immer wieder an Lyns Worte denken. Er stieg aus dem Whirlpool und warf sich seinen Bademantel über um sich auf die Ledercouch zu legen. Sein Blick fiel auf die Monitore, denn die Prophezeiung Lyns, ließ ihm keine Ruhe. Er angelte nach der Fernbedienung und zappte zum ersten Mal auf das Bild der Eingangstür. Tatsächlich waren keine Gäste zu sehen, sein Atem stockte. Plötzlich entdeckte er einen Körper. Es musste Dylan sein, der Statur nach zu schließen, aber was war bloß mit seinem Gesicht passiert?

„Was zum..." Plötzlich polterte die Tür auf und ein junger Mann, stapfte blutüberströmt mit Dans Kopf in das Büro. Die Mädchen kreischten hysterisch, als der Kopf in ihre Richtung flog.

„Als ob mich so ein Anfänger aufhält!"

„Die Krähe...das ist die Krähe!", fiepte eines der Mädchen und sie verstummte sogleich als ein Wurfstern neben ihr in der Wand stecken blieb.

„Gut erkannt und jetzt halt deine Klappe!" Crow musterte die nackten Mädchen.

„Und zieht euch was an, da kann man ja nicht richtig denken!"

„W-was willst du", stotterte Mason. Crow trat auf ihn zu und grinste breit.

„Ich will die Schwalbe zurückhaben!" Mason verstand nicht, was der Killer meinte.

„Die Schwalbe?" Crow ging durch das Büro und strich über den Schreibtisch um gleich darauf kurz auf die vielen Monitore zu starren.

„Hübsches Büro." Schließlich erreichte auch Andy das Büro.

„Mensch Crow, war das denn wieder nötig?", sprach er ohne auf die anderen einzugehen. Zuvor hatte Crow das Lokal wie ein Bulldozer überrollt. Keiner der Gäste wurde ausgelassen. Er war wieder in seinen Blutrausch verfallen. Wie ein Marder, der in einen Hühnerstall geklettert war. Einfach alle mussten daran glauben. Schmerzen empfand Crow wohl keine. Einerseits so wehleidig und andererseits verschwand seine Verletzung gänzlich, wenn er wütend und blutrünstig war. 

„Ich hab sie nur von ihrer Sünde befreit", entgegnete Crow.

„Also wo ist sie?"

„Wer?"

„Madelyn!", sagte Andy schnell bevor Crow wütend wurde.

„Ma...aber warum gerade die?" Crow schleuderte einen Wurfstern in Richtung Mason, der sich dicht neben seinem Kopf ins Leder vergrub.

„Geht dich einen Scheiß an!", kläffte Crow.

„Im Keller!", sagte eines der Mädchen und erstarrte zu Eis, als Crows Blick sie traf.

„Wo ist das?", hakte er nach und das Mädchen beteuerte ihm ihr zu folgen.

„Andy du gehst...ich kümmere mich um diesen Müllhaufen hier!" Crow grinste finster und sein irrer Blick ließ Masons Blut in den Adern gefrieren. Mason sprang von der Couch er wollte fliehen, aber Crow schleuderte ihm seinen Schreibtischsessel entgegen, sodass der Rotlichtboss zu Fall kam.

„Hilf mir hoch du dumme Gans!", rief er dem Mädchen, das sich noch im Büro befand zu, aber dieses regte sich nicht. 

„Na wie unhöflich du doch bist", tadelte Crow und trat dicht an Mason heran. In dessen Augen sah er die große Furcht und diese stimmte Crow froh. Schlagartig hievte sich Mason hoch und zog ein Messer hervor mit dem er unbeholfen herumfuchtelte.

„Was willst du denn damit?", lachte Crow und schlug Mason das Messer einfach aus der Hand, packte ihn an der Kehle und hob ihn mit unglaublichen Kräften einfach hoch, als wäre Mason ein kleiner Knilch von weniger als fünfundzwanzig Kilo. Mason röchelte und Crow lächelte abgrundtief böse.

„Kleines, du solltest jetzt verschwinden, hier wird es jetzt sehr blutig."

***

„Hier ist es, aber erschreck dich nicht, dort geht es ein wenig härter zu!", sagte das Mädchen, während sie Andy die Tür öffnete. Das Mädchen zitterte, sie wusste, dass etwas nicht stimmte und dass Andy zwar momentan wie ein netter junger Mann wirkte, es aber nicht war. Sie hätte sich wohl noch mehr vor ihm gefürchtet hätte sie gewusst wie abscheulich er sein konnte. Wenn etwas seinen geballten Zorn hervorrief, das Ungeheuer, das in ihm schlummerte. Nicht nur Crow konnte so schreckliche Taten vollbringen, auch Andy vermochte es ein Schlächter zu sein.

„Weißt du...mich erschreckt so schnell nichts mehr", er lächelte die junge Frau an.

„Und du sieh zu, dass du hier rauskommst und ich rate dir, einen anderen Beruf zu wählen!" Das Mädchen nickte und rannte davon. Andy ging durch die Tür, die zu dem gefürchteten Ort führte. Es roch modrig und sogleich stieg Andy ein übler Geruch in die Nase.

„Widerlich", sagte er entsetzt, als er den Haufen toter Ratten erblickte, der in einer Ecke war. Daneben war ein Plastiksack, der wohl zur Entsorgung gedacht gewesen wäre. Maden tummelten sich auf und in den toten Tieren und brachten die Körper in Bewegung. Andy starrte in die hohlen Augen einer Ratte.

„Die Menschen hier, sind nicht im Geringsten besser als du", sprach er zu ihr und schritt weiter. Ein Schrei ließ ihn beschleunigen. Er gelangte zu einer Wendeltreppe. Je weiter er hinabstieg, desto zunehmend kühler wurde es und schließlich machte er das sterile Flackern einer Neonlampe aus. Er schnitt um die schlecht verputzte Eckwand und gelangte in einen kuppelförmigen Raum. Er erblickte angekettete Mädchen, die in ihren eigenen Exkrementen lagen und von Männern in Masken gedemütigt wurden. Schon jetzt begann in ihm die Wut aufzusteigen, aber das Fass war erst voll, als er Lyn entdeckte. Sie lag auf einer Streckbank, hatte sich selber beinahe aufgegeben, ihr Körper war mit Seilen umschlungen, so festgeschnürt, dass ihr weißer Körper rot blau angelaufen war. Voller Zorn ballte Andy seine Fäuste und zog sein Schwert, der gravierte Engel funkelte im Licht der Lampen.

„Was zum Teufel läuft denn hier ab?" Erst jetzt bemerkten die Männer den Neuankömmling, der dem Sensenmann glich.

„A...Andy?", hauchte Lyn.

„Wer ist denn der Kerl?", fragte einer der Männer und zog seine Maske herunter. Andy musterte sie mit herablassendem Blick. Klägliche Gestalten, entweder schmächtig oder übergewichtig. Lyn beobachtete Andy, er schien zu strahlen. In ihren Augen schwebte er förmlich wie ein Rachengel zu diesem Kerl, der eine Metallkette in den Händen hielt, mit der er gerade eines der hilflosen Mädchen verprügeln wollte.

„Macht dich das an?", zischte Andy mit funkelndem Blick. Der Mann bekam große Augen als Andy die Kette mit der freien Hand aus der Wand riss.

„Findest du das...etwa toll?" Das Mädchen taumelte aus dem Raum, nachdem Andy es befreit hatte. Die Männer wussten nicht wie ihnen geschah.

„Ich...ich ", stammelte der Mann. Aber bevor er noch weitere Worte finden konnte schlug Andy mit der Kette auf ihn ein. Blut spritzte in Andys Gesicht, es war ihm egal, wie sehr der Mann schrie und ihm war klar gewesen, dass die anderen flüchteten, waren sie doch alles bloß Feiglinge. Feiglinge und Schwächlinge, die hilflose Mädchen so zurichteten. Andy hörte nicht auf ehe der Mann seinen letzten Lebenshauch ausgeatmet hatte. Härter, immer härter, bis der Mann sich nicht mehr regte. Andy keuchte und ließ die Kette zu Boden fallen. Die beiden anderen Mädchen, die noch angekettet waren heulten fürchterlich, auch sie waren blutbespritzt.

„Haltet die Klappe!", raunte Andy, worauf sie sofort verstummten. Er öffnete die Halsbänder die viel zu fest um ihren Hals geschnallt waren. Die beiden staksten ebenso die Stufen empor, nichts ahnend, welches Blutbad sie oben noch erwartete. Andy wandte sich um und trat auf Lyn zu. Ihre blauen Augen verfolgten jede seiner Bewegung. Ihm tat es weh sie so zu sehen, ihre weiße Haut war zerschunden und würde lange brauchen sich von dieser Tortur zu erholen.

„Starr nicht so, bitte", flüsterte Lyn. Andy wandte kurz den Blick ab, um ihn gleich darauf wieder auf sie zu richten.

„Tut mir leid", sprach er leise, als er anfing die Seile zu lösen.

„Was tut dir leid?", wollte Lyn wissen.

„Alles", entgegnete er, als er sich über ihren nackten Körper beugte, um die Schnallen an ihren Handgelenken zu öffnen.

„Mir auch", sagte sie, während sie von der Bank rutschte. Sie stand Andy dicht gegenüber und sah zu Boden. Er musste sie einfach ansehen und unverfroren griff er auf die blutende Strieme an ihrer Brust. Sie hob den Kopf und sah ihn mit großen Augen an.

„Es ist okay...es tut nicht sonderlich weh…" Schnell zog er die Hand zurück.

„Wäre ich eher gekommen...nein hätte ich doch besser aufgepasst!" Andy vergrub sein Gesicht in seinen Händen.

„Andy", Lyn nahm seine Hände und zog sie zu sich her.

„Manchmal passieren Dinge, ohne, dass man dagegen etwas unternehmen kann. Man kann nicht alles im Griff haben, wir haben uns doch selbst manchmal nicht im Griff!" Andy starrte den totgeprügelten Mann an. Er seufzte schwer, was war nur aus ihm geworden?

„Wann habe ich aufgehört nach den Regeln zu spielen? Warum habe ich aufgehört? Warum bin ich bloß so geworden?" Lyn sah Andy tief in die Augen, sie konnte sehr viel Hass sehen. Selbsthass.

„Es ist eben manchmal nicht leicht zu verstehen, warum man ist wie man ist...jetzt gräm dich nicht weiter, wir haben immerhin noch eine Mission!" Lyn lächelte Andy aufmunternd zu und drückte ihm plötzlich einen Kuss auf die erstaunten Lippen.

„Du bist so, damit du mein Engel sein kannst", sprach sie und wandte sich um, damit sie ihre Kleider anziehen konnte.

„Verdammt, der Rock ist teuer gewesen", ärgerte sie sich, als sie den Riss bemerkte, der entstanden war, als man ihr die Kleider vom Leib gerissen hatte.

„Lyn ich...", setzte Andy an.

„Wow, hier würden mir auch so manche schweinischen Sachen einfallen", wurde er plötzlich von einer Stimme im Hintergrund unterbrochen. Andy drehte sich um und erblickte Crow, der gerade einen Schwebebalken begutachtete und sich daran den Kopf zerbrach.

„Ah, da ist ja die Schwalbe...hier hab ich dir mitgebracht!" Crow warf Lyn einen Plastiksack zu.

„Igitt, was ist das denn?", fragte sie angeekelt, als sie den Inhalt inspizierte.

„Das Herz deines Bosses", grinste Crow.

„Frisch rausgeschnitten!“ Sogleich ließ Lyn den Sack fallen.

„Hey, das solltest du schätzen, er hat geschrien wie am Spieß, als ich es ihm rausgeholt habe", empörte sich Crow.

„Das…", setzte Lyn an und warf ihre Stirn in Falten.

„Ist krank! Aber irgendwie auch eine Genugtuung!"

„Ich denke wir sind hier fertig, der Laden ist zumindest für heute geschlossen!" Die drei verließen den Red Moon Club. Draußen angekommen verharrte Crow noch einmal kurz bei Muffins Leiche.

„Hoffentlich ist er nicht sauer, dass du mich gerettet hast", sprach er und lächelte schwach während er ein Kreuzzeichen ausführte.

„Möge es der Herr dir vergelten...mein Freund!"

***

Nightmares Augen huschten über die toten Körper. Ein kaltes Lächeln auf den Lippen. Er musterte die Leiche im Bademantel, die Augen weit aufgerissen. Der Mann musste Höllenqualen erlitten haben. Nightmares Blick fiel auf die Couch.

„Das kann nicht sein…" Nightmare hatte Crows Wurfstern erblickt. Aber er war sich ziemlich sicher ihn getötet zu haben und dieser Mord hier schien sehr unüblich für ihn zu sein. Warum sollte Crow das Herz benötigen? Womöglich hatte jemand seine Waffen gestohlen. Nightmare verstand zwar nicht, warum die anderen hier Halt gemacht hatten, aber er war voller Erwartung sie bald anzutreffen. Er war ihnen dicht auf den Fersen. Der Profikiller verließ den Club und entdeckte schließlich Muffins Körper.

„Oh, hat es dich also erwischt?", sagte er.

„Einer weniger", sprach er nur kalt. Muffins Tod traf ihn nun so gar nicht, immerhin hatte er versucht ihn zu töten und er hatte Cat Kummer bereitet. Sollte er nur in der Hölle schmoren, dieser Bastard. Nightmare war ohnehin der Auffassung, dass die anderen sich mit einem Schiff auf und davon machen wollten. Nun blieben nicht mehr viele übrig. Angel, Zodiak und Misery standen noch auf seiner Liste. Auch sie würde er töten. Er würde für Cat die gesamte Menschheit auslöschen

  ***

„Wie fühlst du dich?" Parker fühlte Cats Temperatur. Völlig entspannt lag Cat immer noch am gleichen Platz. Im Moment beschäftigte sie der Gedanke mit dem Zirkus durch das Land zu reisen.

„Ich könnte Elefanten das Fliegen beibringen...dazu brauchen wir nur Niespulver...eine Maus und... Krähen..." Cat lächelte bei dem Gedanken an Dumbo.

„Oder...ich werde ein...C...Clown, so wie du…"

„Parker!" Plötzlich war der Maskierte verschwunden. Manchmal fühlte sich Cat wie in einer Zaubershow, der Clown war weg und Chantal tauchte plötzlich auf. Es lag wohl am Gift und den Halluzinationen.

„Warum...nimmt er nie seine Maske ab", ächzte Cat.

„Das frage ich ihn auch immer!" Chantal sah sich um.

„Wo ist er denn jetzt hin?" Hinter einer Stahltür machte sie Parker ausfindig, der dem Anschein nach am Grübeln war.

„Die Zeit wird knapp", sagte Chantal. Parker nickte.

„Langsam sollte sich dieser Kerl beeilen", knurrte sie.

„Einiges hat er schon erledigt!", murmelte Parker. Chantal musterte ihn.

„Bist du schlecht gelaunt?", wollte Chantal plötzlich wissen.

„Wie kommst du darauf?". Sie zuckte mit den Schultern.

„Nur so...es kommt mir halt so vor!"

„Nein...ich habe schlecht geschlafen...bin müde...und nervös!" Chantal sah zu Boden. Nervös war sie nicht, bloß aufgeregt, bald würde sie es geschafft haben. Bald würden sich ihre und Gottes Wünsche erfüllen.

„Bald wird die Maskerade aufhören, das Katz und Mausspiel sein Ende haben... nur eine letzte gute Tat, bevor alles zu Grunde geht!" Chantal lachte amüsiert, Parker beobachtete sie und nickte zustimmend.

„Bald werden die Masken fallen", flüsterte er, drehte sich um und verschwand in der Dunkelheit der Fabrik.

 

 

Kapitel 29

 

„Irgendwie will diese Straße kein Ende nehmen", brummte Andy und schob sich an zwei Frauen vorbei, die ihm lüsterne Blicke zuwarfen und ihn aufforderten sie zu begleiten.

„Bäh, waren die hässlich", bemerkte Crow abfällig. Lyn und Andy gingen ihm voran durch die Gasse, die sich etwas verbreitert hatte und durchquerten einen Flohmarkt. Es wurde laut gesprochen, viel gelacht und gestritten.

„Oh guck mal, ein Rolexverkäufer!", rief Crow plötzlich.

„Crow", brummten Lyn und Andy gleichzeitig. Crow sah die beiden an, die ihn genervt musterten.

„Na dann eben nicht", schmollte er.

„Du wolltest dir doch nicht wirklich eine kaufen, oder?", wollte Lyn wissen, worauf Crow ihr sein Handgelenk entgegen reckte.

„Sieh mal!", sprach er.

„Was denn?", Lyn warf fragend ihre Stirn in Falten.

„Keine Uhr!" Lyn verdrehte die Augen, musste dabei allerdings schmunzeln. Es war seltsam, dass Andy und Crow alles Gesehene so einfach verkrafteten. Beide waren sich ähnlicher, als sie vielleicht dachten. Es schien als würden sie auf Knopfdruck reagieren. Jemand hielt die Fernbedienung und dachte sich wahrscheinlich:

„Zap und jetzt bringt er alle um, ohne mit der Wimper zu zucken!" Lyn musterte Crow lange, der seinen Blick über die Tresen der gebastelten Stände schweifen ließ. Er war so unberechenbar, jedes falsche Wort konnte ihn explodieren lassen. Andy erschien viel ruhiger und doch war auch er mit Vorsicht zu genießen. Ihr Blick fiel auf Crows Hände.

„Tut dir das nicht weh?", erkundigte sie sich, während Crow sie kurz fragend ansah, bevor er wusste, worauf sie hinauswollte.

„Oh...ach das, nein, nein...", beschwichtigte Crow. Immer weiter entfernten sie sich von den Menschen und das zuvor vorhandene Licht verschwand wieder und zog geisterhafte Schatten über den Boden und die Mauern der Hochhäuser. War es noch zuvor sehr laut gewesen, verhallten die Stimmen allmählich und bald konnte man das Ende der Rockwoodgasse erahnen. Sie zerteilte sich bereits in viele enge Seitengänge, die einerseits zu Mülltonnen und andererseits zu den Türen einiger heruntergekommenen Bars führten. 

„Gott sei Dank nicht mehr weit", stöhnte Lyn. Eine Gruppe von jungen Leuten zog gerade an ihnen vorbei, als Andy plötzlich ruckartig stehen blieb und Lyn gegen seinen Rücken donnerte.

„Was", setzte sie an.

„Habt ihr das auch gehört?" Crow sah sich um und im nächsten Moment fing er beidhändig ein Wurfmesser vor Andys Gesicht ab. 

„Scheiße, Mann", entfuhr es Andy, während einer der fremden Leute das ganze mitbekommen hatte.

„Ich dachte ich hätte dich erledigt", hörten sie schließlich eine Stimme und Crow erkannte sie sofort.

„Irren ist menschlich", entgegnete Crow. Aus dem Schatten trat Nightmare mit einem kalten Lächeln auf den Lippen.

„Menschlich...das sagst gerade du!" Crows Blick funkelte. Würde er den kalten Händen des Todes noch einmal entgehen, wenn Nightmare ihn angriff oder musste er diesmal dem Sensenmann die Hand reichen.

„Es wird Zeit reinen Tisch zu machen", knurrte Nightmare und zückte seine Waffen. 

„Lauft!", brüllte Crow und die drei Gefährten liefen in Gefolgschaft der Leute los. Ein Chaos entstand und zu allem Überdruss traf ein verirrtes Wurfmesser den alten Feuerhydranten, dessen Verschluss aufsprang und zischend schoss schmutziges Wasser in die Höhe. Diesen Moment der kurzen Verwirrung nutzen die drei Gefährten, um sich zu verstecken. Lyn rannte wie ein aufgescheuchtes Huhn, Andy schlug Hacken wie ein Hase und Crow rannte, den weiteren fliegenden Wurfmessern ausweichend zielstrebig in eine Sackgasse, dicht gefolgt von Andy. Die beiden verbargen sich in einem Müllcontainer von dem aus sie einen guten Blick auf die Hauptstraße hatten. Der Feuerhydrant gab bereits den Geist auf, ein Haus hätte man mit diesem Wasser wohl nicht löschen können. Nightmare war verschwunden und auch Lyn war nicht zu sehen. Die anderen Menschen waren schreiend aus der Gasse gerannt. Ein junger Mann lag auf der Straße, er war von zwei Wurfmessern getroffen worden.

„Verdammt...warum ist der bloß so schnell?", keuchte Andy. Schlagartig wurde der Deckel hochgehoben.

„Ach, hier seid ihr", rief Lyn erfreut.

„Scht!", erwiderten Andy und Crow und zogen das Mädchen in die Mülltonne.

„Igitt...", sprach Lyn angeekelt, als sie sich ein faules Salatblatt aus den Haaren zog.

„Oh Mann, ich meine...woah, das ist ja wohl… der kam und schießt da auf uns", Lyn konnte sich gar nicht beruhigen.

„Halt die Klappe", zischte Crow.

„Unser Glück, dass die Gasse wieder dunkler geworden ist und der Hydrant aufgesprungen ist, er hat vielleicht gar nicht gesehen, wo wir hingerannt sind", meinte Andy.

„Na und? Ewig können wir uns hier nicht verstecken und wenn wir rauskommen tötet er uns", keifte Crow.

„Dann müssen wir ihn davon überzeugen, dass wir nützlich sein können und dass er uns am Leben lässt!" Crow starrte Löcher in den Container.

„Er tötet um Cat zu retten, wir können ihn niemals davon überzeugen." Crow sah Andy in dessen verängstigten Augen.

„Er lebt für Cat, wir können nur versuchen, schneller als er zu sein…"

„Das schaffen wir doch nie!", sprach Lyn das aus, was sich die beiden Männer dachten.

„Kommt schon, Leute! Raus mit euch...ihr müsst euer Schicksal annehmen!", hörten sie Nightmares Stimme und Andy konnte ihn aus seinem Winkel aus, sehen. Er atmete tief ein, riss den Deckel des Containers auf und preschte auf die Straße.

„Was tust du?", schrie Crow, aber Andy rannte unbeirrt auf Nightmare zu. Dessen Augen erfassten ihn sofort und ein Wurfmesser bohrte sich in Andys Brust und zwei weitere in seinen Arm und in sein Bein. Andy konnte sich nur mit sehr viel Kraftanstrengung auf den Beinen halten. Nightmare trat auf den Verwundeten zu und beäugte ihn mitleidig.

„Du bist ganz schön dämlich!"

„Und du...so ein...ein egoistisches Schwein", schimpfte Andy und stierte den Killer wütend an. Nightmare rümpfte die Nase.

„Was?"

„Wie kannst du nur...denken...dass Cat nur deine Freundin ist? Hä? Du gibst uns...nicht mal die Chance...sie zu retten…" Mit schmerzverzerrtem Gesicht zog sich Andy die Messer aus seinem Körper, dessen Kontrolle er gleich darauf verlor und zu Boden sank. Nightmare fing ihn auf. Er sah Andy verwundert an. Er hatte den Tod in Kauf genommen, nur um ihm das zu sagen.

„Ihr versteht das doch nicht...sie stirbt, wenn ich euch nicht töte!" Andy blinzelte verständnislos.

„W…wir können doch…gemeinsam Cat befreien, oder?"

„Ihr wolltet doch abhauen", sprach Nightmare weiter. Mit letzter Kraft schüttelte Andy seinen Kopf.

„Sie ist...auch unsere Freundin...sie gehört dir nicht", hauchte er und seine Augen schlossen sich. Nightmare überlegte. In seinem Kopf rotierte alles. Einen Plan schmieden, hätten wohl alle geholfen Cat zu befreien, wollten sie nicht verschwinden? Er musterte Andy. Dieser Kerl, er war aufgetaucht und hatte alles auf den Kopf gestellt, mit ihm begannen die Probleme, aber er war auch so verständnisvoll. Cat hatte Nightmare erzählt, wie nett er war, wie freundlich und hilfsbereit. Cat wollte nicht, dass sie ihretwegen starben, Cat glaubte an das Gute in jedem von ihnen. Nightmare hätte es ihr wohl gleichtun sollen. Er hätte zu ihnen sprechen sollen, mit ihnen gemeinsam versuchen sollen zu kämpfen. Um Cat, seine geliebte Cat, die es nicht anders gewollt hätte. 

„Nein! Du fieser, böser Kerl!" Lyn war aufgetaucht und beschimpfte Nightmare auf das Übelste.

„Du hast ihn getötet", kreischte sie.

„Nein...er lebt noch, das sind kleine Kratzer, kaum der Rede wert", erklärte Nightmare.

„Wir können zusammenhalten...wir können sie retten", Crow war ebenfalls aus dem Versteck gekommen und sah Nightmare eindringlich an.

„Eigentlich soll man ja das, was man begonnen hat zu Ende führen, aber nachdem mir so der Kopf gewaschen wurde" Er rüttelte Andy unsanft wach, der wieder zu sich kam. Erst einige Zeit nach seinem Erwachen schien er registriert zu haben, dass er noch lebte.

„Das...hat geklappt?", fragte er.

„Ja, hat es!", entgegnete Nightmare. Andy holte tief Luft und stöhnte erleichtert: " Gott sei Dank!"

„Nun dann wollen wir endlich gemeinsam für eine Sache kämpfen", Crow gab Andy einen Klaps auf die Schulter, der ihn beinahe wieder umgeworfen hätte.

„Operation Cat!"

  ***

Alles in Ordnung?" 

Wie fühlst du dich?" 

Geht es dir gut?"

In Cats Gedanken wiederholten sich diese Fragen immer wieder, wie ein Tonband, das man zum hundertsten Mal abspielte. Ihr wurden diese Fragen so selten gestellt, denn sie hatte immer fröhlich zu sein. Allen ging es schlecht, jeder redete über seine Probleme, aber ihr hörte niemand zu, keiner wollte wissen, wie es ihr ging. Sie war nur der Zuhörer und diejenige, die wieder alles bereinigen sollte. Nette, aufbauende Worte sollte sie sagen, lachen, Hoffnung geben und den anderen zeigen wie farbenfroh die Welt doch war.

„Ich kann nicht mehr!", rief sie plötzlich, was Chantal heranlockte. Sie beugte sich neugierig über Cat.

„Die Welt...sie hat gar keine Farben...sie ist schwarz und schwarz...ist keine Farbe!" Cat standen Tränen in den grünen Augen. Hilflos sah sie zu ihrer Entführerin auf. Chantal streichelte Cat sanft.

„Ich kann ihnen keine Farben mehr zeigen...ich kann ihren Glauben nicht mehr stärken und ich kann...nicht immer fröhlich sein! Ich bin doch... auch nur ein Mensch!" Chantal schien sehr viel Mitgefühl zu zeigen, obwohl sie zuvor nie so wirkte, als könne sie überhaupt selbiges verspüren. Unerwartet vernahm Chantal Schritte, die zielstrebig näherkamen. Sie huschte die Treppe hoch, oben stand Parker, dem sie voller Vorfreude zulächelte.

„Na und alles erledigt?", begrüßte sie Nightmare, der augenblicklich in seinem Schritt innehielt. Cat horchte auf.

„Ja", hauchte Nightmare und sogleich rannen wieder zahlreiche Tränen über Cats Gesicht. Sie waren alle wegen ihr gestorben, alle. Sie war schuld.

„Gut", lachte Chantal widerwertig.

„Sag mir, warum war dir das so wichtig, warum sollten sie alle sterben?", fragte Nightmare.

„Oh, eine sehr gute Frage, nur leider habe ich im Moment überhaupt keine Zeit sie dir zu beantworten!" Bevor Chantal allerdings verschwinden konnte tauchte Crow an Nightmares Seite auf.

„Na, ein wenig Zeit wirst du wohl noch haben!" Chantal erstarrte in ihrem Tun und wandte sich mit einem schrillen Lachen um.

„Crow?", murmelte Cat und ihr Herz schlug plötzlich schneller.

„Oh, sehr gut, sehr gut...du hast mich angelogen...ein Hinterhalt...wie außerordentlich unhöflich!" Ihr Lächeln nahm unglaublich finstere Züge an, als sie weitersprach: „Mir ging es nie darum, ob ihr lebt oder nicht. Mir wäre es egal gewesen, denn ich vernichte diese Stadt ohnehin. Meiner süßen Schwester war es ein Anliegen euch alle tot zu sehen, euch leiden zu sehen...so bösartig wart ihr zu ihr und einem kleinen Spiel bin ich wirklich nicht abgeneigt...euer Boss war dumm genug um auf eine Wette einzugehen...auf seinen Tod hätte er nicht gewettet!"

„Schwester?", auch Andy war zu den anderen gestoßen, dicht gefolgt von Lyn, die sogleich zu Cat rannte.

„Was soll das heißen, du vernichtest diese Stadt?", rief Crow. Chantal grinste irre. Sie zog das Fläschchen mit dem bläulichen Gegengift hervor.

„Das hier wird eure Freundin retten, insofern meine Schwester bereit ist, es euch zu geben.“ Aus dem Schatten der ersten Etage trat eine junge Frau hervor. Alle Beteiligten rissen die Augen auf. Chantal warf ihrer Schwester das Reagenzglas zu.

„Du?", raunte Nightmare.

„Misery?", Andy traute seinen Augen nicht. Jetzt ergab alles einen Sinn. Die Verwüstung, die Entführung alles passte plötzlich zusammen und doch war es nur geschehen, aus Rache und Eifersucht.

„Ihr dachtet, ihr könnt mich wie Dreck behandeln...ihr dachtet ich sei dumm, aber ich habe euch untereinander ausgespielt, leider hat Nightmare den Deal gebrochen und jetzt könnt ihr zusehen wie Cat, euer Liebling, krepiert!" Sie wirbelte herum und rannte in die Dunkelheit der Fabrik.

„Oh...so entkommst du mir nicht!" Nightmare stürzte hinterher.

„Das wäre wohl geklärt, Parker? Wir gehen, wir haben noch eine Menge Arbeit vor uns!"

„Hiergeblieben!" Überrascht stand Chantal Crow gegenüber, der währenddessen auf die Etage gelangt war. Sie lachte schrill auf, schrill und hässlich, wie sie immer lachte.

„Das Veilchen gut verheilt, Vogelscheuche?", kicherte sie.

„Es hat keinen Sinn mich aufzuhalten, es ist alles vorbereitet!"

„Was ist vorbereitet...was verdammt?" Chantal musterte Crow belustigt.

„Der Untergang und ich schwöre dir, der kommt mit einem gewaltigen Knall!" Sobald sie ihre Worte beendet hatte schwang sie sich auf das Geländer neben ihr und ergriff jenes der dritten Etage mit einem gewaltigen Sprung. Andy sah nach oben und konnte sehen, wie Crow der Frau nachstellte.

„Ein gewaltiger Knall", wiederholte Andy Chantals Worte und Cat wurde hellhörig.

„Der Clown...er sagte mir ..." Schlagartig verschlechterte sich Cats Zustand. Die ganze Aufregung hatte ihr Blut zirkulieren und das Gift schneller verteilen lassen.

„Der Clown", ächzte sie. Lyn sah besorgt zu Andy. Schnell hilf Nightmare diese Göre zu schnappen, sie stirbt sonst. Cat spürte förmlich das Gift, das sich zu ihrem Herz vorarbeitete, das ohnehin so schwach schlug. Bald würde es vorbei sein, bald würde sie diesen schwarzen Ort verlassen.

„Cat wenn du mich hörst...sei stark, wir brauchen dich", rief Andy und verschwand sogleich in die Richtung, in die Misery und Nightmare gelaufen waren.

„Braucht…“, hauchte sie.

„Mich?“  

  ***

- Wo bist du- dachte Nightmare und durchsuchte die Lagerhalle, in den Misery verschwunden war. Er war so unglaublich wütend und er hatte Angst. Angst davor Cat zu verlieren.

„Nur mehr ein paar Minuten, dann wird es vorüber sein", hörte er Misery sagen.

„Dann wird deine geliebte Cat erkalten!"

„Misery bitte, gib mir das Gegenmittel! Ich fleh dich an!" Aber Nightmare erntete nur ein amüsiertes Lachen für seine Worte. Noch immer konnte Nightmare nicht feststellen wo sie sich befand, da der Wiederhall irritierte. Schließlich flackerten die Neonlampen auf. Misery stand auf einer der riesigen Tonnen, die sich im Raum befanden.

„Natürlich für Cat würdet ihr alle euer Leben geben. Ich war auch verschwunden, habt ihr euch um mich Sorgen gemacht? Nein, kein Gedanke wurde an mich verschwendet!"

„Das ist doch nicht wahr", versuchte Nightmare die Wogen zu glätten.

„Ach nein? Nein?! Hast DU nach mir gefragt? Auch nur ein einziges Mal, wenn du mit Chantal gesprochen hast?" Nightmare schluckte und wich Miserys vorwurfsvollen Blick aus.

„Eben! Und noch dazu, du hättest mich auch getötet, um Cat zu retten."

„Ich...verdammt warum bist du bloß so eifersüchtig?", schnaubte Nightmare entnervt.

„Ich wurde verarscht, angeschnauzt...ich war Dreck für euch alle!", schrie sie.

„Aber du hast auch nicht gerade dazu beigetragen, dass man Verständnis zeigte...du warst hochnäsig und arrogant...eine Prinzessin die durch die Villa schritt und alle sollten ihr zu Füßen liegen!", warf ihr Nightmare vor. Miserys Augen funkelten.

„Egal... Cat wird sterben und nur euretwegen. Gegen sie hatte ich nie etwas, aber nur ihr Tod scheint euch Monster zu treffen...warum auch immer...ihr Tod ist eure Schuld... DEINE Schuld!" Ihre letzten Worte ließen Nightmares Muskel verspannen. 

- Du Scheusal, du Missgeburt. So ein Kind kann eine Mutter nicht lieben. Ich liebe dich nicht und es ist DEINE Schuld.-

„NEIN!", brüllte Nightmare und sprang auf die Tonne, um sich wütend vor Misery aufzubauen.

„Gib mir das Fläschchen!", knurrte er und packte sie an den Schultern. Misery zog es aus ihrer Tasche.

„Hier", flüsterte sie und Nightmare sah den seltsamen Glanz in ihren Augen.

„Fang!" Wie in Zeitlupe sah Nightmare das Reagenzglas zu Boden fallen. Er schleuderte Misery von sich, um zu versuchen, es noch zu fangen. Misery taumelte an den Rand der großen Tonne. Nightmares Schnelligkeit hätte nichts mehr gebracht, es würde unweigerlich auf den Boden fallen, zerschellen und die kostbare Flüssigkeit würde unbrauchbar sein. Cats Tod war besiegelt.

„Wow, das war mal knapp!", hörte er plötzlich eine Stimme. Nightmare erkannte Andy, der das Fläschchen mit vollem Körpereinsatz aufgefangen hatte. Ein Stein fiel von Nightmares Herzen. Währenddessen fuchtelte Misery wild mit den Armen, sie versuchte ihr Gleichgewicht zu finden, Nightmare packte sie am Arm. Sie musterte ihn mit großen Augen. Er müsste sie nur noch hochziehen, dann wäre sie wieder sicher. Allerdings war sein Blick so voller Hass, dass Misery wusste, was er tun würde. 

„Bitte Nightmare…du nimmst mir das ganze doch nicht übel, oder? Cat würde mir das nicht übelnehmen, sie würde mir vergeben, ja ganz bestimmt“, sprach Misery schnell.

„Unglücklicher Weise…“ Nightmare, lockerte langsam seinen Griff. Misery atmete hastig.

„Bin ich nicht so göttlich, wie Cat“, mit diesen Worten ließ er sie fallen. Verpasste ihr den Todesstoß. Misery stürzte auf den harten Boden zu. Andy riss die Augen auf. Nightmare rutschte von der Tonne und rannte auf ihn zu. Andy war völlig perplex.

„Gut gemacht, schnell wir müssen zu Cat!" Andy übergab Nightmare das Fläschchen, der sogleich aus der Lagerhalle stürmte. Schließlich lief Andy hinter die Tonne. Misery lag am Boden.

„Misery?“, fragte Andy vorsichtig. 

„Andy…Andy…du musst“, hörte er Misery ächzen. Sie lebte also noch. Andy ging auf sie zu und begutachtete sie. Ihr Arm war verdreht und Blut rann aus ihrer Nase und dem Mundwinkel. 

„Meine Schwester Andy...sie hatte es nicht leicht, sie hatte einen schweren Nervenzusammenbruch und jetzt", Misery verzog ihre Miene. Sie hatte große Schmerzen.

„Sieht sie sich… als die vollstreckende Hand Gottes...sie will diese Stadt zerstören, sie ist ein Schandfleck für sie. Eine Beleidigung an…an Gott mit all ihrer Dekadenz. Nur diese Fabrik bleibt stehen…von hier aus...will sie die Fernzündung bedienen!" Andy musterte Misery ungläubig. Misery atmete schwer und stöhnte, als sie versuchte sich auf zu richten. Andy gab ihr Stütze. Er empfand keinen Hass für sie, obwohl sie doch so eine miese Tour abgezogen hatte. Obwohl sie gewollt hatte, dass alle starben. Sie erhob sich nun vollkommen und schwankte vor und zurück, um sich dann in Bewegung zu setzen. Sie humpelte in die Dunkelheit, Andy hielt sie nicht davon ab.

Er hörte sie noch sprechen: „Versucht… sie… aufzuhalten…" 

***

Crows Augen huschten über die Müllhalde, die sich ihm bot als er auf dem verfallenen Gerüst, des letzten Stockwerkes der Fabrik stand. Salzige Luft stieg ihm in die Nase gepaart mit den unliebsamen Gerüchen der Deponie. Es herrschte Totenstille nur ab und zu hörte man Möwen kreischen, der Wind spielte mit seinen Haaren. Er stand auf einem Plateau und als er so alles überblickte, wirkte diese Szene, wie aus einem futuristischen Roman. Alles vegetierte vor sich hin, die Welt zerstört durch die Gier der Menschheit. Crow erblickte am Horizont die Stadt. Alte schäbige Gebäude, neben den glänzenden Wolkenkratzern. Er seufzte. Es war eigentlich ein weiter Weg gewesen, den sie zurückgelegt hatten.

„Man fragt sich, was grässlicher ist! Die Müllhalde oder die Stadt!" Chantal stand dicht neben ihm.

„Vielleicht fragt man sich das, ja", antwortete Crow, ohne sie anzusehen.

„Na, was hast du jetzt vor?", wollte Chantal wissen. Crow lächelte.

„Sag du es mir!" Chantal kicherte.

„Ach mein Lieber. Du hast mich schon einmal enttäuscht, du warst nicht sonderlich standhaft!" Sie lachte und gab ihm einen Stoß. Der Schritt nach vorn ließ das Gerüst unter ihm bedrohlich wackeln und er stieg schnell zurück. Dreißig Meter nach unten auf die Scherben und kaputten Autos zu fallen, fand er nicht sonderlich erstrebenswert.

„Du hast mit unfairen Mitteln gespielt...bilde dir bloß nichts auf deinen Erfolg ein", knurrte Crow. Chantal lachte abermals.

„Na schön...ich habe jetzt keine Zeit für deine Kindereien, ich muss mich auf etwas Wichtigeres konzentrieren!"

„Parker, es wird Zeit diese Stadt verschwinden zu lassen!" Weit hinter den beiden stand die Gestalt mit der Clownsmaske. Chantal zückte eine Fernbedienung.

„Moment...was hast du vor?" Chantal warf Crow einen mitleidigen Blick zu.

„Na gut, so viel Zeit habe ich noch! Und ich sage es dir nur, weil ich dich gut leiden kann und schließlich darfst du dich glücklich schätzen, diesem glorreichen Tag hier beiwohnen zu können!" Chantal sprach mit einer gewissen Feierlichkeit in ihrer Stimme.

„Du siehst doch diesen abscheulichen Ort vor uns, diese dreckige Stadt, wo Macht, Geldgier, sexuelles Verlangen Hand in Hand gehen. Auch dem Herrn ist dies hier ein Dorn im Auge...wie einst schon Sodom und Gomorra soll auch diese Stadt hier in Flammen aufgehen!"

Chantal strich sich eine Strähne aus ihrem Gesicht.

„Keine zehn finden wir dort...keine zehn." Crow musterte die Frau.

„Und wenn doch? Was ist mit den Kindern?"

„Alle missbraucht und gedemütigt...was nützt ihr Dasein noch, wenn sie von Alpträumen geplagt werden, wenn sie ständig daran erinnert werden, was ihnen wiederfahren ist? Ist es da nicht viel schöner an Gottes Seite im Paradies alles neu zu beginnen?" Crow wusste nichts mehr zu sagen.

„Wie willst du es tun?", fragte er stattdessen.

„Natürlich lasse ich nicht Feuer und Schwefel regnen... dieser Knopf sprengt alle Kirchen in dieser Stadt, Gebäude die nur zu heuchlerischen Zwecken erbaut wurden, denn niemand ehrt Gottes Lehren. Doch das ist nur die Spitze des Eisberges, diese Erschütterung wird das Nitroglyzerin entfachen, das ich in den Abwassertank unter der Stadt gebunkert habe.“ Chantal sah stolz in die Ferne.

„Der geballte Zorn Gottes wird über sie kommen! Ich als Gottes Sprachrohr, werde gemeinsam mit ihm eine bessere Welt schaffen!" Crow sah wieder auf die Stadt. Alle sollten sterben? Alle? Er würde schon wieder den Tod so vieler Menschen sehen? Nein, das konnte nicht Gottes Wille sein. Gott war gnädig, Gott hatte seinen Zorn in den Griff bekommen, Gott verspürte keinen Hass mehr, denn würde er das tun, dann wäre er nicht mehr, als die Menschen selbst. Die Menschen haben das Recht selbst zu entscheiden und selbst, wenn sie ihr ganzes Leben den falschen Weg gewählt hatten, vor dem warmherzigen Blick Gottes würde ihnen vergeben werden. Denn Vergebung, das war göttlich, das war es, was den Herrn ausmachte. Nicht sein Zorn, nicht irgendwelche Wunder. Nach Vergebung der Sünden, danach suchen die Menschen. Nach einem Leben nach dem Tod, in denen ihnen alles vergeben wurde und dass sie neu beginnen konnten, frei von allen Sünden, die sie im Nachhinein, nicht wieder begehen würden.

„Tut mir leid, aber...wir scheinen nicht einer Meinung zu sein!" Chantals Miene verfinsterte sich.

„Nach deiner Meinung…", zischte sie.

„Hat auch niemand gefragt." Blitzartig ergriff Crow die Fernbedienung, aber Chantal ließ sie nicht los. Die beiden rangelten und Crow hatte Mühe Chantal davon abzuhalten den Knopf zu drücken. Die beiden stürzten zu Boden, das Gerüst wackelte bedrohlich immer, wenn die Kämpfenden in Richtung der letzten Platte des Plateaus rollten. So zierlich sie war, ihre Kraft war unermesslich. Crow hatte Schwierigkeiten, sie in Schach zu halten. Chantal krallte ihre Fingernägel in Crows genähte Wunde und er musste von ihr ablassen, da der momentane Schmerz ihn kurz lähmte. Chantal richtete sich auf und trieb den Stöckel ihres Schuhs in Crows Wunde. Die Naht platzte, all die vielen Dinge hatte sie überstanden, aber diesem direkten Einwirken hielt sie nicht stand. Crow stöhnte auf. Chantal lachte und warf ihr Haar über die Schultern nach hinten.

„So und nun… Parker möchtest du nicht zu mir kommen?" Parker trat andächtig auf sie zu.

„Bevor du nun drückst...wird es Zeit dir mein Gesicht zu zeigen!" Chantal blickte Parker erwartungsvoll an, der die Clownsmaske von seinem Gesicht nahm.

„Nein...das..." Chantal taumelte zurück, Crow raffte sich hoch. Er beobachtete Chantal die erschrocken in die Leere des Plateaus starrte.

„Was...siehst du?", ächzte Crow, doch Chantal antwortete nicht. Ihr gegenüber stand eine Frau, es war ihr Gesicht, das unter der Maske gewesen war. Langsam löste sich die Gestalt in Luft auf. Sie deutete auf Chantal, die an sich herabsah und die Clownsmaske in ihre Tasche erblickte. Crow sah, wie die Platte sich löste und unter der Last Chantals ächzte.

„Nein, was...hab ich nur getan..." Plötzlich schien Chantal klar geworden zu sein, was sie damals getan hatte.

„Mein Kind...mein Kind!", kreischte sie und Tränen flossen über ihr Gesicht. Parker hatte sie vor all diesen Gefühlen bewahrt, er war entstanden, um diese Gefühle zu verbergen. Ihr Wahnsinn hatte ihn erschaffen, aber nun war er fort und alle Gefühle strömten in Chantals Körper zurück, alle Erinnerungen, all der Schmerz. Die Platte bog sich seitlich und brachte Chantal zu Fall, sie schlitterte hinunter und konnte sich noch rechtzeitig festhalten. Crow warf sich ebenfalls zu ihr hinab und packte ihre Hand.

„Lass nicht los...bitte!", schrie sie.

„Ich lass dich nicht fallen", versprach Crow.

„Die Fernbedienung...sie darf nicht kaputtgehen, sonst wird der Fernzünder eingeschaltet!" Die Fernbedienung hatte Chantal bei ihrem Sturz fallen gelassen, an einer aufgewölbten Kante hing sie fest, allerdings nicht mehr lange, denn die Platte bog sich. Crow schielte hinüber.

„Crow!" Andy hatte das Plateau erreicht.

„Nicht näherkommen, sonst stürzen wir alle ab!", brüllte Crow. Er sah wie die Fernbedienung zu wackeln begann und langsam abrutschte. Crow sah Chantal in die großen, angsterfüllten Augen. Er holte tief Luft.

„Keine Angst, halt dich fest!" Er zog sie mit aller Kraft hoch und warf sie mit größter Anstrengung Richtung Andy. Die Platte verbog sich zur Gänze und Crow stürzte der hinunterfallenden Fernbedienung hinterher. Er fing sie und hielt sie fest in den Händen, während er in die Tiefe stürzte.

„CROW!!!", schrie Andy. Er sah wie Crow immer schneller auf den Grund zu preschte, die Fernbedienung schützend an seinem Körper.

„Vater unser..." Crow schloss seine Augen, während er betete. Bald würde er Gottes Angesicht schauen. Bald würde er für seine Taten zur Rechenschaft gezogen. Bald konnte seine Seele endlich sühnen.

 ***

Andy hastete an den anderen vorbei.

„Andy, was ist los...wo ist", Lyn verstummte, als sie in Andys Gesicht sah. Sie sah seine Tränen und wusste, dass diese nichts Gutes bedeuten konnte. Er rannte hinaus auf die Müllhalde und blieb abrupt stehen, als er Crows Körper sah. Ganz langsam ging Andy auf ihn zu.

„Crow", flüsterte er. Es schien ein Wunder zu sein, denn Crow atmete noch. Ein schwaches, zittriges Atmen. Auf seiner Brust lag unversehrt die Fernbedienung. 

„D...d...das ist wohl die Strafe...für meine Taten...ich mu...muss noch etwas leiden...bevor ich…" Crow stockte er hustete Blut. Andy kniete sich zu ihm.

„W...wir rufen einen Krankenwagen...wir kriegen dich wieder hin, du schaffst das schon" Crow lächelte Andy an. Es war ein anderes Lächeln, nicht sein gewöhnliches, das belustigte, sondern ein warmherziges.

„I...ich fühle gar nichts...alles...ist zerschmettert...Andy…" Crows Lippen begannen zu zittern.

„Ich...sterbe…"

„Nein...du bist doch die Krähe...du hast doch so vieles überlebt...bitte, Crow...komm ich helfe dir!" Andy fasste Crows Arm und erschrak förmlich, denn es fühlte sich an, als würde er eine Gummipuppe berühren.

„Lass mich...sterben", hauchte Crow.

„Ihr...ihr braucht mich jetzt nicht mehr" Andy hielt Crows Hand. 

„Doch…wir brauchen dich…ich brauche dich…“

„A…Andy!“

„Ja..ja was ist, was willst du sagen?“

„S…sag C…Cat, dass…dass ich…sie lieb hab“ Crow konnte nun nicht mehr reden, er spürte, wie nah der Tod bereits war, er fühlte, wie sein Herz immer schwächer schlug. Sein Blick traf Andys, dessen Augen mit Tränen gefüllt waren. Crow lächelte ganz leicht, ganz schwach und sanft. Jemand würde ihn vermissen. Jemand hatte ihn doch tatsächlich ins Herz geschlossen. Er war froh, dass Andy in diesem Moment bei ihm war. In diesem Moment der absoluten Hilflosigkeit und Ungewissheit. Wo würde er nun hingehen. In den Himmel? In die Hölle? Oder nur in eine tiefe endlose Leere? Würde er in die Dunkelheit versinken, die er sich selbst geschaffen hatte, oder würde Gott ihm vergeben?  Crow blickte gen Himmel, als er um Luft rang. Es wurde wohlig hell und warm um ihn herum. Nein, die Heimat des Herrn war nicht dunkel.  

Am Himmel flog eine Krähe, sie war das Letzte, was er sehen sollte.

Kapitel 30

Andy wanderte über das Gelände der Villa. Er ging durch den Wald und erblickte das große Gebäude. Ein schwarzer Wagen fuhr gerade zum Haupteingang vor.

- Er ist da- dachte Andy und beschleunigte seinen Schritt.

„Ah guten Tag, Andy", begrüßte ihn eine Stimme freundlich.

„Guten Tag, Pater...haben Sie..." Pater Johnson lächelte und nickte. Er beugte sich in den Wagen und hob vorsichtig eine Urne aus dem Wagen.

„Da ist er..." Mit großer Ehrfurcht nahm Andy die Urne entgegen. In ihren Fuß war eine Krähe graviert.

„Willkommen zu Hause!", sagte er. Die Tür öffnete sich und Nightmare, gefolgt von Michelle, Zodiak und Lyn, trat aus dem Haus.

„Crow ist zurück!", rief Nightmare in die Villa.

„Moment, hilfst du mir nur eben", klang es gedämpft aus dem Haus. Nightmare ging zurück. Er schob Cat mit dem Rollstuhl hinaus. Das Gift war zu lange in ihrem Körper gewesen und hatte seine Spuren an ihren Beinen hinterlassen. Sie würde sie wahrscheinlich nie mehr bewegen können, aber es war ihr egal, denn sie konnte immer noch Klavier spielen und das Wichtigste, sie konnte Nightmare umarmen und küssen, wann immer sie wollte. Nachdem Nightmare ihr das Gegengift eingeflößt hatte, war sie ins Koma gefallen. Die Ärzte kämpften um ihr Leben. Sie hatte dabei zwar ihre Beine verloren, aber etwas viel Besseres erhalten. Er hatte ihre Hand gehalten, Tag und Nacht war er bei ihr gewesen, bis sie endlich aufwachte und sie endlich hören konnte, was Nightmare ihr in den bangen Stunden des Wartens schon so oft gesagt hatte.

Ich liebe dich", hatte er gesagt.

„Ich will dich nie wieder loslassen", hatte er gesprochen als er sie mit seiner Umarmung fast zerquetschte. Cat musste schmunzeln. Es hatte sich einiges getan. Die gesamte Villa war umgekrempelt worden, immerhin sollten bald die Waisenkinder einziehen. Zodiak hatte es geschafft, das gesamte Geld von der Bank zu holen, das die Killer damals für ihre Aufträge bekommen hatten. Als sie das Krankenhaus verlassen durfte hatte sie das Gelände auch nicht wiedererkannt. Anstelle der Trainingsplätze waren Spielplätze aufgebaut worden, die Villa hatte einen neuen Anstrich bekommen, sie sah so aus, wie an jenem Tag, an dem Cat mit ihrer Mutter dort eingezogen war.

Etwas unangenehm war, wie die anderen sie angesehen hatten, als Nightmare sie das erste Mal zum Eingang schob. Sie waren bestürzter darüber, als Cat selber. Ed und die anderen Hunde hingegen empfingen sie so fröhlich wie immer und machten keinen Unterschied, ob sie lief oder rollte. Das war etwas, was man an Tieren einfach schätzen musste. Sie waren nicht betrübt darüber, dass Cat im Rollstuhl saß. Sie freuten sich einfach, dass sie wieder da war und behandelten sie wie immer. Menschen mussten dieses Verhalten eben einfach noch lernen. 

„Wollen wir los?", fragte Andy ungeduldig. Die Freunde gingen gemeinsam mit Pater Johnson ein Stück über das Gelände, wo eine kleine Kapelle stand. Diese hatten sie für alle Gefallenen ihrer Organisation errichten lassen. In ihrem Inneren brannten viele Kerzen und ein Gedenkstein erinnerte an die Gefährten. Bird, Dreamer, Sugar, Muffin und Crow. Andy stellte die Urne unter das Christuskreuz. Pater Johnson sprach ein Gebet, dass alle Verstorbenen in Frieden ruhen sollten und dass ihnen das ewige Licht leuchten möge. Sie verließen die kleine Kapelle. Lyn lehnte sich an Andy.

„Ob er schon oben angekommen ist?", fragte sie. Sie sahen zum Himmel empor.

„Ganz sicher", sprach Cat.

„Da siehst du die kleine graue Wolke, wenn das Mal nicht Crow ist, der Stunk macht" Alle mussten lachen. 

„Wie es wohl ist, tot zu sein", murmelte Michelle. Pater Johnson lächelte.

„Tot ist man erst, wenn niemand mehr an einen denkt. An jedem Tag an dem du an die Verstorbenen denkst, wird ihnen Leben eingehaucht. Sie leben in uns, in unseren Herzen, in unseren Seelen und Gedanken. Erst wenn wir sie vergessen haben, erst dann müssen sie wirklich sterben!" Cat nickte zustimmend.

„Nun muss ich aber gehen", sprach Pater Johnson und alle begleiteten ihn zum Wagen, um ihn anschließend zu verabschieden. Lyn huschte in die Villa, sie hatte das Kochen übernommen, darin war sie schon immer ein Naturtalent gewesen. Michelle wollte ihr dabei helfen. Die beiden verstanden sich mittlerweile viel besser, was

Andy sehr erleichterte. Zodiak hatte noch eine Besprechung mit der neuen Leitung des Waisenhauses und verließ die Villa in einem geräumigen Geländewagen, den er sich vor kurzem zugelegt hatte.

„Holst du mir ein Glas Wasser?", bat Cat Nightmare, woraufhin dieser sofort losstürmte.

„Ich könnte mir ja selbst eines holen, aber ein wenig kann man sein Handicap schon ausnutzen", raunte sie Andy zu, er musste lachen. Cat nahm ihre Behinderung so locker, man konnte sogar schon mit ihr darüber scherzen. Die Sonne ging langsam unter und der Horizont färbte sich rotorange. Die beiden beobachteten den Himmel.

„Schieb mich rüber zum Meer, Andy", sagte sie schließlich.

„Und Nightmare?"

„Der findet uns schon, los komm...auf dem Rasen fällt es mir noch sehr schwer mit dem Fahren!"  Andy schob den Rollstuhl hinunter zu der Bucht, an der Cat schon immer gerne gewesen war. Sie sog die salzige Luft ein und lauschte dem Meeresrauschen. Weit draußen konnte sie ein Schiff ausfindig machen.

„Ich hätte nie gedacht, dass es so kommen würde", sagte Andy. Cat musterte ihn, sie hatte vieles nicht miterlebt, aber Andy hatte ihr alles erzählt unter Tränen, völlig aufgelöst. Über Crows Tod konnte er immer noch nicht wirklich sprechen, ohne dass seine Stimme zitterte. Er wollte es wohl kaum zugeben, aber Crow war wie ein Bruder für ihn gewesen, jemand, der seine Taten verstehen konnte, so wie er öfters Crows Handeln verstehen konnte, anders mit ihm umgehen konnte. Und Crow hatte wohl gleich gefühlt, sonst hätte er Andy weggeschickt als er starb. Seine harte Schale hätte verlangt, dass er einsam starb und dass ihn niemand vermissen würde, aber es war anders gekommen. Er wurde vermisst und manchmal, da hatte sich Andy Crow sehnlichst an seine Seite gewünscht. Als Mentor, als Freund und Vertrauten.

„Gottes Wege sind unergründlich", erwiderte Cat und beobachtete zwei Möwen, die sich stritten. Sie hatte Crow nach ihrem Streit nicht mehr gesehen. Das schmerzte sie sehr, sie waren im Zorn auseinandergegangen, aber Crow hatte dann nach ihr gesucht, er war nicht einfach davongelaufen und hatte sie zurückgelassen, nein er hatte es sogar zusammen mit Andy erreicht, dass Nightmare zur Vernunft kam. Andy hatte ihr Crows letzte Worte ausgerichtet, wie sehr sie dabei weinen musste, auch im Nachhinein noch, als sie schon alleine in ihrem Zimmer war. Sie vermisste Crow, wohl genau so sehr wie Andy, selbst seine sadistischen Spiele. 

„Ob Gott uns immer geführt hat, als wir…", Andy stockte. Cat sah ihn an.

„Gott war immer da, Andy! Immer dann, wenn du bereut hast, was du getan hast, sprach er dir Mut zu, Mut zum Umkehren und Umdenken. Immer wenn du Angst hattest und in der Dunkelheit festgesessen bist war er da, um dir ein Streichholz zu reichen. Es liegt an jedem selber, ob er seine Hilfe annehmen möchte oder nicht, aber er ist da." Andy seufzte.

„Ja...er hat uns geführt, wenn wir uns führen ließen, wenn wir zuließen, dass er unsere Hand nahm und uns zurück führte auf den sicheren Weg…" Andy sah wie eine Krähe sich von ihrem Platz auf einem Baum in der Bucht erhob, die streitenden Möwen hinter sich ließ und Richtung Sonnenuntergang gen Himmel flog. Cat erblickte sie ebenfalls.

„Er führt uns…", sprach sie leise.

„Auf den rechten Pfad!"

 

Danke

 

 

Vielen Dank fürs Lesen. Überarbeitet wird das Gesamte natürlich nochmals, damit es frei von Rechtschreib, Kommafehlern und Zeitenfehlern wird.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 23.10.2016

Alle Rechte vorbehalten

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