„Betreten verboten, hier ist mein Reich!“
Betroffen blieb ich vor dem großen, Villa artigem Gebäude stehen. Das große, rote Schild sprang einen schon aus einem Kilometer Entfernung in die Augen.
Normalerweise würde ich mich darum nicht scheren. Die Schilder dienten ja sowieso nur zur Abschreckung. Ich würde daran vorbei gehen und vielleicht über den ein oder anderen schlechten Spruch lachen. Jetzt aber sollte ich genau auf dieses Gelände. An sich wäre das ja auch kein Hindernis. Das Problem war der Köter, der dem Hund auf dem Warnschild zum verwechseln ähnlich sah. Die erwarteten von mir doch nicht wirklich, das ich einfach ganz lässig an ihm vorbei ging? Ich wusste man sollte keine Vorurteile haben, aber dieser Hund war ein verdammt wütender, laut kläffender und überdimensionaler Schäferhund! An dem konnte man nicht ebenso mal vorbei gehen, ohne zerfleischt zu werden! Das ich Angst vor Hunden hatte, egal welche Rasse, Größe oder Fellfarbe, trug auch nicht zur Besserung zu. Am liebsten hätte ich jetzt einfach wieder kehrt gemacht und wäre direkt zurück marschiert. Ich warf einen Blick hinter mich, zur Erinnerung, dass mir dieser Weg immer noch offen stand. Und da kamen wir auch schon zu dem Grund warum ich, meilenweit weg von zu Hause, vor einer fremden Villa stand und nichts mit mir anzufangen wusste.
Vor einer Weile war mein Vater schwer erkrankt. Die Ärzte meinten, dass sie uns leider nicht helfen könnten. Nicht weil es keine Behandlung gab, sondern einfach, weil uns das Geld fehlte. An dem Tag wünschte ich mir, das Erste mal nicht aus ärmeren Verhältnissen zu stammen. Ich wünschte mir, dass ich einen Batzen Geld auf der Bank hätte oder einfach durch Zufall genug Geld auf der Straße finden würde. Da nichts davon passierte, suchten wir nach anderen Möglichkeiten um das fehlende Geld aufzutreiben. Meine Mom nahm einen zweiten Job an und auch ich arbeitete neben der Schule. Vorläufig funktionierte es auch, aber die Anstrengungen wurden für meine Mutter mit der Zeit zu viel und sie musste ihren Zweiten Job aufgeben. Durch die anstehenden Arbeiten im Haus, konnte auch ich nicht mehr arbeiten. Das war der Moment, an dem wir beide sagten, dass es so nicht mehr weiter gehen konnte. Und genau das war der Punkt warum ich hier war. Wir brauchten Geld. Und zwar nicht gerade wenig. Aber damit, das meine Mom aber alle Register ziehen würde, hatte ich ganz sicher nicht gerechnet. Mein Vater würde wieder gesund und ich zur ewigen Knechtschaft gezwungen werden. Okay, ewig ist vielleicht ein bisschen übertrieben, nur bis ich alt und grau wurde und kein Tablett mehr halten konnte oder ich beim Tee servieren den Tee über die Gäste kippte. Das was mich aber am meisten ärgerte war, das ich meinem Vater auch von alleine geholfen hätte. Nur auf eine andere Art und Weise. Ich wäre nie im Leben darauf gekommen, mich irgendwo als Butler zu verkaufen, auch wenn das Gebäude von außen echt verdammt gut aussah.
Staunend betrachtete ich das ganze Gelände. Ein riesiger Garten umrundete die Villa. Alles war gepflegt und sogar das grün war grüner als bei irgendwem sonst. Das Tor, vor dem ich mich gerade befand war aus Metall und mindestens zwei Meter hoch. Durch die Gitterstäbe kläffte mich der Hund böse an. Schnell wich ich zurück und drückte auf die Klingel. Jetzt gab es ganz sicher kein zurück mehr. Einen kurzen Moment später brummte die Hightech Sprechanlage neben mir und ein Licht blinkte auf.
„Ja?“
„Hallo.“ Schnell räusperte ich mich.
„Ich ähmm, ich bin James. Ich soll heute hier anfangen zu arbeiten.“ Nervös zupfte ich an meinen Klamotten herum. Meine Mom war extra mit mir einkaufen gegangen, damit ich hier nicht wie der letzte Penner auftauchte. Anscheinend war ich in ihren Augen immer als Penner herumgelaufen. Natürlich nur um mein Image als Penner auch perfekt zu machen. Aber jetzt war es zu spät. Jetzt stand ich hier in einer engen, schwarzen Hose. Dazu ein enganliegendes, weißes Shirt und einen schwarzen Blazer.
„Ah, James. Du bist früh dran. Komm doch gleich zum Haupteingang.“
Noch bevor ich etwas erwidern konnte, summte die Anlage wieder und das Licht erlosch. Verwirrt stand ich vor dem Tor und dem immer noch kläffendem Hund. Das ist ein schlechter Scherz, oder? Soll ich jetzt darüber klettern oder mir einen Tunnel da durch graben? Gerade als ich erneut klingeln wollte, ertönte ein Geräusch und das Tor ging automatisch auf.
Ein viel zu hohes Quietschen entfuhr mir, als ich sah wie der Hund mit gefletschten Zähnen auf mich zu kam. Panisch sah ich mich nach einem Ausweg um. Warum konnte das hier nicht ein Park sein, so dass ich mich hinter einer Mülltonne oder auf einem Baum verstecken konnte? Aber, hier war nichts, außer ein paar Büschen.
Verfluchte reiche Menschen!
Jeder normale Mensch hätte hier eine Bank, einen Tisch oder einfach nur einen verfluchten Baum stehen. Sollte man das dann nicht auch von reichen Leuten erwarten? Anscheinend nicht. Mir blieb nur noch langsam und mit erhobenen Armen nach hinten auszuweichen.
„Ruhig, ich tue dir nichts. Bleib schön da.“
Mit zittrigen Beinen wich ich weiter zurück. Sofort rückte der Hund nach. Von seinen Lefzen hing Speichel und tropfte auf den Boden. Angeekelt verzog ich mein Gesicht. Vielleicht wollte er mich gar nicht töten, sondern nur an sabbern? Auch wenn seine gefletschten Zähne und das wilde Knurren etwas anders sagten.
„Sparky, aus!“
Sparky? Sie haben dieses Monster wirklich Sparky genannt? Überrascht sah ich zu der Stimme auf. Ein Mann mit schwarzen Haaren, die teilweise mit grauen Strähnen durchzogen waren, stand vor mir. Sie waren gepflegt und streng zurück gekämmt. Seine Klamotten waren bestimmt maßgeschneidert. Kein einziger Fusel lag auf dem Schwarzen Jackett. Warum trug er so etwas zu Hause? Sogar Lackschuhe!
„Ich bin Davis Sands Rutherford. Ich möchte, das sie mich aus Höflichkeit Mr. Rutherford nennen. Du bist also James?“ Flüchtig flog sein Blick über meinen Körper, ehe er wieder in mein Gesicht sah. Ich nickte kurz.
„Regel Nummer Eins: In diesem Haus wird in ganzen Sätzen gesprochen. Ein Nicken reicht mir nicht. Vor allem nicht als Butler.
„Ja.“
„Regel Nummer Zwei...“ Er ging los und deutete mir an, ihm zu folgen. Eilig schloss ich zu ihm auf, bedacht darauf so weit entfernt wie möglich von Sparky zu sein.
„Wenn du die Namen der angesprochenen Person nicht kennst, setzte du ein Sir oder Mr. dahinter. Da du meinen Namen weißt, sagst du Mr. Rutherford.“
„Ja, Mr. Rutherford.“, nickte ich. Auch wenn ich persönlich fand, das die Person durch eine andere Ansprache nicht wichtiger oder besser wurde.
„Gut. Dann kommen wir zu Regel Drei: Sei immer Aufmerksam, lerne uns die Wünsche von den Lippen abzulesen und lass dich nicht aus der Ruhe bringen. Nichts ist anstrengender als ein aufgekratzter Butler der seine Arbeit nicht gut macht.“ Ich stolperte kurz, fing mich aber. „Verstanden.“ Nach einem strengen Blick fügte ich schnell ein Mr. Rutherford hinzu.
„Gut, solange du dir diese drei Regeln merkst, dürfte es hier einigermaßen ruhig ablaufen. Dein Zimmer und die weiteren Abläufe wird dir Levi erklären. Für heute musst du nichts weiter machen.“ Mit den Worten wand er sich ab und ging. Verwirrt sah ich ihm hinterher.
„Mr. Rutherford, warten Sie bitte! Wo finde ich denn ähmm Lävi?“ Beinahe genervt sah er mich an. „Levi nicht Lävi. Und sie befindet sich wahrscheinlich in der Küche.“ Ich nickte.
„Du kannst jetzt gehen.“ Wieder war er dabei sich abzuwenden.
„Warten Sie!, wo ist denn die Küche Mr. Rutherford.“
„Du wirst sie schon finden“, war die schlichte Antwort und nicht gerade die, die ich mir erhofft hatte.
Nachdem er mir den Rücken ganz zugedreht hatte, setzte auch ich mich in Bewegung. Normalerweise dürfte es ja kein Problem sein eine Küche zu finden. Nur das dieses Haus, kein Haus sondern eine Villa ist! Und ich bezweifle das es hier weniger als Vier Küchen gab. Lautlos seufzend schlich ich durch die Gänge und stieß jede Tür, die meinen Weg kreuzte, auf. Die erste Küche war schnell gefunden, nur leider war sie leer. Allgemein befanden sich ziemlich wenig Leute hier. Insgesamt hatte ich genau Null Personen getroffen. Hoffentlich war das nur der Fall, weil es mitten in der Woche und früher Mittag war, sonst starb man hier ja noch vor Einsamkeit und Langeweile.
Nach zehn langen Minuten, nachdem ich ein Zimmer nach dem anderen ausgekundschaftet und bestaunt hatte, fand ich endlich die zweit Küche. Dieses mal schien das Glück auf meiner Seite zu sein. Eine junge Frau stand hinter dem Herd und rührte in einem großen Topf gedankenverloren umher. Sie trug ein enganliegendes, blaues Shirt und eine schwarze Hose. Ein Grinsen schlich sich auf meine Lippen. Noch jemand, der nicht allzu groß war. Ich würde sie vielleicht auf eins fünfundfünfzig schätzen, sogar gegen meine eins siebzig ist sie winzig. Kurze, schwarze Haare, standen ihr vom Kopf ab und verliehen ihr ein elfenhaftes Aussehen.
„Entschuldigung, sind Sie Levi?“, räusperte ich mich leise. Erschrocken fuhr sie herum und hielt sich die Hand vor die Brust.
„Meine Güte, erschrecke mich doch nicht so!“ Ein breites Grinsen trat auf ihr Gesicht und ihre grünen Augen fingen an zu strahlen.
„Bist du James? Der neue Butler?“ Ich nickte lächelnd. Dann fiel mir aber wieder Regel eins ein. „Ja, Mrs.“
„Ach, lassen wir diese Höflichkeitsfloskeln. Wie du schon weißt, bin ich Levi und so kannst du mich auch gerne nennen. Ich schlage vor wir Duzen uns?“ Sie strahlte mich so breit an, dass ich gar nicht Nein sagen konnte.
„Okay, Levi.“ Sie drehte den Herd runter, dann kam sie auf mich zu und griff nach meiner Hand. „Komm mit. Ich zeig dir dein Zimmer. Es ist zwar nicht so luxuriös wie die anderen Räume, aber wenn du nicht aus einer reichen Familie kommst, wird es dich dennoch umhauen. Kein Wunder, ich hab es auch eingerichtet.“ Gegen meinen Willen entlockte sie mir ein Lachen und ich ließ mich grinsend mitziehen.
„Also kochst du hier und bist gleichzeitig noch die Innendesignerin?“ Mit festen Griff drückte sie mich in einen der Fahrstühle. Fahrstühle im Haus? Noch nie so etwas wie Fitness gehört?
„Nein, eigentlich bin ich hier so etwas wie das persönliche Dienstmädchen von Ms. Rutherford. Ich wasche ihre Wäsche, koche für sie, bringe ihr Morgens einen Kaffee und so etwas. Das mit dem Raum habe ich nur gemacht, weil ich wollte, dass du dich hier wohl fühlst. Die hatten für dich nur einen leeren Raum und ein bisschen Geld zum einrichten.“ Schnaubend starrte sie auf die Türen, die sich grade öffneten. Die Familie schien ja richtig gastfreundlich zu sein. Obwohl ich ja kein Gast war. Ich war ein Angestellter.
„Danke. Das ist echt lieb von dir“, sagte ich. Der schlimmst Ort war der, an dem man sich nicht wohlfühlte.
„Ach, das habe ich doch gerne gemacht, aber ich sag dir gleich, wenn es dir nicht gefällt musst du trotzdem damit leben! Ich hab mir so viel Mühe gegeben.“ Grinsend nickte ich und lief ihr gespannt hinterher oder ich ließ mich besser gesagt hinterher ziehen. Vor einer Tür aus Magnolienholz blieb sie stehen.
„So da wären wir. Bereit?“ Ein aufgeregtes Grinsen trat auf ihr Gesicht und sie sah mich erwartungsvoll an.
„Bin ich.“
Frei von jeglichem Quietschen oder Knarren öffnete sich die Tür. Ein Lichtdurchflutetes Zimmer kam zum Vorschein. Die zwei großen Fenster wurden von großen, dunkelroten Vorhängen geschmückt. Auf dem Laminatboden lag ein riesiger cremefarbener Teppich, der nur einen winzigen Teil des Zimmers einnahm. Direkt unter einem der Fenster stand ein großes dunkelbraunes Bett. Kleine, rote und cremefarbene Kissen waren darauf verteilt und eine schwarze, große Bettdecke mit dazu passenden Kissen. An beiden Seiten daneben standen zwei kleine Nachtschränke aus dem selben Holz, mit einem Wecker und zwei edlen Lampen. Das Bett allein war schon sehr gemütlich. Dazu kam noch, das die eine Wand komplett in rot gestrichen war und die anderen rrei in einem Creme Ton. Eine Wand beinhaltete eine Schräge, unter der ein großes, weißes Schlafsofa stand und direkt davor ein kleiner Glastisch. Gegenüber stand ein großer, heller Schrank mit Schiebetüren. Trotzdem wirkte es irgendwie nicht wie ein Mädchenzimmer. Keine Wand war leer. Entweder wurde sie mit einem großen, dunklen Regal geschmückt oder mit einem großen, auffallenden Bild. Begeistert sah ich mich um und nahm immer mehr Details in mir auf. Die Hängepflanze, die an dem Regal herunter wuchsen. Die große Deckenlampe, einzelne Bücher, Kerzen, Filme und viel mehr. Trotz der enormen Größe des Raumes, wirkte er nicht kalt oder leer.
„Das du damit Leben musst hab ich nur so gesagt, wenn es dir nicht gefällt kannst du es natürlich noch um räumen, ich hatte auch nicht freies Budget, also..“ Offen ließ sie den Satz im Raum hängen und warf auch einen Blick rein. Mit offenem Mund drehte ich mich zu ihr um.
„Das ist der Hammer! Um ehrlich zu sein, habe ich heute Morgen noch mit einer Abstellkammer oder etwas ähnlichem gerechnet, aber doch nicht mit so was!“ Voller Begeisterung zeigte ich in den Raum.
„Ich meine das ist der Wahnsinn! Wer träumt nicht von so einem Zimmer und wie groß es ist!“ Übers ganze Gesicht grinsend ging zielstrebig auf das Bett zu. In einem hohen Bogen warf ich mich rauf und genoss das Gefühl in den Kissen zu versinken. Ein leises Kichern entfuhr mir, dann richtete ich mich wieder auf.
„Danke, wirklich vielen Dank!“ Freudestrahlend kam sie auf mich zu und warf sich neben mich auf das Bett.
„Das Beste kommt noch.“ Wie aus dem Nichts zauberte sie eine schwarze, lange Fernbedienung hervor. Kurz nach dem sie einen der Oberen Knöpfe gedrückt hatte, erklang ein Geräusch und ein Stückchen der Wand gegenüber dem Bett öffnete sich. Hervor kam ein riesiger Fernseher. Mit großen Augen sah ich dabei zu, wie sie auf einen weiteren Knopf drückte. Ein weiterer Teil ging auf und ein DVD-Player erschien. Das ging so weiter, bis neben den beiden auch noch die neuste Playstation, mit etlichen Spielen, zwei Controllern, ein Reciver und ein weiteres Fach mit einem Laptop auftauchte.
„Bin ich hier im Himmel gelandet?“ Ich schlang meine Arme um Levi und drückte sie fest. „Danke!“
„Ich weiß doch wie Kerle ticken. Ohne eine Playstation geht gar nichts.“ Lachend erwiderte sie meine Umarmung.
„Soll ich dir noch dein Bad zeigen?“ Sie löste sich von mir und zog mich ohne eine Antwort mit. Kurz darauf fand ich mich in einem riesigen Bad wieder.
Alles war in einem Strahlenden Weiß gehalten. Eine Dusche, die locker Platz für drei Personen hatte, befand sich auf der rechten Seite. Dahinter stand ein Whirpool und daneben auch noch eine Badewanne. Rechts von dieser war ein großes Waschbecken und zwei kleine Schränke. Auch hier waren überall geschmackliche Dekorationen eingebracht. Um die Badewanne herum standen zwei große Kerzenhalter mit jeweils einer weißen Kerze. Auf der kleinen Anrichte an der Badewanne lag eine Gelbe Ente und jede Menge Badesalz, Badekugeln und Duschgel. Dazu kam noch das riesengroße Bild, welches fast die gesamte Wand einnahm. Nur das Motiv ließ mich etwas stutzen.
„Du weißt das ich ein Kerl bin, oder?“ Grinsend zog sie eine Augenbraue hoch.
„Aber du bist schwul, oder?“ Entgeistert klappte mir der Mund herunter. Das wusste niemand außer meiner Mutter. Niemand! Und sie würde es ganz sicher nicht einfach überall herumerzählen.
„Du, aber.. Woher?“ Verdattert sah ich sie an.
„Ich hab mich halt erkundigt.“ Ich sah wieder zu dem Bild. Ein großer, nackter Männerkörper streckte sich mir entgegen. Das Model stand seitlich zur Kamera. Hinter ihm erstreckte sich eine atemberaubende Landschaft. Mein Blick allerdings wurde mehr von dem perfekt trainierten Körper angezogen. Wenigsten verhüllt sein Bein seine Weichteile.
„Bei wem hast du dich erkundigt?“ Wenigstens sah sie etwas reuevoll aus.
„Bei deiner Mutter.“ Betrübt sah sie auf den Boden.
„Und sie hat es dir einfach so gesagt? Wie bist du überhaupt an meine Nummer gekommen?“ Schulterzuckend sah sie zum Bild.
„Findest du es denn nicht gut?“ Grummelnd schüttelte ich den Kopf.
„Nein, eigentlich finde ich es ziemlich cool.“ Sofort fing ihr Gesicht wieder an zu strahlen.
„Ja sie hat es gesagt nachdem ich das mit dem Zimmer erwähnt habe. Und wegen der Nummer, ich bin auch so etwas wie die Sekretärin hier, ich bewahre die Nummern und so auf, also war das nicht wirklich schwer.“ Seufzend verdrehte ich meine Augen.
„Ich vertraue meiner Mutter nie wieder etwas an. Behalte es bitte für dich ja?“ Ernst nickte sie. „Klar, ich hab auch überhaupt nichts dagegen das du schwul bist.“ Grinsend sah ich wieder auf das Bild.
„Hätte ich ja nicht gedacht.“ Dann ging ich zu den Schränken und riss sie auf. Sie waren voll gefüllt mit Shampoos, Duschgel und weiteren Pflegeartikeln. Von Zahnbürsten bis hin zum Rasierschaum. „Was hättest du eigentlich gemacht wenn ich mich als riesiges Arschloch entpuppt hätte?“ Fragend drehte ich mich um.
„Was ich hoffentlich nicht bin.“ Sie zog mich aus dem Bad zurück ins Schlafzimmer und ließ mich erst los, als wir bei der Sofa Ecke angekommen waren. Schwerfällig ließ ich mich neben sie fallen. „Ich glaube ich habe einfach gehofft das du keins bist. Ein Arschloch im Haus ist genug.“ Ihr Mund wurde zu einem dünnen Strich und sie sah zur Seite. Eigentlich wollte ich sofort nachfragen, aber so wie sie aussah wollte sie ganz sicher nicht darüber sprechen.
„Wie alt bist du eigentlich?“
„In zwei Monaten werde ich Einundzwanzig, du?“
„Ich bin grade Neunzehn geworden.“
„Uh, ich hätte dich auf Zweiundzwanzig geschätzt.“ Grinsend zuckte ich mit den Schultern.
„Das habe ich schon öfters gehört. Mr. Rutherford hat mir gesagt du weihst mich in die ganzen Sachen hier ein?“ Bestätigend nickte sie.
„Die Regeln weißt du schon?“
„Nur die Drei.“ Unter dem Tisch holte ich ein leeres Blatt und einen Kugelschreiber hervor.
„Also, deine Schicht geht immer von sieben Uhr Morgens bis elf Uhr abends.“ Mit geschwungenen Linien, notierte sie es auf dem Papier.
„Das hört sich jetzt vielleicht viel an, aber du wirst ja nicht die ganz Zeit in Anspruch genommen, allerhöchstens wirst du in einer Stunde viermal etwas machen müssen. Allerdings kann es sein das sie dich auch nach Arbeitsschluss noch zu etwas auffordern, also musst du eigentlich immer erreichbar sein.“ Ich nickte schlicht. Mit so etwas hatte ich schon gerechnet.
„Gut, also Morgens wirst du als erstes zu mir in die Küche kommen und mir helfen den Tisch zu decken. Während ich dann das Frühstück zubereite, wirst du Mr. und Ms. Rutherford wecken und fragen ob sie einen Kaffee möchten. Ich empfehle dir nicht einfach in den Raum zu treten. Warte bis du ein herein hörst und dann sag ruhig und monoton das, dass Frühstück bereit steht und fragst ob sie vorher einen Kaffee möchten. Wenn ja bringst du ihn einen hoch und wenn nicht dann fragst du sie ob sie später noch einmal geweckt werden möchten. Der Rest ist ja klar. Achja, wenn wir grade schon dabei sind, betrete am besten kein Raum ohne zu klopfen. Ich bin einmal ins Wohnzimmer gegangen und mit so einem Knall wieder raus geflogen, das kannst du dir gar nicht vorstellen. Also grundsätzlich gilt. Ist die Tür zu, klopf an wenn du deinen Arsch nicht verlieren willst. Der Hund steht Wache.“ Erschrocken zog ich den Atem ein.
„Er schläft doch nicht auch hier drinnen oder ich meine es ist ein Hund?“ Entrüstet sah ich sie an. Deutlich sah ich wie sie versuchte ihr Lachen zu unterdrücken.
„Tut er, aber keine Sorge er beißt eigentlich gar nicht. Du kennst doch den Spruch „bellende Hunde beißen nicht“ Sparky ist eigentlich ein ganz lieber.“ Argwöhnisch fuhr ich mir durch's Gesicht.
„Mir reicht es schon wenn er mich an sabbert oder überhaupt irgendwie in meine Nähe kommt. Wer ist eigentlich auf den bescheuerten Namen gekommen?“ Beleidigt sah sie mich an.
„Ich! Und nur weil du Angst vor Hunden hast, heißt das noch lange nicht das du dich über seinen Namen lustig machen darfst. Ich habe Ewigkeiten mit Chris nach einem passenden gesucht!“ Genüsslich legte ich meine Beine, neben die von Levi, auf den Tisch.
„Wer ist Chris?“ Sofort wurde ihr Gesicht wieder abweisend.
„Der Sohn von Mr. und Ms. Rutherford. Kein sehr sympathischer Typ. Halt dich lieber so gut es geht von ihm fern.“ Schulterzuckend wand ich mich wieder dem Arbeitsplan zu. Typen, die sich für etwas besseres hielten, kannte ich von zu Hause schon genug.
„Also, sonst noch irgendetwas?“ Sie überlegte lange und sah dann zur Decke.
„Nein, achte nur auf deine Haltung und Aussprache, also sag statt 'was soll ich zu Essen bringen?' einfach so etwas wie 'Was wüschen Sie heute zu speisen?, Mr. und Ms. Rutherford?'“ Geduldig nickte ich.
„Gut, der Rest ergibt sich immer im Lauf des Tages. Außer Frühstück, Mittags- und Abendessen steht nichts fest. Wenn Gäste kommen musst du sie natürlich begrüßen und so weiter, aber das kriegst du schon alles hin, wenn du fragen hast, kommst du einfach zu mir, ok?“ Dankend nickte ich.
„Mach ich.“ Kurz fuhr sie durch meine braunen, frisch geschnittenen Haare. Lachend sprang ich auf.
„Finger weg von meinen Haaren.“ Ich ging auf die Wand mit dem Fernseher zu. Grinsend hielt ich einen der Controller hoch.
„Hast du zufällig Lust auf eine Runde?“ Schnell ließ ich meinen Blick über die große Auswahl wandern. Was spielt eine Frau gerne?
„Spryo?“ Hilflos sah ich wieder zu ihr. Erneut lachte sie auf und ging auf mich zu.
„Wie wäre es mit Call of Duty?“ Grinsend reichte ich ihr den Controller.
„Eine Frau mit Geschmack. In mehrerer Hinsicht. Gefällt mir.“ Schnell warf ich das Spiel ein und hantierte mit der Fernbedienung herum. Schnell hatte ich den Dreh raus. Nach der Anmeldung und kompletten Einstellung legten wir auch schon los. Einer nach dem anderen fiel uns zum Opfer. Das erste Spiel gewannen wir Haus hoch. Und das war ganz sicher nicht mir zu verdanken. Auch wenn ich ein Kerl war und dieses Spiel mehr als liebte, war ich einfach nur schlecht. Levi hingegen hinterließ ein Kill nach dem anderen. Lachend zwinkerte sie mir zu und startete das nächste Spiel. Immer wieder warf ich einen Blick auf die Uhr. Morgen war mein erster Arbeitstag. Morgen war ich offiziell Butler. Da konnte ich wohl nur darauf hoffen, dass ich mich hier nicht verlaufen würde.
„Hast du alles?“ Prüfend sah Levi an mir runter.
„Schwarze Hose, weißes Hemd, Lackschuhe, schwarzes Jackett. Ah, jetzt weiß ich es.“ Sie verschwand aus meinem Zimmer und kam kurz darauf mit einem weißen Tuch wieder. Ich würde mich nie damit anfreunden können ein Butler zu sein. Denn ab heute war ich es. Halleluja! Sie bog meinen Arm zurecht und legte das Tuch fein säuberlich darüber.
„Soll ich meinen Arm jetzt die ganze Zeit so halten?“ Meine ohnehin schon grimmige Miene, wurde noch grimmiger als sie nickte.
„Mir fällt der Arm jetzt schon fast ab.“ Geschmeidig drehte sie sich zur Tür.
„Keine Sorge, ich heb' ihn dann für dich auf. Und jetzt komm, die Rutherfords warten nicht gerne.“ Wie einer Ballerina lief sie aus dem Zimmer. Ich warf noch schnell einen Blick auf den Wecker ehe ich ihr folgte. Wie konnte man morgens nur so energiegeladen sein? Es ist sechs Uhr! Normalerweise würde mich kein fliegendes Schwein so früh aus dem Bett bekommen. Ich konnte mit ganzem Stolz sagen, dass ich überzeugter Langschläfer war und so schnell würde sich an dieser Meinung nichts ändern. Und mit so schnell, meinte ich die nächsten fünfzig Jahre. Gähnend und sichtlich weniger elegant schlurfte ich ihr hinterher.
„Kopf grade, Schultern nach hinten und hör auf zu schlurfen!“ Mahnend sah sie mich an.
„Glaub mir, es ist besser wenn ich dir das alles jetzt sage, denn von Mr. Chris Rutherford willst du es ganz bestimmt nicht hören. Der macht immer so einen Aufstand.“ Kaum das wir in der Küche waren, wurde mir auch schon ein großes Tablett in die Hände gedrückt.
„Geh nach oben, denk an das Klopfen und danach gehst du direkt zu Chris weiter.“ Unsicher lag das Tablett in meinen Händen. Wie sollte ich damit laufen ohne, das die randvollen Kaffeetassen überliefen?
„Chris ist auch hier?“ Sie nickte energisch und schob mich dann zur Tür.
„Du hast keine Ahnung wie erleichtert ich bin, dass ich jetzt nicht mehr den Kaffee hochbringen muss. Chris ist der Morgenmuffel schlecht hin. Hat er wohl von seinen Eltern geerbt.“ Noch ein Morgenmuffel? Na das konnte ja was werden.
Vorsichtig lief ich los, blieb aber direkt im Flur wieder stehen. Wo genau war eigentlich das Schlafzimmer? Ein Blick hinter mich zeigte, dass Levi schon längst wieder weg war. Wahrscheinlich Frühstück vorbereiten.
„Na dann.“ Seufzend drehte ich mich wieder um. Die Schlafzimmer waren doch für gewöhnlich nicht im ersten Stock, oder? Im Schneckentempo tapste ich zum Fahrstuhl. Ungeschickt drückte ich auf den Knopf und wartete. Kurz darauf fing das Licht an zu leuchten und die Türen gingen auf. Schnell ging ich rein und stieß mit meinem Ellenbogen gegen den Knopf mit der Zahl drei. Das Resultat davon war, dass der Kaffee über den Rand schwappte und sich langsam auf dem Tablett verteilte. Aber immerhin schlossen sich die Türen und der Fahrstuhl fuhr nach oben. Kaum, dass ich ausgestiegen war, wusste ich auch schon, das ich hier richtig war. Nicht, weil über den Türen Schlafzimmer der Rutherfords stand, sondern wegen dem lauten, nicht zu überhörenden Schnarchen. Nervös balancierte ich das Tablett auf einer Hand und klopfte sachte an die Tür, genauso wie Levi es mir geraten hatte. Für einen kurzen Moment wurde es ruhig, dann fing das Schnarchen noch lauter als zuvor an. Etwas kräftiger klopfte ich wieder an die Tür. Dieses mal war es anscheinend angekommen.
„Hmm ja, herein.“ Mit einem aufgesetzten Lächeln marschierte ich in den Raum rein.
„Guten Morgen Mr. und Ms. Rutherford. Möchten sie einen Kaffee?“ Nebenbei schielte ich auf das Tablett und hoffte, dass sie verneinen würden. Mittlerweile war nur noch gut drei viertel jeder Tasse gefüllt. Verschlafen, aber trotzdem mit ernstem Gesichtsausdruck schüttelte Mr. Rutherford verneinend den Kopf. Ms Rutherford, die ich jetzt auch das erste mal zu Gesicht bekam, nickte erfreut und stieg aus dem Bett. Sie trug ein enges Shirt und dazu eine kurze Hose. Ihre Augen leuchteten fröhlich und beobachteten mich genau. Schnell ging ich auf sie zu. Und jetzt? Gab ich ihr einfach die übergelaufene Tasse? Kaum, dass ich vor ihr stand warf sie einen kritischen Blick auf das Tablett. Betreten trat ich von einem Bein auf das andere.
„Ich...“
„Danke, dass hast du gut gemacht. Chris schläft in dem Zimmer am Ende des Flurs.“ Mit einem zwinkern drehte sie sich wieder zu ihrem Mann um. Ich nahm das als Entlassung und verließ schnell den Raum. Das war ja gerade noch einmal gut gegangen. Ihr Mann hätte das ganz sicher nicht so leicht hingenommen. Jetzt musste ich nur noch zu Chris. Langsam ging ich weiter und suchte nach irgendeinem Zeichens, das in der Nähe sein Zimmer war. Leider schien er weder zu schnarchen, noch wach zu sein. Forschend sah ich mich um, lief dann einzeln zu jeder Tür. Wie ich schnell herausfand, waren die meisten Türen mit Infoschildern ausgestattet. Kein Wunder, wie sollte man bei so einem riesigen Haus auch wissen in welchem Raum sich was befand? Das Zimmer von Chris fand ich, trotz allem, nicht allzu schnell, so dass ich sicherlich zehn Minuten zu spät vor seiner Tür stand. Schnell klopfte ich an und trat, nach einer Einladung, herein. Auf einem riesigen Bett, das so gut wie den halben Raum einnahm, lag Chris. Alle Viere von sich gestreckt und alles andere als begeistert zu mir herauf sehend.
„Wer bist du denn?“ Nervös presste ich das Tablett an mich.
„James. Ich bin der neue Butler.“ Wenigstens klang meine Stimme nicht halb so nervös wie ich mich gerade fühlte.
„Aha.“ Desinteressiert musterte er mich mit seinen blauen Augen. Seine blonden Haare standen in alle Richtungen von seinem Kopf ab und trotzdem sah er verdammt herrisch und arrogant aus. „Willst du mich noch länger anstarren oder bekomme ich irgendwann auch noch meinen Kaffee?“ Oh ja, er war eindeutig verwöhnt. Schnell trat ich nach vorne und reichte ihm die vollere der beiden Tassen. Einen Unterschied machte es eigentlich nicht, in beiden war nicht mehr viel übrig. Auch Chris schien es zu bemerken und betrachtete missbilligend den Inhalt. Dann sah er genervt zu mir hoch.
„Ist das dein ernst? Nur damit das klar ist, es ist mir egal ob heute dein erster oder fünfhundertster Arbeitstag ist. Ich will meinen Kaffee morgens, zu richtigen Uhrzeit, nicht erst zehn Minuten später und vor allem will ich eine volle Tasse. Du kannst gleich nochmal loslaufen und mir eine neue holen. Du bist der Butler, du sollst uns das Leben erleichtern und nicht noch anstrengender machen. Jetzt verschwinde. Ich will in fünf Minuten eine neue Tasse Kaffee! Ach ja, bevor ich es vergesse, wenn du mich noch einmal ohne meinem Titel ansprichst bist du gefeuert!“ Mit einem kurzen Nicken verschwand ich aus dem Raum und lief schnell zurück in die Küche. Chris ist ja genauso liebreizend wie Levi ihn beschrieben hat.
Fünf Minuten reichten gerade mal für den Weg. Daran, dass der Kaffee auch noch gekocht werden musste, hatte er wohl nicht gedacht. Gerade als ich die Küchentür aufriss, kam mir Levi entgegen. In der Hand hielt sie eine frische Tasse Kaffee, welche sie mir sofort in die Hand drückte.
„Ich weiß doch wie Chris ist, ich hab immer zwei Tassen fertig gemacht, da er jeden zweiten Tag mit seiner nicht zufrieden war. Mach dir keinen Kopf darüber.“ Dankend nahm ich ihn ihr ab. „Danke, du bist echt die Beste!“ Lachend drückte sie mich aus der Küche.
„Ja ja, jetzt los, wenn du nicht gleich wieder da bist, gibt es richtig Ärger und glaub mir du willst nicht erleben, was sich diese Familie ausdenkt wenn man Fehler begeht.“ Ich bedankte mich noch einmal und lief dann los, dieses mal am meisten darauf bedacht, dass der Kaffee nicht überschwappte. Trotzdem war ich neugierig geworden was man hier für Fehlverhalten bekam? Vielleicht eine Woche länger arbeiten? Vor Chris Tür blieb ich stehen und klopfte an. „Verpiss dich!“ Verwirrt hielt ich inne. Sollte ich gerade eben nicht noch einen neuen Kaffee holen? Und war ich nicht auch dafür zuständig, dass alle rechtzeitig aus ihren Betten kamen? Innerlich seufzend wiederholte ich das Klopfen.
„Ich habe den Kaffee, Chris Rutherford.“ Ein genervtes Seufzen erklang aus dem Raum.
„Mit Titel meinte ich nicht meinen kompletten Namen, sondern einfach nur Chris. Komm rein.“ Vorsichtig öffnete ich die Tür. Chris schien sich keinen Zentimeter bewegt zu haben. Immer noch lag er ausgestreckt auf seinem Bett und hatte den Kopf tief ins Kissen vergraben. Leise räusperte ich mich.
„Du musst auch bald aufstehen, Chris.“ Er grummelte etwas in sein Kissen, was ich unschwer als „Leck mich“ erkennen konnte. Unschlüssig stand ich neben ihm. Sollte ich einfach den Kaffee abstellen und gehen oder ihn doch aus dem Bett werfen? Vor mich hin grübelnd sah ich zu ihm runter.
„Warum bist du immer noch hier?!“ Genervt sah er zu mir hoch. Mit zitternder Hand hielt ich ihm den Kaffee hin.
„Dein Kaffee, Chris.“ Er warf einen Blick auf meine Hand, ehe er sich mit einem genervten Laut wieder auf sein Bett warf. Den Kaffee stellte ich auf den Nachtschrank, ehe ich ihn vorsichtig an der Schulter berührte.
„Du musst jetzt aufstehen“, versuchte ich meine Worte herrisch herüberzubringen. Kalt lachte Chris in sein Kissen, ehe er sich aufsetzte und mich auffordernd ansah.
„Ich gebe dir eine letzte Chance, wenn du in zwei Sekunden nicht aus meinem Zimmer draußen bist, liegst du in meinem Bett und kannst dich mit Freude meiner Morgenlatte widmen, jetzt verpiss dich endlich!“ Automatisch glitt mein Blick zwischen seine Beine. Der Stoff war deutlich ausgebeult. Das Blut wich aus meinem Gesicht als er aufstand.
„Soll ich noch deutlicher werden?“ Ängstlich wich ich zurück. Chris war verdammt groß. Mindestens ein Meter siebenundachtzig. Dazu war er noch sehr muskulös. Sein ganzes Auftreten strotze nur so von Arroganz und Dominanz.
„Ich denke das wird nicht nötig sein, Chris. Wie ich sehe bist du bereits auf den Beinen“, quetschte ich mühselig heraus und verschwand danach schnell aus der Tür. Das lief doch gar nicht mal so schlecht, wenn man die Drohungen bei Seite ließ. Immerhin war er aufgestanden.
In der Küche wartete Levi bereits auf mich.
„Da bist du ja endlich, war er so schwer aufzuwecken?“ Achselzuckend nickte ich und half ihr dann beim belegen von Brötchen.
„Bring schon mal die beiden Tabletts in den Frühstückssaal. Danach kommst du wieder und nimmst die restlichen Sachen mit.“ Grinsend half sie mir die Tabletts auf meine Arme zu legen. Wackelig lief ich in die mir angewiesene Richtung.
Der Raum war nicht schwer zu finden und die Tür stand Gott sei Dank offen. Der Raum war, wie alle anderen, riesig und lichtdurchflutet. Eine Wandseite bestand komplett aus Glas, so dass man einen großartigen Blick auf die Natur hatte. Geschmack hatte diese Familie aber. Wackelig stellte ich beide Tabletts auf dem riesigen Tisch ab und half Levi dann die nächste Stunde den Frühstückstisch zu decken und zu schmücken. Am Ende war fast der ganze Tisch mit den verschiedensten Speisen belegt. Von Spiegeleiern bis zu Kaviar. Gedanklich schüttelte ich den Kopf. Bei uns zu Hause war es ein Festmahl wenn es Morgens etwas warmes wie Ei gab. Diese Familie verschwendete anscheinend noch nicht einmal Gedanken an Kinder die hungern. Nach und nach trudelte die ganze Familie ein. Jedes Haar saß und kein einziger Fusel war auf den Klamotten zu sehen. Hilfesuchend wand ich mich an Levi.
„Was soll ich jetzt machen?“
„Du stehst einfach daneben und wartest ab, wenn jemand einen Wusch hat, wird er ihn äußern. Rede einfach nicht mit und stell dich nicht allzu tollpatschig an.“ Nicht tollpatschig zu sein war keine gute Voraussetzung für mich. Lächelnd verschwand sie und ließ mich einfach stehen.
Nervös stellte ich mich in die Ecke und versuchte so gut es ging nicht aufzufallen. Die Gespräche gingen größtenteils über die Arbeit und die Angestellten. Hier musste ein Angestellter entlassen werden, dieser musste mal wieder auf die richtige Bahn gebracht werden – was auch immer damit gemeint war – und ein älterer konnte nur noch ein Jahr lang gebraucht werden. Wie auf einem Viehmarkt. Auch über mich redeten sie, als sei ich nicht anwesend. Allgemein wurde ich einfach ignoriert. Größtenteils beschränkte es sich darauf, dass ich der persönliche Butler von Chris werden sollte. Neugierig hörte ich ihnen zu. Wenn sie beschlossen, dass ich es werden sollte, wollte ich es wenigstens wissen.
„James, da du ja sowieso schon zuhörst, was hältst du davon? Übrigens ein weiterer Punkt. Es geht dich nichts an was wir unter uns besprechen. Halt einfach immer ein Ohr offen, wenn wir etwas möchten rufen wir dich schon.“ Ertappt zuckte ich zusammen.
„Ja, Mr Rutherford.“ Das Ehepaar warf mir auffordernde Blicke zu, während Chris gelangweilt in seinem Essen herumstocherte.
„Also was hältst du davon Chris persönlicher Butler zu werden? Ich weiß du hast noch nicht mal einen einzigen Arbeitstag hinter dir, aber ich bin mir sicher, dass du das hinbekommst und Chris ist nicht immer so grummelig drauf.“ Lieb sah Mrs. Rutherford mich an.
„Ich ähm, das müssen Sie entscheiden, Mrs. Rutherford.“ Nervös sah ich nach vorne. Sollte ich jetzt zu ihnen an den Tisch treten oder weiterhin hier stehen bleiben? Lächelnd klatschte sie in die Hände.
„Dann wird es so. Ich wollte schon immer, dass du einen eigenen Butler hast Chris. Nutze es ja nicht aus!“ Neutral wandte Chris sich an seine Mutter.
„Und was ist mit euch? Wollt ihr euch noch einen Butler holen?“, fragte er und sprach gleichzeitig auch meine Bedenken mit aus.
„Ach, da haben wir ja noch gar nicht mit dir drüber gesprochen. Levi wird diese Aufgabe mit übernehmen. Sie wird ganz normal wie bisher arbeiten, nur uns noch morgens wecken. Außerdem gibt es ja auch James.“ Sie wandte sich wieder an mich.
„Komm erst mal nach vorne.“ Zögerlich lief ich zu dem Tisch und blieb einen Meter davor stehen. „Damit du erst mal verstehst was es überhaupt bedeutet ein persönlicher Butler zu sein. Es ist nicht so das du nur noch auf Chris hören sollst sondern, dass Chris, sagen wir mal das letzte Wort bei dir hat.“ Lachend mischte sich Mr Rutherford ein.
„Es ist eigentlich ganz einfach. Wenn Chris sagt putze die Toilette mit deiner Zahnbürste, dann machst du das! Möchte er das du den ganzen Tag nackt durch die Gegend läufst, machst du das auch. Wenn du ihm widersprichst oder dich komplett verweigerst, kannst du davon ausgehen das wir unser Geld zurückholen, dich in dein Kuhdorf zurückschicken und deinen Vater sterben lassen.“ Perplex sah ich ihn an. Ich sollte zum persönlichen Sklaven von Chris werden? Und sie drohten damit meinen Vater sterben zu lassen? Wo bin ich denn hier gelandet. Sanft mischte sich Mrs Rutherford wieder ein und unterbrach meine Gedanken.
„Das ist vielleicht etwas schlecht ausgedrückt, dein Vater wird derzeit schon operiert, kein Sorge.“ Erleichtert atmete ich aus, immerhin eine gute Sache.
„Es wird eigentlich gar nicht so viel anders sein als jetzt. Wie gesagt, ich weiß, dass du so gut wie noch gar keine Erfahrung hier hast, aber das wird schon noch alles. Eigentlich ist der Unterschied nur, dass du jetzt keine Arbeitszeiten mehr hast und Chris immer an Erster Stelle kommt. Für dich ändert sich bei uns eigentlich gar nichts. Du richtest z. B. nur das Essen von Chris an, nicht mehr von uns, dafür wird Levi aufkommen, okay?“ Überfordert nickte ich.
„Denk an die Regeln, James! Ich würde dir raten sie einzuprägen!“ Schnell wand ich mich an ihn. „Ja, Mr. Rutherford und ich habe alles verstanden Mrs. Rutherford.“ Chris hingegen schnaubte verächtlich auf.
„Was soll ich denn bitte mit einem Butler der nicht ein Mal weiß wie er sich zu verhalten hat?“ Empört blickte ich zu ihm auf, das war immer noch mein erster Tag, als würde ich da alles richtig machen!
„Er wird sich schon eingewöhnen und wenn nicht kannst du ihm ja ein bisschen nachhelfen,“ ,meinte Mr. Rutherford wissend und stand dann auf und verließ den Raum. Verdutzt sah ich ihm nach und lief dann zügig zu seinem Platz, um das benutzte Geschirr abzuräumen. Sofort wurde ich wieder zusammengestaucht.
„Warte gefälligst bis wir auch fertig sind mit essen.“ Erschrocken fuhr ich zurück, wobei mir der Teller aus der Hand glitt und mit einem lauten Knall auf dem Boden zerbrach. Augenblicklich herrschte Stille im Saal.
„Tut mir Leid, ich dachte es wäre schöner an einem Tisch ohne dreckiges Geschirr zu essen, Chris“, versuchte ich die Situation einigermaßen zu retten. Zornig zog er die Augenbrauen zusammen.
„Ich entscheide immer noch was mir am besten gefällt, noch machst du gar nichts, wenn ich dich nicht dazu auffordere. Später, wenn du wenigstens weißt wie man normal in der Ecke steht, kannst du die Aufgaben auch ohne Angabe machen. Und jetzt räum' die Scherben weg!“ Schleunigst bückte ich mich und sammelte die Scherben auf. Partout schnitt ich mir in die Hand, dicke Blutstropfen quollen aus meinem Finger. Fluchend räumte ich alle Scherben aufeinander und verschwand danach mit Ihnen in die Küche. Levi war noch dabei die Küche zu säubern. Besorgt musterte sie mich.
„Was ist passiert?“ Nachdem die Scherben im Müll verschwanden lief ich zum Wasserhahn.
„Ich bin jetzt Chris' persönliche Butler.“ Mit offenem Mund sah sie mich an, die Spülflasche auf dem Boden einfach ignorierend.
„Du bist was? Scheiße warum das denn? Ich meine du bist doch erst seit gestern hier und du weißt noch nicht mal was genau du alles machen sollst! Und wer bedient jetzt die Rutherfords?Was zur Hölle ist mit deiner Hand passiert?“ Sofort schoss sie auf mich zu und wusch mir das Blut von der Hand.
„Du weißt schon, dass es dafür ein Kehrblech gibt oder? Niemand sagt etwas, wenn du kurz in die Küche verschwindest um eins zu holen.“ Seufzend ließ ich mir ein dickes Pflaster um den Finger wickeln.
„Wäre schön gewesen das früher zu wissen.. Und du sollst sie bedienen. Zumindest Morgens, sonst ist glaub ich nicht wirklich viel anders.“ Grinsend sah ich meinen Finger an.
„Irgendwie hätte ich hier sogar teure Pflaster erwartet, aber genau die selben haben wir auch.“ Sie grinste zurück, ehe ihr Blick ernst wurde.
„ Habe ich mir schon gedacht, aber es wird ziemlich anders für dich, obwohl ja alles eigentlich neu ist. Mach einfach alles genau wie Chris sagt, er ist ziemlich eigen, wenn jemand nicht nach seiner Pfeife tanzt. Es sind schon viele Butler gegangen und die waren nicht nur Chris unterstellt. Ich glaube deswegen haben dich die Rutherfords auch zu seinem persönlichem Butler gemacht. Du kannst nicht einfach verschwinden. Chris kann also so drauf sein wie er möchte, dir befehlen was er möchte und du musst es ohne Widerstand machen.“ Empört warf ich meine Arme nach oben.
„Na super, ich sehe es jetzt schon kommen, dass mein Leben hier zur kompletten Hölle wird!“ Sie warf mir einen Mitleidigen Blick zu.
„Warte erst Mal ab, okay ich sage selbst immer wieder, dass Chris ein großes arrogantes Arschloch ist, aber manchmal hat er auch seine netten Seiten.“
„Von denen habe ich aber nicht nicht allzu viel mitbekommen.“ Grinsend drückte sie mir drei leere Tabletts in die Hand.
„Die kannst du schon Mal mitnehmen. Stell dich einfach wieder hin und behalte sie auf den Arm. Wenn alle weg sind, kannst du schon Mal anfangen abzuräumen. Ich komme gleich und helfe. Beeile dich, diese Familie hat nicht die größte Geduld.“ Schnell lief ich wieder los. Gerade, als ich das Zimmer betrat, stand Mrs. Rutherford auf.
„James, du kannst schon mal abräumen, danach gehst du einfach in Chris' Zimmer, er sagt dir dann was du weiter machen musst.“ Freundlich lächelte sie mir zu und wandte sich ab, um den Raum zu verlassen.
„Mrs. Rutherford warten sie bitte.“ Schnell holte ich die paar Schritte auf. Überrascht blieb sie stehen und sah mich an.
„Ich.. können sie mir bitte bescheid sagen, wenn die Operation vorbei ist. Ich denke Mal das meine Mutter sie informieren wird.“ Unruhig sah ich auf den Boden. Keine Ahnung, ob ich so etwas überhaupt bitten durfte.
„Natürlich, das ist selbstverständlich.“ Mit einem kleinen Lächeln verschwand sie aus dem Raum. Chris folgte ihr, aber nicht ohne mich noch einmal anzurempeln.
„Geh aus dem Weg, du bist der Butler, merk dir das endlich!“ Sofort entschuldigte ich mich. Na das konnte ja lustig werden.
Der Tisch war schnell abgeräumt, ebenso schnell war die Küche wieder auf Vordermann gebracht. Zu schnell. Deutlich langsamer als nötig, spülte ich die letzten Tassen ab. Dass wir hier selber etwas zum Frühstück bekommen, war wohl zu viel verlangt? Seufzend räumte ich die Tasse in den Schrank und lief im Schneckentempo nach oben. Eigentlich sollte ich mir doch gar keine Sorgen machen! Jedenfalls nicht darum. Sorgen sollte ich mir um meinen Vater machen, der im Krankenhaus lag und gerade operiert wurde. Für den ich das hier alles erst tat! Mehr oder weniger freiwillig. Mit gestrafften Schultern lief ich die restlichen paar Meter bis zu seiner Tür. Ohne noch länger einen Gedanken daran zu verschwenden, klopfte ich an und verfluchte meine Hand dafür, dass sie anfing zu zittern.
„Was?“ Würde ich hier jetzt jedes mal so freundlich begrüßt werden?
„Ich sollte zu dir aufs Zimmer kommen“, rief ich durch die geschlossene Tür. Kurz überlegte ich einfach reinzugehen, aber wer wusste wie jemand wie Chris darauf reagierte.
„Ja, vor ungefähr fünfzehn Minuten? Habe ich dir nicht schon mal gesagt, dass ich Unpünktlichkeit nicht sehr schätze?“, kam es gedämpft zurück.
„Ich wurde nur dazu angewiesen nach dem Frühstück hier zu erscheinen, mehr wurde mir nicht gesagt“, warf ich etwas pampiger zurück, als geplant. Kurz war es still, dann wurde die Tür mit einem Ruck aufgerissen. Automatisch wich ich einen Schritt zurück.
„Chris“, setzte ich noch schnell dahinter, als ich seinem Blick begegnete. Mit verschränkten Armen lehnte er gegen den Türrahmen. Ich kam nicht drum herum seine Arme zu bewundern oder besser gesagt seine ganze Statur. Nicht nur, dass ich auch gerne so groß wäre, gegen diese Muskeln hätte ich aber auch nichts einzuwenden.
„Das, was ich vorhin gesagt habe, war ernst gemeint. Einen Butler, oder persönlichem Diener, wie ich dich eher bezeichnen würde, der nicht weiß was er zu tun hat, kann ich nicht gebrauchen.“ Ein Runzeln erschien auf seiner Stirn und er zögerte kurz, bevor er einen Schritt nach hinten ging und die Tür aufhielt. Zögerlich drückte ich mich an ihm vorbei, in den Raum hinein. Sein Zimmer war erstaunlich hell. Eine Wand war in einem warmen Rotton gestrichen, der Rest weiß. Das große Bett nahm fast den gesamten Raum ein, lediglich ein alter Schreibtisch, eine kleine Kommode, ein gewöhnlicher Fernseher und etliche Playstation Spiele fielen mir ins Auge. Im Gegensatz zu dem Rest der Villa, sah man hier keineswegs den Reichtum seiner Familie. Es sah wie ein ganz normales Jugendzimmer aus. Sogar den Kleiderhaufen, den man so gut wie in jedem Zimmer, meinem eingeschlossen, fand, lag in der Ecke. Erstaunt flogen meine Augen wieder zu Chris, welcher sich inzwischen auf das Bett gesetzt hatte. Drei Leute könnten da bestimmt gemütlich drin schlafen. „Also, ich denke es ist am einfachsten, wenn ich dir erst einmal erkläre, wie es jetzt laufen wird.“ Zustimmend nickte ich und verlagerte mein Gewicht auf den anderen Fuß. Sollte ich mich jetzt einfach dazu setzen oder hier stehen bleiben? Ein kräftiger Ruck am Handgelenk, nahm mir meine Entscheidung ab. Nicht gerade elegant plumpste ich neben ihn auf die weiche Decke und versank förmlich darin.
„Also, Punkt Nummer eins: Wenn ich dir etwas sage, mach es. Mach es richtig, sorgfältig und vor allem schnell. Du kannst davon ausgehen, dass ich ziemlich schnell wütend werde, also wenn du nicht der Mittelpunkt dieser Wut werden willst, halte den Zeitrahmen ein. Punkt Nummer zwei:
Wie du sicher heute schon verstanden hast, mein Wort gilt. Wenn ich etwas möchte, machst du es meiner Zufriedenheit nach. Wenn es dir nicht gefällt steck' es dir in den Arsch, es interessiert hier niemanden. Oder zumindest mich nicht, du kannst natürlich gerne zu meinem Vater gehen, der würde dir aber lediglich den Hintern versohlen. Glaub mir, ich weiß es. Bei meiner Mutter wirst du schon ein bisschen mehr erreichen, nämlich, dass sie zu mir sagt was das Problem ist und mir wird es weiterhin egal sein, also vergisst du das am besten auch gleich wieder. Ohnehin werde ich nichts unmögliches oder moralisch nicht vertretbares abverlangen. Dann kommen wir direkt zu Punkt drei:
Wenn du wirklich irgendwelche Probleme hast, kannst du damit zu mir kommen, damit meine ich jetzt nicht irgendwelche Gefühlsduseleien, weil das Mädchen, was du liebst, dich nicht liebt und so weiter. Das gehört zu den Dingen, die mich nicht interessieren, damit kannst du zu Lebi gehen.“ „Sie heißt Levi“, entwischte es mir wütend. Wie konnte man nur so wenig über eine Person wissen, die schon seit Jahren hier angestellt war? Ich meinte, sie hat ihm jeden Morgen den Kaffee gebracht und ihn geweckt. Der Name ist da das Minimum, an dem was man wissen wollte. Er warf mir einen vernichtenden Blick zu, fuhr dann aber fort als wäre nichts gewesen.
„Wie auch immer mit „Probleme“ meine ich eigentlich Notfälle. Wenn du dir das Bein brichst zum Beispiel, oder wenn du eine Blutvergiftung hast. Eher unwahrscheinlich, aber man weiß ja nie. Punkt vier: Wenn ich nichts von dir möchte, möchte ich dich nicht sehen und nicht hören. Allgemein möchte ich so wenig von dir zu Gesicht bekommen wie möglich. Halt ein Ohr offen, wenn ich etwas möchte und du bist nicht zu erreichen, gibt’s Ärger.
„Wie bitte soll ich das denn machen? Wenn du meine Anwesenheit nicht willst, kann ich ja wohl kaum wissen, wann du irgendeinen von deinen tollen Wünschen erfüllt haben willst“, schnaubte ich ihn an. Seine Hand grub sich bedrohlich in meine Schulter. Keuchend versuchte ich sie aus seinem unerbittlichen Griff zu befreien.
„Dafür gibt es Punkt fünf“, knurrte er und zog die Hand angewidert weg.
Aus einer Schublade unter dem Bett, zog er einen kleinen Gegenstand der Ähnlichkeit mit einem Walky Talky hatte.
„Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht genau wie dieses Ding heißt, aber es funktioniert. Wenn es piepst, bewegst du einfach deinen Arsch so schnell es geht hier rauf. Punkt sechs: Ist eigentlich nur eine Wiederholung, aber ich glaube für dich ist es ganz angemessen, dass ich es nochmal erwähne. Ich will hier keine Freunde unter meinen Angestellten finden.“
Erschrocken fuhr ich zurück, als sich seine große Hand um mein Kinn legte und meinen Kopf von einer Seite zur anderen drehte.
„Wenigstens bist du nicht allzu hässlich, dann bekomme ich wenn ich aufwache wenigstens keinen Schock.“ Fast schon ängstlich wich ich nach hinten und schob seine Hand von meinem Kinn. Was bildete sich dieser Kerl eigentlich ein, dass er mich wie eine Marionette herum scheuchen konnte? „Noch etwas, morgens bin ich schlecht drauf. Das wichtigste ist mein Kaffee, ohne den ich tot bin, also sorg' dafür das ich ihn bekomme, alles andere ist mir dann egal, nur der Kaffee ist wichtig. Anklopfen brauchst du morgens auch nicht, das macht mich nur aggressiv. So, noch irgendwelche fragen?“ Geräuschvoll schluckte ich, ignorierte sein Grinsen darauf hin und holte tief Luft.
„Ehrlich gesagt ja“, meinte ich leise.
„Was ist in der Zeit in der du meine, ähmm Dienste nicht brauchst? Levi meinte ich habe da Freizeit, aber da war ich auch nur der normale Butler, wenn auch nicht für so lange das ich überhaupt Freizeit haben könnte, was ich auch ehrlich gesagt gar nicht verstehe, ich meine du hättest doch schon viel früher einen persönlichen Butler bekommen können, der … keine Ahnung, weiß was er tut? Ich meine ich bin hier noch nicht mal seit zwei Tagen und freiwillig bin ich hier so oder so nicht. Und-“
„Komm auf den Punkt“, unterbrach er mich barsch. Erneut atmete ich tief ein, ehe ich weitersprach. „Der Punkt war eigentlich nur, ob ich in der Zeit, wo du mich nicht brauchst, Freizeit habe?“ Still musterte er mich.
„Solange du dein Piepsding da mit nimmst und in der Nähe von mir bleibst, kannst du machen was du willst. Das ist mir eigentlich ziemlich egal. Und was deine andere Frage angeht. Ich weiß auch nicht warum meine Eltern das Thema gestern wieder angesprochen haben und dich zu meinem persönlichen Butler gemacht haben, aber schlimm finde ich es jetzt nicht gerade. Es ändert sich aber auch nicht so viel für mich, außer das sich die Angestellten nicht dauernd über mich beschweren oder deswegen kündigen. Jedes mal sind sie zu meinem Vater gelaufen wie kleine Kinder. Du kannst nicht kündigen und meinem Vater bist du egal, weil du nicht wirklich bezahlt wirst.“ Grinsend zuckte er mit seinen Augenbrauen.
„Geht doch für beide Seiten auf. Dein Vater wird gerettet und ich habe endlich Ruhe vor meinem.“ Also hatte Levi Recht. Ich war es nur, weil sie mich nicht feuern konnten. Und was war da mit seinem Vater?
„Noch eine unnötige Frage?“ Stumm schüttelte ich den Kopf.
„Gut, dann mach den Fernseher an und bring gleich die Fernbedienungen mit.“ Mit einem Seufzen warf er sich ganz auf das Bett, stapelte die Kissen hinter seinem Rücken auf und sah mich ungeduldig an. Den einen Schritt hätte er natürlich nicht selber machen können. Nachdem der Fernseher an war, warf ich ihm die Fernbedienung zu und trat den Rückweg an.
„Wo willst du hin?“ Verwirrt wand ich mich wieder um.
„Du hast doch gesagt, dass ich machen kann was ich will, wenn du nichts mehr möchtest, Chris.“ Mit einem eisigen Blick, schlug er die Decke beiseite, schwang die Beine über die Bettkante und kam, genauso wie heute morgen auf mich zu. Eine große Hand stieß gegen meine Brust, bis ich an die Wand krachte. Erschrocken riss ich meine Augen auf und versuchte aus der Umklammerung zu entkommen. Sofort knallten seine Hände rechts und links von mir an die Wand.
„Und habe ich gesagt, dass ich nichts mehr möchte oder hast du dir das einfach nur gedacht?“, fragte er düster und presste meinen Körper mit seinem hart an die Wand.
„Ich.. ich dachte-“
„Nein, das Problem ist das du eben nicht gedacht hast“, unterbrach er mich.
„Du wolltest einfach nur so schnell wie möglich von hier weg. Warum? Das du mich nicht magst ist mir klar. Du musst mich aber auch nicht mögen, um deine Arbeit zu machen. Ich denke du willst es hier so einfach wie möglich haben“, meinte er etwas ruhiger.
„Ich habe auch keine Lust darauf den ganzen Tag nur Stress zu haben.“ Er hielt inne, bevor er mich anschrie: „Aber das geht nur wenn du deine gottverdammte Arbeit machst und mitdenkst!“ Erschrocken versuchte ich wieder nach hinten auszuweichen und knallte mit dem Kopf gegen die Wand. Seine rechte Hand, schob sie hinter meinem Kopf an die Wand, so als wollte er verhindern dass ich noch einmal dagegen stieß.
„Wenn du nur ein bisschen mitdenkst, wird das alles einfacher.“ Durchdringend sah er in meine Augen, welche vor Schreck weit aufgerissen waren.
„Hast du das verstanden?“ Vorsichtig nickte ich. Er hat sich ja deutlich genug ausgedrückt. Zufrieden ließ er von mir ab. Sofort wich ich ein paar Schritte von ihm weg. Mit hochgezogener Augenbraue musterte er mich, ehe er sich wieder auf das Bett warf. Gelangweilt zappte er durch die Kanäle. Nach ca. fünf Minuten fiel sein Blick wieder auf mich. Blinzelnd erwiderte ich ihn, immer noch wie festgefroren. Schnaufend lachte er auf, als ich meinen Blick senkte.
„Junge, du solltest dringend mal etwas für dein Selbstbewusstsein tun, dass kann ich ja mit meinem kleinen Finger zerquetschen.“ Wütend schoss mein Blick nach oben. Kann ihn mein Selbstbewusstsein nicht sonst wo vorbei gehen? Nur weil er in einer reichen Familie von hohem Stand aufgewachsen war, hieß es nicht, dass er was besseres war.
„Willst du da Wurzeln schlagen?“ Schnell schüttelte ich den Kopf und lief Richtung Tür.
„Eh! Soll ich nochmal aufstehen? Hast du es immer noch nicht geschnallt?“ Verwirrt sah ich ihn an. „Ähm, hast du noch etwas für mich zu erledigen, Chris?“ Fragend sah ich ihn an. Hatte er das jetzt erwartet oder etwas vollkommen anderes? Wie sollte man mitdenken, wenn man seine Weise zu denken nicht verstand?
„Geht doch“, kam es erstaunlich fröhlich vom Bett.
„Und jetzt verzieh dich!“ Nickend verschwand ich aus dem Zimmer, zog die Tür etwas lauter zu, als notwendig. Einen kurzen Moment zum durchatmen gab ich mir, ehe ich los lief um Levi zu finden. Lange dauerte es nicht. In meinem Zimmer, auf meinem Bett, saß sie und las.
„Hast du kein eigenes Zimmer?“ Überrascht sah sie auf. Als sie mich erkannte, fing sie an zu lächeln und klopfte neben sich auf das Bett.
„Doch, aber das konnte ich mir nicht selber einrichten. Das war irgendein altes Zimmer von einer Angestellten und sie fand den Besenkammer Stil anscheinend sehr ansprechend.“ Lachend ließ ich mich neben ihr auf das Bett sinken.
„Meintest du nicht, dass Chris gar nicht so ein Arschloch ist?“ Aufmerksam sah sie mich an.
„Was ist passiert?“
„Er wusste nicht mal wie du heißt! Ich meine du bist schon Jahre hier! Hast ihm jeden Morgen Kaffee gebracht. Ihr habt sogar dem Gott verdammten Hund zusammen einen Namen gegeben, bei dem er sich jedes Mal die Ohren zu halten würde, wenn er Hände hätte.“ Lachend legte sie das Buch weg.
„Das hat er bei mir auch gemacht.“
„Was?“, fragend sah ich sie an.
„Das mit dem Namen. Mir hat damals Connie hier alles gezeigt. Sie war auch schon seit Jahren hier und hat ihn vor mir immer geweckt. Glaub mir er weiß ganz genau wie ich heiße. Er entscheidet gerade nur, ob er was mit dir anfangen kann, oder ob er dich vertreibt wie fast alle vor dir. Und er macht es dir so schwer wie möglich.“ Empört sprang ich auf.
„Aber das ist doch total sinnlos!“ Meine Arme flogen wie von selbst in die Luft.
„Was hat er davon wenn er ein Arschloch zu mir ist. Und glaub mir das ist er. Ich bin doch schon sein persönliches Etwas. Mehr kann er doch gar nicht wollen. Er hat deutlich gesagt, dass er keine Freunde will!“
„Du kannst nicht mit Chris befreundet sein. Jedenfalls nicht, wenn du hier arbeitest. Du kannst lediglich von ihm als Arbeitskraft respektiert werden. Aber um ehrlich zu sein, ist das schon so gut wie unmöglich.“ Seufzend sank ich auf das Bett zurück.
„Ich hab' jetzt schon keine Lust mehr.“ Grinsend nahm sie mich in den Arm.
„Das wird schon. Was hat er denn sonst noch so gesagt?“
„Nur die Regeln, welche eigentlich alle die gleichen sind: mach was ich sage, zu meiner Zufriedenheit, oder wir bezahlen die Arztrechnungen nicht weiter!“ Schnaufend ließ ich mich nach hinten fallen. „Das wird schon alles.“
„Hoffe ich.“
Dreizehnmal, verdammte dreizehnmal rief Chris mich zu sich. Und dann auch noch wegen komplett unnötigen Dingen. Ich wusste ja, dass manche Menschen faul waren, aber so übertrieben? Wer rief seinen Butler, um eine Decke aus dem anderen Ende des Zimmers zum Bett zu holen? Jeder normale Mensch stand auf und lief selber. Obwohl von laufen nicht mal die Rede sein konnte. Erschöpft ließ ich mich aufs Bett sinken. Gleich würde es Abendessen geben. Levi war schon losgegangen, aber nicht ohne mich daran zu erinnern, dass ich beim Essen anwesend sein musste. Freizeit? Fehlanzeige! Auch wenn ich von Anfang an vermutet hatte, dass ich nicht wirklich viel Freizeit haben würde, habe ich doch mit wenigstens etwas gerechnet. Stattdessen werde ich von einem Ort zum anderen gescheucht. Wenn Chris gerade nichts von mir brauchte, kam wer anderes an. Seufzend stand ich wieder auf, zog mein Shirt aus und tauschte es mit einem anderen. Mit einem letzten Blick auf mein Bett, lief ich nach unten. Das Essen war schon so gut wie fertig. Nach einem Wink von Levi fing ich an den Tisch zu decken. Keine zehn Minuten später waren wir fertig und Mr. Rutherford kam auf mich zu. Höflich grüßte ich ihn, drehte mich um und wurde von einem Arm abrupt zurück gezogen.
„James. Wie unhöflich, hat dir niemand gesagt das man erst geht wenn man die Erlaubnis dazu hat?“ Verwirrt sah ich ihn an. Wieso sollte ich dazu eine Erlaubnis brauchen? Außer von Chris. „Ich... Chris hat etwas erwähnt, aber ich dachte das würde nur bei ihm gelten.“ Unruhig trat ich von einem Fuß auf den anderen. Seine Finger lagen immer noch schmerzhaft fest um meinen Arm.
„Das meiste gilt für uns auch. Wenn du dir nicht sicher bist, dann frag einfach nach. Aber einfach weggehen wird hier nicht geduldet.“ Durchdringlich klebte sein Blick an mir, dem ich unsicher auswich. Erst als ich ich mein Gesicht verzog, löste er den Griff um meinen Arm. Sofort rieb ich über die pochenden Stelle.
„Jetzt geh und hol die restlichen Sachen.“ Nickend flüchtete ich in die Küche. Levi musterte mich, hob aber nur eine Augenbraue, wofür ich ihr echt dankbar war.
„Sind das die letzten Schüsseln?“ Nickend reichte Levi sie mir und deutete dann Richtung Speisesaal.
„Steh einfach nur ausdruckslos in der Ecke, dann dürften sie dich eigentlich in Ruhe lassen. Dankbar nickte ich ihr zu und lief mit zittrigen Beinen zurück, stellte die Schalen schnell auf den Tisch ab und verschwand in der Ecke. Inzwischen hatten sich auch Mrs. Rutherford und Chris eingefunden. Die ersten zehn Minuten redeten sie nur über ihre Arbeit, so dass es mir nicht schwer fiel ein uninteressiertes Gesicht zu ziehen. Dann fiel das Thema aber wieder auf mich zurück, so dass ich nicht anders konnte und die Ohren spitzte.
„Wie macht er sich denn?“ Ernst sah Mrs. Rutherford Chris an. Der zuckte nur mit den Schultern und schob sich eine weitere Gabel Nudeln in den Mund. Erst danach fing er an zu sprechen.
„Kann ich noch nicht einschätzen. Aber er hat eindeutig noch viel zu lernen. Er ist viel zu langsam. Außerdem führt er seine Aufgaben nicht ordentlich durch und ich muss ihm abgewöhnen nicht dauernd zu widersprechen.“ Widersprechen? Ich habe ihm noch nicht Einmal widersprochen! Skeptisch sah Mr. Rutherford mich an.
„Ich denke du hast Recht!“ Wütend ballte ich meine Hände zu Fäusten. Woher sollte ich nach zwei Tagen denn alles wissen? Und überhaupt, wie redeten sie denn bitte über mich, auch wenn ich nichts mitbekommen sollte, ich stand hier trotzdem noch herum!
„Das sieht er anscheinend anders“, vernahm ich die Stimme von Mrs. Rutherford. Erschrocken fuhr mein Kopf zu ihr und dann wieder zurück. Wut blitzte in Mr. Rutherfords Augen auf. Chris hingegen sah seltsam zufrieden aus.
„Ich bin fertig mit Essen, James du kommst sofort mit mir nach oben!“ Die Miene von Mr. Rutherford wurde sofort friedlicher und er grinste mich an, ehe er sich seinem Sohn zu wandte.
„Denk dran, dass er morgen auch noch arbeiten muss.“ Was sollte das denn jetzt bitte heißen? Ängstlich wanderte mein Blick umher. Lässig erhob Chris sich von seinem Stuhl und ging auf mich zu. An genau der selben Stelle, an der zuvor Mr. Rutherford mich gepackt hatte, fasste er jetzt auch zu und zog mich aus dem Saal heraus. Erst an dem Fahrstuhl machte er halt und drückte grimmig den Knopf. Alles in mir verkrampfte sich. Was genau hat er jetzt vor? Will er mich in seinem Zimmer einsperren, oder was? Panisch kroch ein bestimmter Gedanke in mir hoch, als ich daran dachte was passiert war, als ich ihm seinen Kaffee gebracht hatte. Steif ließ ich mich in den Fahrstuhl und anschließend in sein Zimmer ziehen. Laut und endgültig zog er die Tür hinter sich ins Schloss.
„Wie sieht's aus, wollen wir … ?“
„Nein!“, schoss es aus mir heraus, bevor er seine Frage zu Ende stellen konnte. Überrascht hob er eine Augenbraue.
„Nein? Weißt du überhaupt was ich fragen wollte?“ Vorsorglich wich ich einen Schritt nach hinten. „J...jaa.“ Als er einen Schritt auf mich zu kam, wich ich zurück. Augenblicklich verfinsterte sich sein Gesicht. Ängstlich wich ich noch weiter zurück, bis ich die Wand im Rücken spürte. Einen Augenblick später knallten seine Hände erneut neben meinen Kopf.
„Wieso haust du immer vor mir ab? Langsam nervt das ganz schön!“ Vorsichtig blinzelte ich zu ihm auf. Er sah mehr fragend als wütend aus, was mich wiederum wütend machte. Seine kräftigen Schultern spannten sich immer mehr an, je länger ich nichts sagte. Misstrauisch sah ich auf seine Arme, die immer noch unverändert neben meinem Kopf waren.
„Fragst du mich das grade wirklich?“ Antwortete ich ihm krächzend. Genervt sah er auf mich runter.
„Ja, würde ich sonst fragen?“ Zitternd versuchte ich ihn von mir wegzudrücken. Verwirrt blinzelte er runter auf meine Hände. Erst als ich stärker drückte, schien er zu verstehen. Dennoch blieb er an Ort und Stelle.
„Sag nicht du bist so einer, der Angst vor Körperkontakt hat?“ Auch wenn seine Frage herablassend gestellt war, klang ein Hauch von Interesse mit.
„Nein.“ Ich räusperte mich.
„Nein, bin ich nicht.“
„Was ist dann dein Problem?“ Zittrig lehnte ich mich gegen die Wand.
„Ich mag es einfach nicht bedrängt zu werden“, brachte ich leise hervor. Kurz musterte er mich, ehe er mit den Schultern zuckte und wegtrat. Überrascht sah ich ihm zu, wie er sich aufs Bett warf und den Fernseher einschaltete.
„K..Kann ich gehen?“, traute ich mich leise zu fragen, obwohl ich wusste, dass dies ganz sicher nicht der Fall war. Deswegen war ich auch nicht sonderlich überrascht als die Antwort ein schlichtes: „Nein!“ war. Verunsichert stand ich im Raum herum.
„Was möchtest du denn noch?“, brachte ich nach Minuten des Schweigens hervor.
„Hmm.“ Fragend sah ich ihn an.
„Was?“
„Nerv mich nicht! Setz' dich auf den Boden, in die Ecke oder komm meinetwegen mit aufs Bett, aber halt endlich den Mund, das kann sich ja keiner anhören!“ Mit offenem Mund starrte ich ihn an. „Tut mir ja Leid das ich am Leben bin.“, murmelte ich vor mich hin, ehe ich mich mit den Rücken gegen das Bett lehnte. Aus den Augenwinkeln sah ich wie er kurz zu mir blickte, sich dann aber wieder auf den Fernseher konzentrierte. Gähnend lehnte ich den Kopf an die Matratze. Obwohl es erst Mittags war, war ich Hunde-müde. Träge lauschte ich der Tier Doku oder was auch immer gerade lief und schloss nach gefühlten Stunden meine Augen. Es war tatsächlich eine Tier Dokumentation und zwar über vom aussterben bedrohten Tieren. Wieso interessierte Chris so etwas? Er wirkt eher so als würde er die Tiere mit Arschtritt wo anders hin befördern. Ich kannte ihn zwar nicht gut, eigentlich kannte ich ihn gar nicht, aber dass, was ich von ihm mitbekommen hatte, reichte mit zur genüge. Langsam drifteten meine Gedanken zu meinem Vater ab. Wie es ihm wohl grade ging? Und ob er bis jetzt alles gut überstanden hatte? Was machte meine Mutter? Kam sie damit klar, oder war sie wie so oft schon überfordert? Wenn ich nicht da war, wer gab ihr dann den Halt den sie so brauchte? Auch wenn ich eigentlich wütend sein sollte, dass sie mich hier her geschickt hat. Ich konnte es nicht, nicht wenn es dadurch meinen Vater rettete. In einer gewissen Hinsicht konnte ich sie ja auch verstehen, aber trotzdem ging das definitiv zu weit. Wir hätten das bestimmt auch so noch hinbekommen. Ich hätte wieder einen Zweitjob angenommen und Geld dazu gesteuert. Das wäre immer noch besser, als hier zu sein. Außerdem vermisste ich meine Freunde, auch wenn ich noch nie viele hatte. Aber was sollte ich machen? Ich würde sowieso niemanden aus meinem alten Leben in nächster zeit wieder sehen. Ein Stoß gegen meinen Kopf, riss mich aus meinen Gedanken. Erschrocken fuhr ich hoch und rieb mir verwirrt den Kopf. Gerade noch sah ich wie Chris seinen Fuß zurück zog.
„Nicht einschlafen.“, meinte er nur gelangweilt, ehe er sich wieder auf den Fernseher konzentrierte. Die Doku schien zu Ende zu sein. Stattdessen lief ein alter Westernfilm. Stöhnend legte ich den Kopf zurück. Wenn ich eines nicht ausstehen konnte, dann waren es Westernfilme. Der Stil gefiel mir einfach nicht und wenn ich die Hüte sah, regte ich mich jedes mal auf. Nachdem gut die Hälfte des Films um war, sah ich zögerlich zu Chris hoch.
„Kann ich jetzt gehen?“
„Nein.“, sagte er ohne mich anzugucken.
„Ich... warum nicht?“, wagte ich mich leise zu fragen. Jetzt schaute er mich doch an.
„Weil mein Vater denkt, dass ich dir den Hintern versohle.“ Abrupt richtete ich mich auf.
„Wie bitte?“ …. „Chris“, setzte ich schnell hinterher als mir auffiel, dass ich es des öfteren vergessen hatte.
„Mein Vater ist noch etwas altmodisch.“ meinte er fast gelangweilt, als würde das auf der Hand liegen. Gehetzt sprang ich auf. Den Hintern versohlen? Warum sollte mir jemand den Hintern versohlen und warum sollte ich das zulassen? Skeptisch beobachtete er mich. Ruhelos tiegerte ich durch den Raum.
„Aber, aber wieso?“, kam es schließlich leise über meine Lippen.
„Ach du weißt schon -“ Er fuchtelte mit der Hand durch die Luft. „- als Strafmaßnahme, zur Richtigstellung, vielleicht auch einfach weil es ihm gefällt.“ Er zuckte mit den Achseln und streckte sich weiter auf dem Bett aus.
„Aber... Aber er kann doch nicht einfach...“ Ich ließ den Satz in der Luft hängen und sah ihn panisch an.
„Ich bin doch aber dir zugeteilt, daher kann er das doch gar nicht, oder?“ Hoffnungsvoll sah ich ihn an.
„Aber ich kann es.“, meinte er ohne die Miene zu verziehen. Mit großen Augen blieb ich stehen. „Aber du hast nichts falsch gemacht.“ meinte er.
„Also eigentlich hast du was falsch gemacht, aber ich liebe es wenn mein Vater sich aufregt, also hast du in meinen Augen nichts falsch gemacht.“ Erleichtert atmete ich auf.
„Also wirst du nicht...“ Abwartend sah ich ihn an.
„Solange du nichts komplett dummes anstellst nicht, nein.“ Stumm stand ich einfach da. Nicht fähig einen klaren Gedanken zu verfassen. Er würde mir wirklich den Hintern versohlen? Automatisch flog mein Blick zu seinen Händen, ehe er wieder auf sein Gesicht fiel.
„Wir leben doch nicht mehr im Mittelalter!“, rutschte mir heraus. Seine Mundwinkel verzogen sich. Man hätte es schon fast ein Grinse nennen können.
„Fällt dir etwas spät auf.“ Erneut fing ich an herum zu laufen. Das kann doch alles gar nicht war sein! Wo bin ich denn bitte hier gelandet? Was gibt es hier noch? Köpfen wegen Betrug? Stockend blieb ich stehen.
„Was... War das alles oder gibt es noch etwas, dass ich wissen sollte?“ Aufgebracht lief ich zur Tür, besann mich aber und hockte mich stattdessen wieder neben das Bett.
„Nein, mein Vater mag es halt einfach gerne geregelt. Und er hat herausgefunden, dass so alles am schnellsten erledigt wird.“ Wieder dieses Achselzucken.
„Und du nimmst das völlig gelassen hin?“ Überfordert schlang ich die Arme um meine Beine.
„Ich bin ja nicht derjenige der die Strafe bekommt.“, meinte er zögerlich.
„Gott ich hätte gleich auf den Strich gehen können. Da hätte ich wenigstens gewusst was Sache ist.“ Geschafft lehnte ich meinen Kopf gegen das Bettgestell und schloss erneut die Augen. Wo war ich hier nur rein geraten? Hätte es irgendwie schlimmer kommen können? Chris schien mich weites gehend in Ruhe zu lassen, auch wenn ich seinen Blick auf mir spürte. Wie er über meinen Rücken zu meinen Kopf wanderte. Liebend gerne würde ich jetzt aufblicken und es mir bestätigen, trotzdem ließ ich meinen Kopf einfach liegen. Sollte er ruhig gucken, warum auch immer er es tat. Worauf musste ich jetzt darauf achten? Wie sollte ich überhaupt noch etwas richtig machen, wenn ich die ganze Zeit im Hinterkopf hatte, dass er, wenn er wollte, mir den Hintern verhauen konnte? Langsam schlug ich die Augen wieder auf und betrachtete interessiert einen Fusel auf dem Bett. Die Bettwäsche könnte mir auch gefallen.
Mehrere Stunden saß ich vor dem Bett, wie mir ein Blick auf die Uhr in seinem Zimmer bestätigte, ehe er mich wieder ansprach.
„Geh ins Badezimmer und lass die Badewanne volllaufen.“ In Sekundenschnelle sprang ich auf und lief ins Bad. Dort drehte ich schnell den Wasserhahn auf, ehe ich mich auf den Wannenrand setzte. Das konnte doch alles gar nicht war sein. Legal war das auf jeden Fall alles nicht. Aber was sollte ich groß machen? Zur Polizei gehen? Die würden mich doch sowieso nur auslachen! Das Geld musste ich sowieso bezahlen oder abarbeiten. Verzweifelt sank ich in mich zusammen. Fluchend wischte ich mir die Tränen aus den Augenwinkeln. Wieso stellte ich mich wie eine Memme an? Dann machte ich halt alles richtig, dann kriegte ich nicht den Hintern versohlt und niemand hat Grund sonst was mit mir zu machen. Als die Badewanne voll war, gab ich schnell einen X-beliebigen Badezusatz in die Wanne, drehte den Wasserhahn zu und lief zurück in sein Zimmer. An der Zimmertür blieb ich stehen. Abwartend sah Chris mich an.
„Was ist denn?“, fragte er schließlich.
„Die Badewanne ist fertig.“
„Und wieso kannst du das nicht gleich sagen?“ Unsicher zuckte ich mit den Schultern und beobachtete wie Chris aufstand, sich das Shirt vom Körper zog und in Richtung Tür lief. Mein Blick blieb wie gebannt an seinem durchtrainierten Körper hängen. Erst als er neben mir stehen blieb, riss ich meinen Blick los.
„Gefällt dir was du siehst?“ Mit einem anzüglichen Grinsen verschwand er im Bad. Und ich hatte nur eine Antwort darauf. Ja!
Texte: liegen bei MimsKar und mir
Bildmaterialien: therianthrop - nochmal ein großes Dankeschön für das tolle Cover! :)
Lektorat: einen großen Dank an Lyricia
Tag der Veröffentlichung: 20.01.2014
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Wir widmen dieses Buch allen unseren Lesern :)
Besonders den Klischee - Liebhabern :D