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Vom Mysteriösen, Unheimlichen und Seltsamen

Die Heimkehr

 

James konnte es kaum begreifen, er kehrte endlich zurück. Der Krieg war vorüber und er hatte es überstanden. All die Jahre des Grauens waren vorbei, es herrschte Frieden.

Weder er noch seine Kameraden konnten ihre Freude im Zaum halten, doch während die anderen im Truppenwagen zur Feier den Alkohol herumreichten, Lieder sangen und einander vorschwärmten, was sie zuerst tun würden, sobald sie Zuhause ankämen, war er ruhig. Seine Gedanken kreisten nur um eine Sache: Bethany. Er würde sie nach über zwei Jahren wiedersehen. Wie sehr er darauf gewartet hatte.

Die Fahrt zum Bahnhof verging wie im Flug, ebenso der Rest der Reise. Es erschien ihm surreal, als er vor dem kleinen, niedrigen Haus und dem weiß gestrichenen Lattenzaun ankam. Farbenfrohe Blumen begrüßten ihn, als er durch das Tor trat, Bethany pflegte den Garten nach wie vor mit Hingabe. Er erkannte einige neu angelegte Beete, sogar einen kleinen Schuppen im Hinterhof, der erbaut worden war. Sie hatte Veränderungen vorgenommen, während er fort war.

Die Aufregung stieg, als er den schmalen, gepflasterten Weg zur Haustür entlang ging. Irgendwie wirkte selbst das Haus anders, die Farbe löste sich von den Holzplanken, die Fassade wirkte verwittert.

Wie ärgerlich, dabei haben wir das Haus erst vor wenigen Jahren gekauft, dachte er. Ich hätte darauf bestehen sollen, in ein Haus zu ziehen, das vernünftig verputzt ist.

Windspiele hingen an der Eingangstür, klimperten im Wind. Mit den Fingern stieß er sachte gegen eines davon und die Perlmuttplatten klirrten leise. Ob sie im Haus auch neu dekoriert hat? Er streckte die zittrigen Finger nach dem Klingelknopf aus und drückte darauf.

Das Echo hallte im Haus wider, aber es öffnete niemand. Erneut versuchte er es, diesmal klingelte er zweimal hintereinander. Wieder keine Reaktion. War sie nicht Zuhause? Ihr Wagen stand in der Einfahrt, war sie vielleicht zu den Nachbarn gegangen oder spazieren?

Dann werde ich einfach vor der Haustür warten. Er wollte sich bereits auf die Eingangsstufen setzen, als er Geräusche aus dem Inneren des Hauses hörte. Jemand ist dort drinnen. Ein Einbrecher? Auf leisen Sohlen schlich er geduckt zur Ecke und dann an der Hauswand entlang zum Hintereingang. Bethany versteckte immer einen Ersatzschlüssel unter einem der Blumenkübel.

Bevor er die Hintertür erreichte, passierte er mehrere Fenster und spähte vorsichtig hinein. Er blickte direkt in die Küche, wo sich jemand an den Schränken zu schaffen machte. Vorsichtig ging er näher heran und erkannte, um wen es sich handelte: eine ältere Frau mit weißem Haar.

Ein Stein fiel ihm vom Herzen. Es war nur Bethanys Mutter, die zu Besuch war. Die alte Dame war schwerhörig, es war nicht überraschend, dass sie die Klingel nicht gehört hatte.

Er überlegte, ob er hineingehen sollte, doch sie würde sich zu Tode erschrecken, wie er sie kannte, wenn er sich nicht vorher ankündigte.

In meiner Uniform würde sie mich erst recht nicht erkennen. Einfach die Tür aufzuschließen und hineinzugehen, schien somit keine gute Idee zu sein. Daher setzte er sich auf eine Bank ein paar Meter entfernt und wartete.

 

Etwas rührte sich, ein Fahrzeug hielt vor dem Grundstück. Er hörte eine Tür zufallen und Schritte auf der mit Kies bedeckten Einfahrt. Er sprang auf, rannte ums Haus herum. An der Ecke angekommen, erstarrte er.
Es war ein Mann, der nun klingelte, nicht Bethany. Er war in seinem Alter, hatte ebenfalls dunkles Haar und hielt eine kleine, schwarze Kiste in den Händen. Diesmal öffnete die alte Dame die Tür und ließ den Fremden hinein.

James stand ungefähr drei Meter entfernt, von einem Rosenbusch verdeckt und wollte die Chance nutzen, sich zu erkennen zu geben. In dem Moment vernahm er eine vertraute Stimme. Bethany. Er konnte sie hinter ihrer Mutter nicht sehen und ihn beschlich ein ungutes Gefühl.

Während sich die Haustür schloss, ging er zurück zur Hintertür. Bethanys Mutter und der Mann hatten sich in die Küche begeben und dort an den Tisch gesetzt, sie saß mit dem Rücken zu ihm, er seitlich.

Der Fremde stellte das Kästchen auf dem Tisch ab. Die alte Frau nahm den Deckel ab und begann sogleich zu schluchzen. Er hörte Bethany etwas sagen, es klang, als würde sie ebenfalls weinen. Worüber sprachen die drei und wo war sie? War sie im Flur und sprach von dort mit den beiden? Wer war der Mann, dessen Gesicht ihm seltsam bekannt vorkam? Jemand, den er von früher kannte?

Er sprach mit sanfter Stimme auf Bethany ein. Zwar verstand er die exakten Worte nicht, jedoch wirkten sie liebevoll, von Zuneigung erfüllt. Sie schien sich zu beruhigen, ihre Stimme wurde gefasster.

Sein Herz zog sich zusammen und er verspürte einen Stich. Der Fremde war attraktiv, sehr sogar. Bethany musste die ganze Zeit über Zuhause gewesen sein und auch sein Klingeln gehört haben. Wieso hatte sie ihm nicht geöffnet? Hatte sie ein Geheimnis vor ihm?

Seine Frau war bildschön, humorvoll und intelligent, oft hatten andere Männer ihr Glück bei ihr versucht. Doch sie hatte jeden abgewiesen, ihm nie Anlass gegeben, eifersüchtig zu sein. Sie waren glücklich gewesen, es war unmöglich, dass sie ihm untreu war.

Aber weshalb verspürte er dann dieses unangenehme Gefühl? Ahnte, dass etwas nicht stimmte? Er musste hinein, sie zur Rede stellen. Es war, als hätte eine unsichtbare Macht seinen Wunsch erhört, denn der Fremde erhob sich und trat zur Hintertür. Er wich zurück, hatte Angst vor der Wahrheit, die sich ihm offenbaren würde.

Der Mann öffnete die Tür nur ein kleines Stück, dennoch schwang sie wie von alleine weiter auf. „Die Tür hängt immer

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Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Vera Hallström
Bildmaterialien: Canva Pro: Christana; sketchify; svetlanaart; SarinaDa; Wannafang; Ljudmila Kopecka; grga-pitich; tatiana-mitrushova; Varvara Kurakina; SPRESSO; Gluiki; Irina Trigubova; younggenerationteam.co; Mirza Yanna; mommidhi; OceanoArtCreations; CreativeValuation; oselote; Rafiico Studio; Julia Baade; Anita Pol; Naris Artyuenyong; penvijit; painting tools; Mon_ink; baddesigner; Art and Funny; DAPA Images
Cover: Adobe Stock/Canva Pro; Composing: Vera Hallström
Tag der Veröffentlichung: 01.08.2024
ISBN: 978-3-7554-7985-7

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