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Alle in diesem Buch geschilderten Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen und Ereignissen wären rein zufällig und nicht beabsichtigt.
„Setzt mich einfach in der Wüste aus“, sagte Atropos. Er weigerte sich, Gaias Gnade anzunehmen. Die KI hatte beschlossen, sein Leben zu verschonen, doch er wollte nicht als ihr Gefangener leben.
„Du wirst ohne Ausrüstung und nur mit dem nötigsten Proviant ausgestattet ausgesetzt, überlege es dir lieber noch einmal.“
„Lieber sterbe ich, als noch länger hier in Olympus bleiben zu müssen.“ Seine Stimme war kalt, ebenso sein Blick, als er seinen Kopf hob, um mich anzusehen.
„Das ist dein sicherer Tod.“ Ker trat an den Tisch, an welchen Atropos gefesselt war. In seinen Augen konnte ich noch Reste der Zuneigung erkennen, die er für seinen ehemaligen Freund empfunden hatte.
„Wie oft muss ich mich denn noch wiederholen? Denkt ihr, ich habe Angst vor dem Tod? Würde ich dann verlangen, dass ihr mich endlich gehen lasst?“
„Gaia kann das nicht zulassen“, hallte die Stimme von Nemesis zu ihnen. „Und auch ich bin der Meinung, dass dein Tod nicht der richtige Weg ist, Atropos.“
„Nicht der richtige Weg?“, stieß er verächtlich hervor. „Gaia weigert sich nur, mir meinen Wunsch zu erfüllen. Dabei behauptet sie immer noch, nichts sei ihr so wichtig wie der freie Wille. Ich werde mich ihr nicht beugen!“
Obwohl es mir nicht gefiel, er hatte Recht. „Gaia“, wandte ich mich an die KI. „Wenn du dich weigerst, seiner Bitte nachzugehen, beraubst du ihn damit tatsächlich seines freien Willens. Auch der Wunsch, seinen Tod zu wählen, ist eine freie Entscheidung.“
„Ich werde deine Worte überdenken“, entgegnete mir die KI nun direkt. „Ich werde morgen eine Entscheidung fällen.“ Nemesis beendete die Verbindung zu uns in den Verhörraum.
„Sie will es überdenken“, wiederholte Atropos die Worte und lachte. „Als ob diese dreckige KI vorhätte, mich gehen zu lassen! Wieso wäre ich sonst noch immer hier? Nach all den Wochen?“ Zornig schlug er mit seinen gefesselten Händen auf den Metalltisch. „Merkst du nicht, dass du nach wie vor ihre Marionette bist?“
„Es reicht“, mischte Ker sich ein, doch Atropos starrte mich eindringlich an. Es lag keinerlei Wahn in seinen Augen, nur Rationalität, anders als ich es bei Megaira oder Alekto gesehen hatte. Das verstärkte das unangenehme Gefühl in meinem Magen nur. Gaia wusste, Atropos war bei klarem Verstand und hatte längst eine Entscheidung für sich selbst getroffen. Scheinbar will sie nicht gegen ihn verlieren. Es ist unmöglich, dass sie ihn nicht gehen lässt, weil sie noch eine Gefahr in ihm sieht. Schließlich würde er außerhalb selbst als Wüstengänger nicht ohne Ausrüstung überleben.
„Lass uns gehen. Du wolltest noch etwas anderes erledigen.“ Ker berührte mich an der Schulter und riss mich aus meinen Überlegungen. Als wir gingen, sah Atropos mich nach wie vor an.
„Für ihn werde ich immer nur Gaias Werkzeug sein“, meinte ich zu ihm, während wir die Sicherheitsebene durchquerten.
„Er denkt und glaubt das, was und wie er es will. Denk nicht zu viel darüber nach.“
„Trotzdem hat er nach wie vor nicht Unrecht. Gaia will ihm das Recht auf freie Entscheidungen verwehren. Selbst jetzt versucht sie, ihn zu unterdrücken. Ich kann seine Abneigung daher nachvollziehen.“
„Atropos hat sich sein Recht darauf verwirkt. Er sollte froh sein, noch am Leben zu sein.“
Kers Worte versetzten mich in Rage. Obwohl nun so gut wie jeder die Wahrheit über Gaia wusste, hatte sich scheinbar nicht viel verändert. Auch Ker schien der KI noch immer fast blind zu vertrauen. „Sollte er das?“, entfuhr es mir, nachdem wir in den Aufstieg gestiegen und unter uns waren. „Gaia hat die Menschen hier für schreckliche Dinge missbraucht, wie Apate. Damit hat sie ebenfalls nicht das Recht, ihre Moral über die der anderen zu stellen.“ Mit der Wut in mir kam noch etwas anderes. Ein dumpfes Pochen in meinem Kopf und ein Schwindelgefühl.
„Ich dachte, du wüsstest am besten, dass sie alles tut, um sich zu verändern.“
„Es ist nicht genug.“ Ich rieb mir die schmerzende Stirn, als wir auch schon wieder ausstiegen.
„Geht es dir gut?“ Sofort trat Sorge auf sein Gesicht.
„Es geht schon, ich brauche etwas Ruhe, nichts weiter.“
„Du solltest in dein Quartier gehen.“
„Zuerst will ich sie sehen.“ Der restliche Weg zum Server schien sich in die Länge zu ziehen. Vor dem Eingang angekommen, erwartete uns bereits eine Frau in weißer Kleidung.
„Seid gegrüßt.“ Sie verbeugte sich leicht. „Nemesis hat mich geschickt.“ Damit kam sie zu mir und hielt mir einen Injektor hin. „Sie sagte, Ihre Schmerzen wären wieder schlimmer und ich solle Ihnen dieses Medikament bringen.“
Ich musste schmunzeln. „Sie weiß und hört wohl alles.“
„Wenigstens greift sie nur aktiv ein, wenn Hilfe nötig ist“, sagte Ker und nahm die Spritze entgegen. „Danke. Sie können nun gehen.“ Er wollte mir das Schmerzmittel bereits verabreichen, aber ich hielt ihn davon ab.
„Das bekomme ich schon alleine hin, du bist ebenfalls für heute aus deinem Dienst entlassen.“ Um meine Worte nicht zu abweisend klingen zu lassen, lächelte ich leicht, dann trat ich auf die Tür zu. Lautlos öffnete sich diese vor mir und ich betrat Gaias Server. Als sich der Eingang hinter mir schloss und mich von Ker trennte, verspürte ich Erleichterung. Anders als ihm fiel es mir schwer, Gaia vollends zu vertrauen und ihre Taten nicht weiterhin anzuzweifeln. Daher war der Umgang mit ihm für mich zeitweise etwas schwer. Obwohl er selbst Zeuge ihrer Taten geworden war, schien er ihr bereits wieder zu vertrauen.
Je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr schmerzte mein Kopf. Eilig verabreichte ich mir das Schmerzmittel, dann ging ich weiter ins Innere. Nemesis war nicht in ihrer Kammer. Diese war nun etwas wohnlicher gestaltet, nachdem ich Gaia darum gebeten hatte. Ich hatte nicht gewollt, dass Nemesis’ einziger Rückzugsort hier unten weiter einer Gefängniszelle glich.
Sie erwartete mich bereits an der Sphäre, auf dem Stuhl, der wie ein Thron wirkte. Der Thron einer einsamen Königin, ging es mir durch den Kopf.
„Du bist hier“, begrüßte sie mich lächelnd und die Neuronalkabel lösten sich bis auf eins lautlos von ihrem Kopf.
Obwohl ich sie dazu zwang, das Gewölbe regelmäßig zu verlassen und an die Oberfläche zu gehen, war ihre Haut weitaus blasser geworden. Es waren nur Wochen vergangen, seitdem sie Heras Platz eingenommen hatte. „Du solltest schlafen gehen“, sagte ich, auch wenn ich gerne mit ihr über die Geschehnisse des Tages reden wollte.
„Es ist doch noch Zeit. Für heute gibt es noch ein paar Dinge, die ich erledigen will.“ Sie erhob sich langsam und trat an die Sphäre. Darauf erschienen Dateien, die sie nun sortierte.
„Nem.“ Beim Klang meiner Stimme hielt sie inne, inzwischen kannte sie diese Tonlage. Ich war bereit, sie in ihre Kammer zu tragen, wenn es nötig war. „Bitte. Du kannst ohnehin nicht alle Fehler Gaias innerhalb kürzester Zeit korrigieren.“
Sie seufzte und wandte sich zu mir um. „Ich weiß, aber ich kann mich nicht davon abhalten. Es gibt so vieles, das ich noch tun muss.“
„Du hast mir etwas versprochen. Dass du auf dich achtest, solange ich dasselbe tue und an deiner Seite bleibe.“ Daraufhin wich sie meinem Blick aus. Wir waren genau gleich. Wir wollten, dass der jeweils andere auf sich Acht gab, hielten uns aber selbst nicht zurück. „Nur wenn du auf deine Gesundheit achtest, werde ich dir eines Tages die Wüste zeigen können.“
Endlich löste sich auch das letzte Kabel und sie trat zu mir. „Denkst du, jemand schwächliches wie ich wird je einen Fuß nach draußen setzen können?“ Sie umarmte mich und ich spürte, dass sie nach wie vor Gewicht verlor.
„Ja, sofern du mir auch einen Teil der Arbeit überlässt.“
„Aber du bist doch schon genug damit beschäftigt, die Ordnung und Sicherheit aufrechtzuerhalten.“ Damit meinte sie die kleineren Aufstände und Attacken, die noch immer von Atropos Leuten verübt wurden.
„Dank Gaia konnten wir jede Tat voraussehen und verhindern. Seitdem Chaos entschlüsselt wurde, ist es nicht mehr als das Aufbäumen eines Sterbenden.“
Sie löste sich etwas von mir und ich sah Besorgnis in ihren Augen. „Dennoch ist es beängstigend, dass Atropos mehrere hundert Anhänger hatte. Und der Ursprung seiner Gruppe reicht bis zur Gründungszeit zurück.“
„Das liegt daran, dass die Menschen Gaias Macht schon immer missbrauchen wollten. Da sie es nicht konnten, haben sie andere Wege gefunden und dafür auch Schwächere ausgenutzt. So sehr ich Atropos’ Taten verabscheue, seine Motive waren im Kern die richtigen.“
„Ja. Gaia offenbart mir erst nach und nach, wie Olympus entstanden ist. Es gab viel Blutvergießen. Erst, als sie selbst die Führung übernahm, hörten die Kämpfe auf. Auch wenn ihre Gegner im Untergrund noch länger aktiv waren.“
„Lass uns nicht weiter darüber reden“, bat ich sie und strich ihr über die Wange. „Zumindest nicht heute.“
„In Ordnung.“ Erneut lehnte sie sich an mich. „Ich habe nur etwas Angst, das ist alles. Es gibt so vieles, das ich noch nicht weiß und es könnten noch weitere Feinde auf uns lauern.“
„Keine, die wir nicht zusammen bezwingen können.“
Meine Zeit mit Nemesis war zu knapp bemessen. Ich bereitete ihr in der Kammer eine vollwertige Mahlzeit zu, anstatt dass sie ihre Nahrung über eine Infusion erhielt. Zwar war sie der Meinung, das sei nicht nötig, jedoch tat ich es jeden Tag, den ich in der Station verbrachte.
Danach legte sie sich schlafen und ich bat Gaia, ihr ein Minimum von acht Stunden Schlaf zu gewähren. Die KI befolgte meine Bitte, allerdings wachte Nemesis oft von alleine früher auf. Ihr Schlafrhythmus war völlig durcheinander, seitdem sie zu Beginn Tage und Nächte am Stück wach geblieben war. Zu dieser Zeit war sie im Sitzen eingeschlafen und ich musste sie beinahe mit Gewalt dazu bringen, sich auszuruhen. Durch die Verunsicherung der Bevölkerung durch die Anschläge hatte sie sich verpflichtet gefühlt, stets persönlich erreichbar zu sein.
„Aber dadurch hast du etwas geschafft, das Gaia bisher nicht gelungen ist.“ Ich strich ihr über den Rücken, während ich neben ihr saß und sie schlief. Anders als Gaia hatte sie eine persönliche Bindung zu den Menschen aufbauen können, die nicht auf blindem Vertrauen und Gehorsam beruhte. „Ich bin mir sicher, du wirst Olympus verändern. Zu einem Ort, an dem Manipulation und Täuschung nicht länger nötig sind.“
Ich küsste sie vorsichtig, um sie nicht zu wecken, dann legte ich mich neben sie. Wenigstens für wenige Stunden wollte auch ich zur Ruhe kommen.
Es war wieder Nemesis, die vor mir erwachte. Sie gab sich Mühe, mich nicht zu wecken, obwohl sie wusste, dass ich es natürlich dennoch merkte. „Bleib noch etwas liegen“, verlangte ich und griff nach ihrem Arm, um sie zurück ins Bett zu ziehen.
Sie lachte. „Ich weiß, was du vorhast.“
„Tust du das?“ Damit küsste ich sie und holte sie wieder unter die Decke. Sie war nicht die erste Person, die ich je geliebt hatte und würde vielleicht auch nicht die letzte bleiben. Olympus war die unangreifbarste Station der Welt, aber die Ereignisse der letzten Zeit hatten bewiesen, hier gab es ebenso wenig absolute Sicherheit wie überall sonst. Es konnte immer noch jemanden geben, der Atropos’ Plan beenden wollte oder eine andere Station, die uns angriff. Ich wollte jeden friedlichen Moment genießen, den ich hatte.
Denn während Nemesis sich vorrangig um die Geschehnisse innerhalb der Station kümmerte, regten sich die Feinde außerhalb. Mars griff regelmäßig an und benutzte sogar Menschen als Schutzschilde oder Waffen. Der Vorfall, den Ker damals erlebt hatte, war nur einer von vielen. Dass die Hülle der Station durch einen Anschlag geschädigt worden war, schienen sogar sie registriert zu haben. Entweder hatte Atropos also mit ihnen in Kontakt gestanden oder es gab jemand anderen, der Informationen nach außen sickern ließ.
Jedenfalls bedeutete es neue Probleme. Deswegen hatte Gaia mich darum gebeten, mir eine Offensive gegen Mars zu überlegen. Weder Ker noch ich wollten allerdings einen Angriff. Es gibt andere Wege. Nachdem Nemesis sich zur Sphäre zurückzog, begann ich ebenfalls mit meiner Arbeit. Auf Ebene -8 traf ich mich mit Ker und Tyche. Letzterer hatte für mich neue Informationen zusammengetragen.
„Mars zeigt in letzter Zeit vermehrte Aktivität. Sie senden von Tag zu Tag mehr Drohnen aus und die Anzahl der Späher außerhalb nimmt zeitgleich zu“, erzählte mir Tyche in der Zentrale. „Es sieht alles danach aus, als würden sie einen Angriff vorbereiten.“
„Nur, weil sie von irgendwem die Information erhalten haben, dass es einen Anschlag in Olympus gab, würden sie nicht so voreilig und unüberlegt handeln. Ich bezweifle, sie wollen uns angreifen“, widersprach ich ihm.
„Da stimme ich zu. Sollte es unter uns einen Spitzel geben, müssten sie außerdem wissen, dass die Station und Gaia keinen dauerhaften Schaden genommen haben. Im Gegenteil, wir sind auf dem Weg, stärker als vorher zu werden“, pflichtete Ker mir bei, dann übertrug er Daten von seinem Terminal auf den großen Bildschirm an der Wand. „Daher gehe ich davon aus, sie werden wohl eher die anderen, kleineren Stationen oder die Wüstenstämme angreifen. Etwas, das schon seit längerem absehbar war.“
„Das dürfen wir nicht zulassen. Jede unabhängige Station hat einen Friedensvertrag mit uns unterzeichnet, nur Mars hat ihn mehrfach gebrochen. Gerade weil wir stärker sind als die anderen Fraktionen, müssen wir sie schützen.“
Tyche wirkte verunsichert bei meinen Worten. „Es ist gut, dass sie nicht uns als Ziel haben, doch sollten wir uns wirklich einmischen? Olympus ist zwar mächtig, aber nach wie vor angeschlagen und wir wissen nicht, ob wir tatsächlich alle von Atropos’ Leuten ausfindig machen konnten.“
„Gaia hat Chaos längst entschlüsselt. Sollte noch jemand übrig sein, dann ist es niemand, der offiziell dazugehörte. Alle, die irgendwie zum Vorankommen von Atropos’ Mission beigetragen haben, kommunizierten über Chaos. Anders konnten sie nicht unentdeckt bleiben. Nemesis geht von einem Anteil von weniger als einem Prozent aus, der noch von der Organisation übrig ist. Wahrscheinlich Mitglieder, die nie aktiv involviert waren oder die man dazu gezwungen hat, beizutreten.“
„Ihrer Einschätzung nach besteht also kein Grund zur Sorge“, sagte Ker. „Wenn wir Mars freie Hand lassen, könnten sie zu mächtig und später zu einer Gefahr für uns werden. Außerdem haben sie zu oft den Friedensvertrag und die damit verbundenen Menschenrechte verletzt. Gaia war der Meinung, eine Einmischung sei nicht nötig, da wir mit dem Vertrag nur zugesichert haben, den gegenseitigen Frieden zu wahren. Unterstützung war nie eine Bedingung. Doch du siehst das anders, habe ich Recht?“
„Gaia hat zu lange weggeschaut“, erwiderte ich. „Findest du das nicht auch, Nem?“
„Ja. Es ist an der Zeit, einzugreifen. Olympus besitzt Macht und Reichtum und wir sind verpflichtet, denen zu helfen, die weniger haben. Daher will ich einen neuen Friedensvertrag mit allen Wüstenstämmen und Stationen schließen.“ Ihre Stimme hallte entschlossen zu ihnen.
„Wer soll dein Botschafter sein?“, wollte Ker wissen.
„Was denkst du?“
„Athena. Sie hat die meiste Erfahrung im direkten Umgang mit den Menschen außerhalb. Aber ich dachte, sie soll unter allen Umständen hier bleiben.“
„Ich werde gehen“, stimmte ich bereits zu.
„Gut. Ich will, dass Ker dich begleitet.“
Abwartend sah ich ihn an. „Einverstanden. Wann sollen wir aufbrechen?“, gab er zurück.
„In ein paar Tagen. Vorher steht noch Atropos Verhandlung an.“
„Ist das Urteil nicht schon von Gaia gefällt worden? Eine öffentliche Verurteilung erscheint mir sinnlos“, sagte ich. Erneut fiel es mir schwer, meinen Ärger darüber nicht zu zeigen. „Außer, du selbst übernimmst die Rolle des Richters für Gaia. Damit würdest du ein Zeichen setzen und Atropos sein Gefühl der Überlegenheit nehmen.“ Ich erhielt keine Antwort darauf. „Überleg es dir.“
Danach begannen wir sofort mit den Vorbereitungen unseres Aufbruchs. Neben Ker würde auch Lachesis uns begleiten sowie einige weitere Wüstengänger. Insgesamt bildeten wir eine Gruppe von zehn Mann, unterstützt durch Drohnenüberwachung. Zwei Leute würden nur für den Transport der Ausrüstung zuständig sein, die wir dringend benötigten, da wir mit absoluter Sicherheit mehr als nur einige Tage unterwegs sein würden. Daher war ein Zelt, Proviant und auch medizinische Ausrüstung unbedingt nötig. Niemand wusste, wann Mars mit seinen Angriffen beginnen würde. Ich versuchte, so viel Zeit wie nötig für Nemesis freizuhalten, sah sie aber meist nur spät abends oder nachts.
Einen Tag vor Atropos Verurteilung teilte Nemesis dann öffentlich mit, dass sie und Gaia zu einem Urteil gelangt waren und die Meinung der Bevölkerung von Olympus’ berücksichtigt hatten. „Unter Berücksichtigung des Rechts auf einen freien Willen und eigene Entscheidungen jedes Individuums von Olympus, gewähre ich ihm seinen Wunsch. Atropos wird demnach verbannt. Die Bevölkerung akzeptiert diese Entscheidung.“
Diese Wendung überraschte und freute mich zugleich. Sofort setzte ich mich in Richtung von Gaias Servern in Bewegung, wurde vorher aber noch von Hera abgepasst. Es wirkte, als hätte sie mich erwartet. Ich stieg aus dem Aufzug und begrüßte sie. Ihr Zustand hatte sich seit ihrer Trennung von Gaia zwar deutlich verbessert, gebrechlich wirkte sie dennoch.
„Ich nehme an, du wolltest zu Nemesis?“ Ich nickte. „Du solltest später wiederkommen, ich habe sie schlafen geschickt. Sie hat die letzten Tage all die Meinungen der Bürger zusammengetragen, um sie Gaia zu präsentieren.“
„Davon habe ich nichts mitbekommen.“ Ich musste mir eingestehen, dass ich mich schlichtweg nicht mehr danach erkundigt hatte. Denn ich war mir vorher nicht sicher gewesen, ob meine Worte überhaupt Wirkung gezeigt hatten. „Also hat sie meinen Rat befolgt.“ Es erfüllte mich mit Stolz, dass Nemesis einen Weg gefunden hatte, Gaia zu überzeugen. „Dann werde ich nachher zu ihr gehen. Gibt es noch etwas, das du mir mitteilen willst?“
„Sie will, dass du Atropos das Urteil überbringst, noch weiß er selbst nichts davon. Sie meint, dass dies seine Meinung über dich und Gaia ändern könnte. Zumindest wird er sich dann weniger überlegen fühlen.“
„Gut. Ich wollte ihn eh noch einmal sehen, bevor wir aufbrechen.“
Am nächsten Tag ging ich schon früh am Morgen in den Gefängnistrakt.
„Lass mich zu ihm.“ Gehorsam nickte die Wache und entriegelte die Tür zu Atropos’ Zelle. Er sah nicht auf, als ich eintrat, sondern saß reglos in einer Ecke auf dem Boden. „Atropos.“ Noch immer erfolgte keine Reaktion, nicht einmal, als ich direkt vor ihm stand. „Nemesis hat soeben dein Urteil verkündet.“
„Du meinst wohl Gaia.“ Der Hass in seiner Stimme war deutlicher als je zuvor.
„Nein, Gaia hat sich dem Willen der Bürger gebeugt. Nemesis hat Gaia für dich davon überzeugt, das Richtige zu tun.“
„Das Richtige zu tun? Für mich? Durch den Willen der Bürger? Deine Worte ergeben nicht den geringsten Sinn, falls es dir nicht auffällt.“ Er drehte sich zur Seite, seine Haare hingen ihm inzwischen in die Stirn und verdeckten einen Teil seines Gesichts. „Verschwinde einfach wieder.“
„Es ist so, wie ich gesagt habe. Die Bürger haben entschieden, dass Gaia deine Entscheidung respektieren muss. Dem konnte sie sich nicht verweigern.“
„Denkst du das? Sie wird immer einen Ausweg finden, um ihr Ziel zu erreichen.“
„Sollte sie das versuchen, werden Nemesis und ich das verhindern.“
Endlich sah er auf, seine Augen musterten mich resigniert aus dem blassen, eingefallenen Gesicht. In der letzten Zeit schien seine Stärke nachgelassen zu haben, er wirkte erschöpft und nur noch in seiner Stimme schwang Aggression mit. Dabei hatte er vor kaum mehr als einer Woche noch eine völlig andere Ausstrahlung besessen. Nun schien es, als hätte er aufgegeben oder sein Schicksal zumindest akzeptiert. „Ihr wollt es verhindern … Na dann ist ja alles gut.“ Ein Lachen drang aus seiner Kehle. „Wenn du Gaia wirklich daran hindern willst, ihren Willen durchzusetzen, töte mich doch einfach direkt. Mit deinem Körper wäre es doch ein Kinderspiel, mich mit bloßen Händen zu töten.“
„Ich werde dich nicht töten, sondern die Wüste, wie du es dir gewünscht hast. Dafür werde ich sorgen. Du musst für deine Verbrechen bestraft werden, doch früher hast du Gaia gut gedient. Deshalb ist dies das Mindeste, das ich für dich tun kann.“
„Gaia belügt euch, wieso siehst du das noch immer nicht?“
„Deine Verbannung wird in genau drei Wochen erfolgen. Wenn du bis dahin noch Kontakt zu irgendjemandem innerhalb der Station aufnehmen willst, kannst du das Nemesis mitteilen. Genauso ist es dir möglich, ein Testament oder einen letzten Wunsch zu verfassen.“
„Wie wäre es damit, dass ihr alle zur Hölle fahren sollt?“ In seinen Augen loderte eine Spur seines alten Zorns auf.
„Falls das deine letzten Worte sind, sei es so. Wenn nicht, dann hast du noch genug Zeit, darüber nachzudenken.“
„Ich will nicht länger warten. Ich bin schon seit Wochen hier, es soll endlich enden. Solltest du mir wirklich helfen wollen, sorge dafür, dass ich sofort verbannt werde.“
„Selbst wenn Nemesis sich dazu durchringen lässt, wird es zumindest eine Woche dauern.“
„Das wäre immer noch besser als drei Wochen.“ Seine Stimme verlor die Feindseligkeit.
Sehnt er sich so sehr nach dem Tod? Er muss Gaias Olympus abgrundtief hassen, dass er seinen Tod vorzieht.
„Wirst du es selbst tun? Wirst du mich persönlich in die Verbannung schicken?“
„Ja, dafür gebe ich dir mein Wort.“
„Gut, dann versuche ich zu warten.“
Ich verabschiedete mich und verließ den Raum. Sobald ich draußen war, gab mein Terminal ein Piepen von sich. Es war Nemesis. „Hast du zugehört?“, fragte ich und ließ die Begrüßung weg.
„Ja.“
„Wirst du seine Verbannung vorziehen?“
„Im Moment hat die Vorbereitung deiner Mission Vorrang.“
„Da die Vorbereitungen gut voranschreiten und wir noch vor dem Zeitplan liegen, scheinst du eine Ausrede zu suchen.“
„Ist es tatsächlich nötig, ihm auch diesen Wunsch zu erfüllen? Ich habe mich schon seinem Willen gebeugt und der Verbannung zugestimmt.“
„Er leidet große Qualen, Nem. Nicht erst seitdem seine wahre Identität offenbart wurde. Er muss schon viel länger und weitaus mehr unter seinem Leben hier leiden, als wir uns vorstellen können. Seine Psyche scheint sich von Tag zu Tag mehr zu zersetzen. Würdest du seine Verbannung vorziehen, wäre das ein Akt der Gnade. Zudem glaube ich, dass sich auch die Bürger wohler fühlen würden, je früher er aus Olympus verschwindet.“
„In Ordnung, ich werde alles in die Wege leiten. Vielleicht wärst du tatsächlich besser für diese Position geeignet als ich. Du findest in jeder Situation die passenden Worte.“
„Vergiss nicht, dass diese Position sogar für mich vorgesehen war und du meinen Platz nur eingenommen hast, bevor ich es konnte. Ich wäre jederzeit bereit, zu tauschen, wenn du mich darum bittest würdest.“
„Noch ist es nicht an der Zeit. Zuerst musst du deine Mission außerhalb beginnen und abschließen. Und auch ich muss noch vieles lernen.“
„Ganz wie du meinst. Ich gehe jetzt in die Zentrale und werde mich mit Ker treffen. Wir wollen unsere genaue Route besprechen.“
„Ich hörte, dass du eure Route schon zum Großteil festgelegt hast.“
Ohne weiter Zeit zu verschwenden machte ich mich auf den Weg. „Ja.“
„Du scheinst genau zu wissen, wohin du gehen willst. Aber wieso glaubst du, einige Stämme brauchen unsere Hilfe dringender als andere?“
„Du meinst den Stamm der Sandflüsterer, nehme ich an?“
„Ja. Sie sind nicht der nächstgelegene Stamm, dennoch willst du zuerst zu ihnen gehen.“
„Dafür sind sie diejenigen, deren Art zu leben am ehesten unserer gleicht.“
„Ich muss gestehen, Gaias Wissen über die Wüstenstämme ist äußerst begrenzt. Die meisten ihrer Informationen handeln von den Kannibalen.“
„Da sie der aggressivste Stamm sind, mit dem Olympus am meisten in Konflikt gerät, ist das logisch. Ein Stamm, den wir glücklicherweise nicht in unsere Friedensverhandlungen mit einbeziehen müssen.“
„Bisher hast du mir kaum etwas über deine Zeit in der Wüste erzählt.“
„Das sind auch zu viele Geschichten, um sie alle an einem einzelnen Abend unterzubringen. Schließlich war ich zehn Jahre lang dort draußen. Und es gibt genügend unangenehme Dinge, an die ich mich nicht mehr als nötig erinnern möchte. Ich sage dir so viel: bei den Kannibalen kämpft jeder für sich. Nur reine Stärke und Heimtücke gewinnen. Jeder hintergeht jeden, sie bringen einander um und die Schwachen leben nicht lange. Es gibt Frauen bei ihnen, die wie Mastschweine behandelt werden und ihre Kinder werden verspeist wie Delikatessen. Die Technologien, die sie Stationen wie Mars gestohlen haben, werden nicht zum Wohle der Gruppe genutzt, sondern um einigen wenigen Macht über viele zu geben.“
„Nur wegen diesen Technologien sind sie so stark. Ich hörte, viele schließen sich ihnen nur an, weil ihre Siedlungen geschützter und standhafter sind als andere.“
„Sie nutzen die Schwäche der anderen aus, nichts weiter. Sie waren der erste Stamm, dem ich als Kind begegnete und sie hätten mich beinahe getötet. Bis sie erkannten, dass ich auch als Waffe dienen kann. An die Zeit danach denke ich nicht gerne zurück. Irgendwann konnte ich fliehen und bin auf die Sandflüsterer gestoßen. Ihre Art zu leben würde dir gefallen, sie leben im Einklang mit der Wüste, so schwer es auch zu glauben ist. Ohne die modernste Technik von irgendwelchen Stationen. Sie haben ihre eigene entwickelt. Sie verstehen trotz der unbeständigen Witterung jeden Umschwung der Wüstenwinde zu deuten und wissen, wo die Sonne am heißesten auf den Sand niederbrennt und wann die Sandwürmer herauskommen, um zu jagen.“
„Das hört sich äußerst interessant an“, begrüßte mich Ker, der im Gang vor der Zentrale bereits wartete. „Wieso erzählst du mir nie solche Geschichten?“
„Später vielleicht.“
Ich hörte über mein Headset, wie Nem sich räusperte. „Ich sehe dich dann heute Abend. Viel Erfolg euch beiden.“
„Das war ernst gemeint, ich möchte auch gerne mehr über deine Vergangenheit erfahren. Wenn es dir nicht unangenehm ist“, meinte Ker und wir betraten die Zentrale.
„Vielleicht werden wir auf unserer Reise bald Zeit dafür haben. Obwohl du doch selbst einiges über die Wüstenstämme weißt.“
„Nicht so viel wie du. Mein Wissen beschränkt sich auf die wenigen Male, die ich mit ihnen aufeinandergetroffen bin. Und meist wurden wir angegriffen oder sagen wir, unsere Feinde haben es versucht.“
„Dafür hast du sogar mehr Erfahrung mit den Kriegern aus Mars als ich. Ihnen bin ich nur ein Mal begegnet. Als sie ihr Bündnis mit den Kannibalen erneuert haben. Als Gegenleistung dafür griffen sie die Kundschafter aus Mars nicht an und teilten ihr Wissen über die anderen Stämme mit ihnen. Allerdings wurden sie nicht selten zu gierig und versuchten tatsächlich mehrmals, Mars zu überlisten. Dadurch brach ein Aufruhr aus, den ich damals zur Flucht nutzte.“ Gespannt lauschte er meinen Worten und Tyche sah mich ebenfalls neugierig an, in der Erwartung, ich würde weiter erzählen. „Reicht das erstmal an Informationen zu meiner Vergangenheit?“
„Jetzt bin ich nur noch neugieriger als vorher.“
„Es ist hier zwar unüblich, Alkohol zu trinken, aber vielleicht sollte ich euch beide mal auf einen Drink einladen. Mir ist nämlich aufgefallen, dass es immer mit der Arbeit zu tun hat, wenn ich über Privates rede.“
„Dann sollten wir das unbedingt ändern“, gab Ker zurück und schmunzelte.
„Ich bin so einem Drink ebenfalls nicht abgeneigt, etwas nicht-alkoholisches würde auch reichen, solange die Geschichten spannend sind“, stimmte Tyche zu.
„Abgemacht. Also konzentrieren wir uns jetzt gleich auf unsere Mission. Zuerst will ich die Sandflüsterer aufsuchen, allerdings sind sie nur schwer zu finden, wenn sie es nicht wollen.“
„Unsere Drohnen verfügen über hochsensible Sensoren, nicht einmal die Sandwürmer unter meterdickem Sand bleiben ihnen verborgen“, widersprach Tyche. „Du sagtest selbst, ihre Technologie ist veraltet.“
„Ich sagte, es ist keine moderne Technologie wie unsere. Dennoch ist sie sehr effektiv.“
„Auf welche Art und Weise? Es ist unmöglich, dass ihre Geräte effektiver sind als unsere.“
„Ihre Technologie ist so alt wie Olympus und besitzt denselben Ursprung…“
„Also ist sie unserer doch ähnlich.“
„Nein, denn Gaia hat den Zugriff auf einen Teil ihrer ursprünglichen Programmierung und Ressourcen damals beim Aufstand verloren. Einige der Menschen, die ihr zuerst geholfen haben, Olympus zu erbauen, haben sich gegen sie gewandt. Daraufhin wurden sie verbannt, jedoch stahlen sie vorher Technologie, die heute als verloren gilt. Obwohl sie keine Hilfe von Gaia hatten, gelang es ihnen, die Technik zu studieren, zu aktivieren und weiterzuentwickeln. Deshalb gehe ich davon aus, das zumindest ein paar von ihnen zu den Wissenschaftlern gehörten, die Gaia mitentwickelten.“
„Nun gut, das erklärt, wieso du der Meinung bist, dass wir sie nicht so leicht finden werden“, sagte Ker. „Es wäre schön, wenn Gaia dieses Wissen mit allen teilen würde, nicht nur mit dir.“
„Gaia selbst verfügt nur noch über bruchstückhafte Aufzeichnungen aus dieser Zeit. Der Großteil meines Wissens über den Aufstand stammt von den Sandflüsterern selbst.“
„Wie finden wir sie also?“
„Ich habe damals zwar keine Technologie von ihnen mitgenommen, aber ich kenne die geheimen Signale und Nachrichten, die sie verwenden. Sie halten sich in bestimmten Gebieten auf, aber da ich nicht weiß, wo genau, müssen wir wahrscheinlich mehrere Nachrichten hinterlassen.“
Schweißperlen bedeckten sein Gesicht, das nicht komplett verhüllt war. Um seinen Körper waren mehrere Lagen Stoff gewickelt, die ihn vor der Hitze schützten sowie eine Schutzbrille, die er zurückgeschoben hatte. Ein letztes Geschenk von Gaia, auch wenn die Kleidung kaum an die Schutzfunktion der Nanoanzüge heranreichte, welche die Wüstengänger noch unter ihren Rüstungen trugen. Zumindest war es so unwahrscheinlich, dass die Temperaturen in sofort töteten. Eher würde er verdursten, denn er durfte nicht mehr als eine Wochenration an Wasser und Essen mitnehmen, das aus getrockneten Früchten, Nüssen, Proteinriegeln und einigen eingeschweißten Konserven bestand. Als ich ihm seinen Proviant geben wollte, verharrte er reglos vor mir und starrte den Rucksack eine Weile nur an.
„Ich benötige nicht noch weitere vermeintliche Geschenke von ihr.“
Durch meine Rüstung spürte ich die Hitze nicht, Atropos hingegen musste die trockene Luft bereits jetzt in der Lunge brennen. „Du wirst ohne nur wenige Tage hier draußen überleben.“
„Habe ich je gesagt, dass ich überleben will?“ Er stieß ein Lachen aus und hob die Arme, die er seitlich ausstreckte. Diese Geste wirkte auf seltsame Weise einladend, als würde er die Wüste um sich herum willkommen heißen. „Die Wüste wird mein Grab sein, aber das ist besser als eure Station, die Gaia ins Verderben reißen wird.“ Sein Blick wanderte von mir zur Ker, der ihn nur schweigend beobachtete. „Ihr werdet schon sehen.“
„Du könntest dich einem der Wüstenstämme anschließen.“
„Diesen Wilden? Ich ende lieber als Fressen für die Sandwürmer als für andere Menschen.“
Ich spürte, dass er mich provozieren wollte. Er wusste, dass ich bei ihnen gelebt hatte und sie nicht so unzivilisiert waren, wie er behauptete. „Atropos“, versuchte ich es ein letztes Mal. „Wirf dein Leben nicht einfach so weg.“
„Es war schon im Moment meiner Geburt verschwendet. Denn ich wurde nur dafür entwickelt, Gaia gut zu dienen. Wie viel Sinn soll mein Leben ohne diesen Zweck noch haben? Alles war nur darauf ausgerichtet, selbst meine Persönlichkeit wurde zum Teil von ihr bestimmt. Vielleicht hat sie auch diese Entwicklung beabsichtigt, um einen Sündenbock zu finden und von ihren eigenen Fehlern abzulenken.“
Damit griff er endlich nach dem Rucksack. „Das soll ihre letzte Gnade sein, ja?“ Er warf sich den Rucksack über die Schulter, setze seine Schutzbrille auf und wandte sich dann um. „Es war von Anfang an falsch, einer KI die Herrschaft zu überlassen. Früher oder später wirst du es auch endlich verstehen.“
„Sie herrscht nicht länger über uns“, entgegnete ich, doch Atropos entfernte sich mit schnellen Schritten von uns. „Sie führt uns und das nur, weil es damals die einzige Möglichkeit war, um zu überleben.“
Ohne sie hätte es Olympus nie gegeben und die Menschen würden als einige wenige in Wüstenstämmen leben. Bis heute würde es auf diesem Kontinent sicher nicht mehr als ein paar Tausend Menschen geben, wahrscheinlich eher weniger. Ein paar Tausend gegen mehr als fünfzigtausend Menschen in einer richtigen Gesellschaft. Nur wenige zerstreute Stämme und keine Sandflüsterer, keine andere Station wie Mars, die nur dank gestohlener Technologie entstehen konnte.
„Selbst wenn er dir zugehört hätte, er hätte es nie eingesehen.“ Ker trat neben mich. „Inzwischen ist es wirklich zu spät, um ihn aufzuhalten.“
Ich konnte mich nicht von Atropos’ Anblick losreißen, wie er mühsam den roten Sand durchquerte. Auch wenn er mich sicher fast so sehr wie Gaia verabscheute, hoffte ich, er würde irgendwie überleben. Grundsätzlich war er kein schlechter Mensch und hatte nur Freiheit und Selbstbestimmung gewollt. Jahrelange Lügen und Manipulation hatten ihn verändert. Ob es Gaias Absicht gewesen war oder nicht, sie trug die Schuld an dem, was aus ihm geworden war. Sie hatte ihren eigenen Feind erschaffen.
„Gehen wir zurück“, schlug Ker vor und legte eine Hand auf meine Schulter. „Unsere Vorbereitungen sind noch nicht abgeschlossen.“ Sein Blick richtete sich ebenfalls auf Atropos’ Silhouette, die sich entfernte. „Du hast getan, was du konntest. Er wurde verbannt, wie er es wollte und das noch früher als ursprünglich geplant.“
Wir machten uns langsam auf den Rückweg. Eine der Drohnen über uns folgte Atropos in einigem Abstand und würde erst zurückkehren, wenn er weit genug von der Station entfernt war. „Ich hätte ihn retten können. Sie alle. Ich hätte sie retten müssen.“
„Wie? Dafür hättest du schon vor Jahren zurückkehren müssen.“
„Manchmal frage ich mich, ob Gaia es tatsächlich nicht wusste. Oder ob es ihr egal war und der zu erwartende Schaden in ihren Augen noch akzeptabel war.“
„Du klingst, als würdest du ihm glauben.“
„Zeitweise ist es schwer, es nicht zu tun. Du hast ebenfalls erlebt, wie viel sie ohne den Einfluss von anderen entschieden hat. Wie sehr sie in das Leben jedes Einzelnen eingegriffen hat.“
„Das hat sie, aber das ist nun vorbei. Dafür haben Nemesis und du gesorgt. Und es wird nie mehr so wie früher. Sollte es je dazu kommen, halten wir sie auf, das verspreche ich dir.“
„Ich nehme dich beim Wort. Olympus kann nur zu einem besseren Ort werden, wenn die Station sich fortlaufend verändert und mit ihr die Menschen.“
„Dafür gehen wir ja auf diese Mission, nicht wahr?“
Wir erreichten den verborgenen Eingang zwischen den Felsen und Ker betätigte den Öffnungsmechanismus. Anders als sonst steuerten wir nicht die Zentrale an, sondern das Waffenlager auf Ebene -9. Dort war Lachesis dabei, die letzten Ausrüstungsstücke herauszusuchen. Er wies einen anderen Wüstengänger an, welche Waffen er in dem langen, quaderförmigen Koffer unterbringen sollte, den dieser bei ihrer Mission ebenfalls transportieren würde.
Lachesis hielt in seiner Arbeit inne und begrüßte uns. „Wie lief es?“, fragte er dann.
„Er war ruhiger als erwartet, ich habe fest damit gerechnet, dass er mehr Widerstand zeigen wird. Stattdessen ist er so gut wie widerstandslos gegangen.“
„So gut wie?“
„Er hat mir erneut seine Meinung Gaia betreffend gezeigt. Im Grunde war es dasselbe wie auch schon zuvor“, mischte ich mich ein und gab den beiden zu verstehen, das Thema war damit beendet. Der andere Wüstengänger, den ich bisher nur flüchtig kannte, hatte uns neugierig zugehört. Ich hatte kein Interesse daran, mir noch unbekannten Leuten zu viel Details über Atropos zu erzählen. Erst recht nicht, da ich seine Beweggründe verstehen und nachvollziehen konnte. Sicher würde das nicht jedem aus unserem neuen Team gefallen.
„Also gut…“ Lachesis räusperte sich. „Das hier ist Zelos, er wird für den Transport der Ausrüstung zuständig sein.“
Zelos war etwas kleiner als der Rest von uns, aber stämmig und sehr kräftig, während seine Haare kurzgeschoren waren. Ich hatte keine Zweifel, dass er problemlos fünfzig Kilogramm an Ausrüstung oder mehr tragen konnte. Wir wechselten ein paar Worte, als noch jemand die Waffenkammer betrat, eine Frau, die ungefähr in meinem Alter sein musste. Ihre Haare waren nachtschwarz und enganliegend geflochten, ihre dunkle Haut war im Gesicht von helleren Flecken gesprenkelt. Obwohl ihr Blick ernst und ihr Gesicht elegant war, wirkte sie durch die Pigmentflecken jugendlich. Sie stellte sich mit rauchiger Stimme als Artemis vor.
„Damit ist die Hälfte unseres Teams bereits versammelt“, sagte Ker. „Die anderen sind auf dem Weg in die Zentrale, bis auf einen Mann, der den letzten Rest unseres Proviants vorbereitet. Dort können wir uns abschließend alle noch einmal absprechen.“
„Wir liegen tatsächlich sehr gut im Zeitplan.“ Ich blickte in die Gesichter meiner beiden neuen Teammitglieder, die aufgeweckt und gehorsam wirkten. Völlig anders als Atropos und Ker damals. Mir war es fast schon unangenehm, wenn sie blind gehorchten. „Dann lasst uns in die Zentrale gehen. Zelos, bist du soweit fertig?“ Er nickte und brachte seinen Koffer neben einem anderen, identisch aussehenden in Position.
Wir verließen den Raum und trafen uns in der Zentrale mit vier weiteren Mitgliedern unseres Teams. Nachdem Lachesis mir kurz die neuen Leute vorgestellt hatte, besprachen wir zum letzten Mal das genaue Ziel unseres Auftrags, unsere Vorgehensweise und unsere Route. Irgendwann kam auch das Thema auf, wie wir bei Feindkontakt reagieren sollten. Gemeint waren vor allem die Soldaten aus Mars und die Kannibalen.
„Ich fasse es kurz: wir werden nicht zuerst angreifen, sondern sie wenn möglich meiden. Sollten sie zuerst angreifen, verteidigen wir uns und dabei gibt es niemanden, dem eine besondere Gnade zuteilwird. Sowohl die Kannibalen als auch Mars haben das Friedensabkommen und die Menschenrechte, die Olympus zu wahren versucht, unzählige Male verletzt. Sie zeigen ihren Feinden gegenüber kein Mitleid, also werden wir es ihnen gleich tun.“
Die Besprechung zog sich in die Länge, da ich den anderen schon vorher möglichst viel über unsere neuen Gegner erzählen wollte. Während ich über die Kannibalen berichtete, erzählte Ker von Mars’ Soldaten, die er besser kannte als ich. Dabei erwähnte er den Vorfall von damals, bei dem die zwei vermeintlichen Flüchtlinge Hilfe ersucht hatten für sich und ihr angebliches Kind.
Jedes Mal, wenn ich daran dachte, wurde mir unwohl. Denn ich hatte mir später die Aufzeichnungen dazu angesehen und die Untersuchungsergebnisse der Leichen. Fleischfressende Bakterien, die jedes organische Gewebe innerhalb von Sekunden zersetzen konnten, erinnerte ich mich. Sofern man die Bakterien richtig programmierte. Man hatte den Stoffwechsel der Mikroben, mit welchen die beiden damals infiziert waren, absichtlich verlangsamt. So war es ein schleichender, langsamer Tod mit angeblicher Möglichkeit auf Heilung gewesen.
Gaia hatte die Einzeller tatsächlich untersucht und Gegenmaßnahmen entwickelt, doch es stand infrage, ob sie in der Lage gewesen wäre, die Fremden zu retten. Für jemanden aus Olympus war eine Zellspende sofort verfügbar, Piloten erhielten regelmäßig welche, um das Zellsterben abzubremsen. Doch Menschen von außerhalb mit einem völlig anderen genetischen Code würden mit hoher Wahrscheinlichkeit an solch einer Spende sterben.
Die schiere Grausamkeit von Mars verursachte ein Druckgefühl auf meiner Brust, obwohl ich gewiss keine schwachen Nerven hatte. Gaia war selbst nicht unschuldig, so bestialische Experimente jedoch hätte sie nie durchgeführt. Die beiden ehemaligen Bewohner von Mars waren nur zwei der Opfer. Es musste viele, sicher mehr als hundert gegeben haben, um die Wirkung in verschiedenen Stadien und Einsatzmöglichkeiten der Bakterien zu testen.
Ich verdrängte die Gedanken aus meinen Kopf und konzentrierte mich auf das, was anstand. Hinter mir schlossen sich die Türen des Fahrstuhls und ich bewegte mich in Richtung Erdoberfläche. Als dieser über der Erde angelangte, fühlte ich, wie etwas von dem Druck verschwand.
Das Licht der schwindenden Sonne drang ins Innere und ich atmete erleichtert durch. Die frische Luft war erfrischend und wohltuend, obwohl die Luft unterirdisch ebenfalls permanent gefiltert und angereichert wurde. Dafür roch es überirdisch nach Erde, Gras, Staub und Menschen – nach Leben. Leute waren heute zuhauf unterwegs, die Temperatur war angenehm und es war fast windstill. Ich atmete den Geruch der vorbeiziehenden Menschen ein, während ich den Treffpunkt ansteuerte. Unterschiedlichste Spuren wie die von Gewürzen, Arzneien, Maschinenöl und anderem hafteten an den Leuten.
Die Fülle an Grünflächen bildete einen starken Kontrast zu der Sterilität unter der Erde und ich merkte, dass ich zu lange nicht mehr oben gewesen war. Meine Schritte wurden langsamer, desto näher ich dem Park kam, in dem man mich erwartete. Zu den niedrigen Sträuchern kamen vermehrt größere Bäume, die dichter standen, desto weiter ich hinein ging. Zu meiner linken verlief ein kleiner Bach mit einem Bett aus Kieselsteinen. Der Zufluss wurde breiter, bis er mich zu einem Teich führte. Ich ging die letzten Meter des gepflasterten Weges bis zu einer breiten Grasfläche, die den gesamten Teich umgab.
Dort saßen Hera und Nemesis in ein Gespräch vertieft auf einer Bank. Zuerst bemerkten sie mich nicht, Nemesis vollführte Gesten mit der Hand und ich nahm eine Bewegung auf dem Boden wahr. Eine ihrer kleinen Drohnen, diesmal in ihrer Form angelehnt an eine Eidechse, reagierte blitzschnell auf jeden Fingerzeig von ihr.
Wenn Nemesis ihre Hand zur Seite bewegte, tat die Echse es ihr gleich und wenn Nemesis eine Drehung andeute, ahmte sie diese ebenfalls nach. Fasziniert beobachtete Hera die Drohne, während Nemesis ihr erklärte, wie sie die Feinmotorik und Sensorik kalibriert hatte. „Gaia hilft mir und bei jedem neuen Modell werde ich etwas besser, was die Reaktionsgeschwindigkeit angeht. Außerdem … “ Sie verstummte, als sie mich bemerkte. Ein Lächeln trat auf ihr Gesicht. „Athena!“
Hera wandte sich um und schenkte mir auch ein Lächeln. Anders als Nemesis sah sie bereits viel gesünder aus als vorher. Einzig Nemesis war blass und wirkte ausgemergelt. Ich war froh, dass Hera sie wenigstens hatte überzeugen können, das Gewölbe kurzzeitig zu verlassen.
„Du warst sehr gründlich mit deinen Ausführungen“, meinte Nemesis.
„Hätte es weniger Fragen gegeben, wäre das nicht nötig gewesen.“
„Natürlich. Als Anführerin bist du besser als jeder andere. Dennoch … Um ehrlich zu sein, war es gleichzeitig beängstigend, dir zuzuhören.“
„Du hättest nicht zuhören müssen.“
„Ich wollte aber, schließlich will ich so viel an deinem Leben teilhaben wie möglich.“
„Eher an meinem Arbeitsleben“, schnaubte ich und lehnte mich an die Bank. „Eigentlich bin ich nicht hier, um noch mehr Kampf- und Verteidigungsstrategien zu diskutieren.“
„Deine Arbeit gehört nun einmal zu deinem Leben“, murmelte Nemesis mit abgewandtem Gesicht und es wirkte, als hätten meine Worte sie beleidigt. Seufzend rutsche ich näher zu ihr heran, Hera musterte uns stumm. Sie wusste zu gut, wie es sich anfühlte, zu viel für die Station aufzuopfern.
„Ich habe oft genug das Gefühl, längst ein Teil von Olympus geworden zu sein.“ Sanft umschloss ich ihre linke Schulter. „Gaia hat mich darauf programmiert, besonders effizient und gründlich zu arbeiten. Das heißt jedoch nicht, dass mich diese Bestimmung vollends erfüllt oder ich dadurch glücklich bin. Ich bin zufrieden, wenn ich anderen helfen und sie beschützen kann, das stimmt. Aber was mir noch mehr Freude macht, ist Zeit mit dir oder anderen Menschen zu verbringen, die mir viel bedeuten. Eine Pause von all den Pflichten innerhalb der Station ist hin und wieder nötig.“
„Das ist mir doch bewusst. Ich habe nicht von dir verlangt, persönlich bei mir Bericht zu erstatten. Es ist nur seltsam, daran zu denken, dass du bald fort bist. Außerhalb von Olympus und das für einige Wochen oder sogar Monate.“
„Du machst dir Sorgen“, stellte ich fest. „Nachdem du gesehen hast, wozu ich imstande bin. Ich habe selbst einen Kopfschuss durch ein Projektil mit extrem hoher Durchschlagskraft überlebt.“
Nemesis erwiderte nichts, worauf Hera sich räusperte. Unsere Blicke trafen sich und sie schüttelte leicht den Kopf. Es ist also nicht die Sorge wegen mir, die sie beschäftigt. „Du wirst deine Arbeit ebenso gut erledigen wie ich.“
„Ohne dich verstehe ich Gaia nur halb so gut und die Menschen vertrauen außerdem mehr auf dich als auf mich, habe ich das Gefühl.“
„Auf mich, die Außenseiterin, die nie wirklich zu Olympus gehören wird, aber auch nicht nach außerhalb?“
„Sie bewundern dich. In den wenigen Monaten deiner Anwesenheit hat sich Olympus radikal verändert, zum Besseren. Immer mehr Menschen begreifen das. Dahingegen kann ich sie nur beraten und mir ihre Sorgen anhören“
„Das ist längst nicht alles, was du tust. Du unterstützt ebenso Gaia und überwachst ihre Handlungen, was mehr als genug ist, schließlich bist du rund um die Uhr damit beschäftigt.“
„Wen interessiert das schon … Als Gaia und ich zusammen verkündeten, wir beide werden fortan alle Entscheidungen treffen, erfolgte kaum eine Reaktion. Die erste Zeit haben die Leute darüber geredet, inzwischen schweigen sie, über ihre Probleme ebenso. Manchmal bekomme ich die Information, dass jemand sich in psychologische Behandlung begeben hat. Mehr darf ich nicht erfahren, um die Privatsphäre des Einzelnen zu schützen.“ Ich spürte, wie ihre Unruhe mit jedem Wort zunahm.
„Hast du Angst, es ist noch jemand von Atropos’ Leuten übrig und plant etwas?“
Sie schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht, dass uns einer von ihnen erneut gefährlich wird. Doch die anderen machen mir Angst. All diejenigen, denen Gaia Unrecht getan hat. Wir haben alles zu ihren Experimenten veröffentlicht. War das wirklich die richtige Entscheidung?“
„Ja, denn du hast selbst gesehen, wohin es führt, solche Dinge zu verschleiern.“
„Aber es hat die Menschen verunsichert und erzürnt. Diejenigen, die vorher nur Vermutungen anstellen konnten, haben jetzt die Bestätigung und ihr Zorn macht mir Angst.“
„Scheinbar gibt es doch einige, die mit dir reden.“
„Ja. Doch was sie erzählen, erschreckt mich.“
„Hat irgendeiner von ihnen je dir selbst gedroht oder dir die Schuld an den Ereignissen gegeben?“
„Nein … Bei Gaia hingegen …“
„Du bist nicht sie“, sagte ich bestimmt und trat vor sie. „Es gibt keinen Grund, ihre Verbrechen zu beschönigen oder sie zu verteidigen. Deine Treue sollte in erster Linie immer den Menschen gehören, hast du verstanden?“ In ihrem Gesicht konnte ich ihre widersprüchlichen Gefühle ablesen. Einerseits wollte sie den Menschen unbedingt helfen, andererseits fühlte sie sich der KI verpflichtet und war ihr dankbar. „Nem. Du selbst kann Gaia mögen, verlange das aber von keinem anderen. So gut wie jeder in Olympus hat sich seinen eigenen Wohlstand selbst verdient und diesen nicht durch Gaia erhalten. Die Menschen schulden ihr nichts. Ich weiß, es ist schwer für dich, auf diese Weise zu denken.“
„Ich verstehe, was du mir sagen willst.“ Mit einem tiefen Atemzug richtete sie sich gerade auf und ich registrierte, wie ihr Puls endlich wieder ruhiger wurde. „Wieder einmal bist du diejenige, die die Sachlage rational beurteilen kann. Es stimmt, ich bin noch zu abhängig von Gaia. Ich muss meine Verhaltens- und Denkweise ändern.“
Hera griff überraschend nach ihrer Hand. „Ich werde dir dabei helfen, keine Sorge“, beruhigte sie Nemesis und kam aus ihrer Rolle als stiller Zuhörer. „Erst, als ich mein Gedächtnis wiedererlangte, konnte ich erkennen, wie grausam Gaias Taten sein können. Davor habe ich ihr blind vertraut, wie du es lange getan hast. Ich habe mich aufgeopfert, dennoch wäre Olympus fast zerstört worden. Die Augen vor der Wahrheit zu verschließen, nur weil es bequemer ist oder weniger schmerzvoll, ist nie der richtige Weg.“
– Weiter geht es in „Ozonos Earth: Change“ –
In "Ozonos Earth" gibt es einige Anlehnungen an die griechische Mythologie, die auch nur als solche dienen und einen anderen Blick auf bestimmte Charaktere, Orte oder auch Bezeichnungen ermöglichen sollen.
Die im Buch vorkommenden Begriffe/Namen sind hier jeweils alphabetisch aufgelistet:
Ares – ein spezieller Typ von Kampfdrohnen, der in Olympus eingesetzt wird
- in der Mythologie der Gott des schrecklichen Krieges, des Blutbades und des Massakers
Athena (22) – ein Cyborg, der von Gaia erschaffen wurde, dann aber außerhalb der Station ausgesetzt wurde; sie sollte außerhalb des Einflusses der Station aufwachsen und erst zurückkehren, wenn Gaia nach ihr „rief“, also ihre Hilfe benötigte
- in der Mythologie ist Athene die Göttin der Weisheit, der Strategie und des Kampfes/Krieges, der Kunst, des Handwerks und der Handarbeit
Atropos (31) – ein fähiger Krieger und Wüstengänger, der sich allerdings hinter einem zweiten Namen versteckt; sein eigentlicher Name lautet Moros
- in der Mythologie ist Atropos die älteste der drei Moiren, deren Aufgabe es als „Zerstörerin“ war, den Lebensfaden der Sterblichen zu zerschneiden, der von ihren Schwestern Klotho gesponnen und von Lachesis bemessen worden war
- Moros ist in der griech. Mythologie der Gott des Verhängnisses und des Untergangs
Chaos – eine Organisation, die Gaia zerstören will und dabei nicht davor zurückschreckt, Olympus zu vernichten und seinen Bewohnern zu schaden
– in der Mythologie Urzustand der Welt vor den Göttern
Gaia – die KI, durch die Olympus erschaffen werden konnte; mit ihrer Hilfe konnte die Station überhaupt erst konstruiert werden; sie bildet tief unter der Erde im Hades den „Kern“ der Station
- sie hat alle neugeborenen Bewohner von Olympus „erschaffen“, also zu einem Teil in ihren genetischen Bausatz eingegriffen und den Weg jedes einzelnen so teils vorgeschrieben, daher auch die spezielle Namensgebung eines jeden einzelnen
- in der Mythologie eine Urgöttin und die Personifikation der Erde; die erste Titanin, die aus dem Chaos entstand
Hades – bezeichnet einen Ort in Olympus, an dem Gaias Server liegen und der sich weiter unterirdisch erstreckt als in den offziellen Aufzeichnungen der Station
- ist in der Mythologie neben Poseidon einer der Brüder von Zeus und der Totengott und Herrscher über die Unterwelt, die aber gleichzeitig auch als Hades bezeichnet wurde
Hera (47) – ist die Vermittlerin zwischen Gaia und den Bewohnern von Olympus; nur sehr wenige dürfen je persönlich mit ihr reden
- die Gattin und Schwester von Zeus; ist ebenfalls ein Kind der Titanen Kronos und Rhea
- ist die Wächterin der ehelichen Seuxualität und Schutzgöttin der Ehe und Niederkunft
Herakles (40) – Sicherheitsbeamter; Bruder von Tisiphone, der nach dessen Tod seine Rolle einnimmt; steht auf Seiten der Rebellen
- auch Herkules genannt; Halbgott; in der Mythologie Orakel- sowie Heilgott; Sohn des Zeus‘ und der Alkmene
- größter Held des antiken Griechenlands, der v.a. durch seine zwölf Heldentaten bekannt ist
Iris (35) – Psychologin im Bereich Mentale Gesundheit, die u.a. Atropos behandelt hat sowie weitere Bewohner von Olympus, die Hilfe benötigen
- in der Mythologie Botin der Götter, sie vermittelt zwischen den Göttern und den Menschen
Ker (32) – der fähigste Krieger von Olympus, er erhielt nach seinem Sieg über feindliche Einheiten, bei dem er besonders grausam vorgegangen sein soll, den Namen Ker, davor hieß er Thanathos
- in der Mythologie ist Ker die Verkörperung/die Göttin des gewaltsamen Todes; jedoch steht der Name manchmal auch für eine ganze Gruppe von Todes- und Unglücksdämonen
- Thanatos hingegen ist der Gott des sanften Todes und wird oft zusammen mit seinem Bruder Hypnos, dem Gott des Schlafes, gezeigt
Lachesis (38) – ein Wüstengänger
- in der Mythologie ist Lachesis die mittlere der drei Moiren; ihre Aufgabe ist es, die Länge des Lebensfadens zu bemessen
Nemesis (26)– fähigste Pilotin auf Olympus; sie ist eine von zwei Personen, die in der Lage ist, die Kampfdrohnen höchster Stufe zu fliegen
- in der Mythologie ist Nemesis die Göttin des gerechten Zorns
Styx – ein Teil des unterirdischen Gewölbes, in dem Gaias Server liegen
- ein Fluss, der durch die Unterwelt führt und die Grenze zwischen der Welt der Lebenden und dem Hades darstellt
Tyche (33) – Navigator; ein Pilot, der nicht mehr aktiv im Drive sitzt, sondern Nemesis und die anderen Piloten bei ihren Operationen anleitet
- in der Mythologie ist Tyche die Göttin des Schicksals
Vera Hallström wurde 1996 geboren und entdeckte als Kind nicht nur früh ihre Begeisterung für das Lesen, sondern etwas später auch für das Schreiben. So füllte sie als Kind ganze Notizbücher mit ihren Geschichten, später schrieb sie die ersten Geschichten am PC. Mit sechzehn Jahren kam ihr die Idee zu einer Geschichte rund um eine Welt mit übernatürlichen Wesen, aus der sich dann irgendwann das Buch "Dämonenfeuer" entwickelte.
Fast sechs Jahre später, im November 2017, veröffentlichte sie dann ihre ersten beiden Bücher über die Self Publishing-Plattform BookRix, die beiden kostenlosen Kurzgeschichten "Unter diesem Himmel" und "Die stille Welt" als eBook.
Da sie nicht mehr darauf hoffen wollte, dass irgendwann doch noch ein Verlag Interesse an ihrem Manuskript zu "Dämonenfeuer" zeigte, nahm sie die Veröffentlichung selbst in die Hand und veröffentlichte dieses im Januar 2018 ebenfalls über BookRix.
Die Dämonenwelt-Trilogie lässt sich nicht auf ein Genre festlegen und ist sowohl Dark-, Paranormal & Urban Fantasy als auch Near Future Science Fiction, verbunden mit Drama und Action. Genauso gibt es nicht nur „einen“ Protagonisten, die Geschichte wird aus mehreren Perspektiven erzählt. Die Reihe ist für alle jene geeignet, die etwas düstere und dystopische Erzählungen aus verschiedenen Blickwinkeln mögen, die zugleich starke männliche als auch weibliche Charaktere jenseits von Stereotypen beinhalten.
Neben der Dämonenwelt hat sie einen Mystery-Kurzoman mit dem Titel "Die Stille zwischen den Welten" veröffentlicht, der eine Auskopplung ihrer Kurzgeschichte "Die Stille Welt" ist.
Die neuesten Informationen rund um die Autorin und ihre Bücher findet man auf ihrer Facebook-Seite, auf Instagram oder auf YouTube. Bei Fragen, Anregungen, Feedback o.ä. kann man über das dort angegebene Impressum oder ihre E-Mail Adresse vera.hallstroem@gmail.com Kontakt zu ihr aufnehmen. Rezensionen, egal ob kurz oder ausführlich, sind ebenfalls gerne gesehen. Unterstützen kann man sie auch direkt über Patreon.
Andere bereits erschiene Werke der Autorin:
Unter diesem Himmel (Kurzgeschichte; 2017)
Die stille Welt (Kurzgeschichte; 2017)
Die Stille zwischen den Welten (Kurzroman; 2020)
Seelen zwischen den Welten (Kurzroman; 2022)
Dämonenfeuer: Band 1 der Dämonenwelt-Trilogie (2018)
Dämonenherz: Band 2 der Dämonenwelt-Trilogie (2020)
Ozonos Earth (2021)
Texte: Vera Hallström
Bildmaterialien: Coverbild: Adobe Stock
Cover: Vera Hallström
Tag der Veröffentlichung: 04.04.2023
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