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Teil 1

 

„Ich starb in den Flammen, um in der Asche wiedergeboren zu werden und mich wie ein Phönix zu erheben. Mein Herz ist Dämonenfeuer, bereit, alles und jeden zu verschlingen. Wenn ich schwach bin, verschlingt es mich. Bin ich stark, wird es die falschen Götter verbrennen. Und die Flammen lodern immer heißer und steigen empor.“

-1- Verloren

03.04.2173 - Montag

 

Alban, eine Stadt voll schmutziger, grauer Gebäude unter einem immerzu wolkenverhangenen Himmel. Dunkle Wolken, die all den Ruß und Dreck der Fabriken mit sich trugen. Unten auf den überfüllten Straßen drängten sich Menschen aneinander vorbei, eilten zu Bussen, Bahnen und Autos, während sich kalter Regen über sie ergoss.

 

Eve konnte ihre Gesichter aus dieser Entfernung nicht erkennen, aber sie wusste dennoch, dass in keinem von ihnen auch nur eine Spur von Heiterkeit zu lesen war. All der Regen hatte sie weggewaschen. Regen und Leid. Sah ihr Gesicht denn anders aus? Wohl kaum. Der Regen wurde stärker und dicke Tropfen rannen das Glas herunter, verschleierten ihre Sicht auf das, was unter ihr geschah. Langsam wandte sie sich vom Fenster ab und drehte sich um. Sie befand sich in einem hohen  Raum, dessen Deckenlampe nur spärliches Licht verbreitete. Unter ihren Füßen lagen mit kleinen rostroten Flecken übersäte, gelblich verblichene Matten, die ihre besten Jahre schon längst hinter sich hatten. Für heute war es erst einmal genug. Humpelnd ging sie zur Tür, die aus dem Zimmer führte, und lehnte sich erschöpft gegen den Türrahmen. Mit dem Handrücken fuhr sie sich über ihre schweißnasse Stirn. Ihr Blick blieb kurz an ihren von kleinen Narben überzogenen Händen hängen, und an den Nagelbetten, die wieder einmal aufgerissen und blutverkrustet waren. Inzwischen heilten sie nicht einmal mehr richtig. Sie seufzte kurz, dann versuchte sie vorsichtig, ihren schmerzenden rechten Fuß zu belasten, worauf ihr ein scharfer Schmerz das Bein hochfuhr und sie kurz aufkeuchte. Man sollte meinen, durch das jahrelange Training sollte sie all die Schmerzen kaum noch spüren, aber es tat immer noch genauso weh wie am ersten Tag.

 

Noch genauso wie an jenem Tag, an dem ihr gesagt wurde, sie solle stets alles geben, egal ob die Schmerzen drohten, sie wahnsinnig zu machen, und dabei nie ihr Ziel aus den Augen verlieren. Das Ziel war das Einzige, was wirklich zählte. Denn dies war ihre Realität. Jeden Tag aufs Neue. Es wurde nicht gefragt, ob es auch ihr eigenes Ziel war, oder einfach nur das, welches ihre Familie ihr vorgab. Eves Ziel sollte es sein, dem Weg ihrer Schwester und ihres Vaters zu folgen, was in dem Fall bedeutete, später für die Aufsicht von Alban zu arbeiten. Diese war der mächtigsten Person Albans, dem Kanzler Deus, untergeordnet. Deus behauptete, es sich zur Aufgabe gemacht zu haben, die Ordnung Albans aufrechtzuerhalten und für den Fortschritt der Stadt zu sorgen. Leider aber kümmerte er sich vor allem um die Weiterentwicklung von Albans Militärmacht und Waffen. Nicht zu vergessen all die Vorkehrungen, die er zu seiner eigenen Sicherheit traf. Dabei hatte er das, was wirklich wichtig war, im Laufe der Zeit immer mehr aus den Augen verloren. Die Menschen, die unter ihm dienten und Tag für Tag ihr Leben für das Seine riskierten. Leute wie ihr Vater waren es, die für Deus die Drecksarbeit erledigten, während er sich ausruhte. Doch noch würde es niemand wagen, sich gegen ihn zu erheben, dafür war seine Position trotz allem viel zu gefestigt. Aber insgeheim war Eve sich sicher, dass der Tag, an dem es der Bevölkerung von Alban ein für alle Mal genug war, kommen würde. Noch nicht heute, auch nicht morgen, nicht in einem Monat. Aber es würde früher oder später ganz sicher passieren.

 

Sie beschloss, das Training fürs Erste zu beenden und ging hinüber in die Küche, wobei sie erfolglos versuchte, die Schmerzen, die ihr Fuß verursachte, möglichst wenig zu beachten. Wahrscheinlich hatte sie ihn sich mal wieder verstaucht. Die Küche sah nicht anders aus als der Rest der kleinen Wohnung, in der sie mit ihrer Familie wohnte. Sie war karg, nur mit wenigen rustikalen Schränken ausgestattet und ebenso ungemütlich. Ihre Familie hatte keinen Anspruch auf viel Wohnraum und so musste Eve sich mit ihrer Schwester ein viel zu kleines Zimmer teilen. Wenigstens ging es ihnen noch besser als den Leuten der Unterschicht. Sie öffnete den Kühlschrank und holte eine Flasche Wasser hervor. Dessen Kühle war wunderbar erfrischend gegen ihren erhitzten Körper. Schnell schraubte sie die Flasche auf und nahm einen großen Schluck.

Als die Türglocke plötzlich schrill läutete, hätte sie vor Schreck beinahe die Flasche fallen lassen. Sie nahm noch einen Schluck, dann stellte sie die Flasche auf dem flachen Esstisch ab und eilte durch den Flur hinkend zur Wohnungstür. Als sie diese öffnete, kam dahinter ihre ältere Schwester Audrey und ihr Vater Colin zum Vorschein. Audrey war beladen mit einer Holzkiste voller Lebensmittel und ihre braunen Locken waren nass und platt vom Regen, während ihr Gesicht noch gerötet vom Treppenaufstieg war. Eve erkannte, dass über ihre linke Wange außerdem eine frische Schnittwunde verlief. Schnell nahm Eve ihr die Kiste ab, worauf Audrey sie dankend anlächelte und ihr schnell einen Kuss auf die Wange drückte. „Alles Gute“, murmelte sie atemlos, dann lief sie schnell an Eve vorbei in Richtung Bad. Heute war der dritte April, Eves sechzehnter Geburtstag.

„Ab heute ist unsere Evelyn also erwachsen, ja?“ Ihr Vater betrat mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht, welches schon die ersten Falten zeigte, die Wohnung. Sein grauschwarzes Haar war zerzaust und er sah erschöpft, aber dennoch glücklich aus. Sie erwiderte sein Lächeln und freute sich, dass die beiden sich so beeilt hatten und gleich nach der Arbeit nach Hause gekommen waren. Während er Eve umarmte, roch sie an ihm die vertraute Mischung aus Schweiß und Schmutz. „Du bist viel zu schnell erwachsen geworden…“, meinte er nachdenklich und ließ sie wieder los. Wie, um sich zu vergewissern, ob sie auch wirklich schon erwachsen war, hielt er sie an den Schultern ein Stück von sich weg und betrachtete sie genauer. „Ja, du bist leider eindeutig schon erwachsen.“ Sie lächelte ihn an.

„Wie war euer Auftrag heute?“, fragte sie, worauf sich seine grauen Augen abrupt verfinsterten.

„Wie immer“, erwiderte er und beförderte seine abgenutzten Stiefel mit einem Tritt in eine Ecke im Flur. „Anstrengend und nervenaufreibend.“ Jedes Mal, wenn er von seiner Arbeit sprach, sank seine Laune sofort in den Keller. Das war etwas, das sie gar nicht anders kannte.

„Du hast zu schlecht bezahlt vergessen“, ertönte hinter ihnen Audreys Stimme. Ihr Vater brummte nur zustimmend, während Audrey, die gerade aus dem Bad kam, Eve nun ebenfalls umarmte. „Alles, alles Gute zum Geburtstag“, gratulierte sie ihr. Sie hatte sich schnell mit Seife den gröbsten Schmutz abgewaschen, deren Duft sie und Eve jetzt umhüllte. Zitronig frisch, aber noch immer mit einer leicht herben Unternote. Die Wunde in ihrem Gesicht hatte sie eilig abgeklebt.

Sie nahm Eve an die Hand und steuerte mit ihr in Richtung Küche. Eve drehte sich zu der Kiste um, die sie eben auf dem Boden abgestellt hatte und nun hochheben wollte, doch Audrey kam ihr zuvor. In der Küche knallte sie die Kiste auf den Küchentisch und machte sich sogleich daran, die Lebensmittel auszupacken, während Eve zum ersten Mal spürte, wie hungrig sie inzwischen war, als ihr Magen anfing, laut zu knurren. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es bereits nach 18 Uhr war. Sie hatte seit dem Morgen nichts mehr gegessen. Audrey lachte kurz auf und sah sie mit ihren hellbraunen Augen fürsorglich an. „Keine Sorge, ich mach uns gleich was zu essen. Wenn nicht alles so teuer wäre, hätte ich dir eine Geburtstagstorte gemacht. Aber vielleicht klappt es ja nächstes Jahr, solange die Preise nicht weiter steigen“, sagte sie.

„Macht nichts. Für so was bin ich sowieso schon zu alt“, meinte Eve.

„Wirklich? Ich wäre dafür ganz sicher nie zu alt“, erwiderte Audrey lachend und zauberte einen Beutel Kartoffeln aus der Kiste hervor, sowie eine Packung mit frischem Fleisch. Ihre Ration für diese Woche.

„Wie viel Gramm sind das?“, wollte Eve wissen, während sie auf die Packung mit dem Fleisch deutete, die ihr kleiner als sonst erschien.

Audrey zuckte mit den Schultern. Dann sagte sie: „So viel wie sonst, würde ich sagen. 1000 g vielleicht.“ Doch auch ihr erschien es weniger.

„Vielleicht haben sie die Rationen gekürzt“, überlegte ihr Vater, der sich ihnen gegenüber an den schmalen Tisch gesetzt hatte.

Sofort stellte Audrey ihm eine Schüssel, in der die Kartoffeln waren, vor die Nase. Daneben legte sie ihm ein Messer hin. „Du schälst die Kartoffeln“, wies sie ihn an. Nachdem sie noch einen Topf mit Wasser daneben gestellt hatte, fing er gemächlich an, sich den Kartoffeln zu widmen. Eves Magen gab währenddessen ein weiteres erwartungsvolles Knurren von sich, während Audrey im selben Moment einen unterdrückten Fluch ausstieß.

„Was ist los?“ Eve blickte sie fragend an, worauf Audrey  eine kleine Packung mit Gemüse darin hochhielt. „Das kann doch nicht deren Ernst sein, oder?“ Sie schüttelte verärgert den Kopf, wobei ihre schulterlangen, hellbraunen Locken hin und her peitschten. Dann warf sie die Packung wütend auf den Tisch, worauf ihr Vater aufblickte. „Wie soll ich damit denn eine ordentliche Mahlzeit zubereiten?“, beschwerte sie sich.

Colin betrachtete die Ration, welche für drei Personen eine ganze Woche lang reichen sollte und seine Augenbrauen zogen sich verärgert zusammen. „Sie haben also tatsächlich schon wieder die Rationen gekürzt“, sagte er. „Dann müssen wir uns wohl selbst noch etwas kaufen, das hier wird kaum reichen.“

Dann murmelte er noch irgendetwas leise vor sich hin, was die beiden Mädchen aber nicht verstanden. Begeistert hörte es sich auf jeden Fall nicht an.

 

 

Eine Weile später saßen sie dann jeder mit einer sehr überschaubaren Portion auf dem Teller am Tisch. Während Eve die kleine Portion bald aufgegessen hatte, sah es bei Audrey aus, als würde sie ihr Essen aus Verärgerung nicht einmal anrühren wollen und ihr Vater saß nur still da, wobei er ins Leere starrte. Als sie eine Weile später ein Klingeln im Flur hörten, sprang Audrey erleichtert auf. „Das ist sicher meins“, meinte ihr Vater und sie hörten, wie Audrey im Flur etwas aus einer der Taschen herauskramte.

Dann hörten sie, wie diese den Anruf entgegennahm und erwartungsvoll „Ja, bitte?“, sagte. Es folgte ein kurzes Schweigen, dann sagte Audrey schließlich: „Ich verstehe.“ Wieder Schweigen, während Colin und Eve gespannt die Ohren spitzten. Vom Flur aus hörten sie wieder Audreys Stimme. „In Ordnung, ich werde es weiterleiten“, erwiderte sie seltsam formell. Dann legte sie auf, ohne sich zu verabschieden, was Eves Vermutung, dass es niemand aus der Familie oder ein Freund gewesen war, bestätigte. Als Audrey schließlich mit ernstem Gesicht zurückkehrte, holte sie erst Luft, dann sprach sie. „Das war Will von der Aufsicht in Gebiet 2.2.“ Sie verharrte in der Tür und warf Eve einen besorgten Blick zu, die sie neugierig ansah. Als sich ihre Blicke kurz trafen, redete Audrey endlich weiter. „Sie brauchen uns dort dringend und wir sollen so schnell es geht kommen.“ Während sich Colin schon missmutig erhob, wandte sie sich jetzt direkt an Eve, das Gesicht seltsam ausdruckslos. „Und sie wollen, dass du mitkommst. Sie sind der Meinung, dass jetzt der richtige Zeitpunkt für deinen ersten Auftrag ist.“

Ihr Vater hielt abrupt inne und Eve sah, wie er sich versteifte. „Heute schon?“, fragte er und sein Blick wanderte zu Audrey. „Es ist doch noch viel zu früh.“

Audrey erwiderte seinen Blick, sagte zuerst aber nichts. „Sie wollen es nun mal so“, entgegnete sie dann langsam.

Colin drehte sich zögernd zu Eve um. „Denkst du, dass du schon so weit bist?“, wollte er von ihr wissen.

Obwohl ihr Herz angefangen hatte, in ihrer Brust zu hämmern und sie sofort ein ungutes, mulmiges Gefühl bekam, nickte sie eisern. „Darauf habe ich doch schließlich schon jahrelang hinaus trainiert.“ Sie gab sich so entschlossen und mutig, wie es ging, obwohl sie in Wahrheit gerade alles andere als bereit war. Denn schon heute ihren ersten Auftrag zu haben, war eigentlich das Letzte, was sie wollte. Das wäre das erste Mal, dass sie ihre Uniform bei einem richtigen Einsatz tragen würde und nicht nur zum Training.

 

Nachdem sie in ihr Zimmer gegangen war, griff sie mit zitternden Händen in ihr Regal neben dem Doppelstockbett und holte ihre Uniform hervor. Unentschlossen stand sie eine Weile einfach nur da und starrte auf den dunklen, robusten Stoff in ihren Händen. Würde sie das packen? War sie wirklich schon so weit? Ihre innere Stimme hatte eine eindeutige Antwort für sie parat, die bewirkte, dass sie noch unruhiger wurde. Nein, aber ich habe zugesagt, ich kann also keinen Rückzieher mehr machen. Irgendwann musste dieser Tag ja  kommen.

Da kam plötzlich Audrey mit ihren Stiefeln in der Hand und ihrem

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Vera Hallström
Bildmaterialien: https://www.canva.com (Canva Layouts)
Cover: Epic Moon - Coverdesign - by Kathyjana Simons
Tag der Veröffentlichung: 09.01.2018
ISBN: 978-3-7438-4927-3

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