Prophezeiung
Da hat man mal kurz nicht aufgepasst und schon landet man in der Antike. Ein altes Reich, in dem die Drachen noch nicht ausgestorben sind und auch andere Fabelwesen noch frei herumlaufen, darunter mächtige gefährliche sowie kleine niedliche. Angekommen bin ich in einer Stadt aus Stein. Die Straßen sind aus Stein, die Häuser sind aus Stein, ja selbst viele Möbel in den Häusern sind aus Stein gehauen. Aber die Stadt ist alles andere als nur langweilig und grau: alle Fassaden sind mit prächtigen Mustern verschiedenfarbiger Steinarten bestückt, die Wege sind mit Öllampen beleuchtet und selbst jetzt, wo es Nacht ist, sind alle Plätze belebt, von Menschen und anderen Wesen. Ein anderes Wesen, als solches könnte man auch mich bezeichnen, denn mit meinen modernen Klamotten passe ich hier so gar nicht rein. Und doch betrachtet mich hier niemand mit Argwohn und die Händler am Marktplatz sind genauso freundlich zu mir, wie zu allen anderen.
„Entschuldigen Sie, junger Mann“, ruft mir einer der Händler zu, der hinter seinem Marktstand steht, welcher selbstverständlich ebenfalls aus Stein besteht.
„Meinen Sie mich?“
„Ja, genau! Kommen Sie mal her! Na also. Schauen Sie sich bitte einmal diese Kristalle an, es ist wichtig! Welchen davon finden sie am schönsten?“
Auf seinem Marktstand sind Kristallstrukturen verschiedener Farben und Formen ausgebreitet. Einer davon ist durchsichtig, flach, spitz zulaufend und schimmert von innen heraus grün. Dieser Kristall gefällt mir am besten. 7.000.000 irgendeiner mir nicht bekannten Währung steht auf dem Preisschild davor. Ich zeige mit dem Finger darauf.
„Der da gefällt mir am besten, aber ich habe kein Geld bei mir.“
„Das macht gar nichts, du sollst den ja auch nicht kaufen“, sagt der Händler grinsend, „der grüne für sieben Millionen Goldmünzen gefällt dir also am besten? Ganz sicher?“
Goldmünzen… Ich hätte es mir denken können… „Ja aber wieso…“
„Gehe um Mitternacht die Straße hier hinunter, bis du zum Südtor kommst. Das soll ich dir sagen.“
„Wer hat nach mir gefragt? Und was hat das mit den Kristallen zu tun?“
„Woher soll ich das denn wissen?“, augenverdrehend weist er die Straße runter, „Irgend ein alter Herr, der heut‘ hier zum erstem mal aufgetaucht ist, sagte mir, dass du hier aufkreuzen würdest. Und wenn du den grünen Kristall wählen solltest soll ich dich die Straße runter schicken. Nimm den Kristall mit, der Mann hat mich bereits bezahlt. In fünf Minuten ist Mitternacht und wenn du nichts kaufen möchtest, dann geh!“
„Na dann… Entschuldigen Sie bitte die Störung, gute Nacht.“
Da ich sowieso nichts zu tun habe schnappe ich mir den Kristall und mache mich auf den Weg die Straße runter. Vielleicht passiert mir ja endlich mal was Spannendes. An einem Tor, das verdächtig nach dem gesuchten Südtor aussieht, steht bereits besagter alter Mann und schaut mir entgegen.
„Punkt Mitternacht, wie vorhergesagt!“ ruft er mir entgegen.
„Auch ihnen einen schönen Abend. Wer sind Sie, wenn ich fragen darf? Und was wurde Ihnen über mich vorhergesagt?“
„Ich bin nur ein alter Mann, um mich brauchst du dich nicht zu kümmern. Viel wichtiger ist, dass das Orakel vorhergesagt hat, dass ein Soldat aus der Zukunft mit der Lieblingsfarbe grün am Markt erscheinen wird. Das bist du doch, oder etwa nicht?“
„Natürlich bin ich das!“
Natürlich bin ich das nicht. Ich bin weder Soldat, noch aus der Zukunft. Zeitreisen hat dank Einstein schließlich bis heute noch keiner hingekriegt. Aber das hier ist viel zu Interessant um jetzt ehrlich zu sein. Schließlich bin ich immer noch auf der Suche nach einem Abenteuer.
„Gut! Sehr gut!“ sagt der alte Mann. „Du sollst ein Held sein, der uns von dem Dämonenkönig befreit, der uns seit Jahren terrorisiert.“ Ich liebe leichtgläubige Menschen. Einen Dämonenkönig jagen! Definitiv spannender als zu Hause Fernseher zu schauen oder für die Uni zu lernen. Ich bin so froh, dass Opa mir seinen Laborkram hinterlassen hat, möge er in Frieden ruhen. „Und was muss ich jetzt tun?“
„Gehe in die ‚Wüstenhöhle‘ am Ende der südlichen Ländereien des Königreichs, finde den Dämonenkönig und erschlage ihn! Das Orakel sagt du allein hättest die Macht dies zu tun.“
„Wie gefährlich ist dieser Dämonenkönig eigentlich? Und woher wusste dieses angebliche Orakel, dass ich hier hinkomme?“
„Hege ja keinen Zweifel an dem heiligen Orakel, du narr! Das Orakel weiß alles. Das Orakel ist vollkommen. Und wenn es dich für würdig erachtet, sagt es dir die Zukunft voraus! Und der Dämonenkönig, der ist wahrlich ein Monster! Jede Vollmondnacht kommt er in unsere Stadt und entführt einen Jungen. Am nächsten Morgen tauchen diese völlig verwirrt wieder in der Stadt auf und trauen es sich nicht auch nur ein Wort über die Schrecklichkeiten zu verlieren, die der Dämonenkönig ihnen angetan hat. Es heißt er wandelt in menschlicher Gestalt, doch du erkennst ihn an seinem blutroten Gewand.“
„Wo finde ich denn das Orakel? Ich würd mir das gerne mal anschauen.“
„Das Orakel findest du ebenfalls im Süden. Es liegt sogar auf dem Weg zur Wüstenhöhle, aber ich glaube nicht, dass du überhaupt eingelassen wirst. Schließlich gehörst du nicht in diese Zeit.“
Er glaubt also tatsächlich ich sei aus der Zukunft. Und mich nennt der einen Narren. Und doch soll ich für ihn den Helden spielen…
„Wie komme ich an Gepäck und Verpflegung für die Reise dorthin?“
„Gehe weiter bis zum nächsten Gasthaus. Ich habe alles für dich vorbereitet.“
Der Typ muss ja echt steinreich sein. Wie auch immer, hier und jetzt soll mein Abenteuer beginnen! „Ich mach mich dann mal auf den Weg. Bis dann“
„Ich zähl auf dich, junger Held!“
Jaja. Jetzt bin ich wieder der Held. Wie auch immer, da nur eine einzige Straße nach Süden aus der Stadt führt, kann ich mich wenigstens nur schwer verlaufen. Und das erste Gasthaus ist schon vom Tor aus zu sehen, es ist direkt an der Straße, nur wenige Meter außerhalb der Stadt. Ich frage mich, wer außerhalb der Stadt ein Zimmer in einem Gasthaus mietet, wenn die Tore der Stadt doch offensichtlich auch nachts noch offen stehen. Und die wundern sich, dass hier nachts Verbrecher reinkommen…
Gut für mich, so hab ich es nicht so weit ins Bett, es ist schließlich schon halb eins. Ich habe meine Armbanduhr nach der Zeit hier gestellt, als mir gesagt wurde, dass ich um Punkt Mitternacht am Tor angekommen bin. Mein Vater meint schließlich ich soll die Zeit niemals aus den Augen verlieren. Er ist zwar ein Workaholic, der nur keine Minute zu spät bei seiner Firma erscheinen will, aber vielleicht hat er ja trotzdem recht. Nun, schaden kann es nicht. Das Gasthaus liegt zwar noch fast in der Stadt, ist aber aus Holz und gemütlich eingerichtet. Ich habe ein Zimmer zugewiesen bekommen mit Blick auf die Stadt. Ein Rucksack liegt auf dem Bett mit ein wenig Brot und Wasser, Geschirr und Klamotten aus Tuch, die wesentlich besser in diese antike Welt passen als die meinen, darin. Allerdings ist der Rucksack nur halb voll, ich scheine daher zum Glück nicht zu viel laufen zu müssen. Sowieso werd ich jetzt erst mal ausschlafen…
Unerwartet
Das Orakel hier hat so gar nichts von der Pracht und Schönheit des berühmten Orakels von Delphi. Eine schäbige Holzhütte am Straßenrand und ein Schild mit der Aufschrift „Heiliges Orakel“, das so aussieht, als sei es erst vor kurzem nachträglich angebracht worden. Die Fenster sind mit Vorhängen zugehangen und vor der Tür steht eine Wache mit einem Speer in der Hand.
„Tritt bitte ein, Soldat aus der Zukunft, das Orakel erwartet dich bereits!“
Nun, das war erheblich leichter als erwartet. Ich kann also doch einfach hineinspazieren. Die gesamte Hütte besteht innen aus nur einem Raum. In der Mitte des Raumes ist ein hölzerner Altar und darauf sitzt eine Person, die mir verdächtig bekannt vorkommt. Da er die einzige Person im Raum ist, muss er das sogenannte heilige Orakel sein. Als Soldat aus der Zukunft werde ich ja etwas Licht machen dürfen. Ich hole meine kleine Taschenlampe aus meiner Hosentasche und leuchte dem Orakel entgegen.
„Papa?!? Was machst du denn hier?!“ Das habe ich nun wirklich nicht erwartet.
„Hey, was soll denn dieser Ton! Freust du dich denn nicht deinen Vater wieder zu sehen? Außerdem bin ich das heilige Orakel. Die Leute werfen mir das Gold nur so zu, damit ich ihnen Prophezeiungen vorgaukle. Und du bist der Beweis, dass meine Prophezeiungen wahr werden.“
„Du bist so ein Vollidiot Paps! Wenn deine Firma dich mal nicht braucht, dann könntest du mal öfter zu Hause vorbeischauen! Als ob wir noch das Gold einer anderen Welt nötig hätten, wo du doch deinen geliebten Job hast… Und woher wusstest du überhaupt, dass und wann ich hier hinkomme?! Ich habe nur Mama erzählt, dass ich wieder Reisen gehe. Und was soll der quatsch mit dem ‚Soldat aus der Zukunft‘?!“
„Kannst du mir denn nicht einmal meinen Spaß lassen? Ich habe deinen Dimensionsspaltdetektor neu kalibriert, was denkst du warum du hier bist?“ Der Dimensionsspaltdetektor, jenes Gerät, welches uns erlaubt zwischen den Welten zu wechseln.
„Von all den Multiversen da draußen, warum musstest du mich ausgerechnet in so eine antike Fabelwelt holen? Du weißt genau, dass ich die modernen lieber mag. Ich mein hier gibt es ja nicht einmal Strom! Und ich muss jetzt zwei Tage hier verbringen, bis sich dieses blöde alte Modell wieder aufgeladen hat. Ich weiß, das ist das Erbe von Opa, aber kannst du mir nicht trotzdem einen neuen kaufen?“
„Aber so ist es doch viel lustiger! Und mach dir keine Sorgen, ich geh noch heute Abend Mama besuchen. Du solltest dich auf den Weg machen, den ach so gefährlichen Dämonenkönig zu suchen. Viel Spaß noch!“
„Danke, du Vollidiot! Wir sehen uns dann morgen früh, wenn du nicht wieder arbeiten bist!“
Da hat mein Vater einmal frei und verliert sich gleich wieder in anderen Dimensionen… Nun, der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, wie es so schön heißt. Es macht wirklich Spaß zwei Tage in einem anderen Universum gefangen zu sein und Abenteuer zu erleben. Mein Vater kennt mich doch besser als ich zugeben will. Also mach ich mal auf dem Weg zum Dämonenkönig. Und nach nur wenigen Minuten Fußmarsch bin ich auch schon da. Das Gasthaus „Wüstenhöhle“. Das Königreich, von dem der alte Mann sprach scheint wirklich winzig zu sein. Direkt an Theke der Bar sitzt ein, schon wieder äußerst alter, Mann mit blutrotem Umhang, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Was hat mein Vater nur mit alten Männern? Kann nicht mal jemand junges nach meiner Hilfe fragen? Am besten ein hübsches Mädchen! Und vielleicht werd ich dann auch mal wirklich gebraucht, denn das alles hier scheint ja von meinem Vater in die Gänge gesetzt worden zu sein.
„Hey, Dämonenkönig!“
„Da bist du ja endlich! Komm her!“ Seine Stimme klang so tief und widerhallend in diesem Gebäude, dass sie wirklich von einem Dämonen sein könnte. Ich mein, in dieser Welt gibt es Drachen, warum also nicht auch Dämonen.
„Ein alter Herr will, dass ich dich erschlage, weil du seine Stadt terrorisierst und Kinder entführst. Also wie willst du sterben, alter Mann?!“
„Du und dein Vater haben echt einen schrägen Sinn für Humor, Junge.“ sagt er und fängt an zu lachen. Dachte ich’s mir doch, dass mein Vater das alles geplant hat. Das ist eigentlich so gar nicht die Art von Abenteuer, weshalb ich wieder auf Reisen gegangen bin.
„Warum bin ich wirklich hier?“
„Ich will dir ein wenig Magie beibringen, die dir später vielleicht nützlich sein könnte. Komm doch bitte mit mir zu meinem Haus.“
„Ich bezweifle, dass deine ‚Magie‘ mir viel bringen wird. In meiner Welt, die den Gesetzen der Physik unterworfen ist und wo die Wissenschaft alles erklärt, wird mir Magie nichts nützen.“ Und mal abgesehen davon gilt ebenjene Physik für alle anderen Welten genauso. Zumindest konnte mich bisher niemand vom Gegenteil überzeugen.
„Wenn du mit mir kommst und gut aufpasst, dann darfst du auch einen Rundflug auf einem meiner Hausdrachen machen. Also kommst du jetzt oder nicht?“
Einen Drachen fliegen. Das könnte Spaß machen. Dafür lohnt es sich doch, mitzuspielen. Also gut. „Ich komme mit!“
„Dacht ich’s mir doch. Es ist nicht weit, ich wohne gleich da vorne. Mein Drache ist übrigens auch grün, allmächtiger Soldat aus der Zukunft. Hehehe.“
Danke Vater, dass ich jetzt auch noch damit verspottet werde! Das kann ja noch lustig werden…
Drachenfleisch
Ich komme mir vor wie auf einem Kindergeburtstag! Der Dämonenkönig, der mir Zaubertricks zeigt. Das klingt doch echt lächerlich, oder etwa nicht? Aber wenn ich dafür auf einem echten Drachen reiten darf, dann spiel ich halt mit. Wenigstens habe ich den Kristall nicht die ganze Zeit umsonst mit mir rumgeschleppt, denn unter anderem hat er mir gezeigt, wie ich mit dem Kristall Licht und Wärme erzeugen kann. Bestimmt irgendeine exotherme Reaktion mit der Luft, die nur unter bestimmten physikalischen Bedingungen abläuft. Am Ende ist Magie doch auch nur Wissenschaft! Aber auf einem Drachen zu reiten, nun, das ist wirklich etwas Magisches! Es ist ein unbeschreibliches Gefühl auf einem so großen und kräftigen Tier zu sitzen, jeden seiner Flügelschläge zu spüren und sich mit ihm in die Luft zu erheben. Zuerst fliegen wir den Berg hinauf, machen eine großzügige Drehung in der Luft und dann geht es – im Sturzflug – den Berg wieder mit einer Wahnsinnsgeschwindigkeit hinunter. Der Wind peitscht mir ins Gesicht und ich Rutsche immer weiter nach hinten. Panisch klammere ich mich um den Hals des Drachen, so fest, dass ich seinen Puls spüren kann. Ich habe Todesangst! Und fange an zu lachen. Das macht wirklich Spaß! Auch wenn ich nicht einsehe, dass die kleinen magischen Tricks vom Dämonenkönig mir irgendwie mal nützlich sein könnten, so hat sich das schon allein für diesen Moment gelohnt. Erstaunlich sanft landet der Drache wieder im Garten. Mir rauscht immer noch so viel Adrenalin durch die Adern, dass ich am ganzen Leib zittere, als ich wieder auf festem Boden stehe.
„Und, wie war’s?“, fragt der Dämonenkönig und mustert mich mit neugierigen Blicken.
„Unfassbar! Darf ich noch eine Runde mit ihm drehen? Bitte!“
„Ich habe dir nur einen Rundflug versprochen. Du darfst gerne noch mit mir zu Abend essen und hier schlafen, dann kannst du mit diesem Ding an deinem linken Arm wieder nach Hause gehen!“ Natürlich. Für mehr hat mein Vater wahrscheinlich nicht gezahlt… Aber die Enttäuschung verfliegt schnell, wenn man am Abend noch große Mengen köstlich duftenden, gegrillten Fleisches verdrücken darf. „Was ist das für ein Fleisch? Das schmeckt köstlich!“
„Drachenfleisch natürlich! Was denkst du denn, warum ich diese Biester in meinem Garten halte?“ Da habe ich mich doch glatt verschluckt! Sowas passiert mir nur selten, aber der Gedanke, dass ich die prachtvollen Geschöpfe verspeise, mit denen ich vorhin so viel Spaß gehabt habe ist etwas erschreckend. Hustend richte ich mich auf. „Kann ich noch Nachschlag haben?!“ Ich kann nichts dafür! Das mag etwas makaber sein, aber es ist einfach zu köstlich.
Allein das Gästezimmer seines Anwesens ist schon unglaublich riesig. Hier kann man ja direkt nach dem Aufstehen einen morgendlichen Spaziergang machen, ohne den Raum verlassen zu müssen. Und in der linken Ecke, unter dem riesigen Fenster mit Blick auf das „Orakel“, steht ein gigantisches Bett. Die Wirkung des Adrenalins ist längst verblasst und erschöpft und vollgefressen schmeiße ich mich darauf. Hier könnte eine ganze Familie drauf schlafen. Nach wenigen Minuten bin ich auch schon in der Welt der Träume. Nicht dass ich hier etwas machen könnte, was ich nicht auch dank dem DSD in der echten Welt machen kann. Und doch hatte der lange Tag einen ungewöhnlich großen Einfluss auf mich, denn meine Träume diese Nacht drehen sich Rund um das Thema Magie. Doch nicht vergessen: all das verdanke ich der Wissenschaft!
Zu Hause
„Willkommen zurück, Soldat aus der Zukunft! Komm Essen, Frühstück ist fertig.“
Ich fass es einfach nicht, dass Papa ihr davon erzählt hat… Und sie spielt diesen Blödsinn auch noch mit! „Einfach nur schön wieder zu Hause zu sein!“ Das lustige daran ist, dass meine Mutter keinen Sarkasmus versteht. In dieser Hinsicht ist sie noch ein kleines Kind. Vermutlich passt sie deshalb so gut zu diesem Vollidioten von Vater. Wo steckt der eigentlich schon wieder? „Ist Papa schon wieder arbeiten?“
„Nein, der ist einkaufen. Er meinte er hätte was Wichtiges bestellt und holt das kurz ab. Wir sollten trotzdem einfach ohne ihn anfangen.“
Ich bezweifle das zwar stark, aber es besteht doch die geringe Hoffnung, dass Paps mir einen neuen Dimensionswechsler holt. Ansonsten müsste ich zwei ganze Tage zu Hause verbringen und das wäre echt nicht auszuhalten. Ich würde vor Langeweile sterben!
„Wieso esst ihr denn ohne mich? Ich habe doch gesagt, dass ich nur kurz weg bin!“
„Schatz, als du letzte Mal ‚kurz‘ weg warst habe ich dich zwei Wochen lang nicht gesehen! Setz dich einfach zu uns.“
Ja so ist mein Vater. Er predigt zwar immer, nie die Zeit aus den Augen zu verlieren, doch sind seine Angaben darüber, wie lange er weg ist, stets sehr ungenau. Wobei ich nicht denke, dass er die Zeit, sondern vielmehr uns aus den Augen verliert, wenn er mal wieder Unterwegs ist.
„Ich war halt zwei kurze Wochen lang unterwegs.“
„Was hast du denn da im Karton, Papa?“ Bitte sag mir, dass es ein DSD ist!
„Das wirst du erst übermorgen erfahren. Aber es ist was ganz tolles! Und nur für dich.“
Übermorgen erst?! Ich bin wohl doch dazu verdammt hier zu bleiben. Das heißt dann wahrscheinlich auch, dass es sich nicht um einen neuen Dimensionsspaltdetektor handelt. Und „etwas ganz Tolles“ wird es wohl auch nur für meinen Vater sein…
„Wenn es nur für mich ist, warum gibst du es mir dann nicht einfach?“
„So funktioniert das nun mal nicht. Esst auf ihr zwei, ich habe heute noch Zeit mit euch in die Stadt zu fahren.“
Nicht schon wieder. Ein Ausflug mit meinen Eltern hat noch nie gut geendet. Das ist als wäre ich der Erwachsene, der mit seinen zwei neugierigen, frechen Kindern unterwegs ist. Nicht dass ich eine Wahl hätte. Wenigstens habe ich so etwas zu tun für heute.
Die Stadt ist überfüllt, so wie sie es immer ist. Erst will Mama direkt nach dem Frühstück ein Eis essen gehen. Und wie immer schafft sie es dabei nicht nur sich, sondern auch uns voll zu kleckern. Dann schupst Paps uns in den nächsten Elektronikladen, um sich die neuesten technischen Errungenschaften anzusehen. Nachdem wir bei jedem bionischen und quantenmechanischen Rechner eine halbe Stunde stehen geblieben sind und Papa mit der Ladenaushilfe über deren Funktionsweise und Design diskutiert hat kauft er sich wie immer nichts und zerrt uns wieder auf die Straße. Mama braucht mal wieder neue Schuhe und Papa zwingt mich in einen Laden für Frauenunterwäsche. Jetzt darf ich wieder den Berater spielen, was davon an Mama am besten aussehen würde. Mal ganz ehrlich: als ob ich mich das interessieren würde! Ich will nur möglichst schnell weg von den belustigten Blicken der anderen Kunden. Paps hatte noch nie Talent dafür, seine Stimme zu senken. Beim Mittagessen im Restaurant sauen wir drei uns noch mehr ein und dann geht es weiter. Erstaunlicherweise haben wir schon eine ganze Hälfte der Einkaufsstraße hinter uns gebracht! Es folgen „nur noch“ jede Menge Süßwarenladen und Kleidungsgeschäfte und und und…
Am späten Abend falle ich erschöpft ins Bett. Es hat schon Spaß gemacht, mal wieder etwas Zeit mit meinen Eltern zu verbringen, doch ist es mit den beiden immer anstrengender als es sein müsste. Nur einen Tag Unterwegs mit den beiden und man ist für den Rest der Woche erschöpft. Und obendrein eingesaut von oben bis unten. Jedoch: ein Tag wäre geschafft. Noch einer übrig.
Am nächsten Morgen habe ich die Ehre verschwundene Elternteile zu suchen: „schrecklicherweise“ ist Paps heut‘ Morgen alleine aufgewacht. Es hat sich herausgestellt, dass Mama früher als gewöhnlich aufgestanden ist und schon mal den Küchenboden wischen und dann Kochen wollte. Eine fragwürdige Reihenfolge, ich weiß. Sie ist irgendwie in der Abstellkammer eingeschlafen und hat sich an den Mob gekuschelt. Kaum ist Mama wieder aufgetaucht verschwindet Papa auch schon: die Arbeit ruft! Den werden wir nicht so schnell wieder sehen. Den zweiten Tag habe ich also mit Computerspielen und Lesen verbracht, am Abend noch mit Mama einen Film geguckt und bin dann ab ins Bett. Es ist soweit! Morgen früh kann ich weiterreisen!
Prinzessin
„AUFSTEHEN! KOMM ESSEN!“ schallt die Stimme meiner Mutter nach oben. Ich habe ganz schön lang geschlafen. Ungewöhnlich lang. Schnell zieh ich meine Sachen über, renn nach unten, schnapp mir meinen DSD und…
„KEINE BEWEGUNG!“
Verdutzt schau ich auf und sehe Mamas wütenden Gesichtsausdruck. Sie nimmt mir das DSD-Armband weg und drückt mich auf den Stuhl am Esszimmertisch. „Ich möchte, dass mein Sohn noch mit mir frühstückt, bevor er sich wieder auf die Socken macht! Außerdem könntest du mal wieder Duschen und frische Sachen anziehen! Und nimm dir die Zeit das gründlich zu tun!“
Nun da hat sie wohl recht. An Körperhygiene habe ich die letzten Tage keinen Gedanken verschwendet. Und jetzt wo Paps wieder arbeiten ist wäre sie ganz alleine ohne mich, da sollte ich mir wohl die Zeit für ein Frühstück mit ihr nehmen.
„Also… Wohin willst du diesmal gehen? Denk dran, dass du nur noch diese Woche hast, bevor du wieder zur Uni musst!“
„Ich weiß Mama! Ich will die Megametropole in dem Universum der vielen Königreiche besuchen. Es heißt, dass es dort morgen eine riesige Veranstaltung wegen dem Geburtstag der Prinzessin geben soll. Vielleicht kann ich mich da irgendwie rein mogeln.“
„Ich glaube kaum, dass du das tust! Nur weil du in einem anderen Universum bist, heißt das noch lange nicht, dass ich es gutheiße, wenn du gegen Gesetzte verstößt! Benimm dich gefälligst.“
„Natürlich tue ich das, Mama! War doch nur Spaß! Ich werde mich da nur umschauen, ist eine schöne Stadt.“ Da wären wir wieder bei der Sache mit dem Sarkasmus. Hab ich schon mal erwähnt, dass ich leichtgläubige Menschen liebe? Ich meine…selbstverständlich liebe ich meine Mutter! Nach noch einer geschlagenen Stunde Smalltalk durfte ich endlich gehen. Mama hat mir scheinbar schon frische Anziehsachen ins Bad gelegt, die ich nach dem Duschen anziehen kann. Jetzt ist es aber höchste Zeit! Auf ins Universum der vielen Königreiche, wo ich mich auf jeden Fall anständig benehmen werde! „Bis später, Mama! Ich bin dann mal weg!“ rufe ich noch nach unten und mit wenigen Knopfdrücken bin ich auch schon verschwunden.
Es das modernste Königreich, dass je existiert hat! Ich bin ja ein Fan der Moderne, deshalb ist es doch klar, dass ich nicht in irgendein Königreich einer mittelalterlichen Welt reisen würde. Riesige Wolkenkratzer ragen überall in der Stadt auf und vier gigantische Straßen mit Marktständen zu beiden Seiten führen aus den vier Himmelsrichtungen zum Königsplatz. Das Schloss, das hier steht, in dem selbstverständlich die Königsfamilie lebt, gleicht mehr einer modernen Villa, als einem Schloss. Allein die große Glasfront des Gebäudes mit elektrisch abdunkelbarem Glas anstelle von normalen Fensterscheiben erweckt diesen Eindruck. Der Turm des Schlosses ähnelt einem dieser Türme an Flughäfen, in denen zwei Leute vor einer Glaswand sitzen und Flugzeuge im Landeanflug navigieren. Nur dass hier die Glaswand ebenfalls mit elektrisch abdunkelbaren Scheiben ausgestattet ist. Als kleine Notiz am Rande: es ist keine konstitutionelle Monarchie. Die Königsfamilie hat die absolute Herrschaft über das Land. Und doch sind hier alle damit einverstanden und leben glücklich. Ich frage mich warum all die Könige, die damals bei uns auf der Erde regierten, das nicht auch auf die Kette gekriegt haben. Geistesabwesend, Gedankenversunken und mit dem Blick auf das prächtige Schloss gerichtet laufe ich die Oststraße hinunter. Und stoße heftig mit einer jungen Dame zusammen, die in Richtung Osttor unterwegs ist. „Sorry. Hab wohl nicht aufgepasst wo ich hingehe.“ Die Dame ist bei dem Zusammenprall zu Boden gestürzt und ich halte ihr meine Hand hin um ihr aufzuhelfen. Neugierig mustert sie mich, zieht eine Augenbraue nach oben und steht schließlich alleine auf.
„Du bist nicht von hier, nicht wahr?“
„Stimmt, ich komme aus einem Paralleluniversum zu Besuch. Ist das so auffällig?“ Hier kann man so etwas ganz normal sagen. Technologisch ist das Königreich mindestens gleichauf mit der Erde und Reisen durch Dimensionsspalten ist längst nicht nur den Erdlingen vorbehalten.
„Und wie! Du bist genau die Art Jemand, von dem sie sprach! Du musst mit mir kommen! Jetzt gleich!“
Wie immer breche ich planlos auf, wenn ich durch die Dimensionen reise. Und wie immer hab ich dementsprechend sowieso nichts Besseres zu tun. Also warum nicht mit der seltsamen Dame mitgehen? Aber anstelle weiter in Richtung Osttor zu laufen, was ihre ursprüngliche Richtung gewesen ist, dreht sie auf der Stelle um und läuft zum Schloss runter. Sie scheint blind darauf zu vertrauen, dass ich ihr folge und jetzt sehe ich auch warum: auf ihrem Rücken ist das königliche Emblem gestrickt. Darunter befindet sich ein kleines D, was für Diener/in steht. Sie arbeitet für die königliche Familie!! Ich hätte verhaftet werden können, allein dafür, dass ich sie umgerannt habe. Glück für mich, dass sie sich so seltsam verhält. Blöd nur, dass ich jetzt genau das werde tun müssen, was sie von mir verlangt, bevor sie doch noch einer Wache mein unverschämtes Verhalten meldet…
Ich fass es nicht! Sie nimmt mich mit in den Schlossgarten des Königs! Was zur Hölle hat sie nur mit mir vor?! Zum ersten Mal in meinem Leben stehe ich auf königlichem Grund und Boden. Was kein Wunder ist, schließlich gibt es auf der Erde seit Ewigkeiten keinen König mehr. Aber das Wissen, hier zu sein, weil ich aus Unachtsamkeit etwas falsch gemacht habe ist ein wenig beängstigend. Zurück zum seltsamen Verhalten der Dienerin: sie wirft einen Kieselstein oben gegen die Scheibe des Turmes, guckt mich grinsend an und geht mit den Worten „Warte hier!“ davon. Sie muss ganz schön kräftig sein, denn der Turm ist ziemlich hoch. Nur was passiert jetzt mit mir? Lässt sie mich jetzt als Einbrecher im Garten des Königs stehen, nachdem sie mit dem Kiesel auf mich Aufmerksam gemacht hat?! Aber bevor der Gedanke zu fliehen Fuß gefasst hat fährt mit einem leisen Surren eine der Fensterscheiben nach oben und ein hübsches junges Mädchen beugt sich raus. Ihr Diadem rutscht ihr vom Kopf und fällt zu mir runter. Sie ist die Prinzessin! Schnell sprinte ich nach vorne und fange ihren königlichen Schmuck in letzter Sekunde auf, bevor er in den Kies fallen und zerkratzen konnte. Das Diadem ist komplett aus Gold und vorne in der Mitte sitzen beträchtlich große Edelsteine: je ein Smaragd, ein Saphir und ein Rubin. Und kleine farblose Diamanten von größter Reinheit schmücken den Rest. Das Teil muss unendlich viel wert sein! Ich frage mich, wie wohl erst die Königskrone aussehen muss! Ich bin mir ziemlich sicher, dass der König das noch um Längen übertrifft. Schließlich ist er der mächtigste Mann in diesem Universum! Wie der Name schon sagt gibt es natürlich noch viele weitere Königreiche in dieser Welt, aber ich befinde mich hier im wohl größten und mächtigsten von allen.
„HEY DU VOLLIDIOT, IGNORIERE MICH DOCH NICHT EINFACH!“
Ach du heilige… Da hab ich glatt vergessen wo ich eigentlich gerade bin! Ich sehe im Geiste schon, wie ich wegen Belästigung der königlichen Familie und Diebstahl der Kronjuwelen öffentlich hingerichtet werde. Was soll ich jetzt nur tun?!
„Verzeihung, Eure Hoheit! Ich war ganz in Gedanken versunken! Bitte vergebt mir!“
„Beweg deinen Hintern hier hinauf und bring mir mein Diadem zurück, du Trottel! Die Tür ist offen!“
Halb in Panik renn ich so schnell ich kann die Stufen hinauf und komme natürlich völlig verschwitzt oben an. Ich kann mir das Grinsen nicht verkneifen, was sich in mein Gesicht stiehlt. Adrenalin. Ein tolles Gefühl. Es macht immer wieder Spaß. Vorsichtig klopfe ich an die Tür und prompt wird diese aufgerissen.
„Wieso hat das so lange ged… Wie siehst du denn aus?! Da kommst du völlig verschwitzt zum Zimmer einer Prinzessin! Also echt! Wieso hast du Dummkopf nicht einfach den Hochgeschwindigkeitsaufzug genommen?! Her damit!“
Grob reißt sie mir ihr Diadem aus der Hand und setzt es sich wieder ins Haar. Mein Herz pocht noch immer wie wild. Sie sieht wunderschön aus!
„Hör auf mich so anzustarren, sonst sabberst du gleich noch! Willst du nun reinkommen oder willst du vor meiner Tür zelten?!“
Ich spüre wie ich knallrot anlaufe. „N-natürlich komm rein!“ Natürlich komme ich rein?! Was rede ich denn da?! Meine Leistungen des heutigen Tages waren es eine Dienstmagd der königlichen Familie umzurennen, die Prinzessin zu ignorieren und als ich dann aus eigener Dummheit völlig verschwitzt vor ihrem Zimmer stehe, habe ich sie mit offenen Mund angestarrt! Da ist es alles andere als natürlich, ihr Zimmer betreten zu dürfen. Doch gesagt -getan. Ich trete ein und zucke leicht zusammen, als sie die Tür hinter mir zuknallt. Völlig planlos stehe ich einfach nur da, mitten im Zimmer der Prinzessin des modernsten Königreichs des Universums. Mit einem Surren fährt sie die Fensterscheibe wieder runter und dunkelt sie ab.
„Jetzt sind wir unter uns, mein Soldat aus der Zukunft!“ kichert die Prinzessin und sieht mich verschmitzt an. UNMÖGLICH! Wieso nennt sie mich so?! Mein Vater kann unmöglich hier gewesen sein! Es grenzt schon an ein Wunder, dass ich lebend in ihrem Zimmer stehe, ich kann mir keinen Grund ersinnen, warum mein Vater überhaupt in das Schloss eingelassen werden sollte. „Wieso nennst du mich so?!“
„Nun, ich kenne deinen Namen nicht und ‚Soldat aus der Zukunft‘ steht auf deinem hübschem T-Shirt. Die viel bessere Frage ist, woher du dir das Recht nimmst, eine Prinzessin zu duzen?!“
Völlig verdutzt starre ich auf mein T-Shirt hinab. Es war wohl doch nicht Mama, die mir heute Morgen die Sachen raus gelegt hat, die ich in blindem Vertrauen angezogen habe… Das war es also, was Papa in dem Karton hatte?! Verflucht sei er! Bald werd ich noch seinetwegen überall in den Multiversen damit aufgezogen!
„Verzeiht, Eure Hoheit, für diese schlechte Angewohnheit von mir. Mein Name ist...“
„HALT! Nicht weiterreden! Du bist ab heute mein Soldat aus der Zukunft. Ich habe keine Lust mehr auf gewöhnliche Leute. Ich werde morgen von hunderten davon umringt sein, an meinem Geburtstag! Hast du eigentlich auch nur den Hauch einer Ahnung, wie einsam ich bin? Mein Vater regiert das Königreich und hat nie Zeit für mich! Jeden Tag bin ich von dutzenden Leuten umgeben, die auf Befehl hin für mich da sind. Und doch ist niemand wirklich an mir interessiert. Du wirst heute für mich da sein! Und zwar als mein Soldat aus der Zukunft!“
Das Gefühl kenn ich nur zu gut. Mein Vater ist schließlich auch nur am arbeiten. Doch habe ich keine Lust mehr auf diesen albernen Titel. Und ich habe stets meine Mutter, die für mich da ist. Was ist wohl mit ihrer, der Königin?
„Ich habe kein Interesse an diesem albernen Titel! Und was unterscheidet mich von den anderen, wenn ich auch nur auf deinen Befehl hin für dich da bin?! Das macht die ganze Aktion doch sinnlos!“ Was ist bloß in mich gefahren?!!! Der Prinzessin offen Widerrede erteilen?! Wie dumm bin ich eigentlich?! Und ich habe sie schon wieder geduzt! Ein wenig verängstigt schaue ich zu ihr auf. Sie sieht verdammt wütend aus. Böse schaut sie mich an, holt mit dem rechten Arm weit aus und klatscht mir mit der flachen Hand mitten ins Gesicht. Mir wird kurz schwarz vor Augen und ich stürze zu Boden. Sie ist kräftiger als sie aussieht.
„DU! WIE KANNST DU…“
Plötzlich fängt sie an zu lachen. All ihre Wut scheint in einem Augenblick verflogen zu sein.
„Du gefällst mir!“, sagt sie plötzlich immer noch lachend zu mir, „Du bist so offen, so idiotisch, so…anders! Ich will, dass du morgen zu meinem Geburtstag kommst! Ich werde dich gleich raus begleiten und den Wachen sagen, dass sie dich morgen für die Feier einlassen sollen! Du gehst sobald du draußen bist wieder zurück in dein Universum und ich erwarte, dass du mir morgen dass einzigartigste Geschenk von allen von dort mitbringst!“
Ich habe mit fast allem gerechnet. Ich habe mir so viele schreckliche Dinge ausgemalt, die mir jetzt hätten passieren können. Ich habe auf Gnade gehofft. Aber DAS habe ich nun wirklich nicht erwartet! Dann bin ich halt der Soldat aus der Zukunft, wenn ich dafür mit heiler Haut davon komme! Und nicht nur das, sie lädt mich auch noch zu den Feierlichkeiten ein, in die ich mich habe einschleichen wollen! Unfassbar! Aber…
Mir muss nicht viel an meinem Leben liegen, dass ich jetzt schon wieder Widerworte gebe, dennoch: „Das kann ich nicht machen, Eure Hoheit!“
„Was?! Wieso nicht?! Willst du vielleicht lieber in den Kerker?“ Man sieht förmlich, wie in ihr die Wut wieder hochsteigt. Was ein temperamentvolles Mädchen.
„Nein, das ist es nicht, Eure Hoheit! Das Problem ist folgendes: Ich habe ein altes Modell des Dimensionsspaltdetektors. Das habe ich von meinem Opa geerbt. Ich bin erst vorhin hier eingetroffen und kann erst in etwa zwei Tagen wieder weg, wenn sich der DSD wieder aufgeladen hat.“
„Warum sagst du das nicht gleich?!“, sagt sie mit einem Lächeln, „Hier, nimm meinen! Ich habe sowieso mehrere Ersatzgeräte. Und jetzt begleite mich nach draußen!!“
Zu Befehl, Eure Hochnäsigkeit. Ich hätte es fast laut gedacht. Ich sollte vielleicht mal lernen, mein Mundwerk unter Kontrolle zu halten, dann komm ich auch nicht immer wieder in solch brenzlige Situationen. Andererseits erlebe ich so immer wieder tolle Abenteuer.
„Wie Ihr wünscht, Eure Hoheit.“ Ich hab geschafft, mich zurückzuhalten!
Sie packt meine linke Hand mit ihrer rechten und zieht mich hinter sich her in Richtung Aufzug. Ihre Hand ist so angenehm warm und ihr Griff so zärtlich. Ich spüre, wie ich schon wieder knallrot anlaufe und bin so froh, dass sie vor mir läuft und das nicht sehen kann. Angestrengt versuche ich mein wild pochendes Herz zu beruhigen. Sie ist nur ein Mädchen, ein arrogantes und egoistisches noch dazu! Was finde ich bloß an ihr? Ich komme mir so blöd vor, dass ich auf dem Weg hier rauf nicht den Aufzug genommen habe. In nur 5 Sekunden sind wir völlig aufwandsfrei unten angekommen und haben uns die 300 Stufen erspart. Hand in Hand laufen wir durch die Gartenanlage des Königs auf das Hintertor zu. Am Tor angekommen verbeugen sich die beiden Soldaten, die hier Wache stehen vor ihr. Verbeugen! Selbst daran habe ich nicht eine Sekunde lang gedacht.
„Dieser Junge ist morgen zu meinem Geburtstag eingeladen. Sorgt dafür, dass er eingelassen wird. Aber nur wenn er ein Geschenk dabei hat!“
„Zu Befehl, Eure Majestät.“ singen die Soldaten im Chor und verbeugen sich erneut.
„Jetzt geh, mein Soldat aus der Zukunft. Sei morgen um 13 Uhr wieder hier. Und zwar pünktlich!“ Sie mustert mich noch einmal von oben bis unten und eilt dann zu ihrem Turm zurück. Bei einem Blick auf meine Armbanduhr stockt mir der Atem: es ist schon 17 Uhr! Und ich muss noch in die Stadt ein Geschenk besorgen! Nach nur wenigen Sekunden tauche ich in meinem Zimmer auf. Der neue DSD funktioniert so viel besser! Und er muss nur eine halbe Stunde aufladen! Ich reiße meine Zimmertür auf und renne direkt in meinen Vater rein.
„Papa?! Was tust du denn hier?! Musst du nicht arbeiten? Wie auch immer, kannst du mich in die Stadt fahren, es ist wichtig?!“
„Mach dir mal keine Sorgen. Ich habe schon das perfekte Geschenk für deine Prinzessin besorgt. Ihr zwei seid so süß zusammen!“
Und zum dritten Mal an einem Tag laufe ich knallrot an. „Papa!!! Moment?! Woher weißt du davon?!“
„Achtest du eigentlich jemals auf das was du tust, Sohn? Oder viel besser auf das, was man mit dir tut?“, sagt Paps und grinst mich an, „Guck dir dein Shirt mal genauer an. Insbesondere das O von ‚Soldat‘“
„Du hast mich verwanzt?! Wieso zur Hölle verwanzt du mich?! Weißt du eigentlich, wie peinlich das für mich ist, dass du das alles mitgehört hast?!“ Das ist allerdings nicht das erste Mal, dass er sowas tut. Es ist eine Art Hobby von ihm, andere Leute, insbesondere mich, auszuspionieren.
„Nun, ich muss doch auf meinen kleinen Soldaten aufpassen. Sei nicht sauer, ich habe dir auch dein Geschenk für morgen besorgt. Es ist sogar schon verpackt!“
„Das Problem dabei ist, dass DU das Geschenk besorgt hast! Sie ist nach ihren Eltern die mächtigste Person des größten, mächtigsten und modernsten Königreichs, das die Welt je gesehen hat! Ich werde hingerichtet, wenn ich sie mit einem deiner Scherze verarsche!“
„Vertrau mir! Hab ich dich jemals in Gefahr gebracht?! Du bist mein geliebter Sohn, natürlich würde ich das niemals tun!“
Nun, da muss ich ihm wohl, wenn auch widerwillig, Recht geben. Er hat mir so viele Streiche gespielt, mich so oft verarscht, aber immer auf mich aufgepasst und mich nie etwas Gefährliches machen lassen. Und ich wüsste sowieso nicht, was ich einer Prinzessin schenken soll.
„Bist du sicher, dass das Geschenk Ihrer würdig ist? Sie hat das einzigartigste Geschenk von allen von mir verlangt und es werden hunderte Leute anwesend sein.“
„Gerade dann ist dieses Geschenk perfekt! Vertrau mir!“ Angestrengt versucht mein Vater ernst drein zu blicken. Es gelingt ihm nicht besonders gut. Aber was soll jetzt schon noch großartig schiefgehen? Ich hab mir sowieso schon zu viele Fehler bei ihr erlaubt.
„Na gut, aber wenn mein Kopf rollt, dann wirst du das Mama beibringen müssen!“
Lächelnd geht er die Treppe hinunter. Ich werde morgen definitiv meine gesamte Kleidung gründlich auf Wanzen untersuchen! Aber jetzt gehe ich erst mal Abendessen.
„Was hast du nur wieder angestellt?“ Mama schaut mich besorgt an. „Du hast da ja einen kräftig roten Handabdruck im Gesicht! Wer hat dir das angetan?“
Die bloße Erwähnung davon lässt den pochenden Schmerz wieder aufleben.
Soll ich ihr jetzt erzählen, dass ich eine Prinzessin beleidigt habe und sie mir eine gescheuert hat? Das würde sie mir wahrscheinlich nicht abkaufen. „Mach dir keine Sorgen, Mama. Die Ohrfeige hab ich mir verdient, aber das ist eine lange Geschichte. Und ich bin in Ordnung, mir geht’s gut!“
Das ist doch nicht möglich! Ich lieg hier in meinem Bett und kann nicht einschlafen, weil ich, sobald ich die Augen schließe, an sie denken muss. Die Prinzessin. Aber wie ist das möglich? Hab ich mich etwa verknallt? Hab ich mich in eine aufbrausende, egoistische, arrogante, selbstverliebte Prinzessin verknallt, die mich rumkommandiert, mehrfach beleidigt, geschlagen und ausgelacht hat? Das ist doch lächerlich! Ich mein…sie ist schon ein hübsches Mädchen, vielmehr wunderschön, selbstbewusst, temperamentvoll… Und sie kann so bezaubernd lächeln!
VERDAMMT!!! Ich habe mich tatsächlich volle Kanne in sie verknallt! Warum tut mein Herz mir das an? Hätte es nicht ein normales Mädchen von der Uni sein können? Das wäre so viel einfacher! So viel…langweiliger und so überhaupt nicht mein Ding. Ich schätze ich bin selber schuld. Ich wollte mein Abenteuer, da ist es. Sie ist es. Das Abenteuer, das ich die ganze Zeit über gesucht habe!
Geschenk
Nach nur wenigen Sekunden stehe ich wieder auf der Oststraße. Gekleidet in meinem besten Anzug, der auch mein einziger ist, mache ich mich auf den Weg zum Schloss. Ich konnte heute Morgen keine Wanzen darin entdecken. Papas Geschenk halte ich möglichst vorsichtig unterm Arm, um das Geschenkpapier nicht zu beschädigen. Es ist ein kleiner, rechteckiger Karton, der fast nichts wiegt. Ich frage mich schon den ganzen Tag lang, was da wohl drin ist, doch das prächtige goldene Geschenkpapier lässt das unmöglich erkennen. Papa ist nicht besonders gut im schweigen. Das hält er nicht lange durch. Zu meinem Pech war er bereits wieder arbeiten, als ich noch am schlafen war, also konnte ich nichts aus ihm heraus kitzeln. So langsam wie möglich, ohne dabei seltsam zu wirken, laufe ich auf das Schloss zu. So Nervös habe ich mich in meinem ganzen Leben noch nicht gefühlt! Außerdem ist es sowieso erst halb eins. Trotzdem muss ich mich ans Ende einer langen Schlange von Gästen stellen, die offenbar alle zum Geburtstag der Prinzessin wollen. Die Tore sind noch fest verschlossen. Vor 13 Uhr wird keiner rein gelassen. Ich werde nie im Leben pünktlich reinkommen, wenn ich all diese Menschen vorlassen muss! Doch nicht nur zu meiner Überraschung kommt einer der Wachmänner zu mir, mit denen die Prinzessin gestern gesprochen hatte, und führt mich um das Schloss herum. Durch die fragenden und neugierigen Blicke all der Menschen, die hier anstehen müssen, fühle ich mich nicht gerade besser. Wieder werde ich durch das Hintertor eingelassen, durch die königlichen Gartenanlagen zum Turm geführt und mit den Worten „Warte hier!“ alleine gelassen. Und wieder beugt sich dieses wunderschöne Mädchen aus dem Fenster. Ebenfalls wieder fällt ihr ihr Diadem aus den Haaren. Sie lernt einfach nicht dazu!
„Komm rauf und bring mir meinen Schmuck mit, mein Soldat!“ ruft sie nach unten.
Diesmal nehme ich allerdings den Fahrstuhl. Und klopfe heftiger an ihre Türe, die sie sowieso nicht allzu gut behandelt. Lächelnd macht sie mir auf, zerrt mich in ihr Zimmer und knallt die Tür wieder zu.
„Ich wusste, dass du zu früh kommen würdest!“, sagt sie triumphierend und zupft ihr Kleid zurecht, „na, wie sehe ich aus?“
„Ihr seid wunderschön, Eure Hoheit.“ Und das ist nicht gelogen. Sie sieht umwerfend aus. Meine Gedanken spielen so verrückt, dass ich es beinahe vergessen hätte:
„Alles Gute zum Geburtstag, Prinzessin!“ Zögernd halte ich ihr das Geschenk hin und sehe die Neugierde in ihren Augen aufblitzen. Ich bin allerdings mindestens genauso neugierig wie sie. Doch wird diese Neugier wohl nicht so schnell befriedigt werden.
„Danke, Soldat aus der Zukunft!“ sagt sie lächelnd, nimmt aber das Geschenk nicht entgegen. Etwas verwirrt gucke ich sie an.
„Das ist zu früh! Du musst noch warten. Und zwar bis ganz zum Schluss! Wie soll ich denn bitte sonst entscheiden können, ob du mir wirklich das einzigartigste Geschenk von allen mitgebracht hast? Es ist langsam Zeit runter zu gehen. Nach vorne, zum Festplatz. Aber behalte deine Hände diesmal für dich!“
Ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen reißt sie die Tür auf und macht sich auf den Weg. Jetzt stellt sie es so dar, als ob ich gestern ihre Hand ergriffen hätte und nicht umgekehrt! Der Gedanke daran lässt mich abermals erröten. Als sie den Aufzug betritt guckt sie mich wieder an. „Du wartest hier bis ich unten bin! Ich werde durchs Schloss gehen und durch dessen Haupteingang mit meinen Vater zusammen vorne erscheinen. Du wirst einfach um den Turm rumlaufen und neben dem Vordertor warten bis alle anderen drin sind. Und nimm dein Geschenk mit nach unten, dort werde ich es offiziell erhalten!“
„Wie Ihr wünscht, Eure Hoheit.“ Und die Fahrstuhltüren schließen sich mit einem leisen zischen.
Sobald sie unten ist hole ich den Fahrstuhl wieder hoch und mache mich auf den Weg. Neben dem Tor setze ich mich erst mal im Schneidersitz auf den trockenen Rasen. Bis alle anderen drin sind wird es nämlich noch ziemlich lange dauern, da jeder einzelne von Wachen abgetastet wird und durch einen Metalldetektor gehen muss. Die mitgebrachten Geschenke werden per Röntgen untersucht. Auch bei einem glücklichen Volk besteht doch die Gefahr, dass jemand einen Anschlag versucht. Und Vorsicht ist bekanntermaßen besser als Nachsicht. Da ich bereits drin bin bleibt mir die ganze Prozedur erspart, was ich eigentlich schade finde. Liebend gerne hätte ich die Röntgenaufnahme meines Geschenkes begutachtet. Als jeder es rein geschafft hat wird das Vordertor geschlossen und die Wachen rennen zum Haupteingang des Schlosses rüber um die schweren glänzenden Metalltore aufzuziehen. Erst dann treten die Prinzessin und der König Hand in Hand nach draußen. Und ich hatte recht: Der König ist noch erheblich prächtiger geschmückt! Eine riesige goldene Krone, die oben mit goldenem Samt komplett verschlossen ist, bedeckt seine Haare vollständig. Jede einzelne der langen goldenen Zacken ist mit einem Edelstein von beträchtlicher Größe bestückt. Sein bodenlanger purpurner Umhang ist mit Rubinstaub bedeckt und funkelt rötlich im Sonnenlicht. Im Vergleich dazu kommt mir das Diadem der Prinzessin plötzlich wertlos vor. Nach einer kurzen Ansprache setzt sich der König in seinen Thron, der ihm nach draußen gebracht wurde und bleibt dort mit ausdrucksloser Miene und wachsamen Blick sitzen. Zwei weitere Wachen treten aus dem Schloss heraus und positionieren sich je einer neben dem König und einer neben der Prinzessin. Die anderen Wachen kehren zum Vordertor zurück, das erst jetzt wieder geöffnet wird. Jetzt tritt einer nach dem anderen vor und reicht der Prinzessin sein Geschenk. Sie öffnet jedes davon vorsichtig und nur so weit, dass sie gerade reingucken kann. Dann legt sie es zur Seite. Manchen nickt sie einfach nur zu, anderen schenkt sie ein Lächeln und wieder andere bekommen ein paar Worte des Danks. Die, die bereits an der Reihe waren gehen in die Festpavillons und beginnen zu feiern und zu trinken. Es wird kostenlos Bier ausgeschüttet, was wahrscheinlich der Grund ist, warum es sich bei den Gästen fast ausschließlich um Männer handelt. Wer kann beginnt damit zu prahlen, dass die Prinzessin höchstpersönlich mit ihm gesprochen oder ihn angelächelt hat. Ich stehe langsam auf und Reihe mich ein. Es ist gleich so weit. Nun, es ist auch schon halb vier, ich sitze hier also bereits seit zweieinhalb Stunden rum und beobachte die Prinzessin. Hin und wieder hat sie auch zu mir herübergeschaut, doch immer, wenn sich unsere Blicke getroffen haben, hat sie sich wieder den anderen Gästen zugewandt. Endlich bin ich an der Reihe. Ich versuche die Zeremonie genau so nachzuahmen, wie ich es bei all den anderen zuvor beobachtet habe. Langsam und mit gesenktem Blick steige ich die Stufen zum Podium hinauf und falle vor dem König auf mein rechtes Knie. Ich muss ihm jetzt so lange in die Augen schauen, bis er mit einem nicken bestätigt, dass ich fortfahren darf. Jetzt weiß ich, wo die Prinzessin ihre schönen Augen her hat. Nur, dass die ihres Vaters erheblich ernster dreinblicken. Es werden keine Worte gewechselt. Ich knie einfach nur da und warte. Warte ungewöhnlich lange, was wahrscheinlich daran liegt, dass ich nicht von hier bin und der König mich heute zum ersten Mal sieht. Ich weiß nicht warum, aber ich fühle mich kein bisschen Nervös vor dem König. Irgendwie liegt in seinem wachsamen Blick etwas Beruhigendes. Schließlich nickt er mir einmal zu. Ich darf aufstehen. Und meine Nervosität kehrt schlagartig zurück, jetzt, wo ich vor der Prinzessin stehe. Ich verbeuge mich knapp, spreche die rituellen Worte „Herzlichen Glückwunsch zu Eurem Geburtstag, Prinzessin!“ und halte ihr mit ausgestreckten Armen das Geschenk hin. Nicht nur dass ich nervös bin, ich platze fast vor Neugier! Wie bei allen anderen Gästen nimmt sie das Geschenk entgegen, entfernt das Geschenkpapier und öffnet den Karton gerade so weit, dass sie reingucken kann.
Diesmal ist es an ihr rot anzulaufen. Sie stolpert vor Überraschung und Schreck ein paar Schritte zurück, wobei ihre Absätze einen lauten Widerhall auf dem Steinboden erzeugen. Ihr Vater erhebt sich von seinem Thron und geht zu ihr rüber. Die Köpfe aller anwesenden drehen sich erst zu der knallroten Prinzessin, dann zu ihrem Vater, dem König und schließlich zu mir. Es kehrt Totenstille ein, weil alle gespannt darauf warten, was als nächstes geschieht. Die Prinzessin flüstert ihrem Vater etwas ins Ohr, der nickt kurz und sie verschwindet im Schlossinneren. Der traurige Gesichtsausdruck, den sie gezeigt hat, kurz bevor sie sich umdrehte und reinging, hat mein Herz ins stocken gebracht. Was ist bloß los? Der König dreht sich zu mir um und schaut mir tief in die Augen. Sein Blick hat noch immer diese seltsam beruhigende Wirkung auf mich. Und zu meiner Überraschung schaut er mich verständnisvoll an. Auf seinem bisher stets ausdruckslosen Gesicht bildet sich ganz kurz eine Furche auf seiner Stirn und er lässt für den Bruchteil einer Sekunde den Ansatz eines Lächelns erkennen. Dann verschwindet auch er im Schloss und die beiden Wachen ziehen die Tore hinter sich zu.
Es ist, als hätte die Stille selbst noch angefangen zu schweigen und wie tausend kleine Nadelstiche durchbohren mich die Blicke der Gäste. Sie sind genauso verwirrt wie ich und gucken mich teils fragend, teils wütend an.
Ich halte das nicht mehr länger aus! Was zur Hölle hast du nur als Geschenk gekauft, Papa?!! Wenige Augenblicke später kehren die Wachen zurück, anschließend setzt sich der König wieder nach draußen und auch die Prinzessin kehrt, mit noch immer leicht geröteten Wangen, nach draußen zurück. Ihre Miene ist jetzt genauso ausdruckslos, wie die ihres Vaters. Sie setzt sich neben ihn auf einen Stuhl, schaut zu den verwirrten Gästen rüber und ruft mit ihrer königlichen Stimme:„Feiert weiter! Es ist schließlich mein Geburtstag! Ich will keinen Mann nüchtern nach Hause gehen sehen!“ Gesagt – getan. Langsam kehrt wieder Normalität zurück und es wird wieder getrunken, geredet und gelacht. Während die Prinzessin mit ihrem Vater ein ernsthaftes Gespräch führt, setze auch ich mich zu den anderen in den Pavillon und lasse mir Bier einschenken. Doch wechselt niemand auch nur ein Wort mit mir. Ich fange mir nur immer wieder die verschiedensten Blicke von den verschiedensten Personen ein. Also sitze ich wieder einmal einfach nur da, trinke ein Bier nach dem anderen und warte darauf, dass der König diese Tortur beendet. Ich habe Angst. Angst, die Prinzessen ernsthaft verärgert zu haben. Bei dem Gedanken daran wie traurig sie geguckt hat läuft es mir eiskalt den Rücken hinunter. Als ich mich endlich dazu überwinden kann aufzustehen, um nach der Prinzessin zu sehen, stelle ich fest, dass mir das stehen schon gar nicht mehr so leicht fällt. Plötzlich ruft eine der Wachen vom Schloss aus mit einer alles übertönenden Stimme:„Bitte treten Sie alle einen Augenblick zurück! Das Feuerwerk zu Ehren der Prinzessin wird in Kürze beginnen und um für freie Sicht zu sorgen, werden die Pavillons abgebaut!“ Torkelnd begeben sich alle, einschließlich mir, zum zentralen Platz vor dem Schloss, während ein Dutzend Diener und Dienerinnen damit beginnen die Pavillons abzubauen und wegzutragen.
Die Prinzessin ist immer noch in einem Gespräch mit ihrem Vater vertieft. Vermutlich ist ihr Geburtstag eine der wenigen Gelegenheiten, bei der sie die Chance dazu hat. Wenig später sitzen alle wieder auf ihren Plätzen, die Köpfe gespannt nach oben gedreht. Und mit einem lauten Knall beginnt das Feuerwerk. Es ist gigantisch! Das ist das wohl aufwändigste und schönste Feuerwerk, dass ich je mit ansehen durfte. Wenn auch nur kurz, lässt es mich meine Sorgen vergessen. Pünktlich um Mitternacht, beim Gong der Hofkappelle, die ich bisher nicht mal entdecken konnte, endet das Feuerwerk. Der Tag ist rum, der Geburtstag ist vorbei. Nach und nach machen sich alle Gäste wieder auf den Weg nach Hause. Auch beim rausgehen wird jeder nochmals kontrolliert. Wahrscheinlich ein Diebstahlschutz.
Einige Minuten später sitze ich alleine hier. Die Diener beginnen langsam alles um mich herum sauber zu machen, abzubauen, und die Geschenke rein zutragen. Die Sorgen kehren zurück. Warum zur Hölle hat der König in dieser Situation gelächelt? Plötzlich steht die Prinzessin hinter mir und jagt mir damit einen riesen Schrecken ein. Sie zerrt mich von der Bank.
„MITKOMMEN!!!“
Das ist gar nicht gut. Sie klingt alles andere als gut gelaunt. Mit festem Griff hält sie mich am Kragen und zerrt mich zu ihrem Zimmer hoch. Sie knallt die Tür hinter uns zu und stapft mit wütendem Gesichtsausdruck im Kreis.
„Was hast du dir nur dabei Gedacht?!! Ich wollte doch einfach nur ein hübsches Geschenk von dir haben. Wir kennen uns noch keine zwei Tage lang, und dann das?!! Bist du eigentlich bescheuert?!“
Ich weiß natürlich genau wovon sie spricht. Paps Geschenk. Nur leider habe ich immer noch keine Ahnung worum es sich dabei handelt. Was soll ich also jetzt bloß erwidern? Hilflos schaue ich sie an. Sie fängt meinen hilflosen Blick auf, bleibt vor mir stehen und einen Moment lang huscht ein Ausdruck der Enttäuschung über ihr Gesicht, bevor sie wieder wütend drein blickt. Hat sie etwa eine Erklärung von mir erwartet?! Sie greift nach dem Geschenk, das eine Dienerin offenbar hier hoch gebracht und auf ihren Nachttisch gestellt hat, und schleudert mir Karton samt Inhalt ins Gesicht. Mit einem Dumpfen Geräusch fällt es auf den Boden. Oh Vater… Jetzt hast du es eindeutig zu weit getrieben mit deinen Streichen!!
Eines Tages bring ich dich noch um!! Ich habe der Prinzessin, die ich erst seit zwei Tagen kenne, Reizunterwäsche zu ihrem Geburtstag geschenkt?!!! Wie kann ich mich aus so einer Situation wieder retten?!
„RAUS HIER! Perversling! Ich will dich hier nie wieder sehen!“
Gar nicht. Meine Chance, mich zu erklären habe ich vertan. Sie dreht mir den Rücken zu und ich stehe wie angewurzelt da. Eine schmerzhafte Leere breitet sich in mir aus.
„RAUS hab ich gesagt!“ schreit die Prinzessin noch einmal, noch immer mit dem Rücken zu mir. Ein kleiner Tropfen fällt mit einem eigentlich unhörbaren „platsch“ zu Boden und löst mich aus meiner Starre. Alles in mir schreit danach, mich zu ihr zu stellen und sie irgendwie zu trösten. Doch stattdessen öffne ich die Türe und lasse sie allein zurück. Ich gehe durch den Garten auf das Tor zu, als mir plötzlich der König entgegenläuft. Er schaut mich wieder verständnisvoll an. Doch liegt diesmal eine unbeschreiblich tiefe Trauer in seinem Blick. Dennoch zeigt sich wieder für den Bruchteil einer Sekunde ein Lächeln in seinem steinernen Gesicht. Er hält kurz drei Finger seiner rechten Hand hoch und läuft an mir vorbei. Was hat das nur zu bedeuten? Zu verwirrt darüber nachzudenken mache ich mich auf den Weg nach Hause. Ich öffne meine Zimmertür und stehe wieder vor meinem Vater.
„Das lief wohl nicht ganz so, wie ich es mir vorgestellt habe, was?“ sagt er zu mir und schaut mich entschuldigend an.
„Du Perversling!! Hast du wieder gelauscht?!“ Langsam füllt sich die Leere in mir mit Wut.
„Nein. Aber das ist auch nicht nötig. Hast du mal dein Gesicht gesehen?“
Na das hilft… Einfühlsamkeit war noch nie eine seiner Stärken. Ich verlege all meine Wut auf ihn in mein rechtes Bein und trete ihm so fest ich kann zwischen die Beine. Stöhnend stürzt er zu Boden und krümmt sich. „Das habe ich wohl verdient!“ haucht er aus. Jetzt habe ich mir Platz für Verzweiflung geschaffen. Ich gehe die Treppe runter, öffne die Haustüre und setzte mich nach draußen in die kühle Nachtluft. Hier ist es genauso spät wie dort, es gibt keine Zeitverschiebung. Ausgerechnet jetzt setzen auch noch Übelkeit und Schwindel ein. Ich hätte nicht so viel trinken sollen. Alles in meinem Kopf dreht sich und ich halte mir die Hände vor die Augen um mich zu beruhigen. Erst jetzt spüre ich, dass mir heiße Tränen die Wangen runter laufen. Dabei empfinde ich gar keine Trauer. Da ist nur noch Leere und Verzweiflung in mir.
Herz
Eine ganze Weile sitze ich einfach nur da. Die nächtliche Kälte hat eine beruhigende Wirkung auf mich. Es herrscht eine angenehme Stille, weshalb ich heftig zusammenzucke, als mein Vater die Tür auf knallt und raus geeilt kommt, in der Hand unseren Interstellar-Kommunikator. Im Grunde ein Telefon, mit dem man zwischen den Welten telefonieren kann. „Für dich! Es ist die Prinzessin!“
Bei dem Wort Prinzessin überschlug mich zugleich eine Welle von Schuldgefühlen und Freude. Ich nehme meinem Vater das Gerät aus der Hand und halte es mir ans Ohr.
„Hallo.“ Das war alles was ich sagen konnte. Mehr bringe ich einfach nicht zustande.
„Komm bitte zurück. Ich brauche dich hier. Es tut mir Leid, dass ich so überreagiert habe.“ Nachdem sie das gesagt hat, legt sie auf, ohne auf eine Antwort zu warten.
Die Welle der Freude wächst zu einem Tsunami heran. Sie will mich wiedersehen! Das lass ich mir nicht zweimal sagen! Als ich meinen linken Arm hebe, um den DSD zu benutzen, fällt mein Blick auf meine Armbanduhr. Es ist 3 Uhr nachts. Ohne weiter darüber nachzudenken mache ich mich auf den Weg. „Viel Glück!“ hör ich meinen Vater noch rufen, bevor ich verschwinde.
Wie immer lande ich auf der Oststraße. So schnell ich kann renne ich diese hinunter in Richtung Schloss. Die Wachen am Vordertor gucken mich verwirrt an und wollen mich, einen Fremden, nicht mitten in der Nacht rein lassen. Also renn ich einmal außen rum. Am Hintertor angekommen öffnen mir die Wachen bereits mit einem Lächeln das Tor, als sie mich ankommen sehen. Brauchen diese beiden, der Prinzessin gegenüber so loyalen Männer, denn niemals schlaf? Unbeirrt eile ich zum Turm hinüber und drücke ungeduldig immer wieder auf den Fahrstuhlknopf. Als die Türen sich endlich öffnen, steht bereits die Prinzessin darin. Ihr Make-up, das sie für ihren Geburtstag aufgetragen hatte ist Tränenverschmiert. Sie tritt vor und fällt mir um den Hals. Mein Puls steigt in schwindelerregende Höhen, als sie sich an mich klammert und ich ihren Atem im Nacken spüre. „Komm mit mir, ich möchte dir was zeigen.“, flüstert sie heiser. Zögernd lässt sie los und ergreift zaghaft meine Hand. Wir laufen zusammen die Rückseite des Schlosses entlang, bis zum anderen Ende der Gartenanlage. Der Friedhof der Königsfamilie taucht vor mir auf und meine Stimmung fällt abrupt ab. Böse Vorahnung und Mitgefühl machen sich in mir breit. Ich erinnere mich, mich gefragt zu haben, was denn mit ihrer Mutter, der Königin sei… Die Prinzessin führt mich zu einem der vordersten Gräber und setzt sich davor ins Gras. Ich tue es ihr gleich, immer noch ihre Hand haltend.
„Das ist meine Mutter...“, flüstert die Prinzessin und zeigt mit ihrer rechten Hand zur Erde. Eine einzelne Träne läuft ihre Wange hinunter. Ein Anblick, der mein Herz verkrampfen lässt. Ich drücke ihre Hand etwas fester und höre geduldig weiter zu.
„Sie starb damals in der Nacht nach meinem Geburtstag. Krebs. Es ist, als hätte sie mir meinen Geburtstag nicht verderben wollen. Um Punkt Mitternacht, als mein Geburtstag offiziell zu Ende ging, ist sie auf der Treppe vor dem Schloss zusammengebrochen. Drei Stunden später ist sie im Krankenhaus gestorben. Sie muss schon vorher unheimliche Schmerzen gelitten haben, doch hat sie den ganzen Tag lang gelächelt und mit mir gespielt.“ Sie lehnt sich an meine Schulter an und fängt heftig an zu schluchzen und zu weinen. Ich spüre, wie auch mir Tränen die Wange hinunter laufen. Es ist auf eine seltsame Art befreiend, es einfach zuzulassen. Eine Stunde lang sitzen wir Hand in Hand und aneinander gelehnt vor dem Grab der Königin und weinen. Und als alle Tränen getrocknet sind fängt die Prinzessin auf einmal an zu lachen.
„Ich bin emotional total kaputt. Entschuldigung, dass ich dich vorhin so angeschrien habe.“
Unfähig, etwas zu erwidern schauen wir uns lange Zeit nur an. Ich versinke förmlich in ihren wunderschönen Augen und die Zeit um uns herum fließt immer langsamer, bis sie schließlich zum Stillstand kommt. Dann endlich küsst sie mich. Mein Herz pumpt auf Hochtouren Blut durch meinen Körper und eine liebevolle Wärme breitet sich in mir aus. Ich lege beide Arme um sie, ziehe sie ein Stück an mich ran und küsse sie zurück. In genau dem Moment sehe ich aus den Augenwinkeln den König in einem der Fenster stehen und auf uns herabblicken. Und als ob sie den kurzen Stillstand aufholen müsse rast die Zeit weiter und wir lösen uns voneinander. Die Kälte der Nacht treibt mir die Wärme wieder aus den Knochen und ich fange an zu zittern. Ich habe die längste Zeit gar nicht bemerkt, dass es hier so kalt ist.
„Lass und reingehen!“ sagt die Prinzessin mit einem Lächeln auf den Lippen, die bereits eine leichte Blaufärbung zeigen. Ich schaue noch einmal zum Fenster hoch, doch der König ist verschwunden. „Lass uns reingehen!“ erwidere ich.
Bitte
Oben in ihrem Zimmer angekommen drehen wir die Heizung auf, setzen uns davor und Wärmen uns auf. „Was ein Tag!“ gähnt die Prinzessin und streckt sich. Und als wäre das das Zeichen gewesen übermannt mich plötzlich all die Müdigkeit, die ich bis jetzt zurückgehalten habe. Wehrlos breche ich auf dem Teppichboden zusammen und ein tiefer, traumloser Schlaf überkommt mich.
„Aufwachen! Bitte aufwachen, Sir!“ flüstert mir eine Stimme ins Ohr, während jemand meinen Arm ergreift und mich wachrüttelt. Die Nachwirkungen des Alkohols machen sich bemerkbar. Vorsichtig öffne ich die Augen und versuche angestrengt meinen schweren Kopf anzuheben. „Bitte kleiden Sie sich ein und treffen sich vor der Tür mit mir. Es ist wichtig.“ Und mit diesen Worten verlässt die Dienstmagd leise das Zimmer. Erschrocken stelle ich fest, dass ich bis auf die Unterhose entkleidet bin. Und statt auf dem Boden liege ich im weichen Bett der Prinzessin. Sie liegt neben mir unter ihrer Bettdecke und schläft tief und fest. So leise ich kann stehe ich auf, ziehe mir meine Sachen über und verlasse das Zimmer. Draußen wartet bereits die Dienstmagd auf mich. „Der König wünscht euch zu sprechen. Folgt mir bitte, Sir.“ sagt sie und betritt den bereits offenen Fahrstuhl. Was wird der König wohl von mir wollen? Und vor allem…
„Wie bin ich…?“ setze ich an, bevor starke Verlegenheit mir das Wort abschneidet.
„Ihr und die Prinzessin seid auf dem Boden eingeschlafen. Der König bat ein paar Diener nach euch zu sehen, also haben wir euch, nachdem wir euch so vorgefunden haben, ins Bett gebracht.“
Die Fahrstuhltüre öffnet sich erneut und die Dienerin eilt davon. Meine Erinnerung hat mich also nicht im Stich gelassen. Ich bin wirklich gestern Nacht auf dem Boden eingeschlafen. Ich gucke auf meine Armbanduhr. Es ist erst acht Uhr morgens. Ich habe also nicht mal vier Stunden Schlaf bekommen! Zu meiner Überraschung führt die Dienerin mich in die Küche. Sie wirft zwei weiße Tabletten in ein Glas Wasser und hält es mir hin.
„Hier. Gegen die Kopfschmerzen.“
Dankend nehme ich an und trinke das Glas in einem Zug leer. Sofort spüre ich, wie mein Kopf leichter und meine Gedanken klarer werden. Dann nimmt die Frau mir das Glas wieder ab und führt mich weiter zu einem Raum mit großen Flügeltüren. Sie klopft kurz an und verschwindet im Inneren. Kurz darauf taucht sie wieder auf und bittet mich rein. Es ist eine größere Halle mit einer langen Tafel in der Mitte an dessen Ende der König sitzt.
„Kommen Sie herein! Setzt Euch neben mich!“, sagt der König förmlich und deutet auf den Stuhl neben sich, „Meine Diener werden in Kürze Frühstück für uns aufdecken.“
„Danke, Eure Majestät.“ Wie geheißen laufe ich um die Tafel rum und setze ich zu ihm ans andere Ende. Kurz darauf wird der Tisch von mehreren Dienern gedeckt. „Das Mahl ist eröffnet, greifen Sie ruhig zu.“, sagt der König zu mir. Dann verlässt der letzte Diener den Raum und schließt die Türe hinter sich.
„Genug der Formalitäten! Ich habe eine Bitte an dich! Wie du sicher bemerkt hast, habe ich euch beide gestern Nacht beobachtet…“
Zusammen
Etwa eine Stunde später trifft die Prinzessin ein und gesellt sich zu uns. In dem Moment stehe ich auf und verlasse den Raum. Es ist Zeit für mich zu gehen. Wenige Sekunden später stehe ich auch schon wieder in meinem Zimmer. Ich krame den erstbesten Rucksack unter meinem Bett hervor und fange an zu packen, als plötzlich meine Mutter das Zimmer betritt.
„Was hast du vor? Warum hast du deinen Vater gebeten, dich an der Uni beurlauben zu lassen? Was um alles in der Welt ist so wichtig?“ Herausfordernd schaut sie mich an.
„Weißt du noch, als ich dir von der Prinzessin erzählt habe? Als wir zusammen gefrühstückt haben, bevor ich zu ihrem Geburtstag bin? Nun… gestern Nacht… Ich… Wir…“ In meiner Vorstellung war es einfach ihr davon zu erzählen. Doch jetzt, wo sie vor mir steht und mich herausfordernd anschaut, stellt es sich als unfassbar schwierig heraus. Die Hitze, die mir ins Gesicht steigt schmilzt die Wörter auf meiner Zunge weg, bevor ich sie aussprechen kann. Doch ist es schließlich meine Mutter, die hier vor mir steht. Die Frau, die mich großgezogen hat…
„Ich verstehe.“, sagt sie bloß und mustert mich von oben bis unten. Dann schaut sie mit abwesendem Blick in die Ferne und ein Lächeln macht sich in ihrem Gesicht breit.
„Ich verstehe.“, sagt sie nochmals. Dann kehrt ihr Blick zurück und sie schaut mir in die Augen. „Wie lange?“
„Ich weiß es nicht.“ Plötzlich tritt sie vor und umarmt mich fest.
„Pass auf dich auf.“
„Versprochen!“, sage ich und umarme sie zurück. Daraufhin verlässt sie das Zimmer und lässt mich allein. Doch tritt kurz darauf mein Vater ein.
„Wirst wohl langsam erwachsen, was?“, fragt er belustigt und zerzaust dabei mein Haar.
„Papa, ich bin erwachsener als du, solange ich denken kann!“
„Wenn du mutig bist, dann gibst du ihr das hier.“, sagt Papa und hält mir einen DSD hin. Ein altes Modell, ähnlich dem von meinem Opa. „Viel Spaß, mein Sohn.“, zwinkert er mir zu und geht wieder. Das war der liebevollste Abschied, den er mir je gegeben hat. Ich setze meinen Rucksack auf und lande wenige Sekunden später wieder auf der Oststraße. Und die Prinzessin kommt mir bereits mit gepackten Sachen entgegen. In normalen Klammotten, Turnschuhen und ohne ihr Diadem.
„Du siehst wunderschön aus!“, sage ich und ergreife ihre Hand. Sie lächelt mich an.
„Wann habe ich dir eigentlich erlaubt, deine Prinzessin zu duzen?“, fragt sie scherzhaft.
„Lass uns die hier nutzen.“, sage ich, reiche ihr das alte DSD Modell und ziehe selbst das von meinem Opa über. „So macht es mehr Spaß.“
„Bist du sicher?“
„Ich bin sicher. Auf in unser erstes gemeinsames Abenteuer!“ Entschlossen lege ich das neuere Modell auf den Boden. Sie tut es mir gleich.
„Solange wir zusammen sind, mache ich alles mit.“
Adrenalin
Neben den etlichen bekannten und kartographierten Multiversen, wie dem Universum der vielen Königreiche, gibt es noch praktisch unendlich viele unerforschte. Und genau diese sind es, die wir zusammen ansteuern. Ein paar Knopfdrücke und wenige Minuten später erreichen wir auch schon das erste. Hier gilt es nun mindestens zwei Tage lang möglichst viel zu erleben, bevor wir weiterreisen können. Und ich hege keinen Zweifel daran, dass ich hier mit der Prinzessin zusammen unendlich viel Spaß haben werde. Angekommen sind wir auf einem großen Getreidefeld, das sich in alle Himmelsrichtungen bis zum Horizont erstreckt.
„Wohin wollen wir gehen?“, frage ich die Prinzessin. Sie dreht sich einmal im Kreis und schaut schließlich wieder mich an.
„Immer der Nase nach!“, sagt sie und deutet mit einem Nicken in meine Richtung.
Hand in Hand und lachend rennen wir durch das riesige Feld, in irgendeine Richtung und ohne ein Ziel in Sicht…
Nach einigen Minuten rennen entdecken wir am Horizont eine Stadt. Langsam erschöpft werden wir langsamer und laufen bequem darauf zu. Am Stadttor angekommen werden wir von zwei Wachen begrüßt. Wachen bewaffnet mit einem Schwert an der Hüfte… Schon wieder eine zurückgebliebene Welt.
„Wer seid ihr?“, fragt uns eine der Wachen und mustert uns neugierig.
„Nun… Ich bin ein Soldat aus der Zukunft und das hier…“, ich umschlinge die Prinzessin mit beiden Armen, ziehe sie an mich ran und küsse sie ausgiebig, bevor ich weiterrede, „…ist meine Prinzessin!“
„Du bist also ein Soldat, was? Seid ihr wegen des Turniers hier?“, fragt nun die andere Wache.
„Das kommt ganz auf das Turnier an, von dem Ihr sprecht.“, antworte ich neugierig.
„Waffenloser Zweikampf. Wer K.O. geht oder aus dem Ring fliegt ist raus.“
„In dem Fall…“, setze ich grad an…
„Macht er mit!“, ruft die Prinzessin rein. Sie schaut mich herausfordernd an. Das ist gar nicht gut. Ich habe noch nie in meinem Leben kämpfen müssen. Entsprechend mager sieht es mit meinen Fähigkeiten in dem Gebiet aus.
„Dann tretet ein.“, sagen die Wachen im Chor. Sie haben das Tor von Anfang an nicht versperrt. Wir hätten wahrscheinlich auch einfach so eintreten können…
Wir treten ein und finden ein kleine Stadt, vielmehr ein Dorf, vor. Bis auf eine Kirche, die im Mittelpunkt steht und nach oben hin weit hervorsticht, ist hier alles mit einheitlichen Bauernhäusern zugebaut. Am anderen Ende des Dorfes ist eine etwas größere, plattgetretene Erdfläche mit einem runden Holzpodium in der Mitte. Hier findet wahrscheinlich das Turnier statt. „Wieso soll ich überhaupt daran teilnehmen?!! Ich habe noch nie gekämpft und werde doch sowieso in der ersten Runde fertig gemacht!“
„Nun, so oder so wird es amüsant dich bei Kämpfen zu beobachten. Du kämpfst für mich, also gib dir Mühe!“, sagt sie und kichert mich an. Dann geht sie zu der Liste, die auf dem Holzpodium liegt rüber und trägt mich ein. Na super. Kurz darauf kommt auch schon der Kampfrichter, hebt die Liste auf und ruft durch ein hölzernes Megafon ins Dorf, dass das Turnier nun beginne. Kurz darauf sind wir auch schon von etwa 90 Leuten umringt. Jetzt werden kurz die Regeln erklärt: Wer den Boden außerhalb des Podiums berührt, egal womit, hat verloren, Angriffe unter die Gürtellinie abwärts bis zum Knie sind tabu, wenn jemand aufgibt oder K.O. geht, dann hat der sich daraus ergebende Gewinner sofort jegliche Aktion abzubrechen und die Aussagen des Kampfrichters sind absolut und unanfechtbar. So weit, so einfach. Dann werden die ersten Teilnehmer scheinbar zufällig aus der Liste ausgewählt und aufgerufen. Zunächst kämpfen ein kleines zierliches Mädchen und ein noch kleinerer Junge miteinander. Scheinbar macht das ganze Dorf an dem Turnier mit, unabhängig von Alter und Geschlecht. Das wird mir noch bestätigt, als in der Runde darauf zwei greise Männer gegeneinander antreten. Vielleicht stehen meine Chancen doch gar nicht so schlecht.
„Die nächsten Teilnehmer mögen bitte in den Ring treten:“, ruft der Kampfrichter dem Publikum zu, „Der Soldat aus der Zukunft…“ Alle Dörfler starren mich neugierig an, als ich auf das hölzerne Gerüst steige und einige nicken wissend. Scheinbar bin ich nicht der erste Dimensionswechsler, der hier her kommt. „…und unser langjähriger Champion, ‚Der Koloss‘!“
Der Name ist Programm: ein riesiger, muskelbepackter Mann mittleren Alters betritt den Ring. Und mit ihm als Gegner schwinden meine Siegeschancen dahin. Ängstlich schau ich zu meiner Prinzessin rüber, doch sie nickt mir bloß lächelnd zu. Ich trete immer weiter an den Rand des Rings, bis ich fast rückwärts runter stolpere. Und „Herkules“ tritt langsam und grinsend immer weiter an mich heran. „Tut mir Leid, Kleiner, dass ich heute dein Gegner bin.“, sagt er siegesgewiss.
„BEGINNT!“, ruft der Kampfrichter und prompt setzt der Koloss zu einem Sprint in meine Richtung an. Und da ist es wieder, dieses einzigartige Gefühl, dass von jetzt auf gleich durch meinen Körper strömt. Ich habe es schon fast wieder vermisst. Adrenalin.
Mit einem schnellen Schritt zu Seite weiche ich dem Tackle vom Koloss aus. Jetzt ist es an ihm am Rand zu stehen. Diese Chance lasse ich mir nicht entgehen. Mit einem Kräftigen Tritt versuche ich ihn von der Plattform zu stoßen. Doch der Koloss rührt sich keinen Millimeter vom Fleck. Stattdessen fängt er an zu lachen… „Netter Versuch, kleiner!“, sagt er spöttisch. Ich bin verloren! Planlos stelle ich mich in die Mitte der Plattform und schaue wieder zur Prinzessin rüber. Sie sieht ein wenig enttäuscht aus. Doch als sie meinen Blick bemerkt lächelt sie mir wieder zu. Entschlossen, für sie alles zu geben, renne ich auf den Koloss zu und ramme ihn meinem Kopf in den Bauch, doch dieser stößt mich einfach zurück und ich stürze hart zu Boden und ein heftig pochender Schmerz kriecht meine Wirbelsäule runter. Grinsend läuft der Koloss auf mich zu und mit aller Kraft, die ich aufbringen kann, trete ich ihm mit beiden Beinen gegen seine Schienbeine. Mit überraschtem Blick fällt er vornüber.
„Der Koloss wurde erstmals zu Fall gebracht!“, ruft der Schiedsrichter begeistert und die Menge jubelt. Der Adrenalin-Rausch kehrt zurück. Ich springe auf die Beine und stelle mich wieder an den Rand des Rings. Wütend steht auch der Koloss wieder auf und spuckt einen Zahn aus. „Ich hab dich wohl unterschätzt, Kleiner...“, sagt er und starrt mir mit wütenden Blick in die Augen, „…aber jetzt ist Schluss mit lustig!“ In Raserei verfallen stürmt der Koloss auf mich. So schnell ich kann drehe ich mich zur Seite weg, nutze den Schwung der Drehung und trete dem Koloss mit ausgestrecktem Bein in den Rücken. Er verliert kurz das Gleichgewicht und macht einen Ausfallschritt nach vorne. Mit dem linken Fuß auf den blanken Erdboden. Ich habe tatsächlich gewonnen!!
„Und der Sieger ist der Soldat aus der Zukunft!“, brüllt der Kampfrichter und das Dorf fängt an begeistert Beifall zu klatschen, „Damit ist die 3jährige Siegesserie vom ‚Koloss‘ zu Ende. Möge er sich erneut an die Spitze kämpfen! Und nun zu den nächsten Teilnehmern….“
Völlig berauscht gehe ich zur Prinzessin rüber. „Und? Wie war ich?“
„Gar nicht mal so schlecht.“, sagt sie mit einem Lächeln im Gesicht, „Hier, die Belohnung für deinen Sieg…“ Und erneut küssen wir uns ausgiebig, als plötzlich jemand an meinem Hosenbein zieht. Es ist das kleine Mädchen aus der ersten Runde.
„Zukunftsmann, wo hast du diesen coolen letzten Tritt gelernt, mit dem du unseren Champion besiegt hast? Das sah schwierig aus! Weißt du… ...bis ich größer bin will ich Kämpfen lernen, damit ich meine Mami beschützen kann.“
„Nun, ich habe noch nie zuvor gekämpft. Das ist einfach im Kampfesrausch geschehen. Vielleicht hab ich das irgendwann mal im Fernseher gesehen, aber ich kann dir nicht weiterhelfen. Das ist aber echt süß von dir, dass du deine Mama beschützen willst! Aber wovor denn eigentlich?“
„Schade. Was ist denn dieses ‚Fernseher‘? Vielleicht kann mir das auch helfen! Ich muss nämlich Mama beschützen!“ Das habe ich nicht bedacht… In einer Welt, die technologisch noch so weit zurück liegt, kann man manchmal über die normalsten Dinge nicht sprechen.
Hilfesuchend gucke ich zur Prinzessin rüber, doch sie zuckt nur die Achseln.
„Fernseher gibt es erst in der Zukunft. Du wirst jemand anderes um Hilfe bitten müssen. Verrätst du mir, was denn so gefährlich ist?“ Doch als ich wieder zu ihr schauen will, ist sie bereits verschwunden. Stattdessen steht plötzlich der Koloss vor mir.
„Gut gekämpft, Kleiner!“, sagt er und grinst mich an, wobei seine neu erworbene Zahnlücke sichtbar wird. Mit so einer Reaktion seinerseits habe ich echt nicht gerechnet.
„Ihr zwei Turteltäubchen seid nicht von hier, oder? Ihr seid aus der Stadt, nicht wahr?“
„Ehrlich gesagt kommen wir von noch weiter her.“, antwortet die Prinzessin. Er mustert sie neugierig.
„Okay, aber ihr seht genauso aus wie die Leute aus der Stadt. Ihr solltet mal dorthin gehen, euch würden sie vielleicht rein lassen. Wenn ihr hinter der Kirche das Dorf verlasst und immer geradeaus lauft geht ihr genau darauf zu.“
„Was hat es denn mit dieser Stadt auf sich? Warum dürft ihr nicht rein?“
„Wenn ich das nur wüsste… Ich bin dort mal hin und wurde sofort wieder weggeschickt. Aber ihr seht aus wie sie. Ihr könntet es ja für mich probieren und mir später erzählen, welches große Geheimnis hinter den Toren liegt. Aber zuerst…“, er schaut wieder zu mir rüber, „…hast du ein Turnier zu gewinnen, Soldat aus der Zukunft!“ Mit diesen Worten verlässt der Koloss uns wieder.
Beschützen
Nach der ersten Runde des Turniers sind, zusammen mit mir, noch 16 Leute übrig. Drei Runden später stehe ich im Finale. Ich habe das Glück gehabt, nur gegen ältere Leute oder Kinder „kämpfen“ zu müssen. Dabei habe ich geübt, mein Gewicht so zu verlagern, dass ich trittsicher am Rand stehen kann. Auf diese Weise konnte ich die meisten einfach von der Plattform schubsen, wenn sie mich angegriffen haben. Im Finale stehe ich einem Mädchen gegenüber, das in etwa mein Alter hat. Ich stehe am einen Rand der runden Plattform, sie am anderen. Sie mustert mich zunächst von oben bis unten, dann fixiert sie ihren Blick auf Augenhöhe. Wir gucken uns gegenseitig spannungsgeladen an.
„BEGINNT!!“, ruft der Kampfrichter und es kehrt Stille ein. Sie scheint den gleichen Trick wie ich zu nutzen, weshalb sich zunächst keiner von uns von der Stelle rührt. Jetzt ist aus dem Turnier ein Geduldkampf geworden. Das Publikum wartet gespannt darauf, dass einer von uns den ersten Schritt macht und die Luft knistert förmlich vor Spannung. Plötzlich entspannt das Mädchen ihre Haltung und stellt sich ganz Locker hin. Dabei lässt sie mich jedoch nicht aus den Augen. Ein netter Einfall, doch lasse ich mich nicht so schnell austricksen. Ich werde nicht zuerst angreifen. Erneut stehen wir eine ganze Weile lang ungerührt da. Schließlich läuft sie bequem in die Mitte der Plattform und beobachtet mich von dort aus weiter. Doch ich lasse mich nicht beirren. Ich warte weiter. Sie tritt weiter vor, bis sie nur noch knapp eine Armeslänge von mir entfernt steht, und schaut mich neugierig an.
Dann scheint sie plötzlich durch mich durchzuschauen und in die Ferne zu Blicken. Sie denkt über irgendetwas nach. Kurz darauf kehrt ihr Blick zu mir zurück und sie lächelt mich an. Sie hat offenbar eine Idee gehabt. Schließlich läuft sie den letzten Schritt, der uns noch trennt, auf mich zu und küsst mich…
Das bringt mich natürlich völlig aus der Fassung. Meine Gedanken sind nur noch ein Wirrwarr aus Schuldgefühlen, Neugier, Angst und Scham. Doch mein Körper bewegt sich wie von Selbst. Während sie mich küsst greife ich nach ihren Handgelenken, ziehe sie dichter an mich ran, umschlinge sie mit beiden Armen, drehe uns um unsere gemeinsame Achse, lege meine Hände auf ihre Schulter, stelle mein rechtes Bein hinter sie und schubse sie heftig von mir weg. Und sie fliegt rücklings auf den hartgetretenen Erdboden.
„Und der Sieger des diesjährigen Turniers ist der Soldat aus der Zukunft!“, ruft der Kampfrichter begeistert. Erneut jubelt mir das Publikum zu. Mir wird noch eine bronzene Medaille umgelegt und dann löst sich die ganze Versammlung binnen weniger Minuten auf. Schnell gehe ich zur Prinzessin rüber und überlege mir, was ich ihr am besten sagen soll. Doch bei ihr angekommen legt sie mir ihren Zeigefinger auf die Lippen.
„Sag nichts. Ich stehe seit mehreren Stunden hier und beobachte dich. Und ich vertraue dir. Ich weiß, dass du ein treuer Soldat bist.“
„Danke. Du bist das Beste, das mir je passiert ist!“
„Ich weiß.“, sagt die Prinzessin mit einem Lächeln und spielt mit der Medaille rum, die mir um den Hals hängt, „Und jetzt lass mich deine Lippen reinigen, mein Held.“ Sie drückt mir einen langen Kuss auf den Mund. „Besser?“
„Viel besser!“, sage ich, als sich plötzlich das Mädchen aus dem Finale uns nähert.
„Küsse ich etwa so schlecht?“, fragt sie mit einem breiten Grinsen im Gesicht.
„Hey, du Miststück von einem Panther, was fällt dir ein meinen Freund zu küssen?!“, sagt die Prinzessin wütend zu ihr.
„Ganz ruhig, meine Liebe! Ich habe doch nur was ausprobiert, ich will dir deinen Freund doch gar nicht wegnehmen. Ich bin mir sicher, dass er mich durchschaut hat.“, kontert sie und zwinkert mir zu, „Nun, ihr wollt doch jetzt zur Stadt, nicht wahr?“
„WIR schon! Könntest du uns nicht den Gefallen tun und uns in Ruhe lassen?“
„Na dann, man sieht sich!“ Erneut zwinkert sie mir zu und zieht sich zurück.
„Na hoffentlich nicht! Woher weiß sie überhaupt davon?“, fragt die Prinzessin immer noch leicht verärgert, „und was meint sie damit, dass DU sie durchschaut hättest?!“ Sie drückt mir ihren Finger in die Brust.
„Nun, ich gehe davon aus, da sie wusste, dass ich dich als Freundin habe, dass sie hoffte, dass ich durch den Kuss mein Gleichgewicht verlieren würde und sie mich zum stolpern bringen kann, sodass sie am Ende gewinnt. Sie hat ziemlich überrascht ausgesehen, als ich stattdessen sie zu Boden warf.“ Nicht, dass ich mir da sicher wäre. Schließlich hat mein Gehirn in dem Moment tatsächlich das Gleichgewicht verloren. Nur mein Körper eben nicht. Es folgt keine Antwort ihrerseits.
„Nun, es ist spät. Lass uns zusehen, dass wir etwas Schlaf bekommen. Morgen früh können wir dann zur Stadt gehen. Es ist doch wirklich, interessant herauszufinden, was es damit auf sich hat.“ Sie nickt bloß kurz und hängt sich bei mir ein. Sie scheint zum Glück nicht mehr sauer zu sein.
„Wir haben in der Kirche Platz für Reisende. Ihr könnt dort übernachten!“, sagt ein Priester zu uns, der offenbar ein wenig gelauscht hat. Wir folgen ihm zu Kirche und kriegen zwei schmale Betten zugewiesen. Dann lässt er uns allein.
„Du hast doch für mich gekämpft und gewonnen, nicht wahr?“, flüstert die Prinzessin plötzlich, als wir schon in unseren Betten liegen.
„Nur für dich.“, antworte ich, „Nur dank dir konnte ich überhaupt den Koloss besiegen!“
„Warum hast du Vollidiot mir dann nicht die Medaille gegeben?“
„Ich…“, wollte ich gerade antworten, als die Prinzessin bereits eingeschlafen ist. Mit einem Lächeln auf den Lippen. Zufrieden schließe auch ich die Augen und versinke im Reich der Träume…
Am nächsten Morgen werden wir vom Priester geweckt. Er hat uns Frühstück und etwas für den Weg zur Stadt dagelassen und sich schon mal von uns verabschiedet. Dann hat er sich wieder zurückgezogen. Nachdem wir gegessen und gepackt haben, machen wir uns auf den Weg. Am Tor hinter dem Turnierplatz angekommen bleiben wir nochmal kurz stehen und schauen zum Dorf zurück. Das war ein interessanter erster Tag unserer Reise!
„Was denkst du, wie weit die Stadt weg ist?“, fragt mich die Prinzessin.
„Weiß ich nicht, aber ich gehe davon aus, dass es etwas weiter sein wird als von unserem Landepunkt hierher zum Dorf.“ Wieder ergreife ich ihre Hand. „Wollen wir?“
„Auf geht’s!“, sagt sie mit einem Lächeln. Und wieder rennen wir gemeinsam in den Wald hinaus.
Texte: Copyright juckt mich nicht. ;) Ihr könnt gerne daran rumbasteln, wenn ihr wollt.
Bildmaterialien: Eventuell verwendete Bilder (z.B. Buchcover) findet ihr ganz einfach bei Google-Bilder (z.B. Suchbegriff All). ;)
Tag der Veröffentlichung: 15.03.2016
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