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Claude Bennoir Verliebt in Monaco XXL 10%

Aventures sur la Côte d'Azur

 

 

 

 

 

Verliebt in Monaco
Powerfrau in Nöten

 

 

Claude Bennoir

 

 

 

Roman

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2. verbesserte Auflage

Inhalt

Inhalt

In Monaco an der Côte d'Azur erleben wir die aufregendsten Sachen.

 

Die Powerfrau, Studentin und Juniorchefin eines Roboterunternehmens gerät in Nöte. Alles läuft schief in ihrem Leben und in der Firma. Bis Jean-François auf wundersame Weise in ihr Leben einfällt.

Sie schlägt ihn nieder auf dem Golfplatz von Monte-Carlo.

 

Das hält ihn nicht davon ab, dabei zu helfen, ihre vielen Probleme in den Griff zu kriegen.

›Geht nicht gibt’s nicht!‹

 

Eigentlich wollen sie die emotionale Nähe nicht zulassen.

Unverliebt, wie sie behaupten, bestehen sie im Dreierteam Rettungsaktionen zusammen mit der charmanten Freundin MaSo.

Hoch droben oberhalb Monacos gleich neben dem Anwesen der Fürstenfamilie von Monaco wohnen die drei im zauberhaften Landhaus ihres Papas. Umgeben von mediterraner Natur.

Es gelingt ihnen nicht immer, sich der Gefühle zueinander zu wehren. Oft stürzen sie ins emotionale Chaos – keine Chance.

 

Im Unternehmen geht es drunter und drüber. Anschuldigungen, Erpressungen: Die Existenz der Firma steht auf der Kippe.

Schließlich wird Marie von Erpressern auf einer italienischen Luxusjacht im Hafen von Monte-Carlo entführt. Die Rettung entlang der Côte d'Azur findet erst in der Bucht von Cannes ihr Ende, als die Powerfrau Marie im Sturm das Schiff lahmlegt und damit den Entführern entkommt. Das ist das Aus für die Bösewichte.

Sind damit alle Probleme gelöst? Schaffen es die beiden Unverliebten zueinander zu finden?

 

Die Geschichte spielt an Schauplätzen der Côte d'Azur. Am Meer und im Gebirge. Alle Orte und Handlungen sind echt: nur die Personen sind etwas frei erfunden.

 

Lassen sie sich ein auf die Abenteuer an der französischen Riviera und in Monaco!

 

 

 

Das Wappen von Monaco

 

 

 

 

 

Table of Contents

 

 

Inhaltsverzeichnis

 

 

Inhalt 1

Teil 1 4

1. Kopf-Ball im Monte-Carlo Golfclub 5

2. Pflege im Landhaus am Mont Agel 9

3. Erste Hilfe am Morgen 19

4. Der Crash 22

5. Planschmiederei 29

6. Besichtigung der Firma 36

Die Abenteuer an der Côte d'Azur gehen weiter … 43

Über den Autor 44

Impressum 45

 

Teil 1

Teil 1

 

 

 

 

 

1. Kopf-Ball im Monte-Carlo Golfclub

1. Kopf-Ball im Monte-Carlo Golfclub

 

 

 

Etwas Schwarzes fliegt auf mich zu. Ich spüre den harten Schlag, mir wird schwarz vor Augen, ich sinke zu Boden, falle dann auf Felsgestein und einen Abhang hinunter.

Es wird dunkel um mich oder genauer: Ich sehe nichts mehr, nur ein dumpfer Ton dröhnt in meinen Ohren. Dann herrscht Stille.

Ich spüre, wie sich mir eine Hand entgegenstreckt, um mir auf die Beine zu helfen. Aber meine Beine gehorchen mir noch nicht, ich bin einfach zu benommen.

Dann sehe ich nur Schemenhaftes: Kopf mit wuscheligen Haaren, ein erschrecktes Gesicht, weit aufgerissene Augen. Ein Mädchen, das mir helfen will.

 

»Il a survécu, je ne l’ai pas tué.« Meine Retterin hockt sich zu mir auf das kurze Gras des Golfplatzes und wischt sich einige Tränen aus den Augen. Vor Erleichterung will sie sich an mich drücken, aber so gern ich das zulassen würde – mir ist nicht danach. Sie scheint erschrocken und lässt mich doch lieber wieder los. Sie schmerzt, die Stelle am Kopf, an der ich getroffen zu sein scheine. Warum liege ich hier im kurz geschnittenen Golfgras? Mir ist schwindelig zumute und ich ertaste eine Beule. Er brummt und schmerzt, mein Kopf. Aber ich werde umsorgt von einem zarten Mädchen, das seinen Busen weich an meinen Kopf drückt. Unter anderen Umständen könnte mir das gefallen. Im Moment aber denke ich an nichts Weiches, sondern nur an die harte Realität: Ich möchte jetzt nichts anderes, als die Übersicht zurückgewinnen und überleben.

 

Meine Lebensretterin traut sich kaum, Luft zu holen. Sie atmet flach, sie ist völlig durcheinander, keucht etwas und ruft um Hilfe. Ich lasse meinen undefinierten Zustand erst mal zu, ich muss mich ja hoffentlich nicht gleich entscheiden, wie ich mich fühlen soll.

Sie streichelt mir die andere Stirnseite, stützt mich ab, damit ich sitzen kann, und redet sanft vor sich hin oder mit mir. Ich höre es, aber ich nehme ihr besorgtes Gemurmel nicht auf. Sie hat eine nette Stimme, denke ich, stöhne ein wenig, weil ich glaube, dass ein gequält klingender Laut meinem Zustand angemessen sein dürfte. Sie erschrickt daraufhin, hält inne, atmet tief aus und schaut auf meinen blutigen Kopf. »Je l’ai presque tué, je suis une meurtrière.« Ich verstehe zwar nicht genau, was sie sagt ... so was wie … dass sie mich beinahe getötet hätte und … Mörderin. Aber sollte ich sie nun trösten oder soll ich lieber umsorgtes Opfer bleiben. Ich entscheide mich für Letzteres, es scheint mir angemessener.

 

Im Dahindämmern beobachte ich mich dabei, wie ich mit dem offenen Auge – das andere ist nicht nur geschwollen, sondern auch blutverklebt – ihre Beine bewundere. Den schönen Rest kann ich aus dieser Lage und in meinem Zustand nicht erkennen. Es würde mich umhauen, wenn ich nicht längst liegen würde: solche Beine, ein solcher Ausblick von den zierlichen Zehen angefangen, über das Knie bis zu den Schenkeln. Ich werde schwach, dem natürlichen Zustand in meiner Lage, und traue mich, die braun gebrannten, wohlgeformten Beine zu bewundern. Na ja, sehen kann ich nicht viel! Nur so verschwommen nehme ich alles wahr.

Wir bleiben nicht lange in unserer Zweisamkeit. In der Ferne höre ich aufgeregte Stimmen, sie kommen heran. Sie scharen sich um uns herum und sprechen aufgeregt miteinander.

»Was für ein Glück, er lebt ja noch. Das hätte schlimm ausgehen können, so wie er ins Geröll hinunter gestürzt ist.«

Ein Herr im mittleren Alter und im schicken Golfer-Outfit, soweit ich das aus meiner Lage sehen und überhaupt beurteilen kann, sagt nur den einen Satz: »Was hast du nun wieder angestellt, Marie?«

Es scheint ihr Vater zu sein; nur so spricht ein Vater mit seiner Tochter. Ich glaube, diese Person zu kennen. Könnte das Eduard sein, der aus Deutschland? Der, den ich besuchen wollte? Aber in meinem Zustand bin ich mir da nicht sicher.

»Ich kümmere mich sofort um den Arzt und die Unterbringung des Verletzten. Marie, du bleibst hier und hilfst ihm zu überleben, bis der Arzt kommt. Ich habe Kunden aus China und komme, wenn möglich, später noch dazu.«

Ich sollte mich ordnungsgemäß vorstellen, artig verbeugen und »enchanté!« sagen. Es gelingt mir nicht, nicht mal im Ansatz. Ich komme nicht auf die Beine, ich kann nur verschwommen sehen, zudem kommt, des lädierten Hirns wegen, nur ein Krächzen aus meinem Mund. Höflichkeiten muss ich mir für später aufsparen. Man wird deswegen ja nicht gleich von mir abrücken und mich allein liegen lassen, wo ich doch offensichtlich nur so überlebt habe.

 

Man diskutiert hin und her auf Französisch, auf Englisch und Italienisch und man hat längst nach einem toubib gesucht und geschickt. Es liegt auf der Hand, dass auf jedem Golfplatz, der ein gewisses Niveau aufweist, auch ein Arzt unter den Spielern oder Besuchern zu finden ist.

Bis dahin schaut man auf mich Schwerverletzten in großer Besorgnis und angemessenem Respekt. Man würdigt, dass ich immer noch lebe und die Absicht erkennen lasse, überleben zu wollen.

 

Wenn ich ehrlich sein soll: Die Situation kann nur besser werden und um mich herum sind einige interessante und durchaus charmante Golfer. Insbesondere meine Retterin.

Sie hält mich immer noch wunderbar fest, damit ich bequem sitzen kann. Zuvor hat sie ihr weiches Sportjackett unter meinen Po geschoben. Ich finde, trotz des Brummschädels, lässt es sich vorerst so aushalten, bis der Arzt mich hoffentlich als überlebensfähig einstufen wird, denke ich mal.

Nun schickt jemand nach Tee, meine ich zu verstehen. Eine grün und blau karierte Decke wird um mich herum ausgebreitet, ein Schmuckstück englischer Country-Art.

Artig nehme ich diese Geste des guten Willens an und lege mich mit Maries Hilfe mitten drauf. Sie wird von ihrem Papa angewiesen, sich in meinen Rücken zu setzen, damit ich nicht zur Seite kippe und um es mir bequem zu machen. Ach, ich liebe es, so umsorgt zu werden. Was könnte schöner sein, als der warme Rücken eines zauberhaften Mädchens. Noch kenne ich sie ja nicht, ich habe sie noch nicht mal sehen können, nur ihre verschreckte, aber liebliche Stimme hat mich gewärmt.

»Und … wo bleibt der Picknickkorb?«, fragt der Vater.

»Komme schon, musste nur die Kuchen und Keksauswahl ein wenig aufstocken, denn wir wollen ja alle was davon abhaben«, ruft einer der Golfspieler. Als das andere hören, lassen sie sich auf der Decke und auf ihren Pullovern nieder, weil die Gelegenheit zu einem gemütlichen Picknick mitten auf dem Golfplatz wahrgenommen werden muss. Normalerweise ist das eher verpönt, höre ich so heraus. Weil … das könnte ja jeder machen und ein Golfplatz ist zum Spielen da und nicht zum Nichtstun, also zum Quatschen und Saufen auf dem Golfrasen.

Aber wir haben ja einen guten Grund hier zu bleiben, weil erstens der Doktor auf sich warten lässt, und zweitens der Schwergeschädigte nicht transportfähig ist. Wenn also Picknick, dann gehts nur hier und mit mir, dem Opfer der Golf-Spielsucht.

Der Tee wird in eleganten silbernen Thermosbechern serviert, dazu Milch und Zucker auf die feine englische Art.

Jetzt lässt meine Anspannung nach, weil ich als Golfball-Opfer offensichtlich keine Anstalten mache, dahinzuscheiden, wilde Drohungen auszustoßen oder aber Regressforderungen zu stellen. Sondern weil das Opfer sich den Tee und die kleinen, aber außerordentlich feinen tartes schmecken lässt. Wie alle anderen auch.

Ein gutes Zeichen. Das wird anerkennend festgestellt, noble Gesinnung, hartes Bürschchen. Ein jeder entdeckt eine andere positive Eigenschaft an mir. Um mich moralisch zu unterstützen, denke ich. Es geht mir gut, ich genieße es, genieße das Vertrauen. Ich habe plötzlich viele neue Freunde, ich werde aufgenommen in ihren Kreis und gehöre von Stund an dazu, wie ich später, Tage später feststellen kann.

 

Immer mehr Golfspieler versammeln sich um den Picknick-Platz. Sie setzen sich auf die Decke, wo immer ein Plätzchen frei ist, oder nur vorsichtig daneben ins kurze Gras und genießen die Picknick-Fete: welch ein schönes Bild!

 

»Hey, was geht hier ab, ist hier ’ne Demo?« Jemand, den offensichtlich alle kennen, gesellt sich zu uns und will teilhaben an der Demo.

Es ist der Docteur, der toubib, der immer noch nicht mitbekommen hat, dass er einen Schwerverletzten retten soll.

»Hey, Doc, wo hast du deine Überlebensausrüstung, willst du etwa den niedergestreckten Golfer mit bloßen Händen retten. Tu endlich was, um einen Todesfall auf dem Green zu verhindern«, wird er von den Spielern empfangen.

»Mir sagt ja keiner was, ich weiß wirklich von nichts. Wo ist das Opfer denn?«

»Setz deine Brille auf, dann siehst du die Blutlache, Marie hält ihn versteckt, den Niedergestreckten, sie hält ihn aufrecht und damit vorläufig am Leben.«

 

»Oh, mein Gott, da ist er ja! Die ersten zehn Minuten entscheiden über Leben und Tod. Drei Minuten haben wir schon vertan.« Er kniet sich vor mich Verletzten, stellt keineswegs die überflüssige Frage, wie es denn gehe. Das weiß der hingegossen Liegende ja nicht und natürlich geht’s ihm beschissen, um es deutlich zu sagen. Gewohnheitsmäßig drückt Monsieur le Docteur an meiner Unterarm-Arterie um festzustellen, ob und wie stark ich noch lebe, beobachtet die Pupillen, die blutende Wunde und noch viel mehr. Aber da kennen wir uns gewöhnlich Sterblichen nicht mit aus. Der Doc aber umso mehr. Er konstatiert die hohe Überlebenschance, lässt nach seiner Arzttasche und dem Erste-Hilfe-Koffer schicken, lagert mich Verletzten ordnungsgemäß. Er beginnt mit seinen Gerätschaften die Wunde provisorisch zu verarzten, um die Blutung zu stoppen. Verabreicht Blutstillendes und Schmerzmittel, prüft den Blutdruck und die Herzfrequenz. Danach verordnet erst einmal absolute Ruhe in der Liegeposition, um den Kreislauf zu stabilisieren.

»Ich empfehle dringend, den Verletzten nicht weit zu transportieren. Am besten zu Eduard. Wie ich erfahren habe, ist er ein Bekannter von ihm. Und das Anwesen ist doch gleich um die Ecke. Dort sollte er sich vorerst erholen und die Nacht überleben.«

 

Zustimmung von allen Seiten, ein Lächeln kehrt wieder auf die Gesichter zurück.

»Was sind wir froh, dass es so vergleichsweise glimpflich ausgegangen ist, nun können wir ja weiterfeiern. Am besten sollte jemand mal härtere Drogen herschaffen. Mit Kaffee und Tee kommen wir nicht sehr weit hinsichtlich der anzustrebenden überbordenden Fröhlichkeit«, sagt Raymond, ein Freund von Eduard. Er fügt hinzu:

»Ich geb schon gleich mal eine Runde vom Roten aus.«

Einer der jugendlichen Golfer fühlt sich angesprochen.

»Meinst du den ›Château de Bellet‹ aus Nizza oder lieber den ›Cuvée du Pressoir Romain‹ aus Saint-Jeannet, nur eine Meile weiter über das Var-Tal hinaus nach Westen. Nah genug? Ich weiß ja, du bevorzugst regionale Bioweine.«

»Genau in dieser Reihenfolge: Ich habe zufällig ein paar Flaschen im Auto.« Er zwinkert dem jungen Golfer zu. »Hier mein Schlüssel für den grünen Landrover. Unterm Vordersitz versteckt. Bringe alle Flaschen mit. Ich schmeiße eine Runde. Allein zu trinken ist ja Verschwendung von Lebensfreude, sag ich mal so.«

 

Das ist der Startschuss, nun fühlen sich auch die anderen angeregt, ihren ›zufälligen‹ Vorrat an Getränken oder Amuse-Gueules heranzuschaffen. Die Golfjugend macht das wie immer gern, die Picknick-Decke mit Köstlichkeiten zu füllen. Immerhin fällt für sie ja auch was ab, auch die Freundschaft der Golfer, ihre unausgesprochenen Vorbilder.

Raymond ist es gewohnt alles zu organisieren: »Wenn ihr noch Gläser aus dem resteau, dem Golfrestaurant, mitbringt, dann geb ich den Startschuss für die erste und ungewöhnlichste Fete des Jahres. Ich hab Durst, ich glaube, da bin ich nicht allein.« Allgemeines Nicken.

 

Und es geht laut los, nachdem die erste Runde an Rotem ausgetrunken ist, wird das Ereignis sinnigerweise in ›Rekonvaleszenz-Fete‹ umgetauft. Nach dem Motto ›Viel hilft viel‹ stößt die Truppe Runde um Runde auf die Genesung meiner verschiedenen beschädigten und unbeschädigten Körperteile an. Dann auf die Retterin Marie, dann auf Eduard, der das Haus für die Genesung zur Verfügung stellt und dann … ja, dann wird es turbulent und das gepflegte Besäufnis nimmt seinen Lauf in gepflegter golfgrüner Umgebung auf neunhundert Metern Höhe mit Blick aufs Meer und Monaco, nach Ventimiglia in Italien, und zur anderen Seite über Nizza, Cannes bis nach Saint-Tropez, im Dunst gerade noch zu sehen.

 

Jean-François nimmt von all dem Trubel nicht viel wahr und genießt es, in seinem Zustand nicht mitfeiern zu müssen. Obwohl er ja im Mittelpunkt steht. Er darf sich ausruhen, wird liebevoll gehegt und gepflegt, soweit er das überhaupt mitbekommt. Dann ist er einfach weggedämmert, um sich zu erholen.

 

Marie kann am Trubel auch nicht teilnehmen. Sie sitzt ziemlich unglücklich neben dem Verletzten und überlegt, was nun zu tun sei.

Sie braucht unbedingt die Unterstützung von ihrer Freundin MaSo - Marlen-Sophie. Der wird es besser gelingen, diese Untat zu verarbeiten. Sie wird ihr beistehen. Was weiß sie, wie ihr Papa darauf reagieren wird? Er wird sie zusammenfalten und mit berechtigten Vorwürfen überhäufen.

 

Erst mal muss der Verletzte nach dem Rat von Doc Filou sofort ins Landhaus gebracht werden. Am besten in ihr eigenes Zimmer. Da ist das Bett schön breit und da scheint morgens die Sonne ins Fenster. Sie wird ins Gästezimmer gleich nebenan einziehen, um in Rufweite des Verletzten zu bleiben. MaSo wird ihr sicher helfen, ihn zu pflegen. Ihren Papa darf sie damit nicht belasten, er hat mit der Firma schon genug zu tun.

»Also packen wir es an!« sagt Marie entschlossen zu einigen Golferfreunden.

»In ein großes Auto mit dem Verletzten. Meine Nuckelpinne ist für diesen Transport nicht groß genug.

Und ab ins Landhaus und ab ins Bett. Der Doc wird morgen gleich wieder nach dem Rechten schauen, das hat er ihr versprochen!«

2. Pflege im Landhaus am Mont Agel

2. Pflege im Landhaus am Mont Agel

 

 

 

 

 

Am Morgen war JF erstaunt, in einem ihm unbekannten Zimmer von der aufgehenden Sonne geweckt zu werden. Jemand, den er im Halbdunkel zwar nicht sehen, aber dessen Stimme er wiedererkannte, sprach ihn angenehm leise an.

 

»Wie gehts Ihnen, heute Morgen, Jean-François, schon besser? Was macht der Kopf«, fragte Marie. Die hatte ihn auf dem Golfplatz umsorgt, gestern auf der Golf-Fete nach dem schlimmen Unfall, der ihn umgehauen und zu Boden geschickt hatte. Er versuchte, sich Klarheit über seinen Zustand zu verschaffen. Der Kopf brummte, die Augen waren verquollen und verklebt. Er traute sich nicht, sie zu öffnen. Ihm taten allerlei Knochen weh, die Rippen schmerzten an der rechten Seite und die linke Hand zog heftig, sie schien gebrochen zu sein. Oder war sie nur verstaucht? Er versuchte, sie zu bewegen. Es tat heftig weh, also ließ er es lieber.

 

»Bonjour, Marie, wo bin ich hier eigentlich, c’est la maison d’Eduard au dessus de Monaco?« Er wechselte ins Französische, denn hier im Süden sprach man nicht Deutsch. Diese Frage kam eher als Röcheln aus seinem trockenen Mund.

Sie nickte. »Oui, c’est la maison d’Eduard, mon papa.« Ja, das war das Haus von Eduard oberhalb von Monaco. Auf dem Golf hatte er mitbekommen, dass seine Erste Hilfe und nun Pflegerin Marie hieß, und die Tochter seines Freundes Eduard war. Mehr wusste er allerdings nicht.

»J’ai soif, un peu d’eau s’il te plaît, Marie.« Er bat sie kaum hörbar, um etwas zu trinken. Sie reichte ihm sofort ein Glas Wasser, das sie offensichtlich schon bereitgestellt hatte.

»Je peux vous aider.« Sie rückte ans Bett heran, stellte das Kopfteil ein wenig hoch, um ihm beim Trinken zu helfen. Er nahm ihre Hilfe mit einem dankbaren Kopfnicken an. Seine Hände zitterten, er hätte das Glas nicht halten können.

Offensichtlich war er auf Hilfe angewiesen, aber freuen konnte er sich nicht über die Betreuerin mit der sanften und besorgten Stimme, dazu war er noch viel zu durcheinander und hatte überall Schmerzen.

 

JF versuchte, seine Situation zu rekapitulieren: Er hatte einer lange ausgesprochenen Einladung Eduards entsprochen, ohne diesem seinen Besuch im Detail anzukündigen. Am Telefon des Büros hatte man ihn darauf hingewiesen, dass Monsieur Eduard nicht im Haus oder in der Firma war, sondern oben auf dem Golfplatz von Monte-Carlo zusammen mit seiner Tochter Marie.

 

Da er noch keine Vorstellung hatte, wo er sich einquartieren sollte in den nächsten Wochen, war er einfach nach oben zum Golf gefahren, um nach Eduard zu fragen. Alles Weitere würde sich schon ergeben.

Dass er von jemandem umgehauen und beinahe ins Jenseits befördert worden war, war erstens nicht richtig nett und zweitens hatte er dadurch Eduard nicht finden können und drittens war die Frage der Unterkunft auf besondere Weise geklärt, wie er nun feststellte. Einschließlich des Pflegepersonals mit der lieblichen Stimme. Bisher hatte er das Mädchen noch nicht richtig gesehen, weil er, so derangiert wie er immer noch war, alles nur schemenhaft wahrnehmen konnte.

 

Nach den Fakten nun die Vermutungen, die ihm wirr durch den lädierten Kopf gingen: War er bewusst umgehauen worden oder durch unglücklichen Zufall? Hatte Marie etwas damit zu tun, da sie ihn ja sofort umsorgt hatte? Und waren ihre Haare so blond wie in seiner Vorstellung? Hatte Eduard schon von ihm erfahren oder sollte er ihn informieren lassen? Stand sein Cabrio mit den Sachen noch auf dem Golfparkplatz? Wer hatte ihn hierher transportiert und noch spannender: Wer hatte ihn ausgezogen und mit frischer Schlafkleidung versorgt? War das die liebliche Marie? Ihm wurde warm bei dem Gedanken.

 

»Salut, le malade, vous êtes déjà réveillé? Moi je suis Docteur Phillippe, aber meine Freunde nennen mich ›Doc Filou‹, warum auch immer.« Der eben Eingetretene begrüßte den Kranken freundlich. Er verlor keine Zeit mit überflüssigem Gerede, sondern kümmerte sich um seine medizinische Versorgung. JF brachte zwar kein verständliches Wort heraus, versuchte aber ein Lächeln und Nicken, um anzudeuten, dass er ihn, den Docteur, verstanden hatte, ob er schon aufgewacht wäre.

»Wie ich von Eduard gestern erfahren habe, sind sie sein Freund aus Deutschland, der ihn aus großer Not gerettet hat.« JF nickte nur.

»Sie haben bestimmt Schmerzen, ich gebe Ihnen gleich mal was dagegen. Marie kann Ihnen das verabreichen, sie scheint ja nun Ihre persönliche Pflegerin zu sein. Monsieur, Sie könnten es schlechter getroffen haben, nach diesem Knock-out. So eine zauberhafte Krankenschwester.« Er blinzelte ihnen beiden zu, deckte die Schlafdecke auf und zog die Schlafjacke aus, um ihn vollständig nach versteckten Schäden zu untersuchen.

»Oh je, Sie haben ja eine Menge blaue Flecke, nicht nur am Schädel. Sind wohl unglücklich gestürzt. Was macht die Hand? Sie halten sie unnatürlich hoch, soll ich mal?« JF stöhnte auf und wagte vor Schmerz kaum zu atmen, als der Docteur die Hand hin und her bewegte. Aber im Beisein jenes schönen Mädchens konnte er sich nicht gehen lassen, um tierische Schreie auszustoßen – danach war ihm eigentlich.

»Nein, nicht gebrochen, definitiv nicht und die Beweglichkeit ist ja auch gegeben. Wird schon wieder! Sie können wieder Luft holen, sonst laufen Sie mir noch blau an, vor Sauerstoffmangel. Würde Ihnen nicht stehen.«

 

Nachdem die Kopfwunde und die Abschürfungen versorgt waren, versprach der Doc, morgen erneut nach dem Rechten zu schauen.

»Stellen Sie bis dahin keinen Unsinn an, Sie beiden. Monsieur Jean-François ist noch nicht voll einsatzfähig!«

 

Marie errötete, weil sie wusste, wie der Doc es meinte. Als ob sie über JF herfallen würde in dessen Zustand, welch verrückte Idee!

»Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich Sie ein bisschen herrichte, ich meine, ein wenig wasche, am Kopf … ja und die Hände und die Beine … und so,« fragte sie ihn.

»Und der Rest soll dreckig bleiben?«, krächzte JF.

»Darf ich dich bitten, mich möglichst ganzheitlich abzuwaschen, s’il te plaît, wenn möglich. Ich kann mir leider nicht selbst helfen. Und die Augen sind immer noch verklebt, ich würde dich gern mal von Aug zu Aug sehen, bisher kenne ich nur deine liebliche Stimme, Marie.«

 

Marie errötete wiederum, holte die Waschschüssel und einige Handtücher und Waschlappen und Duschgel.

»So bitte, platt auf den Bauch legen! Kommen Sie, ich helfe Ihnen, beim Umdrehen.« Sie krabbelte mit den Knien aufs Bett und schob und zog an ihm herum.

»Was machen Sie mit mir, nun kann ich Sie ja erst recht nicht mehr sehen, wer hat denn was von Popoputzen gesagt, na ja, gut, also den Rücken kannst du ja waschen und die Beine und was alles noch aus den Boxershorts herausschaut.« Er gab sich dem Unvermeidlichen hin, wehren konnte er sich sowieso noch nicht.

»Fais pas la prude!« Auf Deutsch klang das lustiger: Sei nicht so zimperlich. Sie sagte das bestimmend und rieb sanft, auf seinem Alabasterkörper herum, um den gröbsten Schmutz abzuwaschen. Na ja, natürlich auch, damit er fein duftete. Sie kicherte in sich hinein.

Ich würde ja einige Stellen lieber sauberlecken, dachte sie. Aber das verbot sich wohl im Moment. Als sie die Boxer-shorts ein wenig herunterzog, um zum Putzen an seinen knackigen Popo zu gelangen, wurde ihm doch ein wenig mulmig.

Ihre Zweisamkeit wurde jäh unterbrochen, die Tür flog auf.

»Was macht ihr denn hier, störe ich beim Sex? Oder wieso reitest du auf seinem knackigen Arsch herum? Man kann dich nicht mal ein paar Minuten allein lassen, dann stellst du schon wieder was an.«

Es war Marlene-Sophie, kurz MaSo genannt. Sie stürmte herein mit wehendem Haarwuschel der Art ›Gerade-aufgestanden-und-noch-nicht-geputzt‹. Sie hatte noch rote Wangen vom Schlaf und war auf der linken Seite zerknittert vom Kopfkissen.

»Und wer ist dieses Mannsbild, das du in dein Bett geschleppt hast. Ich dachte, du stehst seit deiner letzten Niederlage nicht mehr auf Männer? Oder störe ich gerade? Obwohl es mir egal ist, bin ich doch zu neugierig, wen du dir da eingefangen hast. Wenn ich ihn mir angeschaut habe, könnt ihr ja weitermachen, mit euren Spielchen. Versprochen!«

Sie ging in die Knie, um einen Blick von der Vorderseite des muskulösen Mannes zu erhaschen. Sehen konnte man aber nichts Rechtes, weil er tief eingesunken war in das weiche Federbett.

 

»Kannst dich nützlich machen, wenn du schon beim morgendlichen Ritual des Aufstehens störst. Fass mal vorsichtig an, damit wir das schwere Mannsbild wieder umdrehen können. Ich muss die Vorderseite auch noch waschen und abrubbeln.«

MaSo guckte sie erstaunt an. »Wie das? Hast du ihn hingeworfen, ist er kaputt und nicht mehr Herr seines athletischen Körpers? Wer ist das überhaupt, wo kommt er her, soll er hierbleiben?«

»Quatsch jetzt nicht! Nimm mal die rechte Schulter vorsichtig hoch und dreh ihn herum. Ich fasse ihn hier unten an. Eins, zwei und hauruck und herum.«

JF stöhnte leicht auf; die Drehung gelang ihnen zu zweit.

»Also die Knochen sind bestimmt nicht so schwer, das sind sicher die Muskeln«, sagte MaSo anerkennend, als sie endlich die muskulöse Vorderseite betrachten konnte.

»Also, ich würde nun ja gern eine detaillierte Einschätzung von mir geben. Spricht er Französisch oder kann ich hemmungslos reden?«

»Unterstehe dich, so etwas gehört sich sowieso nicht, egal in welcher Sprache. Er kann sich überhaupt nicht wehren. Da verbietet sich so was.«

 

JF konnte zwar immer noch nichts Rechtes sehen, weil die Säuberung der Augen noch nicht an der Reihe war, aber er nahm den Geruch eines weiteren Mädchens wahr und eine lustige Stimme. Sie plapperte munter und hatte offensichtlich Marie beim Umdrehen geholfen. Jetzt, wo die Schmerzen durch die Pillen unterdrückt waren, genoss er es beinahe, von zwei großen Mädchen mit lieblich klingenden Stimmen körperlich versorgt zu werden.

»Augen zu, sonst brennt’s von der Seife.« Vorsichtig wusch Marie ihm die Augen und trocknete sie. Wenn er schon hilflos war, sollte er wenigstens zuschauen können, was man so mit ihm anstellte.

 

»Woauuuu … « JF schnalzte mit der Zunge, als er die beiden schönen jungen Frauen endlich bewundern konnte. Er mochte es kaum glauben, aber dass zwei so hübsche Weibsbilder an ihm herummachten, das hatte was. Er murmelte seine Anerkennung. Beide waren sportliche Schönheiten, die der Temperatur gemäß knapp angezogen waren. Marie hatte einen wuscheligen, beinahe blonden Lockenkopf. Ihre vollen Lippen waren nicht geschminkt. Mit ausdrucksstarken blaugrünen Augen sah sie ihn fragend an, als er sie voller Bewunderung musterte. Sie hatte kleine Grübchen, wenn sie schmunzelte – nur nach Lachen war ihr offensichtlich nicht zumute. Warum auch immer.

 

Ihre dynamische Freundin Marlen-Sophie hingegen schaute ihn mit ihren dunklen kurzen Haaren genauso interessiert und voller Bewunderung an. Sie war ebenso schlank wie Marie. Ihre ellenlangen braun gebrannten Beine konnte man unter den kurzen Shorts bewundern. Sie hatte offensichtlich den Schalk im Nacken und versuchte mit ihm zu flirten. Leider war ihm in seinem Zustand nicht danach.

»Was haben sie gesagt, Monsieur? In welcher Sprache wollen Sie uns etwas mitteilen?« Marie guckte ihm in die Augen.

»Können Sie wieder alles sehen? Ich bin Marie und das hier«, sie zog ihre Freundin zu sich heran, »das ist Marlen-Sophie, meine engste Freundin. Sie wohnt auch hier oben, am Mont Agel, wenigstens für eine Weile. Aber sie lässt sich lieber mit MaSo ansprechen.« MaSo nickte heftig und schmachtete ihn an.

»Komm, gib dem JF Pfötchen, aber die linke Hand, weil seine Rechte nicht benutzbar ist, wenigstens eine Weile. Stimmt doch, oder?«

Er nickte und wedelt mit der linken Hand zunächst Marie zu sich heran, griff ihren Nacken und gab ihr ein bisou rechts und dann links. Er liebte diese französische Begrüßung, darauf hatte er sich schon lange gefreut, weit im Norden war das nicht so üblich – außer unter engen Freunden.

 

»Et moi je m’appelle Jean-François et pour mes amis JF - ich heiße Jean-François und für meine Freunde JF.«

 

»Und nun ich!« MaSo schob Marie zur Seite, um JF auch auf dieselbe Weise zu begrüßen. »Enchanté – sehr erfreut!«

»Enchanté«, erwiderte JF.

 

Ach tat das gut! JF wusste jetzt schon: Er würde schnell gesunden in einem solch anregenden Pflegeheim.

»Darf ich Jean-François vorstellen: Er ist ein Freund, vielleicht auch Geschäftsfreund von Papa. Er wird für einige Zeit hier an der Côte und in Monaco wohnen, wie ich von Papa erfahren habe.«

 

»Du bist also die Tochter, das konnte ich ja nicht wissen, obwohl ich es ja ahnen konnte, aber in meinem Zustand ahnt es sich nicht so gut. Bitte, du musst mich unbedingt duzen und MaSo natürlich auch. Dieses Du-Sie ist mir ja peinlich.«

»Was ist Du-Sie? In welcher Sprache?«

»Wenn ein Gesprächspartner Du sagt und der andere Sie, logisch, oder? Jetzt gebietet die Höflichkeit aber auch, dass wir uns einen Bruderkuss geben, sonst gilt das nicht.«

»Und wie geht das nun vonstatten, ich dachte, so was gibts nur in den sozialistischen Bruderländern, habe ich gelesen.« Marie legte ihre Stirn in zierliche Falten und hob die Augenbrauen.

»Da musst du schon etwas näher kommen, dann zeige ich dir, wie es geht, das kann man nicht erzählen, das kann man nur körperlich erleben.« Er zog sie mit der gesunden Hand erneut an sich und busselte sie genüsslich ab. Da er stärker war als sie, gelang es ihr nicht, sich zu wehren. Sie zappelte herum, um sich aus seiner Umklammerung zu befreien. Er genoss das Ritual und beabsichtigte nicht, es zeitig zu beenden. Er liebte diese intime Geste, der sie sich nicht so einfach entziehen konnte, denn die Höflichkeit erforderte eine angemessene Kusslänge. Und was angemessen war, bestimmte der mutigere Kusspartner.

»Augen zu, sonst ist der Bruderkuss nicht gültig und muss wiederholt werden.« JF ließ sie frei, auch wenn unklar war, ob Marie die Regel eingehalten hatte.

»Hab ich gemacht, ich küsse immer mit geschlossenen Augen. Das soll mir keiner vorwerfen.«

 

»Wenn ihr noch länger herummacht, komme ich gar nicht mehr an die Reihe, ich musste mich ohnehin schon hinten anstellen, jetzt bin ich auch mal dran.« MaSo hatte ein Faible für dieses gesellschaftlich anerkannte Ritual. Wo gab es sie sonst noch, die Kusspflicht? Ach ja, unterm Mistelzweig, auf jeden Fall in England, wie sie wusste.

»Komm endlich ans Bett, du willst dich doch deiner Pflicht als höflicher Mensch nicht entziehen!« JF lachte, nachdem er Marie loslassen musste, weil sie herumgequengelt hatte, um sich des Bruderschaftrituals zu entziehen.

»Na, ich doch nicht, ich stehe auf Küssen, unabhängig von Kusspflichten auch ohne zeitliche Begrenzung.«

JF schmatzte auch sie lauthals ab und drückt sie an sich. »Hach, tut das gut, ich könnte mich daran gewöhnen!«

 

»Jetzt ist aber genug, ihr müsst auch mal wieder Luft holen, außerdem wollen wir endlich Frühstück machen.«

Marie zog die beiden Bruderkusspartner auseinander. Sie ertappte sich dabei: Es war ihr durchaus nicht recht, dass er länger mit ihrer Freundin Küsse ausgetauscht hatte. Aber, wenn sie ehrlich war, hatte sie ja selbst den Bruderkuss vorzeitig abgebrochen, weil ihr etwas mulmig geworden war, ob das auch seine Richtigkeit hatte, mit dem Ritual.

Aber schön war es schon gewesen. Man müsste das Ritual des Öfteren wiederholen, damit man nicht wieder ins ›Sie‹ zurückfiele. Sie sollte das vorsichtshalber mal ansprechen bei Gelegenheit.

»Und du, MaSo, zieh dir endlich was an, wir haben Herrenbesuch im Hause, da kannst du nicht so halb nackt herumlaufen. Da wird er vor Schreck oder Erregung ohnmächtig. Wir dürfen ihn in seinem Zustand nicht aufregen. Ich werde gleich mal den Blutdruck messen und den Puls.«

 

MaSo trottete schmollend aus dem Zimmer, nicht ohne vorher auszurufen: »Pah! Ich bin hier im Urlaub, und da habe ich ein Recht auf bequeme und leichte Kleidung. Wer sagt denn, dass ich vor dem Frühstück schon ordnungsgemäß bekleidet sein muss? Immerhin habe ich oben was an und auch ein Höschen. Was soll ich denn noch anziehen, bei diesem Wetter!«

Marie rollte die Augen, sie kannte dieses Argument schon. Bisher war es ja egal gewesen, weil sie allein im Haus wohnten und auf niemanden Rücksicht nehmen mussten.

Zugegeben, viel hatte sie auch nicht angezogen, dazu war es bereits morgens zu warm: Ein kurzes T-Shirt und weite Boxershorts bedeckten sie hinreichend. Draußen am piscine hatten sie beide in der Regel noch weniger an. Fürs Schwimmen und Sonnenbaden reichte der knappste Bikini, wenn sie überhaupt etwas zum Sonnen oder Baden anzogen. Sie waren beide nahtlos braun.

 

JF kuschelte sich unter die leichte Sommerdecke. Er musste in seinem Zustand (was immer das ist) nicht mithelfen, das Essen zuzubereiten. JF freute sich trotz seiner Schmerzen auf das Frühstück im Bett, und die beiden Mädchen freuten sich, ihm Gesellschaft zu leisten, als Pflegepersonal versteht sich.

»Wie viele Personen wollt ihr denn beköstigen? Das reicht ja für eine kleine Fußballmannschaft«, scherzte er, als das erste Tablett mitten auf seinem Bett abgestellt wurde. Marie kicherte: »Das ist noch nicht alles, die gebratenen Sachen folgen gleich. Wir machen so etwas wie einen Brunch, dann brauchen wir nicht Mittagessen zu kochen. Ist dir das recht, oder hat der Herr andere Pläne? Will Monsieur vielleicht auswärts dinieren?«

 

Nein, JF liebte es, tatenlos im Bett bleiben zu dürfen, ihm war alles recht, solange er so reizende Gesellschaft bei seiner Rekonvaleszenz in Anspruch nehmen durfte. Laut sagte er: »Ich kann mich ja leider nicht wehren, da könnt ihr beide leicht über mich verfügen, also füge ich mich lieber freiwillig. Ich hab ein schweres Los. Wenn ich nur könnte …«

Marie versicherte ihm eindringlich, dass sie sich beide intensiv um ihn kümmern würden, damit es seiner Herrschaft an nichts mangelte. Ob das ihm recht wäre?

Und ob ihm das recht war, er konnte sich nichts Besseres wünschen.

MaSo brachte pigeon rôti auf einem zweiten großen Tablett herein. Genau genommen waren es keine Flugtiere, sondern allerlei gebratene Würstchen, Rührei und andere Köstlichkeiten, die er aber nicht erkennen konnte.

»Oh, wie das duftet, mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Ob der Arzt das auch erlaubt hat?«

»Was soll er erlaubt haben? Das kräftige Frühstück oder Frühstück im Bett?«

Marie beteuerte, der Doc habe ausdrücklich jede nur erdenkliche Pflege angeordnet und ein strenges Verbleiben im Bett. Von allein im Bett oder zu dritt war nicht die Rede gewesen. Und bei der Gestaltung der Pflegemaßnahmen hatte er ihnen freie Hand gelassen und dabei Marie mit lachenden Augen zugezwinkert.

 

Die beiden Schönen machten es sich auf seinem Bett bequem, versuchten, ihm sein Kopfkissen zu klauen, was er aber tapfer verteidigte, und stellten das Kopfteil in die Höhe. Sie wollten es ja alle bequem haben. Denn eines war ihm klar, das opulente Essen würde sich hinziehen. Mit oder ohne das lustige Geplänkel der drei jungen Leute, die nun unter einer Decke steckten, wie Marie richtig anmerkte.

»Ich dachte immer, wenn drei unter einer Decke stecken, handelt es sich um eine anrüchige Verschwörung … oder so«, bemerkte Marie.

»Nun was nicht ist, kann ja noch werden, ich verschwöre mich gern mit euch, so harmlos, wie ihr beide ausseht.«

MaSo prustete beinahe in ihren heißen Tee und gluckste »Wenn du nur wüsstest!«

»Habe ich bei meinem Schönheitsschlaf etwas verpasst, das ihr angestellt habt? Oder habt ihr geheime Pläne geschmiedet, von denen ich nichts wissen darf?«

»Vielleicht beides. In deinem Zustand sollst du nicht alles wissen. Das könnte dich nur aufregen und der Gesundung entgegenstehen. Das sollen wir nach ärztlichem Rat dringend vermeiden.« Marie lachte ihn an.

»Sei sicher, wir werden uns liebevoll um dich kümmern. Versprochen.«

Die beiden Verschwörerinnen zwinkerten sich zu. Obwohl Marie nicht zum Lachen zumute war, beileibe nicht. Warum? Das wollte sie aber jetzt nicht verraten. Vielleicht später, wenn man sich besser kennengelernt hatte.

 

Das Frühstück zu dritt, das schworen sich alle drei, sollte zu einer festen Einrichtung werden. Sie genossen die Nähe, auch wenn Marie nicht so ausgelassen und fröhlich war, wie es nahe gelegen hätte: Denn alle drei machten Urlaub in dieser schönen Gegend auf dem wunderbaren Anwesen, das JF gern kennenlernen wollte, sowie er sich aus dem Bett bewegen könnte. Die beiden Hübschen hatten sich Urlaub genehmigt, jetzt in den Semesterferien. Marie seufzte immer mal wieder, wenn sie nicht als Pflegerin gefordert war und Zeit zum Nachdenken hatte.

 

»Marie, du schaust so traurig drein, haben wir etwas verkehrt gemacht oder können wir dir helfen. Du hast ganz offensichtlich Kummer, man sieht es dir an.«

JF war im Moment eher auf fremde Hilfe angewiesen, als dass er jemand anderem helfen könnte. »Wenn es dir hilft, kannst du gern mit mir reden, wir kennen uns fast gar nicht, also sollten wir die Gelegenheit zum Kennenlernen nutzen, wo wir sowieso unter einer Decke stecken. Ich gehe mal davon aus, dass MaSo dich und deine Sorgen in- und auswendig kennt?«

 

»MaSo und ich wir sind erst kurz wieder zusammen, um hier auf dem Mont Agel Ferien von unseren Sorgen zu machen. Aber wir kennen uns natürlich seit vielen Jahrzehnten. Sozusagen von Kindesbeinen an.«

»Also Jahrzehnte kann ja wohl nicht sein, meine Schöne. So jung wie ihr seid, reicht das nur für ein Jahrzehnt und ein paar Krümel.«

»Wolltest du damit etwa sagen: Du gibst dich mit so jungen Dingern wie uns nicht ab? Mein Großer.«

»Au weia, deine zarte Jugend macht dir wohl zu schaffen. Sei froh, alt und schrumpelig wirst du noch von alleine. Aber um offen zu sein, ihr seid mir alt genug und unterliegt nicht mehr dem Schutz Minderjähriger, sonst hätte ich euch nicht so leicht bekleidet unter meine Decke gelassen.«

»Wer ist hier nun leicht bekleidet? Wir haben ja wohl alle drei genug an, ich meine, um wenigstens die Blößen zu verdecken. Wobei MaSo mal wieder haarscharf die Grenze des Schicklichen überschreitet.«

»Du meinst, unterschreitet, was den Stoffverbrauch anbelangt.«

»Ihr seid beide ja nur neidisch, weil ihr euch nicht traut, eure Reize herzuzeigen«, gluckste MaSo.

»Mich kannst du nicht meinen, ich traue mich, oben ohne im Bett zu liegen. Da ich unter der Decke bleiben muss, könnte ich noch weniger anhaben, ohne dass es jemand bemerken würde. Und vor euch bin ich ja sicher, ihr habt vorhin versprochen, mich pfleglich zu behandeln und nicht über mich herzufallen.«

MaSo kicherte. »Ich glaube, das war voreilig, das Versprechen, dich schonend zu behandeln, du halb nacktes Mannsbild, um es deutlich zu sagen.«

»Stimmt das wirklich, du bist wenig oder gar nicht bekleidet?« Marie langte mit der Hand unter die Decke, um das Ausmaß der Bekleidung zu überprüfen. Sie streichelte JF vorsichtig über seinen nackten Oberkörper und zwickte ihm leicht die zierlichen Brustwarzen. »Aua, das tut man nicht mit kranken Männern, du sollst mich nicht aufregen, hat der Doc gesagt!«

»Ja, hier oben ist er wirklich nackt, das ist ja erstaunlich.« Ihre zarte Hand rutscht über den flachen, muskulösen Bauch bis zu den Boxershorts.

»Schluss, das reicht, nicht anfassen, das ist nichts für Mädchen, Finger weg!«

»Ich tue dir doch nichts«, gickelte Marie, um die Entdeckungstour auf den Oberschenkeln fortzusetzen. JF zappelte mit den Beinen, weil es ihn kitzelte, so zart, wie Marie ihn streichelte, kaum dass sie seine Haut berührte.

»Woow, du hast sexy nackte Knie, aber Knieschoner hat er nicht an, will ich mal bemerken. Und auch keine Socken, obwohl die zierlichen Zehen leicht als erogene Zonen gelten können und einen Sichtschutz bräuchten.«

»Will auch!« MaSo schnappt sich den anderen Fuß, um die Zehen laut abzuzählen und jeden einzeln zu streicheln.

»Aufhören! Ich bin kitzlig an den Füßen. Das erkläre ich jetzt zur erogenen Zone, und da dürft ihr nicht … das ist zu intim.«

»Wer hat denn gesagt, intim sei nicht erlaubt. Der Doc hat davon nichts gesagt. Um es zu betonen: Wir sollen dich ausdrücklich gut und pfleglich behandeln. Dies ist Fußpflege, also erlaubt.«

 

JF wurde warm, bei dem Gedanken, dass die Mädels, seine Pflegerinnen, mit den Streicheleinheiten nicht mal bei den eher als harmlos geltenden erogenen Zehen Halt machten.

»Warum hast du es für erstaunlich gehalten, dass ich kein Hemd anhabe, bei der Wärme ist das doch normal.« Marie wird es mulmig zumute. Eigentlich wollte sie es nicht ansprechen, aber offensichtlich war JF gestern nach der Gehirnerschütterung weggetreten und hatte nicht mitbekommen, wie er hier ins Haus und ins Bett und seine Schlafsachen gelangt war.

»Also, mich musst du nicht fragen, ich habe sowieso keine Bettsachen an, mir ist das zu warm, ich schlafe lieber nackt«, sagte MaSo.

»Gut zu wissen, damit ich nicht erschrecke, wenn ich dich mal zum Frühstück oder so aus dem Bett scheuchen sollte.«

»Also, was ist nun mit meinem fehlenden T-Shirt? Dürfen Männer ihre Brust nicht freizügig herzeigen? Bis heute war das immer noch erlaubt. Oder ist das in Monaco anders?«

Marie druckste herum, sie hatte ganz andere Probleme: JF würde früher oder später wissen wollen, wie er von der Golfplatzfete bis ins Bett gelangt war und vor allem, wer ihn umgehauen und schwer verletzt hatte.

»Du weißt es wirklich nicht?« JF schüttelte seinen Kopf. »Autsch, das sollte ich nicht tun, ich sollte den Schädel ruhig halten, er ist immer noch empfindlich.

Also, meine Erinnerung nach dem Schlag auf den Kopf von unbekannt ist: Du hast dich sofort um mich gekümmert. Dann hat der Doc mein Überleben für sehr wahrscheinlich gehalten und Maßnahmen eingeleitet. Dann haben alle Golfer sich um uns auf eine Decke geschart und die eigentlich verbotene Fete mit viel Alkohol, wie ich vage wahrgenommen habe, gefeiert.«

 

Marie war froh, dass er die Fahrt hierher und den ganzen mühseligen Prozess des Bettganges nicht mitbekommen hatte. Auf dem Golfplatz hatten ihr ja noch viele Golfer geholfen, JF in ein großes Auto zu verfrachten, um ihn nach kurzer Fahrt hier in ihrem Schlafzimmer abzuladen. MaSo war zum Glück zur selben Zeit aufgetaucht. So konnten sie gemeinsam dem Hilfebedürftigen die blutige Kleidung Stück um Stück ausziehen.

Denn das Blut von seiner Schädelverletzung klebte überall. Mit einer großen Waschschüssel und jede mit einem großen Waschlappen bewaffnet, hatten Sie zunächst die blutigen Haare, den Kopf, das Gesicht den Hals und den Rücken sauber gerubbelt. Und jeder eines der langen haarigen Beine.

Trockenrubbeln, Shirt und Boxershorts anziehen und ab unter die Decke. JF hatte zwar einige Male geschnauft und versucht, sich zu wehren und zusammenzurollen, aber aufgewacht war er nicht. Das war ihnen auch lieber gewesen.

 

Marie hatte sich im Zimmer zum Schlafen auf zwei Sesseln eingerichtet – so gut es eben ging. Auch wenn MaSo sie bedrängt hatte, im Gästebett nebenan zu schlafen: Marie war nicht davon abzubringen, bei dem Verletzten zu bleiben, um ihm jederzeit beistehen zu können. Das war sie sich schuldig, wo sie ihn doch umgehauen hatte.

Der Gedanke daran machte ihr zu schaffen. Wie würde er darauf reagieren, wenn er es erführe? Sie wagte nicht, darüber nachzudenken. Insbesondere, wo ihr Vater JF doch eingeladen hatte.

 

Marie war seit dem Tod ihrer Mutter sehr verletzlich geworden. Sie hatte ein wunderbares Verhältnis zu ihren Eltern, auch wenn ihr Vater als Firmenchef viel zu wenig Zeit für die Familie aufbringen konnte. Allerdings hatten Marie in ihrer Kindheit Geschwister gefehlt. Auch gab es keinen Kontakt zu Cousinen oder Cousins, weil es keinen familiären Zusammenhalt zu den Geschwistern ihrer Eltern gab. Auch seltene Treffen mit ihren Tanten und Onkeln. Nur einmal zu einer Beerdigung, aber das durfte man ja nicht zählen.

Marie hatte in ihrer Jugend nur wenige Freunde gehabt. Weder aus der Schule, noch aus dem Tanzclub, noch aus dem Golfklub. Allein die Freundschaft zu MaSo war ihr geblieben. Die genossen beide.

 

Die Kontakte zu ihren Mitschülern hatten immer darunter gelitten, dass man sie als Unternehmertochter für etwas Besseres gehalten hatte, zu der man lieber auf Distanz ging. Die einzige ernsthafte Beziehung zu einem Mann, dem Exfreund Pièrre, ist vor drei Monaten kläglich in die Brüche gegangen. Er hatte sich als hundsgemeiner Erbschleicher herausgestellt. Sie litt auch heute noch unter diesem Bruch, besonders weil sie in ihrer Unerfahrenheit schwer verliebt gewesen war und die wahren Absichten deshalb nicht bemerkt hatte.

 

Marie war eine Schönheit. Das stand einer neuen Beziehung eher im Wege, weil sie junge Männer durch ihre elegante Ausstrahlung eher einschüchterte als sie anzuziehen. Sie sehnte sich nach Zuneigung und Anerkennung. Insbesondere, seit dem der Tod ihrer lieben Mutter eine unausgefüllte Leere hinterlassen hatte.

Dazu kamen schwerwiegende Probleme mit der Firma ihres Vaters. Ziemlich kompliziert, aber in wenigen Worten gesagt: Es ging dem Unternehmen nach Einschätzung des kaufmännischen Geschäftsführers finanziell nicht gut. Er hatte schon vor Monaten Marie vertraulich davon in Kenntnis gesetzt und bestand darauf, dies nicht ihrem Papa zu berichten. Der wäre doch offensichtlich gesundheitlich überfordert und könne nicht noch mehr Aufregung gebrauchen. Man arbeitete an der Gesundung der Firma. Bis dahin sollte sie strengstes Schweigen waren – gegen jedermann!

 

Marie war tief verunsichert, zu allen alten Problemen war nun auch noch diese Untat dazu gekommen. Auch wenn ihr jeder auf dem Golfplatz versichert hatte, dass es wirklich nur ein Unfall gewesen war und sie sich nicht schuldig fühlen sollte. Das hätte jedem anderen auch passieren können. Genau genommen hatte dieser Unfall nur passieren können, weil Jean-François ein Neuling auf dem Golfterrain war und die Gefahren nicht hatte richtig einschätzen können.

 

Wenn nun dieser Jean-François, der Freund von ihrem Papa, dauerhafte Folgen des Schlages davontragen würde? So starke Verletzungen am Kopf konnten auch bleibende Schäden nach sich ziehen. Sie sollte unbedingt Doc Filou genauer nach dem Risiko von Spätfolgen befragen.

 

Zurzeit war sie sowieso nicht belastbar. In den letzten Jahren war so viel schiefgelaufen. Zu allem Überfluss konnte sie sich nicht vertrauensvoll an ihren Papa wenden – ihrem großen Freund, wie sie zu sagen pflegte –, weil das Vertrauen zu ihm auch gestört war. Es waren Beschuldigungen seiner eigenen Mitarbeiter, die schwer wogen und an ihr nagten. Wie käme sie da wieder raus, aus dem Schlamassel, wenn sie der wichtigsten Vertrauensperson in ihrem Leben auch nicht mehr vertrauen konnte? Mit MaSo konnte sie wenigstens alle persönlichen Probleme und Herzensangelegenheiten bereden, seitdem sie wieder für mehrere Monate hier oben im Landhaus lebten.

 

Es drohte noch ein weiteres Ungemach, das sie ihrem Vater lieber nicht erzählt hatte: Ihr Studium des Industriedesigns war abgeschlossen. Es fehlte nur noch die Diplomarbeit und ein dazu gehörendes Kolloquium. Die Arbeit hatte sie fertig geschrieben und alle Entwürfe waren vollständig. Aber vor lauter persönlichen Problemen hatte sie den Abgabetermin nicht eingehalten, deshalb war alles in der Schwebe. Die Annahme und Beurteilung der Arbeit durch den betreuenden Professor würde kein Problem sein. Der war ihr wohlgesonnen – da war sie sich sicher. Und sie hatte auch keine Bedenken wegen der Qualität ihrer Arbeit. Aber die Prüfungsregularien setzten das Okay des Prüfungsausschusses voraus. Und das genau war unsicher und zog sich bis ins nächste Semester hin, denn im Moment passierte gar nichts, weil die Vorlesungszeit vorbei war.

 

Wenn sie die Liste ihrer Probleme Revue passieren ließ, kam sie sich wie ein Versager vor, wie jemand, der sein Leben nicht im Griff hatte. Und das war sie nicht, denn bisher war alles gradlinig und erfolgreich in ihrem Leben verlaufen. Und sie wollte doch stark sein! Und sie wollte doch mit ihrem Papa das Unternehmen voranbringen. Dazu fühlte sie sich, bisher wenigstens, gut gewappnet. Mentale Stärke, eine hervorragende Ausbildung und ein halbwegs sonniges Gemüt. Wo war sie nur hingeraten? Ins Abseits, aus dem sie sich offensichtlich nicht wieder zurück ins Leben befreien konnte.

 

 

Jean-François wollte es doch genauer wissen, was seit dem Unfall auf dem Golfplatz mit ihm geschehen war.

»Also soll ich daraus schließen, dass ihr beiden Hübschen euch allein um mich Verletzten gekümmert, ausgezogen und ins Bett geschleppt habt?«

»Gewaschen, hast du vergessen! Gewaschen haben wir dich auch noch, auch wenn du dich dagegen gewehrt hast. Aber du warst sozusagen blutbesudelt«, fügte MaSo hinzu.

»Und die Schlafklamotten?«

»Die sind von meinem Vater, er wohnt hier ja auch ab und zu mal, wenn er sich von der Firma loseist. Was selten genug vorkommt. Leider!«

»Dann kann ich mich ja bei euch bedanken. Zum Glück habt ihr mich ja nicht überfallen und sexuell missbraucht. Davon gehe ich mal aus. Ich habe keine Kratz- oder Bissspuren bei mir erkennen können.«

Die Mädchen lachten laut. »Welche Idee, darauf sind wir gar nicht gekommen. Du bringst uns auf Ideen.«

»War ganz schön anstrengend, die Prozedur. Du bist ein ganz schön schwerer Junge. Das müssen wohl die Muskeln sein, Speck ist es jedenfalls nicht.«

 

Sie stellten die beiden Tabletts mit den Frühstücksresten zur Seite und freuten sich, gemeinsam mit ihm das gleiche Bett teilen und ihren Gedanken nachgehen zu können.

JF war erschöpft vom Essen und dämmerte bald weg. Die beiden Krankenpflegerinnen rollten sich wie junge Hunde, jede an eine Seite, und legten vertraulich einen Arm, eine den Linken, eine den Rechten, auf seine Brust und schlummerten auch bald weg. Welch friedliches Bild im morgendlichen Sonnenschein, der sie alle drei erwärmte.

 

Eduard

 

Der Kies knirschte draußen in der Einfahrt, ein Auto fuhr vor den Haupteingang, das Schloss wurde geöffnet. Jemand, der sich auskannte und hierher gehörte, kam die Treppe hoch, legte seine Tasche in eines der Schlafzimmer. Er schaute in das geöffnete Gästezimmer.

»Nichts zu sehen, keiner hier. Das kann ja wohl nicht sein, in seinem Zustand sollte Jean-François das Haus nicht verlassen«, murmelte er zu sich selbst.

Er klopfte leise an das Zimmer seiner Tochter Marie und rief leise »Marie, bist du da?«

Keine Antwort. Er öffnete die Tür. Was er sah, hatte er nicht erwartet: Der Kranke war von beiden Seiten von den beiden hübschen jungen Frauen umgeben, die ihn in ihre Mitte genommen hatten. Alle drei schliefen offensichtlich so fest, dass sie ihn nicht gehört hatten.

Eduard schmunzelte ob dieser harmlosen ménage à trois. Ihm war nicht in den Sinn gekommen, darin einen erotischen Akt zu sehen, so unschuldig, wie sie dasselbe Bett teilten.

 

Leise schloss er die Tür, er wollte keine peinliche Situation heraufbeschwören, obwohl die drei jungen Leute, die Situation unspektakulär normal fanden. Sie waren schließlich in einem Pflegeverhältnis zum Verletzten, der das Bett hüten musste. So hüteten sie aus Sympathie alle drei dasselbe Bett, oder genauer: Beide Mädchen hüten wohl intensiv den Kranken. Wie man wollte.

Eduard goss sich in der Küche ein sprudelndes Wasser ein, öffnete die Tür zur Terrasse und ließ sich auf einen der bequemen Rohrsessel nieder. Er genoss die Stille hier oben, atmete tief durch und legte die Beine auf die Fußstützen. Er schüttelte seine Schuhe ab, krempelte seine lange Hose bis zu den Knien auf. Hier oben konnte er er selbst sein. Er hatte es sich verdient, nach der anstrengenden Woche sich endlich zu entspannen. Und er freute sich schon auf seine Tochter und auf Jean-François, den Angeschlagenen, dem er so viel zu verdanken hatte.

 

Diese Woche hatte es mal wieder in sich gehabt. Er spürte das an seinem Kreislauf, genauer an seinem Herzschlag und am unregelmäßigen Puls. Das ist neu für ihn. Eduard war bisher immer absolut gesund gewesen, hatte mäßig Sport betrieben und war nicht darauf vorbereitet, dass sich das ändern konnte. Er musste im Alter etwas kürzertreten. Bisher hatte er auf seine Gesundheit keine Rücksicht genommen, aber nun spürte er die kleinen Unzulänglichkeiten des Alters. In seinem Alter waren Männer manchmal schon im Ruhestand und machten halblang mit Rücksicht auf den Kreislauf oder wegen anderer Zipperlein.

 

Der Crash, den er in Deutschland erlebt hatte, war ein Warnsignal. Er war in dieser Nacht regelrecht zusammengeklappt, ja sogar ins Koma gefallen, unfähig sich selbst zu helfen. Nur durch JFs Hilfe war er heil aus der fatalen Situation herausgekommen. Er hatte das zwar nie öffentlich zugegeben, aber ihm war seitdem bewusst: Er konnte so nicht weitermachen. Er musste über eine Lösung nachdenken, die ihm mehr Freiräume als jemals zuvor geben würde, um sich zu schonen. Wenn das so einfach wäre!

Zudem bereiteten ihm die finanziellen Probleme der Firma immer mehr Sorgen. Er hatte das nie für möglich gehalten, dass sein florierendes Unternehmen in finanzielle Probleme rutschen könnte. Sein kaufmännischer Geschäftsführer hatte ihm zwar erläutert, diese leichte Schieflage wäre temporärer Natur. Aber so richtig glauben konnte er das nicht, weil der finanzielle Notstand schon viel zu lange anhielt.

Er müsste auch in die betriebswirtschaftlichen Belange des Unternehmens tiefer einsteigen. Bisher hatte er sich immer nur auf die Tätigkeit und das Urteil seines Kaufmanns verlassen. Ein Gefühl sagte ihm: Vertrauen ist ja gut, aber Kontrolle eben auch vonnöten. Nur ihm fehlten dafür neben den technischen Aufgaben und dem Vertrieb und der Kundenbetreuung die Zeit und, wenn er ehrlich war, auch der Antrieb und die Kraft. Wenn Marie endlich in die Firma einstiege, dann könnten sie sich die Aufgaben aufteilen. Zudem könnte sie neuen Schwung in den Laden bringen.

 

»Ja, die finanziellen Probleme«, seufzte er. »Irgendwas stimmt da nicht, nur wo anfangen?«

 

Es gab nicht viele Anwesen hier oben am Mont Agel, aber die gehörten begüterten Familien oder der Familie des Fürsten von Monaco. Eduard liebte die Aussicht auf das Meer und die raue, steile, felsige Küste unterhalb des Anwesens. Ein Paradies in großer Höhe oberhalb der geschäftigen Welt.

Die Fahrt hier hinauf war kurvig und sportlich zu befahren. Er brauchte über Beausoleil und die Moyen Corniche mehr als eine halbe Stunde, aber auch wenn man im Fahrstil der ›Rallye Monte-Carlo‹ fuhr, liessen sich kaum vier Minuten herausschinden. Eduard hatte mal mitgezählt; die Strecke kam auf zweiundzwanzig Haarnadelkurven. Da war kein Tempo zu machen, ohne alle dreißig Sekunden vor der nächsten Kurve im Rallye-Stil voll in die Bremsen zu gehen. Nicht seine Welt …

Besser: nicht mehr seine Welt! Als junger Mensch war er mehrmals durchaus mit Erfolg im Februar die ›Monte Carlo‹ gefahren. Jetzt reizte ihn der Nervenkitzel nicht mehr. Sein Cabrio, das er immer hier hinauf benutzte, war wegen der Schaltautomatik und anderer elektronischer Hilfen höchst bequem, sicher und schnell zu fahren. Genauso schnell wie die Rallye-Renner der damaligen Zeit.

3. Erste Hilfe am Morgen

3. Erste Hilfe am Morgen

 

 

 

 

»Da ist jemand im Haus, ich spüre es, vielleicht ein Räuber oder Einbrecher. Wir sollten mal nachsehen.« Marie schreckte vom Bett hoch. An Schlaf war nun nicht mehr zu denken. Ihr Herzschlag war in die Höhe geschnellt. Vor allem, wenn Sie bedachte, dass kein wehrfähiger Mann im Hause war; bewaffnet waren sie auch nicht. Ja höchstens mit den wunderbaren Reizen einer Frau. Nur das würde in diesem Fall nichts nützen. MaSo war nicht so schreckhaft, sie nahm Marie bei der Hand, Marie versteckte sich hinter ihr und so gingen sie auf Zehenspitzen auf die Suche nach dem Eindringling.

 

»Hier ist keiner im Salon, auch nicht in den anderen Zimmern, vielleicht ist er ja schon geflohen, was meinst du, sollen wir draußen nach dem Rechten sehen?«

Mit angehaltenem Atem trauten sich nun beide auf die Terrasse. Die Sonne war schon höher gestiegen, sie spiegelte sich im Meer. Der sanfte Wind umschmeichelte ihre nackten Beine. Wenn die Situation nicht so aufregend gewesen wäre, hätten sie es genießen können.

 

»Bonjour, mes belles, bien dormi?«

Sie zuckten zusammen. Sie hörten die Stimme, aber sehen konnte man niemanden. Aber die Begrüßung war freundlich und deutete nicht auf einen Bösewicht hin, der Puls normalisierte sich.

»C’est toi, Papa?«

»Mais bien sûr, c’est moi en chair et en os«, antwortete der Unsichtbare, er sei es mit Haut und Knochen.

»Oh je, du hast uns erschreckt, wir haben noch ein wenig geschlafen nach dem opulenten Frühstück. Hier oben ist es so still, da kann man nicht aufhören zu schlafen.«

»Habe ich euch geweckt? Wo ist Jean-François? Schläft der arme Verletzte noch?«

»Nein, nun nicht mehr, wir sind alle drei gleichzeitig aufgeschreckt. Immerhin haben wir den lieben Kranken in meinem Zimmer bewacht, damit es ihm an nichts fehlt.«

»Das ist sehr fürsorglich von euch.« Ihr Vater beugte sich seitlich aus dem Liegestuhl heraus, damit sie sich sehen konnten.

»Bekomme ich kein Morgenküsschen? Oder nimmt dich dein Pflegedienst so in Anspruch, dass du deinen Vater vernachlässigst?«

 

Er stand auf und nahm sie in seine väterlichen Arme und gab ihr drei bisous rechts, links, rechts auf die Wangen oder war es links, rechts links? Na egal, seine verstorbene Frau und Maries Mutter hatte immer auf drei bisous bestanden.

»In der Familie und im engen Freundeskreis, ist das Pflicht, darunter ist es lieblos«, hatte sie geschworen. Natürlich wurde MaSo mit der gleichen fürsorglichen liebevollen Begrüßung bedacht. Wollte bei drei bisous noch nicht aufhören, aber der vierte bisou ging ins Leere, da hatte sich Eduard schon Richtung Schlafzimmer aufgemacht, um den Gast endlich zu begrüßen. Er hatte schon lange drauf gewartet, Jean-François wiederzusehen.

 

»Hast du schon unten in der Villa gefrühstückt oder soll ich dir das Frühstück machen?«

»Ja ich habe schon. Du weißt, Marie, ich stehe immer sehr früh auf und schaue in der Firma nach dem Rechten. Außerdem wollte ich Jean-François endlich begrüßen«, sagte er im Weggehen. »Aber einen Tee würde ich gern trinken, wenn du so lieb wärst, ma petite.« Marie fand es lustig, wenn ihr Papa immer noch liebevoll ›meine Kleine‹ zu ihr sagte, obwohl sie fast genauso groß war wie ihr Vater, auch ohne Stöckelschuhe.

 

Eduard lugte vorsichtig ins Schlafzimmer, um den Verletzten zu begrüßen.

»Bonjour, ça va?« Er sah, dass Jean-François schon wach war. Der lag blass in den Kissen und wurde von der Sonne gewärmt. Jean-François hatte ein Leuchten in den Augen, als er Eduard bemerkte. »Da sind Sie ja, ich habe schon mal, ohne sie zu fragen, Ihre Gastfreundschaft in Anspruch genommen. Vielen Dank dafür.« Er grinste, so gut er konnte.

»Nichts zu danken, das war doch selbstverständlich. Außerdem hätte ich dir auch ohne den Unfall angeboten, hier oben unbegrenzt mein Gast zu sein. Und weil Marie und ihre Freundin auch gleichzeitig in unserem Landhaus Ferien machen, passt das doch gut zusammen.«

Er schmunzelte. »Wie ich gesehen habe, habt ihr schon enge Bekanntschaft gemacht, das freut mich, freut mich sehr.«

 

Eduard überlegte, ob er es ansprechen und sich im Namen seiner Tochter entschuldigen sollte, dass sie es war, die ihn verletzt hatte, auch wenn es ein Unfall war und keine Absicht. Er wartete erst einmal ab, das könnte Marie lieber selbst klären, auf die Gefahr hin, dass es ihr sicherlich sehr peinlich sein würde. Aber da musste sie durch, Jean-François durfte es nicht von jemand anderem erfahren. Das würde nur zu Missverständnissen führen; die sollte man lieber vermeiden.

 

»Du glaubst nicht, wie ich mich freue, dass du endlich zu mir gefunden hast. Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken kann. Was du damals selbstlos für mich und meine ganze Existenz getan hast. Ich weiß nicht, wie ich das jemals wiedergutmachen kann. Aber nun bist du ja erst mal hier.«

Er drückte ihm tief bewegt seine Hand. Glücklicherweise hatte JF vorausahnend seine Linke ausgestreckt, denn die Rechte war für einen kräftigen Händedruck unter Männern noch nicht zu gebrauchen.

JF winkte ab, und hielt seine damalige Tat nicht für der Rede wert, er habe nur einem Verzweifelten geholfen. Beim Gedanken daran wurde ihm kalt und warm ums Herz. Es war ein existenzbedrohendes Ereignis, das nur durch Jean-François Hilfe gut geendet hatte.

 

Marie kam mit MaSo im Schlepptau herein. »Dürfen wir uns zu euch gesellen, wir würden gern mehr über euch beide, genauer mehr über JF erfahren. Bis jetzt wissen wir nichts über ihn.« Marie errötete ein wenig.

»Also, wir haben bis jetzt nur seinen lädierten Körper kennengelernt.«

»Ja, gern, ich möchte mich gern mit Jean-François über damals und über seine persönlichen und beruflichen Absichten unterhalten, wenn er es möchte. Und wenn du, Marie, gleich dabei bist, ist mir das sehr recht. Du solltest wissen, wie hoch ich Jean-François einschätze und warum. Er ist ein großartiger Mensch, ich möchte ihm gern meine Freundschaft antragen.«

JF winkte ab, nickte aber Zustimmung.

 

»Also, wie ich damals verstanden hatte, bist du Unternehmensberater und warst auf dem Weg nach Hause, mehr hast du nicht erzählt. Alles andere, was ich über dich weiß, haben dein Verhalten und deine Taten über dich erzählt.«

»C’est vrai, ja ich war Unternehmensberater bei einer sehr renommierten Beratung. Aber nun bin ich frei, weil ich entschieden habe, den extremen Stress einer solchen Position hinter mich zu lassen und endlich mal wieder zu leben, endlich wieder ich selbst zu sein. Ohne alle Zwänge und extremen Erwartungshaltungen, die ein solcher Beruf mit sich bringt.«

»Oh, das klingt gut. Du hast dich für dich selbst und damit für dein Leben entschieden. Nur wenige trauen sich raus aus dieser Ochsentour, bevor ein Herzinfarkt sie erlöst.« Eduard freute sich für Jean-François wegen seiner mutigen Entscheidung, auch wenn er natürlich nicht wissen konnte, was das für dessen berufliche Zukunft bedeuten würde.

 

»Woow, nun bist du arbeitslos, da können wir dir über die Runden helfen, nicht Papa, das werden wir tun?«

»Na ja, so richtig arbeitslos bin ich nicht wirklich, ich bin nur nicht mehr bei einer Consultingfirma angestellt und bereite gerade meine Selbstständigkeit vor. Das sollte kein großes Problem sein, finanziell sowieso nicht, ich kenne viele Unternehmen, die wir beraten haben und habe natürlich weiterhin meine Kontakte zu anderen Beratern – ein berufliches Netzwerk sozusagen.«

 

»Das klingt ja so, als ob du schon Vorstellungen hast. Wirst du uns darüber berichten? Oder ist das noch geheim?«, wollte Eduard wissen. »Aber das kannst du später machen, erst einmal möchte ich gern, möchten wir gern erfahren, wie damals die große Rettungsaktion eigentlich abgelaufen ist, das interessiert mich brennend, ich …«

 

»Ich denke, Papa, du warst dabei? Warum weißt du das nicht, oder nicht mehr«, unterbrach ihn seine Tochter.

»Ganz einfach, meine Liebe, weil ich sozusagen im Koma lag, und nur den Anfang der Rettungsaktion mitbekommen habe, danach bin ich, erschöpft wie ich war, weggetreten oder genauer: weggeschlafen. Am nächsten Morgen waren wie durch ein Wunder alle Probleme wie weggezaubert. Unser Industrieroboter war schon im Einsatz, um Teile zu produzieren. Ich habe mich gefühlt, wie Alice im Wunderland, wie im Märchen.«

»Stimmt das so oder was war denn nun wirklich passiert? Dies ist die Märchenversion. Ein Märchenprinz ist JF wohl eher nicht.«

»Das würde ich auch bezweifeln«, gickelte MaSo, »dass er ein Märchenprinz ist! Er hat doch keine Krone auf, daran könnte man ihn doch sofort erkennen.«

 

Eduard wurde ernst. »Den Märchenprinzen erkennt man an den inneren Werten, oder auch nicht, aber eher an seinen Taten.«

JF hatte die damaligen Ereignisse ohnehin Eduard erzählen wollen, aber eben nicht in der Märchenversion.

 

JF erinnerte sich an den denkwürdigen Tag zum Abschluss seines Beratungsprojektes und auch seiner beruflichen Laufbahn als Berater und dem Zusammentreffen mit Eduard, dem Firmenchef und Papa von Marie.

4. Der Crash

4. Der Crash

 

 

 

 

Es war ein dunkles Kapitel in seinem Leben oder mindestens seiner Firma. Eduard wollte sich lieber nicht mehr daran erinnern.

Er hatte ein Blackout, eine Erinnerungslücke, weil die Situation für ihn so dramatisch war. Sein Unternehmen, seine Existenz, stand vor dem großen Scheitern. Scheitern ohne eine Möglichkeit, die Situation zurückdrehen zu können, für einen Neuanfang eine Revitalisierung seines Lebensprojektes. Es stand auf Messers Schneide; einen zweiten Anlauf hätte es nicht gegeben…

 

Die Erinnerungen von Jean-François waren geeigneter, die dramatische Situation wiederzugeben. Der konnte aus seinem Projektbuch zitieren. Dort hatte er sich Notizen auch über diese Nacht mit dem denkwürdigen Unfall und die Rettung gemacht. Er berichtete:

 

Der Tag war gut gelaufen, das Beratungs-Projekt in einem Betrieb der Metallbranche war in trockenen Tüchern. Er hatte nicht nur Lösungen gefunden. Viele Hände trugen nun die Verantwortung für das Wohlergehen des Unternehmens.

Jean-François war nicht euphorisch, aber zufrieden. Sein Freund Robert würde das realitätsnäher mit »in höchstem Maße befriedigt« bezeichnen.

Alle Anstrengungen des vergangenen Jahres hatten sich gelohnt. Er war fest verankert, zusammen mit vielen Mitarbeitern, jeder verantwortete an seinem Platz die Vollendung des Beratungskonzepts. Der Unternehmer hatte alles getan, um ihre gemeinsamen Visionen wieder Realität werden zu lassen.

Der Frühling war ausgebrochen in der Firma. Die ersten Aufträge purzelten herein – allen Neidern zum Trotz. Es ging wieder voran. Keiner hatte es mehr für möglich gehalten.

 

Jean-François freute sich über den Erfolg – endlich, endlich konnte er sich wieder auf sich besinnen und an sich denken und nicht anderer Leute Probleme zu den seinen machen.

 

Dieser Abend gehörte ihm. Er nahm die übliche Route nach Hause. Er hatte es sich verdient, er durfte endlich mal an sich denken. Dachte er …

 

Die Sicht war schlecht, die Autofahrt durch dichten Verkehr, leichten Regen, das Reflektieren des Asphalts anstrengend, zu anstrengend für den verdienten Feierabend.

JF blinkte rechts heraus auf die Raststätte, um sich einen Kaffee zu genehmigen. Erst im letzten Augenblick sah er das Hindernis, einen Anhänger. Unbeleuchtet mit einem herausstehenden Maschinenteil, ohne Warntafel oder einer Fahne.

Sein Puls machte einen Satz nach oben … das war knapp! Er umfuhr das Hindernis mit quietschenden Reifen und legte Vollbremsung hin. Beinahe hätte er den Hänger direkt auf die Hörner genommen. Nicht auszudenken, ob er den Aufprall überlebt hätte, genau in Höhe seiner Augen. Das war knapp, nur Millisekunden fehlten für einen Sprung ins Jenseits.

 

»So ein Mist, wer macht denn so einen hanebüchenen Unsinn in dunkler Nacht im Regen.« JF fuhr hinter dem Anhänger rechts heran und holte tief Luft.

Er stellte die Zündung aus, schnallte sich ab, um diesem Blödmann so richtig die Meinung zu sagen. Er sollte ihn anzeigen, so eine Gefährdung dürfte nicht ungestraft bleiben, wer immer das zu verantworten hatte!

 

Der große Mercedes, dessen Anhänger das gefährliche Hindernis auf die Fahrbahn herausstreckte, war unbeleuchtet. Der Hänger stand in schrägem Winkel zum Zugfahrzeug, als ob jemand wüst gebremst hatte oder unkontrolliert rückwärtsgefahren war.

So was wie Fahrerflucht auch noch! JF wurde noch wütender. Seine Knie waren weich vom Adrenalinstoß, seine Atmung flach, er hatte Mühe, sich zu kontrollieren. Das Auto war auch im Inneren unbeleuchtet. Aber man konnte einen Schatten erkennen. Offensichtlich versteckte der Fahrer sich im Dunkeln des Fahrzeuges.

Mist! Nun erst recht!

 

JF drückte die Türöffnung, schwenkte die Tür auf. Dem würde er es zeigen, diesem Arsch. Er schrie: »Sie, was fällt Ihnen ein, den Hänger in der Fahrspur abzustellen. Ich wäre um ein Haar draufgebrummt. Um Haaresbreite wäre ich draufgegangen. Sie Arsch, was haben Sie sich dabei gedacht? Und das im Dunkeln und das bei Regen!«

 

Und überhaupt! Es tat gut, die Wut herauszuschreien. Der Pegel der Stresschemikalien in seinem Blutkreislauf senkte sich nur langsam. Er atmete tief durch. Das Rauschen in den Ohren ließ nach. Seine Knie wurden fester, seine Hände ballten sich, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. Er wollte sich mit diesem Blödmann so richtig prügeln. Ihm war danach, obwohl er sonst einen Horror vor körperlichen Auseinandersetzungen hatte.

 

Der Schatten im Auto, ein zusammengesackter Mensch, stöhnte, murmelte etwas Unverständliches, nahm seine Hände über den Kopf, um sich zu schützen oder um sich die Haare aus der Stirn zu wischen oder um etwas zu signalisieren. Das konnte man nicht zu erkennen. JF war auf Krawall gebürstet, so was hatte er nun nicht erwartet: eine hinfällige Person als Fahrer eines solch langen Geschützes. Wie ein aufgezogener Kreisel, der seine Energie nicht so schnell abbaut, stieß JF einen wilden Fluch aus. Er wusste selbst nicht, was aus ihm herausbrüllte.

 

Der Zusammengesunkene wehrte sich nicht, weder mit Worten noch mit einer Bewegung. Er flüsterte leise auf Französisch. »Ich weiß, ich bin schuld, ich bin ein Arsch, Sie haben ja so recht.« Nun strich er sich die wilde Mähne aus der Stirn. Er war verschwitzt, seine Augen eingefallen, und gerötet. Er war unrasiert, ungepflegt – im Gegensatz zu seinem gepflegten, aber verknitterten Maßanzug.

»Je m’excuse formellement, isch entschuldige misch formell! Jetzt ist sowieso alles vorbei. Mir kann keiner mehr wehtun oder keiner mehr helfen. Ich hab es versaut, gründlich versaut.« Er versuchte, sich aufzurichten, er versuchte, Blickkontakt zu JF herzustellen, um seinen Worten Bedeutung zu geben.

 

JF war erschrocken einen Schritt zurückgegangen, das hatte er nicht erwartet, so einen gebrochenen Gegner seiner Wut. »Sie wissen, dass Sie absolut verkehrsgefährdend mit dem Hinterteil auf der Straße im Dunkeln stehen?«

»Von welschem Hintern spreschen Sie?«

»Ihr ewig langer Anhänger mit der Maschine hinten drauf. Ohne Licht und ohne Warntafel. Mitten auf der Straße. Ich wäre fast draufgeknallt und nicht mehr auf dieser Welt. Ist Ihnen das nicht bewusst?«

»Welscher remorque äh … Anhänger, welsche Maschine? Wovon sprechen Sie überhaupt?« Er schaute JF mit großen Augen und gerunzelter Stirn an. Seufzte tief, schüttelte den Kopf und lehnte sich wieder wie weggetreten in seinen Sitz.

 

Das war’s. Das war das Signal für JF, ein Appell an sein Helfer-Gen. Dieser Mann war hilflos gestrandet, ihm musste erst mal geholfen werden, später konnte er ihm immer noch eine reinhauen oder was immer mit ihm anstellen.

 

»Rück mal ein Stück, wir müssen den Hänger aus der Straße schieben oder ziehen.« Er versuchte, den Hingesunkenen mit Worten und mittlerer Gewalt auf die Beifahrerseite zu schieben.

»Sie, was machen Sie mit mir, da ist ein dicker Tunnel zwischen den Sitzen, ich kann nicht hinüberfliegen oder wie denken Sie sich das? Früher war das besser, da gab es eine Sitzbank vorn und hinten, da waren Autos noch zum Kuscheln für drei geeignet, also ich kann Ihnen da …«

 

»Schluss jetzt, das können Sie mir später erzählen, Sie sind ja überhaupt nicht in der Lage, den Ernst der Situation zu erkennen und angemessen zu reagieren. Los schieb den Hänger sofort von der Straße!«

»Ich bin müde, ich bin erschöpft, geschafft und es hat nun auch keinen Sinn mehr. Ich bin sowieso am Ende und …«

»Jetzt ist Schluss mit dem Gesabbel, kein Wort mehr.«

 

JF war klar, seine Tatkraft war gefordert, reden könnte man später. Er zog den Niedergesunkenen unter Mühen vom Sitz und aus dem Auto. Der ließ es ohne Gegenwehr mit sich machen. Er schob ihn der Einfachheit halber auf den hinteren linken Sitz, startete den Wagen und fuhr das lange Gefährt langsam und quietschend auf einen Lastwagenstellplatz. Dort passte der Hänger, nichts ragte auf die Straße.

 

JF atmete tief aus, so einfach war das, nun könnte er seinen verdienten und langersehnten Feierabend und Urlaub antreten. Ach ja, erst mal einen Kaffee nehmen im Restaurant drüben im Hellen.

»So, nun können Sie Ihren Rausch – oder was auch immer – ausschlafen. Ich geh dann mal, ich kann Sie ja wohl allein lassen, oder?« JF stellte den Wahlschalter auf P, den Zündschalter auf Aus und machte sich auf den kurzen Weg zum Kaffeeautomaten im Inneren des Restaurants. Ohne es bewusst wahrzunehmen, ließ er zwei große Portionen aus dem Automaten dampfen. Es roch gut, er brauchte jetzt einen Kaffee, nach diesem Tag, nach diesem Stress.

 

»He, Sie, ich hab Ihnen einen Kaffee mitgebracht, den können Sie gut gebrauchen, wie mir scheint. So, nimm mal einen Becher ab. Vorsicht, ziemlich heiß. So nun erzähl mal, was mit dir ist. Warum hängst du hier in den Seilen mitten auf der Autobahn. Mitten im Nirgendwo, mitten in der Nacht, mitten im Regen, wo jeder gescheite Mann längst im Bett ruhen sollte.«

Der Angesprochene nahm den Duft des Kaffees wahr. Mit beiden Händen hielt er den Becher vorsichtig. Er schlürfte das heiße Getränk, es war der erste Lichtblick eines schlimmen Tages. Er nickte dankbar dem jungen Mann zu. Sagen konnte er immer noch nichts, aber seine Gesten drückten den Dank aus.

»Also, was nun? Warum stehen Sie hier in der Einöde mit dem riesigen Gespann. Völlig erledigt, sozusagen am Boden, ausgeknockt – was immer.«

 

»Wie soll ich das so schnell erklären, es hilft nun auch nichts mehr. Ich bin am Ende, ich bin fertig.« Er holte tief Luft, straffte sich, nahm einen Schluck, seufzte tief und wollte sich seinem Schmerz hingeben.

»Was heißt hier ›am Ende‹, was heißt hier ›fertig‹, Sie wollten offensichtlich doch wohin mit Ihrem großen Gerät auf dem Hänger. Wenn Sie dort angekommen sind, dann sind sie fertig, vorher wohl eher nicht! Sag ich mal so.«

 

»Nun ist es sowieso zu spät, ich würde es nicht mehr schaffen. In diesem Zustand nicht und mit dem kaputten Hänger sowieso nicht. Es ist aus, finito, keine Chance, aus der Traum, das war’s dann.« Er nahm einen ordentlichen Schluck vom heißen Getränk, ließ sich zurücksinken.

»Das kaufe ich Ihnen nicht ab, noch schwimmen Sie doch, von Untergang ist nicht die Rede! Ich bin ja auch noch da. Ich werde nach dem Rechten, genauer, nach dem Schaden sehen. Danach entscheiden wir, ob wir den Untergang würdig begehen oder auf eine mögliche Siegeschance anstoßen. Klar, oder? Wo ist die Bordlampe? Ich will doch mal selbst sehen, ob wir noch zu retten sind.«

 

Die Lampe war nicht zu übersehen, sie steckte in der hinteren Seitentasche. JF verließ den Wagen und verschaffte sich einen Überblick über die Probleme, die eine Weiterfahrt behinderten.

Er ließ sich auf den Boden hinunter, um unter den großen Anhänger zu leuchten. Das Deichselrad stand völlig verbogen und abgeschabt in der Gegend. Er hatte zwar bemerkt, dass irgendetwas den kurzen Weg hierher behinderte, aber die Bergung des Hindernisses hatte Vorrang vor einer möglichen Reparatur des verbogenen Gestänges.

Das sollte kein allzu großes Problem sein, das Deichselrad völlig abzuschrauben. Für die Fahrt war es nicht vonnöten, auch beim Rangieren des Tandemhängers war es überflüssig, sofern er ungefähr ausgewogen beladen war. Das herausstehende Maschinenteil hatte sich aus der Verspannung gelöst, es stand mindestens einen Meter quer heraus. So könnte man nicht weiterfahren, das war klar. Die Verpackung des Maschinenteils war unbeschädigt, also war es die Maschine sicher auch. Mit einem ordentlichen Wagenheber ließe sie sich wieder ausrichten und mit zusätzlichen Gurten korrekt befestigen. Er hatte zwei Spanngurte in seinem Auto, für alle Fälle.

Zusätzlich war die Beleuchtungsbrücke beschädigt. Sie war aus den Schrauben gerissen, schleifte auf dem Boden, das Stromkabel war aus der Dreizehn-fach-Steckdose herausgezogen, aber offensichtlich noch funktionstüchtig. Ein starkes Klebeband würde reichen, um Lampen und Stecker zu befestigen. Die Lampengehäuse waren unbeschädigt. Eines der immerhin vier Räder des Tandemhängers sah schlimm aus; der Reifen hatte sich von der Felge geschleift und stand schräg herum. Ein Ersatzrad, das auf der Deichsel auf den Einsatz wartete, würde dies Problem sofort beheben. JF kalkulierte nicht mehr als fünfzehn Minuten für den Austausch.

 

Er holte die kleine Werkzeugkiste aus seinem Cabrio, sie enthielt alle Werkzeuge, um eine Reparatur zu bewerkstelligen. Er knipste die Lampe aus und ging zurück zum hinteren Sitz des Wagens. Der Fahrer hing immer noch schräg und sah ihn teilnahmslos an. Sein Blick drückte immer noch Hoffnungslosigkeit aus.

 

»Und was haben Sie nun festgestellt? Es ist doch sowieso zwecklos. Den Termin morgen früh schaffe ich nicht mehr. An Wunder glaube ich nicht.«

»Schluss jetzt mit Trübsal. Sie ziehen sich den Kittel über, der hinter ihnen im Wagen liegt und dann spucken wir in die Hände. Das Werkzeug habe ich bereitgelegt … auf gehts! Keine Müdigkeit vortäuschen, wie meine Mamma immer gesagt hat.«

 

Er nahm den Fahrer am Arm und half ihm, dem Widerstrebenden, aus dem Auto, gab ihm den Kittel und erteilte Weisungen zum Anpacken. Er ließ keine Fragen und keine Widerrede zu.

 

Das Deichselrad und seine Befestigung waren mit einem 17er Schlüssel schnell abgeschraubt. Das gelang mit rohen Kräften, auch wenn dem Fahrer immer noch die Überzeugung fehlte.

 

Der Herr erwies sich als erstaunlich sachkundig und kräftig. Beide Eigenschaften waren jetzt gefragt, um die verbogenen, ohnehin nutzlosen Befestigungen zu entfernen. Also weg damit! Am besten gleich in den großen Müllcontainer, der unter einer Laterne auf ihren Schrott wartete.

»Sie haben sicher einen ordentlichen Wagenheber im Anhänger? Her damit!«

»Sie sollten misch nicht comme Sie anreden, moi je m’appelle Eduard«, sagte er mit einer leichten Verbeugung und öffnete die Werkzeugklappe des Hängers. »Leuchte mal, hier ist er der hydraulische Heber, nun kann das teure Stück mal genützt werden.«

 

Trotz der nächtlichen Kühle arbeiteten sich beide ins Schwitzen. Als hätten sie schon immer im Team zusammengewirkt, halfen sie sich ohne Worte, reichten sich die Werkzeuge. Der Schaden war schneller behoben, als von JF kalkuliert. Sie richteten die Maschine aus und sicherten sie mit den Spanngurten. Kaum eine Stunde nach dem Beinahe-Zusammenstoß war das Gespann fahrbereit, kein Zweifel, die Fahrt konnte weitergehen.

 

Der übermüdete Eduard realisierte in seinem Zustand nicht so schnell, dass nun nichts mehr die Weiterfahrt behinderte. Doch eines war ihm klar: Er fühlte sich nicht mehr in der Lage, am Steuer des großen Fahrzeugs die Fahrt fortzusetzen und auch gefahrlos zu beenden. Er schüttelte den Kopf. »So geht es nicht, so wird das nichts, wie soll das weitergehen?« Er murmelte eher, als er es aussprach, setzte sich wieder erschöpft in den hinteren Sitz. Sein Gesicht drückte wieder die Verzweiflung aus.

 

JF war sofort bewusst, warum Eduard noch nicht an den Sieg glaubte – erschöpft wie er war. Keineswegs durfte Eduard sich ans Steuer setzen. JF wusste, was zu tun war.

Er brachte sein Werkzeug zurück zu seinem Roadster, spannte das Verdeck zu, steckte den Schlüssel, die Brotschachtel und eine der Wasserflaschen ein.

»Auf geht’s, Eduard, Sie schnallen sich mal ordentlich an, machen es sich hinten bequem und sagen mir lieber, wo die Reise hingehen soll. Ich gehe davon aus, das Ziel ist auf Ihrem Navi gespeichert? Oder was hält uns vom Losfahren ab? Hier, trinken Sie und auf geht’s.«

 

Eduards Gesicht drückte Unverständnis aus. »Ich kann nicht mehr, ich schaffe es nicht, Ihre Bemühungen waren alle umsonst. Wenn morgen früh um zehn Uhr die Maschine nicht beim Unternehmen einsatzbereit steht, ist alles verloren, dann war alles umsonst, alles, alles …«

Mehr brachte er nicht heraus. Er schloss die Augen, verbarg das Gesicht vor seinen Händen, schluchzte leise und ließ den Kopf sinken. Er konnte nicht mehr kämpfen, nicht mehr diskutieren. Wie eine ausgeblasene Kerze sank er schräg in den Sitz, nur vom Sicherheitsgurt gehalten. Sonst wäre er zu Boden gegangen, wie ein ausgeknockter Boxer.

 

JF sah auf die Uhr, schaltete das Navigationsdisplay an. Die verbleibende Dauer der Fahrstrecke war mit vier Stunden kalkuliert. Ankunft um 8:30 Uhr. Das könnte klappen, einschließlich Abladen der Fracht und Aufstellen der Maschine – wo auch immer. Aber es war auch keine Zeit mehr für Zweifel und Diskussionen. JF setzte sich auf den Fahrersitz.

 

Das starke Zugfahrzeug konnte den Anhänger mühelos beschleunigen, er lief sauber hinterher, ohne zu schlingern. Ein bisschen schneller, als die Polizei erlaubt. Kein Problem für die Fahrstabilität. Also ließ JF es dabei. Die Polizei sollte in dunkler Nacht lieber im Schoß der Familie ruhen, als hier herumzukontrollieren. Er glaubte, genau das Richtige getan zu haben: ohne zu fragen und zu fackeln die Fahrt anzutreten.

Eduard schlief inzwischen fest, aber unbequem im Fond des Wagens. Er war sofort eingeschlafen.

 

Sie würden zeitgerecht, wo auch immer, ankommen. Er war sicher, dass vor Ort Personal für das Entladen zur Verfügung stünde, alles andere hatte er in der Hand.

 

Eine unwirkliche Situation: Er half einem ihm völlig Unbekannten aus einer dramatischen Lebenssituation – wenn er das richtig verstanden hatte – und fuhr mit dessen Auto ohne dessen Einwilligung einem ihm unbekannten Ziel entgegen.

 

In schneller Fahrt im Dunkeln auf der wenig befahrenen Autobahn Richtung Norden – das konnte er auf dem Navi erkennen. Er hatte das Gefühl, nun nicht mehr viel zur Reise beitragen zu müssen. Das große Auto stellte alle erdenklichen elektronischen Hilfen für eine mühelose und sichere Fahrt bereit. Das Navigationsgerät wusste offensichtlich genau, wohin die Reise ging. Er konnte sich also zurücklehnen, die Fahrt genießen, etwas trinken und das Reisebrot essen, das er sich heute Morgen zubereitet hatte. Die Atmosphäre war so entspannt, so beruhigend, dass er sich bei dem Gedanken ertappte, er könne sich nun auch ein kleines Schläfchen gönnen.

Fast unmerklich wurde der Himmel rechts von ihm heller; ein zart rot gefärbter Horizont kündigte den Sonnenaufgang an. So fuhr er in den rosaroten Morgen hinein.

 

Man wartete schon auf sie. Das Schiebetor öffnete sich sofort, als sie auf das Werksgelände einbogen. Vor einer der Hallen standen Monteure, die das Nummernschild erkannten und ihn zu einem der Hallentore einwiesen. Ein Schwenk und ein wenig rückwärts und abkoppeln. Das Tor wurde aufgeschoben, einige weitere Leute, offensichtlich auch der Chef oder der Werkleiter, kamen freudig aus der Halle und begrüßten JF mit großer Geste.

 

»Bonjour Monsieur, bienvenu«, rief der Chef und streckte ihm die Hand aus, zog ihn an sich, um ihm auf die Schultern zu klopfen. »Ich bin Georg Menzinger, bin hier der Chef. Mehr Französisch kann ich nicht … sorry. Nennen Sie mich Georg, wir sind hier nicht so förmlich. Wir haben schon Wetten abgeschlossen, ob Sie es zeitig schaffen. Sonst … Katastrophe.« Er zwinkerte mit einem Auge, rieb sich die Hände, freute sich unbändig gestikulierend.

 

»Leute, macht den Hänger klar, schiebt ihn direkt neben die Arbeitsstraße und packt den Automaten sorgfältig aus. Den Stapler will ich selbst fahren, um die Maschine vom Hänger auf den Sockel zu heben.«

 

»Guten Morgen, mein Name ist Jean-François, aber meine Freunde nennen mich JF. Ich bin ja offensichtlich zuständig für die Auslieferung – ausnahmsweise. Sie sehen, wir sind pünktlich, haben Sie daran gezweifelt? Ich gebe zu, dass wir alle Probleme beseitigen mussten, ein Riesenkraftakt, aber daran sind wir gewöhnt, uns hält so was nicht auf. Aber Sie kennen das ja auch, vor einer anstehenden Auslieferung verschiebt sich alles nach hinten und das Murphy’sche Gesetz gilt überall: dass alles schiefgeht, was schiefgehen kann. Aber …« Er machte eine ausladende Geste mit dem Daumen nach oben, »hier sind wir rechtzeitig und nur das zählt.«

»Sie gefallen mir, junger Freund.« Georg Menzinger klopfte JF auf die Schulter. »Woher sprechen Sie so fehlerfrei Deutsch? Das hätte ich nicht erwartet, ich wollte schon mein Englisch herauskramen, um mich zu verständigen. So gefällt es mir besser. Sind Sie allein gekommen oder waren Sie zu zweit? Bei einer solch langen Reise hätte ich Letzteres erwartet.«

»Ja, wir sind zu zweit. Der Chef schläft noch im Auto, soll ich ihn wecken oder kommen Sie auch ohne ihn klar?«

 

»Nee, lass ihn man schlafen, wir bereiten alles vor. Meine Leute haben ja in Monaco eine Ausbildung genossen.« Er zwinkerte erneut und sagte mit wissendem Lächeln. »Nicht nur am Automaten, sondern …« er machte eine bedeutungsvolle Pause, »sondern auch in sozialen Fragen. Die Mädchen da unten an der Côte d’Azur scheinen es ja wirklich drauf zu haben, wenn mir das korrekt berichtet worden ist.« Leiser sagte er: »Schade, dass ich nicht mit dabei sein konnte, das hätte mir noch gefehlt. Aber den Jungs hab ich’s gegönnt, sie schwärmen heute noch von den Tagen und Nächten da unten im Süden. Und sie sind hoch motiviert, wie Sie sehen. Sie sind die Stars in der Firma. Ich freue mich für meine jungen Leute, ich bin so stolz auf sie.«

 

»Dann sollten wir das gemeinsam nachholen, den Sozialkurs. Ich kenne mich da unten auch noch nicht gut aus, hatte immer keine Zeit für die schönen Sachen im Leben.«

JF lachte kurz jungenhaft auf. Er hatte keine Mühe, überzeugend den Auslieferungsbeauftragten des Unternehmens von Eduard zu spielen. Er wusste noch nicht mal, wie die Firma hieß. Beide Firmen. Aber immerhin hatte er nun mitbekommen, dass die gelieferte Maschine ein Handhabungsautomat sein musste, ein Industrieroboter, so was in der Art.

 

»Was reden wir so lange herum, Jan – ich darf doch Jan sagen? Das gefällt mir besser. Kommen Sie mit, wir nehmen erst einmal ein ordentliches Frühstück ein, das haben Sie sich verdient. Und Ihren Chef lassen wir mal schlafen, er wird sich schon melden, wenn er was von uns will.«

 

Eduard fiel aus allen Wolken, als er aussteigen wollte. Er konnte es nicht glauben: Sie hatten den Roboter an das Unternehmen ausgeliefert. Ihm traten die Tränen in die Augen. Er schniefte, riss sich aber zusammen. Keine Schwäche zeigen! Er war nun – fast ohne sein Dazutun – der strahlende Sieger geworden. Es war wie ein Traum, wie ein Wunder nach der furchtbaren Nacht gestern und den aufreibenden Wochen davor. Mit schlaflosen Nächten, um den viel zu kurzen Termin einhalten zu können.

 

Alle Mitarbeiter, auch der Chef, standen um den roten Roboter herum, den man elektrisch und hydraulisch angeschlossen hatte und der nun für seine Aufgabe in der Fertigungsstraße einprogrammiert wurde. Das machten die jungen Leute, die offensichtlich große Erfahrung damit hatten. Sie riefen, sich kryptische Codes zu und nach kurzer Zeit ließ man die Fertigungsstraße anlaufen. Alles lief wie am Schnürchen, als wäre das immer so gewesen. Kein Problem, unter Technikern konnte man sich über Zeichnungen und Skizzen leicht verständigen, die Sprachbarrieren ins Französische oder Englische oder Deutsche waren keine Hürde für die Verständigung.

 

Der Betriebschef strahlte mit Eduard um die Wette, sie klopften sich ab und zu auf die Schulter. Das deutete auf das große Vertrauen hin, das sie nach diesem triumphalen Sieg nun verband.

Eduard ließ sich zwar immer noch nicht zum Frühstücken überreden, aber einen starken Kaffee könnte er sich schon gönnen, er wollte dabei sein bei dieser Abnahme des Handhabungsautomaten und sich selbst vergewissern, dass kein – und sei es noch so kleines – Problem die Funktionstüchtigkeit schmälerte.

Das hübsche Kantinenmädchen, wie er annahm, drückte ihm doch ein saftiges Mettbrötchen mit Zwiebelringen in die Hand, um ihm bon appetit zu wünschen. Er nahm es in seiner Anspannung nicht wahr und biss in das würzige Brötchen hinein, ohne es recht zu bemerken.

 

Erst später holte er das Versäumte nach, sich mit bisou, bisou bei der hübschen Küchenfee Moni zu bedanken. Er hätte sie gern umarmt, wie er die Welt hätte umarmen wollen, aber das fand er doch unangemessen, obwohl sie eine charmante Schönheit war und gut mit dem Chef konnte. Die hatten doch nichts miteinander? So was von charmant, wäre ihnen beiden ja nicht zu verdenken.

 

Jean-François fand es an der Zeit, sich wieder auf den Weg zu machen. Ein Mitarbeiter würde ihn zurück zum Autobahnrastplatz zu seinem Auto bringen. Seine Mission war erfüllt. Er konnte hier nichts weiter tun, als sich zu verabschieden.

 

Er brauchte Eduard, den Unternehmer aus Monaco, nicht zu fragen. »Comment ça va?«, wie es ihm gehe. Dessen leuchtenden Augen drückten auch ohne Sprache aus, wie er sich fühlte. Einfach nur glücklich, dass sie es geschafft hatten. Er war sprachlos, er war zu aufgewühlt, um JF hinreichend danken zu können. Sie umarmten sich einfach nur und er dankte ihm ohne Worte mit seinen blitzenden Augen. Das war JF Dank genug. Er hatte einfach nur das getan, was getan werden musste, um einem Menschen aus der Not zu helfen.

Nicht mehr.

JF verabschiedete sich von den Mechanikern und dem Firmenchef, stieg in den Fond des großen Firmenwagens, um nun zu schlafen. Der junge Fahrer gab Gas und weg waren sie.

Erst lange Zeit später realisierte Eduard: Er hatte JF nicht nach seinem vollen Namen und der Kontaktadresse gefragt. JF war einfach weggefahren, ohne auf Dank zu warten. Unglaublich!

 

Das war’s, dachten beide. Ein großes Ereignis in beider Leben.

Erst viele Wochen später bekam er eine E-Mail von JF, der über den deutschen Unternehmer seine Mail-Adresse in Erfahrung gebracht hatte. Er teilte ihm mit, die Werkzeugkiste aus dem Anhänger sei versehentlich in seinem Cabrio gelandet, mitten in der Nacht auf dem Parkplatz im Nirgendwo.

Eduard schrieb ihm, er lade ihn ein, die Kiste bei Gelegenheit in Monaco vorbeizubringen. Dort könne er sein Gast in seinem Gästehaus sein, so lange er wolle und dort würde er ihm gern seinen großen Dank zukommen lassen.

5. Planschmiederei

5. Planschmiederei

 

 

 

 

 

Nachdem JF die dramatische Rettungsaktion so cool erzählt hatte, holten seine drei Zuhörer erst einmal Luft. »Woow, quelle aventure«, welch ein Abenteuer!

»Tu es le meilleur, JF.« Marie sagte, dass er der Größte für sie sei. Ihr Papa blinzelte gerührt ein paar Tränen weg.

 

Er umarmte JF vorsichtig, so gut das eben möglich war und konnte vor lauter Rührung nur »merci, merci« sagen, mehr brachte er nicht heraus. Er würde dessen Hilfe sein Leben lang nicht vergessen. Für ihn stand es auf des Messers Schneide, weil die Verlängerung eines Bankkredits an die Bedingung geknüpft war, den neuen Roboter beim deutschen Kunden in Betrieb zu nehmen. Die Kreditsumme hatte der Entwicklung des neuen Roboters gedient. Sie würde sich schnell amortisieren wegen der Aufträge, die die Testinstallation in Deutschland nun nach sich zog.

 

MaSo war geschockt. Es war auch ihr nahegegangen, dass der Papa ihrer besten Freundin in einer solchen Bredouille gesteckt hatte.

Marie war einmal mehr klar: Ihr Vater war völlig entkräftet, und zwar seit Wochen. Und nicht das erste Mal.

Sie würde ernst mit ihrem Papa reden müssen. Er müsste endlich an seine Gesundheit denken. Alle seine Argumente, im Unternehmen unabkömmlich zu sein, zählten für sie nicht mehr. Sie wagte es nicht, sich vorzustellen, was mit der Firma passieren würde, fiele Eduard als Chef für längere Zeit aus.

 

MaSos Bewunderung für JF überstieg alle Grenzen. Vor lauter Rührung und Dankbarkeit fiel sie schneller als Marie über JF her, um ihn ordentlich abzuknuddeln.

»Tu es mon héro!« Ihr Held!

Marie waren die Tränen nur so geflossen, deshalb musste sie sich erst einmal die Nase schnäuzen, die Augen trockenreiben und den Schock überwinden, um gleichfalls JF ihre Dankbarkeit auszudrücken.

 

»Tu es vraiment mon prince, je t’adore!« Für sie war er der lebendig gewordene Märchenprinz, den sie glühend verehrte. Sie hielt sein Gesicht in ihren Händen und gab ihm einen langen achtungsvollen Kuss auf den Mund.

»Es ist lieb von euch beiden, JF so eure Hochachtung auszudrücken.« Eduard lächelte verschmitzt. »So toll küssen wie ihr kann ich nicht, beileibe nicht.«

 

Marie war nach der Schilderung des Unfalls ihres Vaters bewusst geworden, dass ihr Papa offensichtlich seine gesundheitlichen Grenzen weit überschritten hatte. Sie musste selbst mehr Verantwortung in der Firma übernehmen. In den nächsten Tagen würde sie mit ihrem Papa darüber sehr ernsthaft sprechen. Sie wollte nicht abwarten und das Risiko eines Herzinfarktes eingehen. Sie würde darauf dringen, sich bei einem Herz- und Kreislauf-Spezialisten endlich mal durchchecken zu lassen. Aus Zeitmangel hatte er das immer vor sich hergeschoben. Nun bestand sie darauf. Dieser Crash war das Signal.

 

Sie beendeten ihr Frühstück.

Eduard bat nun seinen Freund Jean-François, ihn Eduard zu nennen, er würde sich glücklich schätzen, sein Freund zu sein. »De même, de mon côté, moi je m’appelle Jean-Francois, mais pour mes amis: JF.« Er wollte nun auch JF genannt werden.

»Parfait, on fait comme ça!« So wollten sie es halten.

 

»Nun erzähl doch mal, wenn du magst, was du so vorhast. Du bist nun unabhängig und offen für neue Aufgaben, hast du gesagt?«

»Ja, das ist wirklich so. Ich habe sogar meine kleine Wohnung aufgelöst. Viele Sachen hatte ich ohnehin nicht. Als Berater hat man gar keine Zeit für ein richtiges Privatleben, ich habe meine Wohnung ohnehin nur zum Schlafen benutzt, und das noch nicht mal, weil ich natürlich sehr viel unterwegs war.«

»Das klingt ja aufregend«, bemerkte Marie. »Da können wir drei oder vier so richtig was unternehmen, jetzt hast du ja Zeit, oder?«

 

»Das wohl, aber dein Papa fragt ja nach Zukunftsplänen, und nicht nach dem Urlaub. Also, ich will mir die Muße nehmen, darüber gründlich nachzudenken. Aber erste Ideen habe ich schon. Ihr könnt mir ja sagen, ob das sinnvoll ist oder nur ein Hirngespinst.

Erstens: Ich möchte, wenn das möglich ist, mich hier im Süden ansiedeln.

Zweitens: Ich werde in meinem Beruf als Berater bleiben, aber in eigener Verantwortung und nicht mit einer Siebzig-Stunden-Woche.

Drittens: Ich möchte endlich mal wieder leben. Geld ist wirklich nicht alles, es gibt wichtigere Dinge im Leben. Ich möchte Freunde haben.« Er guckte sich stolz um. »Drei habe ich ja schon gefunden, und was für tolle Freunde! Und ich möchte Kunst und Kultur auskosten und die wunderschöne Landschaft hier im Süden genießen. Mit einem Wort: Ganz normale Dinge tun, die ich bisher nicht haben konnte, die ich sehr vermisst habe.«

 

»Das klingt realistisch. Der Standort ist für deine Zwecke wirklich geeignet. Wir leben hier zwar weit im Süd-Osten Frankreichs, aber es gibt viele Flüge von Nizza täglich überall hin in Europa. Mit dem Auto sind die Entfernungen in Deutschland viel länger bei dem Verkehr dort. Ob du hier in Monaco oder Südfrankreich sofort dein Beratungsgeschäft fortsetzen kannst, kann ich nicht beurteilen, aber du musst ja nicht von jetzt auf hundert Prozent einsteigen. Lass dir Zeit. Du darfst bei mir wohnen, solange du willst. Versprochen!«

 

»Papa, ich habe eine Idee, wie wäre es, wenn JF in deiner Firma als Berater einsteigen würde. JF hat mir berichtet, dass jedes Unternehmen Beratungsbedarf hat. Das Problem sei nur der Einstieg, das Vertrauen der Unternehmensleitung. Stimmt doch so, oder?«

JF bestätigte ihren Einwurf. Er wollte auf ihren Vorschlag aber nicht eingehen, es war nicht der geeignete Zeitpunkt das jetzt anzusprechen.

Eduard sah das auch so. »Über so etwas habe ich noch nicht ernsthaft nachgedacht, ich bin immer viel zu beschäftigt. Und mein Problem damit ist: Ein Berater bringt mit Sicherheit Unruhe ins Unternehmen, weil viele Mitarbeiter Veränderungen hassen wie die Pest und um ihren Job fürchten. Aber wir sollten trotzdem in den nächsten Tagen darüber sprechen, was immer dabei herauskommt.«

Eduard sagte bewusst nicht: ›Wir können ja mal darüber sprechen‹. Er mochte dieses unverbindliche Wort nicht, es wurde hier im Süden allzu häufig verwendet, weil die Menschen sich nicht festlegen wollten. Es klang freundlicher als ein Nein. Aber im Geschäftsleben ging es vorrangig nicht um Freundlichkeit, sondern um ein klares Vorgehen für den Erfolg, für die Mitarbeiter, für das Wohlergehen des Unternehmens.

 

»Dass du dein Privatleben aktivieren willst, ist sehr löblich, ich weiß, wovon ich rede. Ich habe viel zu wenig davon – ist doch so, nicht, Marie?«

»Ach, Papa, ich habe dich noch nie davon überzeugen können, weniger zu arbeiten, aber vielleicht bringt JF dich ja dazu. Er kann das wahrscheinlich besser begründen als ich.« Sie rollte theatralisch mit den Augen.

 

»Ich mache gleich einen Vorschlag, den keiner von euch ablehnen darf: Ich habe vier Karten für die nächste Gala der ›Opéra de Monte-Carlo‹ reservieren lassen. Wir machen dann auf ganz vornehm. Wie findet ihr das?«

JF war schnell, das mussten sie ja anerkennen, er machte gleich Nägel mit Köpfen, »passer à l’acte« auf Französisch – und ablehnen wollte niemand, dazu war die Idee viel zu verlockend.

 

»D’accord.« Eduard freute sich über den Vorschlag. »Ich bin der Boss mit dem dicken Portemonnaie, also muss ich auch bezahlen. Meine Sekretärin kann das alles regeln, vielleicht ist für sie und ihren Mann ja auch eine Karte dabei. Damit kann ich mich bei ihr bedanken. Sie macht einen großartigen Job! Wie hast du vorhin so schön gesagt: Geld ist nicht alles. So ein Platz einer Galavorstellung ist mehr wert als die hundertfünfzig Euro, die das kostet.«

 

»Was ist das für eine Oper? Verrätst du uns das, oder ist das geheim?«

»Nein, keineswegs. Außerdem könntet ihr das leicht im Internet nachschauen. Es ist ›Manon‹ von Jules Massenet. Soll eine tolle Aufführung sein.«

 

»Ich weiß genau, was die beiden Hübschen als Nächstes sagen werden. Na, was sagen sie bestimmt?« Wie aus einem Mund riefen die Beiden wie erwartet: »Wir haben gar nichts anzuziehen.« Eduard verdrehte die Augen dazu.

»Ja, die Weiber, immer das Gleiche.« Aber Eduard hatte doch Verständnis dafür, weil er sich zu diesem Anlass natürlich mit den schönsten Frauen Monacos umgeben würde. Außerdem war er stolz auf seine Tochter und ihre Freundin.

Die Männer hatten, wie immer, kein Problem damit: Ein Smoking, ein weißes Hemd und eine schwarze Fliege, schon würden sie perfekt gekleidet sein.

 

Eduard freute sich unbändig, er klopfte JF auf die Schulter. »Du lässt mit deinem Vorschlag erkennen, dass du es ernst meinst mit Freunden und Privatleben. Alle Achtung, wir sind mit von der Partie.«

»Wir brauchen erst einmal etwas zu trinken auf den schönen Schreck.«

Eduard wollte aber wenigstens eine Frage zu JFs Zukunftsplänen ansprechen: »Wo willst du dich denn dauerhaft mit eigener Wohnung häuslich niederlassen?«

»Dazu kann ich wirklich noch nichts sagen, ich kenne die Region hier an der Côte d’Azur viel zu wenig. Deswegen kann ich mich jetzt noch nicht entscheiden.« Eduard verstand das und machte deshalb den Vorschlag, so lange hier oben zu wohnen, bis er was Eigenes gefunden habe. »Klingt gut, danke sehr, das will ich gern annehmen, ich werde mich dafür angemessen revanchieren.«

»Das musst du wirklich nicht, Jean-François, mein Dank an dich ist grenzenlos, ich meine das ernsthaft!

Was hältst du davon, wenn ich dir in den nächsten Tagen unsere Firma zeige? Ich bin sicher, das wird dich interessieren. Bei der Gelegenheit können wir die beiden Mädchen mitnehmen, sie wollen sicherlich Kleider angucken. Liege ich da richtig, Marie und MaSo?«

Die beiden reckten den Daumen nach oben.

»Klar sind wir damit sehr einverstanden; wir sind schon aufgeregt wegen der Gala. Und das Kleiderproblem muss sofort angegangen werden, schließlich sind es nur noch wenige Tage bis dahin.«

 

Eine Woche später war JF wieder auf dem Damm. Nur ein dickes Pflaster zierte noch die linke Kopfseite. Nun wollte er endlich das große Anwesen kennenlernen. Eduard freute sich darauf, es ihm vorzustellen.

 

JF war erstaunt: »Mir war gar nicht klar, dass Monaco solche Ausdehnung hat, ich habe immer geglaubt, das Staatsgebiet läge nur unten am Meer. Wir sind hier doch viele Kilometer entfernt, dazu noch achthundert Meter hoch, wie ich verstanden habe.«

»Es stimmt, Monaco liegt nur unten am Meer und ist wirklich sehr klein. Es grenzt, außer am Meer, überall an Frankreich. Oberhalb von uns beherbergt der Mont Agel Militäranlagen, er gehört zu Peille, ebenso unser Grundstück und das der Fürstenfamilie. Es liegt zwischen uns und dem Golfplatz. Und drüben im Osten der Startplatz für die parapentes, die Gleitschirmflieger, befindet sich bereits in der Gemeinde Roquebrune.«

 

»Ah ja, jetzt wird mir so einiges klar: Der Startplatz ist unter uns Fliegern berühmt, wird aber immer als Startplatz von Monaco bezeichnet. Gelandet wird unten am Strand in der Bucht Golfe Bleu in Roquebrune. Direkt hinterm Bahnhof.«

»Ja, ab und zu fliegen sie in der kalten Jahreszeit hier herum. Im Sommer ist das nicht erlaubt, weil sie dann nicht auf dem dicht bevölkerten Strand landen dürfen«, wusste Eduard zu berichten.

»Wir machen mal einen kleinen Spaziergang um das Anwesen herum. Es ist so etwa einen halben Hektar groß und weitestgehend naturbelassen. Nur um die Wohngebäude und die ehemaligen Stallungen herum haben wir einen Garten angelegt. Nur dieser wird automatisch bewässert.«

»Danke Eduard, sehr gern möchte ich alles sehen, wo ich ja einige Zeit hier wohnen werde, dank deiner Großzügigkeit.«

»Nein Jean-François, nicht großzügig, sondern nur dankbar. Ich bin weiterhin in deiner Schuld!«

»Für mich war das keine besondere Tat, nur eine Selbstverständlichkeit, einem Menschen in Not zu helfen, mehr nicht.«

»Wenn es mehr Menschen mit deinem Selbstverständnis gäbe …«, stellte Eduard fest.

 

»Ist ja schon gut ... komm erzähl mal, wie wurde das Anwesen früher genutzt?«

»Als landwirtschaftliche ferme, also als Bauernhof. Man hat vor langer Zeit die sehr typischen restanques geschaffen, um Gemüse anzubauen. Diese Terrassierung ermöglichte überhaupt erst die Landwirtschaft. Der Mangel an Niederschlägen in der Sommerzeit ist zwar gut für den Tourismus, aber ganz schlecht für die Landwirtschaft. Schau hier, dieser runde Betonspeicher stammt aus dieser Zeit. Damit konnte man einige Monate über die Runden kommen – oder eben nicht. Also, rentabel war die Landwirtschaft nicht, schon gar nicht hier in der Höhe. Also haben irgendwann alle Betriebe aufgeben müssen.«

 

»Und da hast du zugeschlagen? Oder hat dein weiches Herz entschieden, das Grundstück zu kaufen?«

»Komm, ich will mich nicht besser darstellen, als ich bin. Ich bin Unternehmer. Aber für die Familie des Verkäufers waren der Kaufpreis und meine Modalitäten ein Segen. Sie konnten mit dem Verkauf beruhigt in ihr wohlverdientes Altenteil wechseln. Ich zahle ihnen über den Kaufpreis hinaus eine kleine lebenslängliche Rente. Ohne schlechtes Gewissen, da sie mir heute immer noch dankbar sind.«

»Eduard, du gefällst mir, wir sind wie Brüder, wenngleich auch aus anderen Generationen.«

Sie klatschten die Hände aneinander und freuten sich mächtig, dass sie Brüder im Geiste waren, na ja … oder so etwas in die Richtung.

 

»Also, der Naturbewuchs hier in dieser Umgebung ist zwar vielfältig, aber nicht spektakulär. Neben einigen niedrigen Kiefern und Steineichen wachsen nur die resistenten Gewächse der Region: Rosmarin, Thymian, Ginster, Wacholder, Heide und eine Vielzahl von Pflanzen, die zu unterschiedlichen Zeiten blühen. Ich kenne sie nicht mal alle, genieße aber all diese Wildkräuter. Ich fühle mich hier in der Natur geborgen und bin ein Bestandteil von ihr, die Kräuter schenken mir ihre Blütenpracht und ihren zarten Duft und ich schenke ihnen ihr Leben. Wir werden hier keinen künstlichen Garten anlegen, das bin ich ihnen schuldig.«

 

JF war beeindruckt von diesem Bekenntnis. Es ging ihm nahe. Er hatte nicht geglaubt, dass Eduard, so sensibel war. Er, der tatkräftige Unternehmer, der Verantwortung für eine große Anzahl von Menschen hatte.

»Das Anwesen ist nicht mal vollständig eingezäunt. Wenn du von uns nach Norden hinaufgehst, wirst du nicht erfahren, wo unser Grundstück aufhört und wo die unberührte Natur beginnt. Das gibt mir ein Gefühl von Freiheit.«

 

Der Blick hinunter zum Mittelmeer war traumhaft. Man konnte nach Osten die italienische Küste von Ventimiglia, Bordighera und sogar San Remo sehen. Und weit unten Monaco und die französische Riviera. Cap-d’Ail, die Halbinsel Saint-Jean-Cap-Ferrat, die Baie des Anges von Nizza und weiter im Westen Cap-d’Antibes, das Küstengebirge Esterel und im Dunst sogar Saint-Tropez.

Der Berg unterhalb von ihnen war zerklüftet. Man konnte die Straße mit ihren vielen Spitzkehren nur da und dort erkennen.

Welch wilde Landschaft! In der die Meeralpen, die Alpes Maritimes, tausend Meter quasi bis ins Meer stürzen.

 

»Ihr habt es großartig hier oben«, stellte JF andächtig fest, er war beeindruckt von der sie umgebenden Naturlandschaft.

»Ja, man nimmt das nur wahr, wenn man sich ab und zu bewusst macht, welchen Vorzug wir genießen, hier zu wohnen. Mir geht auch nach Jahren immer noch das Herz über und ich bin dankbar, hier sein zu dürfen.«

 

JF war berührt, er legte den Arm auf den von Eduard. Sie beendeten den Rundgang und gingen um das Haus herum, um den Garten zu bewundern. An mehreren Wänden waren wilder Wein angepflanzt und Efeu, beide Pflanzen rankten sich am Haus hoch. Besonders beeindruckend in ihrer Farbpracht waren die lila-blühenden Bougainvillea, die mit dünnen Drähten fixiert eine Hausseite schmückten.

An einer Schutzmauer prangte eine Rosenpracht, die sich auch über einen Wandelgang erstreckte, der vom Haus in ein verwunschenes Gartenrondell führte mit zwei Teakholzbänken. Der Sonnenschutz des Rondells bestand aus einem Blütenmeer von Glyzinien. Ein Rückzugsort, den Marie gern benutzte. Über den Eingang schüttete eine feuerrote Rose ihre Blütenpracht aus.

 

Das Wohnhaus hatte seinen ländlichen Charakter bewahrt. Die alten, unglasierten Terrakottafliesen in fast allen Räumen stammten noch aus der Zeit der bäuerlichen Nutzung.

Fliesen sind hier im Süden gebräuchlich, weil sie in der warmen Jahreszeit wunderbar die Kühle der Nacht bewahren. Einige Wände der Eingangshalle hatten keinen Putz, sondern die Natursteine waren sichtbar ebenso die dicken Balken an den Decken.

Als Gegenpol zu dieser rustikalen Atmosphäre standen in allen Räumen schmucke Schränke und Truhen, die offensichtlich aus der Provence stammten. Daneben gab es aber auch Möbel aus der Bauhaus-Zeit. Also von Mies von der Rohe, Marcel Breuer und, in solchen Ensembles unverzichtbar, der Lounge Chair von Charles Eames.

Das alte Doppelbett in Maries Zimmer war mit einem kuscheligen, auf gedrechselte Bettpfosten gespannten Himmel versehen. Die Gardinen: einfache voiles, halbdurchsichtige weiße Leinenstücke, die an Gardinenstangen über den Fenstern befestigt waren und bei jedem Luftzug in sanften Schwingungen auswehten.

Sie beendeten ihren Rundgang.

 

Wenn die beiden Schönen fertig wären, könnten sie sich heute mit dem Auto bis ans Meer hinunterstürzen, um das Unternehmen von Eduard kennenzulernen. Eine sportliche, kurvenreiche Fahrt hinab ins Gewühl der belebten Stadt.

 

Die beiden jungen Frauen hatten sich ein wenig schicker angezogen für die Shopping-Tour unten in Monte-Carlo mit seinen eleganten Geschäften für die Reichen und Superreichen, die in dieser Region lebten. Da sie für die Rückfahrt lieber unabhängig voneinander sein wollten, nahmen sie zwei Autos.

»Also, ich würde ja allzu gern mit deinem englischen Roadster mitfahren. Einen Morgan finde ich absolut toll, aber ich habe noch nie in einem gesessen, geschweige denn damit gefahren.«

»Ok, dann ist die Sache klar! Marie will es wirklich wissen, auch wenn ich sie warnen muss. Der Morgan ist knallhart gefedert und sehr leicht, hat keine Servolenkung und Servobremse. Wie alle Autos aus der Zeit. Man hat ihn seit drei Jahrzehnten nicht verändert, nur Motor und Getriebe und sonstige Technik sind zeitgemäß.«

»Ach, das ist kein Oldtimer? Das habe ich nicht gewusst.«

»Nein, nicht wirklich, nur das Design und Konzept ist ›Oldtimer‹, die Technik ist neu, man kann ihn heute noch neu kaufen.«

»Also, abgemacht, ich fahre trotzdem mit dir, ich hab ja Vertrauen in dich. Und Papa nimmt MaSo mit, sie darf es ein wenig bequemer haben in Papas Benz.«

 

MaSo kicherte. »Ich wollte immer schon deinen Papa für mich allein haben, das hast du nun davon. Komm, Eduard, wir machen es uns bequem. Die beiden hängen wir doch mühelos ab oder hast du deine Rallye-Erfahrungen abgelegt?«

Eduard hatte keineswegs die Absicht, eine Rallye nach Monte-Carlo zu veranstalten, er freute sich darauf, die wunderbare Strecke hinunter ans blaue Meer zu genießen, und das konnte man nur bei langsamer Fahrweise.

 

Sie fuhren auf Sichtkontakt hintereinander her. So konnte MaSo mit ihrem iPhone Bilder von den beiden anderen in ihrem englischen Roadster schießen.

 

Auf dem Betriebsgelände parkten sie die Autos. Dann trennten sich ihre Wege. Die Frauen verabredeten sich mit den Jungs in zwei Stunden auf einen Tee auf der Terrasse des ›Café de Paris‹, direkt vor dem Casino Monte Carlo. JF hingegen bestand auf einem Tee im ›Café de Paris‹ vor der Opéra de Monte Carlo. Die beiden Mädchen blinzelten sich verschmitzt zu.

»Na gut, ihr vor der Opéra, wir vor dem Casino. Man wird ja sehen …«

JF war verwirrt, wollten sie denn nicht gemeinsam Tee trinken oder was hatten die Mädchen nun wieder vor?

»Ach, komm, Jean-François, die beiden jungen Dinger haben nur Unsinn im Kopf, wir lassen sie lieber ziehen. Wir beide machen einen Rundgang in der Firma, ich muss mich heute noch um meine Leute und einige Sachen kümmern, das passt gut zusammen.«

 

Was er JF nicht sagte, war sein unbestimmtes Gefühl, es könne irgendetwas Unangenehmes passieren in der Firma, wenn er nicht immer präsent wäre. Er spürte etwas Unheilvolles, das über ihrem Unternehmen schwebte. Er war sicher, dieses Gefühl kam nicht aus dem Nichts, es speiste sich aus Ereignissen, die er unbewusst aufnahm und die sich zu so etwas wie einer Ahnung verdichteten. Klingt kompliziert, aber er hatte kein gutes Gefühl, um es einfach zu sagen. Deshalb war er immer von früh bis spät im Unternehmen anwesend. Seit langer Zeit.

Er würde das nicht auf sich beruhen lassen. Nur, was sollte er konkret tun? Mit wem sollte er darüber reden? Seine Freunde hier im Süden würden ihm nicht weiterhelfen können, weil er noch nicht mal wusste, was er fragen oder welches Problem er nennen konnte.

Eine verrückte Idee keimte in ihm auf: Warum nicht mit Jean-François darüber reden? Er war Profi im Beratungsgeschäft, seine Stärke war sicher die vollständige Analyse von Unternehmen: Prozesse, Stimmungen, Zusammenhänge also weiche Informationen, die aus Gesprächen mit Mitarbeitern stammten. Zusätzlich zu den harten Fakten und Zahlen aus den Buchhaltungssystemen.

 

Er scheute sich im Moment auch, Marie in seine Ahnungen einzubeziehen. Sie war in letzter Zeit nicht gut beieinander. Sie hatte zu viel wegstecken müssen mit dem Tod der Mutter und dem schrecklichen Ende ihrer Beziehung. Sie hatte noch weitere Probleme, die er zwar nicht kannte. Aber seine Ahnung sagte ihm: Sie hatte offensichtlich Sorgen. Er konnte das spüren. Deswegen wollte er sie mit den Problemen der Firma nicht belasten. Indem er JF gedanklich einbezog, war er froh, einen möglichen Ansatz für sein Problem gedacht zu haben.

 

Er erinnerte sich daran, dass Marie vor den Malaisen eine richtige Powerfrau war, ihr Naturell. Deswegen hatte Eduard sie schon seit einiger Zeit mit allen Vollmachten in der Firma ausgestattet. Für alle Fälle.

 

Er erinnerte sich an das Drama der Auslieferung eines Roboters an einen kritischen Kunden: »Ich fordere Sie sofort auf, diesen Fehler zu beseitigen, sonst veranlasse ich, dass sie gefeuert werden!« So hatte der Chef eines Kunden einen ihrer Mitarbeiter angebrüllt und es hätte nicht viel gefehlt und er hätte ihn tätlich angegriffen.

»Monsieur, le Chef«, hatte Marie cool erwidert, »so reden Sie nicht mit unserem Mitarbeiter! Wie kommen Sie dazu, das zu tun. Er hat diesen Fehler überhaupt nicht verursacht. Ihm unterlaufen solche Fehler nicht! Er ist einer unserer verlässlichsten Mitarbeiter. Wenn Sie jemanden zum Anbrüllen brauchen, dann brüllen Sie den Chef unserer Roboterfirma an. Der ist verantwortlich auch für diesen Fehler und dem können Sie ihr Missfallen mitteilen, so laut wie Sie wollen. Aber trotzdem haben Sie recht, der Fehler hätte nicht passieren dürfen!«

»Klingt ja gut, nur wo ist der Chef, wenn ich bitten darf! Ich bin so in Rage, ich würde den Chef liebend gerne anbrüllen, wenn ich nur könnte!«

»Monsieur, tun Sie sich keinen Zwang an, er steht vor Ihnen. Sie können mich anbrüllen, wenn Ihnen danach besser ist.«

»Was, wie? Sie wollen mich auf den Arm nehmen! Sie wollen der Chef sein? Das können Sie mir doch nicht erzählen! Wer sind Sie überhaupt, so ein junges Ding?« Und dachte dabei, so eine wunderschöne Frau fehlt mir gerade noch in meinem Zustand.

»Wie ich Ihnen gerade sagte: Ich bin die Juniorchefin. Ich bin verantwortlich für diesen Fehler. Ich entschuldige mich offiziell bei Ihnen. Wir werden das Problem sofort beheben. Wir nehmen Ihre Probleme sehr ernst. Es sind nun unsere Probleme. Sie können mich jetzt anbrüllen, wenn Ihnen danach besser ist. Ich stehe zur Verfügung.«

Sie sah ihm ins Gesicht, wie man einen Duellanten in früheren Zeiten angesehen hatte. Nur zu, zieh deinen Degen!, dachte sie.

»Stimmt das wirklich?« Er sah zum Mitarbeiter, um sich dessen Bestätigung einzuholen.

»Ja natürlich, sie ist unsere Chefin.« Das Wort ›Junior‹ sparte er lieber aus, um ihren Status nicht zu mindern.

»Donnerwetter, eine so schöne Frau als Chefin, das hat was!« Die Aufregung des Kunden war schlagartig verpufft. Was machte diese Chefin nur mit ihm?

Sein Handy klingelte, er nahm widerwillig das Gespräch an. »Das passt jetzt nicht … Na gut, eine Minute!« Er ging ein paar Schritte zur Seite, um ein vertrauliches Gespräch führen zu können.

 

»Chefin, ich war es wirklich selbst, der den Fehler gemacht hat. Danke, dass Sie mich rausgehauen haben.« Der Mitarbeiter schaute sie beinahe ehrfurchtsvoll an.

»Danke, das war richtig toll von Ihnen.«

»Ich weiß, dass Sie es waren«, sagte Marie. »Aber ich trage die Verantwortung für uns alle. Klar! Und Sie brüllt hier keiner an! Aber wie kam es dazu? Haben Sie heute Nacht nicht geschlafen, weil das Baby keine Ruhe gegeben hat? Haben Sie Ihrer Frau geholfen, die Nacht zu überstehen? Wie gehts ihrer Jüngsten, alles klar ansonsten?«

»Ja, hab kaum geschlafen. Heute Nacht hat sie wohl ihre Zähne bekommen. Sie ist ja sonst so süß, unser Wonneproppen.«

»Wie schön, aber nun an die Arbeit. Das kriegen Sie doch leicht hin, ich weiß das. Sie machen das schon. Nun hauen Sie uns hier wieder raus. Wir wollen doch gut aussehen, wir wollen die Besten sein!«

 

So war das, so war sie, seine Marie! Wie sie in so jungen Jahren Verantwortung übernommen hatte. Verantwortung für sich und die Firma. Das muss man sich mal vorstellen! Seine Marie, seine Tochter. Er war ja so stolz auf sie.

Aber im Moment musste er die Probleme selbst angehen. Marie könnte ihm bei anderen Aufgaben helfen – er hatte da so Ideen, denn sie war nicht nur tough, sondern auch eine kreative Industriedesignerin, wie er an ihren Studienentwürfen gesehen hatte und an Arbeiten in ihrer Firma.

6. Besichtigung der Firma

6. Besichtigung der Firma

 

 

 

 

Die Frontseite der Firma wirkte unspektakulär. Man konnte dahinter kein produzierendes technisches Unternehmen vermuten. Sie gehörte eher zu einer alten Villa. Offensichtlich war das das Kalkül von Eduard. Nicht mal ein Firmenname stand über dem Haupteingang.

 

»Wie firmiert denn dein Betrieb? Ich habe mal im Internet geschaut. Dort konnte ich keinen Eintrag finden, der auf dich hinweist.« Eduard lächelte verschmitzt und freute sich wie ein kleiner Junge. »Das ist genau meine Strategie. Wir sind unscheinbar, sogar unsichtbar. Das hält allzu neugierige Menschen oder Industriespione ab. Jetzt verrate ich dir was: Wir firmieren gar nicht in Monaco; auf jeden Fall nicht mit den Robotern. Hier in Monaco sind wir ein Kunststoff verarbeitendes Unternehmen, wie einige andere auch.«

»Und wo versteckst du deine hochwertigen technischen Produkte? Produzierst du unter Wasser? Das würde mich in Monaco nicht wundern. Ihr habt so wenig Platz, dass sogar ein Parkhaus vor dem Hafen schwimmt mit mehreren Stockwerken unter Wasser – auch wenn das die wenigsten wissen.«

»Ach ja, du meinst die Mole, la digue de l’avant port, die vor dem Hafen verankert ist. War eine tolle Idee. Wir haben damals den Bau gespannt in der Zeitung verfolgt, wie die Mole mit Schleppern aus Spanien herangeschifft wurde.

 

Nein, die Lösung ist viel naheliegender: Wir firmieren in 06, im Departement Alpes Maritimes von Frankreich.«

»Das finde ich aber verwirrend, wie geht das nun? Der Produktionsstandort ist doch Monaco, hast du mir erzählt, damals.«

»Das passt beides zusammen, du wirst es gleich erleben und dich danach nicht mehr wundern. Warte noch ein Viertelstündchen, dann klärt sich das auf.«

»Na gut, ich warte. Da ich schon für einen Märchenprinz gehalten wurde, wirst du mir doch nicht deine Firma herzaubern?« JF schüttelte verwirrt den Kopf.

 

»Ich möchte dir erst einmal Caroline vorstellen, unsere tüchtige Sekretärin. Sie ist meine Assistentin, die mir hier in der Firma den Rücken freihält und mich betreut. Ich könnte ohne sie nicht halb so gut sein.«

Caroline lächelte charmant. »Bonjour, Monsieur, glauben Sie ihm nicht, ich mache einfach nur meine Arbeit und unterstütze den Chef, so gut es geht.« Sie gaben sich ein bisou und schnupperten aneinander. Offensichtlich hatte JF ein besonderes Parfum an ihr entdeckt, das er noch nicht kannte. Sie bemerkte es.

»Sie werden es nicht erraten, Monsieur Jean-François, das ist sozusagen eine Eigenkreation, die ich bei Fragonard unter professioneller Anleitung selbst kreiert habe. Gefällt es Ihnen, Jean-François?«

JF nickte. »Außergewöhnlich gut, ich sollte Sie bei Gelegenheit mal konsultieren. Das wäre ein geniales Geschenk für meine Mutter. Sie liebt exotische Parfums, die niemand ihrer Freundinnen errät.«

»Ja, gern. Sie bleiben ja noch eine Weile in Monaco, wie mir der Chef berichtet hat. Sprechen Sie mich an. Dann gehen wir mal gemeinsam in die Parfümerie nicht weit von hier, in Èze. Marie wollte schon immer dahin und sich an der Parfumorgel eine eigene Kreation erduften. Ich kann Sie einweisen, das tue ich gern.«

 

Eduard und JF gingen durch die Büroräume der Verwaltung und der Entwicklung. Die machten die Hälfte des alten Wohnhauses aus. »Und was ist mit den anderen Räumen, wofür werden die benutzt?«

»Die Villa gehört mir natürlich. Die andere Hälfte ist meine Stadtwohnung. Das ist sehr praktisch, weil ich gleichzeitig in der Firma als auch zuhause sein kann. Meine Haushälterin Pauline kann ich dir leider nicht vorstellen, sie ist für ein paar Tage im Urlaub bei ihrer Familie. Aber das passt ja ganz gut. So bin ich eben öfter bei euch oben. Tut mir mal gut, mich von der Firma zu entfernen. Und hier in der Stadtvilla läuft ja nichts weg. Ich lebe ansonsten allein hier, außer Marie leistet mir Gesellschaft, wenn sie in der Firma etwas zu tun hat.«

»Das ist aber nur ein kleiner Vorteil. Der Nachteil ist: Man kann sich der Arbeit nicht richtig entziehen. Das wiegt für mich schwerer. Ich finde, man braucht auch mal Distanz zu den beruflichen Problemen.«

 

Eduard konnte ihm nicht widersprechen, aber er wollte das nicht ändern. Es hatte sich so ergeben und es war gut so. Sicher gab es in Zukunft neue Möglichkeiten, sich der Arbeit zu entziehen – zumindest von Zeit zu Zeit. Er dachte da an Marie und an seine Nachfolge als Unternehmer. Aber darüber konnte er noch nicht sprechen. Es war nur ein vager Traum, der sich in seine Gedanken schlich, seit JF hier war und an der Côte d’Azur bleiben würde. Man durfte ja auch mal träumen. Eduard schmunzelte über seine eigenen Tagträume, ihm wurde bei dieser Idee warm ums Herz.

 

Seit dem ersten Zusammentreffen mit JF war ihm bewusst geworden, wie schnell sich das Leben ändern kann – in die eine oder andere Richtung. Es hätte an diesem denkwürdigen Tag auch alles schiefgehen können. Sein berufliches und auch privates Leben stand auf des Messers Schneide. Er war ein viel zu großes Risiko eingegangen mit der kostspieligen Entwicklung der neuen Linie von Industrierobotern.

Aber sein Geschäftsführer hatte ihm sogar vehement dazu geraten, wirtschaftlich sei das gut vertretbar. Nur: Der war kein Unternehmer, sondern nur ein Zahlenmensch, ein Buchhalter. Das war ihm seitdem bewusst geworden.

 

Eduard wollte innehalten, an schöne Dinge denken, endlich wieder ein privates Leben leben. Seit dem Tod seiner lieben Frau vor einem halben Jahr hatte er sich in die Arbeit vergraben, in ein dunkles Loch verbuddelt. Nun wollte er wieder hinausgucken und all die Dinge tun, die ihm am Herzen lagen und total verschüttet waren. Der Besuch der Oper sollte der Auftakt werden für neue Entdeckungen in der Kulturszene von Monaco und der Côte d’Azur. Dafür war er JF dankbar. Wenn das überhaupt reichte. Den großen Berg an Dankbarkeit konnte er in diesem Leben nicht abtragen.

 

»Wo steckt denn nun die Firma, will sagen der Kern des Ganzen, die Entwicklung und die Fertigung deiner Produkte. Ist das virtuell, irgendwo im Netz verteilt oder wird bei dir auch gedreht, gefräst, geschweißt, gelötet und lackiert und was sonst noch notwendig ist. Getestet, am Objekt geforscht und entwickelt?«

Eduard amüsierte sich. Jean-François hatte ja recht. Die Büros unterschieden sich kaum von den Büros anderer Firmen. »Wir sind ein besonderes Unternehmen, auch ein klein wenig versteckt sind wir.«

»Also doch eine Unterwasser-Produktion nach monegassischem Prinzip? Ich sehe nichts, ich höre nichts!«

 

»Komm mit mir, du wirst das Rätsel gleich enträtseln. Es ist eigentlich nichts Besonderes daran: Die Fertigung und Entwicklung sind nur dreißig Meter entfernt von hier.«

Sie gingen eine weit geschwungene Treppe hinunter, einen langen Gang Richtung Norden … und dann standen sie in der Produktion. Ein hoher Raum, der durch mehrere Etagen nach unten führte. Er war hell erleuchtet. Man konnte es ihm nicht ansehen, dass fast alle Etagen unter der Erde im Felsgestein lagen.

 

An einigen Wänden sah man durch Fenster nach draußen in die Stadt.

»Unglaublich, das ist ja unglaublich«, murmelte JF. Wie konnte man aus dem Untergeschoss in die Stadt gucken. Nicht zu glauben! Es musste sich um virtuelle Fenster handeln, die die Außenwelt mithilfe von Videokameras in den unterirdischen Raum abbildeten. Welch wunderbare, verrückte Idee.

»Na, erstaunt, mein Lieber? Da kannst du mal sehen, wie man angenehme Arbeitsumgebungen schaffen kann. Da steckt Marie dahinter.«

»Marie hat sich das ausgedacht? Phänomenal, incroyable.«

»Ja, wirklich exzeptionell!«

 

»Ich erkläre dir Maries Engagement später, du wirst mir abkaufen: Meine Leute arbeiten hier sehr gern. Ich habe eine sehr zufriedene Belegschaft und wenig Fluktuation. Das muss wohl an den Arbeitsbedingungen liegen.«

»Ich vermute mal ganz stark, auch an dir als Chef. Wie der Herr so’s Gescherr, wie ein Sprichwort sagt.«

»Willkommen in Frankreich, bienvenu en France«, Eduard setzte noch einen drauf. »Jetzt weißt du auch, warum wir auch im Departement Alpes Maritimes firmieren. Wir haben nur die Straße und damit allerdings auch die Grenze nach Frankreich unterquert.«

 

Sie begrüßten beide den Fertigungsleiter, einen älteren Herrn mit grauen Haaren. Man merkte ihm an: Er hatte eine hohe Meinung von seinem Chef. Er berichtete kurz vom Fortschritt eines Gerätes, das für Testzwecke modifiziert worden war. Eduard freute sich wie ein kleiner Junge über sein neues Spielzeug, fand JF. Aber er wusste ja: Der Chef hatte – mit Herz und Seele als Ingenieur – unentwegt Verbesserungsideen im Kopf. Aber davon lebte die Firma ja auch, nämlich besser zu sein als die Konkurrenten. Die verfügten alle über viel mehr Kapital und Forschungskapazitäten und konnten in großen Serien produzieren. Eduard war darauf angewiesen, schneller zu sein in der Umsetzung von neuen Technologien und Erkenntnissen aus der Praxis. Bei ihm gab es keine Dienstwege, er konnte selbst sofort Entscheidungen treffen und notfalls in der laufenden Produktion Änderungen durchziehen.

 

Dies war so ein Fall gewesen. Möglicherweise könnte er schon Ende der Woche einen umfangreichen Test durchführen mit seinem jungen Entwicklungsteam. Die Entwickler freuten sich schon auf die Testserie, auch wenn sie mit schlaflosen Nächten verbunden war, weil niemand, auch der Chef nicht, nach Hause gehen wollte, ehe man eine Testreihe durchgefahren hatte.

 

Einer der jungen Leute hatte, so erzählte Eduard, seine Luftmatratze mitgebracht, um neben dem Testaufbau in der Entwicklungswerkstatt zu nächtigen. Wie man später erfuhr, gab es mächtig Ärger mit seiner Freundin. Aber seinem strahlenden Gesicht, als die Testserie erfolgreich beendet war, konnte seine Schöne dann doch nicht widerstehen. Zudem hatte der Chef sie alle, auch die Partnerinnen unten todschick in den Hafen Port Hercule im Yachtclub ausgeführt, um den Erfolg zu feiern. Da war alles wieder im Lot, auch bei den Freundinnen der anderen jungen Entwickler. Damit hatten die einen Freibrief, auch mal nachts ihren Job zu machen, wenn es denn sein musste.

 

Im Vertrauen hatten die jungen Frauen dem Chef damals zugeflüstert: »Wir haben uns im Falle einer erneuten Nacht-und-Nebel-Arbeit was ausgedacht, um unsere liebsten Forscher in der Firma zu überraschen …«

Eduard wollte es lieber nicht so genau wissen, aber er hatte was von Luftmatratzen erfahren, die offensichtlich en vogue waren. Natürlich nur für den Notfall, versteht sich.

 

Die Jungs ahnten schon, wer JF sei, aber sicherheitshalber erkundigten sie sich. »Sie sind wirklich der Jean-François, der wirkliche Jean-François? Ich glaub es nicht, dass ich das erleben darf.« Das sagte der Jüngste von ihnen.

»Was, wirklich der Jean-François?«

 

Wie auf Knopfdruck kamen sie alle näher, legten die Hände aneinander und vor das Gesicht, wie bei der Begrüßungsgeste in Thailand. Sie verneigten sich vor JF, bewegten sich in Andacht vor ihm. »Grand merci, mille gracie, tausend Dank«, sagten sie durcheinander. JF war erstaunt. »Meint ihr mich wirklich? Ich bin doch nicht der Scheich aus Tausendundeiner Nacht.«

 

Nein, er war gemeint. Sie kannten die dramatische Aktion um den neuen Roboter in Deutschland. Wie dramatisch es war, hatte Eduard ihnen lieber nicht erzählt, sie wussten nur: Es ging um die Wurst. Die damalige Auslieferung und Inbetriebnahme war überlebenswichtig für die Firma und damit für ihre Arbeitsplätze.

»Stimmt es wirklich, was man so hört: Sie haben die Rolle vom Chef gespielt, um den Roboter auszuliefern?«

»Nein, wirklich nicht! Ich habe nur den Beauftragten eures Unternehmens gespielt, der verantwortlich für die Lieferung sei. Das haben sie mir mühelos abgekauft, ich war wohl sehr überzeugend.«

»Und was hat unser Chef dazu gesagt?«

»Der hing ja in den Seilen. Er war so übermüdet im Auto auf dem Rücksitz weggeschlafen. Er hatte deswegen die Übergabe und Inbetriebnahme nicht mitbekommen.«

»Und haben unsere deutschen Kumpel den Automaten angeschlossen und in Betrieb genommen? Oder waren Sie das auch?«

»Nein, um Himmels willen, davon verstehe ich doch nichts. Ja, die Jungs, die dort unten ›Monegassen‹ genannt wurden, die haben das souverän erledigt. Die waren gut drauf. Das wart sicher ihr, die sie angelernt haben. Ist doch so … oder?«

»Was heißt hier angelernt, sie waren auch so schon richtig gut, vor allem die Mädchen hier, die Freundinnen unserer Freundinnen, haben das bestätigt.«

»Wie denn nun, haben die hier auch den Crashkurs gemacht, verstehe ich nicht.«

 

»Monsieur, ganz einfach! Wir haben immer sauber zwischen Tag und Nacht getrennt. Wir meinen nun die nächtliche Phase. O, lala, da haben wir viel Spaß gehabt. Wir haben alle angesagten boites de nuit, discos und restaus, also Nachtbars, Diskotheken und Restaurants, abgeklappert.

Unten am Hafen Port de Hercule. Erst hatten wir ja zu wenig Mädchen, sagen wir mal, mindestens eins für jeden Kumpel. Zum Tanzen und so. Aber die Jungs waren ja so gut drauf. Mit ihrem Riesencharme waren die schönen Mädchen nicht mehr aufzuhalten. Jede von den Freundinnen unserer Freundinnen wollte sich einen von unseren deutschen Freunden schnappen, um mehr über sie und über Deutschland zu erfahren … und so.«

 

JF merkte schon: Sie hatten alle offensichtlich viel Spaß gehabt, wie er schon in Deutschland erfahren konnte. Aber er bemerkte: Der Begriff ›und so‹ tauchte häufig in den Erzählungen auf. Er schmunzelte, Eduard auch. Aber so genau wollten sie das nicht wissen.

JF bedankte sich herzlich bei der Jungen Mannschaft, so nannte Eduard die Truppe, und riet ihr, die Kumpel doch wieder einzuladen. Die hätten Lust, erneut herzukommen. Sicher sei das sogar. Wie die ihm von der Monaco-Reise vorgeschwärmt hatten …

 

Die beiden setzen ihren Rundgang fort. Eduard erwähnte JFs Beruf als Unternehmensberater bewusst nicht. JF war es im Moment auch lieber.

 

Die Fertigungsräume zeigten sich pieksauber. Alle Einrichtungen waren schön farbig in sanften Farbtönen gestrichen. Auch die Wände hatte man in Pastellfarben passend dazu eingefärbt. Die Fertigung wirkte eher wie ein Designeratelier. Eine angenehme Arbeitsatmosphäre. Sogar einige Bilder, große Kunstdrucke, hingen in den Blickachsen. So etwas hatte er bisher noch nicht angetroffen bei seinen Beratungen, und er kannte viele Produktionsstätten.

 

»Ich sehe schon, wie du dich über die Arbeitsumgebung wunderst. Ja, wir haben ganz bewusst eine solche Arbeitsatmosphäre gestaltet, weil das einen positiven Einfluss auf das Wohlbefinden der Mannschaft und damit auf die Qualität unserer Fertigung hat. Aber guck mich nicht so bewundernd an, das war Marie. Sie versteht davon eine Menge. Sie hat das alles designt. Ich habe ihr freie Hand gelassen, weil sie mich sofort überzeugt hat mit ihren Argumenten zum Thema Arbeitsfreude. Du kannst dir denken, seitdem hat sie bei meinen Männern einen Stein im Brett. Ach ja, auch die Lehrlinge schwärmen heute noch von ihrer Aktion, weil sie da mitmischen durften.«

 

Die Werkstatt, das Atelier zur Endmontage der Roboter, war offensichtlich eine staubfreie Umgebung, wie man an den gelochten weißen Wandpaneelen sehen konnte. Dieser Raum zeigte deutlich: Hier stellten sie Präzisionsmaschinen her. Alle Mitarbeiter waren mit weißen Overalls bekleidet – mit dem Firmenlogo auf Brust und Rücken – und mit weißen Kappen, um die Haare zu verdecken.

 

In der mechanischen Fertigung konnte man nur wenige Mitarbeiter sehen. Dafür aber einige wenige Bearbeitungszentren, die nach numerischen Vorlagen die Dreh-, Fräs-, Bohr- und Schleifarbeiten ausführten. Eine etwas unwirkliche Atmosphäre, weil nichts passierte, sich nichts sichtbar bewegte. Die Bearbeitung fand hinter durchsichtigen Schutzschilden statt. Man konnte die Bohrmilch fließen und spritzen sehen, die die Werkzeuge kühlten. Und auch die Werkstücke, die sich drehten oder in die Löcher hineingebohrt wurden. Der Maschinenbediener hatte in dieser Phase nichts weiter zu tun, als auf Störungen zu achten. Zuvor musste er das unbearbeitete Werkstück sorgfältig einspannen, das Programm laden und die Maschine für den Bearbeitungs-Start justieren.

 

»Ich sehe, ihr verwendet die aktuellen Technologien von Bearbeitungszentren, die ich auch in anderen modernen Betrieben vorgefunden habe. Ziemlich kapitalintensiv, diese Fertigung. Da du sicher gute Leute hast, auch sehr effizient und von hoher gleichbleibender Qualität.«

»Ja, der Kapitalbedarf einer solchen Einrichtung ist hoch. Dafür sind die Lohnkosten, die normalerweise achtzig Prozent der Fertigungskosten ausmachen, sehr niedrig – gleichmäßig hohe Auslastung vorausgesetzt.«

 

JF nickte, weil er natürlich den wirtschaftlichen Hintergrund dieser modernen Fertigungsmethoden kannte.

»Und wie ist bei euch die Auftragslage? Hast du schon neue Kunden für das neue Modell, das wir gemeinsam nach Deutschland ausgeliefert haben?«

»Sag lieber, die du ausgeliefert hast. Das war ein Husarenstück, mit welcher Selbstverständlichkeit du mich dort vertreten hast. Das haben dir alle abgekauft.«

»Ach, komm, ich kenne die Branche gut, das war nichts Besonderes; außerdem konnte ich mich als Kaufmann ja ahnungslos stellen, was die technischen Details anbelangte.«

»Na ja, aber trotzdem.« Eduard rollte die Augen. »Nun siehst du ja hier, wofür wir unter anderem den hohen Kredit benötigt hatten. Das wirtschaftliche Risiko eines solch modernen Maschinenparks ist eben hoch.«

 

Die beiden besuchten noch andere Abteilungen und das Lager und Versorgungs- und Entsorgungseinrichtungen. JF wurde bewusst: Dies war ein gut geführter moderner Fertigungsbetrieb – jedenfalls, was die Technik betraf. Ihn interessierte auch die kaufmännische Abwicklung und Marketing und Vertrieb. Da könnte er Eduard sicher einen Haufen guter Tipps geben, um die Wirtschaftlichkeit zu verbessern. Darin hatte er viel Erfahrung und auch Erfolg gehabt. Aber er wollte das nicht jetzt ansprechen. Dazu brauchte es eine private Situation und Zeit und Ruhe, um seine Hilfe anzubieten. Es eilte ja auch nicht, denn Eduard hatte bisher den Laden gut geführt und über Wasser gehalten. Wenngleich die wenigen Kennzahlen, die er von Eduard kannte, viel Verbesserungspotenzial erkennen ließen.

 

Zur verabredeten Zeit trafen sie sich vor dem Casino Monte-Carlo, um mit den schönsten Frauen Monacos Kaffee zu trinken. JF wunderte sich immer noch, warum es dasselbe renommierte ›Café de Paris‹ war, obwohl er sich doch vor dem Casino treffen wollte und Marie vor der Opéra de Monte-Carlo.

»Da seid ihr ja, ihr verlorenen Schäfchen. Habt ihr was Schickes gefunden für die Oper?«

»Na, und ob! Es war nicht mal sehr teuer, weil unsere sehr schlanken Größen nicht für jede Frau in Frage kommt und damit nicht teuer verkäuflich waren, wie man uns gesagt hat.«

 

»Und wo ist nun die Opéra? Ich sehe nur das Casino vor uns in aller Pracht, gebaut vom Architekten Garnier, wie die Opéra in Paris, wie die in Nizza.«

Marie rollte die Augen, das hatte sie vom Vater übernommen. »Beides ist im selben Gebäude mit demselben Eingang. Nur innen musst du dich entscheiden: links zum Casino, rechts in die Opéra.«

»Wie gut, dass wir nicht gewettet haben, ich hätte prima verloren. Ja, so lernt man dazu.«

 

Sie bestellten Kaffee und Cappuccino, dazu gab es, wie üblich ein Glas Wasser und Gebäck. Das Café war gut besucht. Hier konnte man sehen und gesehen werden; wenn man sich in Monaco verabredete, dann hier.

Das Rondell vor ihnen auf dem Place du Casino trennte das ›Hotel de Paris‹ vom ›Café de Paris‹. Weiter nach Norden, vor der märchenhaften Kulisse der Hochhäuser und den fast tausend Metern hohen Bergen dahinter, lag der Park Jardins de la Petite Afrique: wunderschön angelegt, zwar nicht mehr groß, seitdem man in den Park Pavillons, mondäne Boutiquen gebaut hatte, aber er lud zum Spazieren und Verweilen auf den vielen Bänken oder dem englischen Rasen ein. Unter dem Park befand sich ein ausladendes unterirdisches Parkhaus. Schick und hervorragend gesichert durch die vielen Videokameras.

 

Wenn man alle teuren Automodelle auf einem Haufen kennenlernen wollte, dann hier: Rolls Royce, Ferrari, Maserati, Lamborghini, Porsche, Lotus, Bentley und all die teuren Marken, die man auch woanders fand.

 

Entsprechend der Größe der teuren Autos war auch das Parkhaus sehr geräumig, allerdings konnte man sich verlaufen, weil es keine nummerierten Etagen gab. Die Zufahrt wendelte sich fast unmerklich Stockwerk um Stockwerk in die Tiefe. Jedes davon war mit einem Buchstaben gekennzeichnet. Na ja, andere Länder andere Sitten. Er erinnerte sich: Ihm hatte vor Jahren ein netter Parkwächter mit seinem Elektroauto geholfen, sein abgestelltes Fahrzeug wieder zu finden.

 

Im ›Café de Paris‹ konnten sie keine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens ausmachen. Wer weiß, wo die alle steckten? Aber sie genossen es auch so, das Leben und Treiben vor ihnen und um sie herum zu beobachten. Dazu hatten sie sich hier getroffen, um sich unter die Touristen, die reichen Leute, die Neureichen und die wenigen echten Monegassen zu mischen.

Die beiden schönen Frauen unterhielten sich angeregt über die Schickeria und die Neureichen und die Wohlhabenden.

 

Da sie genug Abstand für ein vertrauliches Gespräch hatten, traute sich JF das Verhältnis zu den jungen Schönen anzusprechen. »Eduard wir sind doch Freunde, n’est-ce pas?«

»Bien sûr, bien sûr.« Er schaute erstaunt, warum JF so ein ernstes Gespräch begann.

»Ich möchte gern in aller Offenheit mit dir über das Verhältnis zwischen mir und deinen beiden Mädchen sprechen.« Eduard freute sich über ›deine beiden Mädchen‹.

»Wir wohnen eng zusammen dort in deinem Landhaus und da bleibt es nicht aus, dass wir uns sehr nahe gekommen sind, du weißt, was ich meine. Eduard hatte zwar Vorstellungen davon, wie eng und wie locker die drei jungen Menschen dort miteinander umgingen. Er hatte ja selbst gesehen, wie sie zu dritt in einem Bett gekuschelt hatten, und wie sie nachts im und um den piscine herumalberten. Aber sie waren erwachsene Menschen, denen er nicht hereinreden wollte. Sie lebten natürlich anders, als es in seiner Jugend möglich gewesen wäre, aber alle drei erlebte er als selbstverantwortlich. Er vertraute jedem von ihnen, auch wenn ihre Sitten für seine Verhältnisse ziemlich locker waren. O, lala, sie konnten dabei noch so diszipliniert sein. Alle Achtung!«

 

»Ich weiß, Eduard, du siehst es gern, dass Marie und ich uns nahestehen. Du kannst es nicht verstecken.« Nein, Eduard hatte daraus nie einen Hehl gemacht. Ihm wurde dabei warm ums Herz. Und was kam nun? Eduard wusste es nicht.

»Aber du musst wissen. Unsere Beziehung – wenn man denn davon sprechen kann – ruht auf sehr wackligem Fundament. Wir sind beide zögerlich, verletzlich und viel zu empfindlich, um daraus eine enge emotionale Beziehung zu entwickeln. Zurzeit ist das überhaupt nicht vorstellbar. Weder von meiner Seite, und schon gar nicht seitens Marie. Sie ist so fragil und befindet sich mit sich selbst nicht im Gleichgewicht. Nicht nur die traumatischen Ereignisse der Vergangenheit belasten sie immer noch, sondern sie hat offensichtlich weit mehr Probleme, die ich allerdings nicht kenne. Ich möchte sie nicht bedrängen, dazu ist unsere Freundschaft noch nicht gefestigt genug. Und die ist mir wichtig.«

 

»Vielen Dank, dass du so offen mit mir darüber redest. Immerhin wirst du ja schon als der zukünftige Schwiegersohn gehandelt. Maries Probleme kenne ich leider auch nicht alle.

Sie war in der letzten Zeit auch zu mir sehr verschlossen. Irgendwer versucht offensichtlich, unser bisheriges sehr vertrauensvolles Verhältnis zu zerstören. Übrigens auch dein Verhältnis zu ihr, wie ich im Vertrauen von meiner Sekretärin erfahren habe. Mach dich auf was gefasst und …« Er lehnte sich eng zu ihm hinüber, um noch leiser sprechen zu können. »Bitte hilf ihr, wenn sie dir nicht mehr vertraut, weil jemand sie beeinflusst in Bezug auf unser beider Integrität. Das gilt umgekehrt für mich auch, naturellement, bien sûr.«

 

Eduard war froh über JFs Vertrauen zu ihm, um ein so sensibles Thema so von Nicht-Schwiegervater zu Nicht-Schwiegersohn anzusprechen. Er war sicher, sie würden gemeinsam seiner lieben Tochter helfen können. Sie hatte es verdient, sie war eine so herzensgute Person, nicht nur weil sie Eduards Tochter war.

 

Nach einem Stündchen hatten sie nun alle genug Stadtluft geschnuppert. Es zog sie wieder hinauf in ihr Refugium, ihre Oase der Ruhe und Geborgenheit. Von hier aus beinahe zu sehen, wenn es nicht so weit über ihnen gelegen wäre.

 

 

 

_____________Ende der XXL Leseprobe __________________________________

 

 

Das vollständige Buch ist in allen eBook-Shops erhältlich und auch als Taschenbuch in allen Buchhandlungen.

 

 

 

Die Abenteuer an der Côte d'Azur gehen weiter …

Die Abenteuer an der Côte d'Azur gehen weiter …

 

 

 

 

Die verliebte Kunstausstellung in Monte-Carlo - Gemalte Lügen

 

 

Der zweite Band mit der starken Galeristin, der Powerfrau Laura und dem Künstler Wolff beschreibt das verrückte Abenteuer einer unmöglichen Kunstausstellung in Monte-Carlo und einer versteckten Liebe zwischen dem Künstler und der Galeristin.

 

In Paris, der Stadt der Liebe und in Monaco fetzen die beiden sich. Entdecken aber auch romantische Gemeinsamkeiten.


Die Ausstellung droht mehrfach zu platzen. Ein Akt mit der Galeristin als Modell bringt neue Aufregung, ebenso wie die gemalten Bewegungen der nackten Tänzerin Nadja, das Liebchen von Pjotr dem Großen.

 

Ein teures Bild wird dramatisch in der Luft zerfetzt, ein verbotener magischer Turm errichtet: mitten in Monaco! Der Touristenbus ändert daraufhin seine Route. Zwei Bilder werden geklaut … und was noch alles passiert!

 

.... und der Termin der Ausstellung rückt immer näher ...

 

Findet die Ausstellung nun doch noch statt in Monte-Carlo? Und noch wichtiger: finden die beiden Unverliebten zueinander?

Über den Autor

Über den Autor

 

 

Claude Bennoir wohnt in einem kleinen Dorf Südfrankreichs an den Ausläufern der Meeralpen (Alpes Maritimes) in einem zauberhaften Skulpturenpark. Mit Blick aufs Mittelmeer, ins Hochgebirge - das Mercantour, auf die Weinberge von Nizza und natürlich auf den azur-blauen Himmel.

 

Er ist Mitglied von Künstlerkreisen in Paris und Monaco.

 

Claude Bennoir schreibt seit längerer Zeit Geschichten. Die Buchreihe ›Aventures sur la Côte d'Azur‹ ist mit dieser aufregenden Liebe in Monaco gestartet.

 

Alle Geschichten spielen an realen Orten der Côte d'Azur, aber mit fiktiven Personen. Verknüpft mit eigenen Erlebnissen und Erfahrungen.

 

Als Schreibprogramm verwendet er Papyrus Autor.

Impressum

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Claude Bennoir
Verliebt in Monaco
Powerfrau in Nöten

 

© 2017 Claude Bennoir

 

 

Coverdesign: Wolf Thiele
Coverfotos: Wolf Thiele, pixabay / Engin Akyurt
https://www.artmajeur.com/wolfthiele/

 

 

Vorkorrekturen: Hans-Dieter Wrede

 

Lektorat / Korrektorat:
Michael Lohmann
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Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Autors. Personen und Handlungen sind frei erfunden, etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

 

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Claude Bennoir
398 Chemin des Serres
06510 Gattières
Frankreich

Impressum

Bildmaterialien: Wolf Thiele
Cover: Wolf Thiele
Lektorat: Michael Lohmann, www.worttaten.de
Tag der Veröffentlichung: 26.09.2017

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