Ich ging spazieren. Es war eigentlich ein schöner Tag, obwohl es bewölkt war. Es ging ein Wind, jedoch war es nicht kalt. Der Wind war eher eine Erleichterung zu den schwülen Tagen davor. Ich ging einen Trampelpfad entlang und ließ mir Zeit. Ich hörte das Plätschern des schmalen Baches, der eine Schrittbreite vom Trampelpfad entfernt war. Durch den Wind, raschelten die Blätter der Bäume. Mir tat es gut, einfach mal aus dem Alltag auszubrechen und einen kleinen Weg durch Bäumen und Büschen zu laufen. Einfach mal aus dem Alltag und aus der Großstadt hinauszukommen reichte mir völlig aus, um meinen Kopf frei zu bekommen und mich in mir selbst zu sammeln. Auf meinem gesamten Weg sah ich keine Menschenseele, was wahrscheinlich daran lag, dass es nach regen aussah. Für mich war dies aber umso besser. Irgendwann führte mich der Trampelpfad auf ein Feld, das umgeben war von Bäumen. Es hatte den Anschein, dass jemand mit Absicht mitten in einem Wald ein Feld aufgebaut hat. Das Gras ging mir bis zu den Knien und ich sah ganz viel Unkraut. Niemand hatte sich mehr um diese Fläche gekümmert und wenn dies einer mal getan hat, dann liegt das Jahre zurück, dachte ich mir. Ich stand ein paar Momente da und genoss den Anblick. Ich sah ein paar verschiedene Schmetterlinge, die von Blume zu Blume flogen, kurz auf ihr verweilten, um dann weiterzufliegen und ich sah einen alten toten Baum, der keine Blätter mehr hatte und wahrscheinlich nie wieder welche tragen würde. Ich lief durch das hohe Gras und spürte, wie die einzelnen Grashalme meine Beine streiften. Jetzt dachte ich mir nur, wieso ich mir keine lange Hose hätte anziehen können. Da es nicht unbedingt das angenehmste Gefühl für mich war. Jedoch lief ich weiter. Mein Blick ruhte weiterhin auf den alten Baum. Wenn es nun Nacht wäre und der Vollmond scheinen würde, dann sehe dieser Ort bestimmt furchterregend aus, dachte ich mir und grinste dabei. Ein perfekter Ort, um anderen Angst einzujagen.
Plötzlich fiel ich nach vorne und bemerkte, dass mein Fuß ins Leere getreten hatte und schneller als ich reagieren konnte fiel ich tief hinunter in die Dunkelheit. Ich spürte, wie mein Rücken an der Erde entlangschleifte und ich wie in eine Rutschbahn gefallen bin. Jedoch konnte ich durch die Finsternis nichts sehen und hoffte nur darauf, dass ich nicht sterben würde. Ich bekam keine Luft mehr. Ich fiel immer weiter und weiter und bekam das Gefühl, dass dieser Fall niemals ein Ende haben würde. Doch mein Verstand sagte mir: Gleich, gleich ist es soweit. Du wirst aufklatschen und zerspringen wie eine Wassermelone, die auf den Boden aufschlägt. Ich versuchte mich mit meinen Fingern in die Erde zu krallen. Jedoch rutschte ich weiter und fühlte, wie die Erde unter meinen Fingern nachgab und ich keinen Halt fand. Ich weiß nicht mehr, ob ich dabei laut geschrien habe oder ob ich vor Adrenalin meine Stimme verloren hatte. Ich kann mich nur noch daran erinnern, dass ich immer tiefer viel und ich nur auf meinen Tod gewartet hatte. Zum Schluss stürzte ich und konnte keine Erde mehr finden. Da war ich mir sicher. Das ist mein Ende. Doch ich klatschte auf und spürte wie mich kälte umgab und ich Wasser schluckte. Als ich kurz darauf begriff, dass ich ins Wasser gefallen war, begann ich zu schwimmen. Erst völlig Orientierungslos. Darüber wurde ich mir bewusst, als ich den Grund mit meinen Händen fand. Dann stieß ich mich mit meiner letzten Kraft vom Boden ab und hoffte schnell an die Wasseroberfläche zu gelangen. Kurz bevor ich dachte, dass ich es nicht mehr schaffen würde und hier ertrinke, merkte ich, dass ich es geschafft hatte und holte einmal tief Luft. Es war so finster, dass ich nichts sah. Ich schaute nach oben und sah nicht einmal mehr das Loch, durch das ich gefallen war. Dies bestätigte meine Theorie, dass es eine Art Rutschbahn war, die hinuntergerutscht sein muss.
Das Wasser war sehr kalt und ich fing an zu frieren, jedoch wusste ich nicht in welche Richtung ich schwimmen sollte. Ich wusste nicht wie groß dieser Wasserbehälter war oder ob es überhaupt ein Ufer gab. Jedoch wollte ich einfach nur aus diesem Wasser heraus, weshalb ich anfing zu schwimmen. Ich schwamm gerade aus. Das einzige, dass mir beim Schwimmen auffiel war, dass es keine Strömung gab. Dies bedeutete, dass es kein Fluss oder Bach war. Sondern dieses Wasser wie in einem Behälter gesammelt war. Ich vermutete, dass dies Regenwasser war, dass durch das Loch in diese tiefe geflossen ist. Jedoch war ich mir dabei auch nicht ganz sicher. Irgendwann fand ich mit meiner Hand eine Wand. Zuerst war ich von Glück und Freude überströmt und dachte, jetzt komme ich aus dem Wasser heraus. Ich suchte mit meiner Hand etwas an dem ich mich festhalten oder hochziehen konnte und hoffte auf eine Erhöhung. Doch ich täuschte mich. Die Wand war glatt, wie eine Fensterscheibe, kalt und rutschig noch dazu. Ich seufzte und langsam verließ mich meine Hoffnung. Ich spürte, wie meine Muskeln vor Schmerz brannten und die Kälte bis auf meine Knochen vorgedrungen war. Ich hielt mich über Wasser und überlegte, ob es überhaupt einen Sinn machen würde in die andere Richtung zu schwimmen. Ich wollte aber nicht mehr. In diesem Moment wünschte ich mir, dass ich lieber gestorben wäre, als mich nun hier zu befinden und langsam durch das Ertrinken zu sterben. So hielt ich mich und dachte nach, wie ich noch lieber gestorben wäre, als ich etwas an meinen Beinen vorbeihuschen fühlte. Ich wusste nicht, was es war. Jedoch wusste ich, dass es etwas Großes war und ich Panik bekam. Diese Angst gab mir so viel Kraft, das ich mich an der Wand abstieß und so schnell ich konnte in die andere Richtung schwamm. Denn wenn ich eins wusste, gefressen wollte ich auch nicht werden. Auch wollte ich keines meiner Körperteile verlieren. Denn dann hätte ich erst recht keine Chance mehr gehabt hier herauszukommen. Ich schwamm so schnell ich konnte und mein Herz schlug mir so fest gegen die Brust, dass es schmerzte. Meine Kehle hat sich regelrecht zugezogen. Doch ich schwamm und gab nicht nach. Plötzlich hörte ich leise ein Piepsen und etwas, dass sich anhörte wie Flügel, die flatterten. Dies ließ mich in meiner Bewegung erstarren. Von Sekunde zu Sekunde wurde das Geräusch lauter und ich hatte das Gefühl, dass dieses Geräusch direkt auf mich zukam. Nun kam ein neues Geräusch hinzu. Allerdings weiter entfernt und kaum hörbar. Es war ein stumpfes gleichmäßiges Geräusch. Das Flattern war nun über meinen Kopf zu hören und wurde dort dann leiser. Wahrscheinlich benutzten diese Flugtiere das Loch durch das ich gefallen war, als Ausgang. Nun war dieses stumpfe Geräusch besser wahrzunehmen. Ich hörte, wie es langsam Näher kam und lauter wurde. Zwischendrin hörte ich etwas klappern. Doch es war leiser. Nun war das stumpfe Geräusch ohrenbetäubend laut und ich sah, wie etwas Licht die Dunkelheit brach und dieses immer heller und heller wurde. Ich dachte mir nur, gleich setzt mein Herz aus und als ich das große Geschöpf sah, konnte ich es nur einen Moment anstarren.
Es lief auf zwei Beinen und hatte ein dichtes dunkles Fell. Sein Fell am Kopf war so lang, dass es ihm bis zur Hüfte reichte. Es lief auf zwei Beinen und war riesig. Ich schätze es auf zwanzig Meter hoch. Ich sah, dass es leuchtende stechende blaue Augen hatte und riesige Hände, die kein Fell hatten. Seine Füße hatten ebenfalls kein Fell. Jedoch waren sie braun und dreckig. Er stampfte direkt auf mich zu und erst jetzt begriff ich, dass ich mich sehr nah am Ufer befand. Ich tauchte unter und versuchte in die andere Richtung zu retten. Doch eine sehr starke Strömung saugte mich ein. Plötzlich ließ die Strömung nach und ich tauchte auf. Das Wasser schwappte hin und her. Hin und wieder traf mich eine kleine Welle im Gesicht. Ich begriff, dass ich mich in einer Art Eimer von diesem Riesen befand. Denn als ich hinaufschaute hielt der Riese dieses Gefäß an einem Griff. In der anderen Hand, hielt er seine Fackel, die aus einem Baumstamm bestand und lief wieder zurück. Mir blieb nichts anderes übrig als abzuwarten und zu hoffen nicht entdeckt zu werden.
Während ich herumgetragen wurde in einem Eimer voller Wasser, starrte ich die ganze Zeit hinauf. Hin und wieder verschluckte ich mich fast. Jedoch hielt ich meinen Husten zurück, da ich Angst hatte, dass dieses Ding mich sonst entdecken würde. Doch es blickte nicht einmal zu mir herunter. Es starrte die ganze Zeit nur gerade aus. Ich dachte schon, dass dieser Weg nie enden würde und ich durch die Kälte des Wassers doch noch erfriere, als er dann auf einmal den Eimer absetzte. Ich hörte etwas laut klatschen und ehe ich mich versah, nahm der Riese den Eimer und kippte ihn aus. Allein aus Reflex versuchte ich nach irgendetwas zu greifen und mich festzuhalten, rutschte jedoch ein paar Mal ab, bis ich mich mit meinen Armen an etwas klammern konnte. Ich öffnete meine Augen wieder und blickte mich um. Ich hing an etwas herunter und als ich begriff was es war, bis ich mir so fest auf die Lippen bis es blutete, um nicht zu schreien. Ich erkannte in welcher Lage ich war. Ich hing an einem Haar von einem anderen Riesen. Der erste Riese stand vor mir, was mich in diesem Moment vermuten ließ, dass der Riese an dem ich hing, liegen musste. Ich hörte etwas klirren und sah mich um. Ich sah, dass die Hand des liegenden Riesen an einer Fessel befestigt war. An seinen Körperbewegungen spürte ich, dass er versuchte sich zu wehren. Der stehende Riese lachte. Das Lachen war so laut, dass ich mir die Ohren zugehalten hätte, wenn ich freie Arme gehabt hätte. Leider war dies nicht so und ich musste warten. Als das Lachen nachließ, versuchte ich ein anderes Haar zu greifen und vielleicht hinunter zu klettern. Ich musste hier weg, dachte ich mir. Ganz dringend. Doch die ganze Mühe half nichts. Je mehr ich versuchte an das andere Haar zu gelangen, je mehr rutschte ich ab.
Plötzlich sah ich, wie der andere Riese eine riesige Säge in der Hand hielt. Er sagte etwas, was ich nicht verstand. Zumindest vermutete ich, dass er etwas seinem Gefangenem sagte. Den dieser gab daraufhin ähnliche Geräusche von sich. Plötzlich fing der Gefangene an zu schreien. Dies ließ mich in meinen erfolglosen Versuchen Inne halten. Ich blickte zu den Füßen des Riesen. Der andere hatte sich mit seiner Säge hingesetzt, griff nach dem Fuß und fing an zu sägen. Ja er sägte seinem Gefangenem den Fuß ab. Erst dachte ich, dass ich nicht richtig sehe und dann hoffte ich, ich würde das alles hier nur träumen. Der Gefangene schrie und dabei vibrierte der Körper. Ich hörte den Schmerz in seiner Stimme. Es war ein grausamer Moment. Ich traute mich nicht zu bewegen oder überhaupt zu atmen. Den wenn er das mit seinem Gefangenen machte, was würde er erst mit mir machen, wenn er mich entdeckte? Ich spielte mir schon bildlich vor meinem Auge die schlimmsten Szenen ab. Wie er mich wegrennen lässt und mich dann zertrat wie eine Ameise oder mich vielleicht grausam und langsam zwischen seinen Fingern zerdrückte. Nun wünschte ich mir doch, dass ich einfach nur ertrunken wäre. Als der Riese fertig damit war, nahm er den abgetrennten Fuß und steckte ihm dem Gefangenen in den Mund. Wieder lachte er. Ich sah nun aus dem Augenwinkel, wie er seine Fackel nahm und die Wunde ausbrannte. Nun machte er sich an dem zweiten Fuß zu schaffen. Ich entschied mich dazu es zu riskieren und sprang zum nächsten Haar. Jedoch bekam ich es nicht zu greifen und rutschte wieder hinunter bis ich halt fand. Ich wartete einen Moment. Dann der nächste Versuch. Je öfters ich es versuchte, je näher kam ich den Boden.
Endlich hatte ich wieder Erde unter meinen Füßen. Ich sah mich um und sah, dass der Riese nun auch mit dem zweiten Fuß fertig war. Er stand auf, brannte die nächste Wunde aus und ging mit seinem Eimer wieder davon. Ich schaute zu dem Gefangenem Riesen. Sein Körper bebte. Seine Hände waren zu Fäusten verkrampft und sein Atem ging langsam und schwer. In seinem Gesicht sah ich seine zusammengekniffenen Augen und seinen gestopften Mund. Blut lief durch seinen abgetrennten Fuß hinein und ließ in ein paar Mal schwer schlugen. Der Anblick war so widerlich, dass ich mich beinahe selbst hätte übergeben müssen. Ich schaute mich um und ging um den gefangenen Riesen vorbei. Die neue Hoffnung, die in mir keimte ließ mich sehr schnell laufen. Ich sah einen anderen Weg und rannte in die Dunkelheit. Als ich nichts mehr sah, tastete ich mich mir den Händen an der Wand entlang und hoffte, dass ich bald einen Ausgang fand. Nach einer langen Zeit fiel es mir schwerer mich voran zu treiben. Ich wurde immer langsamer und hatte das Gefühl, dass mich meine Beine bald nicht mehr tragen würden. Ich machte eine Pause und setzte mich. In meiner nassen Kleidung fror ich und mir schmerzten alle Muskeln. Ich fragte mich, ob es überhaupt noch einen Sinn machen würde, weiter zu laufen. Wer wusste schon, wohin mich dieser Weg führen würde. Er konnte genauso eine Sackgasse sein. Außerdem war ich müde. Der Boden fühlte sich so gemütlich an. Fast wie ein Bett. Ich legte mich nieder und schlief ein.
Als ich erwachte, fand ich mich in einem weißen Zimmer wieder. Das grelle Licht blendete mich, weshalb ich mir meine Hand vor die Augen heben musste. Ich begriff erst langsam, dass ich mich in einem Krankenhaus befand. Kaum war ich erwacht, trat auch schon eine Schwester ein. Ich fragte sie, wie ich hierhergekommen sei und sie sagte: „Das wissen wir selbst nicht so genau. Ein junger Mann hat sie hierhergebracht und fest behauptet Sie hätten plötzlich vor seiner Wohnungstür gelegen.“ Damit ging sie wieder. Ich versuchte erst gar nicht der Schwester oder dem Arzt zu erklären, woran ich mich noch erinnern konnte. Sie würden mich für verrückt erklären. Ich versuchte nur meinem besten Freund ein paar Wochen darauf dies zu erklären. Er lachte mich aus und meinte, dass ich ihm das beweisen sollte. Also fuhr ich mit ihm an die Stelle zurück. An der Stelle, an dem das Loch war, lag jedoch nun Erde. Ich sah, dass das Loch erst vor kurzem zugemacht worden war. Mein Freund hingegen machte sich einen Spaß daraus und grub mit mir an dieser Stelle ein sehr tiefes Loch. Doch wir fanden keinen Eingang. Irgendwann wurde es meinem besten Freund lästig und hörte damit auf. Er versuchte mir einzutrichtern, dass ich das alles nur geträumt hätte. Irgendwann sprach ich nicht mehr darüber. Bis heute…
Tag der Veröffentlichung: 03.07.2016
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