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Die Dunkelheit

Jeanne Miller war eine ganz normale Frau. Sie arbeitete als Webdesignerin. Sie war klein und schmal. Ihr Mann Luc Miller liebte an ihr besonders die blauen Augen, die ihn so oft durchdringend anschauten und ihre braunen lockigen Haare. Luc hatte schwarzes Haar und und dunkelbraune Augen. Er war zwei Köpfe größer als Jeanne. Beide waren stolze Eltern und liebten ihren Sohn Jim. Jim war erst vier Jahre alt und so Fantasievoll das Luc und Jeanne sich schon manchmal Sorgen machten. Doch der Arzt sagte ihnen, dass sie sich keine weiteren Sorgen machen mussten. Denn das sei bei so kleinen Kindern ganz normal. Am 25. November veränderte sich aber alles.

Am Abend spielte Luc mit Jim draußen im Garten. Jeanne kochte in der Zeit und hörte dem Lachen zu. Bello, rannte die ganze Zeit hinterher, bellte spielerisch und ließ sich verwöhnen. „Bello. Bello.“, lachte der kleine Jim. Seine blauen Augen, die er von seiner Mutter geerbt hatte, leuchteten voller Freude. Luc sagte: „Jim. Schau mal da!“ Jim drehte sich um und suchte etwas mit den Augen und Luc passte dieser Augenblick. Er packte ihn von hinten, brummte wie ein Bär, hob ihn hoch, drehte sich im Kreis und sagte mit einer tiefen Stimme: „Ich werde dich jetzt fressen.“ Jim lachte darauf und schrie, dass er nicht gefressen werden möchte. Jeanne fand es so schön, wenn die zwei so im Garten turnten und der Bello die ganze Zeit herum tänzelte. Sie konnte sich kaum schönere Momente vorstellen. Nach einer halben Stunde schrie sie durch die offene Haustür: „Reinkommen. Es gibt Essen.“

Nach dem Essen hieß es für Jim, dass es ins Bett ging. Luc las ihm immer eine kurze Geschichte vor. Jeanne liebte es, wenn er mit seinen Kulleraugen an Lucs Lippen hing. Als Luc fertig war mit Vorlesen kam ich ins Zimmer um ihm Gute Nacht zu sagen. Luc küsste ihn auf die Stirn und sagte: „Gute Nacht mein Großer.“ Jeanne trat neben ihn, küsste ihn auf die Wange und sagte: „Schlaf schön und träume was schönes.“ Sie gingen gemeinsam an die Tür. Als Luc gerade das Licht ausmachen wollte, schrie Jim: „Nein. Nicht das Licht ausmachen.“ Man konnte deutlich das Entsetzen in seinen Augen sehen. Es war die Angst eines Menschen, der gerade angegriffen wird und weiß, dass wenn er nicht sofort um Hilfe schrie, er sterben müsse. Luc sprach ganz ruhig: „Wieso willst du nicht das wir das Licht ausmachen?“ Keine Antwort. Jim schaute seine Eltern so an, als wären sie Verrückt. Der kleine Junge senkte seinen blick und flüsterte: „Der Wind hat mir heute etwas ins Ohr geflüstert.“ Jeanne und Luc schauten sich besorgt an. Sie wussten beide, wie stark Jim die Unterschiede zwischen Fantasie und Realität nicht unterscheiden konnte. Jeanne setzte sich an Jims Bettkante. Sie strich ihm beruhigend über sein schwarzes Haar. Luc trat neben sie und schaute seinem Sohn tief in die Augen. „Was hat dir denn der Wind zugeflüstert? Willst du es uns erzählen?“, fragte Jeanne mit ihrer honigsüßen Stimme. Doch Jim schwieg. Keine Reaktion. Nach einer kurzen Zeit schüttelte der kleine Junge denn Kopf und vergrub siech in seiner warmen Decke. Jeanne und Luc gingen wieder zur Tür zurück und Luc flüsterte: „Schlaf jetzt und wenn du in der Nacht Angst bekommst, dann kommst du einfach zu ins ins Bett. Ok?“ Sie sahen sein kurzes Nicken, machten das Licht aus und schlossen die Tür. „Luc?“, sagte Jeanne. „Ich mache mir wirklich ernsthafte Sorgen um Jim. Hast du nicht auch seinen Blick in den Augen gesehen? Ich glaube er verliert langsam den Draht zur Realität.“ Sie blickte traurig zu Boden. Luc legte seine Hände auf ihre Schultern. „Schau mich an Jeanne. Ich mache mir doch auch Sorgen und ich habe auch seinen Blick gesehen. Doch du weißt, wie oft er vor etwas Angst hatte. Erst war es das Monster unter dem Bett. Dann der Clown im Kleiderschrank und jetzt ist es eben die Dunkelheit. Das wird vergehen und dann wird er wieder Angst vor etwas anderem haben. Da bin ich mir ganz sicher.“ Jeanne schaute ihm noch einen kurzem Moment an und nickte.

Jim lag ganz ruhig in seinem Bett. Die Augen geöffnet. Er sah die Umrisse der Gegenstände in seinem Zimmer. Der kleine Schrank der direkt neben ihm stand. Den Stuhl auf dem sein Vater immer saß und ihm eine Geschichte vorließ. Er konnte seinen Eltern nicht erzählen, was der Wind ihm gesagt hat. Der Wind hatte es ihm verboten. Aber er wusste es. Er wusste, dass der Wind recht hatte und das die Schatten in der Dunkelheit kommen würden. Sie würden ihn und seine Eltern holen. Irgend wann. Jim umklammerte seinen Teddy ganz fest. Dann hörte er sie. Die Schatten. Sie kicherten ganz leise. Jim presste seine Augen so fest er konnte zusammen und dachte, haut ab. Lasst mich in Ruhe. Ich habe euch nichts getan. Er spürte plötzlich etwas ganz kaltes an seiner Wange. Er öffnete die Augen und sah eine komplett schwarze Gestalt mit grünen leuchtenden Augen. Sie sahen ihn direkt an und er sah das böse in ihnen. Es war ein stechendes Grün. Er hielt die Luft an und dann fing er an u schreien. „Haut ab. Lasst mich in Ruhe!“ Er schrie und schrie.

Jeanne und Luc saßen im Wohnzimmer. Als ihr Sohn plötzlich anfing zu schreien. Sie rannten beide die Treppe hinauf. Luc wollte die Tür des Zimmers seines Sohnes aufreißen. Doch es ging nicht. Die Tür war verschlossen. Die Türklinke war eiskalt. Jeanne schrie: „Luc! Mach doch die Tür auf. Schnell mach sie doch auf.“ Luc rüttelte und zog daran. Doch es passierte nichts. Sie hörten ihren Sohn weiter schreien. „Jim. Halt durch. Wir sind gleich bei dir!“, schrie Jeanne. Plötzlich war es ganz leise. Ihr Sohn hatte aufgehört zu schreien. Jeanne und Luc bekamen es mit der Angst zu tun. „Scheiß auf die scheiß Türe“, sagte Luc und tritt ein paar Mal kräftig gegen sie. Doch dies brauchte auch nichts. „Mach doch endlich die Tür auf Luc!“, schrie Jeanne. Jetzt schrie Jim sie an: „Falls du es nicht bemerkt hast. Aber die Tür lässt sich nicht öffnen!“ Luc sah die Angst in den Augen seiner Frau und er hatte ja selber Angst um seinen Sohn. Aber was sollte er machen. Auf einmal hörten sie ein leises klicken und sahen wie die Tür langsam aufging. Aber nur einen Spalt breit. Luc spürte wie seine Frau ihn am Oberarm packte, festhielt und flüsterte: „Was ist das Luc?“ Sie spürten beide wie ein kalter Luftzug aus dem Zimmer kam. Beiden stellten sich die Haare auf. Luc öffnete die Tür langsam und rechnete mit allem. Er sah jetzt schon seinen Sohn blutend auf dem Bett und als er sich vorstellte, dass da drinnen jemand sei, der gerade seinen Sohn getötet hatte, packte ihn die Wut. Mit einer groben Handbewegung stoß er die Tür auf, machte das Licht an. Doch dort war niemand. Sie sahen ihren Sohn in der Ecke sitzen. Jim umklammerte seinen Teddy, schaukelte hin und her und flüsterte irgend etwas. Jeanne rannte an Luc vorbei zu Jim und umarmte ihn ganz fest. „Luc! Er ist ganz kalt und seine Lippen sind ganz blau!“, stellte sie mit einem entsetzen fest. Luc trat zu ihr, sagte sie solle ein paar Decken ins Wohnzimmer legen und eine Wärmeflasche zubereiten. Jeanne rannte los und Luc nahm seinen Sohn in den Arm. „Keine Sorge. Ich bin da. Ich lass dich nicht allein, mein Großer. Ich beschütze dich.“, flüsterte Luc ihm ins Ohr. Dann nahm er ihn auf dem Arm und trug ihn hinunter. Jeanne hatte im Wohnzimmer schon drei Decken auf die Coach gelegt und stand in der Küche. Luc setzte seinen Sohn vorsichtig ab und deckte ihn mit allen Decken zu. Zum ersten Mal öffnete Jim seine Augen und sah seinen Vater. Luc sah immer noch die Angst in den Augen von Jim. „Was war den los, Jim?“, fragte er vorsichtig. Sein Sohn schaute ihn nur an und bekam kein Wort hinaus. „Willst du einen Kakao?“, startete Luc den zweiten Versuch. Doch Jim nickte nur. Luc sagte: „Ok. Ich hole dir einen und bin gleich wieder da.“ Luc schenkte ihm ein warmes Lächeln und erhob sich. Er ging in die Küche zu seiner Frau. Als sie bemerkte, dass er da war flüsterte sie: „Ich warte noch auf das Wasser.“ Luc nickte und sagte: „Ich mache Jim einen Kakao. Willst du auch irgend etwas? Soll ich uns einen Kaffee machen?“ Jeanne schwieg. Als sie das Wasser in die Flasche goss fragte sie: „Was ist da in dem Zimmer passiert Luc?“ „Ich weiß es doch auch nicht Jeanne.“ Wieder schwiegen beide. „Geh zu Jim und bring ihm seine Wärmeflasche. Ich komme schon zurecht.“ Sie nickte und verschwand aus der Küche. Jetzt saßen alle drei im Wohnzimmer, tranken Kakao und schauten nur vor sich hin.

Eine Woche später hatte sich Jim wieder von dem Schock, so gut wie, erholt. Er schlief nur noch, wenn das Licht in seinem Zimmer brannte und seine Eltern ließen auch immer ein kleines Lämpchen an. Jeanne und Luc wussten immer noch nicht, was an diesem Abend passiert ist. Denn sobald sie ihren Sohn darauf ansprachen wurde er blass im Gesicht und schwieg. Deshalb dachten sie sich, dass es besser wäre, es dabei zu belassen. Luc und Jeanne hatten sich oft gestritten danach, weil Jeanne ihren Sohn zu einem Psychiater bringen wollte. Doch Luc war ganz anderer Meinung. Er glaubte seinem Sohn. Er hat nämlich die eiskalte Türklinke gespürt und nicht sie. Er wusste, dass etwas an diesem Abend nicht stimmte. Die Frage war nur was.

An einem Abend saßen sie wieder alle drei im Wohnzimmer. Jeanne las ein Buch. Luc las die Zeitung und Jim spielte mit seinen Autos. „Ich wünsche mir, dass die Schatten verschwinden“, flüsterte auf einmal Jim. Luc und Jeanne blickten beide auf und schauten ihren Sohn wieder an. Seine kleinen Hände schoben zwei Autos hin und her. „Welche Schatten meinst du?“, fragte Luc. „Die Schatten die nur in der Dunkelheit kommen. Das hat mir zumindest der Wind gesagt. Sie können nur kommen wenn es Dunkel ist.“, antwortete Jim. Jeanne und Luc schauten sich an. Dann sprach Jim weiter. „Sie wollten mich holen. Ich hab sie gesehen. Erst habe ich nur einen gesehen. Dann ganz viele.“ Jim schaute seinen Eltern fest in die Augen. Jeanne fragte: „Wieso wollen sie dich holen?“ Jim spielte mit seinen Autos weiter und sagte: „Sie wollen nicht nur mich holen. Sie wollen uns alle holen. Das hat mir der Wind gesagt. Sie brauchen die Seele der Menschen um stärker zu werden.“ Luc glaubte seinem Sohn und fragte: „Weißt du wie wir sie besiegen können? Hat dir der Wind es dir erzählt?“ Jim sah seinem Vater fest in die Augen und sagte: „Den größten Feind, denn die Schatten haben ist das Licht. Denn wenn es hell ist, gibt es keine Dunkelheit und solange es nicht dunkel ist, können die Schatten nicht kommen.“ Das ergab Sinn, dachte Luc. Jeanne war über dieses Gespräch gar nicht begeistert und sagte: „Jim. Du hast dir das alles nur eingebildet. Es gibt keine Schatten in der Dunkelheit und ich will, dass du aufhörst so etwas zu erzählen.“ Jim protestierte: „Es ist aber wahr. Ich habe nicht gelogen und ich habe es mir auch nicht eingebildet.“ Plötzlich ging das Licht aus. Jim fing an zu schreien. „Beruhige dich, Jim. Das war bestimmt nur ein Stromausfall. Ich werde jetzt ein paar Kerzen holen.“, sagte Luc. Doch dann fing Jim an zu weinen und schrie: „Nein Dad. Du darfst nicht weggehen. Sie werden dich holen. Du darfst nicht gehen. Du darfst nicht.“ Jeanne nahm Jim in den Arm und redete auf ihn ein.

Luc ging aus dem Zimmer raus und die Treppen nach oben. Er tastete sich langsam an der Wand entlang. Hörte wie das weinen seines Sohnes leiser wurde. Er wusste, dass Jim sich das nicht alles ausgedacht hatte und das machte ihm etwas Angst. Er versuchte ruhig zu bleiben und einen klaren Kopf zu bewahren. Doch dies war eben nicht so einfach. Er merkte wie es von Stufe zu Stufe kälter wurde. Auf seiner Stirn bildeten sich schon erste Schweißtropfen. Schweiß der Angst. Oben angekommen, bekam er eine Gänsehaut und es lief ihm eiskalt den Rücken runder. Es war, als hätte ihn jemand in kaltes Wasser geschubst und dort mehrere Hände Eis hineingeschüttet. Luc ging in sein Arbeitszimmer, wo die Kerzen stehen. Kaum hatte er den Raum betreten, knallte schon die Tür hinter ihm ins Schloss. Er drehte sich ruckartig um und versuchte sie zu öffnen. Aber wie er vermutet hatte, ließ sie sich nicht öffnen. Dann spürte er einen kalten Lufthauch an seinem Nacken und etwas kaltes an seinem Arm. Er drehte sich wieder um und sah nichts außer die grünen stechenden Augen. Er verlor sich regelrecht in ihnen und blieb wie angewurzelt stehen. Er wollte flüchten, wollte schreien. Doch er konnte nicht. Er wollte einfach, dass diese Augen verschwinden. Bitte, lass es einen bösen Alptraum sein, dachte er. Doch Luc wusste das es kein Alptraum war und die grünen Augen waren das letzte was er sah.

Jim zitterte am ganzem Leib. „Dad wird gleich wieder kommen und dann haben wir wieder Licht.“, flüsterte sie Jim ins Ohr. Sie hörten eine Tür knallen. „Luc?“, schrie Jeanne fragend nach oben. Doch es antwortete niemand. Jim flüsterte: „Jetzt haben sie ihn.“ Jeanne drückte ihren Sohn eng an sich und schrie wieder nach oben. „Luc hör auf mit dieser Scheiße. Ich finde das nicht witzig und du jagst Jim Angst ein.“ Ihre Stimme wurde zum Schluss dieses Satzes ganz schrill. Sie kannte ihren Mann und sie wusste, dass er keine Witze machte. Jetzt bekam sie es auch mit der Angst zu tun. Dann hörten sie wieder einen Knall. Diesmal war er dumpf und kurz. So als wäre jemand hingefallen. So als wäre Luc leblos zu Boden gestürzt, drängt sich in ihren Kopf. Sie wollte diesen Gedanken loswerden. Aber es ging nicht. Er drang sich ihr immer weiter auf. Sie spürte jetzt erst die Kälte die immer stärker wurde. „Jetzt kommen sie und werden uns holen.“, flüsterte Jim. Jeanne sagte schroff zurück: „Jetzt hör doch mal auf mit dem Quatsch. Es reicht jetzt, Jim.“ Jim fing wieder an zu schluchzen und sie merkte, dass sie etwas zu schroff zu ihm war. Sie drückte ihn fester an ihre Brust und flüsterte: „Entschuldigung. Es tut mir leid.“ Jim hörte auf zu schluchzen und das beruhigte sie etwas. Aber ihre Angst schnürte sich trotzdem weiter zu. Was sollten sie denn jetzt tun?Luc war bis jetzt noch nicht zurück und sie wollte Jim auch nicht alleine lassen. „Jim?“ fragte sie. Sie hörte ein Murmeln und dann sprach sie weiter. „Wie wäre es wenn wir Daddy suchen gehen?“ „Daddy ist nicht mehr da. Er ist schon im Himmel.“, flüsterte Jim. Jeanne war geschockt über seine Antwort. Doch tief im inneren wusste sie, dass Jim recht hatte. „Was machen wir denn jetzt Mama?“, fragte Jim. Doch darauf hatte Jeanne keine Antwort. Sie wusste es doch selber nicht und sie spürte, dass es im Raum immer kälter und kälter wurde. Dann sagte sie: „Ok Jim. Wenn du wirklich recht hast mit dem was dir der Wind erzählt hat. Dann müssen wir hier raus.“ Sie nahm seine Hand und stand auf. Jim zögerte. Doch dann lief er hinter seiner Mama hinterher. Jeanne lief zuerst zur Haustür. Sie nahm die Klinke in die Hand und zog die Hand daraufhin gleich wieder zurück. Die Türklinke war eiskalt. Sie nahm sie wieder in die Hand und versuchte sie runter zudrücken. Doch es funktionierte nicht. „Jim? Ich will, dass du dich versteckst. Ok? Ich werde eine Ausweg suchen.“ „Aber Mama. Ich will nicht, dass du mich alleine lässt.“, sagte er. Sie spürte das Jim den Tränen nahe war. Doch sie wollte nicht, dass ihm etwas passiert. Außerdem wollte sie wissen was mit Luc los war. Jeanne kniete sich vor ihren Sohn hin und nahm ihn fest in den Arm. „Bitte Jim. Ich will nicht das dir etwas passiert. Ich werde einen anderen Ausgang finden und dann werde ich dich holen. Ok?“ Flüsterte sie. Jim nickte und dann sprach sie weiter. „Und egal was passiert. Du darfst nicht aus deinem Versteck kommen. Ok? Versprich mir das.“ Jim nickte und versteckte sich in einem Schrank. Er setzte sich auf den Boden und umklammerte seine Beine.

Jeanne setzte sich in Bewegung nachdem sie sichergestellt hatte, dass ihr Sohn sich sicher im Versteck aufhält. Sie ging langsam die Treppenstufen nach oben. Sie spürte die kalte Luft, die ihre Lunge füllte. Bitte lass Luc nicht tot sein. Bitte, dachte sie. Als sie vor seinem Arbeitszimmer stand und denn Türgriff anfasste, spürte sie eine dünne Eisschicht. Ihr stellten sich sofort alle Haare auf. Was war hier los. Das konnte doch nicht echt sein. Doch es war echt. Langsam öffnete Jeanne die Türe und spürte ein schweres Gewicht dahinter. Sie schob sie weiter auf und schaute dahinter. Sie sah wie Luc da lag. Reglos. Er bewegte sich nicht mehr. Sie stieß einen leisen Schrei aus und taumelte rückwärts. Sie lehnte sich an die Wand an und ließ sich senken. Das kann nicht sein. Das darf nicht sein, dachte sie und fing leise an zu weinen. Sie schrie seinen Namen. Sie konnte es einfach nicht glauben. Irgend etwas hatte ihren Mann umgebracht. Ihren Mann. Sie hatte ihn wirklich geliebt. Auch wenn oft nicht alles so rund lief und es auch oft streit gab. Aber sie hatte ihn geliebt. Wieso nur?, stellte sie sich die Frage. Was hatte das alles zu bedeuten. Sie wusste, dass sie aufstehen, ihren Sohn schnappen und abhauen hätte müssen. Aber sie konnte nicht. Sie hatte einfach keine Kraft mehr. Sie saß da und weinte. Sie spürte zwar, dass die Kälte immer näher kam. Doch das war ihr in diesem Moment egal. Sie sah auch, dass etwas schwarzes immer größer wurde. Aber sie wollte nicht abhauen. Sie wollte den Mörder persönlich in die Augen blicken und ihm sagen, was für ein Riesen Arschloch er sei. Doch dann tauchten die stechend grünen Augen auf. Wie aus dem nichts. Sie war darüber erschrocken. Sie hatte mit allem gerechnet. Mit einem starken Mann, der sie am Arm packte. Mit einer Person, die ihr eine Pistole vors Gesicht hebt. Aber nicht mit diesen leuchtenden Augen. Sie bekam es mit der Angst zu tun und dachte, Jim. Ich muss zu ihm. Wir müssen hier weg. Sofort. Doch sie wusste, dass es dafür jetzt zu spät ist. Jeanne sah nur noch diese Augen, wie sie immer größer wurden. Ihr wurde schwindelig, sie verlor das Bewusstsein und fiel zu Boden.

Jim hörte seine Mutter schreien und weinen. Das jagte ihm Angst ein. Er drückte seine Hände ganz fest an seine Ohren und presste seine Augen ganz fest zusammen. Er wusste, dass sie gleich auch seine Mam holen würden. Die schreie und ihr weinen verklungen. Er wusste nicht, wie lang er da saß. Er stellte sich vor wo ganz anders zu sein. Mit Mam und Dad. Glücklich und Lachend. Er wollte das ganze nicht. Irgend wann war es so leise, dass er seine Arme wieder senkte und die Augen öffnete. Jetzt sind sie beide fort und ich bin ganz allein, dachte er sich. Er öffnete die Tür des Schrankes. Ganz vorsichtig. Ein kalter Luftzug drang herein. Er schaute nach draußen. Sah aber nichts bis auf ein paar Umrisse. Was sollte er jetzt tun? Niemand würde ihm glauben. Jim wusste, dass er jetzt ganz schnell hier weg musste. Aber wo sollte er hin? Er hatte doch jetzt niemanden mehr. Er verließ leise sein Versteck und schaute sich um. Nichts zu sehen. Er schlich wie eine Raubkatze langsam an die Haustür. Doch er bekam sie nicht auf. Angst durchzuckte seinen Körper. Und nun? Es gab kein Licht und wahrscheinlich auch keinen Ausweg. Ein kräftiger kalter Wind wehte in seine Richtung und ließ ihn für einen kurzen Moment taumeln. Er drehte sich um und sah wieder in diese Augen. Doch diesmal waren sie gar nicht so Furcht einflößend wie vorher. Sie waren auf einmal so friedlich. Sie nahmen ihm die Angst. Die Augen kamen näher. Er spürte auf beiden Armen etwas ganz kühles. Doch er schreckte nicht zurück. Er hatte keine Angst mehr. Jim spürte wie der Boden verschwand und wie er langsam immer müder wurde. Bald wirst du bei deinen Eltern sein, drang eine Stimme zu ihm vor. Es war eher wie ein Windhauch. Aber sehr freundlich und er hatte auf einmal das Gefühl zu schweben. Dann schlief Jim für immer.

Impressum

Texte: Maira Baker
Tag der Veröffentlichung: 29.12.2013

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