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Ein Engel schenkt Hoffnung

Wie immer, sitze ich in meinem Zimmer. Die Fenster hinter den Gardinen versteckt. Mein Blick starr gerade aus auf die schwarze düstere Wand.Mal wieder kotzt mich mein ganzes Leben an.In der Schule läuft es nicht so wie es soll. Ich kann mich einfach nicht konzentrieren. Jedes mal, schweife ich mit meinen Gedanken ab. Denke über die Welt, denn Sinn des Lebens und vor allem über mein Leben nach. Die dummen Sprüche der anderen interessieren mich nicht mehr. Ich habe gelernt sie zu ignorieren und habe mich an das Leben der Außenseiterin gewöhnt.Daheim halte ich es bald nicht mehr aus.Das Geld reicht vorne und hinten nicht. Mein Vater sitzt nur jeden Tag da und säuft sich die Birne weg und meine Mutter muss schon auf den Strich gehen, damit wir wenigstens die Miete bezahlen können. Dazu gehe ich noch jede Sonntag Nacht bei Supermärkten vorbei und klaue noch Essbares aus den Mülltonnen. Sonst bekomme ich nur wieder Schläge von der feinsten Art, wenn nichts im Kühlschrank ist und mein Vater interessiert es ja nicht, ob wir Geld haben oder nicht.Schon allein der Gedanke, dass wenn das Essen nicht pünktlich auf dem Tisch steht, lässt mir einen Eisregen über den Rücken laufen. Es muss alles perfekt sein, wenn er ins Esszimmer kommt.Manchmal, schlägt er sogar so stark zu, dass es erst gar nicht weh tut. Das liegt daran, dass die Stelle dann wie betäubt ist.

Jetzt sitze ich hier und mir fällt wieder gleich die Decke auf den Kopf.Ich blicke auf meinen Arm und sehe die weißen Striche. Lange, wie kurze. Dicke, wie dünne und tiefe, wie ganz schwache. Ich habe schon längst aufgehört, sie zu zählen, wie viele es sind.Langsam streiche ich mit meinen Fingern über die Narben und allein diese Berührungen, lassen mich erstarren.Ich habe wieder den Drang mich zu ritzen. Zu sehen, wie das Blut aus meiner Wunde tritt, lässt mich wissen, dass wenigstens noch etwas funktioniert. Das pulsieren der Wunde, lässt mich wissen, dass ich noch lebe und dass ich noch anderes fühlen kann, außer diesen Schmerz in mir.Bei diesen Gedanken ziehe ich meine Arme sofort zurück und halte mir die Stirn. Ich weiß, ich werde es wieder tun. Werde die Klinge aus meinem Geldbeutel holen, sie ansetzen und durch ziehen. Bis es wieder blutet und schmerzt.

Doch diesmal, ist es anders.Ein leises klopfen, reißt mich aus meinen Gedanken. Ich blicke mich um. Aber es war nichts zu sehen.Jetzt fange ich auch noch an zu halluzinieren, denke ich. Aber da! Da ist wieder dieses klopfen.Ich finde heraus, das es von meinem Fenster kommt. Ich ziehe die Gardinen zurück und ein Lichtstrahl fällt auf mein Gesicht. Ich presste meine Augen zusammen, bis ich glaube, mich an das Licht gewöhnt zu haben.Dort auf meinem Fensterbrett sitzt eine weiße Taube mit einem zart rosarotem Hals und roten Augen. Sie sitzt ganz anmutig da. In ihrer ganzen Pracht.Ich muss fünfmal hinschauen und habe das Gefühl, jetzt völlig durch zudrehen.Ich mache vorsichtig das Fenster auf und Sie flog hinein und setzt sich mitten auf mein Bett.Die Augen ruhten auf mir und ich hatte das Gefühl, dass diese Taube mich von oben bis unten mustert. Als ich mich neben sie , auf mein Bett, setze, läuft sie direkt auf meinen Schoß und verharrte dort. So als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt.„Das kann nur ein Traum sein. Du wachst bestimmt gleich auf und merkst das du eingeschlafen bist“, flüstere ich zu mir selbst.Doch die Taube gibt mir eine Antwort und ich fange mich langsam an zu fürchten.„Es tut mir äußerst Leid, Miss, dass ich sie beim Nachdenken störte und es ist kein Traum, Miss.“Am liebsten würde ich jetzt diese blöde Taube von meinem Schoß stoßen und schreiend aus meinem Zimmer rennen. Aber diese ruhige Art, die diese Taube hat, lässt mich einfrieren. Ich bewege mich keinen einzigen Zentimeter.

„Ich bin Maximilian und mein Fräulein schickt mich um Ihnen einen Briefumschlag zu überbringen.“Mit diesen Worten fliegt Maximilian langsam und schwerelos ein Stück nach oben, flattert mit den Flügeln und ein kleiner Briefumschlag kommt angetanzt. Er senkt sich langsam auf meinen Schoß und bleibt dort liegen.Dann spricht Maximilian wieder: „Haben sie keine Scheu ihn zu öffnen Miss. Dort steht alles drin, was sie wissen müssen.“ Und mit diesen Worten fliegt er davon. Ich schaue ihm nach und sehe, wie er sich in Kirschblüten auflöst, die dann mit dem Wind fliegen und verschwinden.Du bist völlig verrückt geworden, denke ich.Doch, da ist immer noch dieser kleine Briefumschlag auf meinem Schoß.Er war weiß und am Rand geht es dann in ein sehr helles rosa über. Da steht mit einer wunderschönen und für mich perfekten Schrift mein Name darauf. An Emma.Vorsichtig nahm ich ihn in die Hand und drehte ihn um. So, als wäre er aus feinstem Porzellan.Mit einer Kirschblüte ist er verschlossen. Vorsichtig mache ich ihn auf. Meine Finger zittern bei jeder Bewegung. Ich hole den Brief heraus und lese was darauf steht.

 

Hier, für Dich!
Dieses Gedicht.
Sorgen und Kummer
weg damit!
Zaubert ein Lächeln
auf dein Gesicht.
Hoffnung.
Verspreche ich!

 

Ich lese es mir mehrmals durch. Was war das? Was passiert hier? Wer hat das geschrieben? Und wieso?Mein Herz rast. Tränen steigen in mir hoch.Hoffnung. Verspreche ich!, dieser eine Satz, der mich völlig aus der Fassung bringt. Hoffnung? Die gibt es schon lange nicht mehr. Es ist, als hätte sie jemand davon geblasen. Ich spüre, wie eine Träne mir übers Gesicht läuft. Mit einer schnellen Handbewegung wischte ich sie weg.Wach doch endlich auf, denke ich mir. Aber es war mir irgendwie klar, dass ich nicht aufwachen werde.Ich schaue auf die kleine Kirschblüte und lasse die Zeit vergehen.

Plötzlich schlägt meine Zimmertüre an die Wand.Mein Vater steht mit hochrotem Kopf und bebenden Nasenflügeln da. Seine Finger schließen sich und öffneten sich wieder. Dann schließen sie sich wieder...Sein Blick spricht schon mal nichts gutes. Er drückte nur noch Hass aus.„Muss ich dir mal wieder eine Lehre erteilen? Du weißt, wie ich es hasse, wenn du auf mein Rufen nicht reagierst. Dank dir wäre beinahe die ganze Küche abgebrannt.“, schrie er. „Du Nichtsnutz! Du bist ja schlimmer als deine Mutter!“Ich senke den Blick und hebe meine Hände schützend vor mein Gesicht. Aber es nützt nichts. Seine Faust landet direkt in in meine Magengrube. Der nächste Schlag trifft meine Rippen und dann mein Gesicht. Ich falle nieder. Liege auf dem Fußboden und krümme mich zusammen. Bereit den nächsten Schlag einzustecken.

Ich warte und warte...Doch es kommt nichts. Ich höre nichts. Es ist auf einmal alles so still.Ich spüre nur einen schwachen Windhauch durch mein Haar wehen.Langsam öffne ich meine Augen und schaue mich vorsichtig um. Ich sehe, wie überall um mich herum Kirschblüten mit dem Wind tanzen und dann langsam auf den Boden sinken. Ich liege nicht mehr auf meinem Zimmerboden. Sondern unter einer riesigen Trauerweide. Neben mir steht ein sehr junger Kirschbaum.Ich setzte mich auf und komme aus dem staunen nicht mehr raus. Ich spüre nicht einmal mehr die Schmerzen.Die Kirschblüten bilden einen kleinen Tornado und zum Vorschein kommt ein kleines Kindergesicht. Ein kleines, zartes Mädchen mit eisblauen Augen. Dünnem und feinem blondem Haar, was auf der rechten Seite zu einem Zopf geflochten ist. So zarte herzförmige Lippen. Als die Kirschblüten langsam wieder sinken. Sehe ich, dass sie ein rotes Kleid trägt und Flügel hat. Die Flügel haben ein so zartes rosa wie die Kirschblüten.

Langsam hebt sie die Hände nach oben und Maximilian fliegt auf sie zu und setzt sich auf ihrezerbrechlichen Finger.„Fräulein.“, begrüßt er sie und nickt ihr zu.„Das hast du gut gemacht, Max. Mal wieder im richtigem Moment.“ Sie sprach leise und es klingt eher wie ein Wind der langsam an einem Ohr vorbei weht und dann seinen eigenen Weg weiter verfolgt.Ich sitze wie angewurzelt da.Langsam senkt sie ihre Arme und setzt Maximilian auf ihrer linken Schulter ab.Dann ruht ihr blick auf mir. Bis sie wieder anfing zu sprechen.„Ich habe dich schon erwartet Emma.“ Ihre Augen drücken nichts aus. Keine Freude, Trauer oder Wut. Einfach nichts.„Ich verstehe dich. Ich weiß, wie du dich fühlen musst.“ Mit diesen Worten neigte sie ihren Kopf ein bisschen nach rechts.Und dann kommen mir die Tränen, mein Körper fing an zu beben und ich spüre, wie der Hass plötzlich in mir aufsteigt.Dann schrie ich: „Du weißt doch gar nichts. Du kannst einfach weg fliegen, wenn es dir nicht passt. Du musst nicht so ein beschissenes Leben leben wie ich! Du kannst machen was du willst!“ Ich wische mir mit meinem Handrücken die Tränen weg und dann flüstere ich: „Du weißt nicht, was es heißt sterben zu wollen. Wenn man einfach nicht mehr leben will, weil einem einfach die Kraft fehlt. Die Kraft um weiter zu leben. Aber ich weiß es!“

Darauf herrscht komplettes Schweigen. Nur mein Atem und mein Herzschlag ist zu hören.Ich weiß nicht, wie lange ich hier sitze. Aber ich traue mich auch nicht, diesem Engel in die Augen zu blicken. Sie meint es ja auch nur gut. Oder nicht?„Du hast vielleicht recht. Ich weiß vielleicht wirklich nicht was es heißt, denn Wunsch zu haben einfach zu sterben oder wie es ist Schmerzen zu haben.“, sprach sie mit einer sanften Stimme.Langsam hebe ich meinen Blick und schaute ihr direkt in die Augen. Ich merke, dass sie jetzt direkt vor mir sitzt und mich mustert. Sie sagt: „Aber vielleicht weiß ich es doch. Vielleicht weiß ich sogar mehr als du.“Es herrscht ein kurzes Schweigen. Dann bewegten sich ganz langsam wieder ihre Lippen.„Jeder Mensch macht Fehler. Jeder geht einmal denn falschen Weg und wenn niemand für uns da ist, gehen wir vielleicht denn letzten Schritt unseres Lebens.“Mein Herz pulsiert. Ich fühle mich auf einmal so geborgen und so müde.„Wut, Hass, Schmerz und Trauer können einen auffressen. Bis nichts mehr da ist. Außer einer toten Hülle. Doch soweit dürfen wir es nicht kommen lassen. Du musst dagegen ankämpfen und denn richtigen Weg gehen.“Ich lege meinen Kopf vorsichtig auf ihre Oberschenkel. Sie fühlen sich so weich an.Ich spüre eine winzige Hand die über meine Haare streicht.

Plötzlich höre ich aber wieder Autos. Schritte und Menschen die sprechen und miteinander lachen.Ich blicke auf und sehe vor mir das Polizeirevier. Ein sanfter Windhauch weht und ich höre aus weiter Entfernung ihre Stimme.„Du hast die Wahl.“

Impressum

Texte: Maira Baker
Tag der Veröffentlichung: 29.12.2013

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