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Wispernde Worte der alten Welt

Einst lebten zwei Götter. Sie trugen den Namen Eurea, die Göttin des Lebens und des Lichts und Ameros, der Gott des Todes und des Nichts. Beide konnten nicht ohne einander, aber miteinander ging es auch nicht. Sie zogen sich an wie Finsternis und Licht, Wie Feuer und Wasser, wie Erde und Luft, Liebe und Hass.

Sie schufen die Welt und schufen den Baumeister des Daseins, den Baum der das Land und den Wesen darin das Leben schenkte. Sieben Kinder erblickten das Licht durch die Frucht der beiden Götter. Sie hatten sieben Begleiter. Sieben treue Tiere und Getreue.

Sie sollten wachen über die Menschen, Tiere und noch so kleinsten oder Größten Lebewesen.
Sie lachten und erfreuten sich an der Wärme des Kontinents, das ihre Eltern erschufen. Aber mit der Zeit fingen sie an sich zu beneiden. Ein Streit entstand zwischen ihnen und genau wie bei ihnen herrschte bei den Menschen plötzlich Zwietracht, Neid und Hass.


Selbst der Kontinent den sie erschaffen hatten brach, zerbröckelte durch die Uneinigkeit entzwei.
Sie bekämpften sich bitter bis nichts mehr lebte, bis nur noch der Baumeister selbst übrig blieb. Unter seinen Zweigen und fallenden Blättern, hielten zwei Kinder, verängstigt und klein, sich in den Armen haltend. Die Sieben und ihre Begleiter verschwanden, durch die Hand der Götter.

Erneut reichten sich Eurea und Ameros die Hand. Noch einmal erschufen sie das Leben. Aber niemals wieder hörte man mehr von den Sieben. Man munkelt sich eines Tages werden sie wiedergeboren um als Strafe unter den Sterblichen zu leben. Und mit ihnen würde der Tod oder das Leben über die Lande ziehen.

Kia

Sanft kräuselten sich Wellen über das klare blaue Kühl auf der dunklen Oberfläche des kleines Sees. Die Wellen wurden langsam größer und größer. Die Kälte bohrte sich wie kleine stumpfe Nadeln in die zarte Haut des jungen Mädchens, das gerade einen Fuß in das Wasser tauchte. Langsam hob sie ihren Kopf, als das rotblonde lange wallende Haar über die Hüften hing und die Spitzen sich wie Wasserschlangen über die Oberfläche schlängelten. Zu ihrer Rechten und Linken befanden sich rund um sie herum blaue, weiße milchige Lichter, die brennend auf den Fackeln leuchteten.
Der leise summende Gesang, der verhüllten Gestalten war zuerst ganz leise und ruhig gewesen.
Doch nun stiegen die Stimmen immer lauter an bis zu einem lauten gellenden Ton, der sich in jene Ohren drang deren Körper mit dem eisigen Nass umhüllt war.
Bebend mit zitternder Stimme erhob sich auch nun ein schwacher Laut von ihren Lippen, als sie sich nun in die Tiefen stürzte. Die Wellen brachen über ihr zusammen.
Ihre Augen versuchten sich an die dunkle verschwommene Umgebung zu gewöhnen, was ihr nicht gelang.
Die Lunge brannte wie Feuer. Der Atem blieb ihr stockend im Halse stecken. Sehnlichst wünschten sich ihre Lungen reine frische und klare Luft, die ihren Körper erfüllen sollte. Der Puls verlangsamte sich, das Herz versagte seinen Geist, als ihre Beine in der Tiefe des dunklen Ortes den schlammigen Boden berührten. Dort blieb es blitzartig stehen. Die Pupillen der schwarzbraunen Augen weiteten sich, als eine scharfe aber milde Stimme sich in ihren Verstand schnitt. .
Öffne deine Augen mein Kind. Lass deine Seele gleiten in die Zeiten der Stürme und Meere. Lausche deinem Herzen. Befreie deinen Geist von deinem Leib und sieh das Strahlen der Mutter und ihre Kraft...
Sie spürte wie jegliches Leben aus ihren Adern wich, das in ihnen pulsierte. Nebel bildete sich vor ihren Augen, der sich langsam in feinen Linien in sich verschwamm. Scharfe Umrisse bildeten sich. Grüne Berge erhoben sich und streckten sich in den Himmel, als würden sie nach den Wolken greifen. Schwebend gar tragend flog ihre Seele und trug sie über weite unbekannte Lande. Plötzlich brannte ihre Haut, als würde das Feuer ihren ganzen Körper umhüllen. Flammen... brennende heiße Flammen..
Und dann dort scharfe Zacken, die umhüllt waren von blauen schönen Türmen und ein eisblaues Auge. Eine verborgenen Kraft leuchtete Wellen die sich gegenseitig zu verschlingen drohten. Dahinter verbargen sich Gesichter... Gesichter dunkler Wesen..
Aber nein nicht nur Gesichter dunkler Wesen. Sondern Wesen die strahlten wie grelles Licht.
Je packte sie jemand am Armgelenk und hörte zischende Worte einer scharfen gerissenen Stimme, die sich wie Krallen in ihr Herz bohrten.
Stirb....
Ein lauter Knall barst durch ihre Ohren. Die Gestalten verschwammen. Wie aus dem Nichts wurde sie zurück in ihre Welt gerissen.
Ihr Körper war taub. Das Armgelenk war verbrannt und sie spürte das es wie Salz in offener Wunde brannte. Als das Leben wieder in ihre Glieder fuhr, so hatte sie das Gefühl als wäre es nicht ihr Körper sondern der einer Fremden.
Sie versuchte wieder ihre Arme und Beine in Bewegung zu setzten, doch ihre Kraft war noch nicht zu ihr zurück gekehrt. Trotzdem wenn sie es nicht wieder an die Oberfläche schaffte, würde sie hier ihr Ende finden.
Schwache Lichter tauchten vor ihr auf, die sich an der Oberfläche des Sees brachen. Schneller und immer schneller schwamm sie darauf zu.
Als sie mit ihrem Kopf das Nass durchbrach, warf sie ihren Kopf in den Nacken, sodass das lange Haar auf ihren Rücken klatschte. Mit vorsichtigen Schritten schritt sie aus dem Wasser. Der blaue Stoff klebte auf ihrer Haut, wo sich ihre Konturen des weiblichen jungen Körper abzeichnete.
Eine ältere Frau ging auf sie zu und salbte sie, als sie ihr ein Zeichen auf die Stirn strich. Leise magische Worte entfesselten in ihr Etwas..
Eine alte Macht die längst schon in Vergessenheit geraten war.....
„Du bist nun eine Dienerin Eureas. Der Göttin des Lebens und des Lichts. Erfülle deine Aufgabe, wie die die vor dir ihre Pflicht taten..“
„Hier vor Angesicht der ehrenwerten Göttin schwöre und gelobe ich immer in ihrem Willen zu handeln. Ich werde meine Schwestern lieben und ehren mit Herz und Seele.“
In jenem Moment schnitt eine scharfe Klinge durch ihre zarte Haut. Blut quoll in feinen Linchen über die Handfläche und tropfte in das blaue Wasser, das anfing zu Leuchten.
„Ich schwöre es....“
Helle Nebelwölkchen erstiegen über dem See und glitten über seine wellenförmige Oberfläche. Aus der Ferne ertönte ein wildes Kreischen. Sie sah zu wie sich zwei weiße Flügel erhoben. Im nächsten Augenblick bohrten sich Slibergraue Krallen in die Schulter, während ein Wesen seinen Kopf schief legte und sie dabei mit blau violetten Augen anstarrte. Sämtliche Stimmen erstarrten. Alles wurde so leise, das das Herz, das in ihrer Brust wild gegen ihre Rippen hämmerte, zu hören war.
Unmöglich!
Das Tier flatterte mit seinen Flügeln, als wollte es widersprechen. Respektvoll schritt die ältere Priesterin aus dem Wasser, neigte ihre Knie und wisperte:
„Die Zeit ist gekommen“

 

Kia hielt ihre Hände über das wärmende Feuer, das sie mit Geborgenheit erfüllte. Die Zeremonie hatte ihren kindlichen Körper so sehr geschwächt, das jeder Muskel schmerzte. Jede Novizin wurde diesem Ritual unterzogen und Jede die diese Zeremonie überlebte, hatte eine eigene Vision über ihre Bestimmung. Doch konnte sie sich nicht erklären was die Gestalten in ihrer Vision von ihr wollten oder gar begehrten. Oder wer sie waren.
Aber diese schreckliche kalte Stimme die sich ihrer Seele bemächtigte und sie berührt hatte, veränderte jede Vorstellung von dunkler Macht.
Und der weiße Rabe, der aus dem Nichts erschienen war, war seit Tausenden von Jahren nicht mehr gesichtet worden. Eine Legende erzählte, es sei ein Wesen der Lichtgeborenen. „Die Kinder der Göttin“ Nannte man sie. Sieben gab es von ihnen. Aber als sie verschwanden, verschwanden auch ihre Begleiter. Niemand wusste was passierte. Niemand konnte sich ihr Verschwinden erklären.
Warum kam der Rabe ausgerechnet zu mir?
Sie verstand die Welt nicht mehr. Vorsichtig hopste der Vogel zu ihr, öffnete seinen Schnabel , als einen kehligen Ton von sich gab. Erschrocken zuckte sie zusammen, als hätte ein Hund sie gebissen. Vorsichtig hob sie die Hand über das Tier, das jetzt auf ihren Schoß hüpfte.
„Rega...“ entfleuchte es ihren Lippen. Ja das sollte sein Name sein.
„Kia..“ Jemand tippte ihr auf die Schultern und unterbrach die angenehme Ruhe. Es war Melena, die alte Priesterin, die sie gesalbt hatte.
„Die Hohepriesterin möchte dich sprechen. Jetzt sofort.“
Verwirrt blickte sie sie nur an. Sie hatte gelernt keine Fragen zu stellen und die Befehle ihrer Meisterin zu folgen. Sie hielt ihr Armgelenk dem Raben hin woraufhin er sich festkrallte. Stück für Stück schob er sich ihren Arm hoch, kam an ihrer Schulter zum Stillstand, schloss die Augen und plüschte sein Gefieder an seiner Brust auf. Die blau violetten Augen schlossen sich. Es sah so aus, als wollte er schlafen.
Sanfte leise Schritten wandelten über die mosbewachsenen Steinchen, die ihre Fußsohlen kitzelten. Um ihren Körper hüllte sich ein hellblauer Stoff, der durch einen dunkelblauen Gürtel um ihre Taille zusammen gehalten wurde. Ihre schlanken und grazilen Bewegungen, waren normalerweise die der einer Gazelle gleich, aber heute war sie einfach nur müde und erschöpft. Also wirkten sie eher schlaksig als elegant.
Vor ihr erstreckte sich ein kleiner grüner Hügel der drei oder vier Meter in die Höhe ragte. Um ihn herum schlängelte sich ein schmaler Weg, der empor zu einem weißen schönen Häuschen das aus edlem Holz bestand führte. An den Wänden schlangen sich grüne Ranken kreuz und quer über die Mauern und vor dem Haus stand eine wunderschöne alte Eiche, die hier schon seit Anbeginn der Zeit wuchs. Je öffnete der Weiße ein Auge, blinzelte und flog auf einen Ast des Baumes.
Keiner vermochte zu sagen wie alt dieser Baum eigentlich schon war. Laut den alten Geschichten pflanzten der Gott Ameros und die Göttin Eurea den Baum des Lebens. Sollte eines Tages das Leben aus ihm weichen, so wich es auch aus den Leibern der Menschen und alles was aus der Frucht der Götter stammte.
Mit frohen Herzen erkannte sie, das er schöner den je blühte. Die kirschenroten Knospen streckten sich dem Himmel entgegen. Begierig darauf wartend das die Sonne ihre Fühler über den Horizont erstreckte. Lächelnd blickte sie zu Rega, der nun wieder seine Augen schloss.
Melena klopfte an der Tür und eine sanfte brüchige alte Stimme bat sie herein. Als sie sich drinnen befand, sah sie nichts anderes als Dunkelheit. Schatten huschten hin und her, als sie die Hohepriesterin erblickte, die sich vor dem schwachen Licht der ausglimmenden Glut zu erwärmen schien.
„Tritt näher heran Kind. Fürchte dich nicht..“
Nervösen Schrittes ging sie auf die ältere Frau zu, deren Augen so bleich waren, das sie schwachen Nebel glichen die sich von den Bergen herunter gesellten. Die Haut war von einigen wenigen alten Altersflecken überzogen. Doch hatte sie eine angenehme Erscheinung.
„Gib mir deine Hand“
Gehorsam hielt sie ihre Hand hin, als kalte Finger ihr Gelenk umfassten. Genau an der Stelle wo sich die Brandwunde befand, die sie von der Vision davon getragen hatte. Ein schauderhaftes Gefühl durchdrang den kindliche Hülle der jungen Priesterin. Wie tausend kleine Ameisen, die über eine Hand huschten. Es war nicht zu erkennen, was die Hohepriesterin dachte, fühlte, empfand oder sah. Lange sehr lange war es sehr leise. So unheimlich leise, das man ein Blatt fallen hören hätte können.
„Vor dir liegt eine schwere Zukunft mein Kind. Ich werde dich fortschicken. Du bist zu etwas ausersehen. In dir schlummern die Geschicke einer Kriegerin. Sie werden dich leiten. Sowie der Wille Eureas die dir die Hand reichen wird, wann immer du sie brauchst. Wenn die Zeit gekommen ist, erwähle dir einen Sila. Vor allem aber vergiss nie achte auf Rega. Er ist dein Gefährte. Du bist als eine der Sieben wiedergeboren“
Eine Sila erwählen? Diese Ehre stand nur wenigen Frauen zu. Verwirrung, war wohl das Wort, was Kia suchte. Woher wusste sie den Namen des Raben? Sie hatte ihm ihn erst gegeben. Und überhaupt.. Sie eine der Sieben? Das hörte sich so verrückt an..
„Eurea hat es mir zugeflüstert mein Kind“
Nur eine Frage stellte sich ihr noch. Wenn sie nicht hier bleiben konnte, wohin sollte sie gehen?

 

Esquor

Wasser tropfte von den kahlen dunklen Wänden in schwarzen Gängen des Untergrundes. Ihm war nicht wohl zumute, wie die Schatten an den Wänden krochen, Ratten im stinkenden brühigen Kanalwasser nach etwas Essbaren suchten. Und erst der Gestank. Entsetzlich! Er presste die Lippen aufeinander, während er dabei eine Miene verzog, die seinem Ekel Ausdruck verlieh.
Elende Viecher...
Worauf hab ich mich da eingelassen?
Weil es ein Befehl war? Weil er loyal war?
Nein das war es wohl eher nicht. Ihm blieb einfach keine andere Wahl. Man hatte seine Kinder als Geisel genommen. Würde er nicht das tun was er tun musste, stellte man mit ihnen schlimme Dinge an. Obwohl Schläge das Mindeste davon waren.
Seine Finger tasteten nach einem Stein auf den ein Falke in dessen Krallen sich eine Rose befand, drehte ihn um und sah was passierte. Rings um das Gemäuer brökelten Steinchen die von Wölkchen von Staub aufwirbelt wurden. Vor seinen Augen öffnete sich ein Tor, das sich links und rechts zur Seite schob. Die Schwärze klaffte auf wie ein gefährlicher dunkler Rachen, der die Schwärze zu verschlingen drohte.
Manchmal wünschte er sich, er wäre ein einfacher Baumeister geblieben. Stattdessen kam es anders. Er hatte das Vertrauen eines hohen Herren errungen, indem er ihm das Leben gerettet hatte, als er ihn vor seinen Feinden verbarg.
Aus Dankbarkeit wurde er in die gehobene Gesellschaft eingeführt und schlussendlich erhob man ihm zum Ritter. Jeder vertraute ihm. Keiner würde damit rechnen, was er jetzt tun musste.
Vergebt mir gute Eurea...Vergebt mir My Lord!
Die Trauer in seiner Miene sprachen Bände. Er hatte seinen Herrn geliebt. Hatte ihm Treue geschworen. Hatte ihm einen Eid abgelegt. Und jetzt? Jetzt stand das Leben seiner Kinder auf den Spiel. Er musste etwas tun, das er lieber bleiben lassen würde
Als er endlich aus dem Schlund des Rachens austrat, schien ihm schwach die Sonne in sein Gesicht. Mit seiner Hand verscheuchte er die Strahlen, wie lästige Fliegen, dabei wandte er den Kopf zu dem Himmelbett indem ein junger Mann schlief. Der Atem des Mannes ging ruhig und flach. Wie ein Lämmchen lag er da.
Wenn ich es tue.. er musste lauthals und klamm schlucken.
Mit leisen Sohlen schlich er sich heran, beugte sich über ihm und lauschte mit seinen wachsamen Ohren. Draußen murmelten Wachen etwas vor sich hin oder johlten laut auf, Esquor zog zaghaft einen kleinen messerscharfen Dolch aus seiner Scheide und hielt sie an die Kehle des jungen Herrn.
Kann ich das mit meinen Gewissen vereinbaren? Das Leben des jungen Lords gegen das meiner Kinder?
Blitzartig öffneten sich die aschblauen Augen.
Schweißperlen rannen über die Stirn. Eiskalte klamme Hände packten den Dolch.
Als er ihn herrausgezogen hatte, gab er ein Geräusch von sich, als würden lange schartige Fingernägel über stumpfes Glas fahren. Wie ein tödliches markerschütterndes Kreischen.
In der gleichen Zeit indem der junge Lord seine Augen aufschlug, fuhr der kalte Stahl der Klinge an seinen warmen pulsierenden Hals. Sein Opfer begriff nicht. Verstand nicht.
Was tue ich hier? Was tue ich hier? Was tue ich hier?
Seine Stimme überschlug sich, wie ein Singvogel, der verlernt hatte zu singen. Doch eine andere Stimme in seinen Kopf gab eine Antwort, die er nicht verdrängen konnte.
Du rettest das Leben deiner Kinder! Tu diesen Schlag! Führe ihn aus!
Er zögerte noch immer. Zu lange!
Die Türe ging auf und ein junger Knabe mit vierzehn Jahren stand im Raum. Das Gesicht war aschfahl, als er erkannte was vor sich ging. Schreiend gestekulierte er mit seiner Stimme und Armen. Zwar so schnell, das die Wachen begriffen.
Blitzschnell packte er ihn, zerrte ihm aus den Bett und hielt ihm im Würgegriff.
Just sah er sich umzingelt von Soldaten, die ihre Schwerter gezückt hatten. Eine Fluchtmöglichkeit gab es jetzt nicht mehr. Wie es aussah wollten die Götter ihn am Leben wissen. Sie selbst sollten wissen warum. Aber wenn es nach ihm ginge..
Junis,Elias... Ihr guten Götter! Vergebt mir!
„Ihr seid tot ehe Ihr euer Werk vollführt. Also legt Eure Klinge nieder und Euch wird Gnade vor Recht gewährt“ meinte einer der Männer.
Esquor zögerte wieder einen weiteren Augenblick. Fast Einen zuviel.
Sanft drückte er den Dolch an den Hals und fuhr mit einem sauberen Schnitt darüber, als das Blut spritze. Der Körper brach zusammen, Sank zu Boden wie ein nasser Sack.
Vor seinen Füßen presste der edle Herr seine Hände an seine Kehle. Ein Röcheln kroch hervor, das wie das Rasseln von Sliberkettchen, die aneinander schlugen klangen.
Ich habe es getan! Ich.. hab.. es getan!
Feucht spürte er die Tränen in seinen Augen, die nun alles im nebeligen Dunst wahrnahmen.
Zwei der Wachsoldaten eilten zu dem Lord, während ein dritter Wachsoldat Esquor kräftig in den Magen schlug. Schwarz wurde es vor seinen Augen. Eine sanfte dunkle Dämmerung verschwamm vor ihm ehe er in das kalte Nichts stürzte.
Wenigstens waren seine Kinder in Sicherheit. Er hatte seinen Teil der Abmachung gehalten nun so hoffte er, würde sein Erpresser auch sein Wort halten..
Und der gut Lord Ronar war nun tot. Alles würde sich wenden.
Die Frage ist nur zum Gutem oder zum Bösen?

 

Stimmen rissen ihn aus seinen langen stumpfsinnigen Schlaf, der ihn tagelang umfing. Langsam gewöhnte er sich an das dämmrige Licht, das schwach von einer Fackel zu ihm drang. Wie lange mochte er schon hier sein? Er wusste es nicht.
„Na du Dreckshund? Schon wach?“
Esquor versuchte sich zu erheben, doch es gelang ihm nicht. Seine Glieder schmerzten, brannten so heftig, das er sich selbst in die Zunge biss um nicht auf zu schreien.
„Scheint als wärst du ein Tollpatsch. Was für ein Pech für dich das Lord Ronar lebt. Wahrlich ein Schutzgeist muss er wohl gehabt haben, der seinen Arsch gerettet hat“
Ein hagerer Mann mit struppigen schwarzen Haar, mit einem häßlichen Makel in seinem Gesicht luckte durch seine Gitterstäbe. Seine Augen waren genauso schwarz, wie sein Haar. Ein übler Geruch strömte ihm entgegen. Obwohl er selbst nicht besser riechen würde.
Entsetzt nahm er die Worte auf, die er nicht wahr haben wollte.
Sie gingen ihm durch Mark und Bein. Gänsehaut breitete sich über seine Haut aus, die ihm den Atem raubte. Es war wie ein kräftiger Schlag in sein Gesicht. Seine Kinder..
Nein das kann nicht wahr sein.. Das darf nicht wahr sein....
Dann war alles umsonst gewesen? Warum lasten ihn seine geschickten Finger so derart im Stich?
Der Wächter warf ihm ein Stück hartes Brot vor die Füße, das er argwöhnisch betrachtete.
„Meine Henkersmahlzeit?“ gab er höhnisch von sich.
„Nana noch nicht... Du hast einen dummen Fehler begangen. Einen sehr dummen Fehler...“
Der Mann grinste bis über beide Ohren, wandte sich hab von ihm, während das warme Licht mit ihm ging, das zuvor schwach in die Zelle leuchtete. Wieder umfing ihn die Dunkelheit, die er so gar nicht mochte. Irgendwie musste ihm eine Flucht gelingen. Irgendwie..
Stunde um Stunde verstrich und nichts geschah. Niemand kam. Niemand wechselte ein Wort wenn jemand kam. Die Zeit verstrich, als würden Jahre in das Land streichen. Oder waren es schon Jahrhunderte?
Seufzend versuchte er die Beine von sich zu strecken, die ihn so taub vorkamen, als besäße er von der Hüfte abwärts keine mehr. Ein heftiges Kribbeln durchströmte sein Fleisch, das sich wie beißenden Feuerameisen anfühlte, die sich durch seine Haut fraßen.
Nein er bedauerte es nicht, das er getan hatte, was er getan hatte. Er bedauerte nur, das es ihm nicht gelungen war. Das Einzige was er jetzt noch hoffen konnte, hoffen durfte, war das sie noch am Leben waren.
„Bitte gute Göttin lass sie am Leben sein..“ kam es flüsternd von seinen spröden Lippen.
„Bitte..“

 

Junis

Sie schob angewiedert die Schüssel von sich weg, in der eine merkwürdig aussehende Brühe war, in der etwas schwamm, das wie klumpige Scheiße aussah. Sie wusste nicht wie sie in solch eine Lage kommen konnten. Sie erinnerte sich nur noch, wie fremde Männer gewaltsam in das Haus eindrangen. Junis erinnerte sich, wie sie die Stühle zerbrachen, das Geschirr von den Tischen purzelte und das Essen sich auf den Boden verteilte.
Sie trieben sie alle zusammen, wie eine Herde ängstlicher Schafe, die von einen Hund in die Enge getrieben wurden. Ein kräftiger Mann, der den Befehl über diese Horde besaß, gab die Anordnung den Kindern keinen Schaden zu zufügen. Gerade noch rechtzeitig, bevor sich Einer von ihnen noch an ihr vergehen konnte.
„Lass die Pfoten von ihr Match. Keran braucht sie unberührt“
Wer Keran war konnte sie nicht sagen. Diesen Namen hatte sie noch nie gehört. Aber er musste ein dummer Mann sein oder? Niemand drang in das Haus eines Ritters ein und nahm einfach so seine Sippschaft gefangen. Da musste doch was dahinter stecken.
Wartet nur bis Vater davon erfährt. Sein Zorn wird euch niedermähen ohne Erbarmen
Das dachte sie zumindest.
„Junis Junis“ Jemand zog an ihrem Ärmel. Es war ihr jüngerer Bruder Elias, der aufgeregt wie wild mit seinen Händen fuchtelte.
„Was ist den?“ klang sie genervt.
Er deutete auf den Soldaten der gerade in die kleine Kammer eintrat. Ängstlich versteckte der kleine Junge hinter seiner Schwester. Mutig erhob sie sich und ihr war nicht anzusehen, wie die Angst in ihr aufkeimte. Ihr kurzes gelocktes und schwarzbraunes Haar umhüllte geschmeidig ihre Hüften, während sie ihre erdbeerroten Lippen aufeinander presste.
Seit Tagen konnten sie hier nicht aus diesem Loch heraus und niemand hatte zu ihr gesagt was hier überhaupt los war. Verwirrt starrte sie ihn an.
„Ahh sieh einer an..“
Ertönte eine zweite Stimme aus dem Hintergrund. Ein dicklicher runder Mann mit fettigen blonden Haar, das an seinem Schädel klebte, trat als nächster ein. „Du weißt ja noch nicht was passiert ist nicht wahr?“ seine Stimme klang spöttisch ja gar herablassend.
„Dein Vater hat unseren über alles geliebten Lord Wulzharg töten wollen. Nur zu Schade das es ihm nicht gelungen ist, denn jetzt zuckersüßes Püppchen bist du die Tochter eines Verräters. Du weißt doch was dies zu bedeuten hat. Nicht wahr?“
Der Blonde trat an sie heran und kniff ihr in den Hintern, woraufhin Junis ihm eine kräftige Ohrfeige verpassen wollte. Doch sie konnte sie nicht vollenden, da er ihr Armgelenk packte und so fest zudrückte, sodass ein weißer Abdruck zurück bleiben würde, wenn er seinen Griff wieder löste. Dem Andren ging ein fettes Grinsen über sein Gesicht, das Lüsternheit ausstrahlte. Es war genau jener Mann, der sie bedrängt hatte, als man sie festnahm.
„Match. Gib Ruhe. Wenn du ficken willst, dann geh zu einer Hure. Das hier ist eine edle Dame. Man springt nicht auf sie und rammelt sie. Nein, Nein so ein zartes Geschöpf doch nicht“
Bei diesen Worten wurde ihr richtig flau im Magen. Sie wusste wovon die Männer da sprachen. Dumm war sie nicht. Ihre Mutter erzählte ihr das aller Erste mal davon, als sie die Köchin dabei ertappte wie sie sich keuchend mit einem Mann im Stroh wälzte. Damals war sie entsetzt zu ihr gelaufen. Hatte sie gefragt warum die Frau keuchte und schrie und ob der Mann ihr ein Leid zufügte. Ihre Mutter musste nur lächeln und sagte: „Das ist die Vereinigung zwischen Mann und Frau wenn sie sich lieben. Der Mann führt sein Geschlecht in das der Frau und erfüllt diese mit Leidenschaft, den die Körper mit einer Woge von Lust und Glück erfüllt. Aber es gibt auch Menschen, die nur der Lust folgen. Ihnen ist die Liebe egal..“ Sie strich mit ihrer Hand zart über die Wange ihrer Tochter.
„Möge dir das erspart bleiben mein Kind. Ich wünsche dir, das es aus Liebe passiert“
„Nie nie werde ich das machen. Das ist so.. sooo.. bähhh“
Das war das Einzige was eine Sechsjährige darauf zu antworten wusste.
Mein lieber Herr es wäre besser wenn Ihr eure Finger dort lasst, wohin sie gehören. Lasst mich los und schert euch von mir“
„Dummes dummes Ding..“ als er dies sagte, starrten seine Augen auf ihre Brüste, die sich beim Atmen hoben und senkten.
In jenem Moment traf ihm ein Fußtritt mitten in sein Schienbein. Blitzartig lies er das Armgelenk los. Seine Hand schnellte zu den Jungen, der sich hinter Junis verbarg. Gleichzeitig spürte sie den kalten Stahl auf ihrer warmen Haut.
Wenn sie ihm etwas tun...
„Ich bitte Euch lasst ihn. Tut mit mir was Ihr wollt, aber bitte lasst ihn..“
Ihre Stimme klang merkwürdig gebrochen. Sie konnte ihren Körper nicht bewegen. Sie musste mit ansehen, wie der Blonde ihren Bruder packte, ihn zu Boden riss und ihn kräftig in den Magen trat. Doch dabei wurde es nicht belassen. Als sich das Kind nur noch verzweifelt am Boden vor Schmerz krümmte, ergriff die dickliche Hand, die ihn würgend in die Luft hob.
„So so wir dürfen mit dir machen was wir wollen? Ja?“
Junis bemerkte wie spottend die Worte die wulstigen Lippen des Mannes entschlüpften. Ihr schauderte es über den ganzen Rücken.
„Was meinst du Match? Hättest du nicht übel Lust?“
Der Andere verzog grotesk seine Miene, die so aussah, als würde dahinter Ironie stecken.
„Ich meine nein.. ich meine ja..nein..ich.. ähhh..“
„Du meinst du würdest es wollen, aber du kannst nicht ja?“
Er lachte.
„Zu blöd nicht wahr? Zu schade das Keran sie unbeschadet sehen will. Wir wissen doch wie gerne du spielst“ Er zuckte desinteressiert mit seinen Schultern, schlang ein Seil um ihre Armgelenke und fesselte sie damit.
„Nicht das du mir auf dumme Ideen kommst“
Match deutete mit seinen dürren knochigen Fingern auf das Kind, dessen Gesicht jetzt schon blau anlief.
„Ich habe es euch geschworen“ murmelte sie leise.
„Wobei schwörst du es?“
Sie holte tief Luft und starrte ihn mit ihren grauen Augen an.
„Ich schwöre es bei meiner Ehre als Myrianerin und der heiligen Göttin Eurea“
Nun es schien ihm zu genügen, den der Blonde lies den Jungen auf den Steinboden fallen. Woraufhin sich der kleine Knabe zitternd in die Ecke verkroch und verängstigt, wie ein verletztes Kätzchen aussah.
Am liebsten wollte sie ihm in ihre Arme schließen, ihn trösten und sagen es würde schon alles gut werden. Aber wie hätte sie ihn überzeugen können, wenn sie sich selbst es nicht gegenüber konnte.
Plötzlich spürte sie, wie er an ihren Fesseln zog. Sie biss sich beinah in die Zunge, zeigte jedoch keine Regung des Schmerzes. Taumelnd, stolpernd ging sie aus der Zelle und wurde wie ein Pferd am Zügel vor sich hergezogen.

Amar

Die Sonne brannte ihm heiß auf seine hellbraune Haut, die nun schon bald am verbrennen drohte. Er war Hitze durchaus gewohnt, die Sonne von Halvas schien ohne Gnade vom wolkenlosen Himmel. Aber heute, ja heute war sie noch unerbittlicher als sonst. Hauchdünne Sandwirbel strichen die Dünnen und versuchten einen Weg in seine Lungen durch seine weiße Leinen zu finden. Nur die honigbraunen mit grün gesprenkelten Augen, die durch einen schmalen Schlitz hervorstachen, waren der Hitze der Wüste ausgeliefert.
An seinem Leibe trug er einen lila Kaftan. Ein langes reinleinenes Hemd das bis zu den Knöchel reichen konnte. Um seine Hüfte trug er einen Schwertgurt an dem eine sichelförmige Schwertscheide hing in dem sich ein scharfe Klinge befand. Neben ihm ritt sein engster Vertrauter und Waffenbruder Yasha.
Dieser trug ebenfalls einen Kaftan, doch er war weiß – schwarz gestriffen. Das Haar war ganz nach Halvarischer Sitte kurz geschnitten. Über seiner Wange befand sich eine rot schwarze fleischliche Narbe, die er als Trophäe in einer Schlacht erungen hatte. Er war derjenige, der ihm den Schwertkampf beibrachte. Keinem würde er sein Leben mehr anvertrauen.
Nun seit ungefähr neun Tagen ritten sie mit Kamelen durch die schier endlose Wüste. Es würde noch vier Tagesritte benötigen, ehe sie Zula erreichten.
Zula befand sich an der Grenze zum nördlichen Meer von Halvas, das in die Lande von Rim führte, Und Rim war wiederum ein Teil von Lyseros, dem nördlichen Kontinent.
Wie konnte mir Vater nur diese undankbare Aufgabe aufhalsen?
Nun ja die Frage beantwortete sich von selbst. Er war der Jüngste von sechs Söhnen. Ein weiteres Maul das es zu stopfen gab. Selbst wenn er ein Prinz war, so gab es keinen Bedarf an weiteren Erben.
Leise seufzend sah er zu einer Karawane, die nicht weit von ihm entfernt sein konnte. Sein Blick verdüsterte sich. Seine Gedanken schweiften ab, zu jenem Gespräch mit seinem Vater, der ihn auf diese Reise schickte.
Sein Vater saß stolz und hoch erhoben Hauptes, auf den goldenen Thron von Halvas. Anstatt einer Rückenlehne, befand sich ein Pantherkopf, von dem aus smaragdgrüne Augen leuchteten. An den Armlehen prangten riesige Pfoten, aus denen Krallen hervorstachen. Sein edler Vater fuhr sich über den schwarzen Bart, der bereits graue Härchen aufwies, Schwarzgraue Locken umhüllten das ernste und strenge Gesicht. Neben ihm standen seine älteren Brüder. Zwei links von dem König und Einer Rechts von ihm. Anscheinend unterhielten sie sich über etwas und blickten erst auf, als sich Amar räusperte.
„Ahh schön das du her gefunden hast. Ich dachte du würdest gar nicht mehr her finden. Vielleicht solltest du weniger an deinem Schwanz denken, sondern an deine Pflichten. Hast du vor eine Armee von Bastarden zu zeugen“ Er verstand sehr wohl die Doppeldeutigkeit hinter diesem Satz.
Was? Wie? Eine Armee um mich an den Thron zu heben? Euch alle Fünf aus löschen? Und vor allem welche Pflichten?  dachte er im höhnischen bei sich selbst.Sich wie ein Prinz zu verhalten? Gehorsam zu üben? Und wofür?
Nur um am Ende doch erinnert zu werden, wo er wirklich stand. Also warum durfte er sich nicht dann vergnügen? Zorn entzündete seine Seele, aber behielt sie dennoch im Zaun. Seine Fingernägel bohrten sich in seine Handfläche, die leicht zu bluten begann. Er hasste es von ihnen derart verhöhnt zu werden. Er selbst war der jüngste Sohn seines Vaters, aber der zweite Sohn seiner Mutter, die die vierte Gemahlin des Königs war.„Genug Cariar“ ertönte eine kalte harte Stimme und hob dabei die Hand.
„Und du Amar wirst nach Myrian reisen. Wir haben gestern eine besorgniserregende Nachricht erhalten.“ Sein Vater sprach sich immer mit „Wir“ an, da er sich stets mit den Göttern verbunden fühlte. Jedoch herrschten im Süden andere Götter, als im Norden. Es gab Die Göttermutter. Sechs Arme waren an ihrem Körper, während sie zwei Säuglinge an ihren Brüsten nährten. In ihrem Schoß hockte ein Knabe, um den sich eine Schlange von seinen Füßen über seinen Körper bis zu seinem Hals wendete. Der Göttervater stand hinter ihr. Seine riesige Hand prangte, wie die eines Bären auf seiner Schulter. Der gesamte Oberkörper war mit Wunden überseht, als Zeichen der Siege die er davon getragen hatte. Die Söhne und die Tochter, die in den Armen der Mutter waren, waren Der Milde, Die Gerechte und Der Zornige.
Der Auftrag ist viel zu gefährlich..
Hatte es sich im ersten Herzschlag seiner Gedanken gesagt. Dennoch....
Sich dem Befehl zu Wehr zu setzten, bedeutete gleichsam, das er sich seinem Herrn und Vater widersetzte. Das galt in den südlichen Landen als Hochverrat.
Haaaaalllllltttttt!
Eine helle Stimme führte einen feinen Schnitt in seine Gedanken, die ihn aufhorchen liesen. Schlagartig wandte er seinen Kopf und versuchte zu hören woher die Stimme wohl kam. Yasha sah seinen Herren an, das ihm etwas beunruhigte.
„Eure Hoheit stimmt etwas nicht?“
Er schüttelte abwesend sein Kopf.
„Nein nichts“ flüsterte in den entgegenkommenden Wind.

 

Drei Tage waren nun verstrichen, als der vierte Morgen endlich anbrach. Yasha führte die Zügel des Kamels seines Herren, der dösend immer wieder die Augen auf und nieder schlug. Amars Kopf lehnte am Halse des Tieres, während er dem rauschendem Atem Shaels horchte. Shael war der Name seines Kamels.
„Mein Prinz?“
Er hob den Kopf, rubbelte seine Augen und blickte dabei auf eine vor ihm weiße hell erstrahlende Stadt. Ihre Stadtmauern waren aus weißem mamornen Steinen, die sich so hoch erstrecktekten, das man das Gefühl hatte, sie würden an den Himmel stoßen, dort wie die Mauerkronen ihren Anfang nahmen. Mannshohe Brüstungen waren in die Mauer gemeißelt, die mit Schießscharten versehen waren. Und die mächtige elfenbeinernen Tor, war weit aufgerissen. Über den Himmel erschallte ein Kreischen. Nein es war nicht nur ein Kreischen, sondern das Kreischen von vielen Möwen, die von Flügel wie Wogen im Wind getragen wurden.
„Kein Prinz mehr mein Freund. Von heute an ist mein Name Ozan Schür und deiner ist Tarik Schür. Wir sind Brüder und kampferprobte Söldner. Ich denke es ist so sicherer. Vor allem lenken diese Namen keine unnötige Aufmerksamkeit auf uns“
„Wie ihr wünscht... ähhh ich meine wie du möchtest“
Über das überanstrengte müde Gesicht, erschien ein mattes Lächeln.
„Das schaffst du schon Tarik“
Bis sie an die Tore heran ritten, trieben sie mit ihren neuen Namen eine Art Spiel, damit sie sich gleich daran gewöhnten.
Als sie durch die Tore kamen, stieg ihnen der Geruch von schwitzenden Menschen entgegen. Einige von ihnen waren in seidene Kleider gehüllt und ritten auf prächtigen Tieren. Andere waren in Lumpen die in Fetzen herunter hingen umhüllt. An ihren Leibern klebte Schmutz, Schlamm und Unrat. Rümpfend verzog Armar seine empfindliche Nase.
In der Mitte Zulas stand ein prächtiger weißer Palast, doch wer es besser wusste, wusste das dies ein heiliges Gebäude war, das den Göttern gewidmet war.
Kirstallfunkelnd leuchteten die schönen rubinrote, saphirblaue und smaragdgrüne Glasfenster wie Regenbögen die sich miteinander paarten über die ganze Stadt.
Rings herum sprossen weiße Häuser wie Pilze aus den Boden. Dort lebten wohl die reichen und wohlhabenden Bürger.
Das interessierte ihn aber herzlich wenig. Seine ganze Aufmerksamkeit galt dem Hafen, der etwas nördlicher hinter diesen Häusern lag.
Gemächlichen Trapps ritten sie durch die Straßen und Gassen, bis sie zu dem Hafen gelangten. Das Gold in seinen Augen leuchtenden wie helle Blitze auf, die aus dunklen schwarzen Wolken fuhren.
Das Meer... Was für ein Anblick
Als Kind hatte er oft Geschichten über die mächtigen Wasser der Ozeane gehört. Aber keine von ihnen kam der Wirklichkeit nahe. Zu schade das er noch nie vorher über die See gefahren war.
Eine Fahrt in die Fremde... Eine Fahrt ins Ungewisse....
Womöglich werde ich nie wieder meine Heimat wiedersehen..
Amar schien es tief ihm Herzen zu spüren.

Elias

Kleine rote verweinte Augen versuchten wieder klar zu sehen. Sie konnten es nicht.
Papa... Junis..
Die halbe Nacht weinte, weinte und weinte er. Selbst das Trommeln gegen die verschlossene Holztüre half nichts. Überhaupt nichts.
Erst als der Tag heran brach, war er mit seiner Kraft am Ende. Seine Kehle schmerzte, seine Haut auf den Fingerknöchel waren aufgeplatzt und bluteten, seine waren Beine taub und leer.
Warum sind sie alle weg...
Mutlos sank er nieder. Sie hatten ihm alles genommen. Einfach alles...
Der Junge zählte gerade erst fünf Jahre. Das sechste Jahr näherte sich aber immer schneller.
Tiefer Schlummer umfing seine Lider, die wie schwere Gewichte auf seinen Wimpern hingen. Viel zu lange war er ohne Schlaf wach gewesen, doch jetzt überwältigte ihn die Müdigkeit. Er versuchte sich durch das Rubbeln mit seine kleinen Händchen in seinem Gesichtchen wach zu bleiben. Stattdessen versank er in einem tiefen Schlummer und segelte hinein in einem Traum.
Helle mit grau vermischte Wolken die sich in Fetzen am Himmel teilten, schwebten über ihm hinweg. Unter ihm breitete sich das blaue weite Meer, das in Wellen auf und abschlug, aus. Blitze brannten in den Augen wie Essig.
Wohin fliege ich? fragte er sich.
Du fliegst dorthin wo deine Heimat ist. Doch vorher hast du noch einen sehr weiten Weg vor dir. Richte deinen Blick immer nach vorne und sieh niemals zurück.
Die Stimme klang recht angenehm. Richtig melodisch. Ja sogar richtig vertrauenswürdig mochte er zu sich sagen.
Seine Arme begannen zu schmerzen, als er erkennen musste, das es keine Arme waren sondern weißgraue lederartige Flügel die die Spanne von zwei Meter maßen. Sein Geruchssinn war geschärft und seine Beine waren mächtige Beine an dem sich Sensenscharfe Krallen befanden, die schon Einiges mitgemacht hatten.
Plötzlich starrten ihn blutrote Augen entgegen, die wie gefährliche schmale Schlitze aussahen, die wie Feuer in der Schwärze durch das Wolkenmeer brannten.
Seine Atemwege wurden blockiert. Jeder Luftzug schmerzte. Jedes Glied in seinem riesigen Körper brannte...
Etwas rammte sich in seine Schulter, bohrte sich und druchschnitt sein Fleisch. Ein krächtzender kehliger Schrei entrann seiner Kehle. Etwas zog ihn nach unten, als hätte er eine Eisenkette an seinen Fuß gebunden, an der ein schwerer Klotz aus Eisen hing. Wild schlug er mit seinen Flügeln um sich. Immer wilder immer kräftiger.
Aber es gelang ihm nicht. Unter ihm schienen Arme aus schwarzblauen Gewässer nach ihm zu greifen. Immer mehr kamen aus dem Meer. Immer...
NEEEEIIINNNN!!!!!! schrie er aus vollem Halse.
Die Wolken um ihn herum verschwanden, als er vor Angst pulsierend seine Augen aufriss. Stille bemächtigte sich seiner. Nun musste er bemerken, das er noch immer in dieser Kammer die eher eine Zelle glich festsaß.
Mit seinen Händen tastete er an seinen Hals, an der er zuvor noch kalte Hände des Todes gefühlt hatte, die ihm die Luft aus seinen Lungen sog.
So fühlt sich der Tod also an...
Kräftige kleine Sonnenstrahlen drangen durch das schmale Fenster hinein, die bereits den Morgen ankündigte. Aber seine Schwester war noch immer nicht hier.
Was machen sie mit ihr? Tun sie ihr weh?
Schon sein ganzes Leben hatte er an den Röcken seiner Schwester verbracht. Ihr Vater meinte sogar, sie nicht seine Schwester sondern seine Mutter. Dies meinte er meist scherzhaft. Dennoch er liebte sie wie keinen anderen Menschen. Also was tat sein Erzeuger, das seine beiden eigenen Kindern dies Unheil brachte?
Sie hatten irgendetwas gesagt, das er es nicht geschafft hatte. Aber was meinten sie damit? Elias war mit diesen Fragen völlig überfordert. Er war in einer heilen Welt aufgewachsen. Kannte nur die Geschichten von Helden, Prinzessinnen und bösen Wesen, die am Ende zurück in die Schatten stürzten. Das Gute obsiegte, das Böse unterlag.
Aber das sind doch alles nur Geschichten....
Oder befand er sich in solch einer. Leise seufzte er auf. Aus einem ihm unerfindlichen Grund vermochte er dies zu glauben. Akzeptieren würde er es weniger.
Schritte näherten sich. Vorsichtig hob er seinen Kopf, als ein Fackellicht an ihm vorbei zog. Sie schienen jemanden hinter sich her zu ziehen, den es hörte sich so an.
Schwere Ketten die klirrend rasselten. Schlurfend zogen sich Schritte über die steinernen Treppen. Schnell krabbelte Elias zu der Tür, linste durch den kleinen Spalt hindurch, durch die schmale Schatten huschten. Verzweifelt versuchte er irgendwas zu erkennen. Aber er sah nichts außer ein paar Eisenschuhe die an ihm und seinem Gefängnis vorbei schritten.
Sei mutig kleiner Junge. Die Zeit wird bald heran brechen, wo dich diese Gitter nicht mehr halten können..
Es war eine raue kratzige Stimme, die sich in seinem Kopf einnistete. Sie unterschied sich deutlich von der Stimme die er in seinem Traum gehört hatte. Sie klang älter, rauer und kälter. Dennoch machte sie ihm etwas Mut.
Aber wie?
Gab er als Antwort. Niemand antwortete.

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Tag der Veröffentlichung: 09.04.2013

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