Wichtige historische Persönlichkeiten in diesem Roman:
Wilhelm I.
[König von England 1066-1087]
Auch Wilhelm der Eroberer oder Wilhelm der Bastard genannt.
Ist in diesem Roman nicht mehr am Leben spielt aber immer noch eine wichtige Rolle.
Stephan I.
[König von England 1135-1154]
Ist der Enkel Wilhelm I. und amtierender König bis ihn Heinrich II. sein Erbe antritt.
Heinrich II.
[König von England 1154-1189]
Ist der Sohn Kaiserin Matildas (auch umgangssprachlich Kaiserin Maud genannt) und des Grafen von Anjou Gottfried Plantagenet.
Erik III.
[König von Dänemark 1137-1146]
trug den Namen Lamm, weil man ihn eher als sanftmütig und bescheiden hielt.
Er ist der Vater Victorias in den Roman deren Existenz frei erfunden ist.
Kaiserin Matilde
[Kaiserin des deutschen römischen Reiches 1114-1125/Gräfin von Anjou 1128-1167]
Sie sollte eigentlich die erste Königin von England werden. Der Thron wurde ihr jedoch von Stephan von Blois entrissen. Deshalb fechtete sie ihr Recht an und so entstand der erste Erbfolgekrieg in der englischen Geschichte.
Mathilda von Boulogne
[Königin von England 1125-1152]
Ist die Ehefrau Stephan I. Und eine Verfechterin ihres Gatten im Erbfolgekrieg.
Roger le Poer
[Bischof von Salisbury 1102-1139]
War einer der mächtigsten und reichsten Männer in ganz England. Es ging sogar soweit, das er auftrat als sei er dem König gleichgestellt.
Robert I.
[Earl of Gloucester 1122-1147]
Ist der uneheliche Sohn des Königs Heinrich I und eine der dominanten Persönlichkeiten im Erbfolgekrieg und ein treuer Verfechter Kaiserin Matildes.
Heinrich von Blois
[Bischof von Winchester 1129-1171]
War der jüngere Bruder von Stephan und somit ab dem Jahr 1139 der zweitmächtigste Mann in England und regierte in der Abwesenheit des Königs England.
1137
Küste Englands, 13. April
Rot schimmerndes Haar wehte im tosenden Wind, während dunkel grüne Augen auf das weite wilde und ungezähmte Meer blickten. Es war ein tiefer Ozean mit vielen Geschichten, Geheimnissen und viel umwobenen Sagen die es verbarg.
Seit das kleine Mädchen schon denken konnte, liebte sie die See und das lag nur an ihrem Vater. Stundenlang, als er abends mit ihr zusammensaß, erzählte er ihr Märchen von Meerjungfrauen, die in tiefen des Meeres lebten.Fasziniert und gebannt las sie jedes Wort von seinen Lippen ab. Doch nun schon seit vielen Nächten, hatte sie die Stimme ihres Vaters nicht vernommen. Jane vermisste ihn über alles, aber er war Seemann im königlichen Dienste und nur so konnte er seiner Familie ein Leben ermöglichen. „Jane wo steckst du?“
Augenblicklich horchte sie auf. Das war doch die Stimme ihrer Ziehtante. Rasch versuchte sie irgendein Versteck zu erhaschen. Doch sie war nicht schnell genug. Ehe sie auch nur einen Schritt vorwärts kam, wurde sie am Armgelenk gepackt. Schmerzverzerrt verzog sie ihr Gesicht und tobte vor Wut.
„Du hast hier nichts zu suchen. Hast du schon die Arbeit im Hause vergessen? Der Herr wird nicht sehr erfreut sein“ Doch das war Jane völlig egal. Sollte er ihr auf die Finger klopfen. Doch sie sah nicht das größere Problem dahinter. Sie würde ihren Schlafplatz verlieren. Und wer kümmerte sich um ihre kranke Mutter? Keiner würde ihr die Medizin bringen können. Die Kräuter waren so teuer gewesen, das das Geld ihres Vaters nicht ausreichte. Mit mürrischer und verdrossener Laune, wurde das Mädchen zurück in die Burg geschleift.
~
„Hat sie schon wieder Unfug getrieben dieses undankbare Gör?“
Ein Mann mit schütteren Haar mittleren Alters betrachtete höhnisch das kleine Kind, das sich mit den schleppen der schweren Eimern sichtlich schwer tat. Bevor ihr ein Bein gestellt werden konnte, klebte die Hand ihrer Ziehtante im Gesicht des Mannes.
„Ach Schätzchen du weißt doch das ich das nicht so meine. Nicht wahr?“
„Eines sollte dir klar sein, solltest du dieses Gör wie du es nennst einmal angreifen, ist es aus mit uns. Dann darfst du deine nächtlichen Gelüste woanders stillen“
Er stand auf und rülpste laut. Die Bierfahne konnte man Meilenweit riechen. „Weiber....“
Torkelnd schritt er an Jane vorbei, blieb stehen und stierte sie an. Das Mädchen zitterte vor lauter Angst und konnte sich kaum rühren. Eines Tages würde sie es ihm schon zeigen. Und wenn es ein ganzes Leben dauern sollte.
„Raus jetzt aber flott....“ Nichtssagend löste sich der Blick von ihr, während seine Hand die Tür aufstieß. „Glaub ja nicht das du etwas besseres bist. Hast du mich verstanden?“ Mit diesen Worten hatte er endlich die Küche verlassen.
Tränen rollten über das junge Gesicht, während sie versuchte zu atmen.
„Du musst keine Angst vor ihm haben, solang ich in deiner Nähe bin. Und wenn du wieder zu Hause bei deiner Mutter bist, wird er bei mir sein. Gnade ihm Gott wenn er dir ein Haar krümmt“ Zärtlich nahm sie das Kind in ihre Arme.
„So und nun machen wir weiter? Der gnädige Herr wünscht sein Mahl und wir wollen doch das er es pünktlichst bekommt“ Stumm nickt sie und half ihrer Ziehtante Cathy beim zubereiten der Mahlzeiten.
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Der Abend kam immer näher und die Kälte wurde immer grausamer. Die dünnen Leinen ihres Kleides schützen sie überhaupt nicht. Ihr Gesicht war eingefroren und taub.Die Glieder brannten vor Schmerzen, da sie Taubheit versuchte Herr ihres jungen kindlichen Körper zu werden.
Jane versuchte ihre Hände durch Reiben zu erwärmen. Aber es stach wie tausend Nadeln, die sich krampfhaft in ihre Haut bohrten. Trotzallem wusste sie es war nicht mehr weit.. „Nur noch ein Stückchen..“
Bald konnte sie ihrer schwerkranken Mutter endlich die Medizin bringen. Erschrocken fuhr sie zusammen. Ein beißender Geruch drang in ihre Nase. Das war doch Rauch? Ihre Schritte wurden schneller, Panik ergriff ihr Herz. Ihre Schritte blieben nicht lange Schritte. Sie begann zu laufen so schnell sie ihre Beine trugen. Keuchend und außer Atem stütze sie sich auf eines der Holzbalken, der eine Art Zaun bilden sollte. Überall waren Flammen!
Sie lies alles fallen und lief so schnell es ging auf das Haus zu. Das Feuer wütete und hatte bereits gierig wie eine Termite das Holz verschlungen. Jane presste ihre Hand vor den Mund, als sie die Türe versuchte einzutreten. Wut stieg in ihr auf. Diese Hilflosigkeit die sich in ihr ausbreitete, war einfach unerträglich. Sie musste doch etwas tun. Und was würde sie ihren Vater sagen? Er würde ihr bestimmt die Schuld geben so wie sie es sich gerade selbst tat.
Etwas über ihr schien locker zu werden und krachte direkt hinter ihr hinunter. Langsam fraß sich der Rauch in ihre Lunge, während sie keuchend mit dem atmen rang. Überall waren Flammen.. sie konnte sie auf ihrer Haut fühlen. Die Hitze erfasste den kindlichen Körper und war so unerträglich zu spüren, das sie glauben müsste zu sterben.
„Mutter.... du darfst nicht sterben.. bitte..“
Ihre Fäuste hämmerten noch immer Fest gegen die Türe, die keinen Zentimeter nachgeben wollte. Hatte niemand anders das die Flammen gesehen oder diesen Geruch wahrgenommen? Immer schwächer und immer schwächer wurden ihre verzweifelnden Versuche ihre Mutter zu retten. Die Sicht vor ihren Augen wurde immer schummriger, die Luft zum atmen wurde knapp und alles um sie herum fühlte sich so komisch taub und leer an. Ehe sie begreifen konnte was geschah schlug ihr Kopf auf den Boden auf und raubte ihr das Bewusstsein.
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Katharina war wie immer mit ihren Kindern beschäftigt, als ihr jüngster Sohn nervös in das Zimmer stürzte.„Feuer überall Feuer.. Hölle.. da draußen“ Immer heftiger zerrte er an ihren Ärmeln und wollte sie mit sich ziehen. Es schien als hätte er gerade höchstpersönlich den Teufel erblickt.
„Was ist den los junger Mann?“ Er blieb stumm und zog sie mit sich. Als sie endlich den Hof erreichten hatten, war zuerst nichts zu sehen. Doch dann erblickten ihre Augen eine meterhohe Rauchwolke. Das war kein gewöhnliches Feuer, denn selbst aus der Ferne schien es wie ein Inferno zu brennen. „Lucas du gehst sofort in das Haus“
„Aber“
„Los jetzt und bleib bei deinen Geschwistern.“
Ohne ein weiteres Wort eilte Katharina zurück in das Haus, eilte die Treppen hinauf und klopfte an die Tür ihres Mannes. Ehe eine Antwort oder gar eine Reaktion kam, hatte sie die Türe geöffnet. „Wir haben kaum Zeit um uns jetzt über die Etikette zu streiten. Drüben bei den Allingtons steigen Flammen empor. Es sieht so aus, als würde das ganze Grundstück niederbrennen. Und wenn wir nichts unternehmen, könnte es sich ausbreiten.“
James wusste schon damals, was für eine energische Frau er geheiratet hatte. Allein ihr Auftritt gerade eben, gab ihm im ersten Moment keine Chance auf eine Reaktion ehe er begriff. Es musste schnell gehandelt werden.
Im Nu waren alle Hausangestellten aus ihren Betten gescheucht worden um die Mengen an Wasser heran zu schaffen, die dazu benötigt wurden um die Flammen in den Griff zu bekommen. Das ganze Haus war sofort in Aufruhr. In aller Eile schleppte man das lebensrettende Elexir zu der Brandstelle.
Nach der Reihe stellten sich die Bewohner auf und reichten die vollen Eimer schnell und behände weiter. Mit Mühe und Not wurden die Flammen im Keim erstickt, die dem Hause zu nahe kamen. James selbst saß auf seinem Pferd auf und ritt zu seiner Gemahlin.
„Ich werde sehen, ob jemand noch am Leben ist. Wenn wir Glück haben leben Tochter und Mutter noch.“
Katharina nickte nur stumm, denn sie war mit Anleitungen beschäftigt. Aus den Nüstern des Pferdes konnte man den dampfenden Atem erblicken, während die Hufe, den Schlamm aufwühlten, als er zu der Quelle des Brandes ritt. Was jetzt auch immer geschah, lag in der Hand des Schicksals und vor allem in der Hand Gottes.
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Alles lag in Trümmern und in Asche, als der Reiter sein Ziel erreichte Es sah so aus, als würde hier kein Leben mehr existieren. Gott schien es nicht gut mit dem Schicksal der Familie zu meinen. Doch irgendetwas schien sich zu bewegen, ganz schwach, aber es war zu hören. Ein leises verzweifeltes Schluchzen eines Kindes.
Das Pferd wurde langsam nervös und scheuchte auf. Die Umgebung schien dem Tier eine innere Unruhe zu bereiten. James versuchte dem Klang des Schluchzens zu folgen, bis er den Ort fand, an dem ein Kind saß, dessen Haut völlig mit Ruß bedeckt war. An den Händen waren Schürfwunden zu sehen und ihre Haare waren schwarz und verbrannt von dem Feuer.
Mit rot umrandenden und verweinten Augen starrte ihn das Mädchen an. Es hatte Angst und war total verschreckt. Als er seine Hand nach ihr ausstreckte zuckte sie zusammen. Was für ein grausames Schicksal. Ihre Mutter war wahrscheinlich in den Flammen umgekommen.
Ihr Vater war seit Jahren auf Seefahrt und jetzt stand sie ganz alleine da.
„Ganz ruhig Jane, habe keine Angst ich werde dir nichts tun. Ich möchte dir nur helfen“
Seine Stimme klang so sanft, als würde er beruhigend mit einem Kleinkind sprechen.
„Niemand.. kann.. das...“
Erwiderte sie darauf matt.
„Mutter ist tot... Vater verschollen... ich habe niemanden mehr.. niemanden...“
Langsam kniete sich der Mann zu ihr hinab und blickte in die tief trauernden Augen des Kindes. „Du bist nicht alleine, solange es auch nur einen Menschen gibt der für dich da ist.“
Fragend blickte ihn Jane an.
„Soviel ich weiß gibt es da noch deine Ziehtante und dann gibt es da noch mich. Dein Vater war in frühen Jugendjahren ein guter Freund..“ ..“Und deine Mutter eine wundervolle Frau..“
Setzte er in Gedanken fort. Ihre Augen weiteten sich, während sie auf ihren Fingern herumkauerte.
„Willst du nicht mit mir kommen? Meine Frau würde zwar nicht ganz so begeistert sein...“
Sollte sie ihm trauen? Was wenn.. So als ob sie in seine Seele blicken würde, starrte sie ihn an, bis sie sich durchrang. Stumm reichte sie ihm ihre Hand, ehe er seinen Satz beenden konnte. Das war recht erstaunlich da James mit seinen eigenen Kindern nicht soviel Erfolg hatte.
Zurück in der Gegenwart pfiff er nach seinem Hengst, der noch immer etwas zu scheuen schien. Jane hatte Angst, als sie das große Schwarze Tier auf sich zu kommen sah.
„Du brauchst vor Cäsar keine Angst haben. Er ist eigentlich immer recht zahm. Er fühlt sich nicht wohl, bei dem Gestank verbrannter Erde.“
Der Mann hob das Kind an der Hüfte hoch und setzte sie auf dem Rücken des Pferdes.
„Halte dich nun an seinem Hals fest“
Etwas angsterfüllt lies sie sich nach vorne fallen und krallte sich fest. Als es sicher war, schob er seinen Fuß in den Steigbügel und schwang sich auf seinen jungen Hengst. Als er die Zügel in der Hand hatte, versetzte er dem Pferd einen leichten Tritt und damit ritten sie zum Hause James.
Für das Kind schien es die reinste Höllenfahrt zu sein, denn sie zitterte am ganzen Leib. Reiten schien vorerst nichts für sie zu sein. Langsam drehte sie den Kopf nach links und sah die Flammen, die gerade am sterben waren. Wieder kamen ihr die Bilder vor Augen, als alles brannte, als sie versuchte in das Haus zu gelangen, als der Balken hinter ihr hinabstürzte, an den Schmerz als sie mit dem Kopf auf den Boden aufschlug, als sie das Bewusstsein verlor, wie sie erwachte und um ihren Leben kämpfte.
James bemerkte das sich plötzlich Janes Griff lockerte und sie beinah vom Pferd stürzte. Schnell lies er eine der Zügel los, schlang seinen Arm um ihren Bauch und drückte sie dabei an sich.
Lange würde sie das nicht mehr durchhalten. Ihr Körper war völlig erschöpft und die Seele war schwer verletzt.
Aber was hatte das Feuer ausgelöst? Blitz und Donner konnten es nicht gewesen sein und ebenso gut brannte die Sonne nicht vom Himmel. Was es auch immer war, er hatte das Gefühl, das er von nun an für dieses Kind sorgen müsse.
Als sie endlich am Hof des Hauses ankamen, wurde ihm sofort das kleine Mädchen abgenommen. Augenblicklich sah er zu seiner Gemahlin und schritt auf sie zu. Man konnte in den Augen der Frau deutlich lesen, das sie eine gewisse Abneigung, gegen seinen Vorschlag hegte. Aber das Kind hatte weder Mutter noch Vater und deshalb gab sie nach.
Inzwischen war der Brand, der alle etwas um den Verstand gebracht hatte unter Kontrolle gebracht. Die Flammen hatten es nicht geschafft noch mehrere Leben zu fordern.
„Ihhhhhhggiiiittt wie sieht die den aus?“
Ertönte eine Stimme, die von eines der Kinder stammen musste. Und James hatte auch schon eine Ahnung wer es war.
„Lucas Michael Featherstone“ hallte es über den ganzen Hof.
Eingeschüchtert trat der Junge vor die Türe und blickte mit seinen Kopf zu Boden.
„Sei nicht so streng mit ihm. Er ist noch ein Kind...“
Der Vater des Jungen sah seine Frau mit einem durchdringenden Blick an, während seine strenge Stimme den Ton vorgab.
„Kinder können noch grausamer sein als manch eine erwachsene Seele es könnte..“
Resignierend gab seine Frau bei, als er wütend Lucas am Ohr zog und seinen Sohn schellte.
Er fand das sein Vater viel zu ungerecht zu ihm war. Seine Schwestern durften fast alles und er musste sich streng an die Regeln halten und jetzt kam noch ein Mädchen in sein zu Hause.
Das war für ihn nicht akzeptabel. Eines wusste er jetzt schon. Er würde sie noch mehr ärgern, als seine Schwestern. Das war das beste Mittel um die Menschen in seiner Umgebung zu vergraulen.
„Überall sah ich Flammen, sah ich den Tod. Ich konnte weder vorwärts noch rückwärts.
Noch heute kann ich mich erinnern welches Entsetzten mich gepackt hatte. Mein Körper brannte, meine Lunge schmerzte und meine Seele schien im Nirgendwo zu schweben.
Es dauerte lange drei Monate bis ich wieder körperlich einigermaßen gesundheitlich in Ordnung war. Im Hause Featherstone versuchte ich mich geborgen zu fühlen.
Tage, Wochen und Monate bemühte ich mich aus meiner Einsamkeit zu befreien. Doch es gelang mir nicht. Niemand konnte mir meine Eltern ersetzten, aber James tat sein Bestes und war für mich mehr Vater, als es mein leiblicher Vater es sein konnte. Ständig war er auf Reisen und wenn er dann mal hier war blieb ihm nicht viel Zeit die er mit mir verbringen konnte. Aber die Zeit die ich mit ihm hatte liebte ich umso mehr.
Johanna und Eleonore, die Schwestern von Lucas, waren bei meiner Aufnahme in die Familie nicht sehr erfreut, wie meine Ziehmutter. Alle drei bestraften mich mit ignorieren und kühlen Verhalten und ganz besonders Spross der Familie schien einen Groll gegen mich zu hegen.
Ich wusste eines Tages würde ich den Mut besitzen ihnen alle die Meinung zu sagen. Doch mit meinen 7 Jahren war ich einfach noch nicht stark und selbstbewusst genug.“
Küste Englands, Haus der Featherstones,
5. Juli
Jane stürmte fröhlich aus dem Haus, als die warmen Sonnenstrahlen die hier so selten waren, ihre Fühler ausstreckten. Die Luft war angenehm und frisch duftend. Als ihre Füße das frische Gras betraten, konnte sie ein leichtes Kitzeln verspüren. In solchen Momenten vermisste sie ihre Mutter, die früher fast alles mit ihr unternommen hatte.
Sie hatte immer gelächelt, doch die letzten Jahre ihres Lebens schien sie etwas zu belasten und sie krank zu machen. Was war es wohl gewesen, was sie so sehr beschäftigte das sogar ihre Gesundheit darunter litt?
Plötzlich spürte sie, wie jemand sie umrannte. Ihr Gesicht landete sofort im Gras, während ihre Hände versuchten hatten den Sturz zu bremsen, aber sie ihr dennoch wegrutschten. Leise fluchend richtete sie sich auf und blickte sich um.
„Lucas..“
Wütend schleuderte sie ihm einen ihrer Blicke zu. Ihre Augen die vorhin so voller Freude in einem hellen grün gestrahlt hatten, wurden plötzlich dunkelgrün. Ein Feuer war in ihr entbrannt. Jetzt hatte sie ein für alle Mal genug von den Kindereien. Erzürnt stand sie ihm gegenüber und holte mit der Handfläche aus. Im nächsten Augenblick schrie er vor Schmerz auf und eine Träne rannte ihm die Wange hinab.
„Ich hab dir schon oft genug gesagt du sollst mich in Ruhe lassen. Aber du hast mir dieses mal keine Wahl gelassen. Ich weiß Gewalt ist keine gute Lösung...“ murmelte sie etwas leiser.
Sie hatte gelernt, das man vorher miteinander sprechen sollte um Gewaltausschreitungen zu verhindern.
Doch wie oft hatte sie dies schon getan? Wie oft hatte sie sich schon alles bieten lassen müssen? Stürmisch rannte Lucas zu seiner Mutter und erzählte ihr natürlich nur die halbe Wahrheit. Zumindest ahnte es Jane. Damit hatte sie aber nicht unrecht.
Denn als der Abend hereinbrach und sie ihre tägliche Arbeit in der Burg verrichtet hatte, bekam sie nichts zu essen. In den wenigen Tagen wo der Herr des Hauses nicht anwesend war, endete es immer so. Alle vier hielten zusammen und stellten sich gegen sie. Es war zwar schwer, aber sie wusste selbst, das es Schicksale gab die weitaus tragischer waren. Also fand sie sich damit ab und lebte Tag für Tag und ertrug die Erniedrigungen.
~
„Was ist wirklich passiert?“
James sah beide oder besser starrte beide Kinder an.
„Es kann doch nicht sein, wenn ich nur ein paar Tage nicht hier bin, das ihr euch gegenseitig an die Gurgel geht. Und damit mein ich dich ganz besonders Lucas“
Er wollte schon protestieren, als ihn sein Vater mit einem Handwink zum schweigen brachte.
„Du bist mein einziger Sohn und wirst später nach meinen Tod dich hier um alles kümmern müssen. Daher möchte ich das du ruhig und besonnen an alles herangehst und überlegst was du tust. Denn alles hat Konsequenzen. Dich Jane habe ich gelehrt, das Gewalt keine Lösung ist und das hier habe ich dir nicht beigebracht“
Dabei deutete er auf die Wange seines Sohnes.
„Zur Strafe werdet ihr beide gemeinsam euch um die Stallung Cäsars kümmern. Ihr helft wo Adelbert eure Hilfe braucht. Hab ich mich klar ausgedrückt?“
So zornig hatte sie ihn noch nie erlebt, doch Lucas schien es weniger zu beeindrucken. Als beide den Raum verlassen hatten, knurrte er sie an.
„Das ist alles allein deine Schuld, hättest du nicht zugeschlagen..“
Langsam riss der Geduldsfaden.
„Aber hast dich nicht von einer Frau schlagen lassen und bist gleich zu deiner Mutter gerannt?“ Aschfahl wurde sein Gesicht und die Stimme versagte ihm. Jane wusste sie hatte das Wortgefecht gewonnen. Aber im Gegensatz zu ihm musste sie den ganzen Tag in der Burg schuften. Das hier bedeutete noch mehr Arbeit und noch weniger Schlaf. Langsam bereute sie, das sie dem Jüngling eine Ohrfeige verpasst hatte.
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Die Sonne ging langsam auf, als der nächste Tag bereits begonnen hatte. Erstaunlicherweise befand sich Lukas schon im Stall. Anstatt zu arbeiten, das Futter vorzubereiten und den Mist aus der Stallung zu entfernen, stand er neben dem Hengst und schien mit ihm zu reden.
Als Jane den Raum betreten wollte, sah sie zu den Jungen. Irgendwas schien ihr zu sagen, das er im innersten doch nicht so ein schlechter Mensch sein konnte.
„Nun da die Herrschaften es nun endlich aus den Federn geschafft haben, macht euch an die Arbeit. Lukas ihr sorgt dafür, das der Stall frisch ausgemistet ist, danach werdet ihr Cäsar waschen und striegeln. Jane du gehst zu meiner Frau und sorgst das unser Hengst etwas zu futtern hat.“
Dem Jüngling schien schon wieder etwas nicht zu passen.
„Seht nicht so trotzig drein Junge. Ihr seid ein Mann und müsst Männerarbeit verrichten“
Das polierte wieder das Ego des Jungen auf.
„Natürlich.. Männer machen Männeraufgaben und Frauen machen Frauenaufgaben...“ kam es spöttisch aus seinen Mund.
Nun begann es in Jane zu brodeln. Waren den Frauen für nichts anderes gut als zum heiraten, Kinderkriegen und den Haushalt? Wütend stampfte sie los zu Adelberts Bauernhof. Als der halbe Tag bereits vorüber war, erreichte sie erschöpft ihr Ziel.
Überall rannten die Hennen wie wild durcheinander, während der Hahn seinen Kamm aufstellte und sie verfolgte. Das Grunzen der Schweine, war bereits an ihr Ohr gedrungen ehe es der Gestank tat. Eine etwas ältere Dame kehrte gerade den Hof, als Jane sie ansprach.
Sie hob fragend sofort die Augenbraue.
„Ihr sollt einen ganzen Karren voller Futter ganz allein zu dem Hause Featherstones bringen? Das schafft ihr nie. Ihr habt bereits einen halben Tag hierher gebraucht„
Die Frau steckte ihre Finger in den Mund und pfiff so laut, das ihre Ohren platzen. Aus den Hause kam ein junger Mann, der recht hager wirkte. Seine Augen waren eingefallen und seine Lippen waren trocken. Die Hände zeigten schon einige Risse und mit einem Bein humpelte er etwas.
Wenn Jane all dies wegdachte, musste dies vor langer Zeit ein stattlicher Mann gewesen sein, der heute schon einem alten Mann eher glich.
„Jeff hilf dem Fräulein, das Futter zu den Featherstones zu bringen. Allein wird sie das nicht schaffen.“
Das Mädchen hatte ein unangenehmes Gefühl was ihn betraf. Zugegeben er jagte ihr etwas Angst ein.
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Indessen hatte Lucas mit den Ausmisten des Stalles begonnen. Stück für Stück schob er mit der Mistgabel das alte Heu und die Hinterlassenschaften des Hengstes auf den Holzkarren. Als er endlich fertig war, waren bereits Stunden vergangen.
Der Schweiß tropfte ihn von der Stirn und seine Beine wollten nicht mehr. Angewidert schnaubte er, als er das Letzte bisschen weggeschafft hatte. Nun war es an ihm den Stall wieder mit frischen Heu zu füllen, sodass sich das Pferd nach seinen Ausritt richtig wohlfühlen konnte.
Dazu hatte er nicht mehr viel Zeit. Sein Vater ritt mit ihm einige Stunden am Tag und die würden bald zu Ende sein. Hastig schob er Karren für Karren frisches Heu hinein. Endlich hatte er seine Arbeit beendet. Stolz sah er noch einmal nach, ob alles seine Ordnung hatte. Alles war zu seiner Zufriedenheit erledigt. Triumphierend musste er lächeln.
Jane war noch immer nicht aufgetaucht und der halbe Tag war längst vorüber. Auf irgendeiner Weise machte ihn dies glücklich. Und wie auf das Stichwort, preschte Cäsar mit seinen Herrn auf das Haus zu. Die Augen des Jungen leuchteten. Eines Tages würde er auch so ein stolzer und edler Mann sein. Alle würden ihn lieben und ihm huldigen.. alle ausnahmslos..
Bis dahin hatte er noch einen weiten Weg vor sich. Seine Gedanken beschäftigten ihn so sehr, sodass er nicht bemerkte wie sein Vater vor ihm anhielt.
„Die Arbeit scheint dir ja richtig gut zu tun mein Sohn. Was sagt ihr Adelbert?“
„Seine Arbeit entsprechen seinen Bemühungen. Das bedeutet er hat sich für den ersten Tag richtig angestellt“
Der Schreck saß ihm tief in den Knochen. Lucas hatte nicht aufgepasst, seine Aufmerksamkeit hatte nachgelassen und somit hatte er beinah das Gleichgewicht fast verloren.
„Was ist mit Jane? Wie macht sie sich?“
Adelbert berichtete ihm, das er sie früh morgens losgeschickt hatte, aber bis jetzt nicht aufgetaucht war. Anstatt wütend zu werden, wie erwartet, sah er eher besorgt aus.
„Wenn sie bis heute Abend nicht auftaucht, wird ein Suchtrupp losgeschickt..“
Das waren die einzigen Worte die er zu sagen hatte. Er würdigte sein Sohn keines weiteren Blickes ehe er verschwand.
Rasche... ja Rasche war wohl das Gefühl was in ihm ausbrach. Wie konnte er ihn nur so ignorieren? Kümmerten ihn seine eigenen Kinder weniger, als dieses Mädchen?
Er spitze seine Ohren und aus der Ferne konnte man das Krächzen eines Esels hören, der hinter sich eine schwere Last zog. Vor ihm war ein Mann den er noch nie gesehen hatte. Auch beim ihm löste sein Aussehen eine Gänsehaut aus. Ganze Zeit war sie mit diesem Kerl unterwegs gewesen? „Geschieht dir recht“
Eine Hand klopfte ihn gegen seinen Kopf
„Starrt nicht herum. Kümmert euch um das Pferd“
Verdrossen packte er die Zügel und begann ihn den Hengst zu waschen und zu striegeln.
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Ostsee, 29 September
„Wo steckt sie? Sprich oder ich schneide dir deine Zunge aus deinem erbärmlichen Maul“
Ein Hauch des triumphalen Lächelns erschien auf seinen Lippen. Er würde verrückt sein, wenn er auch nur eine Silbe verraten würde.
„Nun dann sind wir uns einig, dann verlierst du jetzt deine Zunge“
Die eiskalte silberne todbringende Klinge näherte sich ihm.
„Nana wenn wir ihm seine Zunge herausschneiden, dann kann er uns nichts mehr verraten.. Wir brauchen ihn doch noch. Ohne ihn kommen wir nicht an sie heran.“
Eine Schlinge schob sich um seinen Hals und wurde fest zugezogen.
„Ihr könnt meinetwegen mit ihm spielen, aber bitte lasst ihn ganz“
Der Kapitän des Schiffes drehte dem Mann der sein Schweigen einfach nicht brechen wollte, missgelaunt den Rücken zu. Bald würden sie einen Hafen anlaufen. Die Männer brauchten wieder Bier und anständige Frauen um ihre Gelüste zu stillen. Wenn man ihnen das gab, gehorchten sie blindlings.
Meuten war eine Todessünde. Viele hatten dies unter seinen Kommando schon versucht. Dummerweise endete es immer für die Herausforderer mit dem Hungertod an einer Insel oder man versenkte den Verräter im Meer. Jeder fürchtete seinen Namen.
Er hatte ein Ziel vor Augen. Vor Jahren hatte er eine Hochzeitsgesellschaft überfallen. Lüstern fuhr er sich mit seiner Zunge über seine Lippen. Er konnte sich an die Braut erinnern, Ein jungfräuliches Ding, das sich mit Händen und Füßen gewehrt hatte. Es hatte ihm Spaß bereitet, doch niemand hatte das Recht außer ihm ergattert sie, so wie er es gern nannte, zu besteigen.
Diese Frau hatte ihn in seinen Bann gezogen und er wollte sie wieder. Nach langen Jahren, war ihm kein Weibsstück begegnet, das er so begehrte wie keine andere. Daraus machte er eine Jagd die ihm ein besonderes Beutestück einbrachte. Ein Mann eigentlich wie jeder andere auch, aber hinter seinem Wesen verbarg sich ein Geheimnis das schnell entdeckt wurde.
Sein Gefangener hatte die Frau geehelicht, nach der er so gierte. Was der Kapitän nach zahlreichen todbringenden Verhören der Mannschaft des Gefangen schlussendlich vernommen hatte.
Bei der Seele des Teufels, wollte er nichts verraten und hüllte sich in Schweigen. Er würde ihn brechen, denn niemand hatte ihm bisher widerstanden.
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Der Raum war dunkel und es stank nach verschimmelten Brot und das Wasser roch schon faulig. Überall war der hölzerne Boden feucht und aus den Lücken der Wände des Schiffes, kam eiskalte Luft herein. Das tat seiner nicht besonders gut, der er kaum Kleidung mehr am Leibe trug.
Die Demütigung die er gerade hinter sich ergehen lassen musste, nagte noch immer an ihm. Wenn es so weiterging würde er das nicht mehr lange durchhalten.
Um keinen Preis der Welt durfte dieses abscheuliche Monster erfahren, das aus seinem Gewaltakt ein Kind entstanden war und es heute noch am leben war. Bisher töte er jede Frau mit der er seinen Akt vollzog um zu vermeiden, das daraus Leben einstehen könnte. Sybilla war die Einzige die er am Leben gelassen hatte. Vielleicht hatte sie es ihm angetan, er wusste es nicht.
Schweigend starrte Peter in die Leere. Seine Frau war immer stark gewesen. Ihre Liebe gehörte einem anderen Mann, doch sie heiratete ihn. Die Hochzeit war ein schönes Fest gewesen.
Die Feierlichkeiten wurden unterbrochen und eine Bande tollwütiger Unholde aus der Hölle fuhren über die Hochzeitssegelschaft her. Nach dieser Nacht war nichts mehr wie zuvor. Seine Gemahlin lächelte nicht mehr und schien dem Tode näher zu sein, als dem Leben.
Sie lies keine Berührung oder eine Zärtlichkeit zu. Die Schwangerschaft machte es nur noch schlimmer. Neun Monate lag sie bewegungslos im Bett, bis ein Schrei eines Neugeborenen das erste Mal durch das kleine Haus tönte.
Sie versuchte es zu lieben, versuchte mit ihm zu spielen und vor allem versuche sie eine Mutter zu sein. Augenscheinlich waren sie eine kleine glückliche Familie. Wenn man näher hinsah, merkte man das gar nichts in Ordnung war.
Die schwierigste Entscheidung in seinem Leben musste er treffen, als er vor Jahren England verlassen musste.
Sie brauchten Nahrung und Kleidung.. Aber das war nicht der einzige Grund gewesen. Er wollte diesen Mann brennen sehen, der Sybilla dies angetan hatte. Leider hatte es sich in das Gegenteil umgekehrt. Seine Mannschaft war für sein Geheimnis gestorben und jetzt war es an ihm, das sie es nicht umsonst getan hatten.
Nicht noch einmal sollte er sie berühren. Oder gar wissen, das ein unschuldige liebliche Wesen aus seinen Lenden entstanden war. Selbst wenn das für ihn sein Ende bedeuten müsse und in der Hölle schmorte.
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„Hat unser Gast schon etwas zu Essen bekommen? Mich würde es doch sehr erzürnen, wenn er kein Mahl zu sich nehmen würde“
Die versammelte Mannschaft brach in Gelächter aus.
„Lassen wir den Spaß beiseite Männer. Bald erreichen wir endlich Land und ihr dürft euch wie immer das nehmen, was ihr begehrt. Aber vergesst nicht, seit so nett wie es geht“
Dabei lächelte der 1. Maat voller Vorfreude. Es war schon eine Ewigkeit her, das ihre Füße festen Boden unter sich hatten. Ganz besonders die Frauen vermissten alle hier. Nun war die Frage, welches arme Ding in den Händen des Kapitäns sterben durfte. Das letzte Mädchen war blond zierlich und unschuldiger als jeder Engel.
Was mochte das für ein Gefühl sein, das Leben nach dem Akt auszulöschen? Vielleicht würde er es ausprobieren.
„Über was denkst du wieder nach, mein alter Kammerrad?“
Der Kapitän schlug seine Hand auf die Schulter des robusten Mannes.
„Wie viel Spaß ich haben werde.“
„So ist es richtig nicht wahr Männer?“
Ein Johlen ertönte am Deck des Schiffes das sich über das Meer ausbreitete. Sie alle waren schon hungrig, wie verhungerte Wölfe. Die Beute war mehr als rar gewesen. Somit hatten sie jetzt auch wieder die Gelegenheit die leeren Kassen aufzufüllen.
„Ich werde hier bei dem Gefangen bleiben. Ich brauche etwas Zeit alleine mit ihm“
Das war das erste Mal, der er einem Verhör dem Vorzug einer Frau gab. Allein der Teufel wusste warum.
„LLLAAANNNDD INNNN SSSIICCCHHHHTT“ erschallte es.
„Also los ich überlasse dir das Kommando an Land. Komme mir ja nicht auf dumme Gedanken“
Zischte es aus seinem Mund, während sich seine Augen schmälerten. Damit gab er ihm zu verstehen, das er nicht einmal an Verrat zu denken hatte.
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Südliche Küste Dänemarks, 29. September
Das Schiff erreichte am Abend des 29. Septembers die Küste Dänemarks und legte an einem sicheren Ort seinen Anker. Sofort wurden die Beibote mitsamt der Besatzung zu Wasser gelassen. Die Stimmung der Männer war ungebrochen, während sie ein altes Seemannslied grölten.
Die Fackeln brannten hell und zeichneten dabei die grimmigen Gesichter der Männer. Manche trugen Narben im Gesicht, andere unter ihnen hatten ein Auge verloren oder ein Ohr. Brandnarben waren zu entdecken und ihre Zähne liesen zu wünschen übrig. Sie versetzten ein ganzes Dorf, das ihre Ankunft bemerkte in Angst und Schrecken. Seit Jahren hatte sie hier niemand heimgesucht.
Die Ortschaft war zu unbedeutend gewesen. Frauen und Kinder versuchten sich zu retten, während ihre Brüder, Väter, Ehemänner, Söhne sich dem Schrecken entgegen stellten. Doch sie hatten keinerlei Aussichten den Kampf zu gewinnen. Ohne Gnade wurden sie alle niedergemetzelt. Blut tränkte die Erde und die Leichen zierten den sonst so friedlichen Ort. Die Nacht wollte kein Ende nehmen. Während sie sich an den Vorräten vergriffen, vergewaltigten mehrere Männer immer wieder junge Frauen, deren sie habhaft wurden.
Ihre Grausamkeit kannte kein Grenzen und schon gar kein Ende.
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„Nun während meine Männer ihren Spaß haben, werden wir beide über die hübsche Sybilla sprechen“
Wie konnte er nur ihren Namen in den Mund nehmen? Wenn er sich doch nur einfach befreien könnte, würde er ihm einen langsamen Tod erleiden lassen. Laut lachte er auf.
„Ich kann deinen Zorn in deinen loderten Augen sehen. Halte mich nicht für dumm. Am liebsten würdest du mich doch in Stücke reißen nicht wahr?“
Peter starrte ihn stumm an. Im Moment war er nicht in der Machtposition zu verhandeln.
„Nun willst du mir nicht endlich verraten wo sich dein Weib aufhält? Wir können alles schnell und schmerzlos machen oder du wirst einen langen elenden Tod sterben“
Seine Augen verdrehten sich.
„Was würde es mir bringen? Der Tod wird mich ereilen, egal ob ich mein Schweigen breche oder nicht“
Wütend schlug er dem Gefangen in sein Gesicht, woraufhin er mit ganzer Wucht mit den Kopf gegen die Wand des Schiffes krachte. Peter wurde von einem heftigen Schwindel erfasst, der ihn erbrechen lies. Gewalt würde ihn nicht weiterbringen.
„Ich finde auch einen anderen Weg deinen Willen zu brechen. Wenn ich erst deine Gemahlin in meinen Händen habe, wirst du zusehen müssen. Und glaube mir mir wird es eine große Freude bereiten.“
„Dieser verdammte Wiederling...“
Er durfte nichts von Jane erfahren, das war wohl das allerwichtigste. Denn wenn er ihr auch noch etwas antun würde, würde ihn Gott persönlich nicht stoppen können.
„Wenn du dich nicht wehrst, verdirbst du mir die ganze Freude an der Sache. Du ekelst mich an.“ Mit diesen Worten spuckte Jack ihm in sein Gesicht. Für heute hatte er endgültig genug.
„Nun du hast wohl den langsamen Tod gewählt. Umso besser, dann habe ich noch länger das Vergnügen dich leiden zu sehen. Nun werde ich mich um ein hübsches kleines Ding kümmern, das mich sehnsüchtig erwartet.“
Er würde wieder das Leben eines unschuldigen Mädchens nehmen. Es schien hoffnungslos zu sein. Niemand schien ihm mehr aufzuhalten. Langsam schloss er seine Augen und betete für die Seelen, die heute dem Teufel zum Opfer fielen.
~
Jack blickte das Mädchen an, das in seiner Kajüte stand. Langes schwarzes und seiden glattes Haar glitt ihre Hüften hinab. Ihre schlanke und weibliche Figur war ansehnlich. Doch sie hatte keinerlei Stolz in ihren Augen. Sie würde sich nicht einmal wehren.
„Was habt ihr mir den da bloß mitgebracht?“ murmelte er vor sich hin.
„Wie ist den dein Name liebes Kind?“
„Agnes...“ kam es stotternd aus ihren Munde.
„Nun Agnes du hast heute Glück und kommst mit deinem Leben davon. Meine Mannschaft wollte mir etwas Gutes tun, aber nichts kann mir jetzt helfen“
Er schritt hinter sie und zog seine Klinge. Seine Hand legte sich um ihren Hals, während die scharfe Unterseite des Dolches leicht gegen die Kehle der jungen Frau gedrückt wurde.
„Andererseits ein kleines Gemetzel könnte mich aufheitern. Mark würdest du mal bitte, dieses Fräulein zu unseren Gast bringen. Es wird mir ein wahres Vergnügen sein... du verstehst doch was ich meine?“
Grinsend packte der robuste Mann das Mädchen an den Schultern und schob es vorwärts. Sein Gefangener würde niemals zulassen, das ein unschuldiges Kind vor seinen Augen hingerichtet wurde. Vorher wollte er, das sie sich näher kamen. Sein Plan würde aufgehen. Dessen war er sich sicher.
England, Sherborne 3. Oktober
Inzwischen waren lange vier Monate in das Land gegangen. Das Wetter schien immer kühler zu werden. Die Blätter waren bereits gefallen und der Wind wehte kräftig. Jane blickte aus dem Fenster und musterte die Menschen, die auf den Straßen auf und ab liefen. Mütter zogen ihre Kinder an den Händen, während sie Unfug anstellten. Einige Männer sahen schüchternen Mädchen hinterher und pfiffen ungehobelt. Wie konnten manche Menschen so unbekümmert leben?
Hier fühlte sie sich einfach nicht wohl. Sie wollte wieder zurück in das kleine Landgut.
Da sie sich mit den Familienmitgliedern nicht verstand, musste sie in die nächstgelegene Stadt. Sie fühlte sich hier so einsam. Selbst Cathy konnte sie dieses mal nicht unterstützen. Sie war schwanger von diesem Lustmolch, der abends sich davonschlich und in das nächste Hurenhaus ging.
Mit 8 Jahren in einem einsamen kleinen Zimmer verfrachtet und keine Menschenseele zu reden, da fühlte sich jedes Kind unterfordert. Seufzend lies sie sich auf das Bett fallen. Sie verschränkte ihre Arme und blickte auf die Decke des Raumes. Ihr Blick war leer.
Nichts gab es zu tun und ihre täglichen Pflichten waren erledigt. Mit einem Satz schwang sie sich wieder aus den Bett. Sie musste raus hier. Auch wenn sie nicht durfte. Das war die eindeutige Anweisung James.
Langsam drückte sie die Klinke hinab und spähte durch den Türspalt. Niemand schien hier zu sein. Mit den leisen Schritten schlich sie den Gang entlang. Unten waren Stimmen zu hören. Jemand schien sich gerade über etwas aufzuregen während eine andere Stimme versuchte besänftigend zu sprechen. Schön so konnte sie unbemerkt vorbeihuschen.
Tappend steig sie Stück für Stück die Treppen hinab. Sie gab keine Geräusche von sich und ehe irgendjemand sie sehen konnte, war sie aus dem Hause entwischt.
~
Die Düfte der Menschen vermischten sich, während sie Naserümpfend durch die Straßen schlenderte. Gedankenversunken und ohne das sie darauf achtete, stieß sie mit einer Gestalt zusammen. Sie wollte sie sich entschuldigen. Ihre Augen weiteten sich, als ihr auffiel das es ein Mönch war, dem Schriften durch den Aufprall zu Boden gefallen waren.
„Es tut.. mir so schrecklich leid..“
Der Mönch starrte sie an und lächelte.
„Das ist schon in Ordnung würdest du mir bitte helfen?“
Hastig sammelte sie die Schriftrollen ein, die ihr schon bald bis an ihr Kinn reichten.
„Sag wie kommt es eigentlich, das ein Kind wie du alleine hier herumläuft?“
„Ein Kind wie ich?“ fragte sie stutzig.
„Was ich damit meinte, das du nicht halb verhungert bist und das du ordentliche Kleidung an deinem Leibe trägst“
Sie übergab den Mönch hastig die Schriftrollen und wollte entwischen.
„Du solltest dich hier nicht alleine herumtreiben. Es gibt Menschen in dieser Stadt die nicht so freundlich sind wie ich und die schlimme Dinge mit Mädchen in deinem Alter anstellen.“
Verärgert murmelte sie etwas vor sich hin.
„Willst du nicht einstweilen mit mir kommen?“
Sie schüttelte ihren Kopf heftig. Sie durfte doch fremden Menschen nicht folgen. Aber andererseits war dies ein Kirchenmann. Er würde ihr bestimmt nichts tun.
„Ihr seid doch ein Mann Gottes nicht wahr?“
„Das ist gut Kind. Du solltest nicht jedem trauen, der dir über den Weg läuft. Aber ja ich bin ein Mann Gottes und ich werde dir nichts antun“
Stolzierend schritt sie neben ihm her und spürte Blicke die dem ungewöhnlichen Paar entgegengebracht wurden.
Es war schon ein richtiges Starren. Jetzt fühlte sie sich doch etwas unwohl. Als sie endlich vor der Kirche standen, weiteten sich ihre Augen. Die Spitze des Turmes schien sich tatsächlich gegen den Himmel zu strecken. Wie mochte man sich fühlen, wenn man dort hinaufstieg? Fühlte man sich auch Gott näher?
~
„Warte hier einen Augenblick ich bin gleich wieder hier“
Stirn runzelnd stand sie am oberen Ende der Treppe, doch sie tat was man ihr gesagt hatte. Immer nervöser schritt sie auf und ab. Jetzt wartete sie schon eine Ewigkeit, so kam es ihr vor. Vielleicht kam er doch nicht wieder.
Sie wollte schon die Treppen hinab, als eine Stimme hinter ihr ertönte.
„So und jetzt sagst du mir wie deine Eltern heißen, damit ich dich zu ihnen bringen kann“
Traurig blickte das Mädchen zu Boden.
„Mein Vater befindet sich auf hoher See und meine Mutter ist tot.....“
Aber wie konnte eine Waise so wohlgenährt und gekleidet sein?
„Der Gutsherr Featherstone hat sich meiner angenommen. Doch ich wohne nicht mehr in seinem Hause.“
Das Mädchen redete einfach zu viel und gab Informationen so preis, die jeder Andere für sich genutzt hätte.
„Und wo wohnst du dann?“
„Ich weiß nicht.. ich...“
Verwirrt blickte sie sich um. Jane hatte nicht auf den Weg geachtet.
„Ohjee du hast dich verlaufen nicht wahr?“
Stumm nickte sie nur und war den Tränen nahe.
„Dann werden wir dich zu deinen Zieheltern bringen“
Sie schüttelte ihren Kopf noch heftiger. Anscheinend wollte sie es nicht.
„Was hältst du davon, das du hier bei uns bleibst. Natürlich wirst du bei den Nonnen bleiben. Ich lasse deinem Ziehvater eine Botschaft zukommen. Er wird dich dann von hier abholen. Ist das in Ordnung für dich?“ Es blieb ihr nichts anders übrig. Somit hatte sie ein wenig Zeit sich etwas einfallen zu lassen.
~
„Es war eine Zeit der religiösen Erfahrung, sowie ich sie noch nie kennen gelernt hatte. Sie schienen so fromm und gütig zu sein. Gebete wurden von morgens bis abends gesprochen und Reichtum spielte keine Rolle. In dieser kurzen Zeit fühlte ich mich geborgen und zuhause. Es gab mir ein Gefühl wieder geliebt zu werden ohne Bedingungen.
Wenn ich heute zurückdenke, war dies meine sorgenfreiste Spanne meines Lebens. Besonders Anna mochte ich am liebsten. Sie war ungefähr 14 Jahre alt und wurde von ihren Eltern in das nächstgelegene Kloster gebracht. Sie hatten für sie keine Verwendung und eine Hochzeit wäre nicht tragbar gewesen. Ich wünschte mir so zu sein wie sie es war.
Anna konnte lesen, konnte schreiben, konnte Latein und beherrschte sowohl Deutsch als auch Französisch. Wobei erwähnt werden sollte, das sie die Fremdsprachen schon vor ihrer Zeit im Kloster gelehrt bekommen hatte.
Und so versuchte ich ihr nachzueifern. Als mein Ziehvater jedoch auftauchte, war er nicht sehr erpicht darauf mich im Kloster zu lassen. Ich weiß das musste damals Schicksal gewesen sein. Denn wenn ich dort nicht meine Kindheit und meine frühen Mädchenjahre verbracht hätte, wäre mein Leben wahrscheinlich ganz anders verlaufen.“
~
1138
England, Sherborne 6. Februar
„Du solltest nicht in Träumereien verfallen kleine Jane.“
Anna hatte sie gerade ermahnt, als sie ihr nicht zugehört hatte. Sie schob das Buch beiseite und betrachtete das jüngere Mädchen etwas missgelaunt. Eigentlich war sie recht lernfähig, wissbegierig und aufmerksam. Doch heute schien sie etwas abgelenkt zu sein.
„Was hast du den?“
Besorgt klang die Stimme der Älteren.
„Ich vermisse meine Mutter so sehr... Glaubst du sie ist jetzt bei Gott?“
Lächelnd sah sie ihr in die Augen. „Ich verstehe dich. Meine Mutter ist nie gestorben, doch sie hat mich behandelt, als würde ich nicht leben. Deine Mutter war ganz anders. Sie wird bestimmt bei Gott und den Engeln sein.“
Die Worte gaben ihr Trost und Mut. Hinter ihnen erschien die Büchermeisterin und schien sehr erzürnt zu sein
„Wie ich sehe scheint ihr euch beide sehr zu amüsieren. Ihr solltet euch mehr um euer Studium widmen. Vor allem du Anna. Deine Weihe steht dir bevor..“
Ihre Miene schien sich zu verfinstern.
„Ihr dürftet noch nicht als Novizinnen hier sein. Mich würde interessieren wie ihr euch Zutritt verschafft habt“
Beide schwiegen still.
„Also gut zur Strafe werdet ihr beide auf euer Abend- und Morgenbrot zwei Wochenlang verzichten. Eine Scheibe Brot und Wasser am Tag wird euch gegönnt“
Entsetzt starrten sich beide Novizinnen an. Eigentlich hätte die Strafe weitaus schlimmer sein können.
„Seht zu das ihr verschwindet, bevor ich eure Strafe erhöhe“
Schnell huschten sie aus der Bibliothek und wurden prompt wieder angehalten.
„Wo habt ihr gesteckt? Elisabeth ist sehr erzürnt. Ihr habt eure Gesangsstunde versäumt“
Das konnte unmöglich sein. Hatten sie tatsächlich die Zeit so aus den Augen verloren?
„Unsere Herrin wünscht dich sofort zu sprechen Jane. Anna und du solltest nun zu Elisabeth, bevor die Hölle über uns alle hereinbricht “
Dabei schlug die Nonne würdevoll das Kreuzzeichen.
~
Mit gesenkten Kopf klopfte sie an der Türe. Eine Stimme ertönte im inneren des Raumes und bat das Kind herein. Neben der Äbtissin stand ein Mann. Irgendwo hatte sie ihn doch schon einmal gesehen.
„Erstaunlich.. wirklich erstaunlich. Diese Ähnlichkeit ihr hattet nicht gelogen“
Wovon sprach der Fremde bloß?
„Kümmert euch gut um das Mädchen. In sechs Jahren werde ich wieder kommen und dann sollte sie bereit sein“
„Bereit wofür?“
Wer sagte eigentlich das sie das tun müsste? Sie würde viel lieber im Kloster bleiben. Es war ihre Familie geworden und in ein paar Jahren wollten sie ihr all das nehmen und ihr die Weihe verwehren? Wenn es einen Gott gab, dann hoffte Jane, das ihre Gebete erhört wurden.
Trotzig verschränkte sie ihre Arme und verzog ihr Gesicht.
„Und was wenn ich nicht will?“
Er schritt zu ihr und legte seine Hand auf ihren Kopf.
„Du bist zu etwas Großen berufen. Laufe nicht vor deinem Schicksal davon.“
Doch damit war es nicht getan.
„Lehrt sie auch Sittsamkeit und Etikette. Ihr Benehmen liegt völlig fehl am Platze“
Bevor das Mädchen, das schon innerlich vor Zorn erbebte, etwas falsches tat, warf die Äbtissin ihr einen Blick zu, der bedeutete, das sie jetzt zu schweigen hatte.
„So ist es recht“
Zufrieden stand er auf, verbeugte sich und verlies das Zimmer.
„Was in aller Welt ist in dich gefahren Jane? Hast du alles vergessen, was wir dir hier in der kurzen Zeit an Benehmen beigebracht haben? Du hast Gehorsam zu üben. Du wirst zur Strafe vier Monate bei den Konvernschwestern verbringen. Diese Maßnahme habe ich noch nie in Erwägung gezogen. Doch in deinem Fall scheint es Notwendigkeit zu sein“
Das bedeutete Bedienstete der Nonnen zu sein, sich körperlicher Arbeit ausliefern zu müssen und sie durfte nicht mehr bei den Nonnenkapitel dabei sein. Dagegen war die Strafe, die ihr die Büchermeisterin auferlegt hatte, nichts. Tränen rannen ihr über die Wangen. Das würde ihr auch nichts helfen.
„Ich werde sofort alles veranlassen“
~
Die Nacht über schlief sie nicht, da sie das Grauen gepackt hatte. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, während sie das elende Schwindelgefühl einfach nicht los wurde. Es war nicht nur die Angst, vordem was ihr bevorstand, nein sie hatte auch Angst Anna zu verlieren. Wieder war sie in einem Kapitel ihres Lebens angekommen, das sie schneller abschließen wollte. Unruhig wälzte sie sich hin und her, zupfte an ihren Haaren und biss sich dabei nervös auf ihre Lippen. Die Zeit wollte einfach nicht vergehen. Der Gedanke bereitete ihr Unbehagen, wenn sie daran dachte, das die Stunden jetzt schon langsam vergingen. Wie würden dann die nächsten vier Monate sein?
„Ich dachte es würde das Schlimmste auf Erden für mich sein. Ich half in der Wäscherei, Küche und Weberei. Meine Hände waren rissig, meine Füße taub und meine Muskeln schmerzten höllisch. Die Arbeiten waren anstrengend und ich verstand nicht warum mich gerade diese Strafe traf. Andere hatten ebenfalls den Gehorsam verweigert, doch sie traf es nicht auf diese Weise.
In dieser Zeit lernte ich, was es bedeutete hart zu arbeiten. Die Arbeit die ich in der Burg verrichten musste, war nur halb so schwer gewesen. Aber ich wollte mich nie beschweren.
Ich gab immer das was verlangt wurde und erbte auch Lob. Da gab es aber noch etwas was mich beschäftigte. Nacht für Nacht lag ich wach. Wer war der Fremde gewesen und was hatte er vor? Im Grunde hatte ich es ihm zu verdanken, das ich nun bei den Konvernschwestern lebte.
Dieser Zorn sollte sich bald legen. Denn etwas kam auf mich zu, das seine Arme nach mir ausstreckte. Etwas das mir zeigte, wie grausam Menschen sein konnten.“
London, 11. Mai
Stephan schritt unruhig auf und ab, während man seine missgelaunte Gefühlslage im ganzen Raume spürte. Er war der Enkelsohn Wilhelm dem Eroberer deshalb hatte er seinen Thronanspruch erhoben und wurde somit König von England. Kaiserin Matilda hingegen war von Heinrich I. als seine Nachfolgerin und erste Herrscherin auserkoren worden. Seither gab es eine ungünstige Lage zweier Parteien. Er war König und sie schien um ihr Recht zu kämpfen.
Der junge König behauptete ebenfalls im Recht zu sein. Er musste einen Weg finden seinen Thron zu sichern. Wem sollte er Vertrauen schenken und wem sollte er misstrauen? Robert of Gloucester hatte sein Vertrauen hintergangen und wechselte auf die Seite seiner Halbschwester Matilda. Wer behauptete nicht, das einer seiner treuen Versallen Matildas Spion sein konnte?
Sein leerer Blick starrte aus dem Fenster. Seine Hand berührte die kühle Steinwand und ein Schauer durchfuhr seinen Körper. Hinter ihm vernahm er ein Geräusch und musste insgeheim lächeln. Seine Gemahlin Mathilda war gerade aus dem Bette entschlüpft. Nach all ihren Geburten, war sie noch immer eine recht attraktive Frau. Jetzt war es aber nicht an der Zeit sich über seine Gelüste Gedanken zu machen. Und wieder dachte er nach einer Weile daran wie es wohl sein mochte ungefährdet zu regieren. Doch einem Herrscher schien das selten gegönnt zu sein.
Eustach war inzwischen 8 Jahre alt und chon in seinen jungen Jahren zeigte er erste Zeichen seiner Bosheit. In seiner Hand hielt er einen Stein, während an einem Seil eine Katze festgebunden war. Immer wieder versuchte er das Tier zu treffen, doch es zappelte zu viel. Der junge Prinz befahl einen seinen Untergeben das Tier zu erlahmen. Der Mann durchbrach die Wirbelsäule der Katze, die daraufhin einen schrecklichen Ton von sich gab. Vergnügt lächelte er voller Freude und schoss den Stein ein zweites Mal. Dieses Mal traf er sie am Kopf. Ein Knacken war zu hören, das andeutete das der Schädel der Katze gebrochen war. Er hatte es tatsächlich geschafft ein Leben auszulöschen. Langsam nahm einer der umstehenden Personen die Katze hinab und stach ihr in ihr Herz. Es war Mitleid, die dies veranlasste. Eine Leidenschaft entbrannte in seinem Herzen. Eines Tages würde er durch die Lande ziehen und den Tod dorthin bringen, wo das Leben in vollster Blühte erstrahlte. Es war ein erstaunliches Machtgefühl, das das Leben durch seine eigenen Händen erloschen war. Der Gedanke sollte ihn Jahrelang nicht mehr loslassen. Der Glanz in seinen Augen war gefährlich. Man hielt es für kindliche Unbesonnenheit. Triumphierend lief er durch die Gänge des Palastes und schrie aus vollen Halse. Er habe einen Sieg errungen gegen eine wilde Bestie.
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Einige am Hofe erkannten schon Früh die Zeichen. Schien man Stephan darauf aufmerksam zu machen, schien er erzürnt zu sein. Er war ein Junge der eines Tages ein Mann sein würde. Es lag in seinem Blut, das gleiche das auch in Wilhelm der Eroberer floss. Also gab es für ihn keine Gründe zu Besorgnis.
Eustach war sein Thronerbe und solange er keine Anzeichen des Wahnsinns zeigte, war es nach des Königs Ansicht ungefährlich. Seine Mutter hingegen machte sich Sorgen. Die Behauptungen die ihr zu Ohren kamen stimmten. Sie hatte den Kadaver der Katze erblickt. Sie versuchte ihren Sohn zu ermahnen und zeigte ihm einen anderen Weg. Doch er wollte nie auf seine Mutter hören und seinen Vater hielt er für schwach. In seinem Herzen wusste er immer, das er seine Leidenschaft für das Töten niemals aufgeben würde. Dafür bereitete es ihm viel zu viel Freude.
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Mathilda liebte die seidenen Stoffe. Ganz besonders mochte sie ein rubinrotes Kleid, das ihre Figur und ihre Schönheit unterstrich. Ihre Kammerfrau Dameta scheuchte einige der Kammerdienerin hin und her, während sie das feine Haar der Königin bürstete. Sie hatte Talent und eine gute Führungspersönlichkeit. Aber sie verstand nicht, warum Stephan sie zur Geliebten gewählt hatte. Immer wieder versetze es ihr einen eiskalten Stich, wenn Dametas gemeinsamen Kinder und ihr Ehegemahl mit ihnen liebevoll umging. Taktisch wäre es unklug gewesen, die Hand gegen die Geliebte des Königs zu erheben. Besser war es, wenn sie freundlich mit ihr umging, denn es lag nicht in ihrer Absicht, das sie als seine Gemahlin in seiner Ungunst stand.
Auch wenn dies eine arrangierte Heirat gewesen war um Stephans Machtpostion zu stärken, so hatte sie ihn in den letzten Ehejahren lieben gelernt.
„Ist die Frisur zu eurer Zufriedenheit Majestät?“
Die Königin bemerkte den kühlen Unterton ihrer Stimme, doch sie ignorierte dies. Sie betrachte sich im verschwommen Spiegel und nickte.
„Jetzt kannst du dich wieder um deine täglichen Pflichten kümmern. Ich benötige deine Hilfe im Moment nicht“
Wenn sie sie noch einen Moment noch länger in ihrer Nähe ertragen müsste, würde sie sich im Ton vergreifen oder gar schlimmeres. Dameta verneigte sich und ging aus dem königlichen Schlafgemach. Es musste in der Tat für sie eine Demütigung gewesen sein, als sie bemerken musste, das Stephan die Nacht mit Mathilda verbracht hatte und nicht mit ihr. Es war ein ewiger Kampf um den Mann den beide liebten.
Sherborne, 1. Juni
Monate waren vergangen, seit Jane schon bei den Konvernschwestern ihren Dienst verrichtete. Mittlerweile hatte sie sich an die schwere Arbeit gewöhnt. Bald würde ihre Zeit hier enden und dann durfte sie wieder eine Novizin der Nonnen sein. Sie vermisste die Gesangsstunden, den Lateinunterricht sowie die Kunst des Lesens und Schreibens zu erlernen.
Selten gab es die Gelegenheit seine Fähigkeiten zu verbessern, da die Arbeit Vorrang hatte.
„Jane würdest du bitte...?“
Wie konnte sie es nicht bemerken? Sie hatte einer ihrer Schwestern den Weg versperrt. Ein dummer Fehler, den jetzt würde ihr wieder eine Strafe blühen. Träumen während des Tages war verboten. Das verlangsamte das Arbeitspensum und das konnte sich ungemütlich auswirken.
„Keine Angst ich werde dich nicht verraten. Du wirst bald wieder zu den Nonnen zurückkehren. Da brauchst du nicht noch eine Strafe, die deine Frist hier verlängert“
Erleichtert atmete das Mädchen auf.
„Ich danke dir Maria. Ich verspreche dir ich werde dich nicht enttäuschen und jetzt schnell bevor wir erwischt werden“
Hastig trugen sie gemeinsam einen schweren hölzernen Wäschekorb in die Wäscherei. Maria war eine gute Freundin geworden. Sie teilten sich viele Geheimnisse und erzählten sich Geschichten von zu Hause. Maria war ein Jahr älter als sie und war die sechste Tochter eines reichen Bauern. Doch wie bei Anna es der Fall gewesen war, war die Mitgift einfach zu hoch.
Da war es wesentlicher vorteilhafter sie in ein Kloster zu stecken. Als Jane ihre Geschichte erzählte, war sie das andere Mädchen wie gebannt gewesen. So etwas wie Bewunderung erschien in ihren Augen. Seit jenem Tag waren sie unzertrennlich gewesen.
Die Zeit neigte sich dem Ende zu.
„Meinst du wenn du wieder bei ihnen sein wirst, werden wir uns dann noch sehen?“
Jane wusste darauf keine Antwort, doch sie hoffte es aus iefsten Herzen.
„Ich denke es gibt einen Grund, warum wir uns kennen lernen durften. Ich bin mir sicher Gott wollte es so. Ich glaube wir werden uns sicher wieder sehen. Das verspreche ich dir“
Und sie wusste sie würde ihr Versprechen bestimmt halten.
~
Endlich ging die Sonne nach einen sehr langen Tag unter. Die Arme und Beine der Kinder schmerzten und sie waren richtig müde. Sie hofften nun, das sie nach einem stillen Gebet und einer Mahlzeit etwas ruhen durften.
Jane sollte diese Gelegenheit nicht bekommen. Denn sie wurde wieder zu Äbtissin gebeten. Ihre Frist der Bestrafung war abgelaufen und man berichtete nur gutes über das Verhalten und die Anstrengungen.
„Nun ich sehe deine Haltung hat sich geändert. Du kannst nicht ständig deinen Willen durchzusetzen. Hier hast du Gehorsam zu leisten. Wenn du wieder unsere Regeln missachtest, wirst du wieder zu den Konvernschwestern versetzt.“
Demütig blickte Jane in die dunkelbraunen fast schwarzen Augen. Diese Frau hatte eine starken Willen und war sehr präsent. Dagegen kam sie sich vor wie eine kleine Ameise die kurz davorstand zertreten zu werden.
„Anna hat inzwischen ihre Weihe erhalten und gehört zu den Nonnen. Sie wird dich persönlich unterrichten. Deine täglichen Pflichten wirst du trotz allem erledigen. Hab ich mich klar ausgedrückt?“
Stumm nickte das Kind. Sie wagte ihr nicht zu widersprechen. Eigentlich war es merkwürdig. Früher war sie viel freundlicher zu ihr gewesen. Aber jetzt war sie völlig verändert. Das machte Jane etwas Angst.
„Ach ja dein Ziehvater wünscht dich zu sehen. In zwei Wochen, wirst du Ausgang bekommen. Benimm dich nicht unziemlich.“
Die ältere Frau drehte ihr den Rücken zu und winkte sie abweisend hinaus. Gedankenversunken schritt sie die Gänge entlang. Es kam ihr so kalt und so groß vor. Einsamkeit breitete sich in ihrer Seele aus. Jedesmal wenn sie dachte endlich ein zu Hause gefunden zu haben, wurde es ihr schon wieder entrissen.
Anna wartete bereits vor der Tür ihrer alten Kammer. Als sie ihr entgegen schritt und sie ihre alte Freundin anstrahlte, verschlug es ihr gleichzeitig die Sprache. Hatte sie sich auch verändert? Ihre Haltung war strammer und ihr Gesicht war strenger.
Und wieder dieses unruhige Gefühl, das sie weglaufen sollte. Ihre Beine hielten sie fest auf den Boden.
„Ich habe dich bereits erwartet. Wie ich gehört habe, warst du sehr arbeitsam und gehorsam.“
Sie erkannte sie kaum wieder.
„Würdest du bitte eintreten?“
Die Nonne öffnete ihr die Tür, während sie verängstigt an ihr vorbei schritt. Als die Tür hinter ihr in das Schloss fiel, erschreckte sie sich zutiefst.
„Endlich...“ Seufzte die Frauenstimme auf.
„Endlich kann ich dieses Gehabe ablegen. Du kannst dir gar nicht vorstellen wie froh ich bin dich wiederzusehen.“
Verwirrung ergriff das Herz des Mädchens, während die junge Frau ihre Arme ausbreite. Sofort vor Erleichterung sprang sie in ihre Arme. Tränen kullerten ihre Wangen hinab. Sie hatte ihre alte Freundin doch nicht verloren.
„Wie hast du es geschafft, das du mich persönlich unterrichten sollst? Weißt du warum mir überhaupt diese Ehre zusteht?“
„Um es einfach zu sagen, nur durch den Einfluss meines Vaters durch eine großzügige Spende.“
Die Erklärung war ihr nicht ausreichend. Aber sie musste sich einstweilen damit zufrieden geben. Das Glück durfte aufkeinenfall strapaziert werden....
~
Anna traute ihren Ohren nicht, als sie erfuhr, was Jane in ihrer Zeit als Novizin als Konvernschwester tun musste. Sie erfreute sich an den Gedanken, das Jane nicht einsam war. Vielleicht gab es eine Möglichkeit Maria persönlich zu treffen.
Die Unterhaltung hatte beiden sichtlich gut getan. Seit ihrer Weihe zur Nonne musste sie sich demütig zeigen, den inzwischen war sie der Büchermeisterin unterstellt und sie war strenger, als die Meisten hier. Zwar wusste auch sie nicht aus welchen Gründen Jane privaten Unterricht erhalten sollte, doch sie hatte davon Wind bekommen und hatte eine persönliche Nachricht an ihren Vater verschicken lassen.
Eigentlich hätte sie damit gerechnet, das er es ablehnen würde. Sie hoffte das sie Erfolg hatte. Tatsächlich erhielt sie knappe vier Wochen eine Antwort auf ihr Schreiben. Man vermachte dem Kloster ein weiteres fruchtbares Landgut und somit wurde Anna zu Lehrmeisterin Janes.
Hause Featherstone, 15. Juni
Janes Aufregung war enorm. Sie durfte endlich wieder ihren Ziehvater sehen. Sie zog die engen Ärmel des Unterkleides etwas straffer und fuhr mit der Hand leicht über den Stoff des Oberkleides. Auch der weiße Schleier saß perfekt. Wie mochte James wohl auf sie reagieren? Wie würde wohl der Rest der Familie sie sehen?
Ihre Wangen waren vor lauter Aufregung rosig gefärbt und und ihre Lippen blutleer und fast weiß, während sie auf ihrer Unterlippe kauerte. Hinter ihr trat jemand in die Kammer.
„Du scheinst ja richtig nervös zu sein kleine Jane“
„Du weißt nicht wie sehr. Mein Herz scheint auf und ab zu schlagen und siehst du meine Hände wie sie zittern?“
Anna nickte. Angesicht dessen beneidete sie die Jüngere. Sie hatte außerhalb der Mauern des Klosters und der Kirsche jemanden der sie noch liebte. Ihr eigener Vater hatte sie selbst kaum beachtet und sie eher als ein Gut gesehen.
„Ich führe dich jetzt hinaus vor die Tore. Schaffst du das?“
Stumm nickte sie und schritt hinter ihr tappend nach. Als das grelle Licht in ihren Augen brannte, setzte sie ihren Fuß auf den Absatz der Treppe der Kirche. Sie hörte ein Wiehern das ihr seltsam vertraut vorkam. Ein letztes Mal umarmte sie Anna zum Abschied und ging mutig vorwärts. Ihre Augen täuschten sich nicht. Das war bestimmt Cäsar. Am liebsten wollte sie sofort hinauslaufen. Sie durfte es nicht.
Sie musste sich ziemlich benehmen sonst blühte ihr wieder eine Ermahnung. Diesmal jedoch war der schwarze Hengst vorgespannt. James reichte ihr die Hand und sie lies sich auf den Pferdekarren ziehen. Er hatte es nicht vergessen, das sie von ihrem letzten Ritt Angst hatte.
~
Während der Fahrt lies sie ihren Blick auf ihre Hände gesenkt. Sie spielte mit den Daumen, als er das Mädchen anblickte. Irgendwie hatte sie etwas an kindlicher Vitalität verloren. Es war als wäre ihr sturer Wille gebrochen.
„Ich merke das Kloster scheint dir nicht besonders wohl zu tun..“ murmelte er vor sich hin.
Hastig hob sie ihren Kopf und lächelte ihm entwaffnend entgegen. Erstaunlicherweise verlor er die Sprache.
„Nein so ist es nicht. Ich lerne so vieles. Lesen, Schreiben und Latein und ich habe auch eine Lehrmeisterin erhalten. Sie bringt mir alles bei was es zu wissen gibt. Ich bin richtig glücklich“
James hatte sich erhofft, das es ihr dort nicht behagte, aber dummerweise fühlte sie sich wohl. Er kannte die Beweggründe warum all dies mit ihr geschah.
Man drohte ihm dem Mädchen nichts zu verraten. Tragischerweise konnte er nichts tun, denn sonst war das Leben seiner Familie gefährdet. Lucas hatte endlich aufgehört sich wie ein Lausebengel zu verhalten und schien für sein Alter schon früh an Reife gewonnen. Insgeheim musste er lächeln. Beide würden sich kaum wiedererkennen. Sie waren nicht mehr wie sie sich vor einem Jahr benommen hatten. „Verrate mir freust du dich schon Lucas Eleonore und Johanna?“
Mürrisch verzog sie ihr Gesicht. Ein herzliches Lachen erschallte.
„Was ist den so lustig?“ fragte sie erstaunt.
„Du wirst es schon verstehen“
~
Endlich waren sie am Gutshaus. Es war so seltsam still und es schien sich etwas verändert zu haben. Dabei war sie erst ein knappes Jahr nicht hier gewesen. Vorsichtig klettere sie hinab und sprang das letzte Treppchen hinunter. Dabei hatte sie Acht gegeben, das ihr Habit nicht beschmutzt wurde. Hinter ihr fuhr der Pferdekarren mitsamt Cäsar in den Stall, wo schon Adelbert wartete. Er nahm Karren und Pferd beide in Empfang und kümmerte sich um sie. Es dauerte nicht lange, da war ihr Ziehvater auch schon wieder erschienen.
„Willst du hier stehen bleiben oder willst du mir folgen?“
Natürlich wollte sie ihm folgen und nahm seine Hand. Fröhlich ging das Mädchen neben ihm her und summte. Die Türe des Hauses öffnete sich und beide gingen in das Haus. Aneinandergereiht standen sie alle da, so als würde sie ein hoher Gast sein. Verwirrt huschten ihre Pupillen hin und her und sah sich fragend mit ihren Augen um. War es das was er meinte sie würde es schon merken? Hastig schüttele sie wie wild ihren Kopf und trat einen Schritt zurück. Das war nicht das Heim was sie in Erinnerung trug.
„Jane du brauchst dich nicht zu fürchten. Wir wollen nur das du dich zuhause fühlst“
„Aber das ist es nicht. Alle sind so furchtbar steif und fromm...“
Aber bei Lucas war noch immer ein kleiner Unmut in seinen Augen zu sehen. Das schaffte ihr Erleichterung. Vielleicht waren sie doch noch wie sie immer schon waren.
„Ich bring dich jetzt in dein altes Zimmer. Es hat sich aber auch ein kleines Stückchen verändert.“ Sie rümpfte ihre Nase auf eine Weise, die bedeutete das sie es nicht mochte.
Oben angekommen und den Raum erreicht weiteten sich ihre Augen und ihr Mund blieb offen. Zu den Bett war noch Tisch und ein Stuhl hinzugekommen. Darauf lagen Schreibutensilien die teurer waren als alles was sie jäh besessen hatte.
„Ich werde dich ein wenig alleine lassen, damit du dich etwas einleben kannst“
Hinter ihr ging die Türe zu. Im ihren innersten spielten die Gefühle ihrer Seele ein wahres Durcheinander. Das konnte doch alles nicht möglich sein. Ihre Neugier wurde geweckt. Jane wusste sie würde nach den wahren Gründen suchen, warum sie mit einem Schlag mit so viel Höflichkeit behandelt wurde.
~
„Ich begriff es nicht. Ich wollte es nicht verstehen. Es war schon unüblich genug, das ich Privatunterricht erhielt. Das sich ein Edelherr einsetzte, damit Anna meine Lehrmeisterin wurde. Und jetzt veränderte sich selbst das Verhalten der Bewohner des Hauses Featherstones.
James und Lucas verhielten sich so wie immer. Aber meine Ziehmutter versuchte an mir Interesse zu heucheln. Eleonore und Johanna versuchten sich liebenswürdig zu benehmen. Es bereitete mir ein unfeines Gefühl. Alles in mir schien zu sagen
„Da stimmt etwas nicht. Es kann doch alles nicht wahr sein..“
Immer mehr stellten sich mir immer wieder viele Fragen, auf die ich keine Antworten fand. Dies sollte sich bis zu meinen vierzehnten Lebensjahr nicht ändern. Denn als ich erfuhr was der wahre Grund war, wünschte ich mir es niemals zu wissen.“
~
Ein Klopfen riss Jane aus ihren Gedanken. Missmutig ging sie zur Türe und öffnete sie, dabei gab sie ein leichtes Quietschen von sich. Wer sich hinter ihr verbarg lies sie ein erstauntes Gesicht machen.
„Willst du jetzt zu mir auch so freundlich sein das mir übel wird?“
Lucas musterte sie ganz genau ehe er sprach.
„Ich weiß nicht wie es ist, wenn man eine Dienerin Gottes beleidigt. Womöglich bestraft er mich mit einen Blitzschlag“
Da war es doch. Diese unhöfliche Art. Unbedacht und völlig stürmisch umarmte sie ihn, was den Jungen regungslos machte. Natürlich spürte Jane, wie sein Körper erstarrte.
„Würdest du mich bitte loslassen. Das ist ja schlimmer als in der Hölle zu sein“
Die Novizin löste sich. Sie könnte ihm nicht böse sein. Dafür mochte sie seine Art er selbst zu sein zu sehr.
„Wenn das deine Herrin sieht, denkst du nicht sie würde dich bestrafen?“
„Warum? Sag mir warum hasst du mich so sehr?“
Die Frage erwischte ihn eiskalt. Wieso brachte sie ihn so derart aus der Fassung?
„Das hat dich nicht zu interessieren. Aber der eigentliche Grund warum ich hier bin, ist das Johanna mich nach dir geschickt hat. Man sollte doch meinen, das Frauen ihre Sachen unter sich ausmachen können. Ich habe da keine Lust Laufbursche für euch zu spielen“
Damit war er erzürnt aus dem Zimmer gestürmt.
„Johanna? Was will sie von mir?“
Fürchterliche Kopfschmerzen bereiteten ihr plötzliches Unbehagen. Bisher hatte sie mit ihrer Ziehschwester wenig gesprochen und beinah nichts mit ihr zu tun. Jetzt war ihr Fassungsvermögen erschöpft. Es war erst ein viertel des Tages herum und sie hatte jetzt schon das Gefühl, das dies womöglich anstrengender werden konnte, als den ganzen Tag schwere Arbeit zu verrichten.
„Ich werde es versuchen.. ich darf einfach nicht...“
Was genau durfte sie eigentlich nicht? Schwäche zeigen. Jeder Mensch war damit unglücklicherweise gesegnet. Tief sog sie die Luft in ihre Lungen ein und atmete wieder aus, dabei wollte sie sich auf das vorbereiten was auch immer jetzt kommen würde.
„Ahh Jane da bist du ja. Du hast ja sehr lange Zeit gebraucht..“
Sarkasmus, war das Wort zu definieren, was aus ihrem Munde kam.
„Bring mir von Mutter das blaue..“
Den Satz konnte sie nicht mehr beenden den Jane kam ihr zuvor.
„Ich denke nicht, das ich zu deinen Diensten sein muss, wann es dir genehm ist.“
Wütend ging sie auf das jüngere Mädchen zu und schallte ihre eine Ohrfeige.
„Was bildest du dir ein? Glaubst du du bist etwas besseres als ich?“
Diesen Satz hatte sie schon einmal gehört. Doch wo, das war ihr jetzt gleich. Sie spürte den brennend Schmerz auf ihrer Wange, die an Röte zunahm.
Sie legte ihre kühle Hand vorsichtig auf die Stelle wo es wehtat. Nein diesen Gefallen tat sie ihr nicht. Janes Augen blieben kühl und starrten sie weiterhin an.
„Du tust was ich dir sage. Oder ich schwöre dir ich mache dir das Leben auf Erden zur Hölle.“
Wie wollte sie das den anstellen? Auf das Kloster hatte sie doch keinen Einfluss?
Doch auf eine bestimmte Person schoss es ihr wie der Blitz durch den Kopf.
„Das würdest du nicht tun“
„Du würdest dich wundern wozu ich in der Lage bin. Also geh jetzt und...“
Wortlos wandte sich sie sich um ehe Ihre gegenüber den Satz beenden konnte. Also hatte sie es doch richtig erkannt. Äußerlich verbargen sie ihre Bosheit, doch innerlich brodelte es in ihnen wie überschäumender Kessel.
Bevor noch jemand von ihr was wollte, huschte sie aus dem Haus. Endlich wieder an der kühlen und frischen Luft, atmete sie erleichtert auf. Die Kopfschmerzen waren miteinemal verschwunden. Sie bentötigte Ruhe auch wenn es nur für eine kurze Weile sein sollte.
~
„Hört das denn nie auf?“
Ihm war der Zwischenfall zu Ohren gekommen. Seufzend stütze er seine Hand gegen seine Stirn. Seine Gemahlin stand hinter ihm und schien beschwichtigend auf ihn einzureden.
„Sie dürfen ihr keinen Schaden zufügen. Du weißt was auf dem Spiel steht“
Eisige Stille herrschte bis Katharina das Wort ergriff.
„Warum musstest du sie aufnehmen?“
„Du müsstest es besser wissen meine Liebe. Denk nur einen Augenblick daran, wenn es einer unserer Kinder so ergehen würde“
Sie hatte es satt. Immer wieder waren es die gleichen Worte.
„Das hört jetzt auf. Soll passieren was auch immer mit ihr passiert. Sie ist nicht mein Kind. Sie ist Sybillas und Peters gemeinsames Balg. Du liebst diese diese..“
Sie fand einfach keine Worte, was sie empfand.
„....immer noch nach all der Zeit. Selbst nach ihrem Tod hinaus.. Du hast kein Recht. Verstehst du das immer noch nicht?“
Ihre Stimme begann sich zu erheben.
„Jane hat hier nichts verloren.“
Jetzt war es an ihm, das sein Zorn ihn erfasste.
„Nach all der Zeit solltest du wissen, das ich dein Gemahl bin. Das ich dich liebe und unsere gemeinsamen Kinder. Sybilla war meine erste Liebe, daran ändert sich und wird sich auch nichts ändern. Jane trifft keine Schuld, was damals geschehen ist. Glaube mir ich kann mich noch erinnern.. erinnern an deinen Gesichtsausdruck, als Sybilla dieses abscheuliche Geschehnis geschah. In diesem Moment habe ich dich dafür gehasst... Aber ich blieb bei dir an deiner Seite. Nein vergiss niemals ich liebe dich..“
„Sie wird dieses Haus nie wieder betreten, damit habe ich alles gesagt was zu sagen war.“ Unterbrach sie ihn barsch.
„Ich legte meinen Handrücken an die Tür und wollte daran klopfen. Still hielt ich inne und vernahm mehrere Stimmen aus dem Schlafgemach meiner Zieheltern.
Ich hörte jedes der Worte die sie miteinander sprachen. Ich öffnete die Türe und lauschte ihnen bis sie mich bemerkten. Ich sah welchen Schmerz James empfinden musste. Es war so denke ich bis heute noch, der gleiche Schmerz der mich ergriff. Ich hatte erfahren, das er einst meine Mutter liebte... das ihr ein furchtbares Leid geschehen war..
Katharina.. ihre Augen.... sie zürnten vor Hass. Mir war jedes Gefühl entwischen. Wenn man beschreiben sollte wie es war, so verhasst zu sein, dann fand man keine Worte. Jeder Schmerz schien belanglos zu sein.
Die Seele gab sich dem Zorn und der Wut hin. Jeden weiteren Schritt, den ich wagen wollte, schien sinnlos zu sein. Eines war mir jedoch sicher.
Ich wollte noch am gleichen Tag zurück. Jetzt hatte ich nur noch Anna und Maria die mir bedingungslos zur Seite standen. Ihre Freundschaft war mir von nun das Wichtigste und Heilligste auf Erden“
Nordöstliche Küste Englands, 30. Juni
Agnes hatte die Gefangenschaft nach zwei Monaten nicht überlebt. Ihr Körper war so geschwächt, das er einen starken Fieberanfall nicht standgehalten hatte. Peter hatte so gut es ging seine Hilfe unterbreitet. Er kümmerte sich um sie und tat was in seiner Macht stand um sie zu pflegen.
Von Tag zu Tag schwächelte sie. Jacks Versuche, den Willen Peters zu brechen war misslungen. Leben lassen wollte er ihn nicht und sterben lassen konnte er ihn nicht.
Es war eine Situation die ihn in den Wahnsinn trieb. Entweder er brachte ihn auf der Stelle hier und jetzt um sein Leben und vergaß seine Gier oder würde eines Tages an ihm verzweifeln. Das einzige glückliche Ereignis, war die erfolgreichen Beutezüge die ihnen gelungen waren. Den einzigen Anhaltspunkt den der Kapitän besaß, war England.
Er konnte nicht die ganze Insel in Angst und Schrecken versetzten. Der Seeräuber brauchte kein Aufsehen und Stephans Schergen wollte er nicht in seinem Nacken haben. Ein kluger Mann durchdachte seine Schritte und so zeichneten sich schon die ersten Anzeichen eines Planes in seinen Gedanken ab.
Es war der 3. Oktober dieses Jahres gewesen, als sie endlich ihre Fahrt beendeten und an Land schritten. Er wählte sich drei seiner besten Männer aus, nahm sich wie es für einen hinterlistigen Manne gehörte, unschuldigen Menschen ihr Hab und Gut ab. Darunter befanden sich vier stolz gezüchtete Hengste. Eines lies er zurück und befahl seinen 1. Maat während seiner Abwesenheit sich um die Mannschaft zu sorgen. Eigentlich keine taktisch kluge Entscheidung, wenn man bedachte das Meuterei entstehen konnte. Seine Augen und sein Verstand waren von Blindheit geblendet.
~
Kaiserin Maud hatte ihm einen Auftrag erteilt und seit einigen Jahren musste er in diesem schrecklichen Land seinen Dienst erfüllen. Das Wetter schlug ständig um, die Kälte war ihm unerträglich. Er sehnte sich nach schönen Tagen, doch die schienen hier nicht alltäglich zu sein.
Er hoffte eines Tages würde er den gerechten Lohn erhalten für seine Taten, die er für seine Herrscherin, der seiner wahren Loyalität gehörte, erfüllte.
Sir Robert hatte die Gunst König Stephans erlangt und wurde reich begütert. Das Schicksal schien es gut mit ihm zu meinen. Er musste jedoch vorsichtig sein, den Stephan war bereits missmutig und schien überall Verrat zu wittern. Wenn er selbst nicht darauf achtete, das der König seine Augen auf andere Mitstreiter richtete, so könnte er es sein, dessen Kopf in einer Schlinge enden konnte. „Ruhig ganz ruhig..“
Vorsichtig legte er seine Hand auf die Nüstern seines Pferdes. Elen war eine kräftige Stute und eines der edelsten Streitrösser Englands. Ihre Ohren vernahmen ganz in der Nähe Geräusche, Geräusche die ihr nicht geheuer waren. Er nahm sie an ihren Zügeln wich vom Wege ab und wartete hinter einer dichten Baumreihe, die sie sicher verbargen.
Seine Augen wurden schmäler, als er sah um wen oder was es sich handelte. Der vorderste der drei Männer war robust, schien im mittleren Alter zu sein. Aber seine Kleidung war noch merkwürdiger. Er sah wohlgenährt aus und lief in den eingewickelten Stoffen eines Bettlers auf dem Wege. Die Männer zu seiner linken und zu seiner Rechten Seite, waren ihm nicht unähnlich. Der einzige Unterschied zu ihrem Anführer, war der, das sie Waffen bei sich trugen und edle gezüchtete Pferde hinter sich zogen, die aber längst nicht ihren Willen gehorchten. Also wenn sie nicht auffallen wollten, war dies schon eines der Dinge die das Gegenteil erreichen würden.
Es hatte ihn aber keinesfalls zu kümmern, was einfache Banditen anstellten. Dringender war es so schnell wie möglich nach London zu gelangen. Er hatte Bericht zu erstatten, was in den nordöstlichen Teil Englands vor sich ging. Wenn er seine Zeit nicht einhielt würde es nur Unannehmlichkeiten geben. Als die Gestalten, die seinen Weg gekreuzt hatten, an ihm vorübergezogen waren, verlies er seine Deckung und schwang sich auf den Rücken seines Streitrosses.
~
„Wie wollen wir nun nach der Frau suchen Ed?“
Ed war der Name den sich Jack als Tarnung gegeben hatte.
„Am besten wir tauchen in der nächsten Stadt unter und hören uns leise um. Wenn es keine Anzeichen gibt, werden wir weiterziehen. Allerdings solltet ihr eure Gelüste unter Kontrolle behalten. Wir dürfen keinesfalls auffallen um keinen Preis. Habt ihr mich verstanden?“
Beide Männer nickten mürrisch. Er hoffte nur, das sie sich daran hielten.
Hinter ihnen donnerte ein Pferd mit seinem Reiter heran. Beinahe wäre es zu einem Zusammenstoß gekommen, wenn sie sich nicht rechtzeitig auf die Seite geworfen hätten. Die Pferde scheuchten auf und waren ihnen fast entlaufen. Jack spuckte aus, als er sich von Dreck bedeckt wieder erhob. „Diese Edelmänner.. keine Achtung vor dem kleinen Manne..“
Er fing an zu lachen. Es klang richtig verrückt und angstauslösend, als würde der Teufel selbst eine Darstellung seines Gelächters preisgeben.
„Es wird höchste Zeit, das man sie belehrt. Habt ihr euch beide sein Streitross angesehen? Eindeutig ein äußerst edles und seltenes Tier. Ich denke wir sollten ihm eine Lehre erteilen.“
Sie wussten warum Jack ihr Anführer war, doch seit er von dieser Frau besessen war, konnte ihm nichts mehr hindern oder besser gesagt nichts halten. Sie hatten Angst und Ehrfurcht vor ihm und würden sich ihm nie in den Weg stellen.
„Wir verfolgen seine Spuren und werden ihm sein Geschöpf abnehmen. Mal sehen wie er ohne liebes liebes Tierchen sein Ziel erreicht“
Sein Lachen nahm langsam ein jähes Ende und veränderte sich zu einem bösartigen Lächeln.
~
Es sah so aus als würde Robert nicht mehr rechtzeitig vor der Dunkelheit die nächste Stadt erreichen. Es würde eine halbe Tagesreise dauern. Es war besser ein Nachtlager aufzuschlagen und das am besten an einem Ort, wo sich keinen Banditen aufhielten. Gut möglich könnte es auch genauso gut sein, das er die drei Männer, an die er vorhin vorbeigerauscht war an seinem Wege entlang liefen. Dieses Risiko wollte er nicht eingehen. Sie waren ihm zahlenmäßig überlegen und ihm waren ihre Fähigkeiten im Kampf nicht bekannt.
Die kleinste falsche Einschätzung konnte ihm das Leben kosten. Und es lag absolut nicht in seiner Absicht irgendwo im Staub und Dreck am Straßenrand zu verwesen. Seine Augen huschten über die Landschaft, bis er eine geeignete Stelle gefunden hatte. Eine Lichtung weit abseits vom Wege, die umgeben war von dichten Sträuchern, Bäumen und Geäst lag.
Aber seine Vermutung sollte sich sehr bald bestätigen. In der Dunkelheit der Nacht, die inzwischen das Land bedeckt hatte, waren Schritte zu vernehmen. Er konnte zuerst nur Wortfetzen verstehen, die sich aber zu vollständigen Sätzen bildeten, jäh näher sie kamen.
Ihre Absicht war also ihm seine Elen zu rauben. Doch das konnten sie vergessen.
„Seit etwas ruhiger... das hier ist nicht die See..“
Eine scharfe Stimme durchschnitt die Stille des Waldes.
„Er muss hier irgendwo sein...“
Eine der drei Gestalten bückte sich und fuhr mit den Fingern über die Erde.
„Er ist hier, aber er hat seine Spuren so verwischt, das ich sie ab hier nicht mehr lesen kann“
Jack rümpfte genervt seine Nase. Unmöglich konnte er soweit gekommen sein.
Jeh weiter man sich in den Wald hinein wagen würde, desto gefährlich konnte es sein nicht wieder hinauszufinden.
„Es hat keinen Sinn jetzt weiter zu suchen. Am besten wir bleiben hier und folgen ihm morgens weiter. Ralf ich denke dann bist du in der Lage ihn zu erschnüffeln“
Sie schienen wirklich hartnäckig an ihrem Opfer zu hängen. Er musste schnell verschwinden, doch konnte er dies nur tun, wenn sie alle drei in den Schlaf fielen. Aber wie hoch war diese Wahrscheinlichkeit? Es könnte gut möglich sein, das es sich hier doch nicht nur um einfache Banditen handelte, sondern um erfahrene Kämpfer. Das Glück spielte ihm in die Hände. Stunden später waren sie mit etwas anderem beschäftigt.
Während er seien Rückzug antrat, hörte er das sie nach einer Frau suchten.. Aber welcher Mann tat dies nicht? Diese Frage sollte eigentlich gestellt werden.
Vorsichtig zog er seine Stute hinter sich her so ruhig und unbemerkt wie möglich. Seine Ohren waren stets auf jedes Geräusch bedacht. Am Rande des Weges angekommen, saß er auf und preschte hinaus in die Dunkelheit an einen sicheren Ort.
~
Jack war nicht dumm gewesen. Er hatte bemerkt wie sich hinter ihnen etwas bewegt hatte und sich davonschlich.
„Männer ich denke unser Häschen hat sich gerade aus seiner Grube gewagt. Wir sollten ihm einen kleinen Vorsprung lassen. So macht es viel mehr Freude“
Ihm gefiel die Metapher mit dem Hasen und dem Jäger am besten. Er rieb sich seine Hände aufgeregt aneinander während seine Augen scharf in die Nacht hineinblickten. Die Kälte begann in die Adern der Truppe zu fließen.
„Wir sollten jetzt ein kleines Feuerchen machen. Es wird heute Abend etwas kalt werden. Wir wollen den Teufel nicht schon heut als Gast?“
Mürrisch zog einer der drei Männer sein Schwert und hackte einen Baumstumpf in trockene Holzstücke. Diese wurden auf einen Haufen gestapelt. Durch die Hände Jacks entzündete sich ein Feuer.
„Ralf du beginnst mit deiner Wache, du brauchst morgen deine Kräfte. Er darf uns nicht entkommen. Wer weiß, wer weiß es könnte auch unwahrscheinlich sein, aber ein bisschen Spaß soll doch dabei sein“
Natürlich vergaß er sein primäres Ziel nicht. Es würde Jahre dauern bis er sie vielleicht finden würde. Sie könnte ihr Leben auch bereits ausgehaucht haben. Aber daran wollte er nicht denken. Denn das Risiko wäre viel zu hoch gewesen. Eine seetüchtige Mannschaft, so wie sie jetzt war, würde er nicht wieder finden.
„Was denkt ihr, wann werden wir wieder in See stechen?“
Er sah Jack an und grummelte
„Wenn wir unser Ziel erreichten haben. Oder willst du deinen Schwanz einziehen?“
Angsterfüllt senkte Ralf seinen großen Kopf und zeichnete mit seinen Daumen etwas in die Erde. Zwar mochte er etwas kindlich und dumm aussehen, doch sein alter Kamerad war ein ausgezeichneter Fährtenleser und ein kluges Köpfchen.
London, 3. Juli
Ein Schwert bohrte sich durch seine Brust, ein Arm legte sich um seine Schulter und dunkle Augen starrten ihn an.
„Dein Vertrauen in das Meinige war nicht das Deinige... deshalb wirst du sterben...“
Die Stimme wurde immer leiser bevor ein tiefes schwarzes Nichts nach ihm griff...
Schweiß tropfte von Stephans Stirn, seine Hände zitterten und die Angst erfüllte panisch sein Herz. In den letzten Nächten konnte er keinen Schlaf finden. Immer wieder griffen zwei freundliche Hände nach ihm die ihm verräterisch das Leben nahmen und in ein schwarzes Loch zerrten, das womöglich die Hölle war.
Der König stütze seine Hände auf die seidene Bettlacken, richtete sich auf und wollte seine Füße auf dem kühlen Steinboden absetzen. Doch sein Körper schien nicht seinem Willen zu gehorchen. Wütend und über sich selbst enttäuscht, schmetterte er seine Hand gegen den Pfosten des Bettes. Anstatt das sich seine Stimmung etwas verbesserte, verschlimmerte sie sich nur noch mehr.
Die letzten Nächte hatte er alleine verbracht. Er konnte es nicht mehr ertragen, das seine Geliebte und seine Gemahlin immer mehr aneinander gerieten. Und so war es geschehen, das er sich etwas zurückzog. Natürlich war dies nicht der einzige Grund gewesen. Ungeduldig wartete er auf eine Nachricht, die hoffentlich nach seinem Geschmack war.
„Ein Bettler kann reicher als ein König sein und ein König kann ärmer als ein Bettler sein.“
Es war eine Tatsche die ihn schon eine Weile beschäftigte. Leise seufzte er. Wieso gelang es ihm nicht das schreckliche Gefühl unter Kontrolle zu bringen? Es war ein Jammer.. ein König der an seiner Macht zweifelte. So hatte er in den Jahren seiner Kindheit nicht denselben Gedanken gehegt. Er bewunderte seinen Onkel, der ihm ein leuchtendes Vorbild gewesen war. Immer schien es so, als wäre seine Macht unantastbar und seine Erhabenheit ungebrochen. Niemand hätte gewagt, an seiner Machtposition zu zweifeln. Nun wagte er einen zweiten Versuch das Bett zu verlassen. Diesmal hatte er Erfolg.
~
Eustach trat gerade nach einer Ratte, die an seinen Füßen vorbeilief Zu seinem Leidwesen hatte er sie verfehlt. Der Kronprinz Englands schien sich zu langweilen. Selbst der Unterricht den erhielt war nicht nach seinem Geschmack. Vielmehr verlangte es ihn nach körperlicher Anstrengung und nach Reitausflügen. Er sah in den Himmel..
Selbst Gott war nicht bei bester Laune. Und Sir Robert war noch nicht am Hofe. Er sollte sein Zuchtmeister werden. Unzufrieden verschränkte er seine Arme.
„Was für ein Jammertal das alles hier doch ist...“
„Königliche Hoheit ihr langweilt euch. Was haltet ihr von einem kleinen Spielchen?“
Eustach spitze seine Ohren. Die Aufregung pulsierte in seinen Adern. Natürlich wollte er.
„Charles ihr versteht, was mich glücklich macht. Wer wird den das Opfer sein?“
Der Edelknabe deutete auf einen Jungen, der etwas jünger war als der Prinz. Erfreut klatschte er sich in seine Hände. Das würde seinen Tag doch etwas versüßen. Charles stemmte seine Arme in die Hüften, als er den Weg des Jungen kreuzte. Völlig verwirrt prallte er gegen seinen Körper und ging zu Boden. Das Brot verteilte sich über den ganzen Boden.
„Was für ein Tollpatsch du doch bist. Was denkst du wird mein Vater mit dir tun wenn er von deinem Missgeschick erfährt. Vielleicht würde es auch reichen, wenn wir dem Küchenmeister Bescheid geben“
Angsterfüllt starrte er den Prinzen in die eiskalten blauen Augen.
„Wir können auch ganz lieb sein...“
Etwas blitze auf und jetzt hatte der unschuldige Knabe Angst um sein Leben. Der Ruf des Prinzen war nicht unbescholten. Ganz besonders trieb er sich immer mit seinem etwas älteren Genossen herum und quälte unschuldige Tiere. Er wollte nicht das erste menschliche Opfer sein. Sie würden wahrscheinlich ungestraft davon kommen. Man würde alles vertuschen.
„Na was ist, willst du nicht alles wieder aufheben oder muss ich nachhelfen?“
Hastig rappelte er sich auf und schnappte nach den Brotstücken. Doch Eustach und Charles traten immer wieder zu, als er sich bückte. Immer wieder erhob sich der Küchenjunge. Seine Schmerzen wurden langsam unerträglich und immer wieder purztelten die Brotleibe in den Schmutz der Erde. „Jetzt ist aber Schluss mit dem Unsinn. Eustach ich dachte ich hätte dir bereits gesagt, das du so etwas unterlassen solltest.“
Die Gesichter der Heranwachsenden wurden bleich. Wäre es seine Mutter gewesen, hätte er wahrscheinlich frech zurück gesprochen. Doch es war sein Vater persönlich. Es wäre dumm gewesen dem König von England zu widersprechen.
„Nun..“ Stephan unterbrach ihn mit einem scharfen Tonfall.
„Charles bevor mir der Gedanke kommt, das ich dich bestrafen lasse, solltest du jetzt besser verschwinden.“
Der Edelknabe verneigte sich und verschwand aus den Augen des Königs.
„Vater.. ich..“
„Hatte ich nicht angedeutet das du schweigen sollst. Nur weil Sir Robert noch nicht eingetroffen ist, bedeutet das nicht, das du dich wie ein einfacher Straßenjunge benimmst“
Er konnte seinem Vater kein Wort entgegenbringen.
„Ich..“ Stephan unterbrach ihn mit einem scharfen Tonfall.
„Charles bevor mir der Gedanke kommt, das ich dich bestrafen lasse, solltest du jetzt besser verschwinden.“
Der Edelknabe verneigte sich und verschwand aus den Augen des Königs.
„Vater..“
Er konnte seinem Vater kein Wort entgegenbringen.
„Warum gönnt er es mir nicht einmal?“
Sein Leben bestimmte sich nur aus Gehorsam und Pflichten, doch Spaß hatte er nicht.
„Du wirst jetzt die Ankunft Sir Roberts abwarten. Ich dulde keine Zwischenfälle mehr“
Missmutig murmelte der Junge vor sich hin, während er sich artig zu seiner Mutter begab.
Sherborne, 12. Juli
Anna beobachte Jane seit jenem Tag mit besorgter Miene. Sie schien nicht mehr fröhlich, wie einst zu sein. Ihre natürliche Art, die sie früher Menschen näher gebracht hatte, war verschwunden. Es musste etwas passiert sein, was ihr Herz belastete. Die Novizin wollte nicht mit ihr darüber sprechen. Stattdessen geschah es, das sich das Mädchen in ihre Studien so sehr vertiefte, das sie die Realität zu vergessen schien.
Aber wie sollte sie ihr sagen, das man nach ihr verlangte? Jahrelang hatte sich ihr Vater mit Desinteresse um das Wohl seiner Tochter gekümmert. Aber jetzt mit einem Wimpernschlag änderte sich dies. Nun war sie für einige Tage wieder in ihr Heim gebeten worden. Man hatte dringliches mit ihr zu besprechen. Sie wollte Jane nicht alleine lassen.
Die Äbtissin würde ihr nicht die Erlaubnis erteilen Jane als Begleitung zu nehmen und ihr Vater würde ebenfalls nicht erfreut sein. Stumm näherte sich die Nonne Jane und wartete bis sie mit ihrer ersten Schrift zu Ende war.
„Nun ist das so korrekt?“ „dies ist das korrekte Wort Jane.. Es bedeutet Nun ist dies korrekt“
Das jüngere Mädchen blieb schweigsam und nickte. Die kastanienbraunen Augen beachteten die Arbeit, die niedergeschrieben wurde.
„Du machst schneller Fortschritte, als jede Novizin. Das was du jetzt beherrschst, hatte ich erst mit 10 Jahren erreicht.“
Dieses Lob würde ihr guttun, das hoffte sie. „Darf ich mich jetzt zurückziehen?“
Ihre Stimme klang so verletzt, fast schon weinerlich, wenn man mit seinem Ohr hin horchte.
„Nein Jane. Ich muss dir etwas berichten. In der Zeit als du fort warst, traf hier ein Bote meines Vaters ein. Er möchte eine Unterredung mit mir führen...
Aber ich möchte dich nicht alleine lassen...“
„Willst du mich jetzt auch im Stich lassen?“
Gequälte hellgrüne Augen, die nahe daran waren in Tränen auszubrechen, starrten sie an.
„Nein das werde ich nicht.. niemals werde ich das tun.. das verspreche ich dir...“
Mit diesen Worten legte sie ihr vorsichtig beide Hände sanft an die Wangen, die zu glühen schienen. „Ich werde nicht lange wegbleiben..“
Anna schloss ihre Augen und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Erleichtert lächelte Jane. Für einen schwankenden Moment hatte sie gedacht, das Gott sie ihr entreißen würde...
~
Das junge Mädchen hatte schweren Herzens Abschied von ihrer Lehrmeisterin genommen. Innerlich zerbrach sie immer mehr und mehr. Das kleine Mädchen hatte nicht vergessen, was ihr geschehen war. Warum kam ihr Vater nicht mehr? Warum durfte ihre Mutter nicht leben? Warum hasste ihre Ziehmutter sie so sehr?
Obwohl die letzte Frage konnte sie sich selbst durchaus beantworten. Einst hatte ihr Ziehvater ihre Mutter geliebt. Es durfte nicht sein.
Wie hatte sich ihr Vater gefühlt? Wusste er auch davon? War das der Grund gewesen, warum er England verlassen hatte? Ihr Kopf schwirrte von Fragen, die sie sich nicht stellen wollte. Als sie endlich ihre Kammer erreichte, blieb ihre Hand unbewusst auf dem Holz der Türe liegen. Sie wollte jetzt nicht schlafen. Sie wollte jetzt nicht in diesen engen Raum. Etwas begann sich in ihr zu regen. Ein Gefühl das sie schon lange vermisst hatte. Es war die Sehnsucht nach Freiheit. Als sie sich umgewandt hatte, eilten ihre Füße leise über den kühlen Steinboden.
Wenn man sie jetzt erwischen würde, dann würde die Bestrafung folgen. Vielleicht wollte sie dies auch. Denn dort hatte sie Maria.. Sie brauchte Halt.. einen Menschen an den sie sich klammern konnte.
„.....was denkt ihr?“
Hastig schob sie sich hinter eine Säule, die sie verbarg. Dem Gespräch wollte sie nicht lauschen, aber sie war dazu gezwungen.
“Wenn ihr mich fragt sollte Anna nicht in dieser Dunkelheit aufbrechen. Der Teufel in Männergestalt könnte nach ihr greifen“
Erschrocken weiteten sich ihre Augen, dabei legte sie ihre Hand auf ihre Lippen. War es wirklich so, das das Leben ihrer liebsten Freundin in Gefahr war? Aber was konnte sie jetzt für sie tun? Die Antwort folgte sofort auf dem Fuße. Es lag jetzt allein in Gottes Händen, das ihr nichts passierte. Also würde sie ein Gebet sprechen, worin sie um ihren Schutz betete.
Als sich die zwei Gestalten endlich entfernt hatten, schob sie sich aus ihrem Versteck und schlich den Kreuzgang der Kirche entlang. Drei Schritte zu ihrer linken Seite befand sich augenscheinlich eine steinerne Wand an dem ein Kreuz Jesus hing. Hier sollte ein Gang hinaus aus der Kirche und dem Kloster führen. Anna hatte ihr dieses Geheimnis anvertraut.
Doch durfte sie nur diesen Weg gehen, wenn das Leben aller durch einen Überfall oder ein Feuer in Gefahr war. Sollte sie ihr Versprechen brechen?
Jane sank auf den Boden, schlang ihre Arme um die Beine zog ihre Knie an sich, während ihr Kopf auf ihren Armen ruhte. Nein sie durfte ihrer Sehnsucht nicht nachgeben. Nicht wenn es um das Vertrauen zweier Menschen ging, die sich von Herzen liebten.
Schweren Herzens lies sie ihre Hände sinken, stütze sie auf und erhob sich wieder. Genauso wie sie hierher gelangt war, begab sie sich zurück in ihre Kammer. Langsam sank sie zu ihrem Nachtlager hinab und begann zu beten. Als ihre Lippen das Gebet formten, wurde es mit Sorge gesprochen. Am Ende des Gebetes sah sie ein letztes Mal durch das Gitterfenster zu den Sternen, während sie versuchte ihren Schlaf zu finden.
~
Vor ihren Augen konnte sie ihre Hand kaum erkennen. Es war schon gefährlich genug, da sie als Nonne mit nur einer Wache zu Pferde ritt. Was war so dringlich gewesen das nicht bis auf den nächsten Tag hätte warten können? Selbst der Reiter, der zu ihrem Schutze diente, gab ihr keine Antworten. Es wäre weitaus klüger am Tage zu reisen.
Das Tier vor ihr hielt an und die Hand des Mannes ergriff ihre Hand. Was für ein unangenehmes Gefühl es war, mochte sie nicht erkennen lassen.
„Wir haben es nicht mehr weit zum Lager. Dort werden Ritter eures Vaters uns erwarten. Fürs erste dürftet ihr dann in Sicherheit sein“
„Warum habt ihr dies nicht schon etwas früher erwähnt?“
Im leisen Tone flüsterte er.
„Es wäre gefährlich gewesen auch nur ein Wort zu erwähnen. Überall gibt es Augen und Ohren...“ Jetzt schien die Sache noch interessanter zu werden. Wurde womöglich eine Intrige geplant? Wenn ja welche Rolle hatte sie darin zu spielen? Wie stark würde sie ihr Leben in Gefahr bringen? Etwas zischte an ihnen vorbei, das Anna so sehr erschreckte, das sie fast vom Pferde fiel.
„Habt keine Angst.. Seht selbst“ Er zog an den Zügeln des Tieres und preschte vorwärts. Tatsächlich hatte er nicht gelogen. Denn drei schwerbewaffnete Männer ritten ihnen entgegen und nahmen sie in Empfang.
„My Lady würdet ihr uns folgen?“ Anna hob ihren Blick.
Diese Stimme... Sie kam ihr so furchtbar vertraut vor.
„Nun wenn es euch genehm ist mir den Weg zu zeigen, sodass ich was erblicken kann, folge ich euch gerne“
„John.. nehmt sie an die Zügel.. My Lady vertraut eurem Führer. Er wird euch sicher geleiten.“
Wie es aussah ging es wohl nicht anders. Auf der linken und der rechten Seite, nahmen zwei Reiter ihre Stellungen ein. Der dritte Reiter hingegen, blieb hinter hier. John, der noch immer ihre Zügel festhielt, zog daran und das Tier trappte vorwärts. Selbst als man sie in ein Kloster brachte, hatte sich ihr Vater nicht solch eine Bemühung auf sich genommen. Und das bereitete ihr ein Unbehagen, das Übelkeit ihren Körper durchkroch.
„Ist alles in Ordnung mit euch?“
Sie wollte ihre Hand zum Zeichen erheben, das sie missgelaunt war, doch sofort wurde ihr wieder klar keiner konnte etwas sehen. Aber wie um Himmels Willen wussten sie den Weg?
„Nein.... was denkt ihr? Ich werde inmitten der Nacht gezwungen, das sichere Haus Gottes zu verlassen. Keiner nennt einen Grund, der achtenswert wäre. Und haltet mich nicht für dumm... Etwas ist hier im Gange, wobei mir mein Gefühl verrät, das es hier nicht um die Zuneigung meines Vaters geht, sondern um etwas viel Gefährlicheres“
Stille.. Es kam keine Antwort. Genau das bestätigte nur noch mehr ihre Vermutung.
Belagerung Shrewsbury, 27. August
Erfolgreich seit Tagen belagerte Stephan die Burg Gloucesters. Die Bewohner hielten sich tapfer, aber langsam ging ihr Wille verloren. Es würde nur noch eine Frage der Zeit sein, bis sie aufgaben. „Gibt es schon irgendwelche Neuigkeiten Sir Robert?“
Verneinend schüttelte der Ritter seinen Kopf. Ihm war es gelungen heil und sicher mit Elen den Banditen zu entwischen. Des Königs Unmut bekam er trotz allem zu spüren.
„FitzAlan zeigt sich nicht einsichtig und lies letzte Nacht den Schlachtruf erscheinen und ich zitiere Wir werden uns niemals ergeben, dafür möget Ihr in der Hölle schmoren“
Über die Lippen Stephans kam ein grausames Lächeln.
„Ihm wird sein Lachen noch vergehen. Verstärkt den Angriff. Niemand wird verschont, wenn er sich nicht ergibt und weiterhin die Treue Mauds schwört.“
Innerlich konnte Robert selbst die Schlinge um seinen Hals spüren. Ihm wurde sofort klar, wenn er auch nur eine einzelne Sekunde daran zweifeln würde, hätte er ihn eiskalt hinrichten lassen. Wie lange würde es noch dauern, bis er dahinter kam?
~
Der Ritter verlies das Zelt des Königs und betrachtete die Soldaten, die hastig durch das Lager eilten. In einigen der Gesichter zeichnete sich Unmut. In den anderen Gesichtern zeigte sich der Eifer des Kampfes und welche Freude sie schon auf ihre Beute hatten.
„Verzeiht, dürfte ich Euch für einen Moment sprechen?“
Es war einer des Königs treusten Mannen. Mehr als nur einmal hatte er sich im Kampfe erwiesen. „Der Sturm wird nicht enden, aber ein drittel der Soldaten hat den Weg zu Gott gefunden. Wenn das..“
„Ihr braucht Euch nicht zu fürchten. Gott ist auf unserer Seite. Lange werden sie nicht standhalten. Ihr müsstet besser wissen als ich, das sie schon mehrere Anzeichen der Schwächen gezeigt haben.“ Die Antwort schien ihm aber nicht zu erfreuen. Tatsächlich gab es unter den Kämpfern immer noch Zweifler. Etwas erzürnt musterte er ihn, ehe er wieder sprach.
„Was in Gottes Namen sucht Ihr dann hier? Was hattet Ihr von einer Belagerung erwartet? Das hier ist kein Platz für Feiglinge“
Er verabscheute es, wenn Männer ihren Schwanz auf dem Schlachtfelde einzogen.
„Was werden den Eure Männer von Euch halten und ganz besonders seine Majestät?“
Empört starrte er Robert an.
„Das werde ich mir nicht bieten lassen...“
Wütend stampfte er zu dem Zelte des Königs und pochte auf Einlass, der ihm gewährt wurde. Der Ritter wollte sich schon seine Rechtfertigung zurecht legen, als ein Reiter auf ihn zu stürmte.
„Es ist vollbracht. Shrewsbury hat sich ergeben.“ brüllte er aus vollsten Halse.
Hastig zog er an seinen Zügeln und brachte das Tier in letzter Sekunde unter Kontrolle. Seine Stimme wurde nun etwas leiser, doch die Freude war aus ihr nicht gewichen
„Würdet Ihr mich zu seiner Majestät vorlassen? Es gibt noch etwas, was er dringlich erfahren sollte.“
Der Bote sprang vom Pferde und folgte Sir Robert unaufgefordert in das Zelt. Wütend wandte sich Stephan um und war zuerst Recht sprachlos.
„Was zum Teufel hat Euch geritten?“
Im selben Moment bekreuzigte er sich.
„Es ist nicht Euer Recht, einen Edelmann so derart zu beleidigen“
Schweigen.... Stille..
„Was wollt Ihr überhaupt hier ungebeten?“
„Eure Majestät es gibt wichtige Neuigkeiten, die Ihr hören solltet“
Dabei lies er dem Soldat den Vorrang. Als er geendet hatte, war der Zorn, der in seinen Augen bereits entbrannt war, noch mehr entfacht. William F'itzAlan der Feigling war geflohen.
„Was ist mit dem Rest der treuen Schar von Kaiserin Maud?“
„Sie verweigern Euch weiterhin die Loyaliät die Euch zustehen würde“
„Also gut dann werden wir sie eines besseren belehren. Richtet sie allesamt hin und schickt sie in die Hölle. Bereitet ihnen einen langsamen qualvollen Tod. Sie sollen leiden...“
Roberts Gesicht erbleichte vor Entsetzen. Er zeigte kein Erbarmen und keine Gnade. Niemals durfte er erfahren, auf welcher Seite er wirklich stand.
„Und Ihr Sir Robert sorgt dafür“
Kühl aber insgeheim mit einem triumphalen Lächeln schritt der König aus seinem Zelt, steig auf sein Streitross und gab zugleich die Flanke.
„Macht die Bannerträger bereit“ Ertönte es durch das ganze Lager, das sich inzwischen schon in hellster Aufruhr befand. Die getreuen Männer würden ihre Beute bekommen und er hatte einen strategischen Sieg errungen.
Überall wo man hinblickte befanden sich Leichen, die zuvor schon über die Mauer geworfen wurden. Robert verzog angeekelt seine Miene. Es war mehr der Geruch, als der Anblick der Toten selbst, der das Grauen in ihm aufbegeherte. Jetzt war es an ihm die Getreuen Versallen Kaiserin Mauds zu richten. Gott möge ihm vergeben und vor allem seine Herrin.
Er zog die Zügeln, fuhr mit seinen Füßen in die Steigbügel und gab seinem Pferd die Sporen. „Michael, William folgt mir.. Wir haben einen Auftrag des Königs zu erledigen“
Mit einem Handwink waren seine besten Männer, die die Kunst des Folterns und des Tötens wie niemand anderer beherrschte an seiner Seite. Er wollte sie nicht gegen seine Leute einsetzten. Aber man lies ihn keine Wahl. Mit einer Schar Männer ritt er durch die Tore, die der König längst durch ritten hatte. Die Gesichter der Menschen waren noch immer voller Angst, Panik und Hass.
Sein Mitleid in seinen Augen schien sie noch zorniger zu machen. Tagelang mussten sie hungern oder ertragen was mit ihren Leuten passierte. Heute würden sie ihn noch mehr hassen. An dem Eingang der Burg warteten zwei königlichen Ritter die das vollste Vertrauen des Königs genossen. Missgelaunt steig er von seiner Stute herab, während einer der Männer auf ihn zu ging. Augenblicklich senkte er seinen Kopf, als er hörte was er zu tun hatte. Stephan hatte anscheinend kein Mitleid. Nicht im geringsten. Aber von strategsichen Standpunkt war es besser seinen Feinden das Garaus zu machen. Sie sollten also alle an den Mauern hängen und ihre Gedärme sollten aus ihren Körpern quellen.
Er verstand es also in der Tat ein Exempel zu statuieren. Sofort gab er den Auftrag an seine Männer weiter, die sich an diese schmutzige zugleich wiederwertige Arbeit machten. Die Menschen die vor seinen Augen herangeschleift wurden, brachen ihm beinahe das Herz. Sie hatten für ihre Sache gekämpft und dann wurden sie auch noch im Stich gelassen. An den Mauern angelangt wurden ihnen die Bauchhölen durchtrennt.
Mit einem Ruck einfach hinabgestossen. Ihre Scherzenssreiche druchdrangen sein Ohr. Selten gab es etwas, was ihm so schwer fiel. Immer und immer wieder geschah das Gleiche. Die Leichen baumelten mit entsetzten Ausdruck an den Mauern. Jeder sollte sehen was mit Verrätern geschah.
„Was für ein Vergnügen..“ gurgelte aus Jacks Kehle.
Der Beutezug war reich gewesen und es schien ihm wie eine Fügung des Schicksals. In ihm währte der Friede oder war es Genugtuung? Oder gar Beides? Ihm war es gleich, als er seinen genüsslich Bierkrug leerte.
„Na meine Süße?“
Er klopfte auf den Hinterteil einer vorbeigehenden etwas leibesgefüllten Frau. Er packte sie am Arm und zog sie fest zu sich. Sie verzog widerwillig ihre Miene, doch sein Griff war so fest das der Schmerz sich abzeichnete. Sie würde keine Wahl haben und wenn er sie erst in seinem Bette hatte, würde er ihr Leben aushauchen.
„Ihr solltet lieber Eure Finger von ihr lassen“
Schnell ergriff er die Hand des Mannes, zog ihn zu sich und hielt ihm den Dolch an seine Kehle. „Wenn Ihr weiter leben wollt, dann verschwindet“
Der Soldat entwand sich seinem Griff und lies das Spiel eine Kehrtwende nehmen.
„Ihr mögt zwar ein Söldner sein, aber Ihr seid nichts weiter als ein gemeiner Bandit. Und wenn Ihr nicht das gleiche Schicksal erleiden wollt, wie diese elenden Verräter, dann schweigt.“
Es war nicht seine Art gewesen, sich derart reizen zu lassen. Aber diesmal hatte er keine Wahl. Gefrustet erhob er sich von seinem Stuhl im Gewissen, das seine reizende Beute heute einen anderen Mann gehörte. Seine Kumpanen hatten sich andernorts vergnügt und gönnten sich ihren Spaß. Ohne ihnen würde die Überwältigung dieses königlichen Soldaten ohne Aufssehen unmöglich sein.
Hinter ihm konnte er noch das Gelächter, der Männer hören. Sie pfiffen und johlten, das ihnen ihre Stimme am nächsten Morgen versagen würde. Schlendernd ging er durch die engen Gassen, mit dem Gedanken, das er dies nicht auf sich beruhen lies. Übelkeit kroch seinem Halse entlang, als der Gestank des Verwesens nicht mehr ertrug.
Er hatte Menschen getötet. Ihnen den Schädel eingeschlagen, ihnen einen Schwert in den Magen gerammt, sie gehängt oder gar Schlimmeres. Aber jetzt war es ihm sprichwörtlich zuwider. Sehnsucht... Sehnsucht nach dem Meer zeichnete sich in seinem Herzen ab.
War es in der Tat ein Fehler gewesen der See den Rücken zu kehren?
„Weibsstück nach all den Jahren greifst du immer noch gierig mit deinen Händen nach meiner Seele“
Erbost über diesen Einfluss zog er seine Waffe und rammte sie in die nächstgelegene Holztüre. Er schlug so fest zu, das sie mit einem Satz geöffnet wurde. Seine Augen weiteten sich, als er vor sich einen Jungen sah, der verzweifelt versuchte seine schwerverletzte Mutter zu umsorgen. Sie sah noch jung aus, sogar etwas hübscher, als seine vorherige Beute. Aber sie lag im Sterben. Es würde ihm kein Vergnügen bereiten, sich an einer Frau zu vergreifen, die bald ihr Leben verwirkt hatte, wenn es nicht durch die eigene Hand geschah.
Achselzuckend schloss er die Tür hinter sich. Aber sie ging nicht zu, also versuchte er es ein zweites mal. Diesmal etwas heftiger als zuvor. Ein Schmerzensschrei erreichte sein Ohr. Als er sich um wandte, blickte er in zwei gefährliche blitzende Augen, die mit dem Feuer der Rache entzündet worden waren.
„Nehmt mich mit.. Ich will mich an diesen Bastarden rächen..“
Jack packte den Jungen am Hals, während er ihn an die Wand presste.
„Und wer sagt das ich dich nicht töten werde für deine verräterischen Worte?“
Weder Angst, Blässe oder Panik konnte er erkennen. Er lockerte seinen Griff und der Körper des Kindes sank hinab.
„Was wenn ich ein Soldat im königlichen Dienste wäre, die du so sehr verachtest?“
Trotzig und etwas heißer entgegnete er „Ihr seht nicht wie einer von ihnen aus. Eher wie jemand, der sich nimmt was ihm begehrt und das ohne Skrupel. Ihr habt keine Ehre im Leib und würdet eure eigene Mutter töten.... aus diesem Grund vermute ich das Ihr kein Mann im königlichen Dienste seid“
„Junge selbst Diener der Krone können skrupellos sein und keine Ehre im Leib besitzen... Aber gut ich werde es tun. Du wirst von heute an, das tun was ich dir sage und wenn ich es dir sage. Ich dulde keine Wiederworte noch Ungehorsam. Du wirst deinen Rachemoment bekommen, wenn es soweit ist. Bis dahin musst du deiner Heimat Lebewohl sagen. Und noch etwas. Zwei Gefährten geleiten mich meines Weges. Auch ihnen wirst du dich unterordnen. Wie ist dein Name?“
Als der Junge seine Worte gefunden hatte setze er fort „Henry.. Sighton...“
„Nun gut Henry ab heute ist dein Name Tom“
Dorchester, 4. September
Peter war die Flucht aus diesem elenden Schiff gelungen. Während die Wachen versäumten ihren Dienst zu tun, befreite er sich von seinen Fesseln. Als sie ihm die Speise brachten, überwältige er sie und tötete sie mit seiner Verzweiflung, die ihm am Leben erhielt.
Wochenlang war auf Abwegen der Straßen im Walde unterwegs. Ständig verwischte er seine Spuren gekonnt. Es würde nicht mehr lange dauern und er würde sein altes Heim wieder sehen. Wie lang hatte er sich nach seiner Gemahlin gesehnt und wie sehr sehnte sich sein Herz nach seiner Tochter Jane.
Auch wenn er sie nicht gezeugt hatte, so fühlte er sich als ihr Vater. Aber sein Aussehen würde beide zutiefst erschrecken. Also was tun? Die einzige Wahl war wohl Arbeit. Es würde nur die Zeit verzögern und Jack konnte seine Familie etwas früher erreichen. Er musste es anders versuchen. Die Wolken begannen über ihm zu brechen, während der Regen sich seinen Weg auf die Erde hinab bahnte. An seinen knochigen Füßen heftete Schlamm und seine Hände froren, als hätte Frost seinen Körper übermannt.
Er musste sich so schnell wie möglich einen Unterschlupf suchen, der ihn diese Nacht überstehen lies. Es war nur noch eine halbe Tagesreise nach Dorchester. Dort würde er sich schnell Geld aneignen. Auch wenn es nicht seiner Art entsprach. Seufzend schob er einen Ast zur Seite, der ihm die Sicht nahm. Stück für Stück wurde abgesucht, aber kein geeigneter Unterschlupf war zu entdecken.
Und sich bei einem Unwetter unter einem Baum aufhalten, war nicht sehr erfreulich, wenn nicht sogar tödlich. Völlig seinen Kräften verloren, ging er in die Hocke und blickte in den grauen Himmel. Die Wassertropfen prasselten auf seine Augenlider, rann seine Nase hinab und fing es mit seiner Zunge auf, während er es schluckte. Es schmeckte weitaus besser, als das was er in den letzten Tagen in seinen Gaumen bekam. Die Nacht würde Ewigkeiten dauern, aber was war schon diese kleine Ewigkeit, wenn er nach Jahren heimgekehrt war?
~
Als der Tag seinen Anbruch nahm, öffnete er seine Augen. Die Vögel zwitscherten mit einem klaren Gesang den tiefblauen Himmel entgegen. Vielleicht war dies ein gutes Zeichen. In seinem Herzen hoffte er es zutiefst.
„Jane.. Sybilla bald bin ich bei euch.. bald... schon sehr bald..“
Mit etwas mehr Mut gefasst erhob er sich von seinem Schlaflager, über das Gott wohl seine Hand gehalten hatte. Denn der Blitzschlag hatte ihn nicht ereilt. Vorsichtig rieb er sich die Hände und hauchte seinen warmen Atem aus. Die nebelartigen Wölkchen die aus seiner Lunge entglitten, stiegen in die Luft empor. Wärmer war es wohl nicht geworden. Es schien eher, als würde es trotz Sonnenschein die Kälte herrschen. Peter musste seinen Weg fortsetzen.
Die Zeit wurde knapp. In einem leisen Gebet flehte er den Herrn des heiligen Geistes an, das ihnen nichts geschehen würde. Äste knirschten unter seinen Füßen, der Wind nahm ihm jeglichen Atem. Beinah war es so als würde eine größere Macht ihn mit aller Gewalt daran hindern wollen vorwärts zu kommen. Der schwer gezeichnete Mann würde es sich nicht bieten lassen, seinen Weg weiterhin beschreiten zu dürfen. Dem Weg endlich aus dem Wald entflohen, richtete er seine Augen auf die Stadt die vor ihm lag. Er musste es tun, er hatte keine Wahl. Er brauchte es.. sie durften ihn nicht so wiedersehen. Niemals..
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Die Wachen wollen ihm zuerst keinen Einlass gewähren, da er als ein schäbiger Bettler erschien. Er setzte sein Geschick seiner Überredungskunst bei einem Mönch ein. Dankend nahm er seine Hilfe an und als Gegenleistung wurde ihm Brot und ein Nachtplatz gewährt. Ihm lag es nicht daran einen Mann Gottes zu berauben, deshalb verabschiedete er sich von seinem Gönner und durchstreifte die Stadt. Die Menschen betrachten ihn eher mit missgünstiger Herablassung. Sie hielten sich für etwas Höheres, als er es selbst war. Doch jeder von ihnen war ein Mensch wie er. Er wollte einen weiteren Schritt wagen, als er zurückschreckte. Eine Kutsche schmettere ihn aus seinen Gedanken. Kurz konnte er einen Blick erhaschen. Der Atem blieb ihn stehen.. Das konnte unmöglich wahr sein. Dieses Mädchen konnte nicht seine Jane sein. Sie war wie eine adelige Dame gekleidet und auch ihre Ausstrahlung war nicht dieselbe. Konnte es wahrhaft möglich sein, das einen Menschen gab, der ihr so sehr ähnelte? Oder war das gerade ein Trugbild gewesen? Oder wollte Gott mit ihm ein Spielchen spielen das er noch nicht verstand.
Hause Featherstone, 29. September
Lucas musste erkennen, das seit Jane das Haus verlassen hatte, das sein Vater ein gebrochener Mann geworden war. Äußerlich strahlte er, doch innerlich starb er Tag für Tag. Mit jeder Faser seines Herzen versuchte er seinen Vater wieder zurück in das Leben zu bringen. Es gelang ihm nicht.
Egal wie sehr er sich Mühe gab. Eines kühlen Herbstabends wollte er mit ihm eine Unterredung führen. Also klopfte er seine Tür und trat ein.
„Was gibt es den Lucas?“
Etwas ängstlich sah er seinen Vater an.
„Verzeiht mir.. ich mag noch etwas jung sein, aber meine Augen erblicken Euren Kummer.“
Er betrachtete seinen Sohn mit einem merkwürdig Ausdruck.
„Dein Blick ist nicht getrübt mein Sohn. Du hast recht für deine kurzen Jahre seit dem du auf Erden wandelst bist du äußerst klug.“
Er strahlte seinen Vater mit einer freudiger Miene an.
„Es wird Zeit, das ich mich darum kümmere. Ich habe eine Botschaft erhalten, indem deine Anwesenheit erbeten wird und dem wirst du Folge leisten“
Er konnte es nicht glauben. War das alles gewesen? Warum wollte er ihn nicht bei sich haben? „Aber Vater.. warum?“
Kühl wandte er sich von seinem Sohn ab.
„Es tut mir leid das du es nicht schon früher erfahren hast, aber deine Mutter wollte dich verschonen...“
„Ich hasse Euch.. hasse Euch.. Ihr habt nur noch diese Jane in Eurem Kopf. Eines Tages werdet Ihr es begreifen, doch dann ist es zu spät.. Ihr werdet Eure Familie verlieren..“
Wütend stampfte der Zehnjährige aus dem Raum.
„Jetzt hasst du mich sogar....“
James sank mutlos in seinen Stuhl. Er wurde für die Liebe zu einer Frau bestraft, die längst nicht mehr lebte und jetzt war es soweit, das er die Liebe seiner Familie verlor.
~
„Mutter wir müssen etwas tun... es ist so ungerecht..“
Seine Worte und seine Stimme waren weinerlich gebrochen.
„Was hast du den Lucas?“
„Habt Ihr es nicht bemerkt. Vater verändert sich... es ist so als hätte Gott ihn schon zu sich genommen“
Katharina war erstaunt, denn ihr war es keine Sekunde lang aufgefallen.
„Du täuscht dich mein Sohn, deinem Vater geht es gut. Besser als jemals zuvor...“
Dabei entfläuchte ihr ein Lächeln, das der Junge nicht verstand. Jetzt reichte es ihm. War sie so blind gewesen?
Enttäuscht suchte der Junge das Weite. An der frischen Luft angekommen, ging er zu Cäsar, der schnaubend im Stall mit seiner Hufe scharte. Es tat ihm wohl ihm seine Geheimnisse und Sehnsüchte preis zu geben. Er öffnete die Stalltüre, schloss sie hinter sich und legte sanft seine Hand auf die Nüstern des Hengstes.
„Meine Eltern sind so... ach du weißt schon was ich meine nicht wahr mein Großer?“
So als hätte ihn das Tier verstanden, wieherte es auf.
„Vater scheint das Leben zu verlassen und Mutter ist so sehr geblendet, das sie nicht erkennt was mit ihm geschieht... ich begreife es nicht..“
Stumme Tränen der Verzweiflung griffen nach ihm. Er durfte einfach nicht nachgeben. Warum musste dieses Mädchen nur in das Leben seiner Familie treten? Warum war sie überhaupt geboren worden? Sie allein trug die Schuld, das alles was er liebte, zerstört wurde.
„Was meinst du wohin wird Vater mich wohl schicken? Bestimmt nicht ins Kloster. Da ist ja dieses..“
Er fand keine Worte hierfür.
„Ich bin ja sein einziger Sohn... also wohin bloß? Sollte ich nicht hier bleiben? Wäre das nicht besser? Du weißt es auch nicht nicht wahr?“
Stutzig neigte Cäsar seinen Kopf und sah in fragend an. In ihm erwachte eine plötzliche gefährliche Neugier. Adelbert war weit und breit nicht zu sehen. Das konnte wohl die einzige Möglichkeit sein, es zu riskieren. Schon oft genug hatte er dem Stallmeister geholfen, das Tier zu satteln. Hastig sattelte er das Pferd, öffnete sämtliche Türen und schwang sich mit Mühe auf. Seine Füße waren etwas zu kurz. Doch das hinderte ihn nicht. So wie er es bei seinem Vater gesehen hatte, zog er an den Zügeln und trat leicht in die Seiten.
Cäsar bäumte sich auf und preschte mit vollem Galopp aus den Stall und über den Hof. In ihm konnte er seine Aufregung spüren. Jede Angst und jede Sorge war vergessen. Ihm war es gleich ob er bestraft werden würde, für das was er hier tat.
Er schloss seine Augen, breitete seine Arme aus und sog nach Luft. Es war befreiend. Aber auf den befreienden Moment folgte ein böses Erwachen. Der Junge war im Begriff wieder seine Augen zu öffnen und nach den Zügeln zu greifen. Es gelang ihm nicht, den im selben Augenblick des Momentes schleuderte es ihm vom Pferde.
Alles drehte sich vor seinen Augen im Kreise. Der kindliche Körper schlug auf den Boden auf, während er von einem furchtbaren Schmerzgefühl erfasst wurde. Seine Augen weiteten sich, er rang nach Luft... während der Schmerz die Flucht ergriff und stattdessen ein seltsames taubes Gefühl die Oberhand gewann. Er versuchte wieder Herr über seines eigenen Körper zu werden. Es gelang ihn aber nicht. Sobald er etwas tat, machte sich Übelkeit und Schwindel bemerkbar. Er konnte also nichts tun, als hier zu liegen und auf Erlösung zu warten.
„Du bist mir ja ein schöner Gott....“ entglitt es seinen Lippen, während es dunkel vor seinen Augen wurde..
~
Nie hatte er diesen Anblick seines augenscheinlich leblosen Sohnes vergessen. Es war etwas, was ihn wieder erinnern lies, das dieses Kind ihm etwas bedeutete. Vielleicht sogar mehr, als seine Gemahlin und seine Töchter. Es mochte in den Augen anderer Menschen nicht gerecht sein. Aber jeder der sagte, er würde seinen Kinder gleichermaßen lieben, der log.
Jahrelang hatte er dies sich eingeredet, aber jetzt erkannte er es, das es nicht möglich war. Sanft legte er auf die Stirn seines Sohnes seine Hand. Lucas fühlte sich so kühl an.. Gott durfte ihn noch nicht gehen lassen. Nicht jetzt. Sollte er sich doch gedulden.
Hier ging es um das Leben seines Kindes.
„Papa...“ Die blauen Augen öffneten sich. „du bist ja da... ich hab schon sooo große Angst.. gehabt.. alles war so dunkel.. so alleine...“
Seine Hand glitt über die Wange, die sofort die kindliche kraftlose Hand ergriff.
„Du wirst nie alleine sein.. niemals verstehst du mich?“
Als Zeichen, das er es verstanden hatte, lächelte sein Sohn schwächlich.
„Danke...“
Seine Stimme wurde leiser ehe er wieder in einen tiefen Schlaf sank. Er konnte und wollte ihn jetzt nicht eine Sekunde mehr aus den Augen lassen. Das Schicksal, was seinem Sohn bevorstand, konnte noch warten. Solang er ein Kind war, würde er ihn Kind sein lassen. Erziehung hin oder her. „Ist er schon wach?“
Eleonore stand hinter ihm. Wann war sie eingetreten? Er wusste es nicht.
„Ich weiß nicht was für ein Teufel ihn geritten hat das zu tun.. Sag kleine Elli hasst du mich den auch so sehr..?“
Sie betrachtete ihren Vater, legte ihre Arme um seine Schultern und flüsterte ihm in sein Ohr.
„Wie könnte ich dich hassen? Du hast uns immer alles gegeben, wonach es uns verlangt hat.“
Sie hatte es also auch nicht gesehen, was sein Junge schnell durchschaut hatte.
"Unten wartet jemand auf Euch und beharrt Euch zu sehen"
„Ich danke dir mein Kind. Ich komme gleich und würdest du deiner Mutter bitte sagen, das es ihrem Sohn langsam besser geht?“
Die junge Frau nickte.
„Das werde ich Vater.. es wird ihr bestimmt wieder Hoffnung geben.“
Kleine Ortschaft, Küste Englands, 12. Oktober
Cathy sah ihren kleinen munteren Sprössling an, der quietschvergnügt gurgelnd Geräusche von sich gab. Mit Kräften ballte er seine kleinen Fäustchen und steckte seinen Daumen in den Mund. Vor fünf Monaten hatte er das Licht der Welt erblickt. Seinen Vater kümmerte es wenig, denn er schloss sich dem Belagerungstrupp Stephans an., während sie sich alleine mit dem Neugeborenen herumschlug. Gedankenversunken schritt sie zu der Wiege, hob ihren kleinen Sohn aus seinem Bettchen und nahm ihn in den Arm, während er ein Bäuerchen von sich gab. Eines Tages würde ihr Sohn einen Vater brauchen. Denn es gab Dinge im Leben eines Mannes, die sie ihm nicht beibringen konnte.
Das kleine Fäustchen packte nun nach einer ihrer Haarsträhnen. Er zog so fest daran, das es schmerzte.
„Na kleiner Henry du scheinst ja jetzt schon voller Tatendrang zu sein. Aber weißt du, deine Mama muss jetzt gehen, sonst gibt es nichts für uns zu essen. Lynn wird sich um dich kümmern, bis ich wieder da bin. In Ordnung?“
Dem Kleinen schien es aber nicht zu gefallen, den nun brüllte er aus vollstem Halse.
„Ist ja schon gut. Mama wird bald wieder da sein“
Leise summte sie ihm ein altes Wiegenlied vor, das ihn beruhigte. Mit größter Vorsicht bedacht, legte sie ihr Kind wieder zurück in die Wiege. Sie wusste sie konnte ihren kleinen Schwester Lynn vertrauen. Eines Tages sollte sie einen anständigen Gemahl für sich finden, nicht so einen Taugenichts wie sie ihn hatte. Damals war er eine gute Partie gewesen. Sein Talent Dinge zu verschleiern waren sehr stark ausgeprägt und somit zeigte er nicht in den ersten Tagen der Begegnungen sein wahres Gesicht.
Nach der Heirat offenbarte er sein wahres Wesen. Er trank, hurte und quälte schwächere Menschen. Cathy hatte große Hoffnung, das ihr Sohn Henry einen edleren Charakter entwickeln würde.
„Nun Lynn ich hoffe du kümmerst dich gut um deinen Neffen. Wir sehen uns später“
„Das werde ich. Du kannst dich auf mich verlassen.“
Sie gab ihr ein Küsschen auf die Wange, als sie sich von ihrer Schwester verabschiedete.
~
Lynn konnte es kaum noch abwarten, bis ihre ältere Schwester das Haus verlassen hatte. Sie hatte heute noch etwas vor. Und da konnte sie den kleinen Henry nicht gebrauchen. Wie würde es den aussehen, wenn ein junges unverheiratetes Mädchen mit einem Neugeborenen durch die Straßen spazierte?
Sie war noch nicht an jemanden versprochen, aber sie wollte das ändern. Vor kurzem hatte sie einen jungen Mann kennen gelernt. Er war in den Augen der Menschen ein mittelloser Künstler. Doch sie störte es kaum. Tief atmend blickte sie sich an und richtete sich zurecht. So konnte sie sich sehen lassen. Das Mädchen sah noch nach dem kleinen Jungen, der seine Augen bereits geschlossen hatte. Was konnte denn schon passieren, wenn er schlief. Sie wusste sie würde sich beeilen. Lange konnte sie ihn ja doch nicht alleine lassen. Hastig schob sie den Riegel vor die Türe und lief eilig den Landweg hinab.
„Da ist ja meine reizende Schönheit“
„Christopher..“
Er sah so gut aus und war so charmant.
„Ich habe den ganzen Tag auf dich gewartet. Was hat den so lange gedauert?“
„Nunja ich musste abwarten bis meine Schwester aufgebrochen war. Du weißt ja sie arbeitet auf der Burg Sherington. Da kann ich nicht einfach so verschwinden. Aber jetzt bin ich ja da“ Er packte sie am Armgelenk und zog sie mit sich.
„Eigentlich sollte eine Dame sich mehr umwerben lassen und sich nicht gleich dem nächst besten anbieten. Das ist ja das reinste Kinderspiel“
fügte er in seinen Gedanken hinzu.
Der junge Mann hatte schnell entdeckt, das sie ein naives Vögelchen war. Aber Lynn bemerkte keine Sekunde was er im Schilde führte. Sie fühlte sich in seiner Gegenwart sich selig und schwindelig. Es pochte- ihr Herz- und zwar so laut, das sie Angst hatte, es würde alles verraten. Er flüsterte ihr etwas ins Ohr, das sie erröten lies. Sie hatte jedes Wort verstanden und heute war es soweit. Heute würde sie erfahren, wie es war sich mit einem Mann zu lieben und dann würden sie heiraten. Das hatte er ihr versprochen.
Endlich an einer entlegenen Hütte angekommen, schoben sich zwei liebende Gestalten in die Behausung. Lynn sah sich um und wagte jetzt kaum noch zu atmen. Sie spürte wie seine Lippen an ihrem Hals berührten, während seine Hände unter ihren Rock glitten. Seufzend warf sie ihren Kopf in den Nacken und keuchte dabei leise auf. Ehe sie es begriffen hatte, war es auch schon passiert. Sehnsüchtig vergrub sie ihre Hände in seinen Rücken und genoss jede einzelne Minute ihres verlangenden Körpers...
~
Peter hatte das Bild des unbekannten Mädchens nicht vergessen. Es hatte sich in seinen Erinnerungen vergraben und würde so schnell nicht wieder verschwinden. Immer wieder redete er sich ein, das es aufkeinenfall Jane sein konnte. Was ihn nun erwartete, war eine etwas schwierigere Situation, die ihn erschrecken würde.
Er hatte Cathy Jane anvertraut, damit seine kleine Tochter nicht alleine war. Denn es war unmöglich, das sich ein Kleinkind um seine schwerkranke Mutter kümmern konnte. Sein Puls beschleunigte sich, als er immer näher seiner alten Heimat kam. Schon am Ende und von Hunger verzerrt, sah er das Haus Cathys. Wie sehr mochte sie sich verändert haben? Und wie war wohl ihr Taugenichts von Gemahl?
Hatte er sich endlich gebessert oder war er immer noch dieser ungehobelte Säufer? Endlich hatte er den langen Weg erklommen. Mit seinen Kräften war er völlig am Ende und sein ausgezehrter Körper nagte schon am Hunger. Es musste noch ausreichen, bis er an die Türe gelangte und klopfte.
Niemand öffnete. Er spitze seinen Ohren. Da schien ein Kind aus Leibeskräften zu brüllen. Also musste doch jemand hier sein. Er versuchte es ein zweites Mal. Aber auch jetzt öffnete ihm niemand. Nichts war zu hören, außer der Schreien eines Kindes.
Hatte Cathy ihr Kind denn etwa allein gelassen? Das würde er ihr niemals zutrauen. Was war mit Lynn? Kümmerte sie sich um nichts? Oder war sie schon verheiratet und aus dem Hause? Langsam begannen seinen Sinne zu schwinden. Aber seine Ohnmacht sollte nach seinen Maßstäben nicht lange währen. Denn es kam ihm so vor als hätte er nur eine Minute die Augen geschlossen, als er sie schon wieder geöffnet hatte.
Der Tag war zuneige gegeangen, als sich eine Frauengestalt am Horizont näherte. Er versuchte sich zu erheben, doch er konnte es nicht. Sein Blick war getrübt und verschwommen, als er eine Stimme in sein Ohr dringen hörte.
„Peter um Himmels Willen...“
Zwei Hände griffen unter seine Achseln und zogen ihn hoch. Schwer keuchend legte er seinen Arm um ihre Schulter und versuchte schwankend mit beiden Beinen vorwärts zu kommen.
„Was ist denn passiert? Du siehst ja hundeelend aus“
Er schluckte und versuchte ihr irgendwas zu deuten. Cathy folgte seinem Blick und konnte nichts sehen oder hören. Und das schlug in ihr Alarm. Kein Geräusch und keine fröhliche Lynn die durch die Gänge des Hauses wirbelte. Vorsichtig entriegelte sie die Türe, während sie Peter noch stütze. Mit einem kräftigen Tritt, trat sie gegen die Türe und diese öffnete sich.
Dunkelheit erfüllte das gesamte Gemäuer, wo eigentlich Helligkeit herrschen sollte. Furcht und Panik ergriff ihr Herz. Sachte lehnte sie den kraftlosen Mann gegen die Wand und er sank zu Boden. Ohne jetzt auch nur einen Gedanken zu verschwenden stürmte sie in das Schlafgemach. Tastend ging sie voran bis sie zur Wiege gelangte aus der ein Wimmern kam. Sie hob Henry hoch, drückte ihn an sich und platze vor Erleichterung und Tränen des Glücks. Sie konnte den Schock jetzt noch fühlen. Die Erleichterung war groß, aber es brauchte eine kleine Zeit, bis sie ihre Sinne wieder gefasst hatte. Ihm war Gott sei dank nichts geschehen...
~
Erschöpft lag er nun im Bett der Gastgeberin, die gerade Henry versorgte. Für ihn war es der siebte Himmel auf Erden. Es musste schon Ewigkeiten her sein, das er überhaupt in einem Bett gelegen hatte. Sein Kopf glitt nach links und sah Cathy zu. In seiner Seele schmerzte dieser Anblick. Wie gerne hätte er Sybilla so gesehen. Dieses Glück war ihm nie vergönnt gewesen. Wenn sie Jane umsorgte fühlte sie sich nicht so glücklich. Es war eine Last, die sie sich nicht anmerken hatte lassen. Und in den Augen der Kirche war es streng verboten, das heranwachsenden Kind im schwangeren Leib der Mutter vor der Geburt zu töten. Selbst wenn das Kind durch eine Vergewaltigung gezeugt wurde. So war ihr die schwere Bürde auferlegt worden und konnte sich nicht dagegen wehren.
„So mein lieber Peter.. Henry geht es jetzt wieder gut. Kommen wir zu dir.“
Beinah klang dies wie eine Drohung, aber er wusste das es keine war.
„Nun mir geht es gut. Die Suppe die du mir vorhin verabreicht hast, hat meinen Körper gut getan. Das Bett hier bietet einen angenehmen Schlafplatz. Es ist so federweich. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie lange es her ist, das ich in einem Bett gelegen habe.“
Seinen Redefluss hatte er jedenfalls nicht verloren.
„Sag mir wie geht es Sybilla und Jane?“
Irgendwann musste der Moment kommen, aber jetzt konnte sie ihm es nicht sagen. Das würde seinen Genesungsprozess verlängern.
Von unten kamen ganz leise Geräusche und Cathy wusste um wen es sich handelte.
„Lynn Selen Evans“ Die scharfe Stimme durchschnitt die Stille, die in jenem Augenblick herrschte. „Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich mich vorher um meine liebe Schwester kümmere?“
Was waren schon Stunden, wenn er schon Jahre gewartet hatte. Stumm nickte er und gab sich dem Schlaf hin. Leise ging die Dame des Hauses aus dem Schlafgemach und schloss die Türe leise hinter sich. Lynn kam ihr dierekt entgegen. Sie wollte sie schon zur Hölle wünschen, als sie in ihr Gesicht sah. Ihre Augen waren rot unterlaufen, die linke Wange rot geschwollen.
Es kam noch heftiger als erwartet.
„Zeig mir deine Hände“
Zitternd hob sie ihre Arme. An beiden Armgelenken hatte sie blaue Striemen.
„Was ist um Himmels Willen passiert? Wieso frage ich das heute schon zum zweiten Mal? Nun sag wer war das?“ Lynn schwieg sie an.
„Ist dir eigentlich klar, das ich eigentlich wütend auf dich war? Und jetzt sieh dich an.... ach liebe süße kleine Lynn..“
Cathy war sofort klar, das ihre kleine Schwester durch Gewalt ihre Jungfräulichkeit verloren hatte. „Ich dachte.. er.. liebt... mich.. und.. und.. er hat mir versprochen mich.. zu heiraten.. und dann hat er mich immer und immer wieder gezwungen... Es tut mir so leid...“
Weinend warf sie sich in ihre Arme...
Sherborne, 25. Oktober
„Du wirst dafür sorgen, das der Plan gelingt“
„Bewahre dieses Geheimnis mit deinem Leben“
Wie konnten sie es wagen mit dem Leben eines unschuldigen Mädchens so umzuspringen. Anna stütze ihre Hand auf ihr Kinn und erinnerte sich an das was ihr Vater erzählt hatte. Jane hatte mit einer unehelichen Tochter des Königs von Dänemark Erik III eine verblüffende Ähnlichkeit. Als sie das Gemälde erblickte, wurde ihr Gesicht aschfahl. Man erzählte ihr, Erik III hatte eine Liebschaft aus dem ein Kind hervorging, aber dessen Leben gänzlich verheimlicht wurde.
Auf seinem Hofe gab es gefährliche Machenschaften und es lag ihm so viel an ihr, das er sie vom Hofe fern hielt. Sie sollte unbescholten und ohne Intrigen aufwachsen. In einem geheimen Abkommen wurde sie in die Obhut des englischen Königs anvertraut und lebte seither ein normales Leben als Adelige. Jedoch gab es ein Hindernis. Denn das Mädchen war schwer erkrankt und mit jedem Jahr wurde es schlimmer. Nur selten gab es Tage an denen sie gesundet war und alles ganz normal schien.
Und um einen weiteren Krieg nicht hervor zu beschwören, musste gehandelt werden. Wenn sie starb musste Jane ihren Platz einnehmen. Keiner sollte den Unterschied bemerken. Und an Anna lag es, das sie zu einer feinen Dame herangezogen wurde. Doch alles konnte sie ihr im Kloster nicht beibringen. Ihr Vater hatte schon alles veranlasst, bis in das kleinste Detail. Verärgert stand sie auf und schlug jähzornig ein Buch zu.
„Anna du solltest vorsichtiger mit den Büchern umgehen. Sonst könnte dir eine Buße auferlegt werden“
Sie entschuldigte sich fromm bei der Büchermeisterin, ging aus der Bibliothek der Kirche und überlegte wie sie nach ihrem Gewissen handeln sollte.
~
Es hörte einfach nicht mehr auf. Ich kam mir nicht mehr so vor, als würde ich zur Nonne erzogen sondern zu etwas ganz Anderem.
Jane lächelte bei dem Gedanken, das sie endlich wieder mit Anna zusammen sein durfte. Die ganze Zeit über, während ihre beste Freundin verschwunden war, bat sie um eine Versetzung zu den Konvernschwestern. Dabei hatte sie wieder Gelegenheit sich wieder mit Maria zu unterhalten. Es war eine schöne Zeit gewesen. Aber lange durfte sie nicht bei ihr bleiben.
Aus Gründen die sie nicht verstanden hatte, durfte sie nicht mehr dort ihren Dienst verrichten. Wollte man sie jetzt dafür bestrafen, das sie sich wieder wohlfühlte? Welches Spiel wurde hier gespielt? Sie stemmte ihre Arme auf ihre Hüften und lächelte.
„In Namen Gottes ich werde es herausfinden“
„Was willst du im Namen Gottes herausfinden?“
Verlegen legte sie ihren Finger auf ihre Unterlippe und senkte ihren Kopf.
„Das bleibt ganz allein mein Geheimnis“
„Nun gut liebe süße Jane. Heute bist du von dem Gesangunterricht befreit. Stattdessen wirst du die Etikette des Hofes erlernen. Jede Nonne stammt aus einem Adelskreis und jede Nonne hat sich wie eine adelige Dame zu verhalten. Deshalb solltest du dessen habhaft sein“
In den smaragdgrünen Augen leuchtete Verwirrung auf. Sie wollte sich jetzt keine weitere Frage erlauben. Deshalb war es wohl klüger von selbst dahinter zu kommen.
„Nun gut bring es mir bei“
Anmutig und lachend hob sie ihren Kopf und tänzelte im Kreis herum.
„So in etwa“
Anna musste in das Gelächter mit einstimmen.
„So in etwa.. Schultern gerade, zieh den Bauch ein, bewege dich elegant und grazil.“
Anna wurde nun doch etwas ernster. Es war ihr beinah so, als müsse sie das junge Mädchen vor dem Schicksal mit ihrem Leibe und Geiste schützen.
„Also noch einmal von vorne“
Sie begriff sofort. Schweren Herzens nahm Jane von dem fröhlichen Lachen und der Freude Abschied.
„Wie du es wünscht.. Nein wie Ihr es wünscht“
Sie machte einen Knicks während sie sich verbeugte.
„Ich reiche dir meine Hand zum Gruß. Was wirst du nun tun?“
Sie hatte es schon oft genug bei der Äbtissin gesehen. Nun war es an ihr den Versuch zu wagen. „Mann schreitet voran, neigt seinen Kopf ehrerbietig nach vorne und berührt mit den Lippen den Handrücken“
Es war beinah so, als wäre sie schon eine adelige Dame. Sie war klug, wissbegierig und neugierig. Deshalb lernte sie schnell und gut. Das würde nur ein Vorteil sein. Als ihr dieser Gedanke kam wurde ihr übel. Begann sie jetzt etwa auch so zu denken, wie ihr Vater? Das durfte sie keinesfalls. Mit diesem Wissen würde das wohl ein langer Tag werden. Ganz besonders würde es ein langer Weg sein. Es graute ihr schon vor den Tag an dem Jane alles erfahren würde. Mit hoher Wahrscheinlichkeit hätte das jetzige Mädchen und spätere Frau sie verachtet. Dieser Preis war vielleicht zu hoch...
„Ich wusste nicht was das ganze Theater eigentlich sollte. Sich wie eine adelige Dame verhalten, nur weil man eine Nonne war. Bei Gott ich dachte ich würde den Verstand verlieren. Sitz gerade, bewahre die Haltung, lächle freundlich, nicke zustimmend und halte dich zurück...
Nein diese Zeit vermisse ich bestimmt nicht. Annas Vater machte mir auch Sorgen. Ständig lud er uns auf seinen Landsitz ein. Ich nahm Reitstunden und lernte wie eine Lady zu reiten. Immer wieder betonte meine liebe Freundin es sei Notwendigkeit. Als feine Dame müsse ich das können. Ich dachte mir nun gut meinetwegen. Stell dir keine Fragen mehr sonst platzt dir der Kopf vor lauter Schmerzen und dann wird dir bestimmt schwindlig.
Also hielt ich mich daran. So ging es lange Zeit. Tatsächlich lebte es sich so einfacher. Immer mehr hatte ich das Gefühl die Stunden mit meinen Vater zu vermissen. Es war soviel einfacher und schöner seinen Geschichten zu lauschen, als alles hier mit machen zu müssen. Da war es ja noch besser von meiner Ziehmutter verachtend behandelt zu werden.“
London, Palace of Westminster, 13. November
In den Augen Stephans loderte ein Feuer, das sich zu einem heftigen Brand ausbreitete. Er schritt nervös auf und ab. Die Belagerung von Shrewsbury war erfolgreich verlaufen. Triumphal hatte er in London Einzug gehalten. Doch Victoria die Tochter Erik III litt an einer unbekannten Krankheit, die sie von Jahr zu Jahr schwächte und die Auseinandersetzung und Anfechtung seines Thrones würden seine Lage mehr gefährden, als ihm lieb war. Aber er hatte weitere Dinge vernommen. Sollte ihr jetzt etwas geschehen, würde er einen weiteren Feind an seine Seite ziehen.
In sieben Jahren würde Lady Victoria an seinem Hof residieren. Eustach und sie sollten sich einander nähern. Was er jedoch nicht wusste, war der Plan seiner Untergeben. Sollte Erik erfahren, wie es seiner Tochter erging, würde über ihn die Hölle hereinbrechen. Sein Unmut wurde dadurch von Tag zu Tag größer. Selbst seine Dienerschaft litt unter seinen Gemütsschwankungen
Sir Robert kümmerte sich indes um die Erziehung des Kronprinzen weitab von London. Niemand sollte ihn etwas anhaben oder ihn zu nahe geraten. Er mochte das er unter den Einfluss möglicher Verräter des Hofes anheim fiel. Das Risiko wäre unwiederbringlich nicht wieder gut zu machen.
~
„Bring mich zu seiner Majestät. Ich habe eine dringende Botschaft für ihn“
Ein Eilbote hielt in seinen Händen die Nachricht, die der König schon sehnlichst ersehnt hatte. „Folgt mir“
Nicht minder von Minuten wurde in das Gemach des Königs eingelassen.
„Nun mein Bote welche Nachricht überbringt ihr mir?“
Ihm wurde stumm die Botschaft überreicht und er entlies ihn aus seiner Reichweite.
„Seine Majestät Erik III wünscht seine Tochter zu sehen. Aber er fühlt sich außerstande sein Land zu verlassen. Ich muss um Aufschub gewähren. Jetzt ist ein ungünstiger Zeitpunkt dafür“
Wütend zerdrückte er das Pergament und warf es in das Kaminfeuer. Anscheinend hatte er von den Unruhen in England gehört. Nun es war nur eine Frage der Zeit gewesen, aber warum gerade jetzt? Victoria lebte in Dorchester und nach den letzten Berichten zufolge würde sie bald ihrer Krankheit erliegen. Er lies sein Pferd satteln und musste sich persönlich um diese Angelegenheit kümmern. Da gab es aber ein Problem. Wie seine Abwesenheit am Hofe erklären? Dazu hatte er einen listigen Plan, den er so schnell wie möglich in die Tat umsetzte.
Ein Gerücht ging um, das der König niemanden in seiner Gegenwart duldete da er Zeit für Ruhe und Genesung brauchen würde. Und keiner wusste oder konnte sagen, wie lange dies dauern sollte. Verlangte man nach Einlass wurde man zurückgewiesen. Nicht einmal seine nächsten Vertrauten wussten was er im Sinne führte. Zwar hatten sie Ahnung, das Stephan London verlassen hatte, aber was der Grund sein sollte war umstritten. Einige hegten den Verdacht der persönlich nach seinem Sohn sehen wollte. Andere wiederum meinten, das er seine Gelüste ausleben wollte und wieder andere die von seinem geheimen Abkommen wussten, hatten Victoria in Verdacht. Sie verdeckten des Königs Spiel mit meisterlicher Brillianz.
Dorchester, 20. November
„Wie steht es mit ihrem Befinden?“
Der Medicus schüttelte hilflos widerstrebend seinen Kopf.
„Es tut mir leid wir können nichts mehr für sie tun. Es liegt nun in Gottes Händen“
Der Mann erhob seine Hand hielt inne verschloss seine Finger und streckte dabei seinen Zeigefinger.
„Das ist nicht die Antwort dich ich hören wollte. Sie darf nicht sterben. Es würde..“
Er unterbrach sich in seinem Redeschwall. Ein weiteres Wort und er müsse diesen armen Medicus einen Dolch in seinen Leib rammen.
„Nun geht bevor ich es mir überdenke Euch nicht die Haut vom Leibe zu ziehen.“
Etwas bleich im Geschichte verneigte sich der Medicus und zog sich zurück.
„Wie Ihr wünscht“
Er sah auf das Mädchen hinab, das fiebergetränkt auf den Kissen des Himmelbettes lag. Er schlug sein Kreuz und bette leise von seinen Lippen sprechend. Der Mann setzte sich neben dem Bette des Kindes, berührte ihre Stirn und musste erschrecken, wie heiß sie war. Bei Gott sie musste einfach überleben... Er schluckte als ihm klar wurde was für ein Schicksal ihn ereilen würde.
„Seine Majestät der König von England“ ertönte es in den unteren Hallen seines Hauses. Erschrocken fuhr zusammen, als habe ihn der Tod persönlich seine Hand gereicht. Es musste in der Tat eilig gewesen sein, sonst hätte er sich nicht soweit von seinem Palast entfernt.
„Ich bitte dich kleine Lady Victoria ich bitte dich.. kämpfe.. Lass uns jetzt nicht im Stich..“
~
Er stieg von seinem Pferd herab, zog seine Handschuhe von seinen Händen und trat in das Haus Lady Victorias ein. Stephan sah sich in den Hallen um. Es war prachtvoll geschmückt, die Kerzen brannten im schwachen Schimmer, während die Gemälde prachtvoll an den Wänden hingen. „Eindrucksvoll, einer vornehmen Dame entsprechend..“
Und da erschien der Mann auf den er gewartet hatte. Er kümmerte sich seit der Ankunft des Kindes in seinem Land um sie.
„Mr. Anthony Levaton. Ich bin erfreut Euch zu sehen Wie geht es Euch?“
Freundlich umarmte er seinen Vertrauten. „Gut gut aber deshalb denke ich seid Ihr nicht hier. Nicht wahr?“
Er lies ihn langsam los und blickte ihn mit einer Ernsthaftigkeit an, die entmutigent war.
„In der Tat Ihr habt mir über den Gesundheitszustand Lady Victorias berichtet. Es ist dringender denn jeh wenn Ihr begreift, das sie gesundet. Ihr Vater möchte sie zurück an seinem Hofe, da er nun um die Umstände in England weiß“
Mr. Levaton begriff was diese Worte zu bedeuten hatten.
„Nun ich habe schlechte Nachrichten für Euch. Mein Medicus hat mir berichtet, das es schlimm um das Leben des Kindes steht. Es kann sein, das sie den morgigen Tag nicht mehr überlebt. Doch bevor ihr erzürnt gibt es etwas was Ihr wissen solltet“
Er hatte so innigst gehofft seinen Plan nicht in die Tat umsetzten zu müssen. Seine Tochter Anna hatte diese Aufgabe bereits in Angriff genommen.
„Es gibt eine Möglichkeit trotz dieses Verlustes nicht Victorias beraubt zu werden.“
Zuerst wollte er seinen Zorn auf ihn herab lassen, aber dann verschlug die Verwirrung in ihm die Sprache.
„Wie sollte dies möglich sein?“
„Nun es gibt ein Mädchen in den Kloster Sherbornes. Es ist als hätte Gott sie zu uns gesandt. Ihre Ähnlichkeit ist verblüffend. Ich bitte Euch zu sorgen, das ihr um Aufschub gewährt. Sie ist noch nicht der dänischen Sprache mächtig..“
Der König hob seine Hand und gebot ihm zu Schweigen.
„Ihr wollt damit sagen, das es in der Tat möglich ist einen Menschen zu ersetzten? Ihr seid nicht auf den Kopf gefallen. Das muss ich Euch sagen. Ich werde tun was nötig ist und Ihr werdet tun was nötig ist. Sorgt dafür das Kaiserin Maud kein Wort davon erfährt. Sie würde alles tun.. Nun gedenke ich heute hier zu verweilen und werde morgen früh wieder aufbrechen. Ich sollte so schnell wie möglich zurück auf den Hofe. Doch vorher werde ich noch nach Lady Victoria sehen...
Dänemark, 11. Dezember
Wärme und Schönheit erblühten im Saal des Palastes. Des Kronleuchter Schimmer konnte gar überwältigend für das gewöhnliche Auge eines einfachen Menschen sein. Die Musik spielte zum Tanze auf, die Klänge verzauberten seine Ohren während er ein Bein tanzend vor dem Anderem setzte. Die Farben berauschten seine Verstand und die schönen Frauen raubten ihm seine Sinne. Sven genoss in vollsten Zügen seinen wunderschönen Abend.
„Schöne Dame würdet Ihr mir einen weiteren Tanz gewähren?“
Während er dies sagte, trank er einen Schluck Wein aus seinem Kelch.
„Wie My Lord wünschen“
Leise flüsterte sie ihm in sein Ohr zu. „und noch mehr wenn es Euch beliebt“
Die junge Frau reichte ihm ihre Hand, die zum Tanze einlud. Ein Lächeln der Vorfreude, was ihn heute erwartete, glitt über sein Gesicht. Mit Frohsinn schwenkte er ein weiteres Mal sein Tanzbein. Kurz erhaschte er einen Blick auf seinen König. Es schien, als würde ihn etwas beunruhigen. Als der Tanz sein Ende nahm gesellte er sich zu Erik und klopfte auf seine Schulter.
„Nun eure Majestät habt Ihr nicht Lust einen Tanz zu wagen? Das könnte Eure Laune etwas heben. Seht Euch nur diese schönen Frauen an“
Mürrisch blickte er seinen gegenüber an.
„Mir steht nicht der Sinn nach einer Frau. Ich frage mich warum ich überhaupt auf diesem Feste weile“
„Nun Ihr erstaunt mich. Normalerweise..“
„Feiert weiter.. ich werde mich jetzt zurückziehen.“
Der König erhob sich, kurz unterbrach die Musik, die feiernde Menge blieb stehen und verbeugte sich. Sven sah ihm besorgt hinterher. Seinen alten Freund quälte etwas. Vielleicht war es unangemessen ein Fest zu geben. Doch warum sollte es so sein? Das letzte mal als er sich so verhalten hatte, war knapp vor acht Jahren gewesen. Es musste also einen gewichtigen Grund geben, der seine Seele quälte. Er wusste er würde dessen Grund habhaft werden. Es würde sich bestimmt eine passende Gelegenheit bieten. Aber jetzt war es an ihm das Fest zu feiern. Wenn Erik alleine sein wollte, dann durfte man ihn nicht folgen. Nur wenn es ihm genehm war, sprach er über seine Sorgen. Also lies er ihn seines Weges gehen.
~
Die Nacht war kühl, die Sterne funkelten am schwarzen Himmel und ihm schien es als lächelten sie auf ihn herab. Seine grünen Augen schlossen sich, tief atment sog er die kühle Luft in seine Lungen, die ihn mit reinster Seligkeit erfüllte.
„Hildegard...“ kam es flüsternd aus seinem Munde.
Wie lange war es wohl her gewesen, das er eine Frau liebte und nicht nur für seine Gelüste benötigte? Jahre war es her. Viele lange Jahre. Nur ein Funke des Lebens, war von seiner einstigen und einzigen Liebe geblieben. Und jetzt hatte er erfahren das Unruhen in England herrschten. Vielleicht hatte er sich in Stephan getäuscht. Somit stand es für ihn fest, das er das Kind, das aus seinen Lenden und seiner Liebe gezeugt wurde, wieder zurück in seine Heimat holte.
Die Tage der Zwietracht waren vorüber und er mochte den Gedanken nicht, das im Inselreich unweit seines Reiches gerade Unruhen anbrachen. Er wollte sich weder auf die Seite Mauds schlagen noch auf die Seite Stephans. Er hätte es merken müssen. Es sehen müssen. Warum war er so blind gewesen?. Wohl war es der Glauben, das seine Tochter hier in Gefahr schwebe. Doch jetzt schien ihm als wäre sie hier sicherer. Deshalb hatte er eine Botschaft nach England schicken lassen, aber bis jetzt war keine Rückmeldung eingetroffen.
Langsam verlor er seine Geduld, denn er konnte seine Ungeduld nicht mehr zähmen. Erzürnt über seinen Unmut selbst, lies er den Garten des Palastes hinter sich. Morgen würde er seinem Unruhen endlich ein Ende bereiten. Wärmend rieb er seine Hände aneinander, als er die Treppen zu seinem Gemach schritt. Heute mochte er allein in seinem Bett ruhen.
„Eure Majestät...“
Die Wachen öffneten die Türe und Erik glitt hinein. Der Kammerherr wartete bereits auf seine Anweisung. Man gab ihn zu verstehen und sofort kümmerte sich sein Diener um seine Entkleidung. Müde fühlte er den Boden unter sich schwanken, lies sich in sein Bett niedersinken und senkte seine Augenlider.
1139
England, Nördliche wäldiche Umgebung Northamptons, 4. Januar
Jack beobachtete den Jungen aus neugierigen Interesse. In der Tat stellte er sich keineswegs als dumm heraus. Er hatte eine Ader für das Banditentum und lernte äußerst schnell, bereitwillig und effektiv. Es verlangte ihm zu töten, dennoch wurde seine Gier im Zaum gehalten. Er konnte durchaus grausamer werden als er selbst in seiner Jugend.
„Tom du musst besser deine Parade ausführen. Du nimmst dein Schwert an der falschen Stelle. Hier siehst du.. wenn du es hier mit deinen Fingern umgarnst wie...“
Jeff musste in Gelächter ausbrechen.
„Meinst du wie eine Geliebte“
„Eine Geliebte.. wohl eher ein Wesen das nur für des Mannes Lust erschaffen worden ist“
Das Gelächter der Männer wurde immer lauter. So laut das es fast den ganzen Wald durchbrach. „Nun Schluss mit dem kindischen Geplänkel. Wenn der Junge etwas lernen soll.. Nun dann sollten wir weiter verfahren.“
Tom verstand sehr wohl wovon die Männer sprachen. Doch er wusste er würde sich niemals für derartige niedrige Triebe ergeben. Dies war seine Ansicht seinerseits. Die Rache zu befriedigen war wohl etwas nach dem ihm mehr gierte.
„Nun kleiner Bursche greif mich an. Sonst gibt’s heute nichts für dich zu futtern“
Er spuckte aus und wischte sich mit seinem Handrücken sein Kinn ab.
„Sehr wohl euer Gnaden“
Spöttisch spitze er seine Lippen, packte das Schwert an seinem Griff und schlug zu, das die Klingen sich kreuzten. Tom war ihm völlig unterlegen. Es fehlte ihm an Kraft und Ausdauer. Aber er besaß eine äußerste Geschicklichkeit der Wendigkeit. Jeff versetzte ihm einen Schlag in den Magen, das den Jungen vor Schmerzen krampfen lies.
„Du hälst dich ganz schön wacker. Doch heute ist es genug, wir wollen ja nicht, das du uns schon so bald verlässt..“
Ein Humor der teils ernst und teils scherzhaft gesprochen war.
„Wir haben heute noch was zu erledigen. Ich denke du willst dich daran beteiligen Tom?“ Freudig nickte er im vollsten Eifer des Angesichts.
~
Eine Krähe flog im nebligen Dunst des stürmischen Nachmittags in die Lüfte, während aus dem schwarzen Schnabel des Vogels ein lautes Krächtzens ertönte. Sie versuchte vergeblich nach einem Unterschlupf im Sturme zu finden. Immer wieder stürzte sie hinab, bis ihre Kräfte zuneige gingen. „Ich finde man sollte sie erlösen von ihrem Leid nicht wahr?“
Toms Augen funkelten ja gar erbebten vor Zorn.
„Lass die Krähe, Krähe sein. Wir sind hinter etwas anderem her“
Jack legte Ralph seine Hand fest auf die Schulter.
„Ruhig jetzt. Da kommt unsere Beute“
Zwei etwas ärmlich gekleidete Männer saßen auf einen Karren, der von einem Esel gezogen wurde. Es war zwar nicht viel, doch es sollte für die nächsten Tage reichen.
„Los jetzt“
Wie aus dem Nichts stürmten sie aus dem Versteckt. Geschwind schlich sich Tom von hinten heran und kletterte auf den Karren. Jack, Ralph und Jeff verstellten den Weg.
„Nun meine Lieben rückt ihr raus was ihr habt oder muss ich Gewalt anwenden?“
Die Männer wollten Antwort geben, als ein geschärfter Dolch die Kehle einer der Männer durchtrennte. Blut spritze in das Gesicht Jacks und verteilte sich in Mengen, während der Mann noch immer daran erstickte.
„Du bist viel zu stürmisch weißt du das?“
Er nahm sein Schwert und zog es mit ganzer Kraft durch, sodass es den Kopf durchtrennte.
„Wenn du es schon tust, dann ordentlich. Was für eine Schweinerei“
Der Kopf wurde in den Schlamm geschleudert und der Körper sackte zusammen.
„Ich bitte euch um Gnade. Nehmt was ihr wollt.. aber bitte lasst mich am Leben“
Ralph zischte „Damit es dir in den Sinn kommt uns zu verpfeifen? Kommt nicht in Frage..“
Er zog ihn herunter, packte ihn mit seinem Arm an seinem Hals und drückte zu bis er keine Luft bekam. Beine und Arme verkrampften sich, versuchten sich zu befreien. Es gelang nicht, denn der Tod hatte sich erneut ein Menschenleben genommen.
„So geht das und nicht anders. Sauber aber qualvoll. Nun räum deinen verfluchten Dreck weg“ Verärgert sprang der Junge hinunter, packte den geköpften Körper und zog mit Kräften daran. Beinah hätte er sich vor Übelkeit übergeben, wäre ihm nicht daran gelegen Herr über seiner Sinne zu werden. Noch einmal wagte er den gleichen Versuch und erreichte sein Ziel.. Die Leiche stürzte von dem Karren auf den schlammigen Boden. Wäre er nicht so schwer gewesen, würde es ihm nicht so an Kraft fehlen. Es war für ihn ein reiner Kraftakt, den er alleine nicht verkraften konnte. Aber er musste da durch ob er wollte oder nicht. Die anderen hatten bereits die zweite Leiche in den Wald geschafft und verscharrt.
„Zum Teufel noch mal, wie lange brauchst du noch?“
Jetzt war es an Jeff, das er seinen Unmut Ausdruck verlieh. Er stieß den Jungen zur Seite, packte selbst an und schleifte sie an den gleichen Ort, wo sie ihr erstes Opfer begraben hatten.
„Das nächste Mal siehst du uns nur zu.“ Stumm nickte Tom und vergrub seine Hände in seine Taschen.
„Spring auf. Mit dem Ding dürften wir schneller voran kommen“
Genau zur selben Zeit kam Jeff zurück, packte ihn fest am Arm und zog ihn auf den Karren.
Sherborne, 12. Januar
„Ist das dein Ernst Anna?“ Sie war äußerst von Zorn erfasst. „Wieso hast du mir nichts verraten?“ Jane konnte keine Worte finden. „Warum in aller Welt soll ich dieser halsbrecherischen Zunge des dänischen Volkes mächtig werden? Ich soll spanisch erlernen, französisch erlernen, Latein erlernen und jetzt auch noch dänisch? Ist das nicht ein bisschen gewagt. Das sind viel zu viele Sprachen und dann auch noch dieser ganze Unterricht des höfischen Etikettes. Was in aller Welt geht hier vor?“ Anna hatte Jane noch nie so die Beherrschung verlieren sehen. „Beruhige dich ich bitte dich..“ „Verdammt ich bin acht Jahre alt und noch ein Kind mehr nicht. Ich will Gott meine Aufgaben widmen. Ich denke nicht, das dies zu einer Pflicht einer Braut Christi gehört“ Beide Hände der Nonne ruhten auf den Schultern der Novizin. „Das kann ich dir nicht sagen. Ich bitte dich vertraue mir einfach... Sieh mich an Jane. Sieh mich an“ Jane ging einen Schritt rückwärts und sah ihre Freundin an, als hätte sie etwas Gift an ihren Händen. „Du verstehst nicht. Mein Vater verlässt mich, meine Mutter verbrannte, Cathy lebt weit weg von mir und meine Ziehfamilie will mich nie wieder sehen. Und jetzt bürdet man mir diese schwere Last auf? Ich will das alles nicht lernen. Ich will es nicht...“ „Jetzt beherrsche dich doch für einen Moment. Ich kann dir nur anvertrauen, das es gewichtig über das Wohl Englands ist“ Jane erstarrte an ihrem ganzen Leibe. Jetzt war sie mehr verwundert als sie es jemals zuvor. „Wie sollte auf mir das Wohl des ganzen Landes ruhen? Warum muss ich dieses Schicksal auf mich nehmen? Was wenn ich es nicht möchte?“ Etwas salziges war über ihre Wangen herabgerollt und tropfte auf ihre Lippe. Waren das etwa Tränen? Sie hatte es nicht einmal bemerkt. Verzweifelt wischte sie diese mit ihren Ärmel ab. „Ich werde dich unterstützen und dein Vertrauen niemals missbrauchen. Ich darf dir erst an deinem vierzehnte Lebensjahr sagen dürfen, was dieses große Geheimnis. Ich bitte dich aber bis dahin mir zu vertrauen und keine Fragen stellen.“ Es war wie ein Martyrium ihres Herzens. „Also gut. Ich werde dir blind vertrauen. Ich hoffe..“ Anna nahm ihren Schützling zärtlich in ihre Arme. „Meine Treue wird immer dir gehören. Immer..“
~
„In Namen Christi“ Heinrich sah zum Kreuze Jesu Christi das unter den Schimmer der brennenden Kerzen hell erleuchtete. Stephan war kein einfacher Mann und als Bruder war er noch wechselhafter Laune denn als König. Oder war es umgekehrt? Tief vor Ehrerbietung erhob der Bischof sein Haupt und es war ihm so als würde der Herr selbst auf ihn nieder blicken. Das Gefühl das in ihm entbrannte, war Eifer der Liebe zu seinem Herrn. „Nun..“
Er stand auf wand seinen Blick und betrachte seinen Tisch, der aus feinsten Mahagoni Holz gefertigt wurde. In der Tat ein wahrhaft künstlerisches Meisterstück. Aber ansonsten fand er seine Unterkunft nicht besonders genehm. Die Aufgabe die er heute zu bewältigen hatte, würde ihn nur kurz in Anspruch nehmen. Andere Angelegenheiten waren weitaus dringlicher. Er fuhr mit seinen Fingerspitzen über sein Gebetbuch, das er immer mit sich trug. Ein Einzelstück. Wahrhaftig. Es war niemals einfach gewesen einer von fünf Söhnen zu sein. Mann hatte kaum Verwendung für ihn, deshalb wurde er in der christlichen Lehre von seinen Lehrer Petrus unterwiesen. Von ihm hatte er auch sein Gebetbuch. Er war ein strenger, aber äußerst weiser Mann gewesen. Noch heute vermisste er ihn schweren Herzens. Der Kirchenfürst trat vor die Türen seines Zimmers und wies einen Jungen an, alles vorzubereiten. „Bringen wir es hinter uns..“
~
Die Nebelschwaden zogen durch die Straßen über der Stadt hinweg hinauf zur Spitze der Kirche. Die eisige Kälte entzog sich der Wärme. Ihr Herzschlag schlug immer lauter. Jegliches Licht, das versuchte durch die Fenster zu dringen erlosch im Schatten. Zitternd bebend bewegten sich ihre Lippen. Das Gebet hatte sie zu Ende gesprochen, als sie glaubte Schritte zu hören. Die roten gelockten bis zu Hüfte reichenden Haare fielen herab. Ihre grünen Augen leuchteten im matten Schein der ausgehenden Kerze. Lauschend presste sie ihr Ohr an die hölzerne Türe ihrer Kammer. Wahrscheinlich hatte sie sich verhört. Kein Laut war mehr zu vernehmen. Erleichtert setzte sie sich auf ihr Lager, als die Türe eingetreten wurde. Jane erstarrte an ihrem ganzen Körper, als sie die übermächtige männliche Gestalt im Türrahmen erblickte. Ein fürchterliches Grinsen entblößte seine gelblichen Zähne die ihm fast alle ausgefallen waren.
„Nur Schade..“
„Beeil dich du Volltrottel wenn sie uns erwischen hängen wir“
Verzweifelt versuchte sie einen Ausweg zu finden. Wie ein Rehkitz das auf der Jagd verfolgt wurde, hob sie ihren Kopf der ihren schlanken Hals zur Geltung bringen lies.
„Nana.... wir wollen nicht das unser Rehlein die Flucht ergreift. Du willst ja nicht das Unschuldige Schaden nehmen“ ertönte es hinter dem andern Mann. Entsetzt sah sie ein Kind etwas jünger als sie und eine Klinge an ihrer Kehle. Es würde keinen Ausweg geben. Lillian durfte nicht sterben.
Nicht ihretwegen. „Ihr habt gewonnen. Ich bitte euch legt Eure Klingen weg und lasst das Mädchen gehen“
Er legte seinen Kopf neigend zur Seite, während sein zahnloser Mund sie fast zum Erbrechen brachte. „Nicht so schnell meine Liebes.. Denkst du die Dummheit steht auf unserer Stirn geschrieben?“ Glucksend, gurgelnd zugleich verachtend kam es höhnisch aus seinem Munde. Es war ihr ein Rätsel wie sie überhaupt in das Hause Gottes eingebrochen waren. Was wollten sie gerade von ihr? Stolz erhob sie ihr Haupt, stellte sich ihm entgegen und lächelte schelmisch.
„Ihr habt was Ihr wollt. Also lasst sie gehen“
Ein wuchtiger Schlag traf sie mitten in ihr Gesicht, sodass sie zu Boden fiel. Etwas warmes rann ihre Lippen hinunter, das nach Blut schmeckte. „Du hast keine Befehle zu erteilen.“
Grob packte er sie am Handgelenk, zog sie zu sich und flüsterte ihn ihr Ohr.
„Eine falsche Bewegung und die Kleine lernt, was es bedeutet eine Frau zu sein“
Ein fürchterliches Grauen erfasste ihre Seele. Es war eine Todsünde sich an einem Kind zu vergreifen. Doch wusste sie das dieser Mann nicht bluffte. Ihm war es egal, das seine Seele dafür in der Hölle schmoren würde. „Nur ein paar Jährchen älter..“
Seine Fingerspitze fing eines ihrer Locken auf und wickelte sie damit ein.
„Zu schade...“
„Nun mach schon du Narr bevor der Spion des Bischofs hier eintrifft. Nun steht auf My Lady..“
Er trat dem Kind in den Rücken, das stolpernd auf die Knie fiel. Tränen überfluteten ihre Wangen. Lillian war verängstigter als ein Lämmchen, das dem hungrigen Wolf über des Weges lief.
„Hier habt Ihr das was Ihr wolltet..“ Trotzend sah sie in die Augen der beiden Männer. „Ich..“
Er packte sie ein weiteres Mal an ihrem Handgelenk, das unter dem Druck einen brennenden Schmerz auslöste. „Lillian alles wird wieder gut.. alles..“
Stolpernd ging sie voran und warf einen Blick zurück, woraufhin sie gewaltsam nach vorne gedrängelt wurde. Sie konnte nicht sehen ob sie ihr Versprechen gehalten hatten. Als ihr Blick nach vorne glitt, sah sie Männer die sich an geheiligten Boden an den Frauen Christi vergriffen. Zorn kam in ihr auf, der nicht so schnell verebben wollte. Aber was tun? Sie wahr völlig hilflos. „Vorwärts oder soll ich dich nochmals treten?“
Jane setzte stolpernd einen Schritt vor den anderen und musste tatenlos zusehen, auch die alten Frauen verschonte man nicht. Man hielt sie als Geisel, damit die Opfer das Unrecht, das ihnen widerfuhr, nicht aus ihrem Halse rufen konnte. Die Wachen der Stadt mussten in der Tat unwachsam sein, ansonsten hätten sie doch den Überfall doch bemerken müssen. Oder es war so das diese Männer keine einfachen Strauchdiebe waren, sondern erfahrene Söldner die ihr Handwerk verstanden.
„Männer ihr hattet euren Spaß, macht dem ein Ende wir werden erwartet.“ Ein missmutiges Gemurmel ging durch die Reihen, aber man tat warum sie gebeten wurden. Scharfe Klingen wurden gezogen, als man die Frauen hinrichtete. Das Blut ergoss sich über den Boden vor den Augen Gottes und er unternahm nichts. Es war beinah so, als würde der Teufel persönlich in das Anglitz des Herrn spucken. „Eines Tages werdet ihr dafür büßen..“ flüsterte sie.
Was war mit den Mönchen? Hatte man sie auch lautlos getötet? Der Mann hinter ihr hatte es satt, das sie sich bewegte, also fasste er einen Entschluss. Er versetzte ihr einen kräftigen Schlag auf den Hinterkopf der sie bewusstlos zusammensacken lies. Reflaxartig fing er das Kind auf und schulterte es über seinen Rücken, sodass ihr Kopf mitsamt den Armen und Harren hinab baumelten. Sie mussten jetzt so schnell wie möglich verschwinden, ansonsten würde ihnen am frühen Morgen eine Übermacht entgegen treten.
~
„Sie ist nicht mehr hier. Was in aller Heilligen...“
Das zornige Gesicht Heinrichs war vor Wut rot angelaufen. „In Gottes Namen seid ihr nicht in der Lauge auf ein einfaches Mädchen zu achten?“ Stephan würde noch erzürnter reagieren als er. Köpfe würden rollen, denn nur ein kleiner Kreis kannte das Geheimnis, was sie alle ins Unglück stürzen könnte. „Findet sie oder eure Köpfe werden rollen.“
Die Soldaten neigten ihre Köpfe und entfernten sich aus der Nähe des Bruders Königs. Bisher genoss er sein uneingeschränktes Vertrauen. Sollte es ihm entzogen werden würde er selbst des Hochverrats bezichtigt werden. Ihn jetzt zu enttäuschen wäre ein fataler Fehler gewesen. Wer auch immer davon erfahren hatte musste dafür büssen müssen. Das Kind musste wieder in seine Gewalt gelangen. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn, sein Atem ging schwer. Ein Druck bemächtigte sich seiner Brust, als würde ein Stein dagegen gedrückt. Es war Panik wie er sie selten zuvor erlebt hatte.
„Jane.. oder nein Victoria möge Gott auf eurer Seite stehen. Sonst sind wir alle verloren“
Seine Soldaten waren jetzt seine letzte Hoffnung, auf die er bauen musste. Wieder klopfte es ein weiteres Mal pochend an seiner Türe, dabei nahmen seine Kopfschmerzen ihren Anfang, die lange nicht vergehen wollten. „Was ist...“ kam es zornig aus seinem Mund.
„Eine Nonne möchte mit euch sprechen. Ihr Name..“ Die Augen des Bischofs funkelten voller Zorn, die stetig begann zu wachsen. „Lasst sie warten..“
Er brauchte unbedingt seinen Frieden, doch die Wache gab nicht nach. „Raus mit dir oder ich vergesse mich“ Die Stimme des Soldaten wurden immer kleinlauter. „Sie sagt.. ihr.. Name.. sei Anna“ Bei diesen Namen horchte er aufmerksam auf. War das nicht die Nonne, die Jane so war doch ihr Name, erzog? Genervt griff er sich auf die Stirn und gab mit der anderen Hand eine Bewegung von sich, das bedeuten sollte, das ihr der Einlass gewährt war. Die Türe schloss sich und nur ein paar Sekunden später trat eine Nonne mit einem Blick ein, der einem das Grauen in den Adern erstarren lies.
Überall an ihrem Körper hatte sie Blutergüsse, an ihren Armgelenken konnte man erkennen, das man sie mit übelster Gewalt niedergerungen hatte, aber sie ich tapfer zu Wehr gesetzt hatte. „Tretet näher“ Es war wie ein Mutzuspruch der den gewünschten Effekt erzielte.
„Habt keine Angst jetzt seit ihr in Sicherheit. Meine Wachen werden in Zukunft eigens dafür Sorgen, das solch ein Blutbad und Verbrechen gegen Gott nicht mehr passieren wird. Die lausigen Wachen, die ihren Dienst versoffen haben, wurden bereits einer Strafe ausgeliefert.“ Langsam begann sie zu sprechen. „Ihr wisst nicht wie es war, als die Dämonen der Hölle, die von diesen Männern besitzt ergriffen hatten. Sie richteten jeden und alles hin. Nur wenige konnten ihnen entkommen...“ Der Mann wurde langsam ungeduldig. Er wusste was passiert war, Interessanter war es gewesen wer sie waren.
„Habt Ihr irgendwelche Anzeichen um wenn es sich handelte? Könnt Ihr den Anführer der Truppe beschreiben?“ Verstört blickte sie ihn an, aber sie gab sich Mühe um ihn zu beschreiben. „Er hatte schwarzes wirres Haar. Seine Kleidung glich der eines Söldners, der sein Handwerk verstand. An seiner rechten Wange war eine Narbe die sich bis zu seinen Auge hinaufzog. Mehr konnte ich nicht erkennen....“
Zumindest grenzte dies die Wahrscheinlichkeiten ein. Zwar war die Beschreibung nicht ausreichend, aber dennoch. „Ihr könnt Euch einstweilen an den Hof Eures Vater zurückziehen, wo man Euch mit großer Freude wieder aufnimmt.“ Ihr ganzer Körper erstarrte von neuen. „Stellt keine Fragen. Euer Vater wünscht dies. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen“ Mit unterdrückter Wut verneigte sie sich mit ihren Haupt, ging rückwärts, erfasste die Türklinke, hob dabei ihren Kopf und lächelte matt. Sie würde sich den Wünschen beugen. Der Wunsch in ihrem Herzen wurde größer, das ihre geliebte Schülerin und Freundin gesund wiederkehrte. Leise flüsternd schickte sie ein Stoßgebet in den Himmel. Heinrich hörte ihre Worte die ihn veranlassten ebenfalls in das Gebet mit ein zu stimmen. Als sie am Ende mit ihren Worten angelangt waren, fügte er noch ein Amen hinzu. „Ihr dürft nun in Gottes Namen gehen“ Segnend schlug er ein Kreuz und Anna entfernte sich.
Dänemark, 9. Februar
Der Mond schien hell durch die Vorhänge des Gemaches, die durch den Wind durcheinander gewirbelt wurden. Jemand wälzte sich unruhig im Schlaf, schlug mit seinen Armen um sich, der Schweiß bildtete sich auf der Stirn während der Atem stoßweise und keuchend ging. Wie von der Tarantel gestochen erwachte der Mann aus seinem Schlaf. Sein Herz pulsierte wie wild, obendrein pochte die Ader an seinem Hals.
Sven blickte neben sich, wo eine Frau ruhig atmend schlief. Ihre Brust hob und senkte sich regelmäßig. Zitternd hob er seine Hand und strich ihr sanft über das goldene Haar. Sie war so unschuldig, rein aber auch so naiv. Die Nacht war wunderschön gewesen, vor allem als er sie unter sich spürte. Ohne Zweifel verzehrte sie sich nach einem Mann der mit ihr das Lager teilte andem sie Gefallen fand. Aber bald würde ein anderer Mann mit ihr das Bett teilen. Im Bewusstsein das er ihn kannte zauberte sich ein unverhohlen ein bösartiges Lächeln auf sein Gesicht. Seufzend wollte er sich wieder zurückfallen lassen, als er sich an den Traum erinnerte der ihn aus seiner Ruhe geweckt hatte. Dunkle Gesichter überall Blut das von den Wänden floss und darunter ein schreiender Säugling. Nein jetzt konnte er nicht schlafen, denn der Gedanke wollte ihn nicht mehr freigeben.
Er erinnerte sich wieder, was vor Jahren passiert war. Erik kannte nur ein Teil dessen was wirklich vor Jahren sich ging. In all der Zeit hatte er gehofft, das ihn dies nicht mehr einholen würde, aber warum ausgerechnet heute Nacht?
Ein Rascheln regte sich wieder neben ihn, was ihn aus seinen versunkenen Gedanken riss. Gott möge mir dafür vergeben, sprach es in seinem Kopf. Er gab der jungen Dame einen Kuss auf die Stirn, lächelte ihr noch einmal zu und entfernte sich von ihr. Ihm war nicht nach einer Erklärung. Sie hatte gewusst worauf sie sich da eingelassen hatte, denn unter den Frauen war er als berüchtigt für seine Verführungskünste. Seine Hand langte nach seiner Kleidung die er so leise wie möglich überzog. Die Dunkelheit bot ihm reichlich Schutz, doch das Knarren der Türe in seinen Ohren war so laut, das er selbst glaubte die Glocken des Doms würden laut erschallen.
Seine Augen verengten sich zu einem schmalen Schlitz, die versuchten zu sehen ob das Mädchen erwacht war. Wie erhofft schlief sie noch immer. Etwas erleichtert schloß er sie hinter sich, ging den Gang entlang und betrachtete im schummrigen Kerzenlicht die Gemälde die mit einen angstauslösenden Ausdruck auf hin starrten. Eine Gänsehaut erstreckte sich über seinen ganzen Körper, als er unten Stimmen wahrnahm. Auf leisen Sohlen folgte er ihnen, bis sie endlich etwas deutlicher zu hören waren. Wie es schien ging es um die Verlobung von Svea, der Tochter des Earl. Was für ein Jammer, das sie jetzt keine Jungfrau mehr war, ging es grinsend über makelloses weißes Lächeln. Der junge Mann musste so schnell wie möglich aus dem Haus verschwinden, ansonsten hatte er eine Schwierigkeiten mit dem König persönlich,
Wieder in seine Angstlage zurück versetzt erfasste ihn erneut eine Panik. Es war der einzige Punkt in seinem Leben in den er seinen Gebieter verraten hatte. Hastig schlich er an der Wand gepresst entlang, er konnte nein er durfte sich jetzt damit nicht beschäftigen. Seine Hände schoben sich tastend durch die schummrige Dunkelheit. Schritte kamen immer näher. Vermutlich mochte dies die Leibwache des unfreiwilligen Gastgebers sein, deren Tochter er beschlafen hatte. Vorsichtig suchte Sven Schutz in der Ecke, aus deren dunkle Schatten klafften. In aller letzten Sekunde drückte er sich an die Wand, als der Soldat an ihm vorüber glitt. Eigentlich sollte er diese nächtlichen Streifzügen in Frauenzimmer lassen, aber die Lust war nunmal größer, als der Verstand.
Als der Wachmann um die Ecke gebogen war suchte er einen Ausgang. Seine Handfläche tastete nach etwas, als ein leises Knarren der Mauer ertönte. Unweigerlich durchfuhr ihn wieder ein weiterer Schock, der ihn befürchten lies, das man ihn erwischen konnte. Doch nichts geschah. Von nun an war der junge Edelmann auf seinen Tastsinn angewiesen. Denn hinter ihm verschloss sich das Gemäuer. An den Wänden tröpfelten kleine Wassertropfen. Die Steine waren von Moss bewachsen, doch die Stufen waren das weitaus schlimmere Übel.
Womöglich war dies ein alter Trakt des Schloßes, das einmal nur ein kleines Gutshaus vor hunderten von Jahren war. Die Abstände der Stufen waren unregelmäßig und ihm war so, als würden seine Füße unter ihm hinweg rutschen. Leise verfluchte er sich für seine Torheit nicht eine bessere Fluchtmöglichkeit gefunden zu haben. Es dauerte nicht mehr lange bis er das Ende des geschlängelten Pfades erreichte. Ein weiteres Mal tastete er an der Wand und sie schob sich zur Seite. Beinah war es so als ob Gott persönlich etwas gegen seine nächtlichen Streifzüge hatte. Der Morgen begann zu grauen, also blieb ihn nicht mehr ausgesprochen viel Zeit den Hof rechtzeitig zu erreichen. Eine frische kalte Böe gab ihm einen Schubs, die ihn beinah ins stolpern brachte. Leise wieherte sein Ross, als es mit den Hufen in der Erde vor Aufregung scharrte.
„Mein Kleiner ich bin ja hier. Wir sollten uns beeilen sonst denke ich werden wir ganz schön unter dem Zorn des Königs leiden“ Mit diesen Worten sprang er auf sein Pferd und preschte der Sonne entgegen zum Palast seines Gebieters.
~
„Wie in drei Teufels Namen kommt Ihr auf die Idee...“
Die Stimme des Königs war so laut erhoben, das sogar eine Bestie ihren Schwanz einziehen würde. Kleinlaut versuchte der Kirchenmann seinen Herrn zu besänftigen. Es war wieder soweit, das ihn einer seiner Günstlinge bitter enttäuschte. „Ich dulde derartiges Verhalten nicht an meinen Hofe“ Wütend schleuderte er den Weinkelch vom Tisch, sodass er klirrend zu Boden ging, wobei sich die kostbare rote Flüssigkeit verteilte.
Sven, der gerade um Einlass gebeten hatte, zuckte unwiderruflich zusammen. Er konnte die Stimme bis durch die dicke hölzerne Türe vernehmen. Vielleicht war es zu seinem besten, wenn er verschwand, aber das konnte er nicht, da die Wache ihn bereits angekündigt hatte.
„Seht zu das Ihr in den Griff bekommt oder ich werde mich seiner annehmen“
Das war mehr als deutlich genug. Mürrisch tauchte das Gesicht des Priesters vor seinen Augen auf. Beschäftigt bemerkte er ihn nicht. Wenn er ihm nicht ausgewichen wäre, wäre ein Zusammenstoß unvermeidlich gewesen. Stumm beobachtete er Evuard, wie er von dannen ging. „Ihr dürft nun zu seiner Majestät. Man erwartet Euch bereits“ Nervös blieb ihm ein Kloß im Halse stecken, dabei versuchte er ihn hinunter zu würgen. Die Türe krachte hinter im ins Schloß. Plötzlich überkam ihn ein bitteres Gefühl in einer Falle zu hocken. „Nun Sven ich habe mit dir eine dringliche Angelegenheit zu bereden.“
Erik winkte ihn heran, woraufhin der Edelmann so schüchtern wie ein Knabe seinem Befehl Folge leistete. „Was ist mit dir heute los? Du scheinst richtig verängstigt. Ist was geschehen von dem ich wissen sollte?“ Nervös wischte er sich mit dem Handrücken seine Stirn und schüttelte dabei verneinend seinen Kopf.
„Das ist jetzt aber auch nicht so wichtig. Du erinnerst dich bestimmt noch an Lady Hildegard?“ Stumm nickte ihm der Zuhöhrer, den er wusste nun was kommen würde. „Auch bestimmt das sie aus geheimnisvollen Gründen verstarb?“ Auch das wusste er. „Ich möchte das du für mich nach England reist. Ich habe vernommen, das Unruhen dort herrschen. Ich vermute es wird bald ein Bürgerkrieg ausbrechen.“
Sofort bekam er es mit der Angst zu tun. Ihm schwante was sein König mit ihm vorhatte und warum er das tun müsste. Dennoch machte er eine gute Miene zum bösen Spiel. „Du fragst dich jetzt bestimmt warum nicht war? Solange trage ich dieses Geheimnis auf meinen Schultern. Schon viel zu lange...“ Der König beugte sich zu ihm und flüsterte die Worte in sein Ohr, von denen er bereits etwas ahnte. „Wenn das Euer Wunsch ist, werde ich mich eurem Willen fügen. Aber warum?“
Erik verstand seine Frage nicht so Recht. „Was meinst du mit warum?“ „Warum gerade sie, wo Ihr doch...“ „Weil es besondere Umstände sind“ Damit gab man ihm zu verstehen, das es alles war, was er ihm sagen mochte. „Eine Woche gebe ich dir Zeit,damit du alles vorbereiten kannst. Lass mich wissen wenn du etwas benötigst“ Das Einzige was er jetzt benötigte, war ein starker Wein, der ihn dieses Gespräch für eine kurze Zeit vergessen lies. Sven verneigte sich vor ihm und wollte sich schon um alles kümmern, als man ihn aufhielt.
„Und noch etwas. Bei deiner Rückkehr wirst du dir ein Weib suchen, das du als Gemahlin nimmst. Ich kann mir keinen weiteren Fehltritte leisten.“ Innerlich bebend nun vor Wut, war seine Stimme unterdrückt, aber demütig. „Wie es Euch beliebt“ Der ältere Mann von beiden wurde jetzt etwas sanftmütiger. „Du kannst die Förmlichkeiten Beiseite lassen, solange es keine öffentlichen Anlässe gibt“ Das war ein seltene Ehre, dessen nur wenige Menschen besaßen. Grinsend wie ein Lausebengel sah er ihn an. „Wie du es wünscht“
~
„Haltet an“ Sein Brüllen wurde nur allein von dem Tosen des Sturmes übertönt. Der Wind pfiff um die Ohren. Die Pferde scheuten unwirklich auf, denn sie kamen durch den Gegendruck des elenden Sturmes, nicht voran. Sven stieg von seinem Ross, tätschelte es sanft an seinem Hals und entdeckte, das seine Männer ebenfalls des langen Marsches überdrüssig waren. Gewissermaßen konnte er sie verstehen. Der Auftrag der ihnen zugeteilt wurde, kam unerwartet. Es war weit ab von ihrer Heimat wobei sie nicht einmal den wahren Grund kannten. Allein das sie Loyalität gegenüber ihm empfanden, war der Anlass gewesen ihn zu begleiten. Ohne Zweifel gab es keine besseren Männer, denen er mehr trauen konnte. „My Lord...“
Der Hauptmann seines Gefolges wandte sein Pferd, zog kräftig seine Zügel und gab dem Tier die Flanke. Der Soldat verzog seine Miene Der unerbittliche Regen brannte bereits in seinen Augen. Die Rüstung war von Wasser durchtränkt. Es fühlte sich immer beschwerlicher an. Die Müdigkeit kroch langsam in alle Glieder, deshalb erfasste Sven einen Entschluss.
„Wir reiten bis zum Morgengrauen und suchen eine Gaststätte. Dort werden wir uns Ruhe gönnen. Und wenn ich Ruhe meine, dann meine ich Schlaf und nichts anderes Wir müssen weiter, auch wenn es Gott nicht gefallen möge. Es ist ein direkter Befehl unseres Gott gesalbten Herrschers.“ Sven seufzte schweren Herzens. Wenn er nicht soviel Liebe und Dankbarkeit empfinden würde, täte er dies hier nicht. Aber der weitaus wichtigere Grund, war das Geheimnis das sein Vater ihm anvertraut hatte. Manchmal wünschte er sich, er hätte eine geringere Last zu tragen.
Das gemeine Volk besaß die Freiheit zu entscheiden. Ein weiterer Gedanke führte ihn zu dem Schluss, das er da im Unrecht lag. Sie mussten ihre Familien versorgen, litten Hunger und trugen die Armut als Last auf ihren Schultern. Nichts schien im Leben einfach zu sein einfach nichts. Schweren Herzens schwang er sich auf, dabei deutete er seinen Soldaten es auch zu tun. Es würde eine lange Reise werden. Vielleicht sah er seine Heimat nie wieder.
Hause Featherstone, 2. März
Lucas überlebte seine schweren Verletzungen, denn er sollte nicht sterben. Worte die wie Geisterstimmen in seinen Ohren hallten verboten ihm dem Tod zu folgen und stattdessen dem Leben zu folgen. Aber seine Genesung zog sich hin und es war kaum Besserung in Sicht. Das ganze Haus war in einer tiefen Trauerstimmung, die nicht enden sollte, bis der Junge wieder auf den Beinen war. James sorgte dafür das seine Gemahlin ihren Sohn sehen konnte, aber er selbst wollte sie, wenn es nicht nötig war, nicht bei sich haben.
Der tiefe Kummer, das er noch einen Menschen verlieren konnte, machte ihm seine Sterblichkeit bitter bewusst. Eines Tages würde er durch die Hand des Todes empfangen werden, aber niemand sorgte für das Wohl seiner Hinterlassenschaften. Zu seinem Trost gesundete der zehnjährige Knabe, der sich durch den Unfall in seinem Wesen wandelte. Statt das er wie ein normales Kind sich seines Lebens erfreute und herumtollte, zog er sich in sich selbst zurück. Es war beinah so, als würde sein Sohn mehr tot als lebendig sein.
Er musste ihn wieder ins Leben holen, wo er hingehörte und nicht leben als wäre er tot. Das Knarren der Türe war nur ein leises Zischen, dessen schmaler Lichtstrahl in die Dunkelheit des kleinen Zimmers warf, indem sich kauernd auf dem Bett ein Kind befand. Das Gesicht war aschfahl, die Leuchtkraft in seinen Augen erloschen, während sich seine dünnen Fingerchen in seine Beine drückten. Sein Kopf regte sich, als er zu seinem Vater sah, der einen weiteren Versuch startete, ihn zu dem zu machen, wer er früher einmal war.
„Was willst du hier?“ kam es nörgelnd von dem Kind. Es klang unfreundlich und selbst die Etikette hielt er nicht mehr ein. All die Freundlichkeit, Respekt und Vernunft waren verschwunden. Er streckte seine Beine, setzte sich so hin, das seine Füße über den Boden wippten. „Du kannst nicht ewig in diesem Zimmer sitzen. Gott hat dir eine zweite Möglichkeit zu leben gegeben. verschleuder sie doch nicht.“ „
Hast du nichts anders zu sagen? War das jetzt alles?“
Wie sollte man einem Kind zeigen, das es Dinge gab für die es sich zu leben lohnt? Jetzt war er an dem Punkt angelangt indem seine Geduld seine Grenzen erreichte. Wütend vor Zorn packte er Lucas, warf ihn über seine Schultern, dennoch wehrte er sich mit heftigen Bewegungen. Es half alles kein Stück. Die Wolken die am Himmel vor sich hin schwebten, veränderten sich zu dichten Gewitterwolken, die donnerten, als würden sie jeden Moment wütend brüllen.
„Lass mich runter. Du sollst mich runter lassen..“
Der Gefallen bekam er aber nicht. Erst weit abseits des Gutes lies er ihn von seinen Schultern. Wütend ja gar scheumend vor Wut hämmerte er wie wild auf seinen Vater ein. Jedoch wich er rechtzeitig und geschickt seinen Schlägen aus. Schnell verlor er das Gleichgewicht, rutschte mit seinen Füßen weg und versuchte zugleich seine Handflächen auf die matschige Erde zu stützen. Nur zu dumm, das er so einfach wegrutschte, sodass sein Gesicht im Schlamm landete.
„So willst du mir zeigen, das du mich so sehr hasst? Du hast mich nicht einmal getroffen“
Das machte ihm nur noch erzürnter. Sein Vater blieb stehen und richtete sein Augenmerk auf etwas, was ihn nicht behagte. Das war seine Chance. Er rappelte sich auf, nahm Anlauf und warf sich mit dem ganzen Gewicht seines Körpers gegen den des älteren Mannes. Schlagartig ging er zu Boden. Aber was war los? War das ein Trick? Das Gesicht seines Vaters war vollkommen erblasst. Er rühte sich nicht mehr. „Vater?“
Seine Verzweiflung wurde groß. Nirgendwo war Blut zu entdecken, auch war er nicht verletzt. Aber warum rührte er sich nicht mehr? Warum gab er keinen Ton mehr von sich? „Sccchhhhtt..Schhhht.. mein Junge“ Er wollte ihn umarmen ja er wollte den Engeln und den Herrn im Himmel danken, das er ihm nichts getan hatte, jedoch nahm seine Freude eine schnelle Kehrtwendung. Am Horizont erkannten sie Reiter, die mit Galopp auf sie zu preschten. Wenn man genau hin sah, waren das keine gewöhnlichen Reiter, die nichts im Schilde führten, sondern Räuber. Das konnte man anhand ihrer Kleidung feststellen. Sie war zerlumpt, ihre Gesichter grimmig und da war noch etwas was er sich selbst nicht erklären konnte. Hinter ihnen trappte ein Esel mit einem Karren, der von einem Jungen geführt wurde, der in seinem Alter war.
Schnell stand James auf seinen Beinen, zog seinen Sohn hoch und packte ihn fest an seiner Hand. Schnell sehr schnell trugen seine Füße ihn voran, aber Lucas konnte nicht mehr Schritt halten. Er war dafür viel zu geschwächt. Ruckartig hielt er an, sodass der Knabe mit ihn zusammen prallte. „Sieh mich an mein Junge. Sieh mich an. Du musst so schnell es geht zu Cathy eilen. Ich fürchte hier bist du nicht sicher. Und versprich mir etwas. Näher dich in den nächsten Tagen unserem Haus. Hast du mich verstanden?“
Angsterfüllt blickte er seinen Vater in die Augen, die einen bedrohlichen Ausdruck angenommen hatten. Oder war es sogar Angst gewesen? Er vermochte es nicht zu erkennen. Dennoch erfüllte er den Wunsch seines Vaters. Ein letztes mal nahm er das Gesicht seines Sohnes in seine zittrigen Hände, gab ihm einen Kuss auf die Stirn ehe er zu seinem Gutshaus verschwand.
~
Endlich hatten sie ihr Ziel erreicht. Jack rieb sich schon freudig an seinen Händen. Er konnte es kaum noch erwarten. Es war nicht schwer gewesen, an die Informationen zu gelangen, nach denen er sich so sehr gesehnt hatte. Aber zu seinem Leidwesen stellte er fest, das der Ort, vor dem er vor Jahren gewesen war, völlig zerstört und niedergebrannt wurde. Kein Lebenszeichen von der Person die er suchte. Dennoch war ihm etwas zu Ohren gekommen. Das wollte er jetzt überprüfen. Immer weiter trieb er seine Reiterschar voran, hob die Hand, woraufhin seine Gefolgschaft halt machte. „Seht ihr dieses Haus dort unten? Heute nehmen wir uns alles was unser Herz begehrt. Tobt euch ruhig aus. Selbst mit den Weibern habt kein Mitleid. Doch der Mann..“
Er deutete auf eine Gestalt, die es eilig hatte, das Haus zu erreichen. „..er gehört mir“ Erwartungsfreudig gröllten die Männer, als sie ihren Pferden mit dem Fuß in die Seite traten. Nun konnte er endlich die Laune seiner getreuen Gefährten heben. Sie durften endlich ihre Gier nach Frauen, Blut und Bier stillen. Schnell gab er seinem Tier die Flanke. Tom musste zurück bleiben, da er sich einen Fehler erlaubt hatte. Wenn das Gemetzel beendet war, konnte er sich ruhig an den Resten begnügen. Die Pferde preschten an James vorbei, der verzweifelt versucht hatte seine Familie zu warnen. Viel zu schnell drangen sie in sein Heim ein. Er konnte gellende Schreie hören, die ihm an sein Ohr drangen. „Nicht so schnell mein Guter“
Ein Reiter kam ihm in die Quere und versperrte ihm den Weg. Mit einem Ausdruck der Verachtung preis gab, sah ihn der Bandit mit einem höhnischen Lächeln an. „Nicht so schnell mein Freundchen“ Ehe sich James es versah, hatte der Fremde seine Klinge gezogen und hielt sie an seine Kehle. „Wir können das gemütlich machen oder ich ziehe andere Seiten auf.“ Erwartungsgemäß ordnete er sich unter. „Was wollt ihr hier?“ „Ich hab nur eine Frage. Ich rate sie dir gut zu beantworten. Wenn ich so sehe...“ Deutete er mit seiner andren Hand in Richtung des Hauses. „...wie sehr sie sich vergnügen..“
Es war so ruhig. Zu still nur das Gelächter, der Banditen. „Wenn du nicht sterben willst sei etwas klüger“ Sarkasmus.. Zum Teufel noch mal..
Mit diesen Gedanken spuckte er ihm vor die Füße. „Hachherjee so wird das ja nie was.. Sag mir wo ist Sybilla?“ Mit einem Schlag wusste er wer der Mann vor ihm war. Eine Lawine von Wut, Hass und Zorn flog auf ihn ein. Nach all den Jahren hatte er sich tatsächlich noch einmal hergewagt. Er würde keinen Ton von sich geben. Niemals. Ein gellender Piff durchbrach die Stille. Es dauerte nicht lang, bis einer der Männer aus dem Haus kam und hinter sich eine schreiende Frau zerrten. Das Kleid war zerissen, der Unterrock entblösst und die Beine nackt. Blankes Entsetzen durchfuhr seinen Körper wie eine kalte Klinge die einen Kopf von seinem Rumpf löste. Er konnte, durfte nichts sagen. Selbst.. Ja eigentlich selbst wenn es das Leben seiner Familie bedeutete? War es das wirklich wert? Welches Leben zählte mehr? Das Janes und ihrer Mutter oder das seiner Frau und Töchter? Er blieb weiterhin stumm, dann strich der Mann mit seinem Finger entlang seiner Kehle, das bedeuten sollte, das sie töten sollte. Der Herz schlug bis zum Halse, während er tief schlucken musste. Das was dann folgte würde er nie vergessen....
~
Lucas lief so schnell seine Beine ihn trugen. Seine Seiten begannen zu stechen, das Atmen fiel ihm schwer, zugleich verliesen ihn seine Kräfte. Er durfte nicht versagen.. Mit einem Male blieb er plötzlich stehen. Was tat er da eigentlich? Er sollte seiner Familie helfen. Doch war ihnen geholfen, wenn sich ein Kind einmischte. Vielleicht brachte ihn diese Torheit nichts gutes. Der Junge könnte sich unnötig in Gefahr bringen, das seinen Vater womöglich das Leben kosten würde.
Aber das war ihm völlig egal. Er musste tun was ein Sohn tun musste. Auf dem halben Weg macht er kehrt. Es war seine Familie. Nichteinmal das Versprechen was er seinem Vater gegeben hatte, hielt ihn jetzt von seinen Entschluss ab. Als er schwer atmend, beinah am Ende seine Kräfte endlich sein zu Hause erreichte, brachen seine Knie ein. Heiße Tränen rannten seine kummervollen Wangen herab. Es hatte ihm regelrecht den Boden unter ihm hinweg. Das was er sah konnte er nicht in Worte fassen. Alles war zerstört. Zwei weibliche Leichen lagen blutverschmiert auf dem saftigen Grün. Er stürmte in das Haus. Alles war zerstört. Einfach alles... Schnell stürmte er die Treppen hinauf und drang in das Schlafzimmer seiner Eltern ein. Vor ihm erblickte er einen gebrochenen Mann, der vor dem ehelichen Bett kniete. Als er sich zu ihm drehte, konnte er jemanden sehen, dessen Leben aus ihm gewichen war.
Stumme Tränen benetzen das Gesicht, während er aschfahl stumm und abwesend ihn betrachteten. Vor Taubheit gepackt ging er zu ihm, legte seine Hand auf seine Schulter und richtete seine Augen auf das Bett. Von hinten umarmte er seinen Vater, drückte ihn so fest an sich, das er ihn nicht loslassen wollte, ja gar mochte. „Es tut mir so leid.. ich.. habe versagt..“
Schon komisch wie es klang, das er gebrochen war. Nie hatte er ihn in solch einer Trauer gesehen. Selbst konnte er nicht glauben, das er selbst so gefasst wirkte, auf das was vor ihn geschah. Seine Mutter lag nackt auf der Matratze, ihre Beine waren gespreizt und der Kopf war von den Schultern getrennt. „Hab ich nicht gesagt du sollst zu Cathy?“ „Aber ich..“ Ein Schlag traf ihn mitten in sein Gesicht und schmetterte ihn auf den kahlen Steinboden. „Du solltest das nicht sehen..“
Vor Zorn erbebt richtete seine Laune gegen ihn. Im Bewusstsein das er ihn verletzt hatte, stand Lucas wankend auf. „Richte nicht deinen Hass gegen mich. Vater ich lebe noch, weil du mich fortschicktest. Du bist das Einzige was mir noch bleibt. Die einzige Familie die ich noch hab...“ „Du irrst dich. Ich bin nicht deine einzige Familie. Du hast Cathy vergessen..“ Wie konnte er von Cathy sprechen? Selten in seinem Leben war er auf sie getroffen. Aber für seinen Vater war sie anscheinend wichtig. Warum das wusste er sich selbst nicht zu sagen. Kurzerhand drückte er ihm ein Pergament in seine Hände. „Bring es ihr und sie wird wissen was zu tun ist. Ich kümmere mich um etwas anderes. Ich muss mich um etwas anderes kümmern. Es erfordert dringlich meine Aufmerksamkeit. Tu bitte diesesmal warum ich dich gebeten hab. Wage es ja nicht sie zu öffnen..“ Dabei sah er nicht einmal an. Also tat er eben, das was ein gehorsamer Sohn tat. Ironischerweise musste er lächeln. Hatte er das nicht schon einmal gedacht?
Nottingham,
19. März-24.März
Haselnussbraune Augen blickten einem Land entgegen, das er noch nie gesehen hatte. Seine Hand schob sich durch die Mähne seines Hengstes der unwillig zu scheuen begann. Remes schien zu spüren das sein Reiter etwas unruhig wurde. Um sein Tier nicht noch mehr zu beunruhigen versuchte er Ruhe zu waren, indem er die Zügel fester oder eher strammer hielt. Seine warme und angenehme Stimme drang an das Ohr seines Streitrosses, das seine Ohren spitzte.
„Remes ganz ruhig..“
Langsam näherten sie sich der Stadt die den Namen Nottingham trug. Ihre Vorräte mussten wieder aufgestaut werden und deshalb orientierte man sich wo es sicher war und wo es Unruhen gab. Bisher hatte der Rittertrupp keine Übergriffe über sich ergehen lassen müssen. Aber bis zur Stadt war es fast noch ein halber Tagesritt. Wie aus dem Nichts stürmte ein Mädchen an ihnen vorbei und rannte um sein Leben. Ihre Kleider waren verschmutzt, ihre Arme und Beine zeigten schwere Verletzungen und offene Wunden die bluteten. Sie bemerkte die Reiter nicht. Erst als sie stolperte und versuchte sich auf zu rappeln. Aber es war schon so entkräftet, das es nicht mehr die Kraft dafür wieder hatte auf die Beine zu kommen. Sie hob ihren Kopf und als Sven ihre ängstlichen grünen Augen sah, saß er von seinem Pferd ab. Vorsichtig versuchte er sich ihr zu nähern, aber just im sleben Moment brach die zarte Gestalt zusammen.
Geräusche, Stimmen... und dann ein Aufblitzen einer Klinge, der auf den jungen Körper einschlagen wollte. Sven reagierte blitzschnell, zog sein Schwert und parierte den Schlag den das unschuldige Mädchen hätte treffen sollen. Überrascht taumelte sein Gegner zurück, der mit einer Gegenwehr nicht gerechnet hatte und schon gar nicht mit einem Ritter. Als er die dann auch noch bewaffneten Soldaten sah, weiteten sich seine Augen. Schlagartig pfiff er einen lauten grellen Ton der weitere seiner Schergen aus seinem Versteck riefen. Luvhard einer seiner Männer gab das Zeichen zum Angriff während er sich schützend vor seinen Herrn stellte, der das Kind behutsam in die Arme seines Knappen legte. Schnell stieg er auf seinen Hengst, der inzwischen voller Aufregung scheute, zügelte ihn und preschte nach vorne. Der Anführer der Truppe hatte sich inzwischen hinter seinen Leuten verschanzt, die drauf und dran waren ihr Leben zu verwirken. Klingen prallten auf die unbeugsamen Banditen ein. Erst als mehr als die Hälfte des Haufens niedergemäht worden war, gingen sie zum Rückzug über. Sven hatte sich das Gesicht des Anführers eingeprägt. Das schwarze wirre Haar, seine hervorstechenden Augen und seine Narbe die sich von seiner Wange bis zu seinem Auge hinaufzog. Dieser Mann war nicht nur ein einfach Waldstreuner, nein er hatte etwas von einem Söldner und er war sich ziemlich sicher das er in Auftrag von jemanden handelte. Ansonsten hätte er nicht seine halbe Schar verrückter weise auf seinen schwerbewaffneten Trupp gehetzt damit er entkommen konnte. Bestimmt würde er noch einen weiteren Versuch wagen ihnen das Kind zu entreißen. Vor allem wollte er wissen was es überhaupt auf sich hatte, das sie einem kleinen Mädchen hinterher jagten.
Seufzend schob er das Schwert zurück in seine Scheide und steuerte auf seinen Knappen zu, der noch immer das fast leblose Kind in seinen Armen hielt. „Wir sollten so schnell wie möglich hier verschwinden.“
Ein Mann mit langem weißen Bart beugte sich über das Mädchen, dessen Wunden er behandelt und verbunden hatte. Seine Hand berührte die heiße Stirn, die so glühend heiß war, das man sich die Hand verbrennen konnte. Seit Tagen versuchte er sie aus den Schlummer zu wecken, aber sie wachte nicht auf. Sven trat in den Hellen Raum und blickte auf das kleine fremde Wesen, das ihm in die Arme gelaufen war. Erst jetzt traf es ihn wie ein Blitzschlag. Wenn es die Person war von der es dachte das sie es war, hatte sein König zu Recht gehandelt. Was ihm jedoch mehr wundern würde, warum Stephan derart ihren Schutz vernachlässigte.
„Wie geht es ihr? Der Medikus wandte sich von dem Kind ab und sah in die Augen des Ritters.
„Es ist schwer zu sagen. Ich hätte schon vor zwei Tagen damit gerechnet, das sie ihr Leben aushaucht. Aber irgendwas hält sie hier auf Erden fest. Ich kann nicht sagen ob sie wieder aufwacht oder geschweigeden ob sie sich an irgendwas erinnert. Ich werde mein bestes tun, aber am Ende liegt es in den Händen unseres Herrn“
„Ich danke Euch für Eure Bemühungen....“ Sven öffnete seinen Lederbeutel und gab dem vier Silbermünzen. „Morgen früh werde ich nochmal nach ihr sehen. Am besten Ihr bleibt bei ihr. Sie braucht ein freundliches Gesicht wenn sie wieder ihre Augen öffnen sollte..“
„Als sie mich entführten, spürte ich eine aufkeimende Angst die mir die Sinne raubten. Jeder dieser Männer war furchteinflößend und ihre Blicke, die einige von ihnen mir zuwarfen, waren so aufdringlich, das ich um meine Unbescholtenheit fürchten musste. Das Einzige was ich den Anführer des Trupps jemals zugute kommen lies, war das er sie davon abhielt sich am mir zu vergreifen. Aber auch ihr Durst musste gestillt werden. Während sie mich stets nie unbewacht zurück liesen, überfielen sie immer wieder kleine Gruppen. Sie nahmen was sie sich wollten. Stillten ihren Hunger und Durst nach Blut und machten sich dann über wehrlose Frauen und Mädchen her. Abends gaben sie damit an, johlten und grölten. Einer von ihnen demonstrierte ausgiebig vor meinen Augen, wie er vergewaltigte und tötete. Ich habe diesen Anblick nie vergessen. Ich wollte hier weg, wollte endlich einen Fluchtversuch starten. Als sie wieder auszogen um einen Überfall zu beginnen, nahm ich meine Gelegenheit wahr. Die zwei Männer die mich bewachten waren von letzter Nacht noch recht benommen, als ich meine Fesseln an einem Felsen zerrieb. Als sie für einen Moment nicht auf mich achteten nahm ich meine Beine in die Hand und rannte um mein Leben. Tagelang irrte ich umher. Ich wusste nicht einmal wo ich mich befand. Dieser Wald war voller Tücken und diese Gestalten kannten sich hier aus. Tagelang verfolgten sie mich, als sie mich beinah wieder in ihren Fängen hatten sprang ich aus der Böschung und sah in die braunen Augen eines junges Ritters der mich mit einem freundlichen Blick bedachte. Aus reinem Reflex wollte ich wieder auf die Beine doch ich konnte nicht... Als ich wieder einen Versuch wagte umfingen mich die Arme der Dunkelheit....“
~
Der Regen prasselte nieder auf das Dach des Unterschlupfs der Ritterschar. Die Männer wurden langsam unruhig, also beauftragte er sie sich umzuhören und nebenbei der Auffüllung ihrer Vorräte zu sorgen. Er selbst hingegen war nicht von der Seite des Mädchens gewichen, die noch immer in tiefer Bewusstlosigkeit lag. Mittlerweile hatte er auch selbst die Hoffnung aufgegeben das sie aufwachte. Als er aufstehen wollte um sich einen kräftigen Schluck des Würzweines zu gönnen, girff sie nach seiner Hand. Langsam öffnete sie ihre Augenlider und als sie ihn ansah, konnte er nicht anders als von ihren grünen Augen, die wie ein wilder Sturm tobten, gefesselt zu sein.
Sie versuchte etwas zu sagen, aber aus ihren Lippen kam kein Ton. Beruhigend umfasste er ihre Hand und lächelte ihr sanft entgegen. „Ganz ruhig. Du bist in Sicherheit kleine Schönheit“
Vorsichtig schloss sie wieder ihre Augen, während sie wieder in den Schlummer gefallen war. Von draußen waren Schritte zu hören, die sich dem Zimmer näherten. Er wollte sich wieder entfernen, als ihre kleine zierliche Hand ihren Griff verstärkte. Ungewohnte warme Gefühle, die er noch nie so empfunden hatte drangen unwiderruflich auf ihn ein. Er wollte sie nicht mehr alleine lassen, sie beschützen, sie bei sich haben, dennoch musste er den Auftrag seines Herren erfüllen. Aber war nicht sie sein Auftrag gewesen? Womöglich irrte er sich sogar, vielleicht hatte sie auch nur eine verblüffende Ähnlichkeit mit Victoria. Denn der König hatte ihr einst etwas als Erkennungszeichen mitgegeben, als sie noch ein Neugeborenes war. Bisher hatte er aber keine Anhaltspunkte dafür gefunden. Zudem ging der König von England nicht soweit, das er seinen Schützling von königlichen Geblüt so unbeaufsichtigt lies. Er musste die Wahrheit herrausfinden. Musste an den könglichen Hof reiten um sich selbst zu überzeugen das Victoria in seiner Obhut war und das Kind hier nicht die Tochter seines Herrn war.
Leise klopfte es an seiner Tür, die sich sogleich öffnete. Luvhard trat gerade ein, als er seinen Anführer in einer ungewohnten Situation sah. Er hätte schwören können, wäre er ein Fremder gewesen, hätte er sie für Vater und Tochter gehalten.
„Was gibt es den?“ Svens stimme klang ungewohnt freundlich, aber dennoch gereizt.
„Es geht um den Banditen den...“ Der Mann ihm gegenüber brachte ihn zu schweigen, entzog sich dem Griff des jungen Geschöpfes und legte die Hand vorsichtig neben ihren Körper.
„Draußen nicht hier“
Dann ging er zu seinem Freund zog ihn mit sich und verschloss die Türe hinter sich.
„Was gibt es den?“
„Es heißt das er sich seit einigen Wochen hier aufhält und die Gegend in Unruhe versetzt. Vorher war er hier nicht bekannt. Mir scheint als würde er auf etwas oder jemanden warten. Verzeiht das ich es so ausdrücke aber dieses Mädchen scheint eine Geisel zu sein, die jemand in seinen Fängen haben möchte. Wir sollten uns nicht hier einmischen, ansonsten erregen wir zu viel Aufmerksamkeit. Wir sollten hier verschwinden und sie in der Obhut der Stadt lassen“
Sven gefiel der Vorschlag keineswegs und das brachte er auch zum Ausdruck.
„In zwei Tagen brechen wir auf und das Mädchen kommt mit. Irgendwas sagt mir, das das hier mehr als nur ein Zufall war.“ Wenn sein Herr sich einmal was in den Kopf gesetzt hatte, war er nicht mehr davon abzubringen. Dies war einer der Gründe warum seine Reiterscharr ihm so treu ergeben war.
„Also gut in zwei Tagen..“
~
Der Himmel klarte nach fast drei Tagen Regens endlich wieder auf, als die Sonne die dunklen Regenwolken verdränkte und wieder wärmend auf das junge Gesicht strahlte. Das Leuchten ihrer Augen wurde zu einem Strahlen, das selbst Engel die vom Himmel herblickten neidisch machen würde.
Sie erinnerte sich noch an jede einzelne Minute nach ihrem Erwachen. Die schummirge Dunkelheit die langsam dem Licht wich, verschwand, als die Augenlider sich langsam hoben. Verschwommen konnte sie vor sich zwei haselnussbraune Augen erkennen, die sie mit einer liebevollen Neugier anblickten. Auch sie wurde neugierig. Wer war der Mann? Sie hatte ihn schomal gesehen. Und langsam dämmerte es ihr. Dieser Mensch hatte ihr das Leben gerettet, als sie aus dem Wald gestürmt kam. Ein ungewöhnlich warmes Gefühl durchfloss ihre Seele, denn es war eine seltsame Vertrautheit, die sie beängstigend fand.
Als er nach ihrem Namen fragte, antwortete sie ganz ungebunden, das ihr Name Jane sei, Mehr wollte sie nicht preisgeben.
Die Worte die Anna zu ihr gesprochen hatte, das es um das Wohl Englands ging, wurden jetzt laut. Sie musste Verschwiegenheit bewahren. Seinerseits stellte er sich als ein faherender Ritter vor, der mit seinen treuen Freunden auf den Weg zum Hofe des Königs von England waren.
Mehr brauchte auch sie nicht zu wissen, der Mann hatte ihr immerhin das Leben gerettet.
„Kleine Lady“
Sven räusperte sich kurzerhand und reichte ihr lächelnd die Hand, damit sie sie ergreifen konnte. Sie errötete so schnell, das ihre Wangen glühten, doch sie versteckte sich nicht. Keineswegs wollte sie das. Stolz nahm sie die Hand des Ritters entgegen und musste sofort lächeln.
„Erstens Ihr habt recht ich bin zwar klein, aber keineswegs eine Dame. Zweitens verstehe ich fast jedes Wort was dort hinten geflüstert wird.
Ich bin zwar etwas körperlich angeschlagen, aber keinesfalls bin ich taub“
Unversehens war Luvhard einer der ersten die sie mit offenen Mund anstarrten. Auch die anderen taten es ihm nach und nicht zuletzt Sven, was sie nur zu einem herzlichen Lachen brachte. „Ihr solltet euer Gesicht sehen...“
Keiner wusste so recht wie er darauf reagieren sollte. Die ganze Zeit über hatten sie nicht englisch gesprochen, damit sie Dinge nicht verstehen konnte, die nicht für ihre Ohren bestimmt waren. Jedoch hatte sie ihnen jetzt einen Strich durch die Rechnung gemacht.
„Wo hast du den das gelernt?“
„Ich.. ähhh.. in einem Kloster..“ Dann biss sie sich auf die Lippen, da sie offensichtlich nicht mehr verraten wollte. Die gesamte Truppe fragte sich nun, was für welche Geheimnisse noch dieses Kind verbarg. Mit einem kräftigen Ruck zog er sie zu sich auf Remes hoch, legte einen Arm um ihre Tailie und gab dem Tier die Sporen, während sie durch die Stadttore ritten.
„Und wer weiß, vielleicht wird sie ja irgendwann seine Herzdame...“ meinte Luvhard neckisch. Sogleich stimmte Jane mit ein und nannte Sven „Ihren Ritter“ Worüber er nicht sehr erfreut war, da er dies absolut nicht witzig fand.
Aber er hatte keine Ahnung wie Recht sein alter Freund mit seiner Neckerei haben sollte...
Salisbury, 9.April
Früh morgens am Tag des Herren ging gerade die Sonne auf und färbte den Himmel in einem orangefarbenen Ton, als hätte Gott sein künstlerisches Talent am Horizont entfaltet. Gerade fingen die ersten Stunden des Tages an, als man in der Stadt die ersten Geräusche von arbeitsamen Bürgern und Untertanen, die ihren Werk nachgingen, hörten. Durch das Fenster fiel ein schwacher Sonnenstrahl, der direkt in die schon etwas schwachen Augen eines Mannes gelangte, der im Begriff war sich auf den bevorstehenden Gottesdienst vor zu bereiten. Eines der angenehmeren Pflichten seines Tages. Müde mit den Händen rubbelnd, versuchte das Licht wie eine lästige Fliege zu vertreiben. Was ihm wohl nicht gelingen würde, würde er seinen Standort nicht änderte. Schweren Herzens schlug er die Bibel, aus der einen Abschnitt vortragen wollte, zu und lies seinen Kammerherren zu sich kommen der ihn einkleidete.
Das weiße Leinenhemd schmeichelte sich sanft an seine Haut, während ihm ein schön bestickter Gürtel, an dessen Enden sich goldene Schellen befanden um die Hüften gelegt und gebunden wurde. Danach reichte man ihm die Stola und er legte sie um seinen Hals. Auf der linken und rechten Seite befanden sich gestickte Kreuze, die mit Goldfäden geformt wurden. Vorsichtig, ja gar bedächtig überkreuzte er beide Enden und schob sie unter dem Gürtel hindurch. Als dies erledigt war kleidete ihn sein Bediensteter in die Dalmatika ein die eins von zwei Überkleidern war. Diese Einkleideprozedur musste er jedesmal über sich ergehen lassen. Genervt stöhnte er auf. Er war ja nicht mehr der Jüngste.
Endlich kam es dem Ende zu, als er noch das letzte Altgaskleidungsstück, die Tunicella angezogen bekam. Aber da er heute eine Messe führen musste, kamen noch die zeremoniellen Kleider hinzu. Sowohl die Casula, die ein glockenförmiger roter Umhang war und die mit dem Pallium getragen wurde. Dies war eine mit Kreuzeszeichen geschmückten Binde, die über die Casula gelegt wurde. Und um das ganze noch zu vollenden bedeckte man sein Haupt mit der Rundkappe die ihn als Bischof auszeichnete. Nun war es soweit. Er betrachtete sich in den Spiegel, der vor ihm stand und sah einen erhabenen Mann, der vom Leben, der Liebe und Intrigen gekennzeichnet wurde. Stolz erhobenen Hauptes verlies er sein Gemach und widtmete sich dem was vor ihm lag.
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Der Klang des Kirchenchors wirkte noch immer in seinen Ohren nach und lies ihn noch etwas träumen. Versonnen tippte er mit seinen Fingern auf die glattpolierte Tischplatte. Er stand auf blickte aus dem Fenster, das einen trüben Blick auf die Stadt warf. Seine Augen richteten sich gegen den Himmel. Leise seufzte er auf.
Es war so, das er jetzt schon den zweiten König an der Macht sah, der versuchte seine Herrschaft in seinen Händen zu halten. Doch die Wirklichkeit sah etwas anders aus. Roger konnte sich noch an jenem Tag erinnern, als Stephan ihn frohlockte und versprach er würde sein halbes Königreich für ihn geben. Aber in Wahrheit wusste er, das Stephan daran dachte das er ihm Rangesgleich ansah. Für einen König war dies gleich bedeutsam, wie ein Dorn im Auge, der massiv störte und wenn man ihn nicht heraus zog, schlimme Schäden verursachen konnte.
Er musste über diesen Gedanken schmunzeln, da er nicht auf die Idee kam, das dieser Mann ihm gefährlich werden könnte.
„Eure Exzellenz“ eine Stimme drang an sein Ohr, die ihn jetzt aus seinen Tagträumen riss. Sein junger Kammerherr richtete sich auf und in seinen Gesicht lag der Glanz der Jugend, die erfrischend wirkte.
„Verzeiht das ich störe, aber ich habe etwas für Euch, das nach einer Antwort verlangt. Ein Eilbote der mir dies überbrachte, meinte es sei dringen...“
Die alten braunen mit gesprenkelten grauen pigmentierten Augen verengten sich zu einem schmalen Schlitz, der ein gefährliches Blitzen auftauchen lies. Etwas eingeschüchtert ging Michael zu seinem Herrn und übergab ihm das verschlossene Pergament. Tatsächlich es war das Siegel des Königs. Mit einem leichten Wink deutete er dem jungen Mann, das er sich zu entfernen hatte.
„Sorge dafür das unser Gast etwas zu Essen und zu trinken bekommt. Vorzugsweise findest du ein Quatier für ihn. Ich werde so schnell es mir möglich ist eine Antwort verfassen. Bis dahin muss er sich gedulden..“
Was hatte der Herrscher Englands nun wohl wieder vor? Seine Augen flogen über die Zeilen. „Sieh einer an eine Ratsversammlung...“
An eine Absage war da nicht zu denken, also formulierte er eine Antwort, die einem Herrscher würdig war.
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Michael machte sich um seinen Herrn langsam Sorgen. Wenn es nach ihm ging, sollte er sich endlich zu Ruhe setzen um seine Gesundheit zu schonen. Aber Roger war ein Mann der Kirche und vor allem ein kluger Politiker. Es machte ihn schon neugierig, was die hohen Herrschaften für Intrigen schmiedeten. Aber wenn die Gesundheit und der Körper darunter begannen zu leiden, was er an seinem Bischof erkennen konnte, schreckte er davor zurück.
Als er endlich in der Halle des Bischofpalastes kam, ging er zu den Boten und wies ihm ein Quatier zu. Nun musste er sich noch um die Bittsteller kümmern, die Sorgen mit sich brachten und besänftigte sie, das es noch ein bisschen dauern würde, bis er sie sprechen konnte. Dann eilten seine Beine in die Küche, damit auch für das Essen gesorgt wurde. Immerhin hatte er eine Anweisung der Speisen dem Koch zu überbringen.
Sehnsüchtig fieberte er jetzt schon den Abend entgegen, den da hatte er noch Zeit der Dame seines Herzens den Hof zu machen. Eine wahre Schönheit. Sie glich einem Engel mit ihrem seiden glatten goldblonden Harren, ihren hellblauen Augen und ihrer zierlichen fraulichen Figur.
„Na Kleiner schwebst wohl wieder mit deinem Gedanken bei deiner Liebsten?“ Der spöttische Tonfall seines besten Freundes, der sich gerade an die Wand gelehnt hatte und diebisch einen Schluck Wein trank, verärgerte ihn. Michael funkte ihn böse ja gar wütend an.
„Na und was geht’s dich an? Hmm..?“
„Ganz ruhig ist ja schon gut. Aber du solltest dich beeilen sonst nimmt sie dir noch jemand weg..“ Jetzt überspannte er den Bogen. Lyana war eine edle Dame von hoher Geburt und er war der Sohn eines einfachen Ritters, der das Glück hatte dem Bischof zu dienen.
„Du solltest besser mit deinen Worten aufpassen. Irgendwann nimmt’s dir noch jemand übel, der nicht so geduldig ist wie ich...“
Wutentbrannt sah er ihn an, wandte ihm den Rücken zu und verschwand aus der Küche. Manchmal fragte er sich warum er sich überhaupt mit ihm abgab. Immer wieder brachte er ihn Schwierigkeiten und wenn es nicht so war, dann ärgerte er ihn ohne Unterlass.
An der frischen Luft, wo er seine Wut entladen konnte, sah er das Mädchen das sein Herz höher schlagen lies. Mit einem nervösen Schritt wagte er sich näher heran. Doch was er sah lies alles in ihm zerbrechen. Die steinerne Säule hatte ihm den Blick verwehrte, denn er sah wie ein junge edler Herr ihr den Hof machte und sie ihn gewähren lies. Trübsinnig wandte er sich davon ab und schlenderte wieder hinauf zu seinen Bischof, der ihn bereits wieder erwartete.
Vorsichtig klopfte er an die schwere hölzerne Türe, die schwer stöhnte, als er sie öffnete. „Ah schön das du hier bist. Es gibt da eine Angelegenheit die du für mich erledigen musst. Dabei handelt es sich nicht um das Schriftstück das du mir heute von diesem Eilboten gebracht hast..“ Dabei winkte er mit seiner Hand ab, als sei es für ihn erledigt. „Nein mir schwebt da etwas anderes vor...“ leise murmelte er vor sich hin, als er wieder seinen Kopf hob und seine Augen Michael anstarrten, der etwas bekümmert und motivationslos aussah.
„Phillip wird dich als mein Kammerherrn vertreten, da ich in dieser Angelegenheit jemanden brauche den ich bedingungslos vertrauen kann..“ Michael sah in geradewegs mitten in sein Antlitz und er verstand das sein Gebieter es bitter ernst meinte.
Er legte eine eigen angefertigte gezeichnete Karte Englands und fuhr mit seinen schmalen etwas knochigen Zeigefinger darüber und hielt an einen gewissen Punkt. Er winkte ihn zu sich, als sich die Augen des Jünglings über den Fleck bewegten. „Dort wirst du einem gewissen James Featherstone begegnen. Ich wünsche ihn zu sprechen und das noch vor.. der Ratsversammlung des Königs... Gib ihm das hier.. “ Eine Pergamentrolle mit dem Siegelabdruck des Bischof von Salisbury glitt in seine Hand. „Und nun schick mir den ersten Bittsteller..“
Etwas unerfreud über das Geschehen des Tages verneigte er sich, ging aus den Raum, kam in die Halle und rief den ersten Bittsteller auf.
Castle Crosslow, Küste Englands, 23. April
Er stand vor dem Haus das einst sein Heim war. Nicht war mehr davon übrig, außer aufgewühlte Erde, verbannte Holzbalken, die langsam begonnen zu morschen. Eine seltsame erdrückende Atmospähre erfüllte die gesamte Umgebung. Stets hatte Peter sich eine andere Heimkehr vorgestellt. In seiner Phantasie sah er seine Frau vor sich wie sie seine kleine Jane umarmte sie sich langsam von ihrer Mutter löste und lachend auf ihn zustürmmte während eine frische Brise das Haar der Kleinen durch die Luft wirbelte. Er gab ihnen Geschenke die er von den Reisen mitbrachte. Aber all dies zerfiel zu Staub. Als Cathy ihm die Wahrheit erzählte, traute er ihren Worten nicht. Es war als würde er brutal aus einer Traumwelt in die Realität gerissen.
„Ich vermisse sie..“ Erklang eine Stimme von recht neben ihm. Es war der kleine Junge von James. Auch er hatte ein schlimmes Erlebnis hinter sich, indem er seine ganze Familie verloren hatte. Eines Abends kam er hereingestüzt und sah völlig elend aus. Seine sonst so blauen strahlenden Augen waren getrübt von Trauigkeit und Etnsetzen. An Armen und Beinen waren Spuren von Schlamm, Dreck und Ruß, das durch schmale Blutstriemen noch Ergänzung fand.
Sie trugen ihn zu Bett, pflegten ihn gesund. Das Schriftstück was sein Vater ihm mitgegeben hatte, enthielt eine Botschaft an den Brugherrn von Crosslow. Es verlieh ihm eine Stelle als Page, die er nun bald antreten musste.
Seit jenem Tag an dem Lucas schwer verletzt auftauchte, kümmerte sich er rührend um ihn. Und es war fast so. als hätte er ein neues Familienmitglied gewonnen. Aber das aller Herzerwärmmenste war, das sich der Junge rührend um Henry kümmerte, dem kleinen Jungen, den Cathy vor einiger Zeit zur Welt gebracht hatte. Es war so idyllisch. Aber eines Tages musste er sich der Wirklichkeit stellen. Und heute war der Tag gewesen.
„Ich vermisse sie auch...“ Dabei drückte er die Hand es Kindes und versuchte Tränen zu unterdrücken, die jeden Moment hervorbrechen wollten. Langsam näherten sie sich dem Grab, das vor kurzer Zeit von einem Priester geweiht worden war. Dort angekommen, kniete sich der schon etwas von Leben gebeutger Mann nieder und fing an zu beten. Demütig senkte er sein Haupt und legte sanft die Hand auf den erdenen Grabhügel auf den er eine Rose gab. Sanft spürte er die Hand des Knaben die auf seiner Schulter ruhte.
Als er sich erhob, atmete er tief auf. Nun war es an ihm das Kind sicher zu seinem künftigen Herrn zu bringen. Danach wollte er sich um Cathy und ihren Sohn kümmern. Es war noch die einzige Famile die er hatte. Und sollte dieser Bastard hier aufkreuzen, so würde er ihn bluten, ja leiden lassen.
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Lucas Hände umfassten zitternd Peters Hüften, als sie Richtung gen Südwesten ritten. Die Burg war nicht mehr außer Sicht, als sich das Tempo des Pferdes erhöte. Den Sturz von Cäsar hatte er nicht vergessen. Wochenlange Schmerzen und wochenlanges bettlägriges Fieber, das sich nur daran zu erfreuen schien um ihn zu quälen. Der Mann vor ihm spürte seine Angst und zügelte das Pferd. „Alles in Ordnung kleiner Mann?“
Den Namen hatte er ihm gegeben, weil der Junge selbst meine, er sei kein Kind mehr sondern ein Mann. Insgeheim fuhr ihm ein sanftes Lächeln damals über seine Lippen. Lucas hingegen, sah dies wie einen Kränkung. Die Wörter „Mann“ und „Klein“ passten einfach nicht zusammen.
„Es geht schon. Mach dir keine Gedanken. Je schneller wir da sind desto schneller bin ich runter von diesem Gaul..“
Warum er solch eine Panik vor dem Reiten hatte, wusste Peter einfach nicht. Es musste ihm etwas schreckliches passiert sein. Da das Tier in Galopp vor sich hintrappte, gab er ihm die Sporen und trieb es an. Tatsächlich brauchten sie nur einen viertel Tagesritt zur Burg.
Die vier Wachtürme erhoben sich wie meterdicke Säulen die in den Himmel ragten, mit den sich die Wehrmauern verbanden. Dazwichen bildeten sich der Zwinger, der sogenannte Freiraum zwischen den Wehrmauern. Rundherum befand sich ein Bruggraben, der mit metertiefen Wasser gefüllt war. Darüber zog sich die Zugbrücke, die von zwei schweren metallernen Ringketten gehalten wurde. Hin und wieder kamen ein Kaufmann, ein paar Bauern oder Soldaten hinein, der sich langsam zu einem regelrechten Strom entwickelte. Er versuchte sein Pferd hindurch zu manövrieren, was ich zusehends als Schwierigkeit erwies. Erst im Innenhof kam Peter zum stehen.
Er stieg vom Pferd herab und hob den Jungen herunter. Beide gingen zum Eingangstor in den Wohnbereich vor dem zwei Wachmänner standen. Eingeschüchtert blickte der Junge hinauf und bekam es mit der Angst zu tun.
„Wir sind hier um mit Lord von Crosslow zu sprechen..“ Er übergab der Wache das Schriftstück, die sofort damit forteilte. Mürrisch ja fast skeptisch lies er Andere die zwei Fremden nicht aus den Augen. Die Zeit streifte vorrüber und es dauerte schon beinahe einen halben Tag, während sich der Himmel über ihnen schon langsam verdunkelte. Erst dann erschien wieder der Posten, der vorhin veschwunden war.
„Er ist zurzeit nicht hier. Aber sein Sohn William lässt euch zu sich rufen. Ich darf bitten folgt mir.“ Erstaunt darüber, das die beiden eine Audienz bei dem Sohn des Herrn tatsächlich bekamen, obwohl er einiges um die Ohren hatte, lies ihn den anderen Wachmann zu Recht staunen. Waren das solch besondere Menschen?
Lucas und Peter fühlten sich zusehends immer unwohler, während sie die Treppen erklommen, bis sie in die herrschaftliche Halle gelangten. Ringsherum hangen die Flaggen des Königs Stephans in rubinroter Farbe auf der ein halber Löwe und ein halber Bogenschütze miteinander verbunden war. In der Mitte des Raumes befand sich ein hölzerner Thorn, auf dem ein junger Mann saß. Er hatte dunkelblondes kurzes, aber wildes Haar. Seine grauen Augen richteten sich sofort auf die Gestalten, die mit dem Wachposten den Raum betraten. Er hob die Hand und ringsherum verstummte alles.
„Tretet näher..“
Etwas ängstlich gingen sie auf ihn zu, den er hatte eine imposante Wirkung auf sie. Beide gingen in die Knie und verneigten sich.
„Das Schriftstück was ich hier in meinen Händen halte, besagt das...“ und er zeigte mit dem Finger auf das Kind das vor ihm kniete. „.. du der Page meines Vaters werden solltest. Ich frage mich warum in aller Welt das der Fall sein sollte. Ihr habt nicht einmal blaues Geblüt und seid nicht einmal würdig unter ihm als Page zu dienen.. Zumal er schon einen hat und an König Stephans Seite in den Kampf gezogen ist. Die einzige Möglichkeit besteht nur noch darin, das du unter meine Fittiche kommst. Nenne mir Gründe warum ich das tun sollte..“ Dabei erwähnte er natürlich nicht das er keine andere Wahl hatte, als ihn aufzunehmen, da es ein Befehl von ganz oben war.
Lucas erhob sich und starrte in die wissenden grauen Augen. Er wusste nicht was er antworten sollte und überlegte und überlegte und überlegte...
Das Kind war sichtlich völlig überrascht ja gar völlig überrumpelt. Doch dann erinnerte er sich, was vor nicht allzulanger Zeit passiert war.
„Mir wäre es eine Ehre und mein Wunsch unter Euch dienen zu dürfen um das Handwerk des Ritters zu erlernen. Mein Beweggrund hierfür ist, das neulich ein Überfall auf dem Landsitz meines Vaters stattgefunden hat, der unter eurem Schutz stand. Meine gesamte Familie bis auf meinen geliebten Vater wurde brutalst hingerichtet. Das Grundstück geplündert und gebrandschatzt. Mein Wille ist es in Zukunft solche Überfälle soweit es möglich ist zu verhindern... Niemand sollte soetwas grausames erleben, da der Krieg seine Spur durch unser geliebtes England führt....“ Peter war von der Rede des Jungen beeindruckt, aber William gab sich noch beeindruckter.
Dieser Junge war augenscheinlich noch keine zehn Jahre jung, kam nicht aus dem Adel und hatte einen kluge eindrucksvolle Rede gehalten.
Er winkte jemanden zu sich, flüsterte ihm etwas ins Ohr, woraufhin Lucas angedeutet wurde, das er einem Bewaffneten folgen sollte, der gerade in den Saal gekommen war. Indes wandte sich William Peter zu, der noch immer vor ihm kniete. „Ich nehme an du hast dich um den Jungen gekümmert seit jenem Tag nicht wahr?“
Stumm hob er seinen Kopf und antwortete mit einem klaren „Ja“
„Nun denn..“ Er stand auf und gab ihm etwas ihn die Hand. „Überbringt das seinem Vater, wenn ihr ihm wieder begegnet. Lord Crosslow übergab es mir mit dem Wissen, das jemand eines Tages hier auftauchen würde mit einem besonderen Anliegen...“
Also wusste er schon etwa im Vorhinein Bescheid. Hier hatte er es mit einem schlauen und listigen Mann zu tun. Anscheinend hatte er den Wunsch gehegt den Knaben einer Prüfung zu unterziehen, die er wohl bestanden haben musste.
„Bevor Ihr mich noch verlasst, wird Klaus..“ und er deutete einem Höfling der zur seiner Rechten stand „..an euch eine Entschädigung für das Kind überreichen..“ Das war durchaus nicht üblich. „Und damit geht mit Gott“
Fortsetzung folgt....
Texte: by Daniela Suchan
Tag der Veröffentlichung: 01.10.2012
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