Ein angenehm warmer Sommerwind strich Mike durch die Haare, er fühlte sich so leicht, dass er befürchtete jeden Moment abzuheben. Es war nun schon fast ein Jahr her, seit die Sache mit dem Virus passiert war. Er hatte alle seine Eltern und Verwandten durch die Epidemie verloren. Die Folgen auf der ganzen Erde waren katastrophal gewesen: Nahezu zwei Drittel der Bevölkerung hatten nicht überlebt. Die ganze Technologie war weg und Musik und Kino war nur noch nebensächlicher Quatsch, der nichts mehr mit ihrem Leben zu tun hatte.
Mike lebte jetzt mit Gwen und Dwayne, seinen besten Freunden, auf der Farm seiner Großeltern. Bis dahin war die Sache noch erträglich gewesen und verständlich, doch was dann passierte, war so unwirklich, dass sich Mike nach einem Jahr immer noch nicht sicher war, ob er das nicht alles nur geträumt hatte. Seine Hand glitt unbewusst zu dem silbernen Amulett mit dem schwarzen Stein, das Elijah ihm beim Abschied geschenkt hatte. Nein! Das alles war wirklich passiert!
Mike sah hinüber zu Gwen und Dwayne, die verliebt tuschelten. Seine Gedanken schweiften wieder ab, was war nicht alles passiert und keiner außer ihnen schien sich daran zu erinnern! Mit einem leisen Seufzer dachte er an Elijah, mit dem überhaupt alles angefangen hatte.
Sehnsüchtig blickte er hinein in den Wald, wie gerne würde er ihn wiedersehen …
„Hey du Träumer!“ riss ihn Gwen aus seinen Gedanken. „Was denkst du gerade?“
„Ach nichts, an früher eben ...“
„Ich versteh dich, geht mir genauso, ich wache immer noch schweißnass auf. Ich träume immer noch ständig davon. Es kommt mir so vor, als wäre es erst gestern gewesen.“
Doch Mike schien es, als sei alles schon Jahre her.
Mittlerweile war es Abend geworden und die drei Freunde sahen zu, wie die Sonne langsam hinter dem Horizont verschwand. Plötzlich hob sich ein Schatten hervor. Es war ein Reiter, nichts Besonderes eigentlich in diesen Tagen, denn irgendwann war auch das Benzin versiegt. Aber Mike sprang auf: „Ist das Elijah, könnt ihr das erkennen?“ Sein Herz klopfte vor Aufregung und Vorfreude.
Es war nicht Elijah, aber jemand, der ihm erstaunlich ähnlich sah. Cirdan war ein ganzes Stück größer als Elijah, doch die Augen waren es, was sein Gesicht ausmachte. Diese strahlend blauen Augen. Jedoch war Cirdan blond und er war wahrscheinlich jünger, als sein Bruder.
„Wie lange bist du schon unterwegs?“, fragte Dwayne, als sie es sich in der Wohnküche gemütlich gemacht hatten.
„Ich habe den ganzen Tag gebraucht, aber es war ein ausdrücklicher Wunsch von König Balan. Denn in zwei Tagen findet ein großes Turnier statt, das Erste, seit Elijah ... ach, das soll er euch doch selbst erzählen.“ Cirdan grinste wissend.
„Und wir sollen da kommen? Hab ich das richtig verstanden?“ fragte Gwen aufgeregt.
„Genau, allerdings müssen wir schon morgen aufbrechen, wenn es euch nichts ausmacht“, meinte Cirdan.
„Ach, du reitest und wir latschen nebenher, oder was?“, sagte Mike.
„Was hast du denn, draußen stehen doch eure Pferde.“ Cirdan schaute ganz unschuldig.
„Tatsächlich! Seht mal, das sind genau die, die wir ...“ meinte Gwen.
„Die wir letztes Jahr geritten sind!“ vollendete Dwayne den Satz.
„Worauf warten wir noch, ich könnte gleich losreiten!“, rief Gwen und ihre Augen glänzten.
Mike verdrehte die Augen, wenn er daran dachte, was für einen Muskelkater er noch drei Wochen nach seinem letzten Ritt gehabt hatte. Aber auch er freute sich darauf seinen Freund wiederzusehen und vor allem, was er denn zu erzählen hatte.
„Dieses Mal müssen wir durch das andere Tor, mit den Pferden ist das im Wald nicht sehr geeignet.“ Cirdan und die drei Freunde waren nun schon den halben Tag geritten, als sie die erste Pause machten.
„Wie weit ist es jetzt noch?“, wollte Mike wissen, denn ihm tat schon wieder jeder einzelne Knochen weh.
„Wie müssen noch durchs Tor, ich schätze, dass wir bis Sonnenuntergang bei der Burg sind.“
Eine Weile später waren sie an einem großen Fluss angelangt. Das Rauschen und Gurgeln war so laut, dass Mike nicht einmal mehr sein eigenes Wort verstand. Doch es schien nichts mehr zu erklären zu geben. Sie folgten Cirdan durch den Fluss und sie bemerkten nicht die leiseste Veränderung, nur einmal, als Mike sich umwandte, sah er, dass er die Ausläufer der Stadt nicht mehr sehen konnte.
„Willkommen in Garet“, sagte Cirdan feierlich, als sie in der Abenddämmerung die große Burg erreichten, die sie zwar schon einmal betreten hatten, aber wie jetzt, bei Nacht, sodass sie nichts erkennen konnten. Unten ritten sie über die Zugbrücke durchs Tor, wo sie von Elijah empfangen wurden.
„Da seid ihr ja endlich! Wieso habt ihr so lange gebraucht?“
„Nette Begrüßung Bruderherz! Und ihr seid sicher, dass ihr mit Elijah befreundet seid?“ rief Cirdan und lachte.
Mike, Gwen und Dwayne stiegen ab. Weil sie sich nun schon so lange nicht mehr gesehen hatte, gab es natürlich jede Menge zu erzählen und jeder wollte Elijah alles als Erster erzählen, sodass er von einer Flut durcheinander geworfener Sätze nur die Hälfte oder überhaupt nichts verstand.
„Schon gut, schon gut, wir haben doch Zeit, nicht alle auf einmal, ich versteh kein Wort!“, meinte Elijah und lächelte. „Am besten ruht ihr euch erstmal aus und zieht euch um, ich hab da schon was ausgesucht. Ich zeig euch eure Zimmer.“
„Wow, das ist ja spitzenklasse!“ Mike sah sich um. Das Zimmer war riesig, mit einem großen Kamin, in dem schon ein warmes Feuer prasselte und das Bett war so weich, dass er am liebsten vor dem Essen ein paar Stunden geschlafen hätte, doch Elijah hatte ihnen schon erklärt, dass König Balan keine Verspätung duldete, also verschob Mike sein Nickerchen auf später. Die Sachen, die Elijah ausgesucht hatte, passten wie angegossen und er sah in ihnen richtig edel aus, ganz so, als gehörte er in diese Welt. Das Einzige, was ihn an den Klamotten nicht gefiel, war das Schwert, das wie selbstverständlich am Gürtel hing, als ob man jeden Moment überfallen werden könnte.
„Bist du fertig?“, fragte Dwayne draußen vor der Tür.
„Komme gleich.“ Mike warf noch einen letzten Blick auf sein Spiegelbild und trat dann heraus auf den mit Fackeln beleuchteten Gang, wo schon Elijah und Dwayne warteten. Sie folgten Elijah bis zu einer Tür, wo sie auf Gwen warteten. Als die Tür sich endlich öffnete, traute Dwayne seinen Augen nicht: „Gwen, bist du das?“ Gwen trug ein smaragdgrünes Samtkleid, das fast bis zum Boden reichte. Außerdem waren ihre Haare zu einer aufwendigen Frisur geflochten worden.
„Wenn du mal endlich deinen Mund wieder zumachst, können wir gehn!“, meinte Gwen und lachte.
„Na, ausgeschlafen, Mike?“, fragte Elijah mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht.
„Nee und der Kopf brummt immer noch, was habt ihr denn für Wein?“, jammerte er am Frühstückstisch.
„Tja, wenn man nichts aushält ...“, meinte Dwayne boshaft.
„Ach lasst den armen Mike doch in Ruhe, das bringt doch eh nichts.“ warf Gwen ein und lächelte ihn an.
„Nun, was hast du für uns geplant, haben wir irgendwas vor?“, wollte Mike wissen.
„Ich dachte, wir könnten nen Ausritt machen und ich zeig euch Garet zur Abwechslung mal bei Tage.“
„Gute Idee. Bisher haben wir ja nicht viel von deinem Land gesehen. Wann geht's los?“, freute sich Gwen.
Mike stöhnte nur auf. Schon wieder reiten?
„Wenn ihr wollt, gleich nach dem Frühstück.“
Laute Stimmen drangen aus dem Raum nebenan. Die eine Stimme gehörte Cirdan, das wusste Mike genau, aber wer war die andere?
„Wer streitet denn bei euch so laut“, fragte er Elijah.
„Ach, das sind nur Cirdan und Rowena. Sie ist ihm versprochen, seit sie Kinder waren, aber sie streiten oft.“ erklärte Elijah grinsend „Aber auch bei uns gilt das Sprichwort ’Was sich liebt, das neckt sich ‘und ich denke, dass die beiden sich im Grunde sehr gerne haben, aber sie selbst wissen das noch nicht.“
„Cirdan hat da was angedeutet, das du uns erzählen willst ...“, wechselte Dwayne das Thema.
„Typisch, nichts kann er für sich behalten! Aber was das ist, werdet ihr schon noch früh genug erfahren. Heute steht erst einmal Landschaftsbesichtigung an.“ Elijah gab sich weiter geheimniskrämerisch.
Aber eigentlich reichte es Mike schon, nur in seiner Nähe zu sein.
*
Als Mike am nächsten Morgen aufwachte, schien die Sonne in sein Gesicht und er stand auf und stellte sich ans Fenster. Der Hof unten glich einem Ameisenhaufen: Viele Leute liefen leicht unkoordiniert rum und schleppten Stoffe, Stühle und unzählige andere Dinge hin und her, außerdem trafen immer wieder ganze Abordnungen von Rittern ein, die am Turnier teilnehmen wollten. Und mitten in diesem Getümmel stand Elijah und schickte Diener umher, half Hofdamen von ihren Pferden ... jedenfalls war er vollauf beschäftigt. Er winkte ihm von unten herauf und Mike beschloss sich gleich ins Getümmel zu stürzen, denn schließlich fand so etwas nicht jeden Tag statt.
Das Turnier begann am späten Vormittag und fand an einem extra dafür hergerichteten Platz statt. Mike, Gwen und Dwayne saßen auf der Ehrentribüne und fühlten sich nicht wirklich wohl, vor allem nicht, nachdem sie als Helden geehrt wurden, und waren froh, als der erste Kampf endlich begann. Die beiden Kontrahenten prallten mit einem lauten Knall aufeinander und wurden beide vom Pferd gerissen. Die Zuschauer jubelten, als einer der beiden sich erhob und sein Schwert aus der Scheide zog. Mike fragte sich, ob das ein Kampf, um Leben und Tod war. Doch zum Glück war es das nicht, denn schon bald gab einer der beiden auf. Plötzlich ließ eine Durchsage Gwen, Dwayne und Mike aufhorchen: „Als Nächstes werden sich Sir Elijah von Garet und Sir Mordred von Pyronne im Kampf messen.“
Sir hatte der Mann gesagt. Das hieß ja, dass Elijah tatsächlich zum Ritter geschlagen worden war.
Elijah und kämpfen, das passte ja überhaupt nicht zusammen! Erstaunt sahen sich die Drei an und etwas nervös blickten sie auf das Feld, wo nun die Ritter auf ihren Pferden ankamen. Mike stockte der Atem. Das war definitiv nicht der Elijah, wie er ihn kannte, wie ein stolzer Prinz saß er auf Blizzard, seinem Rappen und hob den Kopf. Cirdan reichte seinem Bruder die Lanze. Anscheinend war er sein Knappe, was Mike noch mehr erstaunte, weil Cirdan nicht gerade der Typ Mensch war, der einem anderen diente. Nun wendete er sich aber dem Kampf zu und verscheuchte seine Gedanken, um sie allein auf Elijah und das Turnier zu konzentrieren.
Blizzard schnaubte und scharrte mit seinen Hufen im Sand. Elijah beobachtete seinen Gegner auf der anderen Seite des Feldes. Er trug einen Helm, weshalb er den Reiter nicht erkennen konnte. Cirdan reichte ihm die Lanze.
„Viel Glück!“
„Danke, ich werde es brauchen.“
Elijah baute sich mit Blizzard auf und setzte die Waffe richtig an. Auf ein Zeichen des Königs begann der Kampf. Der Gegner und sein Pferd preschten in einer unglaublichen Geschwindigkeit los und auch Elijah trieb sein Reittier an. Auf der Mitte des Feldes trafen sie aufeinander. Elijahs Arm zitterte beim Aufprall seiner Lanze und fast wäre er hinuntergefallen, doch er konnte sein Gleichgewicht halten. Die Menge jubelte. Beide Reiter waren auf ihren Pferden geblieben, also mussten sie zum Nahkampf übergehen. Elijah zog sein Schwert aus der Scheide.
„Willst du nicht lieber aufgeben?“, rief Mordred höhnisch. „Ich will dich nicht verletzen!“
„Das hättest du wohl gerne! “
„Wie du willst, aber ich habe dich gewarnt.“ Der blanke Hass schien aus seinen Augen, es war klar, dass er es ernst meinte, das war ein Kampf auf Leben und Tod und Elijah wusste das. Auch Mordred zog jetzt sein Schwert und sie kreuzten erbittert die Klingen. Doch sie waren gleich stark, warteten nur auf den Fehler des anderen.
„Sir Mordred, Sir Elijah, dies ist ein Turnier, keine Schlacht und wir wollen keine Toten, nun gebt euch die Hände. Ich erkläre diesen Kampf für unentschieden!“ erhob König Balan seine Stimme.
Mordred fluchte zwar leise, doch gab er Elijah widerwillig die Hand. Aus beiden Augenpaaren sprach der blanke Hass.
„Irgendwann erwische ich dich, verlass dich drauf!“ zischte Mordred leise, sodass nur Elijah ihn hören konnte.
„Pass nur auf, dass ich dich nicht zuerst erwische!“ gab Elijah ebenso leise zurück.
„Warum hast du ihn nicht fertiggemacht, ich weiß doch, dass du’ s kannst?“, fragte Cirdan, während er Elijah half die Rüstung abzunehmen.
„Ich kann das nicht, das würde nur eine neue Fehde heraufbeschwören, jetzt nachdem endlich mal ein bisschen Friede eingekehrt ist.“
„Mordred ist ein Mistkäfer, du hättest ihn umbringen sollen, als du damals die Gelegenheit gehabt hast. Du wirst das nochmal bereuen.“
„Kann sein, aber vielleicht ist es besser so, aber jetzt lass uns zum Fest gehen. Rowena wartet bestimmt schon auf dich.“ Elijah lachte.
„Ach, hör auf mit Rowena.“
*
Das Fest war noch im vollem Gange, als Elijah sich verabschiedete und in die Bibliothek zurückzog. Der Kampf mit Mordred hatte Erinnerungen geweckt, die er schon lange verdrängt hatte ...
„Elijah hast du das gesehen, der Falke hört auf mich!“, rief Mordred begeistert. Wie so oft in diesen Tagen hatte der ein Jahr ältere Mordred mit seinem Falken geübt, den er von König Balan zum Geburtstag bekommen hatte. Elijah betrachtete den Freund mit gemischten Gefühlen. Einerseits waren sie die besten Freunde, doch andererseits waren sie so grundverschieden, wie es Menschen nur sein können. Seit Elijah Knappe auf Burg Garet war, hatte sich Mordred um ihn gekümmert. Wenn kein Turnier anstand, hatten sie nichts zu tun und übten sich im Schwertkampf und im Bogenschießen, wo Elijah durchaus mehr Talent erkennen ließ, was Mordred schon immer beneidet hatte und doch war Elijah nicht so kriegsbegeistert wie sein Freund. Im Gegensatz zu Elijah wartete Mordred mit Ungeduld auf den Tag, an dem er zum ersten Mal in den Krieg ziehen sollte.
Eines Tages kam ein einzelner Bote auf das Schloss, der aufgeregt von einem Überfall auf ein Dorf erzählte. Der damals noch junge König Balan rief die besten Ritter des Landes zusammen, zu denen auch Elijahs Vater Simon, der Bruder des Königs, zählte. Mordred war sofort Feuer und Flamme in den Kampf mitzugehen, doch der König verbot es. Doch Mordred war so besessen von der Idee, dass er sich verkleidet mit auf den Weg machen wollte:
„Tu das nicht, was ist, wenn dir was passiert?“ versuchte Elijah ihn zu überzeugen.
„Du bist ein Feigling! Ich will dem König zu etwas nütze sein. Diese Trainingskämpfe mit Holzschwertern habe ich gründlich satt, ich will ein richtiger Ritter werden und so komme ich sicher schneller ans Ziel.“ Mordred verzog sein Gesicht zu einem Lächeln. „Willst du nicht auch mitkommen, dein Vater ist bestimmt stolz auf dich, wenn du mitkommst.“
„Ich weiß nicht, der König hat es verboten.“
„Du hörst dich an wie ein Mädchen!“
„Ich komme mit, wenn du versprichst, dass wir nur zusehen.“
Mordred willigte ein und wenig später ritten sie als Letzte in schwarze Mäntel gekleidet in dem Zug.
Schon von Weitem konnten sie das Feuer über den Dächern lodern sehen. Hunderte Stimmen verschmolzen zu einem Schreckenslaut. Elijah zügelte sein Pferd. „Du hast es versprochen, Mordred“, sagte er zu seinem Freund, doch als er zur Seite blickte, war Mordred schon mit den anderen Männern in das brennende Dorf geritten.
Mordred blickte sich um und stürzte sich auf den nächstbesten Angreifer, den er vom Pferd herunter leicht besiegen konnte. Er sah sich um und erblickte ein großes Haus. Es war das Schönste weit und breit. Da ist sicher eine Menge zu holen, wir können nicht alles dem Feind oder dem Feuer überlassen, dachte er und stieg von seinem Pferd ab, überquerte die Straße und ging in das Haus. Tatsächlich musste es zweifellos reichen Leuten gehören, doch Mordred hatte keine Skrupel einiges mitzunehmen. Plötzlich krachte es über ihm. Das Feuer! Er hatte es ganz vergessen. Panisch rannte er die Treppe hinunter. Unten stand schon alles in Brand. Der Rauch trieb ihm Tränen in die Augen und er sah keinen Ausweg. Verzweifelt rief er um Hilfe, doch niemand schien es zu bemerken. Er gab die Hoffnung auf. Für einen Moment dachte er, er würde sterben, doch dann hörte er durch den Rauch eine Stimme. Mordred kannte sie, es war Simon, Elijahs Vater, er war gerettet. „Mordred bist du das? Wo bist du?“
„Ich bin hier!“, rief er und wurde gleich von einem neuen Hustenanfall geschüttelt. Durch das Flammenmeer konnte er Simon erkennen. Er war so schwach, dass Simon ihn stützen musste. Alles begann einzustürzen. „Raus hier! Lauf Mordred!“ rief Simon ihm zu und er rannte, so schnell es eben ging zur Tür. Auf einmal hörte er einen Schrei. „Simon!“ Mordred drehte sich um. Simon steckte irgendwie fest. „Nun lauf schon!“, rief er. Mordred lief und ein paar Sekunden später stürzte das gesamte Haus in sich zusammen.
Die Feinde liefen wie die Hasen, während die noch lebenden Bewohner des Dorfes das Feuer langsam unter Kontrolle brachten. Die Truppe des Königs half mit und sie versuchten alles Brauchbare aus den Ruinen zu bergen.
„Seht nur!“, rief einer der Männer. „Das ist Simons Schwert!“
„Wir müssen es König Balan berichten.“
„Kann einer der Männer berichten, wie es geschehen ist?“, fragte der König.
„Ich.“ erhob Mordred seine Stimme.
„Mordred? Ich hatte dir doch verboten zu gehen!“ Balan war wirklich verärgert. „Nun denn, rede Knappe.“
„Simon war gerade dabei das Haus zu plündern und ich habe ihn dabei überrascht. Er hatte den Schmuck noch in den Händen. Ich wollte ihn zur Vernunft bringen, doch er hat mich angegriffen, ich konnte mich gerade noch retten. Und dann ist das Haus zusammengestürzt.“
„Du lügst!“, rief Elijah plötzlich verzweifelt. Fassungslos hatte er gehört, was Mordred über seinen Vater sagte. „So etwas würde er niemals tun.“
„Wenn ich es euch sage, Simon war ein Dieb.“
Stumm rannen ihm Tränen über die Wangen. Nach seiner Mutter hatte er nun auch seinen Vater verloren. Bei ihm standen noch Cirdan, sein jüngerer Bruder und Erec, der Älteste der drei Brüder. Erec stand schon im Dienst eines anderen Ritters und war eigens zur Bestattung seines Vaters angereist. Doch keinen der Drei schien es so zu berühren wie Elijah. Cirdan war noch zu klein, um alles zu verstehen und Erec hatte nie ein besonders gutes Verhältnis zu seinem Vater gehabt und er reiste auch schon bald wieder ab. Cirdan und er blieben bei ihrem Onkel, dem König, wo sie beide wie seine Söhne aufwuchsen.
Elijah hatte nie beweisen können, dass Mordred log, denn nur er hatte einmal das Gespräch zwischen Mordred und seinen neuen Freunden Dion und Dior, den beiden Zwillingen, belauscht.
„Sag mal, ist das wahr, was du über Simon erzählt hast? Ich kann es mir nicht vorstellen?“ meinte Dion einmal.
„Dieser alte Narr, ein Dieb?“ Mordred lachte. Und so erfuhr Elijah die wahre Geschichte.
„Du bist ganz schön schlau. Dich so als Held hinzustellen, gar nicht schlecht!“ sagte Dior dann.
Elijah wartete so lang, bis Dion und Dior weg waren und stürzte sich dann auf Mordred. Er drückte ihn auf den Boden.
„Du verdammter Lügner! DU bist schuld am Tod meines Vaters!“ Mordred wimmerte.
„Bitte, tu mir nichts!“ keuchte er.
„Ich sollte dich umbringen, aber ich tus nicht. Warum? Das wäre nicht fair.“ Er lockerte den Griff um Mordreds Hals ein wenig. „Aber lass dir eins gesagt sein, das nächste Mal bist du dran! Merk dir das!“ zischte Elijah, ließ von ihm ab und ging. Von da an ging Mordred ihm aus dem Weg und nach wenigen Wochen bewarb er sich als Knappe bei einem fremden Ritter aus einem anderen Königreich und zog mit ihm fort …
Und nun hatten sie sich wiedergesehen ... Elijahs Wort galt noch immer, auch wenn Mordred sehr viel größer und kräftiger war. Nur das Wort des Königs hatte ihn davon abgehalten seine Rache endlich zu vollziehen. Aber gut, Elijah konnte warten, doch nächstes Mal würde Mordred keine Macht der Welt mehr retten.
*
Es war ein rauschendes Fest, das König Balan in Auftrag gegeben hatte. Auf dem Tisch war ein Blumenmeer, Musik spielte zum Tanz auf. Mike saß auf seinem Platz und nippte an dem Becher mit Wein vor sich. Er beobachtete Gwen und Dwayne beim Tanzen. Elijah war schon seit einer Weile verschwunden und er blieb alleine und sah den anderen beim Feiern zu. Mike fühlte sich allein und wie das fünfte Rad am Wagen, wenn er mit Gwen und Dwayne unterwegs war, denn die beiden hatten ja sich, da war doch keine Zeit, um sich um jemand anderen zu kümmern ... Er fasste einen Entschluss: Er würde nicht mehr länger Trübsal blasen und jetzt mit irgendeinem Mädchen tanzen. Zielstrebig ging er auf ein zierliches Mädchen mit dunkelbraunen langen Haaren zu.
„Darf ich bitten?“ Mike verbeugte sich mehr oder weniger elegant und reichte ihr die Hand.
Das Mädchen war etwas verlegen, nahm seine Aufforderung aber an.
„Wie heißt ihr, edler Herr?“, fragte das Mädchen.
„Ich bin Mike und das edler Herr muss nicht sein, aber wer seid ihr?“
„Mein Name ist Ivaine.“
Als der Tanz beendet war, führte Mike Ivaine wieder zurück zu ihrem Platz.
„Wollt ihr mir nicht von euren Heldentaten berichten? Man erzählt sich so viel über euch, das ich nun gerne die Geschichte aus Eurem Mund hören möchte.“ meinte Ivaine und so waren sie bald in ein langes Gespräch vertieft. Im Laufe des Abends nahm er Ivaine bei der Hand und sie gingen an die frische Luft in den Schlossgarten.
Der Mond schien hell und am ganzen Himmel war nicht eine einzige Wolke zu finden. Sie gingen eine Weile Hand in Hand spazieren, als ein Ruf durch den Garten schallte: „Ivaine, es ist Zeit!“
„Ich muss gehen, wann sehen wir uns wieder?“
„Ivaine!“
„Ja gleich!“ Dann wandte sie sich wieder Mike zu und küsste ihn auf die Lippen.
„Ivaine! Kommst du nun endlich?!“
Ivaine lief los, drehte sich noch mal um und winkte, dann verschwand sie hinter einem der Rosensträucher. Mike blieb verwirrt zurück. Er fand Ivaine sympathisch, aber dieser Kuss hatte sich falsch angefühlt.
Elijah konnte nicht schlafen. Kein Wunder, nachdem was heute geschehen war. Also entschloss er sich dazu Wache zu halten, dann hatte er etwas zu tun und brütete nicht die ganze Zeit vor sich hin. Er begab sich hoch auf die Mauer, wo einige der Soldaten sich die Zeit mit Kartenspielen vertrieben. Es war eine ruhige Nacht. Gedankenverloren starrte Elijah in die Nacht, kein Stern war zu sehen, es musste also ziemlich wolkig sein. Er ließ seinen Blick über die Ebene schweifen, plötzlich regte sich etwas, doch als Elijah genauer hinsehen wollte, war wieder alles still. Elijah hatte ein ungutes Gefühl bei der Sache. Doch als auch weiterhin alles still blieb, beschloss er die Bewegung zu vergessen, es war wohl doch nur ein Tier gewesen.
„Du siehst nicht aus, als hättest du viel geschlafen“, meinte Cirdan beim Frühstück, als Elijah schweigend dasaß.
„Ich hab überhaupt nicht geschlafen, wenn du’ s genau wissen willst“, sagte Elijah mürrisch.
„Was ist denn los mit dir? So kenn ich dich gar nicht.“ Cirdan wirkte ehrlich besorgt um seinen älteren Bruder.
„Ach was! Ich bin einfach müde, sag mal, hast du eigentlich nichts zu tun?“
„Oh, der Herr hat heute ausgesprochen gute Laune“, meinte Cirdan sarkastisch.
Gwen hatte das Gespräch schweigend mitgehört, denn Dwayne und Mike unterhielten sich über was anderes und ließen sich nicht stören.
„Elijah ich seh doch, dass dich was beschäftigt, willst du’s mir nicht erzählen? Dann gehts dir bestimmt besser.“
„Ich weiß gar nicht, was ihr alle habt, mir gings nie besser!“, erklärte Elijah heftig und stand auf. Mike und Dwayne sahen erstaunt auf.
„Ich muss noch was erledigen, wir sehn uns später.“ Fast fluchtartig verließ er den Raum. Mike stand auf und wollte ihm nachgehen, doch Gwen hielt ihn zurück. „Am besten macht er das mit sich selbst aus. Lass ihn für eine Weile alleine.“
„Vielleicht hast du recht.“ Mike setzte sich wieder hin.
„Der beruhigt sich schon wieder, vielleicht hat er ja Liebeskummer.“ Er lachte, doch als er in die Gesichter seiner Freunde sah, verging es ihm schnell wieder. „Ok, ok, ich geh schon, bevor ihr mich lyncht. Aber wenn ihr mich fragt, dann denke ich, dass Elijah einfach nur so ne Laune hat.“
Schon als Elijah den Stall betrat, war sein Zorn wieder verraucht und er ärgerte sich nur noch über sich selbst. Er sollte nicht die Wut auf Mordred an seinen Freunden auslassen.
„Na Blizzard? Wie geht’ s dir?“ Der Hengst wieherte freudig, als er seinen Besitzer erblickte. Elijah reichte ihm ein paar Möhren, die Blizzard unter lautem Schmatzen zerkaute. Er schlang seine Arme um den Hals des Pferdes.
„Wusste ich doch, dass ich dich hier finde.“ Elijah erkannte die Stimme seines Bruders.
„Was willst du denn schon wieder?“
„Ich will mit dir reden, was sonst?“
„Na gut.“ Elijah setzte sich auf die Futterkiste neben Cirdan.
„Dann schieß mal los. Was hast du mir zu sagen?“
„Also Elijah, dann hör mal zu: Ich weiß du willst dich rächen an Mordred, aber keiner ist dir böse, wenn du ihn nicht umbringst.“
„Du verstehst nicht, was ich meine, wenn ich Balan was gesagt hätte, dann wäre ich mit Mordred überhaupt nicht mitgekommen und dann würde Vater noch leben. Im Grunde bin ich schuld an seinem Tod …“
„Was redest du denn da?“ Cirdan erschrak über Elijahs Worte. „Mordred wäre mitgegangen, auch ohne dich ... da bin ich sicher.“
„Die Rache ist nicht nur für den Tod von Vater, ich will seine Ehre wiederherstellen, er war kein Dieb, es war falsch Mordred die Schuld zu geben.“
Cirdan verließ den Stall und ging unruhig hin und her, er musste auf seinen Bruder aufpassen, nicht dass er sich noch was antat. Das traute er Elijah durchaus zu, Elijah war viel zu gut für diese Welt, noch nie hatte er jemanden getroffen, der so viel über Gerechtigkeit nachdachte. Er sah, wie Gwen, Dwayne und Mike über den Hof kamen.
„Hast du mit ihm geredet?“, fragte Mike.
Cirdan nickte. Doch bevor er erzählen konnte, kam Elijah aus dem Stall. Auf seinem Gesicht lag ein Lächeln, doch seine Augen zeigten eine tiefe Trauer.
„Ich finde, ihr habt noch nicht genug von Garet gesehen, wir sollten noch einen Ausritt aufs Land machen“, erklärte er und kurze Zeit später befanden sich die Freunde auf einer Landstraße. Die Sonne brannte in ihre Nacken. „Wo reiten wir eigentlich hin?“, fragte Mike.
„Einfach der Nase nach!“, meinte Elijah und lenkte Blizzard von der Straße herunter.
„Wer zuletzt hinten bei dem Baum ist, darf das Feuerholz fürs Mittagessen suchen! „ rief Cirdan übermütig und ritt los. Während sie Cirdan nicht mehr einholen konnten, lieferten sich Dwayne, Mike und Elijah ein packendes Rennen um Platz zwei, das schließlich Mike gewann.
„Ich hab dich gewinnen lassen, wenn Blizzard sich richtig angestrengt hätte, dann hättest du nur noch Staub von mir geschluckt“, behauptete Elijah später und grinste.
„Aber sicher und ich bin der König des Abendlandes.“ konterte Mike.
„Ihr seid sowas von kindisch.“ mischte Gwen sich ein.
„Du bist doch nur sauer, weil du jetzt Holz sammeln darfst.“ warf Cirdan ein.
„Warte Gwen, ich helfe dir, hab heute meinen sozialen Tag.“ meinte Dwayne lächelnd.
„Passt auf, dass ihr euch nicht verirrt!“ rief Cirdan ihnen nach. „Und bleibt anständig!“
Mike hatte seinen Freunden, die in den Wald gingen noch eine Weile hinterhergeschaut, jetzt wandte er sich um und blickte von dem Hügel ins Tal. Ganz in der Nähe glitzerte ein Fluss in der Sonne. „Wie heißt der Fluss da hinten?“ fragte er.
„Bràndoin“ antwortete Cirdan.
„Er ist wunderschön.“
„Findest du? Na ja, es ist ein ganz normaler Fluss. Wenn du ihn überquerst und immer weiter nach Osten gehst, dann kommst du nach Tyronne.“ Elijah sah bei der Erwähnung des Landes auf und warf einen finsteren Blick in Richtung des Landes.
„Wo bleiben bloß Gwen und Dwayne? Sie müssten schon längst hier sein.“ wechselte Elijah das Thema.
„Die sind wahrscheinlich beschäftigt, wenn du weißt was ich meine....“ Cirdan grinste leicht unverschämt.
„Ich geh besser rein, vielleicht haben sie sich ja wirklich verlaufen. Schließlich sind sie unsere Gäste.“ Elijah stand auf und trat in den Schatten zu Blizzard und schnallte den Gürtel mit seinem Schwert um. Sicher war sicher.
„Für wie blöd hält der uns eigentlich?“ fragte Gwen. Ein kalter Schauer lief ihr den Rücken herunter. Irgendwie war es ihr hier unheimlich. Es war auf einmal so ruhig, sie hörten nur ihre eigenen Geräusche, als sie über das trockene Laub liefen. Unruhig blickte sie um sich.
Der Waldrand war jetzt fast nicht mehr zu sehen. Dwayne hatte ihre Unruhe bemerkt und nahm Gwens Hand.
„Hast du etwa Angst?“ Er lächelte warm und Gwen ging es wieder besser.
„Mir ist es hier irgendwie nicht geheuer, beeilen wir uns, ich will wieder in die Sonne.“
„Ok, wie du willst.“
„Was war das?“ Gwen sah um sich.
„Was war was?“ fragte Dwayne verwirrt.
„Na dieses Knacken! Komm schon, lass uns gehen, das ist bestimmt genug.“ Gwen packte Dwayne am Arm und zog ihn mit sich. Plötzlich tauchte ein dunkler Schatten vor ihnen auf. Wie zur Salzsäule erstarrt blieb Gwen stehen. Nicht einen Schritt vorwärts konnte sie gehen. Dwayne stellte sich schützend vor sie.
„Ich bin‘s nur.“
„Ach du bist es Elijah. Du hast mich ganz schön erschreckt.
„Wir hätten und beinah wirklich verlaufen, gut, dass du gekommen bist.“ meinte Gwen. Ihr war schon bedeutend wohler. Seit Elijah bei ihnen war schien auch der Wald weniger gespenstisch zu sein.
Endlich waren sie heraus aus dem Wald, wieder in der Sonne. Cirdan kümmerte sich ums Feuer und machte das Essen.
Elijah, oder der, der sich so nannte, saß im Schatten und lachte in sich hinein. Sie hatten nichts bemerkt, typisch, seinem Auftrag stand rein gar nichts mehr im Wege. Auf diese Art schlug man gleich 2 Fliegen mit einer Klappe, er konnte das Schloss ausspionieren und außerdem war einer der größten Feinde aus dem Weg geräumt. Und das alles an einem Tag!
*
„Ach du bist es Elijah. Du hast mich ganz schön erschreckt.“ hörte Elijah Gwens Stimme ein Stück weiter weg sagen. Hier ist irgendwas faul, dachte er und ging schnell vorwärts. Auf einmal riss ihn etwas von den Füßen. Er landete nicht gerade sanft mit den Händen zuerst auf dem feuchten Waldboden. Im nächsten Moment tauchten um ihn herum mehrere schwarz gekleidete Männer. Einer von ihnen drückte Elijah am Boden fest und fesselte ihm die Hände auf den Rücken. Widerstand war zwecklos, das wusste er, gegen so viele hatte nicht einmal er eine Chance. Der Kreis öffnete sich, Elijah blickte nach oben.
„Hab ich nicht gesagt, dass ich dich erwische?“
„Mordred, nur du würdest so was tun, ich hätte es wissen sollen. Was willst du jetzt machen, mich umbringen?“
„Nein. Warum? Nun, um es mit deinen Worten zu sagen: Es wäre nicht fair.“ Mordred lachte und auch der Rest seiner Truppe stimmte mit ein. Auf ein Zeichen von Mordred war alles wieder still. Plötzlich spürte Elijah einen Schlag an den Kopf und dann spürte er nichts mehr.
Wo bin ich?, dachte Elijah, als er aufwachte und sah sich in seinem Gefängnis um. Es war ein kleiner Raum, wahrscheinlich im Keller. Elijah stand auf, nur um sich dann gleich wieder hinzulegen. In seinem Kopf hämmerte es und für einen Moment dachte er, dass er gleich in Ohnmacht fallen würde, doch dann schüttelte er den Kopf und versuchte es nochmal mit aufstehen. Etwas unsicher stand er wenige Momente später und ging ein paar Schritte zur Probe. Was sollte er jetzt machen? Er beschloss erstmal nachzusehen, ob die Tür irgendeine Schwäche hatte, dem war leider nicht so, aber er sah durch das kleine vergitterte Fenster in den Gang. Nichts war zu sehen, keine Wache, keine anderen Geräusche, nichts. Ziemlich unheimlich. Rufen würde nichts bringen, also setzte er sich in eine Ecke seines feuchten Gefängnisses und ruhte sich aus, später würde er kräftig sein müssen, wer wusste schon, was Mordred vorhatte.
„Na, wie geht es unserem Ehrengast?“ Elijah sprang hastig auf. Mordreds Gesicht erschien an dem kleinen vergittertem Fenster. Wütend funkelte Elijah ihn an.
„Was hast du vor?“ Er fühlte sich nicht halb so mutig, wie sich das anhörte.
„Das wüsstest du wohl gern. Aber ich glaube du wirst nicht mehr lange genug leben, um es zu erfahren.“ Mordred grinste hämisch. Elijah schluckte. „Und wenn du glaubst, dass dich deine Freunde hier rausholen.....darauf kannst du lange warten, die wissen nichts..“
Plötzlich war Elijah alles klar. Sie hatten ihn im Wald ausgetauscht. Durch einen Doppelgänger.
Mordred wandte sich ab und ging den Gang hinunter. Sein größter Feind war in seiner Hand, er lachte leise, als er in den dunklen Hof des Klosters kam. Das Kloster war das perfekte Versteck, hier würde ihn niemand vermuten, schon gar nicht, nachdem es noch heute zerstört wurde. Er betrat das Kaminzimmer.
„Ist er wach?“
„Ja Herr, er hat immer noch die Hoffnung jemand würde ihn retten.“
Mordred betrachtete die Miene seines Herrn. Die blasse Haut stand im Gegensatz zu seinen fast schwarzen Haaren. In den stahlblauen Augen stand der blanke Hass geschrieben.
„Ich schätze nicht, dass mein Bruder mit uns zusammenarbeiten wird. Dafür ist er viel zu....wie soll ich es ausdrücken.....gut.“ Erec stand auf und wärmte seine Hände am Feuer.
„Ich hätte noch eine Rechnung auf mit eurem Bruder, Sir.“ setzte Mordred an.
„Ihr unterschätzt meinen Bruder. Ich habe ihn an diesem Turnier gesehen. Selbst so geschwächt wie er ist könnte er Euch noch ohne Schwierigkeiten besiegen. Ich ziehe da eine sichere Variante vor, die außerdem dafür sorgt, dass niemand mehr nach ihm suchen wird. Selbst wenn man ihn findet, dann wird man ihn nicht mehr erkennen.“ Erec lächelte finster.
„Aber....“ Mordred wollte widersprechen. Er fand es beschämend, dass man ihm unterstellte, er könnte seinen größten Feind nicht besiegen.
„Ihr werdet noch genug Möglichkeiten haben jemanden zu töten, seid unbesorgt Mordred.“ Eine Weile schwieg Erec und starrte in die Flammen.
„Ich hoffe euer Zauberer ist zuverlässig.“ sagte er plötzlich.
„Keine Sorge, auf ihn ist Verlass. Schon morgen wird die Kunde über dem ganzen Land verbreitet werden.“ erwiderte Mordred. „Dann wird nichts mehr unseren Sieg aufhalten können.“
„Meinen Sieg, Mordred, meinen Sieg.....“
*
„Cirdan! Wach auf! Es ist was schreckliches passiert!“ Es war Rowenas Stimme, die ihn weckte. Was war passiert? Er erhob sich schnell und zog sich ein Hemd über, dann folgte er Rowena. Eine Weile wusste er nicht wohin sie gingen, doch spätestens als sie den Flügel des Königs betraten überkam ihn eine schreckliche Ahnung und er ging instinktiv schneller.
Mike, Gwen und Dwayne waren auch schon da. Gemeinsam betraten sie das Zimmer des Königs. Es war ein schrecklicher Anblick: Im ganzen Zimmer sah es aus, als wäre ein Wirbelsturm hindurchgefegt. Der Teppich war übersät mit Scherben, Tisch und Stühle waren umgeworfen, der Spiegel war zerbrochen.
Mike ging über den Teppich zum anderen Ende des Zimmers, die Scherben knirschten unter seinen Schritten. Am Boden lagen zwei leblose Körper, die mit weißen Laken zugedeckt waren. Mit zitternden Händen zog er dem ersten das Laken so weg, dass er das Gesicht erkennen konnte. Es war der König. Zitternd zog er nun auch von der anderen Leiche das weiße Tuch weg. Mike blickte in das Gesicht von Elijah. Seine Gesichtszüge waren entspannt, die Augen geschlossen, als ob er nur schlafen würde. Die anderen waren ihn nur zögernd gefolgt, als sie jetzt das wirkliche Ausmaß der Katastrophe erblickten waren sie starr vor Entsetzen. Mike nahm Elijahs Hand. Sie war ganz kalt.
Sein Mund war ganz trocken und seine Augen wurden feucht. Das konnte doch nicht war sein! Er erinnerte sich an ihre erste Begegnung, damals hatte er Elijah gerettet, ohne zu wissen, was das mit sich zog. Mike konnte nicht begreifen, dass sein Freund auf einmal nun nicht mehr da sein sollte. Hinter ihm hörte er Gwen schluchzen. Dwayne nahm sie gerade in den Arm, als Mike sich umdrehte. Cirdans Gesicht zeigte keine Gefühlregung und doch spürte Mike, wie sehr ihn das alles mitnahm. Überwältigt von seiner Trauer konnte er Cirdan nicht trösten, er legte ihm nur die Hand auf die Schulter. Cirdan drehte sich plötzlich um und lief weg. „Cirdan!“ rief Rowena ihm nach, doch er konnte sie nicht mehr hören.
Als Cirdan den Pferdestall betrat schnaubte Blizzard freudig auf. Cirdan lehnte seinen Kopf an den Hals des Pferdes. Endlich ließ er seinen Tränen freien Lauf. Was sollte nun werden?
*
„Ja! Es ist soweit Mordred. Die Stunde des Triumphs ist nahe.“ rief Erec plötzlich. Mordred schreckte auf. „Sag den Männern sie sollen sich bereit machen, wir reiten im Morgengrauen los. Bis zum Schloss sind es zwei Tagesreisen.“
„Was geschieht jetzt mit eurem Bruder?“ wollte Mordred wissen.
„Brennt das Kloster nieder. “ meinte Erec.
Der Rauch brannte Elijah in den Augen und wurde von einem erneutem Hustenanfall geschüttelt. Diese Ratten hatten sein Gefängnis, oder wo auch immer er sich aufhielt in Brand gesteckt! Mit aller Wucht warf er sich gegen die schwere Eichentür seines Gefängnisses. Sie bewegte sich ein klein wenig, trotz des Schmerzes in seiner Schulter warf er sich erneut gegen die Tür. Elijah hatte nur den einen Gedanken, dass er sich an Mordred rächen würde. Die Wut verlieh ihm ungeahnte Kräfte. Die Tür brach aus den Angeln und er stürzte in den Flur. Durch den Rauch konnte er kaum etwas sehen. Er rannte den Gang entlang, wo war nur der Ausgang?
Nachdem er eine Weile gerannt war erkannte er vor sich wieder eine Tür. Zum Glück war sie unverschlossen. Der Raum hinter der Tür brannte schon lichterloh. Der Weg durch die Fenster war versperrt, also musste er wohl oder übel durch den richtigen Ausgang raus, das Problem war, dass er nicht wusste, wo er war. Der Balken über ihm krachte bedenklich, lange würde die Decke nicht mehr halten, Elijah musste hier raus. Auch die nächste Tür war unverschlossen. Dahinter befand sich ein wahres Flammenmeer. Die Hitze war unerträglich. Hier musste wohl so etwas wie eine Bibliothek sein. Der direkte Weg zur Tür war versperrt. Elijah rannte durch die teilweise brennenden Regalreihen. Plötzlich stolperte er über etwas und er fiel der Länge nach hin. Fluchend versuchte Elijah aufzustehen, doch bevor er noch auf den Knien war, fiel eines der brennenden Regale in sich zusammen. Mit einem verzweifelten Sprung rettete er sich zur Tür. Ungeduldig rüttelte er am Türgriff, doch sie war verschlossen. Das Gebäude konnte jeden Moment einstürzen. Es gab nur einen Weg, er musste durchs Fenster springen. Er holte tief Luft und nahm Anlauf. Mit den Händen durchbrach er das Fenster zuerst. Das Glas schnitt ihm tief in die Hände, doch er war gerettet. Zumindest fast. Er befand sich noch immer zu Nahe am Feuer. Mit letzter Kraft schleppte er sich ein stückweit von dem brennenden Gebäude weg und blieb dann reglos liegen.
*
Bald wurde die Nachricht über den Tod des Königs und Elijahs überall verbreitet. An allen Masten wehten schwarze Fahnen. Mike starrte in die Ferne und überlegte. Gwen und Dwayne waren auch da. Sie hatten beschlossen bald wieder nach Hause zurückzukehren und nur noch das Begräbnis ihres Freunds abzuwarten. Hier hielt Mike nichts mehr. Wenn die Trauer und der Schmerz etwas nachgelassen hatten, dann würde er vielleicht wieder nach Garet zurückkehren, aber vielleicht nicht einmal dann. Unten im Hof ritten immer neue Eskorten von verschiedenen Königreichen ein um dem Begräbnis von König Balan beizuwohnen. Doch die Eskorte, die gerade einritt war anders. Ihnen voran ritt jemand, der ihm sehr bekannt vorkam. Mike rieb sich die Augen und es dauerte einige Augenblicke, bis er begriff. Das musste Erec sein. Der älteste der drei Brüder. Allerdings schien er nicht gerade sehr traurig darüber, dass sein Bruder und sein Onkel gestorben waren. Die Ähnlichkeit mit Elijah war verblüffend. Dieser Anblick versetzte Mike einen Stich.
„Ja, das ist Erec.“
Mike schreckte hoch. Cirdan war unbemerkt in den Raum gekommen. „Der neue König.“ Er sagte das mit ausdrucksloser Stimme.
„Wir werden morgen abreisen“ sagte Dwayne und durchbrach die Stille.
„Ich weiß. Ich werde euch hinbringen.“
„Elijah war in vieler Hinsicht ein einzigartiger Mensch. Er steckte voller Überraschungen. Bei unserer ersten Begegnung rettete ich ihm das Leben, doch er hat es mir mit seiner Freundschaft vergolten. Ohne mit der Wimper zu zucken wäre er für uns gestorben. Elijah war der beste Freund den man haben konnte. Um so größer ist die Trauer, dass wir uns nun von ihm verabschieden müssen. Keiner, der ihn kannte wird ihn je vergessen.“
Andächtig standen die Menschen da, nachdem Mike seine kurze Trauerrede gehalten hatte. Mike war es sehr schwer gefallen, das hatte man gemerkt, doch mit seinen Worten, hatte er die Leute angesprochen. Die Worte über den König hatten niemanden so berührt.
Langsam wurden die beiden Särge der Erde übergeben. Noch lange, nachdem die Gemeinde sich aufgelöst hatte standen Mike, Gwen, Dwayne und Cirdan bei den Gräbern.
„Wann wollt ihr abreisen?“ fragte Cirdan leise.
„Wenn es geht schon morgen.“ antwortete Dwayne.
„Das kann ich verstehen. Ich werde alles vorbereiten lassen.“ Cirdan wandte sich nach einem letzten Blick zu Mike und den anderen um und ging in Richtung Schloss.
*
Als Elijah die Augen aufschlug befand er sich in einem weichem Bett. Seine Hände waren verbunden. Was war eigentlich passiert? Plötzlich war alles wieder da ... das Feuer ... Mordred ... der Doppelgänger. Er versuchte sich aufzusetzen, doch sein Kopf schmerzte und er ließ es erstmal bleiben. Elijah sah sich etwas um, das Zimmer war nicht besonders groß. Ein Stück rechts vom Bett war eine dunkle Kommode, auf dem ein Krug und eine Waschschüssel standen, ein Stuhl, auf dessen Lehne seine zerfetzten Kleidungsstücke hingen. Während er sich umsah öffnete sich die Tür knarrend. Ein Mädchen betrat den Raum. Sie hatte blasse Haut und glatte schwarze Haare, die sie zu einem Zopf geflochten hatte. Das Mädchen trug ein einfaches Leinenkleid.
„Ihr seid wach, das ist gut. Wie geht es Euch?“ fragte das Mädchen und sah ihn aus ihren dunkelgrünen Augen besorgt an.
„Danke der Nachfrage. Aber darf ich fragen, wo ich bin? Was ist passiert? Wer seid Ihr?“
Das Mädchen lachte. „So viele Fragen auf einmal. Ruht Euch erst noch ein wenig aus, dann werden sie euch beantwortet werden. Mein Vater wird Euch später noch besuchen und Euch alles erklären.“
„Eine Frage müsst Ihr mir doch allerdings beantworten. Wie heißt ihr?“
„Blanchefleur.“ Sie lächelte „Aber nun ruht Euch aus, Ihr habt viel durchgemacht.“
Als Elijah das nächste Mal aufwachte stand Blanchefleur an seinem Bett. Sie lächelte.
„Wollt Ihr nun eure Fragen beantwortet haben? Ich hole meinen Vater.“
„Wenn Ihr so freundlich seid.“
Wenige Minuten später betrat ein älterer Mann den Raum.
„Wie ich höre und sehe geht es Ihnen schon wesentlich besser, junger Herr.“ meinte er und lächelte.
„Ich danke Euch sehr für Eure Pflege und Unterkunft, Herr....“
„Sagt einfach Joa und lassen wir doch der Einfachheit das „Sie“ weg.“
„Gut...ähm Joa. Wie bin ich hierhergekommen?“
„Das ist eine gute Frage. Wir fanden dich nahe des brennenden Klosters. Wir haben versucht es zu retten, aber jetzt liegt alles in Schutt und Asche. Ich hatte erst keine Hoffnung mehr. Bis zwei Tage nach dem Begräbnis des Königs habt ihr im Fieber gelegen.“
„Der König ist ... tot?“ fragte Elijah tonlos.
„Ach richtig, davon kannst du ja gar nichts wissen. An dem Tag, an dem das Kloster brannte, starb der König. Und mit ihm sein tapferer Neffe Elijah. Anscheinend wollte er den König schützen. Bis jetzt gibt es keine Spur nach dem Mörder. Bald wird sein ältester Neffe zum König gekrönt.“
Elijah lag starr wie ein Brett da. Mordred hatte seinen Tod vorgetäuscht, so viel war sicher. Aber warum hatte er ihn nicht gleich getötet, warum so umständlich? Und dabei war sein Plan auch noch schiefgegangen.
„Was überlegst du? Ich habe noch gar nicht gefragt wie du eigentlich heißt.“
„Ich heiße ... Jack.“ sagte Elijah. Er fand, dass er besser erstmal untertauchen sollte. Hier war doch eigentlich ein gutes Versteck, für‘s erste.
*
Zwei Tage war es jetzt her, seit sie auf die Farm zurückgekehrt waren. Alles ging seinen gewohnten Lauf. Gwen machte Essen, Dwayne half ihr dabei.
„Was sollen wir mit Mike anfangen? Er isst fast nichts, redet fast nichts, er sitzt bloß rum und starrt vor sich hin.“ Gwen seufzte.
„Ich wusste nicht, dass Mike so sehr mit Elijah befreundet war, man hat das nie bemerkt.“ meinte Dwayne und setzte sich auf einen Stuhl.
„Mike kann seine Gefühle nicht zeigen, das war schon immer so. Und das mit den beiden war nicht nur einfach ne Freundschaft...“ meinte Gwen. „Das war mehr.“
Mike saß nicht weit vom Bauernhof am Bach. Hier waren sie sich zum ersten Mal begegnet ... Mike warf einen Stein ins Wasser. Er zog weite Kreise. Mike betrachtete das silberne Amulett in seiner Hand. Die einzige Erinnerung ...
Er stand auf und ging weiter in den Wald, bald erreichte er die Jagdhütte. Alles war so voller Erinnerungen....sie erdrückten Mike fast und für einen Moment konnte er nicht mehr atmen.
Dann beschloss er zurückzugehen. Gwen und Dwayne würden sich sicher schon wieder Sorgen machen. Sie machten sich in letzter Zeit immer so viele Sorgen ...
„Willst du nicht was essen?“, empfing ihn Dwayne.
Mike winkte ab. „Keinen Hunger.“ Er verschwand in seinem Zimmer.
Bald klopfte es an der Tür und Gwen blickte durch einen Spalt zu ihm herein.
„Ich muss mit dir reden....“ Gwens Stimme klang ernst. „Kann ich reinkommen?“
Mike nickte und wartete bis Gwen sich neben ihn aufs Bett gesetzt hatte.
„Also was gibt’ s?“ Er sah sie erwartungsvoll an.
„So kann das nicht mehr weitergehen mit dir!“
„Ich weiß nicht was du meinst.“
„Mike, ich versteh ja, dass du traurig bist, ich finde das auch schlimm mit Elijah...“
„Halt mal!“ Mike sprang auf. „Du hast überhaupt keine Ahnung wie ich mich fühle!“ Seine Stimme zitterte leicht. Stille.
„Weißt du wie es ist, wenn du jemanden triffst, von dem du glaubst, dass du ihn schon ewig kennst, obwohl du ihn zum ersten Mal siehst? Elijah war nicht nur ein Freund, er war der einzige, dem ich vertraut habe, seit das mit dem Virus war....ich habe alles verloren....ich glaube wirklich nicht, dass du mich verstehen kannst.“ Er drehte sich zur Wand.
„Mike?“
„Du hast immerhin Dwayne....“
Gwen wusste nicht, was sie sagen sollte, trösten konnte ihn nichts. Sie nahm ihn in den Arm. Mike wehrte sich nicht, ihm ging es ein wenig besser. Plötzlich stand Dwayne neben ihnen und sah sie entgeistert an. Gwen löste sich aus der Umarmung. Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch Dwayne meinte: „Keine Angst, ich hab schon verstanden, ich werd euch nicht weiter stören.“ Dann ging er.
„Tut mir leid.“ murmelte Mike.
„Schon ok. Er ist halt furchtbar eifersüchtig.“ sagte Gwen.
„Nee, nee, das hier ist was anderes, ich werd’ s ihm erklären.“ Mike ging auf die Tür zu, als er sich nochmal umdrehte: „Danke, Gwen.“
Sein Freund war schon auf dem Hof, als Mike ihn einholte.
„Dwayne! Bitte hör mir mal zu!“
„Du musst mir nichts erklären, ich hab schon alles verstanden.“
„Nichts hast du verstanden. Gwen und ich sind nur gute Freunde.“
„Ja, so sah’s aus.“
„Lass deinen Sarkasmus! Ich war einfach total down, sie wollte mir nur helfen!“
„Das würde ich an deiner Stelle auch sagen. Das einzige Gesprächsthema, das sie hat bist du. Glaubst du ich bin blind?“
„Sie hat sich einfach Sorgen gemacht. Zwischen mir und Gwen ist nichts und wird auch nie was sein! Sie liebt dich, du Schwachkopf!“, rief Mike voller Wut.
Dwayne hielt in seiner Erwiderung inne, ein Lächeln bahnte sich den Weg.
*
Cirdan wanderte unruhig durch die unzähligen Gänge des Schlosses. Er konnte nicht einfach wieder zur Tagesordnung zurückkehren, wie alle anderen. Vor allem störte es ihn, wie unberührt Erec von alledem blieb. Alles war anders geworden. Mordred war der persönliche Berater vom neuen König geworden. Ja, das passte zu Erec. Eine ihm unbekannte Stimme ließ ihn aus seinen Gedanken aufschrecken.
„Du hast versagt Erec.“ Cirdan horchte auf. Das kam aus dem Kaminzimmer. Lautlos spähte er durch den Türspalt, doch außer Erec befand sich niemand im Zimmer.
„Warum? Sagt es mir!“ Erecs Stimme klang schrill im Raum nach.
„Elijah ist nicht tot!“ polterte die Stimme.
„Was?! Aber ... ich ... es war doch alles so sicher.“ Die Stimme des jungen Königs zitterte.
„Wie alle habt ihr Elijah unterschätzt. Ihr hättet ihn einfach töten können. Doch ich habe ihn in meinen Visionen deutlich gespürt. Noch ist er verletzt, doch bald wird er genesen sein.“
„Was soll ich jetzt machen?“, fragte Erec kleinlaut.
„Findet ihn! Sollte er hierher zurückkehren, ohne dass ich ihn unter Kontrolle halten kann, ist alles verloren! Bringt ihn mir lebend, vielleicht kann er mir doch noch nutzen.“
„Und was ist mit diesen Fremden?“
„Die müssen so schnell wie möglich beseitigt werden, denn dorthin wird er sich zuerst flüchten. Und verschließt danach die Tore zur anderen Welt.“
„Ich werde sofort alles Nötige veranlassen.“ Erec stand auf und kam auf die Tür zu.
Cirdan schaffte es gerade noch im Schatten einer Säule zu verschwinden, bevor Erec an ihm vorbeirauschte. Cirdan brauchte einen Moment, um wieder klar denken zu können. Elijah war nicht tot? Aber er hatte keine Zeit, er musste zuerst Mike und die anderen warnen, bevor es zu spät war und danach mussten sie Elijah finden, bevor es die Kopfgeldjäger von Erec taten.
Im Schatten der Nacht huschte er über den Burghof und machte Blizzard fertig, um loszureiten. Da ihn die Wachen kannten, ließen sie Cirdan ohne größere Probleme passieren. Sobald er den Waldrand erreicht hatte, verlangsamte er das Tempo, dieses Mal musste er den kürzeren Weg nehmen und Blizzard zurücklassen.
Cirdan klopfte Blizzard den Rücken und schickte ihn weg. Er fand den Weg zurück auch ohne Reiter.
*
In einem anderen Teil des Landes blickte Elijah in die Nacht. Er saß auf einem Baumstamm und dachte nach. Sollte er nicht Cirdan ein Zeichen oder eine Nachricht schicken? Aber damit würde er nicht nur sich, sondern auch seinen Bruder gefährden. Vielleicht war es auch besser für alle Beteiligten, wenn er sich weiter Jack nannte und auf dem Land als einfacher Bauer weiterlebte. Ein kalter Wind blies durch die Bäume. Elijah fröstelte. Doch irgendwann würde ihn jemand erkennen. Er wollte Joa und seine Familie nicht unnötig in Gefahr bringen.
„Jack?“ Es war Blanchefleur. Er lächelte. Sie war wie die kleine Schwester, die er nie gehabt hatte.
„Ich bin hier.“
„Ich hab dich schon gesucht. Was machst du hier so alleine? Alle anderen sind drinnen am Feuer.“
„Ich brauchte ein bisschen Ruhe zum Nachdenken.“
„Willst du mir nicht erzählen, was dich bedrückt, vielleicht kann ich dir helfen.“
„Helfen? Nein, mir kann niemand helfen, nicht einmal du. Aber setz dich doch zu mir. Wenn ich dir irgendetwas erzählen würde, dann würde dich das nur in Gefahr bringen, glaub mir.“
Blanchefleur sah ihn nachdenklich an und setzte sich neben Elijah.
Eine Weile schwiegen sie zusammen.
„Ihr habt es wirklich schön hier. Und es ist schade, dass ich nicht mehr lange bleiben kann. Ich spüre, dass es für mich nicht mehr sicher genug ist.“
„Nein, bitte geh nicht. Wir werden nicht zulassen, dass dir jemand etwas antut.“
Elijah lächelte sie traurig an. „Das ist lieb von dir, doch ich will euch da nicht mit hineinziehen, das darf ich einfach nicht.“
„Aber ...“
Eine einzelne Träne lief ihre Wange hinunter, Elijah wischte sie vorsichtig weg.
„Glaub mir, es ist besser so. Pass auf dich auf.“ Er küsste sie sanft auf die Stirn und verschwand in der Dunkelheit.
„Jack! Komm zurück!“, rief Blanchefleur, doch sie erhielt keine Antwort.
*
„Mike, Gwen, Dwayne! Wo seid ihr?“ Cairns Stimme schallte über den nächtlichen Hof.
„Wer schreit denn hier so verrückt rum? Weißt du nicht, wie spät es ist?“ Mike blickte mit zugekniffenen Augen aus dem Fenster. „Cirdan? Was machst du denn hier?“
„Ich erklärst euch gleich, beeilt euch und kommt runter, je schneller desto besser!“
Den Freund aus Garet zu erblicken, machte ihn sofort hellwach und in Windeseile war er angezogen. Dann weckte er Gwen und Dwayne, doch das war gar nicht nötig, da sie durch Cirdans und sie in Geschrei aufgewacht waren. Wenige Minuten später saßen sie unten in der Küche. Cirdan schilderte in ein paar Sätzen, was er gehört hatte.
„Das gibts doch gar nicht! Ich meine ...“ Gwen stockte.
„Ich konnte es auch nicht glauben. Aber bevor wir ihn suchen, müssen wir erstmal von hier verschwinden, sie suchen euch und ich bezweifle nicht, dass ein paar von Erecs Männern auch in der Nähe der Portale postiert sind und jederzeit zuschlagen könnten. Wir müssen hier weg. Ich habe einen guten Freund, bei dem wir fürs Erste sicher sind.“
„Dann lasst uns nicht zu lange warten, am besten brechen wir jetzt auf“, meinte Dwayne und sah aus dem Fenster, als könnte jeden Moment ein Krieger durchs Fenster hereinbrechen.
Wie gejagte Tiere liefen sie durch den Wald. Ein paar Mal strauchelte und fiel Gwen, wegen des schnellen Tempos, doch sie wollte kein Zeichen von Schwäche zeigen, nicht jetzt.
„Wir sind gleich da“, sagte Cirdan und lief wieder etwas langsamer. „Wie es funktioniert, wisst ihr ja noch vom letzten Mal.“
Ja, letztes Mal. Diese Lichtung im Wald weckte Erinnerungen ... damals waren sie mit Elijah hierhergekommen, gejagt von den Reitern der Apokalypse. Nachdenklich blickte sie auf den Felsquader, während sie Dwayne zusah, der durch das Tor ging. Auch Mike schwelgte in Erinnerungen, Gwen sah es an seinem Gesichtsausdruck. Dann stieg sie selbst auf den Steinquader und passierte das Tor. Auf der anderen Seite schien der Wald viel dunkler und unheimlicher zu sein, aber Gwen verdrängte den Gedanken und ging Cirdan nach, der sie zu einem Freund führen wollte, bei dem sie sicher waren.
*
Ein leises Klopfen weckte Keran. Wer mochte das wohl sein? Es war schon spät in der Nacht. Seit sein Vater gestorben war, lebte er alleine und lebte von dem, was im Wald wuchs. Nicht oft dachte er an seine Zeit im Schloss zurück, wo er viele treue Freunde hatte und zum Ritter ausgebildet werden sollte, doch dann war sein Vater krank geworden und Keran war dazu gezwungen zu ihm zurückzugehen, um ihn so gut wie möglich zu pflegen. Nach dessen Tod hatte er nicht mehr an den Hof zurückkehren wollen.
Keran stand auf und öffnete die Tür einen Spalt weit.
„Wer da?“
„Ich bin’s Elijah. Nun mach schon auf und lass mich rein.“
Total perplex machte Keran die Tür auf und ließ Elijah eintreten. Seine Verwirrung stand ihm ins Gesicht geschrieben und Elijah musste lachen.
„Ich werd dir alles erklären, keine Angst, ich bin kein Geist.“
Langsam fand Keran die Sprache wieder. „Mensch, wieso jagst du mir einen solchen Schrecken ein?“
Nach dem ersten Schrecken ließen sie sich in der einfachen Hütte nieder.
„Was hast du dir denn da wieder eingebrockt?“, fragte Keran und stand auf. „Du musst so schnell wie möglich weg von hier.“
„Aber ich kann nicht! Ich muss rausfinden, was Erec und Mordred vorhaben. Sicher nichts Gutes.“
„Wiedermal so ein abenteuerlicher Plan kommt nicht infrage. Das hat dich schon oft genug in Schwierigkeiten gebracht.“
„Woher weißt du nun das schon wieder?“
„Cirdan kommt mich oft besuchen, nicht so wie du, untreue Tomate!“ lachte Keran und nahm einen Schluck aus seinem Krug. „Außerdem hättest du mir das sowieso nicht erzählt, stimmt?“
„Stimmt. Aber was schlägst du denn vor?“ Elijah stützte seinen Kopf auf, seine Augen fielen zu, es war ein anstrengender Tag und eine lange Nacht gewesen.
„Ich schlage vor, du solltest erst mal schlafen.“
*
Mordred schluckte. Er hasste die Wutausbrüche seines Herrn, die er leider nur allzu oft zu spüren bekam. Gerade in diesem Moment musste er König Erec schon wieder eine schlechte Nachricht überbringen.
„Herr.“
„Was gibt es Mordred? Hoffentlich keine schlechten Nachrichten.“
„Ich ...“
„Nun redet schon! Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit!“
„Die drei Fremden waren nicht da.“
„WAS!!???“ Erec knallte seine Faust auf den Tisch, sodass das Holz krachte. Mordred zuckte zusammen.
„Irgendjemand hat sie gewarnt, da bin ich mir sicher ... nur wer?“ überlegte Mordred laut.
„Ruft mir sofort Cirdan hierher!“, rief Erec laut.
„Meint ihr wirklich Euer Bruder ...?“
„Natürlich, wer sonst? Wir dürfen keine Zeit verlieren, Elijah muss vernichtet werden, schickt so viele Männer aus, wie wir entbehren können ...“
„Majestät?“ Ein Dienstbote stand an der Tür.
„WAS?“
„Ihr Bruder hat das Schloss gestern Abend verlassen und ist seither nicht mehr gesehen worden.“
„Ich wusste es! Mordred, ihr müsst sie finden. Wenn ihr sie habt, macht kurzen Prozess. Und jetzt lasst mich allein!“
*
„WAS?! Keine Spur? Gar nichts?“ rief Erec ein paar Stunden später wütend und schlug mit der Faust auf den Tisch, sodass alle Umstehenden zusammenzuckten.
„Wohin würde ich gehen, wenn ich Elijah wäre ...“, überlegte Erec laut. Ihm lief die Zeit davon. Was sollte er machen? Und plötzlich kam ihm der zündende Gedanke. „Natürlich, Keran, wieso bin ich nicht gleich drauf gekommen? Elijahs alter Freund, der Einsiedler! Los schickt ein paar Männer hin, er wird noch geschwächt sein. Und wehe, wenn ihr noch mal versagt, Mordred, dann werdet ihr selbst leiden!“
Außer den Pferdehufen auf dem noch feuchten Waldboden hörte man nichts. Der Tag ging zur Neige. Die letzten Strahlen der Sonne schienen durch die bunten Blätter der Bäume. Mordred brachte die Truppe zum Stillstand. Sie hatten den ganzen Tag gebraucht, um hierher zu kommen. Und nun standen sie nicht weit weg von einer baufälligen Waldhütte. Das Dach schien schon ziemlich marode zu sein und Mordred wunderte sich, wie dort noch niemand wohnen konnte, aber ihm konnte es egal sein, das war es ihm schon immer gewesen, nie hatten ihn die anderen interessiert, stets hatte er nur auf seinen Vorteil bedacht gehandelt und sich wie ein Geier auf alles gestürzt, was ihm den Weg nach oben garantierte.
*
Elijah schlug die Augen auf. Er hatte geträumt. Mike war darin vorgekommen, also konnte es kein schlechter Traum gewesen sein, doch er konnte sich an sonst nichts erinnern.
„Na, du Schlafmütze? Auch schon wach, es ist schon Abend.“ Keran lachte.
„Warum hast du mich nicht geweckt?“ Elijah setzte sich auf und strich die Haare aus dem Gesicht.
„Ich hab es nicht übers Herz gebracht. Du sahst so aus, als könntest du den Schlaf vertragen.“
Ein Knirschen vor der Tür ließ Elijah herumfahren. „Was war das?“, fragte er alarmiert.
„Was?“
„Na, das Geräusch eben. Das hab ich mir doch nicht eingebildet.“
„Also ich hab nichts gehört.“
Elijah stand jetzt endgültig auf und blickte angestrengt durch das Fenster. Ein lautes Pochen an der Tür ließ beide aufschrecken. Ein Krachen später standen mehrere schwer bewaffnete Männer in der Hütte.
„Elijah, ergib‘ dich, oder ihr werdet alle sterben.“ hörte er eine allzu vertraute Stimme sagen. Panisch sah Elijah sich nach einer Fluchtmöglichkeit um, vielleicht durchs Fenster?
„Gib dir keine Mühe, hier kannst du nicht fliehen, die Hütte ist umstellt, du gibst besser auf.“
Ja, er hatte keine Chance, wenigstens wollte er Kerans Leben retten. Elijah trat vor und sah Mordred stehen. „Lass ihn los, Mordred, ich ergebe mich.“
„Ich wusste doch, dass du vernünftig wirst.“
*
Cirdan führte sie zielsicher durch den Wald. Trotz der Dunkelheit fand er sich bestens zurecht. Eine Eigenschaft, um die Mike ihn beneidete, der ständig über irgendwelche Wurzeln stolperte und Äste in sein Gesicht bekam.
Diese Nacht würden Sie noch bei diesem Freund ankommen, bei dem sie sicher sein würden. Keran, ein treuer Freund von Cirdan und Elijah. Von dort mussten sie einen Weg finden, Elijah vor Erecs Schergen zu finden und den neuen König zu stürzen, der sich durch Mord und dunkle Magie – denn anders war all das nicht zu erklären – auf den Thron gebracht hatte.
„Jetzt ist es nicht mehr weit“, munterte Cirdan die drei Freunde auf. „Nur noch ein Stück, dann haben wir Kerans Hütte erreicht.“
Sie überquerten eine Lichtung, Mike hörte das Rauschen eines Baches. Ein schönes Fleckchen, wenn sie es nicht unter diesen Umständen betreten hätten.
Sein Herz schmerzte und freute sich gleichzeitig. Elijah lebte! Wie war das nur möglich? Wenn sie es nur schafften, ihn zu finden, bevor Morded es tat!
Der Bach glänzte silbern im Mondlicht, der auch die einfache Hütte beleuchtete. Erleichtert gingen die Freunde darauf zu. Alles war ruhig. Sicher würde Kenan gerade friedlich schlafen.
Cirdan klopfte an der Tür, die sich bei seiner Berührung quietschend öffnete.
Fragend sah er sich zu Mike, Gwen und Dwayne um. Das alles war doch ziemlich merkwürdig. Etwas Glut glomm noch auf der Feuerstelle und Cirdan zündete eine Öllampe an. Erschrocken hätte er sie beinahe wieder fallen gelassen!
„Keran!“, rief er und stürzte auf den Mann zu, der zusammengekrümmt neben einer schlichten Bettstatt am Boden lag.
Zur Antwort erhielt er nur ein gequältes Stöhnen.
„Was ist passiert?“, fragte er aufgeregt und drehte Keran auf den Rücken.
Fassungslos blickte Mike auf die Szene. Blut quoll aus einer Wunde aus Kerans Bauch. Der Atem ging nur noch röchelnd.
„Cirdan …“, flüsterte Keran stockend. „Elijah – er lebt … er war hier … Mordred hat … ihr müsst … retten.“ Der Mann riss noch einmal die Augen auf, bevor er seinen letzten Atemzug tat.
Der Schock darüber verdrängte nicht Mikes Gedanken. Mordred hatte Elijah! Er hätte vor Verzweiflung schreien können.
War jetzt alles verloren?
*
„Warum hast du das getan?“, schrie Elijah noch immer außer sich und wand sich in seinen Fesseln. „Ich habe mich ergeben!“
„Ich habe nie versprochen, sein Leben zu verschonen.“
„Keran hatte damit nichts zu tun!“
„Glaubst du wirklich, er hätte geschwiegen?“
„Was ist nur für ein Mensch aus dir geworden? Es gab eine Zeit, in der dachte ich, wir wären Freunde.“
Morded lachte nur über den hasserfüllten Blick, der ihn traf. Mit einem spöttischen Grinsen blickte er auf Elijah hinunter, der gefesselt auf dem kalten Kerkerboden des Schlosses lag.
„Macht ist alles, was ich schon immer wollte. Freundschaften sind nur dazu da, um sich selbst in eine bessere Position zu bringen.“
„Du hast doch keine Ahnung, was Freundschaft bedeutet, Mordred. Freundschaft bedeutet, dass man sich vertraut, dass man Opfer bringt, auch wenn man selbst darunter leidet.“
Mordred wurde nachdenklich, Elijah sah es an seinem Gesichtsausdruck. Doch von einem Moment auf den anderen verhärteten sich seine Gesichtszüge wieder.
„Halt die Klappe, du Narr!“, fuhr er ihn an.
Elijah lächelte unerschütterlich.
„Das ist es, was dir fehlt und immer fehlen wird, Freundschaft. Ich würde für meine Freunde sterben, würdest du das auch?“
„Zum Sterben wirst du genügend Gelegenheit haben und diesmal bist du dran, das schwöre ich dir!!“
ENDE Teil 2
Texte: Eve Flavian / Lumien
Bildmaterialien: Royal holiday, helecho 2 / http://www.morguefile.com/archive/display/792083
Tag der Veröffentlichung: 16.03.2014
Alle Rechte vorbehalten