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Der Praktikant

Ich ertrank in Arbeit. Ich erstickte in Ordnern, Akten und Papieren und konnte kaum noch zur Tür meines Büros blicken, so hoch stapelten sich die Dokumente auf meinem Schreibtisch.

Ehrlich gesagt hatte ich keine Ahnung, woher die Differenzen in der Buchhaltung kamen, aber es war nun einmal mein Job das herauszufinden.

Das Letzte, was ich dazu noch brauchte, war der Praktikant, den mir Olli vor ein paar Minuten durch die Tür geschoben hatte.

„Viel Spaß in der Höhle des Löwen“ hatte dieser gemeint und sich dümmlich grinsend verzogen.

Am liebsten hätte ich den Burschen einfach wieder nach Hause geschickt, aber seine Unterlagen verrieten mir, dass dieser Dominik der Neffe meines Chefs war.

Im Endeffekt war es mir eigentlich egal, was der Junge tat. Ich hatte Besseres zu tun und war kurze Zeit später wieder über meine Unterlagen gebeugt.

 

Es war mühsam, doch langsam glaubte ich, hinter den Fehler zu kommen. Bis sich ein Schatten über meinen Schreibtisch legte. Genervt blickte ich auf und setzte schon zu einer scharfen Bemerkung an. Sein Anblick ließ mich verstummen. Dominik war kein 14-jähriger Bengel, wie ich gedacht hatte, sondern ein waschechter Mann. Und was für Einer! Lässig wippten blonde Haare in seine Stirn. Seine blauen Augen strahlten überirdisch.

„Kann ich Ihnen vielleicht etwas helfen? Bitte?“

Ich schluckte und konnte ehrlich gesagt kaum noch klar denken. Dann riss ich mich zusammen und beschloss ihm eine Chance zu geben. Einmal atmete ich tief durch, ein leichter Duft von Minze lag in der Luft.

„Sie könnten tatsächlich etwas für mich tun.“ Ich kramte in meiner Börse nach einem Geldschein. „Erstmal holen Sie uns von dem Coffee-Shop unten an der Ecke einen anständigen Kaffee. Dann sehen wir weiter…“

„Gerne.“ Ein strahlendes Lächeln später war er schon verschwunden.

 

Meine Hände zitterten leicht und mein bestes Stück zeigte deutlich, was es von Dominik hielt. Ich hatte in letzter Zeit einfach zu viel gearbeitet. Ich brauchte dringend Sex.

Ich rechnete kurz durch, wie lange es wohl dauern mochte, bis Dominik wiederkam. Dann legte ich selbst Hand an.

Schnell öffnete ich meine Hose und holte mein hartes Glied raus. Mit geschlossenen Augen stellte ich mir vor, dass mein Praktikant seine Hand eng um meinen Schaft legte. Ich konnte ein Keuchen nicht unterdrücken, als meine Hand wieder und wieder über meinen Schwanz strich. Es dauerte nicht lange, bis sich meine Hoden zusammenzogen und den Höhepunkt ankündigten. Das letzte Bild in meinem Kopf war Dominiks warmer feuchter Mund in den mein heißer Ständer glitt. Es war diese Fantasie, die mich stöhnend kommen ließ.

Einen Moment lang genoss ich die süße Entspannung, dann beseitigte ich mit hochroten Wangen die Sauerei. Mensch, ich war doch kein Teenager mehr. Eigentlich sollte ich mich mit Ende 20 wirklich besser im Griff haben.

 

Nur ein paar Augenblicke später war Dominik mit unserem Kaffee zurück.

„Ich wusste nicht, was Sie mögen, also habe ich einen großen Latte mitgebracht. Ich hoffe das ist o.k.?“

Wenn du wüsstest, was für eine Megalatte ich gerade wegen dir hatte …, dachte ich schmunzelnd, dann rief ich mich zur Ordnung.

„So, nachdem Sei die erste Aufgabe mit Bravour erledigt haben, können wir mit dem Teil beginnen, den wir bis morgen früh um 10 Uhr erledigt haben müssen.“

 

Dominik war ein fleißiger Helfer, ich hatte ihn mehr als nur unterschätzt. Während wir über unsere Ordner gebeugt brüteten, warf ich immer wieder Blicke zu ihm rüber. Wenn Dominik etwas bemerkte, dann lächelte er mich jedes Mal so an, dass mein Herz schneller schlug. Ich fühlte mich in diesen Augenblicken so wie mit 20, als ich noch voller Leben gewesen war. Die 10 Jahre in meinem Job hatten mich mürrisch gemacht. Und einsam.

Irgendwann schlug Dominik den letzten seiner Ordner zu. „Also, ich bin durch!“ Verständlicherweise war er erleichtert.

„Ich bin auch gleich fertig. Unser Buchhaltungsleiter kann morgen beruhigt seinen Abschluss machen.“

Der Blick auf die Uhr sagte mir, dass es gerade erst halb 9 war. Ohne Hilfe wäre ich locker noch bis 11 Uhr im Büro gewesen.

„Vielen Dank für Ihre tolle Hilfe.“ In diesem Moment beschloss ich, alles auf eine Karte zu setzen. „Als Dank würde ich Sie gerne zu einem kleinen Essen bei mir zu Hause einladen.“

„Jetzt?“

Ich nickte.

Ein strahlendes Lächeln breitete sich auf Dominiks Gesicht aus. „Sehr gerne.“

 

Nach drei Gläsern Rotwein wurden meine Blicke lüstern. Ich konnte es nicht unterdrücken, so sehr ich auch wollte.

Dominik stand auf und ging langsam um den Tisch herum. Wahrscheinlich war ihm das Ganze einfach zu viel.

Dann spürte ich seinen Atem an meinem Ohr.

„Alles in Ordnung?“, hauchte er und allein beim Klang seiner erotischen Stimme, musste ich ein Stöhnen unterdrücken.

„J- ja“, brachte ich eine zittrige Antwort heraus.

„Sie sehen so aus, als könnten Sie eine kleine Nackenmassage vertragen…“

Gott … diese Stimme machte mich verrückt. Und geil.

Ohne eine Antwort abzuwarten, legten sich seine Hände auf meine Schulter. Warm spürte ich sie durch das Hemd, als würden sie mich in Brand setzen.

Ich schloss die Augen und genoss die sanfte Massage. Als seine Daumen die nackte Haut in meinem Nacken berührte, keuchte ich mit all der Lust auf, die sich in mir angestaut hatte.

Dominiks Hand wanderte von meinem Nacken über meine pulsierende Schlagader weiter nach unten. Vorsichtig öffnete er den ersten Knopf meines Hemds und ließ seine Hand über die freigelegte Haut wandern. Plötzlich spürte ich seine Lippen, die mein rechtes Ohrläppchen umschlossen. Er knabberte neckisch dran, ließ seine Zunge damit spielen und entlockte mir noch mehr Seufzer. Als seine Finger auch noch in eine meiner Brustwarzen kniffen, war es endgültig um mich geschehen: Ich stöhne hemmungslos auf.

Dominik entfuhr ein leises Lachen.

„Ich dachte mir doch, dass du eine kleine Massage nötig hast … auch an anderen Stellen?“

„Hat man mir das so deutlich angesehen?“, erwiderte ich heiser und wurde rot.

„Erst nicht, aber als ich vorher vom Kaffee holen zurückkam, hast du ziemlich sehnsüchtig geklungen.“

Ich verdeckte mit den Händen mein Gesicht, als ich begriff. „Gott…wie peinlich!“

Dominik lachte wieder sein sexy Lachen.

„Also ich fand es ziemlich scharf. Auch wenn ich nicht viel von dir sehen konnte.“

Endlich drehte ich mich zu ihm um.

Der jüngere Mann lächelte mich offen an, ich erwiderte die Geste.

Ich weiß gar nicht mehr wie, aber einen Moment später krachten unsere Lippen so heftig aufeinander, als wären sie zwei sich anziehende Magnete. Mir wurde ganz schwindlig bei dieser Berührung, die so viel intimer war, als alle Küsse und jeder Sex, den ich bisher erlebt hatte.

All die Scham und meine Unsicherheit waren plötzlich nicht mehr wichtig. Nach dem Kuss sahen wir uns atemlos an.

Dominiks Augen hatten dieses Strahlen, das mich von Anfang an einfach umgehauen hatte. Ich konnte ihn einfach nur ansehen.

„Ich glaube, ich gehe jetzt besser“, sagte Dominik auf einmal.

„Okay.“ Mehr brachte ich nicht raus.

Ich hatte ihn wohl erschreckt mit meinem offenkundigen Verlangen. Ich konnte es ihm nicht verdenken. Versonnen sah ich ihm nach, als er die Tür hinter sich schloss.

 

*

 

Mit brummendem Schädel öffnete ich viel zu spät die Tür zu meinem Büro. Ich hatte beschissen geschlafen und konnte meine Augen kaum offen halten. Dazu kam noch der blöde Kater.

Als ich den leeren Raum erblickte, erlosch auch der letzte Funke Hoffnung, ihn wiederzusehen. Gestern Abend war wohl doch zu viel für Dominik gewesen.

Seufzend startete ich meinen Rechner und warf einen Blick in meinen Kalender. Ich öffnete mein E-Mail-Postfach, schloss es aber, ohne eine einzige Mail gelesen zu haben.

Ein zaghaftes Klopfen an der Tür ließ mich aufhorchen. Herein trat ein zartes Persönchen, um die Unterlagen für die Buchhaltung abzuholen.

Ihre Stimme zitterte, als sie mich danach fragte.

„Ich beiße nicht!“, fuhr ich sie an. „Hier sind die Unterlagen!“

Unsanft drückte ich ihr einen Stapel Blätter in die Hand. Mit einem gestotterten Danke flüchtete die Frau geradezu.

Warum zum Teufel hatten denn Leute hier Angst vor mir? So schrecklich konnte ich wohl kaum sein, oder?

Vor meinem inneren Auge blitzte eine Situation auf, in der ich dieselbe Frau wegen meinem kaffeebefleckten Hemd dermaßen angeschrien hatte, dass sie schließlich weinend auf dem Klo verschwand.

Okay – ich war so schlimm.

Mir wurde langsam klar, dass ich den Menschen, zu dem ich geworden war, gar nicht richtig kannte. Und je mehr ich über diesen Kerl nachdachte, desto weniger mochte ich ihn.

Ganz in meine Überlegungen versunken, bemerkte ich gar nicht, dass die Tür ein weiteres Mal geöffnet hatte. Erst als ein großer Papp-Becher auf meinen Tisch gestellt wurde, sah ich auf.

„Und was liegt heute an?“

Dominiks schiefes Grinsen brachte mich aus dem Konzept.

„Wir müssen ein paar Kundenauswertungen prüfen, Statistiken für die Geschäftsleitung daraus machen. Nichts Besonderes.“ Ich senkte den Blick verlegen auf meinen Kalender, denn die Erinnerungen an gestern Abend ließen mich schon wieder verdammt geil werden. „Wir können heute pünktlich Schluss machen.“ Klang das, als wollte ich ihm damit irgendwelche Signale schicken? Definitiv.

„Bestens.“

Mein Gehirn war vollkommen benebelt, alles was ich tun konnte, war ihn anzustarren. Scheiß Hormone!

„Sollen wir dann anfangen?“ Ich überhörte nicht den belustigten Ton in seiner Stimme und versuchte mich zusammenzureißen.

 

Das alles kannte ich nicht von mir. Ich war selten gefühlsduselig. Romantisch war ich auch nicht. Deshalb waren meine Beziehungen auch nach kurzer Zeit gescheitert. Bisher war ich immer der Meinung, das hätte an mir gelegen. Aber vielleicht waren es einfach die falschen Partner gewesen? Denn für diesen „Jungen“ hegte ich jetzt schon ziemlich zärtliche Gefühle.

Gestern war alles so schnell gegangen, zu schnell? Ich hatte es genossen, die Führung abzugeben. Meine Ex-Freunde hatten immer erwartet, dass ich – wegen meiner Größe und Statur – derjenige war, der aktiv wurde und sie eroberte. Doch tief in meinem Herzen wusste ich, von Dominik wollte ich erobert werden.

Eine Weile lang erklärte ich ihm, wie ich Auswertungen mit unserem Firmenprogramm erstellte und wie man diese dann weiter bearbeitete. Dominik stellte kluge Fragen und begriff schnell. Das Arbeiten mit ihm machte Spaß.

Immer wieder erwischte ich mich dabei, wie ich mich auf den leichten Minzgeruch konzentrierte oder auf seine schlanken Finger, die nach meiner Anleitung über die Tastatur huschten.

Seine blonden Haare lockten mich, durchzufahren um zu testen, ob sie so weich waren, wie sie aussahen.

„Fertig“ sagte Dominik schließlich. Er sah mich grinsend an. „Genau richtig zum Feierabend.“

Unglaublich, wie schnell die Zeit vergangen war. Und jetzt war schon 5 Uhr abends. Freitagabends.

„Na dann“ Mein Lächeln war leicht gequält. „Bis Montag. Ich wünsche dir ein schönes Wochenende. Du hast bestimmt viel vor mit deinen Freunden. In deinem Alter war ich auch jeden Freitag auf der Piste.“ Ich klang enttäuscht, doch dagegen konnte ich nichts tun. Was hatte ich erwartet?

„Ich hole dich heute Abend um halb acht ab. Als Date“, sagte Dominik auf einmal bestimmt. „Wenn du schon etwas vorhast, sag’ den Termin ab.“

 

„Danke für den schönen Abend.“ Dominik griff nach meiner Hand, während ich versuchte meinen Puls auf halbwegs normalem Niveau zu halten.

„Ich danke dir“, erwiderte ich so ruhig es ging. Dieses Kribbeln, das durch meinen ganzen Körper zog, machte mich verlegen. Ich fühlte mich gerade wie ein Teenager und das tat verdammt gut.

In den letzten Jahren war ich innerlich gealtert, ohne es zu bemerken, war ich zu einem Mann geworden, der ich nicht sein wollte. Verbittert. Kühl. Unfreundlich. Ich konnte es immer noch nicht fassen, wie es soweit kommen konnte.

„Kaum zu glauben, wie sanft du eigentlich bist, Leon“, sagte Dominik, bevor er seine Lippen auf meinen Handrücken drückte.

Die Berührung ließ mich wohlig schauern.

„Als mein Onkel mich für das Praktikum angenommen hat, fiel seine Einschätzung irgendwie anders aus.“

Das konnte ich mir lebhaft vorstellen. Trotz allem wollte ich es wissen. „Was hat er denn gesagt?“

„Du bist sehr loyal, ein Workaholic und ein unerbittlicher, harter Mann, der weiß, was er will.“

„Nicht sehr schmeichelhaft, oder?“ Ich sah Dominik fest in die Augen.

„Ich finde, es zeigt, dass mein Onkel dich nicht richtig kennt.“ Er erwiderte meinen Blick ebenso intensiv.

Er hauchte den Kuss fast nur auf meine Lippen, so dass ich den leichten Pfefferminzatem gerade erahnen konnte. Sehnsüchtig öffnete sich mein Mund und seine Zunge in Empfang zu nehmen. Dieser Kuss war anders als gestern. Nicht so brachial, sondern zärtlich, wie ein erster Kuss sein sollte.

Meine Hände griffen wie von selbst in die blonden Haare, streichelten durch die wirren Strähnen, fühlten die weiche Haut in seinem Nacken.

„Kommst du noch mit nach oben?“, fragte ich atemlos zwischen zwei Küssen.

Dominik kicherte leise vor sich hin. „Bist du so leicht zu haben?“

„Sieht wohl so aus.“ Ich grinste ihn an.

„Du solltest es mir nicht zu einfach machen … eigentlich müsstest du dich zieren, damit ich dir noch mehr verfalle.“

„Wer hat nur diese dummen Dating-Regeln aufgestellt?“, seufzte ich scherzhaft. „Gelten die überhaupt für Schwule?“

Dominik zwinkerte mir zu. „Auch wieder wahr.“

 

Vor ein paar Monaten, mir kam es vor, wie in einem anderen Leben, hätte ich meinen Begleiter direkt ins Schlafzimmer gezerrt. Ich hatte nichts über die Menschen gewusst, mit denen ich mich über die Laken wälzte und die nie bis zum Morgen blieben. Und bei den wenigsten konnte ich mich überhaupt an ihr Gesicht erinnern.

Ich wollte das alles nicht mehr.

Dominik hatte sich auf dem Sofa platziert, während ich zwei Bier aus der Küche geholt hatte. Dankbar griff er nach einer Flasche und trank gierig daraus.

Ich ließ mich neben ihm in die Polster sinken. Nach einem tiefen Atemzug sagte ich es einfach.

„Ich will nicht nur Sex, Dominik. Nicht heute, nicht morgen, nie mehr nur Sex.“

Er stellte seine Flasche langsam auf dem Tisch ab, nahm mir dann meine ebenfalls aus der Hand. Seinen Blick löste er kein einziges Mal von meinem.

Mit einem Griff hatte er seine Finger um die Krawatte geschlungen und beugte sich zu mir. Ein Lächeln schlich sich auf sein Gesicht, bevor er mir einen Kuss auf die Stirn gab.

„Dann sind wir uns ja einig, Chef.“

Impressum

Texte: Lumien / Eve Flavian
Bildmaterialien: http://www.morguefile.com/archive/display/695605
Tag der Veröffentlichung: 08.04.2013

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