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1. Kapitel

Gelangweilt saß ich in meinem Büro, während draußen vor dem Fenster die Schneeflocken zu sehen waren, die langsam herabrieselten und stetig den Boden, die Dächer und die Autos mit einer dünnen Puderzuckerschicht bedeckten. Winter, pah!

Ich war schon immer eher der Sommertyp gewesen. Kurze Hosen, T-Shirts, ein Cocktail auf der Terrasse einer angesagten Cocktailbar, die wärmenden Sonnenstrahlen auf meiner Haut, die sofort Besitz von meinem Körper ergriffen. Ach, war das eine schöne Zeit gewesen. Doch jedes Jahr aufs Neue wurden die Kurzen Hosen durch Strumpfhosen, die T-Shirts durch dicke Wollpulover, die Cocktails durch Tee und die wärmenden Sonnenstrahlen durch Schnee ersetzt und jedes Jahr aufs Neue, wurde ich davon überrascht.

„Maria, alles klar bei dir?“ fragte mich mein Kollege David,  der mir jeden Tag gegenübersaß, an seinem Rechner, und irgendwelche Werbekonzepte für irgendwelche Firmen entwarf. Ja ich arbeitete in einer Werbeagentur und obwohl das Geld mehr als nur stimmte, die Kollegen ganz nett waren und ich immer pünktlich um vier meinen Dienst quittieren konnte, war ich irgendwie nicht glücklich.

Dies konnte wohl auch daran liegen, dass mich mein Verlobter, mit dem ich über sechs Jahre meines Lebens verbracht hatte, sitzen gelassen hatte, weil er vor fünf Monaten festgestellt hatte, dass seine alte Jugendfreundin Kathy wohl doch nicht nur eine Freundin, sondern an allererster Stelle seine große Liebe war. Alles schön und gut, nur leider hatte er mit dieser Eröffnung bis drei Wochen vor unserer Hochzeit gewartet und mir dann im selben Atemzug erzählt, dass sie bald eine Familie haben würden, da Kathy (zu dem Zeitpunkt) bereits im vierten Monat schwanger war. Warum ich also nicht glücklich war? Nun ja, das war leicht zu erklären. Simon war von Anfang an nicht der Traumtyp gewesen, mit dem ich um jeden Preis mein Leben hätte teilen wollen. Klar ich wollte ihn heiraten, doch dies wohl eher aus Bequemlickeit heraus. Nein, unglücklich war ich deshalb, weil ich heute in der Früh in der Zeitung die Anzeige gesehen hatte, dass Simon Jr. oder auch Tim genannt, das Licht der Welt erblickt hatte. Ich gönnte ihnen das Glück, auf jeden Fall, nur mein Problem bestand darin, dass ich selber dieses Glück haben wollte. Doch weit und breit war niemand zu sehen, mit dem ich dieses Glück hätte erreichen können. Ein Baby. Ja, das war es was ich mir wünschte. Und jetzt musste ich wieder ganz von vorne beginnen, einen Mann kennenlernen, das erste Date, der erste Kuss, die ersten gemeinsamen Monate in welchen man in seltsam schleichenden Bewegungen umeinander herum tanzte, um sich ja nicht auf die Füße zu treten, dann (trotz dieses seltsamen Tanzes) der erste Streit, Versöhnung, Heiratspläne nach ettlichen Jahren und dann irgendwann die Hochzeit. Ich war auch nicht mehr die jüngste! Mit meinen 25 Jahren galt ich zwar durchaus nicht als alt, doch wusste ich um meinen Charakter, der wohl wirklich nicht der leichteste war. Wie also, sollte ich einen Mann kennenlernen, der diese ganzen anfänglichen Stadien heil überstand und mich dann sicher in den Hafen der Ehe geleitete?

„Maria?“ ertönte Davids warme Stimme und riss mich aus meinem Gedankenstrom heraus. Hatte ich gerade wirklich darüber nachgedacht, wie ich mir einen Mann angeln konnte, der mit letztendlich ein Baby schenkte?

„Was ist los mit dir?“ fragte David mich besorgt und sah über seinen Computerbildschirm hinweg zu mir hinüber.

„Alles klar, was soll denn sein?“ fragte ich ein klein wenig schnippisch und konzentrierte mich dann auf meinen Desktop.

„Maria, ich kenne dich jetzt seit nunmehr drei Jahren. Drei Jahre in denen wir in ein und dem selben Büro sitzen und in welchen du mir tagtäglich von deinen Problemen erzählst. Ich weiß mittlerweile wie du aussiehst, wenn dir mal wieder irgendwas keine Ruhe lässt!“ sagte er und verschränkte die Arme vor der Brust, während er sich in seinem Bürostuhl zurücklehnte, der dabei gefährlich krächzte.

„Es ist nichts, ehrlich!“ sagte ich so unschuldig wie nur möglich. Gespielt teilnahmslos zuckte ich zusätzlich mit den Schultern und ließ die Maus über den Bildschirm fahren, ohne ein bestimmtes Ziel zu haben.

„Geht es schon wieder um Simon?“ fragte mich David, der offenbar nicht locker lassen wollte.

„Nein es geht nicht um Simon und jetzt lass mich endlich meine Arbeit machen! Das gleiche solltest du übrigens auch tun!“ Mann, so nett wie David auch sein konnte, so nervig konnte er werden, wenn er sich in den Kopf setzte eine Information zu erhalten.

„Würde ich ja gerne, aber die dunklen Gewitterwolken über deinem Kopf lenken mich ständig ab!“ sagte er lächelnd und zog so meinen Blick wieder auf ihn.

Ach David. Auch ich musste lächeln und betrachtete meinen Kollegen, der doch mittlerweile mehr ein Freund war, amüsiert. Mit seinen 1, 90m, seinen breiten Schultern, braunen kurzen Haaren und warmen braunen Augen schaffte er es regelmäßig den Frauen in seiner Umgebung den Kopf zu verdrehen. Dass er doch eigentlich etwas Festes und ernstes suchte, wusste keine seiner Affären. Seltsamerweise dachten diese nämlich immer automatisch, ein kurzes Abenteuer, eine Nacht, wäre genau das was David suchte und so meldete sich keine von ihnen ein zweites Mal.

„Du bist echt ein Spaßvogel!“ sagte ich lächelnd.

„Wie wäre es? Wir machen eine verfrühte Mittagspause und gehen einen Kaffee trinken. Dort kannst du mir dann dein Herz ausschütten. Ich brenne schon direkt drauf zu erfahren was Simon diesesmal wieder gebracht hat!“ sagte David und stand auf um sich seinen Schal umzulegen und anschließend die Jacke überzuziehen.

„Es ist erst 11 Uhr David! Wir können doch nicht einfach Pause machen!“ sagte ich empört und beobachtete meinen Kollegen dabei, wie er sich entschlossen die Handschuhe überzog.

„So Leid es mir tut dies zu sagen Maria, aber wir sind leider ziemlich entbehrlich in dieser Firma. Keinem Menschen wird auffallen, dass wir überhaupt weg sind!“ sagte er schulterzuckend und kam dann um den Schreibtisch herum auf mich zu.

„Jetzt komm schon! Wir haben nicht ewig Zeit! Im Starbucks um die Ecke gibt es bis zwölf das Angebot ein Kaffee und einen Muffin gratis dazu!“ er zog mich an meinem Arm nach oben und holte dann meine Jacke um mir prompt hinein zu helfen.

Jedes Mal war es das gleiche. Bei David seinen Überredungskünsten und seinem Charme konnte ich niemals wiederstehen und so geschah es desöfteren, dass wir um zehn Uhr Vormittags eine kleine Vormittagspause machten, nicht dass dann die Richtige ausfallen würde, aber wir nahmen uns einfach die Zeit. Vielleicht lag es daran, dass ich noch nicht befördert worden war und immer noch in diesem kleinen muffigen Büroraum saß.

„In Ordnung, aber in einer halben Stunde gehen wir wieder, ok?“ fragte ich ihn entschlossen.

„Klar, was immer du willst Prinzessin!“ antwortete er mit einer wegwerfenden Handbewegung die mir irgendwie sagte, dass er in keinster Weise die Absicht hegte, das auch umzusetzen.

 

„Simons Baby ist also auf der Welt…“ sagte David und lehnte sich dabei auf seinem Stuhl zurück. Tatsächlich saßen wir seit ungefähr vierzig Minuten im Starbucks und genossen mittlerweile unseren zweiten Kaffe (ich auch meinen zweiten Muffin!)

„Ja und irgendwie freue ich mich ja für ihn, aber andererseits denke ich auch, dass ich das hätte sein können!“ sagte ich jammernd, während ich ein Stückchen meines Muffins abbrach und mir dann in den Mund schob.

„Maria, du bist erst 25! Es wird sich schon noch ein Vater für deine Kinder finden!“ sagte David kopfschüttelnd.

Da ich von diesem Thema ablenken wollte, fragte ich stattdessen David, wie es mit seiner aktuellen Flamme lief. Ich hatte nämlich vorhin vergessen zu erwähnen, dass David im Moment in einer Beziehung mit Letitia steckte (Ja, der Name sagte so ungefähr alles!) die ihm das Leben nicht unbedingt leicht machte. Seit zwei Monaten bereits quälte sich David mit dieser Frau herum. Letitia war ungefähr in meinem Alter, während David bereits 28 war und wohl andere Vorstellungen von einer Beziehung hatte als sie.

„Ach frag gar nicht erst. Die Alte hat vorgestern vorgeschlagen, dass wir uns doch über Weihnachten frei nehmen und nach Pag fahren sollten!“ sagte er entnervt.

„Pag?“ fragte ich, während ich mir gleich wieder ein Stückchen dieses fantastischen Schoko-Käsekuchen Muffins in den Mund schob.

„Pag ist anscheinen DIE Partyinsel in Kroatien. Mit ihren Worten ausgedrückt ‚Liebling, wir hätten zwei Wochen alles was man sich wünschen kann. Hunderte Clubs, in denen man bis in den Morgengrauen feiern kann, Cocktailbars wohin das Auge reicht und vor allem fantastische Restaurants!’ Ich sags dir, ich wusste gar nicht was ich dazu sagen sollte!“

Ich konnte mir leider ein Lachen nicht verkneifen.

„David, warum in Herrgottsnamen schießt du die Frau nicht ab? Du könntest so viel bessere haben!!“ sagte ich zu meinem Freund und trank dann einen Schluck von meinem Schoko-Cappuccino.

„Ich weiß doch auch nicht…aber hast du dir die Frau mal angesehen? Sie ist der Hammer!“ sagte David und schien gleichzeitig in eine Art Traumwelt abzudriften.

Ich sah an mir hinab. Mit meinen knapp 1, 60m wog ich 60 kg und war somit bei weitem nicht die schlankste. Außerdem entdeckte ich einen Fettfleck auf meiner Bluse, die noch dazu falsch zugeknöpft war. Ok, das Argument von David war wirklich gut.

„Aber das kann doch nicht alles sein!“ sagte ich, während ich mir eine Serviette schnappte und versuchte, den Fettfleck zu verkleinern. Es tat sich nichts!!

„Ja aber sie ist einfach das Beste, was mir in der letzten Zeit begegnet ist!“ sagte David, der mich mit einer hochgezogenen Augenbraue ansah.

„Was tust du da?“ fragte er mich irritiert.

„Ich hab da nen Fleck auf meiner Bluse und später hab ich noch ein Meeting mit Madame Krud und dem Chef, wegen der Kampagne für ihren Laden!“ sagte ich und rubbelte immer stärker. Es half dennoch nichts. Stattdessen öffnete ich den obersten Knopf meiner Bluse dann den nächsten, damit sie zumindest richtig zugeknöpft war.

„Maria, du bist wirklich die seltsamste Frau die ich bisher in meinem Leben kennengelernt habe!“ sagte David und trank einen Schluck Kaffe, während sein Blick auf meinen Ausschnitt gerichtet war, der kurz darauf hinter dem Stoff der Bluse verschwand.

„Korrigiere, ich bin die einzige Frau die du länger kennst als ein paar Monate und deren Seltsamkeiten du somit mitbekommst! Glaub mir, jeder Mensch hat irgendwas an sich, womit der andere nicht klarkommt. Man muss nur lange genug mit ihm zusammen sein und schon tun sich die Abgründe des Menschlichen Daseins auf!“ sagte ich und richtete, nachdem ich auch den letzten Knopf meiner Bluse geschlossen hatte, meinen Blick wieder auf David, dessen Augen immer noch auf meinen mittlerweile wieder verschlossenen Ausschnitt lagen.

„Du bist wirklich die Optimistin in Person!“ sagte David und stand dann auf um zur Kasse zu gehen und zu zahlen.

Als er zurück kam, meinte er nur „Komm wir müssen los! Heute Abend ist die Weihnachtsfeier und du hast auch noch ein Meeting. Wir müssen dir definitiv noch was Anständiges zum Anziehen kaufen!“ und schon steckte ich in meinem warmen Mantel und wurde von David die Straße entlang gezogen, auf der er mich in diverse Läden schleppte. David, ein wirklich perfekter Mann! Nur leider interessierte ich mich nicht weiter für ihn.

2. Kapitel

Das Meeting war glücklicherweise ziemlich gut verlaufen und so hatte ich heute zumindest eine Sache erreicht: Ich hatte sowohl meinen Boss als auch die Kundin glücklich gemacht! Frohe Weihnachten im Voraus also schon mal!

Vollkommen übermüdet saß ich wieder an meinem PC und versuchte die Änderungen, die noch gewünscht waren, in mein Konzept einzubauen.

„Maria, vergiss nicht, dass wir in zwei Stunden wieder hier sein müssen!“ sagte David, der gerade seinen Computer runterfahren ließ und sich anzog.

„Ja ich weiß, ich will nur noch schnell die Änderungen vornehmen, dann bin ich auch schon weg!“ sagte ich geistesabwesend.

„Na ich bin ja gespannt! Bis später dann!“ sagte David und öffnete die Tür.

„Sag mal, ist Letitia heute Abend dabei?“ fragte ich ihn, bevor er durch diese treten konnte.

„Nein, sie hat zum Glück was anderes vor!“ sagte David und obwohl sich diese Aussage doch sehr böse anhörte, so wusste ich doch, dass David nichts dafür konnte. Letitia war und würde wohl auch immer, eine blöde Kuh sein!

„Bis dann!“ sagte David erneut und schon war es ruhig im Raum und außer dem Geräusch von Tasten und dem Ticken der Uhr war nichts mehr zu hören. Wie jämmerlich ich doch war. Da saß ich hier im Büro, hatte zuhause niemanden der auf mich wartete und anstatt mich für die Firmenfeier fertig zu machen, wo ich eventuell doch mal einen Mann kennenlernen konnte (wir hatten sehr sehr viele Mitarbeiter!) vermied ich es in meine einsame Wohnung zu gehen.

„Schluss mit dem Trauerspiel!“ sagte ich mir selbst und klopfte mir mit beiden Händen auf die Oberschenkel. „Heute Abend, wirst du fantastisch aussehen und dir den heißesten Typen der Party ergattern!“ fügte ich hinzu. Zum Glück befand sich außer mir niemand mehr im Raum, denn selbst für David, hätte dies wohl sehr seltsam ausgesehen!

 

„Sie sehen fabelhaft aus, meine Gute!“ sagte mein Chef, der auf mich zukam und mich begrüßte. Mr. Darwin war vielleicht nicht der beste Chef den man sich wünschen konnte, doch Firmenfeiern schmiss er wie kein zweiter. Bei diesen war er dann auch kaum wiederzuerkennen.

„Dankeschön Mr. Darwin!“ sagte ich ein wenig unsicher und zupfte an meinem roten, knielangen Kleid herum damit es richtig saß. Ich hatte gewusst, dass ich dieses Kleid lieber nicht hätte nehmen sollen. Es war ein klein wenig zu eng und der Seidenweiche Stoff gab mir das Gefühl, beinahe nackt da zu stehen. Außerdem schien es mir die ganze Zeit so, als würde das Kleid verrutschen und so stand ich die meiste Zeit irgendwo im Schatten der Lichter und zupfte an mir herum. Plötzlich legten sich um meine Taille zwei starke Arme und von hinten flüsterte mir jemand etwas zu.

„Du siehst wirklich bezaubernd aus!“ puhh, es war David. Mein Herzschlag hatte nämlich einen Momentlang schon ausgesetzt weil ich gedacht hatte, es wäre ein Fremder.

Während er gesprochen hatte, hatte sein warmer Atem meine Wange gestreift und bei mir, obwohl ich es vermeiden wollte, eine leichte Gänsehaut verursacht.

Ich drehte mich in seinen Armen um und sah ihn dann von oben bis unten an.

„Du siehst aber auch nicht schlecht aus mein Lieber!“ entgegnete ich lächelnd und umarmte ihn dann zur Begrüßung. Nicht schlecht, war natürlich leicht untertrieben gewesen. David hatte sich in einen schwarzen Anzug geschmissen, mit einem weißen Hemd darunter. Obwohl die Krawatte fehlte und stattdessen zwei der obersten Knöpfe offen standen, tat dies dem Gesamtbild keinen Abbruch. Der Anzug betonte Davids lange und schlanke, dennoch muskulöse Figur perfekt.

„Du musst heute Abend dringend aufpassen, dass die Frauen nicht über dich herfallen!“ fügte ich lächelnd hinzu und trat einen Schritt zurück um ein wenig Raum zwischen uns zu schaffen. David und ich, hatten uns wirklich immer gut verstanden! Da ich jedoch von Anfang an in einer Beziehung mit Simon gesteckt hatte, hatte ich niemals viele Gedanken an ihn verschwendet. Heute jedoch sah er einfach fantastisch aus und ich verstand immer mehr, weshalb alle Frauen der Meinung waren, dass er so unwiderstehlich war. Auch einigen aus unserem Büro hatte er bereits den Kopf verdreht. Doch er hatte eine strickte Regel: Keine Affären mit Arbeitskolleginnen! Nun ja stattdessen hatte er sich jetzt anscheinend auf Dummhühner spezialisiert, sah man sich Letitia mal genauer an.

„So, wie wäre es mit einem Drink?“ fragte mich David und da ich im Moment sowieso nichts besseres zu tun hatte und da ich mich den ganzen Tag bereits auf das besinnungsvolle zusaufen gefreut hatte, um den Frust der letzten Monate zu vergessen, nickte ich und folgte ihm zur Bar, wo eine blonde Schönheit stand und die Leute mit dem versorgte, was sie am meisten brauchten: Alkohol!

„Einen Cognac und Einmal ‚Sex on the beach’ bitte!“ sagte David und drehte sich dann zu mir. „Stimmt doch oder?“ fragte er mich noch einmal. Ich nickte und er bestätigte seine Bestellung bei der Barkeeperin.

„Jetzt oder lieber später?“ fragte sie ihn und warf ihm einen Verführerischen Blick zu, während ich meine Augen aufriss und sie sprachlos ansah. Wie unverschämt, schließlich stand ich daneben! Vielleicht war ich ja seine Freundin, Frau oder ähnliches und sie machte ihm ein doch so eindeutiges Angebot!

„Jetzt sofort, meine Freundin wartet schon!“ sagte David, der die Anspielung sehr genau verstanden hatte, jedoch nicht darauf einging.

„Siehst du, was hab ich dir gesagt? Du musst aufpassen!“ flüsterte ich ihm schmunzelnd ins Ohr und sofort verzog sich sein Gesicht zu einem Lächeln.

„Da bin ich aber nicht der Einzige heute Abend!“ entgegnete er mit seiner tiefen und ruhigen Stimme und nahm dann die Getränke entgegen, reichte mir mein Glas und hielt seines nach vorne so dass ich mit ihm anstoßen konnte.

„Auf einen Abend, den wir so schnell nicht vergessen werden!“ sagte David und beide tranken wir, nachdem sich unsere Gläser berührt hatten, einen großzügigen Schluck.

 

David und ich hatten mittlerweile schon einige Drinks intus und waren somit nicht mehr so ganz Herr unserer Sinne. Wir tanzten gerade gemeinsam auf der Tanzfläche, wo sich einige Dutzend Kollegen ebenfalls räkelten. Normalerweise hieß es, man solle den Alkohol auf Firmenfeiern einschränken, doch diese Regel kannte kein Einziger Mitarbeiter bei uns. Unsere Firmenfeiern liefen meistens aus dem Ruder, doch es gab dafür eine unausgesprochene Regel: Was an diesem Abend geschah, blieb bei diesem Abend! Kein Wort würde darüber verloren werden.

Ich spürte zwei Arme die sich von hinten um meinen Bauch legten und ich drehte mich um. Hinter mir stand ein Mann, um die 27 Jahre alt vermutlich, zwar nicht der attraktivste, aber immerhin ein Mann und tanzte mich an. David hingegen, konzentrierte sich anscheinend auf die Nachbarstänzerinnen und so stand mir und dem zweiten Mann nichts mehr im Weg. In meinem Kopf herrschte vor allem Nebel und ich bekam das, was um mich herum geschah nur noch schemenhaft mit. Irgendwann wechselte ich den Tanzpartner, bis ich nach einiger Zeit wieder in Davids Armen lag und gemeinsam bewegten wir uns zu der Musik. Mir wurde immer schwindeliger und der Alkohol stieg mir immer mehr zu Kopf.

„Lass uns ein wenig raus gehen, du siehst nicht sehr gut aus!“ sagte David, der sich nicht minder betrunken anhörte. Er fasste meine Hand und wir verließen den Partysaal. Mit einem Blick zurück sah ich, wie die meisten Kollegen sich mittlerweile auf der Tanzfläche befanden. Vereinzelt fand man hier und da in einer dunklen und scheinbar „unbeobachteten“ Ecke zwei Kollegen, die gerade Körperflüssigkeiten austauschten und wie wild übereinander herfielen. Diese Feier, lief gerade definitiv aus dem Ruder und keiner war da, der das Desaster aufhalten konnte.

Als David und ich durch die große Eingangstür traten, standen wir sofort in mitten eines Schneesturms. Zumindest erschien es so, denn der Wind wirbelte die Schneeflocken umher, so dass man beinahe nichts sah, das weiter entfernt war als zehn Meter. Sofort bekam ich eine Gänsehaut, da ich nur mein Kleid trug, doch dafür klärte sich mein Kopf auch sofort ein klein wenig.

„Das war wirklich eine gute Idee! Da drinnen ists doch ganz schön voll geworden!“ sagte ich und legte meine Arme um meinen Oberkörper. David hingegen steckte seine Hände in die Hosentasche und blickte nach oben.

„Jedes Jahr dasselbe. Alle lassen sich zulaufen, verrückte Affären entstehen, werden wieder beendet und alle tun so als wäre nichts geschehen!“ sagte David nachdenklich.

„Ich weiß davon nichts. Seitdem ich hier bin, bin ich immer nur mit Simon dagewesen. Geblieben sind wir nie wirklich lang, denn Simon fand es unzumutbar, wie sich die Kollegen verhielten!“ sagte ich zu David.

„Simon war ein Vollidiot!“ entgegnete dieser schroff und ich blickte überrascht zu ihm hinauf. Bisher hatte David zwar immer gezeigt, dass Simon wohl nicht sein bester Freund werden könnte, doch so was hatte er noch niemals gesagt.

„David…was ist…“ Eigentlich wollte ich ihn fragen was los war mit ihm, denn er erschien mir in diesem Moment äußerst nachdenklich, doch er unterbrach mich.

„Wenn Simon bei klarem Verstand gewesen wäre, dann hätte er dich geheiratet!“ sagte er jetzt und richtete dann seinen Blick auf mich. Jetzt wo wir alleine, draußen und zudem auch noch betrunken, dastanden erschien mir David um so vieles größer und stärker als normalerweise. Ich wusste nicht weshalb, aber mein Puls beschleunigte sich. Das war David, der da vor mir stand!

„Aber wenn man es Recht überlegt, dann hatten wir alle ja noch mal Glück, dass er es nicht getan hat, oder?“ fragte David mit einer ruhigen und tiefen Stimme. Ich sah, wie der Schnee der herabfiel, sich in seinen Haaren verfing und langsam zu schmelzen begann.

„David du bist betrunken!“ sagte ich und schlug ihm gespielt gegen die Schulter. Ich war nervös, das musste ich zugeben und dies war definitiv Neuland für mich, denn in Davids Gegenwart war ich noch niemals nervös gewesen!

Doch Davids Blick änderte sich in keinster Weise, stattdessen sagte er „Vielleicht bin ich in diesem Moment klarer, als ich es bisher gewesen bin!“ sagte er und sein Blick wanderte von oben nach unten, meinen Körper entlang. Ich stand wie ein Häufchen Elend vor ihm und zitterte mittlerweile am ganzen Körper. Er bemerkte dies anscheinend, denn er zog sofort seine Jacke aus und legte sie mir um die Schultern. Dabei streifte seine Hand meine Wange, als er den Kragen richtete.

„Ähm Dankeschön…“ sagte ich unsicher. Wie sollte ich mich verhalten? David war auf einmal so ernst, so kannte ich ihn eigentlich doch gar nicht. Außerdem war unser Alkoholpegel gefährlich hoch und wenn wir nicht aufpassten, würden wir eine Dummheit begehen die wir nicht mehr rückgängig machen konnten. Denn zumindest ich war in diesem Moment, drauf und dran mich an Davids Brust zu schmeißen und über ihn herzufallen! Und dies schockierte mich zutiefst. Jetzt musste ich auf Davids gesunden Menschenverstand hoffen.

„David, ich bin ziemlich betrunken! Vielleicht sollte ich nachhause fahren, denn das was mir gerade im Kopf herumgeistert, ist absolut und ganz und gar nicht angemessen!“ sagte ich beinahe flüsternd.

„Was geht denn in deinem Kopf vor?“ fragte er mich ruhig und wandte glücklicherweise seinen Blick wieder ab.

„Das möchte ich eigentlich eher weniger sagen. Ich ruf mir jetzt ein Taxi…Hast du dein Handy da?“ fragte ich ihn und er zog es ohne Worte aus seiner Hosentasche.

Als ich wieder aufgelegt hatte, reichte ich ihm sein Telefon wieder, doch anstatt es entgegenzunehmen nahm er meine Hand in die seine.

„David, was ist denn los?“ fragte ich ihn und sah auf seine Hand! Stark und groß wirkte sie, vor allem mit meiner kleinen in der seinen.

„Ich bin betrunken!“ sagte David, so als würde er das als Entschuldigen benutzen wollen, wofür wusste ich nur nicht.

Ich nickte „Ja ich auch!“ und dann lächelte ich. Bisher, hatten David und ich sehr viel Zeit im Büro miteinander verbracht, erst jetzt fiel mir auf, dass wir privat dafür noch nie was unternommen hatten. Dieses Mal war das erste Mal.

„Du siehst wirklich heiß aus in dem Kleid!“ sagte David plötzlich und durchbrach meine Gedankenblase. Bei diesem Satz zog sich alles in mir zusammen und ich blickte überrascht in seine Augen, die auf mich gerichtet waren.

„Sag mal, hast du irgendwas falsches genommen?“ fragte ich, doch leider kam es bei weitem nicht so selbstsicher rüber, wie es eigentlich sollte.

„Nein, habe ich nicht. Das wollte ich dir eigentlich die ganze Zeit schon mal sagen.“ entgegnete David.

„Ich weiß nicht was ich dazu sagen soll…“ sagte ich und spürte, wie trotz der vorherrschenden Kälte, die Wärme in mir wuchs und mich jeden Moment zu übermannen schien.

„Sag einfach gar nichts am besten…“ flüsterte er mir zu und da sah ich, wie sich sein Gesicht dem meinen näherte.

„David, was tust du da?“ fragte ich ihn unsicher, schaffte es jedoch weder ihm meine Hand zu entreißen, noch einen Schritt zurück zu treten.

„Ich fordere mein verfrühtes Weihnachtgeschenk ein!“ flüsterte er und kam immer näher.

Kurz bevor er meine Lippen erreichte, flüsterte ich „Was ist, wenn wir dadurch alles kaputt machen?“ Das war das Einzige was mir in diesem Moment, neben dem Verlangen nach diesem Kuss, durch den Kopf ging. Ohne sich auch nur einen Millimeter zu entfernen flüsterte David zurück „Und was, wenn nicht?“

Ich hatte keine Zeit mehr darauf zu antworten, denn schon landeten seine Lippen auf meinen und ein überwältigendes Gefühl nahm von mir Besitz. Niemals hätte ich mir einen Kuss so vorstellen können. Ich spürte wie sich tief in meinem Inneren etwas zu rühren schien und dieses etwas veranlasste mich dazu, sofort meine Arme um seinen Nacken zu legen und mich fester an ihn zu schmiegen. Dieser Kuss übertraf alle meine Erwartungen, die ich jemals an einen Kuss gehabt hatte. Ich spürte, wie sich meine Zehen verkrampften, wie in meinem Bauch eine Art Knoten entstand und wie sämtliche Gedanken, die mir in den letzten Monaten noch durch den Kopf gegangen waren einfach verpufften. Ich, Maria, stand draußen im Schnee und küsste David, meinen bis dato wohl besten Freund! Ob das eine gute Idee war, würde sich dann wohl noch zeigen…

3. Kapitel

 

Am nächsten Morgen wachte ich mit dröhnenden Kopfschmerzen auf. Ich sah auf meinen Wecker und stellte fest, dass ich schon viel zu spät dran war für die Arbeit.

„Verdammt…“ murmelte ich und wollte gerade die Decke von meinem Körper ziehen, als ich feststellte, dass ich nicht alleine in meinem Bett lag. Oh verdammt! Langsam hob ich meine Decke an und stellte fest, dass ich vollkommen nackt war! Oh verdammt!!

Ich blickte langsam auf die linke Seite meines Bettes und versuchte meine Gedanken zu ordnen. Ich und David hatten uns gestern geküsst (oh verdammt!) und danach? Das Taxi war gekommen und ich war eingestiegen! Ich lag immer noch in meinem Bett und hielt die Bettdecke mit verkrampften Fingern über meinen Körper. Ich war nach Hause gekommen und, ach genau. Ich hatte vergessen meine Tasche mitzunehmen! Ich war draußen vor der Tür gesessen und hatte mich dem Gefühl hingegeben, welches ich bei diesem Kuss mit David empfunden hatte. David war ein wahnsinnig guter Küsser, denn er hatte mich mit diesem den wir gehabt hatten, in jeder einzelnen Zelle meines Körpers erreicht. Doch war ich äußerst froh gewesen, als das Taxi angekommen war und ich einfach einsteigen konnte, ohne noch ein peinliches Gespräch zu führen. Wir hatten die Sache einfach und unkompliziert abgeschlossen. David hatte dem Taxifahrer durch das geöffnete Fenster hindurch einen 20er gereicht und gemeint, das würde dann so stimmen. Zu mir hatte er nichts mehr gesagt und auch ich hatte mich nicht getraut. Als ich dann vor der Tür gesessen war, hatte ich das alles noch mal Revue passieren lassen und von einer Sekunde auf die nächste, war David plötzlich vor mir gestanden, mit dem Schlüssel in der Hand.

„Ich dachte, vielleicht bräuchtest du den!“ hatte er gespielt lässig gesagt und dann mit dem Schlüssel vor meinem Gesicht hin und her geschwenkt.

„Ich liebe dich!!“ hatte ich gesagt und zu spät festgestellt, was das bedeutete. Doch sagten wir das nicht desöfteren zueinander? Vorher, wäre keiner von uns beiden auf die Idee gekommen, darin etwas anderes zu sehen als Freundschaftliche Empfindungen! Wir hätten uns nicht küssen dürfen, soviel war klar gewesen!

Ich hatte den Schlüssel, ohne weitere Erläuterung entgegengenommen und so meine Wohnungstür aufgesperrt. Der vertraute Duft von Vanille war mir sofort in die Nase gestiegen und ich hatte meine Tasche, die David mir gegeben hatte abgelegt und schließlich seine Jacke ausgezogen, die ich immer noch getragen hatte.

Wir hatten kein Wort miteinander gesprochen, doch David war automatisch mit in die Wohnung gekommen. Ein leichter Lichtschein, der durch eine der Lichterketten entstand, die ich gnädigerweise im Flur aufgehängt hatte, erhellte sein Gesicht ein klein wenig. Ich hatte mich zu ihm umgedreht und ihn einfach nur angesehen und schließlich hatte ich ausgesprochen, was ausgesprochen werden musste.

„Das war ein Fehler!“ David hingegen sah mich weiterhin nur an und durch seinen Blick, entflammte in mir ein Verlangen nach ihm, welches ich mir einfach nicht erklären konnte und welches absolut falsch war! Wieso heute Abend? Wieso nur, hatte ich mich auf dieses Spielchen eingelassen?

„Das meinst du gar nicht so, Maria. Du willst mich genauso so sehr wie ich dich will! Also hör auf dir etwas vorzulügen und genieß einfach die Zeit!“

Ohne mir noch eine weitere Chance für einen Einwand zu geben, hatte er mich an sich gezogen und mich erneut geküsst. Das zweite Mal war bereits wesentlich geübter und unsere Zungen bewegten sich, als wäre es abgesprochen: Eine perfekte Verschmelzung.

Ich hatte gewusst, dass ich einen Fehler beging, eindeutig, doch in dem Moment in welchem David mit seinen geübten Fingern, den Reißverschluss meines Kleides geöffnet hatte, war es um mich geschehen und ich hatte mich nicht mehr wehren können und mich ihm einfach hingegeben.

 

Oh Verdammt!! Da lag ich nun in meinem eigenen Bett, mein bester Freund neben mir, und wusste nicht was ich tun sollte! Ich wollte durch eine blöde Nacht nicht alles aufs Spiel setzen, was wir aufgebaut hatten! Außerdem hatte David Letitia! Verdammt…jetzt war ich die Schlampe, die vielleicht eine Beziehung zerstört hatte. Ich war ein richtiges Miststück, welches tief, wirklich tief in der Scheiße steckte. Das Klingeln eines Handys riss mich aus meinen Gedanken und auch der bisher leblose Körper von David rührte sich plötzlich.

„Ist das deins oder meins?“ fragte er schlaftrunken und stand langsam auf.

„Deins…“ sagte ich so schnell wie möglich. Gar kein seltsamer Augenblick, wirklich!

David stand auf und ich musste schnell meinen Blick abwenden, denn er war ebenfalls vollkommen nackt!

‚Oh mein Gott, hat der einen Körper!’ ich konnte nicht verhindern, dass mir diese Gedanken kamen, denn es stimmte. Das was bisher unter seiner Kleidung für mich versteckt gewesen war, konnte ich jetzt in aller Ruhe betrachten, während er sein Handy suchte und es war der Wahnsinn. Ich mit meinem leichten Übergewicht, fühlte mich in diesem Moment mehr als nur unzulänglich! Er musste ja innerlich gelacht haben, als er mich nackt gesehen hatte! Ich konnte es nicht verhindern, dass ich rot anlief als er sich umdrehte und mir die Vorderansicht bot.

„Weißt du wo mein Handy ist?“ fragte er mich, als wäre es vollkommen normal, dass wir uns beide nackt in einem Raum aufhielten.

„Vielleicht in der Hose?“ versuchte ich so beiläufig wie nur möglich zu sagen und wandte schließlich meinen Blick doch ab. Ob er wohl gemerkt hatte, dass ich ihn beobachtet hatte?

Ich hoffte nicht.

„Ja?“ fragte er ins Telefon hinein und ich stand langsam auf, weil ich dies für den perfekten Zeitpunkt hielt, mich unbemerkt aus dem Staub zu machen (oder zumindest auf den Weg ins Badezimmer) wo ich mich erstmal ein wenig herrichten konnte! Vielleicht wäre er bis ich zurück kam verschwunden? Ich wickelte die Decke fest um meinen Körper und schwang dann meine Beine über den Bettenrand, dann stand ich auf, wohlweißlich darauf bedacht, keinen Zentimeter Haut zu zeigen.

One Night Stands hatte ich schon immer gehasst, war jedoch bisher verschont davor geblieben, die Peinlichkeit am nächsten Tag zu ertragen. Seit dem Beziehungsende mit Simon, hatte ich mich zugegebenermaßen zweimal dazu verleiten lassen. Das waren jedoch Fremde Männer gewesen und bei ihnen hatte ich mich aus dem Staub machen können, ohne ein weiteres Wort. Aus den Augen aus dem Sinn, hieß das Motto! Doch welches sollte ich mir für diese verzwickte Situation einfallen lassen?

„Nein Letitia, ich bin bei einem Arbeitskollegen. Wir haben gestern ein klein wenig zu tief ins Glas gesehen und sind dann bei ihm in der Wohnung gelandet! Wir sehen uns heute Abend, ok?“ fragte David und ich drehte mich in seine Richtung. Wieso nur war ich enttäuscht zu hören, dass er Letitia nicht die Wahrheit sagte? Ich meinte, klar es war schon logisch, dass er ihr am Telefon nicht gleich mitteilte, dass er mit mir geschlafen hatte, aber nun ja, ich hätte irgendwie was anderes erwartet. Er wechselte noch ein paar oberflächliche Worte mit seiner Freundin, während ich mich ins Badezimmer stahl und dann schnell die Tür hinter mir absperrte. Drinnen angekommen, lehnte ich mich gegen diese und schloss die Augen. Wie konnte ich nur so blöd sein und mit David schlafen? Wir hatten mit Sicherheit unser gutes Verhältnis damit ruiniert. Wir konnten uns gerne noch etwas vormachen und so tun, als wäre das niemals geschehen, doch würden wir uns das selber glauben? Ich schritt auf das Waschbecken zu und schüttete mir ersteinmal eine Ladung kaltes Wasser ins Gesicht, um richtig wach zu werden.

Was ich leider zugeben musste, David war einfach fantastisch gewesen im Bett. Er hatte nicht nur das getan, was ihm gefiel, sondern dafür gesorgt, dass ich selber Freude daran hatte. Und das ganze drei Mal!! Oh Gott…Was sollte ich jetzt nur tun?

Ich drehte die Dusche auf und stellte mich anschließend unter den heißen Strahl, der meine müden Muskeln auf Vordermann brachte. Ich ließ mir viel Zeit, obwohl ich doch wusste, dass ich eigentlich in die Arbeit musste. Dennoch wollte ich auf Nummer Sicher gehen. Ich hoffte wirklich, dass David weg wäre, wenn ich wieder aus dem Badezimmer kam. Als ich es nicht weiter hinauszögern konnte, stellte ich das Wasser ab, wickelte meine Haare in ein Handtuch und zog mir meinen Bademantel über, anschließend öffnete ich die Tür und blickte in die leere Wohnung. Ich trat nach draußen, wurde jedoch von Davids Stimme überrascht, die aus der Küche zu kommen schien.

„Hey, du hast aber lang gebraucht. Ich hab uns Kaffee gekocht und Eier gebraten. Ich wusste nicht, was du gerne zum Frühstück magst, also hab ich einfach mal geraten…“ sagte David, der mittlerweile angezogen an meine Küchentheke gelehnt eine Kaffeetasse in der Hand, dastand.

„Ähm, ja Danke. Ich zieh mir nur schnell was über!“ und schon war ich verschwunden. In meinem Schlafzimmer angekommen zog ich schnell Unterwäsche aus der Schublade und anschließend einen grauen, knielangen Rock mit einer dazu passenden weißen Bluse. Das perfekte Bürooutfit, wenn man nicht auffallen wollte.

Was sollte ich nur zu David sagen, wenn ich ihm jeden Moment gegenüber saß? Ok, wir waren beide Erwachsene Menschen. Das Beste wäre wohl, wenn wir einfach ehrlich und offen miteinander darüber sprachen.

„Maria, bei dir alles klar?“ fragte mich David, der in der Tür stand. Ich war währenddessen einfach orientierungslos im Zimmer gestanden und hatte mir überlegt, was ich sagen sollte.

„Ja klar…obwohl, warte. Nein eigentlich ist nichts in Ordnung. David, was haben wir getan?“ fragte ich ihn, obwohl es mich sämtliche Überwindung kostete.

Er lehnte sich gegen den Türrahmen und verschränkte seine Arme vor der Brust.

„Was meinst du?“ fragte er als wäre er auf den Kopf gefallen.

„Na ich meine…“ ich deutete auf das Bett. „Du weißt schon…“ zeigte anschließend auf uns beide.

„Nein, keine Ahnung!“ sagte er lächelnd.

„Ok, ich weiß dass das nicht hätte passieren dürfen und es tut mir Leid. Vielleicht tun wir einfach so, als wäre das alles niemals geschehen?“ fragte ich ihn und ging einen Schritt auf ihn zu. Ich musste zugeben, er war einfach unwiderstehlich, wie er da lässig im Türrahmen lehnte und mit erschrecken stellte ich fest, dass ich am liebsten erneut über ihn herfallen würde, doch ich unterließ es. DAS wäre mit Sicherheit ein weiterer riesengroßer Fehler, auch wenn der Sex mit ihm einfach atemberaubend gewesen war.

Bei meinen Worten richtete er sich auf und ließ seine Arme herabhängen.

„Wie du meinst Maria. Was auch immer du möchtest, ich tue es. Soll ich gehen?“ fragte er mich in nicht mehr ganz so lockerem Ton.

Ich musste darüber nachdenken, doch ich wusste genau, was die richtige Entscheidung wäre. Ich nickte langsam und traute mich gar nicht, David dabei in die Augen zu sehen.

„Ja bitte…“ fügte ich eingeschüchtert hinzu.

„In Ordnung, ich lass dich in Ruhe. Wir sehen uns bei der Arbeit!“ und schon drehte er sich um und verschwand. Einige Sekunden später hörte ich die Tür ins Schloss fallen und ich blieb alleine in meiner leeren Wohnung zurück. Wieso nur, fühlte es sich auf einmal so schlecht an, ohne David hier drinnen zu stehen?

 

 

„Oh guten Morgen Maria, ein bisschen spät dran, nicht?“ fragte mich Martha die am Empfangstresen stand und sämtliche Mitarbeiter die beschämt die Agentur betraten inspizierte.

„Guten Morgen Martha…ja ich hab verschlafen!“ sagte ich, ebenfalls beschämt, und schlich mich schnell an ihr vorbei. Ob die Menschen in unserer Firma wussten, was letzte Nacht geschehen war? Ach Blödsinn, woher denn? Man konnte den Menschen ja schließlich nicht ansehen, dass sie Sex gehabt hatten.

„Na Maria, du schaust aus, als hättest du eine Ereignisreiche Nacht hinter dir!“ sagte John, unser Hausmeister.

Ok, vielleicht sah man es den Menschen ja doch an.

„Nein, nein. War ne ganz ruhige Nacht!“ log ich schnell.

„Wirst du etwa gerade Rot?“ fragte der charismatische ältere Mann mich und lächelte.

Ich antwortete jedoch nicht darauf sondern eilte auf meine Bürotür zu, öffnete sie schnell und versteckte mich dann dahinter. Puh, den Gang der Peinlichkeit, hatte ich hinter mich gebracht. Ein Räuspern riss mich aus meiner Erleichterung heraus und ich öffnete die Augen, nur um David zu sehen, der an seinem Platz saß und bereits fleißig arbeitete.

„Maria, du benimmst dich in der letzten Zeit wirklich ein bisschen seltsam!“ sagte David, so als wäre nichts passiert in dieser Nacht. Als hätte er all die Dinge nicht mit meinem Körper getan…vielleicht hatte ich geträumt?

Ich sah ihn verblüfft an und wusste nicht, was ich sagen sollte. Er tat tatsächlich so als wäre nichts geschehen!

„Mir geht’s gut.“ Sagte ich lediglich und setzte mich dann an meinen Schreibtisch, wo ich erstmal den PC hochfahren ließ. Vorher richtete ich erstmal noch meine Bluse und den Rock, da alles total verschoben schien, nachdem ich meine Jacke aufgehängt hatte. David versuchte ich erstmal zu ignorieren, was irgendwie ziemlich schwer fiel, da ich seine Blicke genau spürte. Wir hatten doch alles zerstört, das hatte ich vorher schon gewusst. Wieso nur hatte ich es nicht einfach lassen können?

„Du Maria…“ sagte David und ich blickte in seine Richtung. Seine braunen Augen schienen besorgt, genauso wie der Rest seines makellosen Gesichts.

„Ja?“ fragte ich erwartungsvoll obwohl ich nicht wusste, was genau ich erwarten sollte.

„Ach passt schon.“ Sagte er stattdessen und richtete seinen Blick wieder auf den PC.

Da ich jedoch nach einiger Zeit die Stille nicht mehr ertrug, entschied ich David einfach mal anzusprechen.

„Und was hat Letitia gesagt, weil du nicht nach Hause gekommen bist?“ fragte ich ihn vorsichtig. Warum ich genau dieses Thema anschnitt wusste ich nicht, doch es brannte mir einfach unter den Nägeln zu erfahren, über was die beiden gesprochen hatten.

„Na begeistert war sie ja nicht gerade, aber was soll sie machen?“ antwortete David kurz und knapp.

Dann senkte sich erneut die Stille über uns.

„Ok, David. So geht das nicht. Ich möchte gerne, dass alles so ist wie es vorher war, in Ordnung? Ich meine wir haben einen Fehler begangen, wir können uns jetzt aber schlecht die ganze Zeit anschweigen! Ich meine wir sind doch Freunde, oder etwa nicht?“ fragte ich ihn. Sein Blick hatte sich bei dem ersten Wort erhoben und war stetig auf mir liegen geblieben.

„Ja du hast vermutlich Recht. Es ist halt ziemlich schwierig…“ antwortete David.

„Warum? Wir dürfen die Sache einfach nicht mehr aufbauschen. Es ist passiert, Ende. Wir ziehen einen Schlussstrich darunter. Ich meine, wir sind beide erwachsen, wir können doch wohl „normal“ damit umgehen!“ erwiderte ich.

„Was auch immer „normal“ bedeutet, oder?“ auch David hatte bei dem Wörtchen normal seine Finger erhoben und angedeutete Anführungszeichen in die Luft gemacht.

„Ich weiß es nicht…“ antwortete ich mit hängendem Kopf.

Ich hörte wie sich David in Bewegung setzte und offenbar aufstand, dann um den Schreibtisch herum kam und schließlich vor mir in die Hocke ging, so dass er mir in die Augen sehen konnte.

„Maria, vielleicht..“ weiter kam er nicht, da die Tür unseres Büros aufgerissen wurde und Mr. Darwin hereinspaziert kam.

„Maria! Die Kundin hat sich noch mal gemeldet, sie möchte kurzfristig noch mal ein Meeting haben, weil ihr noch etwas eingefallen ist. Kommen sie bitte mit?“ fragte er in solch einem bestimmenden Tonfall, dass ich gar nicht erst Nein sagen konnte.

„Wir reden später weiter.“ Sagte ich zu David, der aufgestanden war und sich an den Schreibtisch gelehnt hatte.

„Ja wir reden später…“ murmelte er nur. Ich brannte darauf zu erfahren, was David hatte sagen wollen und gleichzeitig hatte ich Angst davor. Die Unterbrechung, verschob unser Gespräch, würde es jedoch nicht verhindern. 

4. Kapitel

Ich saß die ganzen zwei Stunden in der Besprechung und war im Endeffekt doch nicht wirklich anwesend gewesen, denn meine Gedanken schweiften stetig um David und das, was er mir hatte sagen wollen. Wollte ich es überhaupt hören? Ich war mir nicht sicher.

Wieso nur machten Menschen stetig diese alles verändernden Fehler? David und ich hatten ein super Verhältnis gehabt und dieses wegen einer einzigen Nacht aufs Spiel gesetzt! Er war mir immer ein guter Freund gewesen, hatte mir zugehört und jetzt? Ich konnte mir nicht einmal mehr im Ansatz vorstellen mit ihm über Dinge wie Beziehungen zu sprechen! Er hatte von den zwei One Night Stands gewusst und mir gesagt, dass es ganz normal war nach einer solch langen Beziehung wieder Abenteuer erleben zu wollen, doch niemals hätte ich erwartet, dass genau er einmal zu diesen Abenteuern gehören würde. Ich hatte es nicht nur nicht gedacht, sondern ich hatte es auch gar nicht gewollt! Davids Regel, kein  Sex mit Arbeitskollegen hatte durchaus seinen Sinn, stellte ich jetzt fest, denn wie sollten wir einfach so im Alltag weiter machen?

Als ich endlich aus der Besprechung zurück kam und durch die Tür stürmte, sah ich auf einmal Letitia in unserem Büro stehen und sie sah mal wieder fabelhaft aus: Oh wie ich sie hasste!

„Maria!! Schön dich mal wieder zu sehen…“ sagte sei mit einem leichten Spanischakzent und ließ dann ihren Blick über meinen Körper wandern. Sei zog eine Augenbraue nach oben und sagte schließlich „Schicker Rock. Ich wüsste nicht, ob ich das Selbstbewusstsein hätte, sowas bei solch einer Figur zu tragen, aber du bist ja auch wesentlich stärker als ich!“ dann lächelte sie mir strahlend ins Gesicht, so als hätte sie mir nicht noch kurz vorher eine Beleidigung an den Kopf geschmissen! Zehn Sekunden mit ihr in einem Raum und ich fühlte mich wie Dreck, das war schon so, seitdem ich sie kennengelernt hatte!

„Ähm ja danke Letitia!“ sagte ich trocken und setzte mich auf meinen Bürostuhl, während mir David von der anderen Seite ein „Sorry…“ stumm zurief. Letitia war jedoch noch nicht fertig, sie war nämlich niemals fertig!

„Es sieht ja beinahe so aus, als wären deine Brüste gewachsen…sag mal bist du schwanger? Das würde nämlich einiges erklären!“ ich war mir wirklich nicht sicher, ob sie es tatsächlich böse meinte oder ob sie einfach nur zu dumm war, um zu verstehen was sie da von sich gab, aber in mir stieg langsam die altbekannte Wut an, die immer vorhanden war, wenn ich sie traf. Ich schaffte es jedoch nicht, darauf zu reagieren, da Letitia mit der nächten Bombe herausplatzte.

„Also der Grund meines Besuches ist folgender. In meiner Firma arbeitet ein netter charmanter junger Mann…“ was das Codewort für verschroben war, „und dem habe ich von dir erzählt Maria. Ich habe ihn zum essen zu uns eingeladen und du wirst natürlich auch kommen. Vielleicht vergisst du ja dann endlich diesen Simon. Ich habe schon gesehen, seine Freundin hat ihr Baby bekommen! Oh ach, wann ist es denn bei dir soweit? Wir müssen Tiko ja schließlich vorbereiten!“ jetzt riss mein Geduldsfaden und ich sprang auf.

„Verdammt nochmal ich bin nicht schwanger! Seh ich etwa wirklich schwanger aus?“ sagte ich jetzt an David gewandt der fassungslos das Schauspiel beobachtet hatte. Der schüttelte langsam den Kopf und ließ dann genüsslich seinen Blick über meinen Körper gleiten, Letitia bekam nichts mit, denn sie war vollkommen auf sich und ihre Vermutung konzentriert. Ich hingegen schluckte einmal schwer und wandte meinen Blick schnell von David ab. Mein schlechtes Gewissen kehrte zurück und ich sah wieder zu Letitia.

„Es tut mir Leid, ich hätte nur schwören können…ach was solls. Was ist mit der Einladung?“ fragte sie als wäre ich nicht gerade halb explodiert. Ich schloss einen kurzen Moment meine Augen und atmete ein paar Mal tief ein und aus, dann antwortete ich schließlich „Wann soll das denn sein?“

Glaubt mir, ich willigte nur ein, weil ich ihr gegenüber ein furchtbar schlechtes Gewissen hatte. Sie war vielleicht ein Miststück, oder dumm, oder was auch immer, doch betrogen zu werden das hatte wirklich niemand verdient. Auch wenn ich zugeben musste, dass ich ein klein wenig Schadenfreude verspürte bei dem Gedanken, dass ihr David sie mit mir kleinem Fettkloss (zumindest war ich das in ihren Augen!) betrogen hatte. Trotzdem, es war nicht zu rechtfertigen und in diesem Moment begann ich mit dem Weg der Sühne. 

„In Ordnung, ich bin heute Abend da!“ sagte ich schließlich und ergab mich somit meinem Schicksal.

„Und schwanger bist du sicher nicht?“ sagte Letitia mit einem letzten Blick auf mich und ich verdrehte die Augen und antwortete schließlich, in aller Ruhe „Nein. Sicher nicht!“

Leider hatten David und ich wieder keine Möglichkeit das Gespräch zu führen, denn Letitia zerrte ihn zum essen und danach hatte er eine ewige Besprechung. Bis er wieder im Büro wäre, müsste ich schon längst unter der Dusche stehen um pünktlich zu sein. Also hinterließ ich ihm einen Zettel auf dem stand, dass wir uns bei ihm zuhause sehen würden und dass ich dringend noch mit ihm sprechen wolle.

 

Ich kam zuhause an und zog mir sofort den grauen Rock und die Bluse aus, in welcher ich mir seitdem dem Zusammentreffen mit Letitia wie eine dicke Bockwurst vorgekommen war. Blöde Kuh!

Ich ging ins Badezimmer, stellte mich unter die Dusche und versuchte die Aufregung die sich langsam in mir breit machte zu verdrängen. David. Meine Gedanken schwirrten nur noch um ihn und ich hatte langsam das Gefühl, dass es nicht nur damit zusammenhing, dass wir zusammen im Bett gewesen waren. Nein. Während ich unter der Dusche stand und an die Geschehnisse dachte wurde mir schlagartig klar, dass ich für David mittlerweile mehr empfand als nur Freundschaft und dies traf mich wie eine Faust in den Magen. Wann zum Teufel noch mal, hatte ich mich denn in David verliebt? Es war mir im Grunde genommen bereit im Laufe des Tages klar geworden, als ich ihn heute im Büro gesehen hatte und als er mit Letitia verschwunden war. Ich hatte mir so sehr gewünscht, dass ich diejenige war, mit der er ging. Doch diese Gefühle waren mit ziemlicher Sicherheit bereits vorher da gewesen, denn sonst hätte ich mich vermutlich niemals auf diesen Kuss, diese Nacht eingelassen. Ich hatte mich so sehr an ihn und seine Anwesenheit gewöhnt, dass ich vorher nur nicht drauf gekommen war. Ich hatte seine Berührungen so sehr genossen, sie waren mir so normal vorgekommen, dass ich diesen Dingen keine größere Bedeutung beigemessen hatte. Doch diese Nacht hatte alles verändert. In dieser Nacht hatten die Berührungen wirklich mir gegolten, seine Küsse die mich in den Himmel entführt hatten, seine Worte.

„Du bist der Wahnsinn…“ hatte er mir irgendwann ins Ohr geflüstert und mich damit beinahe ins Paradies gebracht.

Ich stützte mich am Waschbecken ab und spürte wie meine Hände zitterten. Wieso nur, hatte ich diese selbstzerstörerische Ader in mir? Wieso nur wollte ich genau den Mann, der nicht zu haben war? Er befand sich in einer Beziehung, er predigte mir seit Jahren, dass er sich niemals mit einer Kollegin einlassen würde, er hatte mir oft gezeigt welche Frauen seinem Typ entsprachen. Ich war weder die Frau mit der er sich in einer Beziehung befand, noch diejenige die diesem Typ entsprach und an allererster Stelle waren wir Arbeitskollegen und teilten uns zu allem Überfluss auch noch ein Büro. Ich schloss die Augen und öffnete sie kurz darauf wieder um mich im Spiegel zu betrachten. Diese großen traurigen braunen Augen die mir entgegenblickten gehörten nicht zu mir. So kannte ich mich nicht. Dieses dunkle Gefühl hatte ich nicht einmal in dem Moment gehabt, in welchem sich Simon von mir getrennt hatte. Wieso also jetzt? Ich hatte es gewusst, eine Nacht würde alles zerstören, doch es war mir egal gewesen. Genieße die Zeit hatte er zu mir gesagt, doch er hatte mir nicht gesagt was ich danach tun solle. Er hatte mir niemals gesagt, wie ich mit diesem Gefühl umgehen solle, welches in mir drinnen gerade herrschte. Jetzt sollte ich auch noch zu ihm nach Hause gehen, einen Mann kennenlernen und so tun, als wäre alles in Ordnung. Als würde ich mich auf ein Blind Date freuen, obwohl der Mann den ich wollte, mir gegenüber sitzen würde.

Doch vielleicht war es genau das was ich brauchte. Die Konfrontation, dann der kalte Entzug. Und wer wusste schon so genau, ob dieser Typ mit dem mich Letitia bekannt machen wollte, nicht genau derjenige war, den ich heiraten würde? Ich wusste es, denn im Moment konnte ich mir nicht vorstellen mit irgendjemand anderem mein Leben zu verbringen als David höchstpersönlich. Ich stieß mich vom Waschbecken ab und ging in mein Schlafzimmer, wo ich mich vor meinen Kleiderschrank stellte.

Ich müsste das jetzt einfach ertragen, denn ich würde David nicht bekommen. Ich hatte mich zwischen Kämpfen und Hinnehmen entscheiden können. Meine Entscheidung war auf das zweite gefallen.

 

„Du siehst klasse aus!“ sagte David, der in der Tür stand und mir, sobald ich das Häuschen betrat den Mantel abnahm. Ich hatte mich für ein einfaches schwarzes Kleid entschieden, bei welchem Letitia wohl nichts zu mäkeln hätte. Als ich David in der Tür gesehen hatte, war mein Herz für einen Moment stehen geblieben mein Puls war nach oben geschossen. ‚Jetzt reiß dich zusammen, er ist ja schließlich kein Gott oder so. So schnell wie Gefühle kommen, so schnell können sie auch wieder verschwinden!‘

„Dankeschön!“ zwang ich mich zu antworten und drehte mich dann zu ihm um.

„Ist der Traumprinz schon da?“ fragte ich ihn gezwungen lässig. Er sollte nicht merken, dass sich für mich einfach alles geändert hatte.

„Er ist im Wohnzimmer. Maria, ich wollte noch mit dir reden…“

„Lass mal, ich weiß auch so schon was du sagen willst.“ Sagte ich und hob meine Hand, um ihn zum verstummen zu bringen.

„Ach ja? Was denn?“ fragte er mich blinzelnd und wartete auf meine Antwort. Ich sog den Atem ein und ließ ihn nach einigen Sekunden wieder entweichen.

„Na das Übliche. Wir müssen das was geschehen ist vergessen. Ich bin in einer Beziehung, bitte sag Letitia nichts davon…das Übliche halt!“ wow ich war ja richtig Tough. Im Vergleich zu meinem Innenleben schien nach außen hin alles klar und geregelt zu sein.

Überrascht zog David die Augenbrauen nach oben, hatte ich also voll ins Schwarze getroffen.

„Naja, also eigentlich…“ und schon wieder wurden wir unterbrochen, diesesmal durch Letitia die in den Gang spaziert kam.

„Maria, schön dass du gekommen bist!“ sagte sie mit ausgestreckten Armen, zwang sich dann zwischen mich und David und schloss mich in die Arme. Ich sah David überrascht an, der lächelnd da stand und sich das Schauspiel lediglich ansah.

„Ja klar. Danke für die Einladung!“ stammelte ich in ihren Armen vor mich hin und war froh, als sie mich wieder losließ. Sie packte mich an der Hand und zog mich in das Wohnzimmer, wo eine Art südländischer Gott auf mich wartete. Er stand auf, er war ja riesig!, und streckte mir dann die Hand entgegen.

„Hallo, mein Name ist Tiko.“ Er schien ein wenig aufgeregt zu sein und ich war  es ebenfalls, jedoch mehr aus dem Grund, dass ich Davids Blicke genau spürte. Wahrscheinlich lachte er sich jetzt ins Fäustchen über diese Situation.

„Maria, schön dich kennen zu lernen!“ sagte ich weil es die Höflichkeit nun einmal so gebot und vor allem da der Mann da vor mir nichts für diese bizarre Situation konnte.

„Nun gut, wem kann ich denn einen Drink anbieten?“ fragte Letitia fröhlich, offenbar war sie immer noch der Meinung, dass sie hiermit eine gute Tat begann.

„Für mich bitte nur ein Wasser, danke!“ sagte ich zu ihr und David stimmte mit ein. „Ich verzichte heute auch mal auf Alkohol!“ Er warf mir dabei einen Blick zu, der sofort dafür sorgte, dass sich ein Prickeln durch meinen Körper zog. Wie sollte ich das nur überstehen? Nicht nur heute Abend, sondern überhaupt?

„Ach ja, Maria, wie war denn die Feier gestern? David hat noch gar nichts davon erzählt!“ sagte Letitia fröhlich, während sie die Getränke für uns zubereitete.

„Ähm, ja ziemlich feuchtfröhlich!“ sagte ich mit dem Blick in Davids Richtung.

„Ja da kann ich nur zustimmen!“ sagte David und zwinkerte mir einmal kurz zu. Was stimmte nur nicht mit diesem Kerl? Hatte ich ihn vielleicht doch immer falsch eingeschätzt?? Wie konnte er sowas in der Gegenwart seiner Freundin nur tun? Wahrscheinlich hatte er irgendwie eine Sadistische Ader oder so, denn er musste doch wissen, wie sehr mich solche Dinge verletzten. Doch wenn ich es recht überlegte, woher sollte er das denn bitte wissen? Er wusste nichts von meinen Gefühlen und er würde auch niemals davon erfahren!

„Hier bitte!“ sagte Letitia und reichte mir mein Wasser. Nachdem wir alle auf unserem Platz saßen, senkte sich eine unangenehme Stille über die Viererrunde die schwer auf mir lastete. Wieso nur hatte ich mich bereit erklärt, hierher zu kommen? Das war eine absolut blöde Idee gewesen.

Während Tiko und Letitia die Stille langsam füllten, indem sie sich über Dinge aus dem Büro unterhielten, saßen David und ich eher teilnahmslos daneben und lachten an den richtigen Stellen. Ich merkte genau, wie Letitia versuchte mir Tiko anzupreisen. Mitarbeiter des Jahres, der schärfste Typ der Firma (natürlich ein Scherz), Freiwilliger in der Suppenküche für Obdachlose. Klar, weil der Typ nichts Besseres zu tun hatte. Wahrscheinlich war er mit Sozialstunden dazu verdonnert worden, das könnte ich mir besser für ihn vorstellen.

Irgendwann verlagerte sich das Gespräch dann in die Küche, wo ein Esstisch bereits gedeckt für uns bereit stand. Ich setzte mich auf den mir zugewiesenen Platz, während Tiko sich mir gegenüber hinsetzte. David nahm den Platz direkt neben mir und ich spürte sofort das Kribbeln, welches durch seinen plötzliche Nähe entstand.

„Und Maria, wie hat dir die Feier gestern gefallen?“ nahm Letitia erneut das Weihnachtsfeierthema auf und lächelte mich an. So höflich war sie normalerweise nicht zu mir, doch normalerweise, befand sich außer mir auch nur noch David im selben Raum und vor dem konnte sie mich ja lächerlich machen, ihrer Meinung nach.

„Ach die Party war schon ganz in Ordnung!“ sagte ich schulterzuckend und sah dann zu David hinüber, der interessiert zuhörte.

„Wir hatten unseren Spaß…“ fügte ich hinzu. Plötzlich und ohne jede Vorwarnung spürte ich eine Hand auf meinem Oberschenkel.

„Alles in Ordnung?“ sagte Letitia die wohl mitbekommen hatte, dass ich mich erschreckt hatte. Ich warf einen kurzen Blick zu David hinüber, der mich nicht einmal betrachtete, doch seine Hand nahm er nicht weg.

„Klar, alles in Ordnung!“ antwortete ich und schluckte einmal schwer. Was war nur mit David los?

Ich legte meine Hand auf die seine und versuchte sie wegzunehmen, doch stattdessen packte er meinen Oberschenkel nur noch fester und ich schaffte es nicht, ohne größeres Aufsehen zu erregen, sie zu entfernen. Ich spürte die Hitze die von der Stelle an der er mich berührte ausging, das Kribbeln das bis in meinen Bauch reichte, die Anziehung die dadurch entstand. Erneut schluckte ich und legte mir die Hand auf den Bauch, während ich dem, was Letitia und Tiko gerade als Thema hatten, nicht mehr folgen konnte.

Davids Hand wanderte nach oben und nach unten, er streichelte mein Bein doch für mich war es die Hölle. Ich musste hier raus.

Ich stand plötzlich auf und zog so sämtliche Blicke auf mich.

„Es tut mir Leid, ich fühle mich nicht besonders. Danke für die Einladung Letitia aber ich muss jetzt gehen!“ sagte ich und drehte sofort um. Ich spürte genau die Blicke der drei Personen in meinem Rücken, dennoch stürmte ich so schnell es mir möglich war in den Eingangsbereich, zog mir meine Jacke über, dann den Schal und öffnete schließlich die Haustür. Kurz bevor ich sie hinter mir schließen konnte, hielt mich jemand auf. Da ich keinerlei Zweifel daran hatte, dass es David war, riss ich mich los und trat in die kalte Abendluft hinaus. Sofort erschienen Wolken aus Atem vor meinem Mund und ich zog die Jacke enger um meinen Körper.

„Maria, warte mal!“ sagte David und griff nach meinem Arm.

„Nein, ich warte nicht! Verdammt David, was sollte das da drinnen?“ fragte ich ihn wütend und wirbelte zu ihm herum. Er stand etwas überrascht da und sagte erstmal kein Wort.

„Ich versuche dir doch die ganze Zeit schon zu sagen, dass…“

„Es ist mir egal, ok? Wir haben beschlossen diese Sache irgendwie zu vergessen und was tust du? Machst blöde Anspielungen, begrabscht mich unter dem Tisch, solche Dinge tut man nicht David wenn die eigene Freundin daneben sitzt!“ ich versuchte meinen Ton zu mäßigen, damit ja nichts von dem was ich hier sagte ins Innere des Hauses drang. Wie heimelig die beiden doch schon waren. Das Haus gehörte eigentlich David, doch Letitia hatte sich bereits nach den ersten zwei Wochen dort breit gemacht und sah es als ihr gemeinsames Heim an.

„Du hörst mir aber auch nicht zu Maria!“ sagte David, der ein wenig verzweifelt zu sein schien.

„Ich will auch gar nicht mehr über das reden, was geschehen ist. Es war ein riesengroßer Fehler, den wir zwei niemals wieder ungeschehen machen können. Also lass uns bitte einfach das Beste draus machen und uns aus dem Weg gehen!“

David schien langsam sauer zu werden und kam näher. Ich schritt automatisch einen Schritt zurück doch er packte meinen rechten Arm, dann meinen linken.

„Wie soll man dir denn auch widerstehen…“ murmelte er und näherte sich mir. Ich stand vollkommen geschockt da und glaubte einfach nicht, was da gerade geschah. Ich konnte mich nicht wehren, konnte nicht zurück treten, ich konnte gar nichts. Aber ich wollte sehr viel. Ich wollte David, genau in diesem Moment. Ich wollte ihn an mich ziehen und genau die Dinge erleben, die ich gestern Nacht erlebt hatte. Ich wollte David so wie er vor mir stand und zwar so sehr, dass es beinahe schon schmerzte.

Seine Lippen die sich auf meine legten fühlten sich warm und geschmeidig an und ich konnte nicht widerstehen und schloss meine Augen. Dieses eine Mal noch, danach würde ich mich von ihm fern halten und mein Leben weiter leben, nachdem ich mir erstmal meine Wunden geleckt hätte. Ich wusste nämlich jetzt schon, dass ich am Ende mit einem gebrochenen Herzen dastehen würde.

Ich spürte Davids Zunge, wie sie über meine Lippen glitt und mich darum bat, endlich zu entspannen und das zu tun, was auch er wollte. Doch ich konnte nicht. So viel konnte ich einfach nicht nachgeben, denn das was wir hier taten verletzte Menschen. Wenn nicht Letitia, dann zumindest mich.

„David…hör bitte auf!“ sagte ich nachdem ich meinen Kopf ein wenig zurückgezogen hatte. Ich atmete schwer, von dem Verlangen überwältigt und dennoch war mein Kopf in diesem Fall stärker als mein Körper.

„Warum nicht?“ flüsterte David und wollte gerade von vorne beginnen, als ich einen Ruf hörte.

„David??“ dieser kam aus dem Haus und ich trat automatisch einen großen Schritt zurück.

„Deswegen…“ sagte ich nur und kehrte ihm dann den Rücken zu, kurz darauf hörte ich Letitias Stimme „David, was tust du da draußen. Es ist eiskalt!“

„Ich komme gleich rein…“ hörte ich ihn noch, doch ich drehte mich nicht noch einmal zu ihm um, sondern stieg in meinen Wagen und brauste einige Sekunden später davon. Im Rückspiegel sah ich David, wie er immer noch an der selben Stelle stand und mir hinterherblickte. 

5. Kapitel

Nach diesem verhängnisvollen Abend in Davids Haus hatten wir uns nicht mehr gesehen. Dies lag nicht etwa daran, dass ich ihm aus dem Weg ging, das wäre im Büro auch äußerst schlecht möglich, sondern dies lag vorwiegend daran, dass mich eine ziemlich heftige Grippe erwischt hatte und ich war flachgelegen. Nach über sechs Tagen im Bett, mit viel Tee und einer Heizdecke, hatte ich mich jedoch einigermaßen aufgepeppelt und konnte endlich wieder in die Arbeit gehen. Die Empfangsdame unserer Agentur empfing mich mit einem „MARIAAA, da bist du ja endlich wieder!!!“, sie tat ja beinahe so, als wäre ich monatelang weg gewesen.

„Hey, ja hallo. Bin wieder einigermaßen fit!“ sagte ich ein wenig angeschlagen, weil mich alleine schon der Weg in die Arbeit fertig gemacht  hatte. Der Verkehr war schrecklich gewesen, aber ich hatte mir ja eingebildet, lieber selber mit dem Auto zu fahren, weil ich so wesentlich mobiler war. Das hatte ich jetzt davon! Ich ging den Gang entlang auf mein Büro zu, begrüßte hier und da meine Kollegen und spürte, wie je näher ich der Tür kam, mein Herz immer schneller schlug. Verdammt! Diese Tage, in welchen wir uns nicht gesehen hatten, hatten mir in keinster Weise geholfen und so war ich nur noch mehr aufgeregt. Ich öffnete die Tür langsam und bedächtig und trat dann ins Büro ein. David saß an seinem Computer, sah jedoch sofort auf, als sich die Tür öffnete und als er mich erblickte, weiteten sich seine Augen.

„Maria, wie geht’s dir?“ fragte er mich besorgt und stand auf, um mir aus der Jacke zu helfen.

„Du siehst furchtbar aus, warum bist du überhaupt schon wieder hier?“ fügte er hinzu, nachdem er meine Jacke aufgehängt und ich mich auf den Bürostuhl niedergelassen hatte.

„Frag mich was besseres!“ sagte ich, während ich meine Arme auf dem Schreibtisch abstützte und mir die flache Hand an die Stirn presste. „Zuhause war noch alles in Ordnung!“

„Mann Maria, du bist wahrscheinlich tagelang nur im Bett gelegen, dein Kreislauf muss auch erstmal wieder auf Vordermann kommen nach so einer Erkältung. Du hörst dich übrigens nicht so an, als wäre sie schon vorbei!“ sagte er und kam auf mich zu, streckte seine Hand aus und legte sie mir auf die Wange.

„Und Fieber hast du zu allem Überfluss anscheinend auch noch!“

Ich war so geschafft, dass ich seine Berührung zwar wahrgenommen hatte, sie jedoch überhaupt nicht zu würdigen wusste.

„Oh Gott, ich glaube mir haut es den Kreislauf zusammen!“, sagte ich und legte mein heißes Gesicht auf die kühle Schreibtischplatte.

„Noch mal, warum bist du überhaupt gekommen?“, fragte mich David besorgt und kniete sich neben meinem Bürostuhl nieder, um mich ansehen zu können.

„Mir war langweilig, ich hab ne Menge Arbeit die liegen geblieben ist und ich dachte, es geht schon wieder!“, erwiderte ich auf seine Frage hin.

„Bei Langeweile schnappt man sich ein Buch, die liegengebliebene Arbeit hab ich erledigt, weil ich selbst nicht viel zu tun hatte und offensichtlich geht’s noch nicht!“, sagte er konsequent und stand auf.

„Ich jedenfalls werde dich jetzt nach Hause bringen!“

„Nein, nein. Ehrlich, dass musst du nicht tun!“, sagte ich fühlte jedoch, wie ich müder zu werden schien.

„Keine Widerrede. Also los geht’s!“, er half mir beim aufstehen, in die Jacke und schon marschierten wir nebeneinander los.

„Maggie, ich bring Maria nach Hause. Ihr geht’s doch noch nicht so gut!“, sagte David beim vorbei gehen.

„Aber klar doch, bring sie nach Hause!“, entgegnete Maggie und zwinkerte uns beiden zu. Was hatte die denn für ein Problem?

Als wir unten in der Lobby ankamen, fragte mich David: „Bist du mit dem Auto da oder mit der Bahn?“

„Auto!“, antwortete ich schlicht und ergreifend und zeigte mit dem Kopf auf mein Auto, welches direkt vor dem Eingang stand. Zumindest in dieser Hinsicht hatte ich Glück gehabt.

„Ok, gib mir die Schlüssel…“, sagte David und streckte mir seine Hand entgegen. Da ich keine Energie hatte, um mich mit ihm zu streiten, gab ich ihm meinen Wagenschlüssel und folgte ihm nur noch. Ich war froh, als ich mich endlich im Auto niederlassen konnte und schnallte mich an, bevor ich meinen Kopf gegen die kühle Fensterscheibe lehnte.

Die Autofahrt bekam ich kaum mit und als wir vor meinem Wohnblock ankamen, löste ich den Gurt und stieg aus. David folgte mir selbstverständlich, sperrte die Haustür, dann die Wohnungstür auf und wies mich anschließend an, mich hinzulegen.

„Ich mache dir solange einen Tee. Ruh du dich aus!“, sagte er und begann damit, das Wasser aufzukochen und es dann in eine Tasse, mit einem bereits enthaltenen Beutel zu füllen.

„Dankeschön David!“, sagte ich, als er mir die Tasse hinhielt und sich dann auf einen der nicht passenden Sessel niederließ. Er stützte seine Arme auf den Beinen ab und sah zu mir hinüber.

„Ich hoffe, Letitia war nicht allzu sauer über meinen Abgang am Donnerstag?“, fragte ich David nach einer Zeit des Schweigens.

David lehnte sich bei dieser Aussage nach hinten und atmete hörbar aus.

„Naja, sie wird wohl wütender darüber gewesen sein, dass ich mich von ihr getrennt habe!“, sagte er dann schließlich. Bei dieser Aussage ließ ich beinahe meine Teetasse fallen, konnte es jedoch nicht verhindern, dass ein wenig Tee überschwappte und mir die Hand verbrannte.

„Autsch verdammt…“, sagte ich und stellte die Tasse auf dem Sofatisch ab, während ich automatisch meine Hand um die Stelle schloss. David sprang auf und lief zum Kühlfach, wo er einen Eisbeutel herausholte, ihn in ein Geschirrtuch wickelte und mir dann brachte.

„Ungeschickt wie eh und je, ha?“, fragte er mich ein wenig amüsiert.

„Ach halt den Mund!“, sagte ich und konnte mir ein Lächeln dennoch nicht verkneifen. Leider musste ich genau in dem Moment auch niesen und so kam ein eher seltsames Geräusch dabei heraus.

Ich lehnte mich zurück und schloss meine Augen.

„Das ist echt nicht mein Tag. Nicht meine Woche! Der ganze verdammte Monat schreit nach Chaos!“, sagte ich jammernd und hörte wie sich David in seinem Sessel rührte.

„Ach ja, warum denn?“, fragte er mich neugierig. Ich hingegen hatte nicht die Energie auf seine Frage zu antworten. Stattdessen saßen wir stillschweigend in einem Raum. Ich wollte ihn fragen, warum er Schluss gemacht hatte, doch ich wusste genau, was ich mir aus dieser Frage erhoffte und deswegen hatte ich Angst vor der Antwort. Ich wollte auch wissen, ob er Letitia von uns erzählt hatte, ob ich mich auf eine wütende Ex einstellen musste. Das Wichtigste was ich wissen wollte, war jedoch, ob David denn für mich die gleichen Gefühle hatte wie ich für ihn, doch das war mehr als nur abwegig. Er hatte niemals etwas in der Richtung gesagt, also machte ich mir keine großen Hoffnungen.

 

Ich musste irgendwann eingeschlafen sein, denn als ich meine Augen wieder öffnete, lag ich auf meinem Sofa, zugedeckt mit der dicken Wolldecke und meiner Schlafdecke, ein Glas Wasser und Aspirin lagen auf dem Tisch neben mir. Ich legte mir meinen Arm auf die Stirn und überlegte, an was ich mich noch erinnern konnte. David hatte gesagt er habe sich von Letitia getrennt, was würde ich denn tun, wenn er es tatsächlich wegen mir getan hatte? Ich schloss meine Augen und stand kurze Zeit später mit Schwung auf, warf meine Beine über den Rand des Sofas und schnappte mir die Aspirin Tablette  und trank anschließend das ganze Glas leer. Ich stand auf und ging ins Badezimmer, wo ich in den Spiegel sah. Ich sah definitiv aus wie eine wandelnde Leiche. Ich drehte den Wasserhahn auf und wusch mir mein Gesicht. Ich war aber auch wirklich selber schuld an meinem Zustand. Ich hätte gleich noch die restlichen Tage, die mich der Arzt krank geschrieben hatte, zuhause bleiben sollen. Ich entschloss mich dazu, ein Bad zu nehmen, weil ich ja sowieso nichts anderes zu tun hatte. Während ich in das heiße Wasser glitt, dachte ich an David und fragte mich, wann er wohl gegangen war. Es war auf jeden Fall schon nett von ihm gewesen, mich nach Hause zu bringen. Obwohl, das war doch eigentlich selbstverständlich! Musste ich jetzt jede Tat von ihm auf die Goldwaage legen, nur weil ich darin ein Verhalten sah, welches mir ein wenig mehr Aufschluss darüber geben konnte, ob er was für mich empfand oder nicht?

Wie lange ich im Wasser lag, wusste ich nicht, doch als es langsam begann abzukühlen und sich eine Gänsehaut auf meinem Körper breit machte, stieg ich heraus und wickelte mich in einen Bademantel. Anschließend begab ich mich in die Küche, wo ich mir eine Flasche Wasser holen wollte, da sah ich einen Zettel bei der Kaffeemaschine, auf dem mein Name stand. Ich ergriff ihn mit zittrigen Händen und las die Zeilen.

„Maria, ich musste los, weil ich noch etwas Wichtiges zu erledigen hatte. Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder! Viele Grüße D.“

Na das hörte sich aber nicht unbedingt so an, als würde er sich nach mir verzehren. Ich schmiss den Brief auf den Küchentresen und ging ins Wohnzimmer, wo ich den Fernseher einschaltete. Einige Minuten lang zappte ich durch die Kanäle, bis ich bei einem Nachrichtensender stehen blieb, der meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Das konnte doch nicht wahr sein! Oh Gott…

Sofort griff ich zum Hörer und rief meinen Zwillingsbruder an, der wohl ganz schön in der Klemme steckte. Nach einigen Sekunden hob er ab.

 

 

Erst nach einigen Tagen, die letzten waren die Hölle gewesen, weil ich meinem Bruder hatte beistehen müssen, kam ich wieder in die Agentur, dieses Mal jedoch wieder vollkommen fit. Ich ging schnurstracks auf mein Büro zu und freute mich direkt schon mit David zu sprechen, doch als ich es betrat, war der Raum leer. Mit leer meinte ich tatsächlich, komplett leer geräumt. Zumindest Davids Seite.

„Was zum Teufel…“, murmelte ich, wurde jedoch von hinten angeschubst, so dass ich in den Raum hineinstolperte „Hey pass doch auf!“, blaffte ich die Person hinter mir an. Als ich mich umdrehte, sah ich eine relativ zierliche junge Frau dastehen, die einen großen Karton in ihren Händen hielt.

„Ah hallo, du musst Maria sein!“, sagte sie höflich und ging auf die andere Seite des Schreibtisches, wo sie den riesigen Karton abstellte, nur um gleich umzukehren und mir die Hand entgegen zu strecken.

„Hallo, mein Name ist Tamaris, aber alle nennen mich…“

„Was ist hier los? Wo ist David?“, fragte ich die junge Frau vor mir und blickte mich im Raum um, so als würde ich dann die Informationen bekommen, die ich brauchte.

„Keine Ahnung. Na auf jeden Fall, ich komme aus dem oberen Stockwerk hierher, ich bin Eventplanerin… Mein Boss hat mich sozusagen an euch „ausgeliehen“, weil ihr wohl eine braucht.“

„Das ist mir egal! Wo ist David?“, fragte ich erneut, weil ich noch nicht so ganz verstand, was hier geschah!

„Ach der Typ, der vorher hier im Büro war? Der hat gekündigt!“, sagte Tamaris und setzte sich dann auf ihren Bürostuhl. Kurze Zeit später kamen schon die ersten in unser Büro geschossen, weil sie alle etwas von ihr benötigten. Ich setzte mich an meinen Platz, konnte jedoch keinen klaren Gedanken fassen. David hatte also gekündigt. Warum? Wegen mir? Ertrug er es etwa nicht mehr, mit mir in einem Büro zu sein?

Meine Wut stieg über den gesamten Tag hinweg. Warum hatte er mir nichts gesagt? Wieso hatte er sich so klammheimlich aus dem Staub gemacht? Was hatte er für ein Problem?

Als mein Telefon klingelte, ging ich sofort ran und hörte auch schon meine ältere Schwester, wie sie sich offenbar gerade mit jemand anderem unterhielt.

„Ellen??“, sagte ich genervt in den Hörer hinein, weil sie das immer so tat. Sie rief einen an und sprach dann erstmal eine halbe Stunde mit jemand anderem, während man auf sie warten sollte.

„Ja, ja! Ich bin dran! Hey Schwesterherz, wie geht’s Lu??“, fragte Ellen mich besorgt. Lu war unser Bruder, mein Zwillingsbruder der im Moment eine äußerst schwere Zeit durchmachte. Vielleicht ging es mir deswegen so schlecht, denn er und ich hatten schon immer eine sehr enge Beziehung zueinander gehabt. Ich erzählte Ellen alles, was ich wusste und dann schweiften wir anschließend zu meiner Nichte ab, die wohl mal wieder ein wenig launisch zu sein schien.

   

„Wie geht’s denn meinem Superhirn?“, fragte ich und lehnte mich im Stuhl zurück, während Tamaris gerade irgendwelche Termine vereinbarte und sich dann Notizen machte. Die Arme hatte ja wahnsinnig viel zu tun!

„Naja, sie hat es wohl noch nicht so ganz verkraftet, aber langsam lebt sie sich ein! Ich weiß nicht, die Scheidung war schon hart genug, dann noch dieser Umzug. Keine Ahnung, ob ich ihr damit wirklich etwas Gutes getan habe. Aber ich wollte doch einfach nur das Beste für sie.“, erzählte meine Schwester. Wir telefonierten noch eine weitere halbe Stunde und als wir schließlich auflegten, hatte ich einen Entschluss gefasst. Ich würde jetzt sofort zu David fahren und ihm meine Meinung geigen. Ich würde ihm sagen, dass ich es einfach absolut beschissen von ihm fand, dass wir so auseinander gehen mussten. Ich würde ihm sagen, er könne zum Teufel gehen, denn ich wollte nichts mehr mit ihm zu tun haben! Wie hatte er mich nur so abschießen können?

 

 

Seit etwa zehn Minuten stand ich jetzt vor Davids Haus und überlegte ob ich wirklich aussteigen sollte. Wieso sollte ich ihm eine Szene machen? Uns verband doch im Grunde genommen auch gar nichts. Er war mir nichts schuldig und schließlich waren wir beide schuld an dieser Nacht gewesen. Nur ich war leider so dumm gewesen und hatte mich verliebt, was ich mir wohl auch selbst zuzuschreiben hatte. Ich ließ meinen Kopf auf das Lenkrad fallen und schloss meine Augen. Dann klopfte ich mehrmals mit meinem Kopf dagegen. Ich war doch selbst schuld an dem Schlamassel. David hatte von Anfang an gesagt, dass er nichts mit Arbeitskolleginnen anfing, also wieso wunderte es mich denn so sehr, dass er gekündigt hatte? Wenn man mal ganz ehrlich war, dann wäre das niemals gut gegangen mit uns in einem Büro. Ich fühlte mich sowieso die ganze Zeit zu ihm hingezogen, nahm jedes seiner Worte zu ernst und überlegte dann stundenlang, was er damit gemeint haben könnte. Ich war so dumm gewesen! Wenn es diese Nacht nicht gegeben hätte, wer wusste schon, ob ich mir meiner Gefühle klar geworden wäre? Ach Schwachsinn, natürlich wäre ich das. David war nun mal ein Traumtyp und sehr viel länger hätte ich ihm wohl sowieso nicht widerstehen können. Verdammt!

Ein Klopfen an meine Scheibe riss mich aus meinen Gedanken und als ich aufblickte, sah ich genau in Davids Augen, die mich besorgt betrachteten.

Langsam kurbelte ich mein Fenster runter und nutzte die Zeit um zu überlegen, was ich sagen wollte, doch mir fiel nichts ein. Er hatte mich erwischt und dies war mir zutiefst peinlich.

„Hey David!“, sagte ich und lächelte dabei ein wenig.

„Maria? Was tust du denn hier?“, fragte er mich verwirrt. Sein Atem wurde durch die kalte Luft zu einer weißen Wolke.

„Ähm ja, also, das ist eine gute Frage!“, sagte ich und kurbelte mein Gehirn an.

„Komm, lass uns ins Haus gehen. Hier ist es echt eisig!“, sagte David und machte meine Tür auf. Ich kurbelte noch schnell das Fenster hoch und folgte ihm dann ohne Widersprüche ins Haus hinein, wo mich eine wohlige Wärme empfing. Ich sah ins Wohnzimmer, wo ein Feuer im Kamin prasselte, zwei Weingläser standen auf dem Sofatisch. Ich dachte mir nicht weiter etwas dabei.

„Kann ich dir was anbieten?“, fragte mich David mit den Händen in seinen Hosentaschen vergraben und ich sagte: „Ein Tee wäre wohl nicht schlecht!“ Erst jetzt spürte ich, wie kalt mir eigentlich gewesen war. Ich hatte auch den Überblick darüber verloren, wie lange ich eigentlich im Endeffekt vor seinem Haus herumgelungert hatte. Wahrscheinlich hatte bereits jemand die Polizei benachrichtigt, weil irgendjemand in der Straße umherschlich und ein Haus beobachtete.

„Klar, komm mit!“, sagte David und ging in die Küche, wo wir noch einige Tage zuvor zu Abend gegessen hatten. Hier hatte David mir seine starke Hand auf den Oberschenkel gelegt und mich gestreichelt…Oh mann, ich musste mich echt schnell ablenken, damit ich nicht noch leise aufstöhnte.

„Alles klar bei dir? Du bist irgendwie rot im Gesicht. Deine Erkältung hast du aber hinter dich gebracht oder?“, fragte mich David und ich nickte schnell. Wie kühl er doch rüber kam, so als wäre ich gerade vollkommen ungelegen gekommen.

„Ähm ja hab ich…“, antwortete ich auf seine letzte Frage, da ich der Meinung war, dass die anderen Fragen auch unbeantwortet gut waren.

„Sweet Kiss oder Hot Love?“, fragte David plötzlich und ich riss meinen Kopf nach oben.

„Wie bitte??“, fragte ich ihn schockiert.

„Ich hab leider nur die zwei Teesorten hier!“, entgegnete er und sah mich dann etwas genauer an.

„Bei dir wirklich alles klar?“, fragte er mich und legte die Packungen, die er gerade noch in den Händen gehalten, hatte auf den Tresen.

„Ja ja, alles super!“, sagte ich und winkte mit den Händen ab. Im Vergleich zu draußen, war es hier im Haus richtig heiß und ich begann zu schwitzen, doch ich wollte mich gar nicht erst ausziehen.

Ich räusperte mich und ließ mich auf einen Küchenhocker nieder, hörte jedoch ein seltsames Geräusch, welches ich nicht zuordnen konnte.

„Also der Grund meines Besuchs ist…“, ich machte eine kurze Pause, das Geräusch war stetig in meinem Kopf.

„Naja, also ich wollte fragen, wann du mir eigentlich sagen wolltest, dass du nicht mehr in der Agentur arbeitest?!“ Der Satz war bei weitem nicht so selbstbewusst heraus gekommen, wie er sollte und so stand ich wie ein Häufchen Elend vor David und fragte ihn indirekt warum er mich verlassen hatte.

„Ach, das wollte ich dir sowieso noch alles erklären, mir ist nur was dazwischen gekommen!“ sagte David und sah dann aber auf die Uhr.

Langsam aber sicher hatte ich ein Gefühl dafür, was für ein Geräusch das war…so hörte sich eine laufende Dusche an!!

„Sag mal, ist jemand bei dir?“, fragte ich ihn jetzt verunsichert und ging zurück in den Gang. Ich wusste, dass ich mich wie eine psychotische Freundin aufführte, obwohl ich kein Recht dazu hatte, doch irgendwas in mir drin zwang mich dazu. Ich blickte nach oben und stellte fest, dass das Geräusch vom Eingangsbereich aus noch besser zu hören war als aus der Küche.

„Maria, das ist nicht so…“, ich unterbrach ihn, indem ich meine Hand hob. In diesem Moment ging die Dusche aus und ich drehte mich zum Wohnzimmer, wo eine Weinflasche stand. Zwei Gläser…

„David??“, rief eine Frauenstimme nach unten und kurz darauf erschien auf der obersten Stufe eine Schönheit. Sie war noch ziemlich jung, wahrscheinlich so um die 19, jedoch nur in ein Handtuch gewickelt.

„Wo hast du meine Sache hingebracht?“, fragte die Stimme erneut und erst jetzt erblickte sie mich anscheinend.

Die Frau hatte lange schlanke Beine und sogar unter dem Handtuch war ihr perfekter Körper zu erkennen. Ihre langen schwarzen Haare hingen ihr nass herunter, ihre braunen Augen starrten in die meinen.

„Wer ist das?“, fragte sie David, der sprachlos einen Meter entfernt von mir stand. Sie hörte sich müde und traurig an.

„Es besteht keine Notwendigkeit mich vorzustellen. Schönes Leben noch David…“, dann ging ich zur Haustür und verließ bereits zum zweiten Mal fluchtartig das Haus des Menschen, den ich doch als meine große Liebe betrachtete. 

 

6. Kapitel

Ich hatte mich doch tatsächlich aufgeführt wie eine hysterische Exfreundin oder so etwas in der Art, doch hatte ich nicht verhindern können, dass der Schmerz in mir aufgestiegen war. Im Moment saß ich in meinem Auto und fuhr in die Richtung zu meiner Wohnung. Dort würde ich mich erstmal einigeln und die nächsten Tage gar nicht mehr herauskommen. Wie hatte er mir das nur antun können??

Ich hatte David immer als sehr verantwortungsbewussten, einfach nur falsch verstandenen Mann angesehen, der doch eigentlich immer nur die besten Absichten hatte. Und jetzt?

Ich dachte an die wunderschöne Frau in seinem Haus und musste zugeben, dass sie doch wohl eher noch als Mädchen zu bezeichnen wäre. Wie konnte er nur? Zwischen den beiden lagen mit Sicherheit beinahe zehn Jahre! Ich sah genau ihre traurigen Augen vor mir und fragte mich, warum sie mich nur so angesehen hatte? Warum hatte David nichts dazu gesagt? Ich wusste es auch ohne seine Antwort darauf. Er hatte nichts gesagt, weil er sich ertappt gefühlt hatte. Ertappt und somit in der Falle!

Als ich vor meinem Wohnblock ankam, stieg ich die Stufen hinauf und schloss anschließend meine Wohnungstür auf nur um einzutreten und festzustellen, dass die Stille die hier herrschte beinahe erdrückend auf mich wirkte. Ich sah die Nacht vor mir, die Nacht in welcher sich alles verändert hatte.

Es war beinahe so als würde ich seine Lippen auf den meinen spüren. Seine Hände an meinem nackten Rücken. Ich hörte sein Flüstern, die Worte die er zu mir gesagt hatte. „Darauf habe ich schon lange gewartet!“ hatte er mir ins Ohr gewispert und mir somit eine Gänsehaut über den ganzen Körper gejagt. Bullshit!!

Worauf hatte er denn bitte schon so lange gewartet? Darauf mich verarschen und demütigen zu können? Sich mit mir einen schlechten Scherz zu erlauben?

Alles was ich jemals über David gedacht hatte, war falsch und das war wohl die Tatsache die mir am meisten wehtat. Ich hatte mich in einen Mistkerl verliebt war jedoch in dem Glauben gewesen, dass er perfekt sei. Er war nicht die Person die ich kannte, ich hatte mich vollkommen in ihm getäuscht.

Mein klingelndes Telefon riss mich plötzlich aus meinen Gedanken und ich ging auf die Kommode zu, auf welcher das Telefon in seiner Basisstation stand. Ein Blick auf das Display zeigte mir, dass es David war, der jetzt wahrscheinlich vor mir niederkriechen wollte, weil er seine „gute Freundin“ nicht verlieren wollte. Na das konnte er vergessen! Ich ignorierte das Telefon und ging schnurstracks ins Schlafzimmer, wo ich mir meine gemütliche Jogginghose und den Pulli, den ich immer noch von Sebastian hatte, anzog. Dann folgte ich dem Ruf nach Eiscreme und trottete in die Küche, wo ich mir sofort eine Riesenpackung aus dem Eisfach holte. Jetzt noch Schokoladensirup und der gemütliche Depri-Abend konnte beginnen.

Ich lümmelte mich mit einer Decke auf die Couch und schaltete den Fernseher ein, wo ich bei einer Liebeskomödie stehen blieb. Perfekt um im Selbstmitleid zu versinken!

Während ich den Film sah, schaufelte ich einen Löffel Eis nach dem anderen in meinen Mund, goss zwischendurch immer wieder eine Ladung Schokolade darüber und löffelte weiter.

David, dieser Arsch. Nicht einmal von Sebastian hatte ich mich derart verraten gefühlt! Bei ihm hatte ich doch irgendwie immer gewusst, dass er früher oder später das einsehen würde, was ich schon längst gewusst hatte. Nämlich, dass seine Freundin wesentlich besser zu ihm passte, als seine Verlobte. Doch David?

Ihn hatte ich irgendwie immer als eine Art Stützpfeiler gesehen, selbst zu der Zeit, als wir nur Arbeitskollegen gewesen waren. Wir hatten uns ein Büro geteilt unsere Arbeit gemacht und dabei jedoch immer noch die Zeit gefunden, das Seelenleben des jeweils anderen in Ordnung zu bringen. Während er seine Events geplant hatte, hatte ich meine Werbungen designed, während er telefoniert hatte, hatte ich ihm seltsame Grimassen geschnitten und ihn dadurch zum lachen gebracht. Während ich mich über Sebastian und seine abweisende Art beschwert hatte, hatte er mir mitfühlend zugehört. Das alles gehörte nun der Vergangenheit an. Niemals wieder würde es ein „David und Ich“ geben. Keine verfrühte Mittagspausen mehr, keine gemeinsamen Abstecher ins Starbucks wo wir den neuesten Klatsch und Tratsch austauschten, keine beruhigende Umarmungen mehr, wenn es dem einen nicht gut ging.

Ich hatte David noch nicht einmal von der Sache mit Lu erzählt. David hatte immer Bescheid gewusst über solche Dinge. Höchstwahrscheinlich hatte er es irgendwo mit aufgeschnappt, schließlich war es ja in den Nachrichten gelaufen und er kannte meinen Bruder, doch wir hatten nicht weiter darüber gesprochen. Stattdessen hatte er mich einfach verlassen.

Ich war immer ein äußerst starker Mensch gewesen, der sich von solchen Dingen niemals aus der Ruhe hatte bringen lassen, doch in diesem Moment auf dem Sofa, alleine in meiner Wohnung, wurde mir die ausweglose Situation in ihrer vollkommen umfassenden Form bewusst: Ich hatte nicht nur den Menschen verloren, den ich liebte. Nein ich hatte auch meinen besten Freund verloren, genau so wie ich es vorausgesehen hatte.

„Was wenn nicht?“ hatte er mich kurz vor unserem Kuss gefragt und ich hatte ihm geglaubt. Oh ja, ich hatte ihm in dieser Hinsicht vertraut und war überzeugt gewesen, dass wir das tatsächlich irgendwie hinkriegen würden, ich musste es zugeben. Doch mein Vertrauen war vollkommen missbraucht worden und ob es jemals wieder hergestellt werden konnte, wusste ich nicht.

‚Du bist doch selber schuld! Normalerweise bist du nicht so naiv!’ sagte mir mein Gewissen und wohl oder übel musste ich ihm zustimmen!

Ein weiteres Klingeln meines Telefons riss mich aus meinen Gedanken und ich stand auf um in den Flur zu gehen. Schon wieder David. Bereits sein fünfter Anruf!

Ich beschloss ran zu gehen und ihm zu sagen, er solle mich endlich in Ruhe lassen, denn ich ertrug es einfach nicht weiter zu wissen, dass er am anderen Ende der Leitung darauf wartete, dass ich abhob, nur um mir irgendeine blöde Lüge aufzutischen!

„Was willst du?“ fragte ich ihn gereizt. Kein Hallo, sondern nur was willst du!

„Maria, Gott sei Dank! Ich muss dringend mit dir reden!“ sagte David und klang ein wenig aus der Puste.

„Ich will aber nicht mehr reden David. Ich habe alles gesehen und gehört was ich wollte, lass mich in Ruhe!“ sagte ich und war beinahe dabei aufzulegen, doch seine Worte ließen mich inne halten.

„Das ist doch alles ganz anders als du denkst verdammt. Wenn du mich endlich ausreden lassen würdest, dann würdest du verstehen…“

Jetzt erst drückte ich auf den Auflegeknopf und schmiss das Telefon durch den Gang gegen die Tür, wo es in einige Teile auseinander brach.

Nicht einmal den Mumm zuzugeben, dass er Mist gebaut hatte, hatte er. Ich hatte es doch mit eigenen Augen gesehen! Es war ganz anders als ich dachte, den Spruch kannte man doch aus sämtlichen Filmen.

Eine Frau betritt ihr Schlafzimmer, in welchem es sich der Ehemann gerade mit seiner Sekretärin gemütlich macht, was sagt der Mann? „Schatz, es ist nicht so wie es aussieht!“ Nächste Szene: Ein Mann erwischt seine Frau beim rumknutschen mit dem Gärtner, die Frau sagt „Es ist ganz anders als du denkst!“ natürlich total empört darüber, dass er so was denken könnte.

Ja diesen Spruch kannte ich nur zu gut aus den Filmen, doch bei mir würde er nicht ziehen. Ich betrachtete das Telefon, das kaputt auf dem Boden lag und beschloss, es ein anderes Mal aufzuräumen. Heute war mein Tag! Ein Tag, an welchem ich nichts anderes mehr tun würde, als zu entspannen und alles Geschehene aus meinen Gedanken zu verbannen.

 

 

Am nächsten Tag in der Arbeit, saß ich Tamaris gegenüber, die mal wieder in vollkommenem Stress zu sein schien. Es war wahrscheinlich nicht unbedingt leicht, mitten drin in eine Firma zu kommen und die Arbeit eines anderen zu übernehmen. Ich ertappte mich im Laufe des Tages immer häufiger dabei, sie anzustarren und festzustellen, dass irgendwas nicht stimmte. Das war nicht ihr Platz verdammt sondern David seiner, doch der gurkte wahrscheinlich gerade irgendwo mit seiner Schnalle herum.

„Hey Maria, alles klar bei dir?“ fragte mich Tamaris und betrachtete mich besorgt.

„Klar, alles super!“ sagte ich gelangweilt. Ich erhob noch nicht mal meinen Blick vom Bildschirm.

„Ok…“ hörte ich Tamaris darauf entgegnen, offenbar hatte sie kapiert, dass ich gerade für kein Pläuschchen unter Arbeitskollegen aufgelegt war.

Als die Tür aufging, sah ich nicht einmal auf, da ich mir sicher war, dass es sowieso für unsere fleißige Biene war, doch als ich seine Stimme hörte, erstarrte ich.

„Maria…“ ich hielt in der Bewegung inne und richtete meinen Blick langsam auf die nun offen stehende Bürotür.

„Ähm, ich glaube ich hole mir mal einen Kaffee.“ Sagte Tamaris und machte sich klugerweise aus dem Staub und schloss dabei die Tür hinter sich.

Es dauerte einige Sekunden, bis ich meine Sprache wieder fand und mein Verstand aktiviert wurde und in dem Moment, richtete ich meinen Blick wieder auf die Skizze des Werbeplakates, welches gerade in Arbeit war.

„Was willst du?“ fragte ich dabei gleichgültig.

„Naja immer noch mit dir sprechen. So wie die letzte Woche eigentlich durchgehend…“ sagte David und tat dabei doch tatsächlich so, als wäre ER hier das Opfer. Ich wandte meinen Blick vom Bildschirm nach draußen und sah, dass es erneut begonnen hatte zu schneien. Nichts Außergewöhnliches für London.

„David, ich glaube ich habe mich klar genug ausgedrückt als ich zu dir gesagt habe, dass ich mit dir nichts mehr zu tun haben möchte!“ sagte ich so standhaft wie es nur ging und umging es dabei ihn anzusehen, da ich Angst hatte dann schwach zu werden.

„Maria verdammt, warum willst du dir nicht einfach einmal anhören, was ich zu sagen habe?“ fragte David und kam näher, ging schließlich so wie er es hunderte Male zuvor getan hatte, vor mir in die Knie und sah mich an.

Ich drehte mich in seine Richtung und betrachtete ihn.

„Weil ich dir sowieso nichts mehr glauben kann!“ sagte ich dann und stand auf. Ich musste hier raus, dringend.

Ich schnappte mir meinen Mantel und stürmte aus dem Büro, spürte dabei jedoch dass David diesesmal nicht so leicht aufgeben würde.

„Maria, jetzt warte doch bitte!“ sagte David und ich drehte mich um. Mir war klar, dass ich mich in einem riesigen Raum befand, wo ein Großteil der Mitarbeiter gerade gewissenhaft seiner Arbeit nachging, doch es war mir egal.

„Nein ich warte nicht verdammt! DU hast mich von vorne bis hinten verarscht! Du schläfst mit mir und dann? Ziehst du so eine Show ab? Geh und fick deine kleine Nutte die du zuhause hast und lass mich endlich in Ruhe!!“ schrie ich ohne an die Konsequenzen zu denken.

Ich stürmte auf den Aufzug zu und hämmerte wie wild auf den Knopf. Mein Herz schlug gefühlte tausend Mal schneller, Adrenalin durchströmte meinen Körper und ich nahm nichts anderes mehr wahr als meine Wut die mich zu verschlingen drohte.

Als die Fahrstuhltüren endlich öffneten ging ich hinein und drückte auf den Knopf der mich ins Erdgeschoss bringen würde. Die Türen schlossen sich und in dem Moment hielt ich mir die Hand vor das Gesicht, was hatte ich nur getan? Jetzt durfte ich mir auch noch einen Neuen Job suchen, vor allem wenn irgendwo im Büro Kunden waren, die diese Szene beobachtet hatten.

Langsam aber sicher verlor ich alles was mir wichtig war und was mir Halt gab.

Das erste Mal, seitdem dies alles geschehen war, ließ ich meinen Tränen freien Lauf. Ich drückte auf den Knopf, der den Fahrstuhl zum Anhalten bewegen würde und glitt dann an der glatten, kalten Wand nach unten, wo ich meine Beine anzog, mir meinen Mantel darauf legte und mich meinem Schmerz hingab. Alles hatte ich zerstört durch diese eine Nacht so wie ich es damals gesagt hatte.

Gefühlte Stunden später, hatte ich mich endlich wieder beruhigt und sah mich in den Spiegeln, die an den Seiten des Aufzugs befestigt waren an. Rote und geschwollene Augen, Fleckiges Gesicht, Frisur ruiniert. So sollte jemand aussehen, der gerade am Ende seiner Kräfte stand.

Ich drückte erneut den Anhalteknopf was dazu führte, dass sich der Aufzug wieder in Bewegung setzte und blickte nach unten, damit niemand mir ansah, dass ich eben in diesem Fahrstuhl zusammengebrochen war. Keine Minute später, kam ich im Erdgeschoss an.

Als sich die Türen langsam öffneten sah ich Beine, die in einer lässigen Jeans steckten. Mein Blick wanderte, obwohl ich es nicht wollte nach oben und ich entdeckte David, wie er vor dem Fahrstuhl gewartet hatte und offensichtlich gehofft hatte mich abzupassen.

Ich verließ den Aufzug und ging, ohne auch nur ein Wort zu sagen auf den Ausgang zu, schmiss mir meine Jacke über und trat nach draußen. Die kalte, frische Winterluft blies mir sofort ins Gesicht und kühlte meine vom weinen heißen Wangen angenehm ab. Die Kälte brachte meinen Körper dazu wieder richtig zu funktionieren.

Da ich heute mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gekommen war, machte ich mich auf den Weg nach links.

Ich spürte wie mich jemand am Arm packte und herumwirbelte und schon stand ich David näher, als ich ihm eigentlich jemals wieder sein wollte.

„Warum kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen?“ fragte ich ihn mit kratziger aber ruhiger Stimme.

„Weil ich nicht kann…“ sagte David sah mir dabei die ganze Zeit in die Augen.

Er hob seine Hand an und wischte die letzten Reste der Tränen weg, dann sagte er „Ich bitte dich doch nur darum, mir einmal kurz zuzuhören. Seit über einer Woche läufst du vor mir davon, das ertrage ich einfach nicht!“

Ich schloss kurz meine Augen, genoss das Gefühl seiner Hand, bevor ich sie wieder öffnete und einen Schritt zurückwich.

„Ich kann nicht, es verletzt mich zu sehr!“ so ehrlich war ich wohl noch niemals gewesen, ich war kein Mensch der großen gefühlvollen Worte. War ich niemals gewesen.

„Tja mich verletzt es ebenfalls…“ sagte David, wich jedoch nicht zurück.

„Mich verletzt es, deinen schmerzerfüllten Blick zu sehen, der mir sagt dass du glaubst dich in mir getäuscht zu haben. Es hat mich verletzt als du meintest, diese Nacht hätte nichts bedeutet, wir sollten sie vergessen!“ Ich wurde stutzig und fragte mich, was er mir damit sagen wollte.

„Aber das ist doch genau das, was du willst!“ sagte ich dennoch energisch.

David schüttelte den Kopf.

„Nein Süße, das hast du mir die ganze Zeit an den Kopf geschmissen! Das was ich will, steht eigentlich schon ziemlich lange fest!“ ich spürte wie mein Körper ein klein wenig wärmer zu werden schien.

„Was ist mit der Frau David? Ich hab sie gesehen, du kannst mir also nichts vormachen!“ sagte ich, auch wenn ich spürte, dass mein Widerstand ein wenig zu bröckeln begann. Das wurde wahrscheinlich lediglich durch seine Nähe verursacht.

„Du meinst die Nutte bei mir zuhause?“ fragte er ein klein wenig scherzhaft. Ich sah auf den Boden, peinlich berührt von meinem Auftritt.

„Sie ist meine Schwester, Kendra. Sie hat für ein paar Tage einen Unterschlupf gebraucht!“ antwortete David, als wäre es das normalste auf der Welt. Nun ja, war es ja auch wenn man es recht überlegte. Ich kniff meine Augen zusammen und versuchte darüber nachzudenken, ob David jemals eine Schwester erwähnt hatte. Jetzt da ich darüber nachdachte, hatte er das tatsächlich. Seine Schwester Kendra lebte in Liverpool, da sie dort ihr Studium begonnen hatte.

„Ich weiß nicht ob ich dir glauben kann…“ sagte ich dennoch, denn gesehen hatte ich sie noch nie und wer konnte mir schon vergewissern, dass sie es tatsächlich war.

David schüttelte seinen Kopf und wich dann seinerseits einen Schritt zurück.

„Du willst mir einfach nicht glauben, oder?“ fragte er erbost und warf dann hilflos seine Arme in die Luft nur um sie kurze Zeit später wieder fallen zu lassen.

„Du hast Angst davor glücklich zu sein, das ist dein Problem! Das war es schon immer. Als du noch mit Sebastian zusammen warst, hattest du dich damit abgefunden einen soliden Partner gefunden zu haben. Nicht zu viel Drama, nicht zu viele Gefühle, nichts was dich irgendwie abhängig von ihm machen würde! Wenn du es recht überlegst sprichst DU die ganze Zeit, seitdem wir miteinander geschlafen haben, davon, dass wir es vergessen müssen. Dass wir so tun müssen, als wäre es nie geschehen! Das ist aber nicht das was ich will! Und wenn du mal tief in dich hinein gehst, dann wirst du feststellen, dass du das schon weißt! Aber das tust du nicht, weil du Angst hast dich emotional an jemanden zu binden!“ Oh jetzt war David derjenige der wütend war.

„Rede doch keinen Blödsinn, das ist alles ganz anders!“ sagte ich und dachte noch mal über seine Worte nach. David war jedoch anscheinend noch nicht fertig.

„Seit Jahren sitze ich dir jeden Tag gegenüber und höre mir deine Schimpftiraden an. Zuerst über Sebastian, dann über deine Liebeleien nach  dem Ende eurer Beziehung. Ich hörte dir zu, wenn du davon sprachst und habe mich jedes Mal gefragt, warum du eigentlich niemals mich in Betracht gezogen hast?? Doch den einfachen Weg, würdest du ja niemals nehmen!“

Jetzt legte er sich die Hand auf die Brust und sagte „ICH jedoch, habe nur darauf gewartet, dass du endlich einsiehst, dass ich derjenige bin der doch perfekt zu dir passt. Doch das hast du nie! Du hast mich immer nur als deinen besten Freund, als deinen Arbeitskollegen gesehen, ich habe dich jedoch schon von Anfang an als die Frau angesehen, mit der ich mein Leben verbringen will. Ich war der Meinung, dass du mich niemals lieben könntest, deswegen habe ich mich in sinnlose Affären und Beziehungen gestürzt, die mir doch niemals das gaben, was ich wollte! Der Tag an welchem du ins Büro kamst und verkündet hast, dass die Hochzeit abgesagt ist, war der Glücklichste in meinem Leben! Ich dachte jedoch, du bräuchtest erstmal noch deine Zeit. Ich hörte dir zu wie du über Männer gesprochen hast, mit welchen du die Nacht verbracht hast, sagte nichts dazu, bestärkte dich sogar darin weil ich wollte dass du glücklich bist, verdammt!!“ sagte David. In der Zwischenzeit war er wieder näher gekommen und hatte mich bei meinen Armen gepackt. Ich hingegen blieb stocksteif stehen, wusste nicht was er mir damit sagen wollte. Eines war jedoch klar, es war etwas Wichtiges.

„Ich verstehe nicht…“ murmelte ich.

„Wie du verstehst nicht? Ich liebe dich, verdammt noch mal!“ entgegnete David mit aller Entschlossenheit. Diese Worte waren wie ein Fausthieb in meinen Magen. Konnte das der Wahrheit entsprechen? War ich wirklich so blind gewesen? So bescheuert?

Ich dachte an die letzten Monate zurück, an die immer zufällig erscheinenden Berührungen, an seine Worte und Blicke. Ich dachte an die Nacht zurück, in welcher er mir gesagt hatte, dass er schon lange darauf gewartet hatte und in welcher wir uns geliebt hatten.

„A…aber wieso?“ fragte ich ihn vollkommen verwirrt.

Ich war so sehr darauf konzentriert gewesen darüber nachzudenken, was normal wäre für einen wie David. Was er normalerweise nach dieser Nacht empfinden müsste, was er tun müsste. Doch ich hatte niemals daran gedacht ihn einfach nur zu fragen. Ich hatte ihm ständig etwas unterstellt und er hatte keine Möglichkeit bekommen, darauf zu reagieren, weil ich ständig davon gelaufen war!

„Tja, wenn ich das wüsste…Du bist launisch, sehr temperamentvoll, kannst Gefühle nur sehr schwer zulassen und ich bin mir ziemlich sicher, dass wenn wir eine Beziehung führen ich derjenige sein werde, der herumgescheucht wird, doch jedes Mal wenn ich daran denke, dann stelle ich fest, dass es genau das ist was ich möchte!“ sagte er.

Für eine Liebeserklärung, waren diese Worte zwar nicht sonderlich romantisch, aber dennoch wusste ich was er mir damit sagen wollte. So war ich und dennoch wollte er mich.

„Also, was sagst du?“ fragte mich David und ich überlegte was ich sagen sollte. Ein „Ich liebe dich auch!“ wäre mir in diesem Moment zu schmalzig gewesen, ein „Ich will all die Sachen die du auch willst!“ zu sehr romantisches Gesülze also tat ich einfach das, was ich die letzten Tage und Wochen die ganze Zeit hatte tun wollen. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, legte meine Hände in seinen Nacken und zog ihn zu mir hinab, dann sagte ich „Eins nach dem anderen, ok? Ich bin darin einfach kein Profi…“ und legte dann meine Lippen auf die seinen. Eine perfekte Verschmelzung.

 

„Ok, das ist definitiv besser gelaufen als ich erwartet habe…“ sagte David der neben mir lag und sich kurz darauf eine Ladung Sahne in den Mund sprühte. Wir hatten uns gerade ganze zwei Stunden lang vertragen und ich war glücklicher als jemals zuvor. Mein ganzer Körper schmerzte zwar, meine Muskeln taten weh und ich war müde, doch trotzdem fühlte ich mich so gut, wie noch nie in meinem Leben.

David liebte mich, ich liebte David. In einer Woche, würden wir unser erstes gemeinsames Weihnachten von vielen vielen weiteren feiern. Der Beginn unserer eigenen Geschichte.

Ich betrachtete den Mann, der da neben mir lag und nur mit einer Decke bedeckt war genau und fühlte mich in diesem Moment so, als könnte ich alles und jeden besiegen.

„Alles klar bei dir?“ fragte mich David, der gerade den Blick vom Fernseher abwandte.

Ich lächelte und sagte „Ja alles klar, jetzt da du bei mir bist!“ Dabei lächelte er ebenfalls, streckte die Arme aus und ich legte mich an seine Brust, lauschte seinem Herzschlag und dachte über das Geschehene vor allem jedoch über das was ich daraus gelernt hatte nach.

Ich hatte gelernt, dass wenn man etwas auf dem Herzen hat, man mit den Menschen sprechen sollte. Keine Sache der Welt war so kompliziert, dass sie nicht doch irgendwie mit Worten geklärt werden konnte. Ich hatte gelernt, dass voreilige Schlüsse zu ziehen Gift für jede Beziehung sein konnte. Interpretation der Gedanken der anderen, schadete nur, denn kein Mensch war fähig, die  Gedanken des anderen zu lesen und richtig auszulegen außer der betroffenen Person selbst. Außerdem hatte ich gelernt, dass das einzig Wahre doch eigentlich die Menschen waren, die einen ständig begleiteten, die man liebte und denen man vertrauen konnte.

Ich hatte mir einen Mann gewünscht, der mich glücklich machen konnte. Hatte dabei überall Ausschau gehalten und mir ausgemalt wie er zu sein hatte. Wunschfiguren und Träume heraufbeschworen, obwohl doch eigentlich der perfekte Mann mir jahrelang gegenüber gesessen war und darauf gewartet hatte, dass ich endlich meine Augen richtig öffnete und sah, was er die ganze Zeit wahrnahm. Manchmal konnte es etwas länger dauern, doch die Einsicht, die würde kommen. 

 

 

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Impressum

Tag der Veröffentlichung: 26.03.2013

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